Gartow-Chronik_DRUCK
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Otto Puffahrt, Gartow - Vom Rittersitz zur Ferienregion
© 2016 Druck- und Verlagsgesellschaft Köhring GmbH & Co. KG
ISBN 978–3–926322–58–6
Das Buch ist urheberrechtlich geschützt. Alle dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der
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Wege, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.
Gesamtherstellung: Druck- und Verlagsgesellschaft Köhring GmbH & Co. KG, Lüchow
Otto Puffahrt
Gartow
Gartow vom Rittersitz zur Ferienregion
unter Mitarbeit von Elona Dreyer und Hans Martin Ulrich
Herrausgeber Kulturverein Gartow
Köhring Verlag
Lüchow
Inhalt 4
Geleitwort 9
Vorwort 10
Einleitung 12
Naturräumliche Gliederung 14
Gemarkung 15
Bodenbeschaffenheit 17
Klima 17
Landschaft 18
Binnendeichs-Stromland 19
Elbe-Vordeichsflächen 19
Naturschutzgebiete 20
Nebenflussniederungen 21
Talsand- und Dünengebiete 23
Die Seege 24
Alandüberleitung 32
Quellen und Literatur 34
Erste Erwähnung Gartows 35
Siedlungsentwicklung 36
Burg und späteres Schloss Gartow 39
Kämpferische, unsichere Zeiten im Frühmittelalter 43
Landesherrscher im Mittelalter 45
Brandenburg 45
Sachsen 45
Braunschweig - Lüneburg 46
Gartow im Besitz des Johanniter Ordens 49
Quellen und Literatur 51
Gartow als Grenzort bis 1719 53
Quellen und Literatur 60
Die Adelsgeschlechter in Gartow 61
Herren von (der) Gartowe (Charthowe) 61
Herren von Bülow 65
Wappensage der Familie von Bülow 66
Gartow unter der Herrschaft von Bülow 67
Wirtschafliche Aktivitäten 69
Dienste 71
Eigenmächtige Handlungen der von Bülow 71
Vergleich mit der Gartower Bürgerschaft 74
Zwangsbewirtschaftung und Übergang auf die Grafen von Bernstorff 76
Quellen und Literatur 81
4
Grafen von Bernstorff – Haus Gartow 83
Besitzzeiten derer v. Bernstorff 86
Abhängigkeit vom Haus Gartow 86
Dienste 87
Handwerker 89
Trauerbegleitung 90
Steuern und Abgaben 91
Quellen und Literatur 94
Amtsverwaltung 95
Quellen und Literatur 97
Justizwesen 98
Geschlossenes Gericht Gartow 98
Rechtspflege 107
Gerichtsbrüche und Geldstrafen Gartower Einwohner 112
Quellen und Literatur 119
Forst und Landwirtschaft 120
Gartower Wald 120
Quarnstedt 123
Vorwerk Gartow 125
Quellen und Literatur 127
Soziales Engagement des Hauses Gartow 128
Bauten für das gräfliche Personal 130
Quellen und Literatur 132
Kirchen-, Schul- und Sozialwesen 133
Notizen zur Kirchengeschichte 133
Friedhöfe 136
Gemeindeleben 138
Besoldung und Rechnungswesen 144
Gartower Pastoren 151
Kirchen- und Schulpatronate 162
Kindergarten 164
Schulen in Gartow 167
Mittelpunktschule Gartow 177
Realschule 178
Szola Podstawowa-Elbtalschule 179
Ambulante Pflege 181
Arzt und Apotheke 182
Bademutter/Hebamme in Gartow 185
Krankenverein 186
Krankenhäuser 186
Stiftung zum Heiligen Geist der Familien von Bülow und von Bernstorff 187
Senioren- und Pflegeheim 189
Quellen und Literatur 194
5
Gartows Entwicklung bis zur Aufhebung der Gerichtsverwaltung 1850 197
Konstituierung als Ort 197
Öffentliche Einrichtungen 201
Brandschutz und Feuerwehr 201
Brände in Gartow 204
Am 29. Mai 1721 abgebrannte Bürgerstellen 204
Am 25.September 1853 abgebrannte Bürgerstellen 207
Kirchenneubau nach dem Großbrand 1721 209
Gasthof 211
Gemeindewald 213
Gemeindewappen 216
Postwesen 216
Ratswall 221
Scharfrichterei/Abdeckerei 222
Schmiede 224
Sparkasse 225
Verkehrsverbindungen im Raum Gartow 227
Wegegesetz und Öffentlicher Personennahverkehr 233
Eisenbahn-Projekte 235
Seege-Brücken 238
Brückenzoll an der Seegebrücke 240
Quellen und Literatur 243
Franzosenzeit 245
Quellen und Literatur 259
Das Gemeinwesen Gartow im Wandel der Zeit 260
Verwaltung nach dem Landgemeinde-Gesetz von 1859 261
Gartower Ratsbuch 263
Gartower Ratsprotokolle 1862 - 1866 275
Gemeinde-Ausschuss 283
Gemeinde-Finanzen 284
Grundstücksverkehr und Bürgerstellen 286
Geburtsbescheinigung (ausgestellt vom Gartower Rat) 288
Gemeinde- und Gutsangelegenheiten 289
Grenzfestlegungen 291
Realgemeinde Gartow 294
Auflösung des Gutsbezirkes Gartow 295
Quellen und Literatur 299
Gartows Entwicklung von 1853 - 1971 300
Lokalhistorische Begebenheiten im Raum Gartow von 1853 - 1930 300
Elektrifizierung 300
Gartow 1900 - 1930: Aus der Sicht von Wilhelm Tege 304
Gefallene und Vermisste des 1. Weltkrieges aus Gartow 314
Gartow im Dritten Reich 321
Gartow 1930 - 1945: Aus der Sicht von Wilhelm Tege 321
Kriegszeit 1942 - 1945 327
6
Kämpfe in und um Gartow 339
Gefallene und Vermisste des 2. Weltkrieges aus Gartow 361
Quellen und Literatur 364
Das neue Bundesland Niedersachsen 365
Unmittelbare Nachkriegszeit und Wohnungsnot 365
Gartows Entwicklung 1947 - 1948 369
Aufbauzeit 1950 - 1954 375
Gartow 1950 - 1955: Aus der Sicht von Wilhelm Tege 386
Gartows Entwicklung 1956 - 1957 393
Quellen und Literatur 398
Grenzprobleme 399
Zollkommissariat Gartow 403
Quellen und Literatur 408
Gartows weitere Entwicklung 1961 - 1972 409
Gemeindereform und Bildung der Samtgemeinde Gartow 409
Gartow 1955 - 1961: Aus der Sicht von Wilhelm Tege 417
Weitere Bebauung und neue Bebauungspläne 422
Die Jahre 1970 - 1972 im Überblick 435
Partnerschaften 444
Bundeswehr 444
Prats-de-Mollo-la-Preste - Gartow 446
Sokolow Podlaski - Gartow 447
Quellen und Literatur 448
Wirtschaftsleben 449
Die wirtschaftliche Situation im Raum Gartow 449
Handel, Handwerk und Gewerbe 451
Biogasanlage Gut Quarnstedt 454
Holzwirtschaft 456
Kalthaus-Genossenschaft 463
Märkte 466
Landwirtschaft 470
Neuordnung der Flur 470
Bodennutzung im 20. Jahrhundert 473
Flurbereinigung und künftige Entwicklung 477
Viehbestand 480
Quellen und Literatur 481
Tourismus 483
Die Anfänge im Landkreis Lüchow-Dannenberg 483
Erste Überlegungen im Raum Gartow 485
Die Entwicklung nach 1970 490
Gartow wird Luftkurort 494
Ausbau des Tourismusangebotes 496
Campingplatz 501
Gartower See 502
7
Wendlandtherme 506
Höhbeck 508
Ökologie und Umwelt 510
Seeadler-Beobachtung in der Seege-Niederung 511
Quellen und Literatur 512
Wasserwirtschaft 513
Trinkwasser 513
Abwasser 516
Binnenentwässerung Gartow-Nienwalde 519
Hochwasserschutz 520
Quellen und Literatur 525
Das Gorleben-Problem 526
Quellen und Literatur 533
Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof 534
Alter Friedhof 534
Kriegerdenkmal des 1. Weltkrieges 534
Heldenfriedhof Gartow-Ehrenhain 535
2012: Umbettung von 13 Kriegstoten 535
Umbenennung vom Ehrenhain zur Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof 536
Aufstellung eines neuen Holzkreuzes 536
Personenregister 538
Sachregister 553
Zeittafel zur Geschichte Gartows 562
8
Geleitwort
Unser Ort Gartow ist erstmals 1225 urkundlich erwähnt worden. Mit dem Auftauchen des Begriffs
„derer von Ghartowe“ wird auch die Existenz eines Ortes Gartow sichtbar.
Bereits 1955/57 hat der verdienstvolle Kantor, Lehrer und Heimatforscher Rudolf Haberland
(1883 - 1968) viele Fakten zur Historie des Gartower Raums in seiner „Geschichte des Grenzgebietes
Gartow-Schnackenburg“ veröffentlicht. Während Haberland nicht nur Gartow, sondern
vor allem auch das geographische Umfeld in seine Forschungen einbezog, richtet Otto Puffahrt
den Fokus auf Gartow selbst, das seit Jahrhunderten als der zentrale Mittelpunkt dieses Gebietes
gelten muss. Eine nur auf Gartow (und Quarnstedt) bezogene geschichtliche Darstellung fehlte bisher.
Das ungebrochene Interesse an Heimatgeschichte motivierte Otto Puffahrt, die geschichtliche
Entwicklung Gartows tiefgründiger zu recherchieren und niederzuschreiben.
So wird die erstaunliche Entwicklung des Gemeinwesens Gartow unter dem Einfluss des Johanniterordens
und des Adels bis 1850 beleuchtet, aber auch die nicht weniger interessante Zeit der
vergangenen 160 Jahre bis heute. Hierbei war das Gräflich von Bernstorff’sche Archiv im Gartower
Schloss eine unschätzbare Hilfe. Die Gemeinde Gartow ist Andreas und Fried Graf von Bernstorff
für die großzügige Unterstützung und Auswertungserlaubnis ihrer Archivalien zu großem Dank
verpflichtet.
Otto Puffahrt, dem das Gartower Gebiet auch dienstlich als Wasserwirtschaftler am Herzen lag, recherchiert
und schreibt seit 35 Jahren zur Historie des Gartower Raums, schon 1990 wurde sein
Buch „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“ veröffentlicht. Sein uneigennütziger
Wunsch, die historische Überlieferung der Ereignisse in Gartow in einer umfassenden Chronik für
die Nachwelt sicherzustellen, ist ein großes Glück für Gartow. Dafür gebührt ihm große Anerkennung
und unser persönlicher Dank!
Bedanken möchten wir uns auch bei dem Kulturverein Gartow, der als Herausgeber große Anteile
am Erscheinen dieses Buchs hat, bei dem Gartower Gemeinderat und vielen nicht genannten
Unterstützern für ihr Engagement.
Mit der Vorlage dieses umfassenden Werks hat der Verfasser Otto Puffahrt, die vielleicht nur ihm
gegebene Möglichkeit genutzt, wesentliche Teile der Geschichte Gartows und Quarnstedts dem
Vergessen zu entreißen und uns Lesern zugänglich zu machen. Wir hoffen, dass Viele dieses Buch
lesen werden. Sie können darin wertvolles Wissen zu allen Fragen unserer Ortsgeschichte finden.
Ulrich v. Mirbach
Bürgermeister
Gemeinde Gartow
Christian Järnecke
Gemeindedirektor
Gemeinde Gartow
9
Vorwort
Um die Gegenwart in einem so geschichtsträchtigen Raum wie dem Gartower zu verstehen, ist es
wichtig, die Vergangenheit zu kennen. Otto Puffahrt ist es gelungen, die einmalige Aktenlage des
Schlossarchivs zu nutzen und eine Chronik des Fleckens Gartow vom 13. Jahrhundert bis heute
zu schreiben.
Schon Rudolf Haberlands Veröffentlichungen von 1955 - 1957 befassen sich ausführlich mit der
Geschichte des Grenzgebietes Gartow/Schnackenburg von vorchristlicher Zeit an bis zur Katastrophe
des Zweiten Weltkrieges. Sie sind eine wertvolle Quelle, nicht nur für heimatkundlich interessierte
Leser, sondern auch für Historiker.
Die Geschichte dieses Grenzgebietes wurde geprägt von germanisch/slawischen Auseinandersetzungen
im Mittelalter, später durch wechselnde Zugehörigkeit zu brandenburgischen bzw. lüneburgischen
Hoheitsgebiet und nach dem zweiten Weltkrieg schließlich durch die an ihrer Peripherie
verlaufende Demarkationslinie, welche nicht nur zwei unterschiedliche Systeme in Deutschland
sondern Westeuropa von Osteuropa über mehr als vier Jahrzehnte trennte.
Das Verdienst von Otto Puffahrt ist es, mit der Chronik von Gartow auch die Jahrzehnte nach dem
Zweiten Weltkrieg in den Fokus genommen zu haben. Darüber hinaus spannt der Verfasser den
Bogen zurück bis zum Mittelalter. Die Urkunden belegen, dass schon 1125 etwa dort, wo das
heutige Schloss steht, die Herren von der Chartowe auf einer Burg residierten. Der Heimatforscher
Alfred Pudelko, seinerzeit Direktor der Gartower Mittelschule, weist auf eine Kette von Burgen im
Gartower Umfeld hin. Diese wurden teilweise, wie der Elbholzer Burgwall, von den Elbslawen gebaut
und verteidigt. Andere, wie die Gartower Burg, waren deutsche Befestigungsanlagen.
Die Chronik befasst sich in der Nachfolge der Herren von der Chartowe mit einem kurzen für
Gartow wichtigen Zeitabschnitt im 14. Jahrhundert. Der Johanniterorden hatte die Gartower Herrschaft
in Besitz genommen und der gewählte Herrenmeister lenkte von hier aus die Geschicke des
Ordens im deutschen Bereich.
Anfang des 15. Jahrhunderts residierten die Bülows für 250 Jahre in der Gartower Burg, bis der
Staatsmann Andreas Gottlieb von Bernstorff 1694 die Grundherrschaft Gartow mit Burg und Gütern
von den Bülows erwarb. Das Wirkungsfeld dieser Persönlichkeit fand seinen Niederschlag in
einer totalen Neuordnung der vorgefundenen Situation, in der Begründung eines geschlossenen
adeligen Gerichtes und in der Gestaltung nahezu landesherrlicher Verhältnisse, die er seinem
Dienstherrn, dem Herzog Georg Wilhelm von Celle/Lüneburg abringen konnte. Die nachfolgenden
Bernstorff´schen Generationen befassten sich mit Großaufforstungen der devastierten Heideflächen,
entwässerten die Moore, und übten sich in Bautätigkeiten, welche in Gartow, den umliegenden
Dörfern und Forstorten nachhaltig das Orts- und Landschaftsbild mit geprägt haben. Noch
heute ist der Bernstorff´sche Besitz in seiner ursprünglichen Größe und Gestalt erhalten und von
mir zur treuhänderischen Verwaltung an meinen ältesten Sohn übergeben.
Einen besonderen Schwerpunkt legt die Chronik auf die Entwicklung der bürgerlichen Eigendynamik,
die sich in landwirtschaftlicher Betätigung, Handwerk und Handel äußerte. Obwohl drei
Brände Gartow im Verlauf der letzten Jahrhunderte ganz oder teilweise vernichteten, gelang der
Wiederaufbau mit vereinten Kräften und das Gemeinwesen konnte sich von diesen Schlägen erholen.
Gartow entwickelte sich im Lauf der Zeit zu einem Ort mit vielfältigen Angeboten und einer
intakten Infrastruktur. Allerdings bereitet die Abwanderung der jungen Generation, die von dem
10
Zuzug einiger Neubürger kaum kompensiert werden kann, der ortsansässigen Bevölkerung zu
nehmend Sorgen.
Dennoch, das historische Ortsbild von Gartow mit Schloss, Kirche und den schönen Bürgerhäusern
in Fachwerkbauweise, die Lage im Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“ mit der
einmaligen schönen Landschaft im Gartower Umfeld mit seinen Elbauen und den ausgedehnten
Kiefernwäldern sind beste Voraussetzungen für die Weiterentwicklung eines Natur- und Ferienparadieses.
Bisher fehlte eine nur auf Gartow bezogene geschichtliche Darstellung, eine Lücke, die jetzt von
Otto Puffahrt geschlossen worden ist. Wir haben unser Schlossarchiv für diese Chronik mit den
noch vollständig vorhandenen Urkunden und Dokumenten vom Mittelalter bis heute hierfür umso
lieber geöffnet, als Herr Puffahrt mit uns über 30 Jahre verbunden ist. Während dieser Zeit hat
er nicht nur unendlich viele Ereignisse aus der Gartower Geschichte veröffentlicht, sondern auch
dafür gesorgt, dass die im Archiv ruhenden Urkunden und Akten einem großen Kreis von Interessenten
zugänglich wurden.
Andreas Graf v. Bernstorff
April 1994: Schloss Gartow, Sitz der Familie von Bernstorff
11
Einleitung
Erinnern und Bewahren sind in der Heimatgeschichtsforschung zwei immer wiederkehrende Begriffe,
um die Wichtigkeit chronikalischer Aufzeichnungen zu unterstreichen. Das Zusammenfassen
geschichtlicher Teilüberlieferungen in Form von Ortschroniken dient diesem Ziel. Vor unserer
Generation gibt es Geschichte, nach uns wird sie es auch geben. Wir Menschen sind in die Geschichte
zwangsläufig eingebettet und sie sollte uns mehrheitlich interessieren, damit Entwicklungen
sichtbar und nachvollziehbar werden sowie zu verstehen, warum die Gesellschaft und Kultur
die heutige Stufe erreicht hat.
Ausgewertet und wiedergegeben werden kann nur das an Informationen, was vorausschauend
aufgezeichnet und über die Zeitläufe bewahrt worden ist. Das so genannte Quellenmaterial, bestehend
aus Archivalien, persönlichen Aufzeichnungen, Büchern, Broschüren, Zeitungen, Aufsätzen,
mündlicher Überlieferung und anderem mehr, ist die Substanz; von der ausgegangen wird. Bei
der Abfassung der hier vorliegenden Chronik Gartow ist das nicht anders. Erst relativ spät haben
geschichtsbewusste Einwohner im Raum Gartow begonnen, historische Geschehnisse einem breiteren
Publikum durch Veröffentlichungen nahe zu bringen und in unsere Zeit hinüber zu retten.
Das gilt für das zunächst kirchliche Gemeindeblatt: „Heimatbote. Gemeindeblatt für den Synodalbezirk
Gartow“ ab 1913, herausgegeben und unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten und abgewandelter
Form und Inhalt bis in die Gegenwart als „Samtgemeinde-Bote“ fortgeführt.
Aus dem früher bestehenden und in Verlust geratenen Ortsarchiv Gartow sind in den früheren Ausgaben
des Heimat- und Samtgemeinde-Boten wichtige geschichtliche Vorgänge zum Gemeinwesen
veröffentlicht worden, die sonst unweigerlich dem Vergessenwerden anheim gefallen wären.
Als wichtigste Quelle und geradezu als Glücksfall ist das umfängliche, mehr als drei Jahrhunderte
aufgebaute und gepflegte Gräflich von Bernstorffsche Gutsarchiv Gartow zu bezeichnen. Ohne
Zurverfügungstellung der dort verwahrten Archivalien wäre es schwer möglich gewesen, eine Orts-
chronik in der vorliegenden Form zu erarbeiten. Es ist daher dem geschichtsbewussten Grafen
Andreas von Bernstorff an dieser Stelle sehr zu danken, dass er sein Privatarchiv ohne Einschränkungen
öffnete und damit dieser Chronik den vorliegenden historischen Gehalt gab.
Dem Chronisten und früheren Lehrer Rudolf Haberland haben wir eine kompakte Geschichtsüberlieferung
in Form seiner ab 1955/57 in drei Bänden und 1988 vom Köhring-Verlag Lüchow nachgedruckten
veröffentlichten „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“ zu verdanken.
Hierbei wird historisch der regionale Raum unter Einbeziehung ortstypischer Geschehnisse
und Entwicklungen betrachtet, ersetzt jedoch keine Ortschronik von Gartow. Dennoch ist seine
Veröffentlichung weiterhin unentbehrlich und wird von der hier vorliegenden Chronik nicht ersetzt
sondern ergänzt.
Die übrigen Fleckensgemeinden im Landkreis Lüchow-Dannenberg wie Bergen/D., Clenze und
Wustrow verfügen inzwischen über Ortschroniken. Deshalb war es überfällig, auch für Gartow eine
zusammenfassende geschichtliche Darstellung vorzulegen. Die nachfolgende Berichterstattung
kann schwerlich sämtliche Themenbereiche erschöpfend behandeln, es musste eine Konzentration
auf die wichtigsten Geschehnisse erfolgen.
12
In der Ortschronik Gartow werden verschiedentlich der Einfluss und die Abhängigkeit von den
Familien von Bülow und von Bernstorff auf Teile der Ortsgeschichte deutlich. Dennoch ist zu ihrer
Familien- und Gutsgeschichte in dieser Chronik bewusst wenig enthalten, um vielmehr die Geschehnisse
im Gemeinwesen Gartow hervorzuheben. Es wird daher auf andere Literatur verwiesen
(Rudolf Haberland: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, Lüchow 1988,
359 S.; Werner Graf von Bernstorff: „Die Herren und Grafen v. Bernstorff. Eine Familiengeschichte“,
Celle 1982, 400 S., Otto Puffahrt: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow
1990, 139 S.; Otto Puffahrt: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff
in und um Gartow“, Gartow 1994, 353 S.; Eckart Conze: „Von deutschem Adel. Die Grafen von
Bernstorff im 20. Jahrhundert“, Stuttgart/München 2000, 560 S.).
Die als Quelle angegebenen Signaturen beziehen sich auf Archivalien des Gräfl. v. Bernstorffschen
Gutsarchivs Gartow. Nicht immer hat die Aktenlage es hergegeben, allen Namen auch die Vornamen
zuzuordnen. Ihre Recherche hätte einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert.
Gartow hat besonders nach 1945 eine Entwicklung durchlaufen, die von vielen Änderungen
geprägt ist: Abseitslage infolge hermetischer Grenzabriegelung, dadurch wirtschaftliche Erschwernisse,
Umorientierung zum Ausbau des Tourismus mit staatlichen finanziellen Hilfen zur
Verbesserung der Infrastruktur und Ausweitung der Bebauung aber auch im Schatten des Erkundungsbergwerkes
und des Zwischenlagers Gorleben. Die Geschichte läuft weiter: Erinnern und
Bewahren werden auch in Zukunft Anlass sein, die Geschichte Gartows fortzuschreiben. In dieser
Chronik ist die Geschichte der Vereine und Verbände nicht enthalten. Sie bleibt einer gesonderten
Veröffentlichung vorbehalten. Die Zeittafel kann notwendigerweise nicht vollständig sein. In einer
eventuellen neuen Auflage wird sie ergänzt und fortgeschrieben.
Für die vielfältige Unterstützung möchte ich mich bei den Einwohnern Gartows bedanken, vor allem
bei Irene Schmidt, Adolf Blütling, Karl-Heinz Schwerdtfeger und Horst Wirth. Elona Dreyer hat
das Manuskript erstellt, die notwendigen Korrekturen mit viel Geduld ausgeführt und Hans Martin
Ulrich hat die Arbeit als pensionierter Verlagslektor begleitet.
Die Herausgeberschaft der Chronik ist vom Kulturverein Gartow, 1. Vorsitzender Berthold Sturm,
Trebel übernommen worden, wofür an dieser Stelle gedankt wird. Ebenso wird ein Dank an die
Samtgemeinde Gartow und die Gemeinde Gartow für anderweitige Unterstützung abgestattet. Das
Team des Köhring-Verlages in Lüchow hat den Druck optimal gestaltet, auch hierfür meinen Dank.
Und schließlich geht auch ein Dank an die Sponsoren, welche die Finanzierung des Buches sicherten.
Anmerkung: Es bedeuten GR = Geldregister des gräflich von Bernstorffschen Archivs in Gartow
Rtlr = Reichsthaler und ggr. = gute Groschen.
Gartow/Lüneburg im September 2015
Otto Puffahrt
13
Naturräumliche Gliederung
Gartow liegt in einer interessanten, abwechselungsreichen und vielgestaltigen Landschaft, die
einerseits von der Niederung, andererseits von der Geest geprägt wird. Die Ortslage befindet sich
einigermaßen hochwasserfrei im Übergangsbereich der beiden Landschaftsräume, mit der Bebauung
jedoch auf der Talsandplatte mit umfangreichen ehemaligen Dünenfeldern, die heute vom
Gartower Forst bedeckt wird.
Als Teil der Mittelelbe-Niederung und speziell als Gartower Elbniederung bezeichnet umfasst siefolgende
drei voneinander abzugrenzende Kleinlandschaften:
01. Den Höhbeck, eine aus der Elbeniederung herausragende und NN +60,00 m erreichende
Sand- und Geröllinsel, die während der letzten Eiszeit entstand. Der Nordrand ist erheblich
steil und am Ostrand befinden sich kleine Tälchen.
02. Die Niederungsebene zwischen Brünkendorf/Pevestorf östlich an den Höhbeck anschließend,
am Aland vorläufig endend. Sie wird gebildet von einer Fläche, die über NN +17.50
m Höhe liegt und in alten Urkunden als „Insel Krummendiek“ (Krummendeich) bezeichnet
wird und
03. Südlich anschließend die Seegeniederung etwa 1 m niedriger als die übrige Gartower
Marsch. Sie trennt zwischen Geestplatte und Elbeniederung sowohl den Höhbeck als auch
die ehemalige Insel Krummendiek von den übrigen Landschaftsteilräumen. Prägende
Gewässer sind Elbe und Seege, wobei die Seege mit ihren Hochwassern aber auch dem
Grundwasserstand die Bestimmendere ist. Die Niederungsgebiete Meetschow/Gorleben,
Laasche, Gartow/Nienwalde und der Bereich Pevestorf-Schnackenburg sind mit Hochwasserdeichen
vor unzeitigen Überflutungen geschützt. Die jeweiligen Elbhochwasser jedoch
schwingen ungehindert in die Seegeniederung ein und überfluten diese im Extremfall bis in
die Altmark.
Eingedeichte Orte wie Restorf, Quarnstedt, Holtorf, Kapern, Gummern und Schnackenburg sind
auf damals vorhandenen Sanddünen, unterstützt von künstlichen Aufhöhungen, gegründet worden.
Auch der Flecken Gartow befindet sich teilweise auf natürlichen und künstlich erhöhten
Flächen. Der gesamte Bereich gehörte zum Urstromtal der Elbe, als der über Norddeutschland
liegende Eispanzer abschmolz und durch ungeheure Wasserkraftentwicklung, unterbrochen von
Perioden einer ruhigeren Wasserführung, sich Sand- und Tonablagerungen bildeten. So finden
sich heute an der Oberfläche im Niederungsgebiet ausgedehnte, jedoch nicht zusammenhängende
Lehm- und Tonschichten über Feinsand. Wo diese fehlen, tritt Qualmwasser aus. Acker- und
Grünlandwirtschaft wechseln sich ab, während die sterilen Sandboden enthaltende Geestplatte
ausgedehnte Kiefernforsten trägt. Dort finden sich Reste einstiger Hochmoore. Dieses Gebiet ist
siedlungsleer. 1
14
Der Gartower Raum in der Regionaltopographie
Gemarkung
Hervorgegangen sind die Abgrenzungen der Gemarkungen aus den im 19. Jahrhundert durchgeführten
Gemeinheitsteilungen und Verkoppelungen, die zu neuen Feldmarkszuschnitten führten.
Die Zuweisung von Grundstücken an die einzelnen Hof- und Hausstellen brachte deshalb völlig
andere Besitzverhältnisse mit sich. Aus diesem Verfahren bildete sich auch die Gemarkung Gartow
heraus. Bis 1929 nahm die Gemarkung Gartow nur eine bescheidene Grundfläche ein, im Wesentlichen
nach Nordwesten, Westen und Südwesten ausgreifend. Schäferkamp, Buchhorst und
das Schlossareal, wie auch der sehr umfangreiche Gemarkungsteil Quarnstedt, gehörten nicht
dazu. Etwa drei Mal soviel Fläche, wie die ursprüngliche Gemarkung Gartow nahm die Gemarkung
Gartow-Gut ein, die dem Haus Gartow (v. Bernstorff) gehörte. Es waren ausgedehnte Flächen
Richtung Nienwalde, Kapern, Holtorf und Elbe. Im Jahre 1929 wurde der Gutsbezirk Gartow mit
der Gemarkung Gartow vereinigt und erhielt die heutige Größe. Später sind die Wohnplätze Falkenmoor
und Rucksmoor der Gemarkung angegliedert worden. Heute ist die Gemarkung in 18
Flurabteilungen gegliedert. Der Forst Gartow ist gemeindefreies Gebiet. 2
15
Bodenrichtwertkarte
16
Bodenbeschaffenheit
Durch Verwitterungs- und Zersetzungsprozesse entstanden verschiedene Bodenarten. Infolge der
naturgestaltenden Kräfte wie Wasser, Eis und Wind sind die Bodenarten über sehr lange Zeiträume
hinweg ver- und abgelagert worden. Geologisch betrachtet, befinden sich Teile von Gartow auf
„Flugsand in flächenhafter Verbreitung, holozän, z.T. pleistozän“. Also Sande aus der sehr lange
zurückliegenden Holozän-Weichsel-Kaltzeit. Fast der gesamte Gartower Forst befindet sich auf
solchem sterilen Flugsand.
Die niedriger gelegenen Teile von Gartow zur
Elbmarsch hin sind „fluviatile Ablagerungen“
auf einer „Niederterrasse“, ebenfalls aus der
Weichsel-Kaltzeit, die dem Erdzeitalter Pleistozän
angehört. Derartige Ablagerungen (Auensedimente)
bestimmen das gesamte Seegetal
und die Niederung zwischen dem Höhbeck
und Schnackenburg. Konkret befindet sich die
Ortslage Gartow auf drei verschiedenen Bodentypen,
die sich in drei langgestreckten Bändern
von Nordwest nach Südost erstrecken.
Das erste, die Altanlage von Gartow tragend,
enthält Gley-Podsole, in höheren Lagen Podsol-
Braunerden, in tieferen Lagen Gleye. Dies sind
mäßig trockene, stellenweise trockene oder
feuchte, grundwasserbeeinflusste Sandböden.
Südlich davon schließt sich ein weiteres Band
mit Gleye und Anmoorgleye, örtlich von geringmächtigen
Mooren durchsetzt, an. Das sind
feuchte bis nasse, grundwasserbeeinflusste
Sandböden, z.T. lehmig, örtlich moorig. Im Bereich
Hahnenberge wird das dritte anschließende
Band von Dünensand, Podsole und
Ranker enthaltend, beherrscht. Das sind sehr
trockene, nährstoffarme, lockere Sandböden,
zudem leicht verwehbar. Während die ersten
beiden Bodenbänder die grundwassernahe,
ebene Geest darstellen, ist das Bodenband bei
Hahnenberge grundwasserfern. Infolge Geländeaufhöhungen
sind Teile der zuvor beschriebenen
Böden künstlich überlagert worden. 3
Binsen als Zeigerpflanzen für Nass-Standorte
Klima
Gartow liegt im Einflussbereich des Klimabezirks „Elbniederung“, der südlich daran anschließende
Gartower Wald gehört bereits zum Klimabezirk „Altmark“. Es herrschen Winde aus westlichen
Richtungen vor, wobei im Dezember die südwestlichen Winde verstärkt auftraten (Zeitperiode
1901 - 1950). Über das Jahr gesehen sind Winde aus West und Südwest häufiger als Nordwestwinde
registriert worden.
Die Temperaturverteilung im Zeitraum 1881 - 1930 schwankte jahreszeitlich bedingt, wobei sich
die mittlere Lufttemperatur in Gartow im Januar zwischen 0 und minus 1°C, im April zwischen 7
und 8°C, im Juli zwischen 17 und 18°C und im Oktober zwischen 8 und 9°C bewegte. Im Winterhalbjahr
traten jährlich zwischen 80 und 100 Frosttage auf, wobei das mittlere Datum des
einsetzenden Frostes beim 23. Oktober und des letzten Frosttages beim 24. April lag (gemessen
in Dannenberg in der Zeitperiode 1881 - 1940). Die Dauer der frostfreien Zeit beträgt im Mittel
jährlich 181 Tage, gemessen in 2 m Höhe über dem Erdboden.
In der Zeitperiode 1881 - 1930 hat es jährlich zwischen 20 und 30 Tage gegeben, an denen eine
Temperatur von mehr als 25°C herrschte. Die Zahl der trüben Tage lag bei weniger als 140 Tagen
17
im Jahr, die der heiteren bei mehr als 40 und die Nebeltage zwischen 50 und 100 (Zeitperiode
1921 - 1940). Im Juni eines jeden Jahres schien die Sonne an 8,2 - 8,4 Stunden, im Dezember nur
an 1,0 - 1,2 Stunden (Zeitperiode 1934 - 1943).
Ebenso wie die Lufttemperatur ist der Niederschlag über das Jahr gesehen ungleich verteilt. Im
Jahresmittel fielen in der Zeitperiode 1891 - 1930 in Gartow zwischen 600 und 650 mm Niederschlag,
ebenso im Gebiet des Gartower Forstes. Außerhalb davon erreichte der Niederschlag
Werte zwischen 550 und 600 mm. 4
Landschaft
Es waren die Naturkräfte Wasser, Eis und Wind, die die heutige Landschaft von selbst schufen,
wobei in den vergangenen Jahrtausenden verschiedene Vegetations- und Faunastufen durchlaufen
wurden. Die landschaftsmodellierenden Kräfte nach der letzten Eiszeit und die Schmelzwasserperiode
haben Geest und Niederung geschaffen. Für lange Zeit war die Urstromlandschaft der
Elbe – durchzogen von zahlreichen mäandrierenden Elbarmen– einerseits siedlungsfeindlich, andererseits
infolge ihrer Fruchtbarkeit ein Anziehungspunkt für einzelne Siedler, die frisches Wasser,
Fischreichtum, fruchtbaren Boden und den Wasserweg Elbe vorfanden. Wegen der latenten
Überschwemmungsgefahr aber blieb das rd. 8 - 10 km breite Urstromtal fast unbesiedelt. Erst mit
dem Deichbau, wohl im 13. Jahrhundert, war es den Siedlern möglich, sesshaft zu werden. Das
jedoch nur bedingt, denn es drohten immerhin noch Deichbrüche. Deichbau und zeitgleiche Entwässerung
der Marschlandschaft waren die ersten großen Eingriffe in das Landschaftsgefüge und
mit den anschließenden, in rd. 800 Jahren vollzogenen Veränderungen, besteht heute eine vom
Menschen gestaltete Kulturlandschaft mit naturnahen Einzelelementen. Im Gegensatz zu anderen
Landschaften bewahrte sich die Gartower Region eine gewisse Eigenart und Vielgestaltigkeit,
nicht umsonst besuchen zahlreiche Naturliebhaber gerade diese Landschaft. Auch Naturwissenschaftler
werden von ihr angezogen und finden ein weites Forschungsfeld, wie folgende Aussagen
verdeutlichen:
„In der Gartower Elblandschaft finden sich wie an keiner anderen Stelle Verhältnisse, die auch
heute noch den Eindruck vom ursprünglichen Zustand des Elbtales zu vermitteln vermögen. Der
in unserer Zeit reliktäre Charakter der Flussniederungen um den Höhbeck gewinnt noch zusätzlich
an Bedeutung dadurch, dass die hier lebende Flora und Fauna auch in ihrer ursprünglichen Situation
bereits durch Besonderheiten charakterisiert war. Das beschriebene Gebiet liegt im Grenzbereich
zweier biogeographischer Regionen. Es handelt sich somit um eine der biologisch sehr interessanten
und problemreichen Überschneidungszonen. Neben tierischen und pflanzlichen Arten
aus dem atlantischen Klimaraum finden sich hier solche, deren Vorkommen für das kontinentale
Europa charakteristisch ist.“
„In diesem Gebiet lebt ein hoher Prozentsatz von Arten, die – weil vom Aussterben bedroht – geschützt
oder aber andernorts in Norddeutschland seit dem vorigen Jahrhundert nicht mehr zu
finden sind.“ 5
Sind geologische, hydrologische und klimatische Verhältnisse der Gartower Elblandschaft einerseits
die Grundlage einer heute einmaligen Vielfalt in Flora und Fauna mit außergewöhnlichem
Rang für die naturwissenschaftliche Forschung und Lehre, so sind sie gleichzeitig auch Ursache
extrem ungünstiger Produktionsbedingungen für die Landwirtschaft. Der trotz Bedeichung immer
noch bestehende Einfluss der Elbwasserstände auf den Wasserhaushalt der Böden und ihre Nutzung
ist dabei ein ausschlaggebender Faktor.
18
Wegen der permanenten Überschwemmungsgefahr wird in der Seegeniederung seit Jahrhunderten
lediglich Gründlandbewirtschaftung betrieben, während in den eingedeichten Gebieten Ackerund
Grünlandnutzungen miteinander wechseln. Der Geestbereich wird seit etwa 250 Jahren intensiv
forstwirtschaftlich genutzt, wo vorher ausgedehnte Heideflächen, rudimentäre Einzelwäldchen
und z.T. Wanderdünen das Landschaftsbild bestimmten. Der dortige Sandboden ließ letztlich nur
solche Nutzung zu. Lediglich das Elbholz im Niederungsgebiet mit rd. 160 ha Fläche ist ein Auwaldrest
von hohem ökologischem Wert.
Landschaftsprägend im Niederungsgebiet aber auch in anderen Gebieten sind die aus Eichenbäumen
bestehenden Alleen wie die Elbholzallee bei Quarnstedt, bei Holtorf, an der Straße nach
Kapern, an der Buchhorst, an der Straße nach Nienwalde, das Elbholz selbst sowie zahlreiche
Einzeleichen verstreut in der gesamten Landschaft. Begründet wurden sie durch die Tätigkeit während
der von Bernstorffschen Gutswirtschaft, als viele Bäume und Büsche gepflanzt wurden. Sie
beleben das Landschaftsbild noch heute unübersehbar.
Binnendeichs-Stromland
Nur kleine Bereiche des Binnendeichs-Stromlandes sind ungenutzt. Der überwiegende Teil des
Binnendeichs-Stromlandes wird als Grünland- oder Ackerfläche genutzt, wobei tendenziell die Umwandlung
von Dauergrünland in Grasacker oder Acker zunimmt. Örtlich sind außerdem Obstplantagen
zu finden.
Die landwirtschaftlich genutzten Flächen sind von Grabensystemen durchzogen.
Auf den extensiver genutzten Grünlandflächen kommen gefährdete Biotoptypen wie artenreiche
Flutrasen, wechselnasse Stromtalwiesen, nährstoffreiche Nasswiesen und Sand-Magerrasen vor.
Wesentliche naturnahe und bedingt naturnahe Biotoptypen sind: Röhrichte, Seggenrieder, meist
kleinflächig Eichenmischwälder (Hartholzaue) oder Weidenauwälder, Auengebüsche oder Feuchtgebüsche,
Altarme, naturnahe Bachabschnitte, Bracks, Qualmgewässer oder naturnahe Abbaugewässer.
Wald nimmt nur einen geringen Flächenanteil ein und wird im allgemeinen neben jüngeren, gelegentlichen
Pappelanpflanzungen durch Reste von Auwäldern bestimmt.
Elbe-Vordeichsflächen
Teilbereiche der Vordeichsflächen sind ungenutzt oder sehr extensiv grünlandwirtschaftlich oder
forstlich genutzt. Wesentliche naturnahe oder weitgehend naturnahe Biotoptypen sind: ausgedehnte
Uferstaudenfluren, Röhrichte, Pioniervegetation, Flutrasen, kleinflächiger Magerrasen, Auengebüsche
und vereinzelt Auwaldreste (Eichen-Auwald, Weiden-Auwald).
Andere Teilbereiche sind durch extensive bis intensive Mähweidenutzung, Beweidung mit Rindern,
Pferden und Schafen gekennzeichnet. Hier wird die Pflanzendecke in Abhängigkeit von sandigem
oder schlickigem Untergrund, Dauer der Überflutung, Grundwasserspiegel und Nutzungsintensität
von unterschiedlichen Grünlandgesellschaften und kleinflächigen Sand-Magerrasen gebildet.
Bemerkenswert ist hier als Besonderheit des Naturraums der häufig kleinräumige Wechsel von
Flutrasen, wechselnassen Stromtalwiesen und Sand-Magerrasen.
Die Vordeichsflächen sind reich an Gewässern wie Altwässer, Flutmulden, Kolke und Bracks. Auf
Teilflächen stocken Bestände bzw. Einzelexemplare alter Eichen, Pappeln oder Weiden als Reste
ehemaliger Auwälder.
19
Naturschutzgebiete
Obwohl die Landschaft um Gartow, wie fast alle Landschaftsräume in Deutschland, stark vom
Menschen beeinflusst wurde und daher eine Kulturlandschaft darstellt, hat sie sich dennoch Eigenheiten
bewahrt, die sie liebens- und schützenswert macht.
Es ist die Zusammensetzung des Landschaftsmosaiks, welches den visuellen Reiz und biologisch
betrachtet, die Vielgestaltigkeit der einzelnen Naturteilräume ausmacht. Dieses Ensemble von
Marsch- und Geestlandschaft, der das Landschaftsbild prägende Höhbeck, das Elbholz, die Elbe
und die Seege als lebesspendende Wasseradern, der Gartower Wald in seiner ganzen Ausdehnung,
die künstlich begründeten Alleen, die das Landschaftsbild auflockernden vielen Einzelbäume,
die Bracks und nicht zuletzt die weiten Wiesenflächen und Äcker ergeben eine interessante
und abwechslungsreiche Landschaft. Ferner beleben der Gartower und der Laascher See sowie
die naturnah gestalteten Bodenentnahmen für den Deichbau die Landschaft zusätzlich. Auch das
zeitweilige Auftreten von Qualmwasser und die jährlich wiederkehrenden Hochwasser gehören
dazu. Die untere Mittelelbe-Niederung, zu dem der Bereich Gartow gehört, hat überregionale, ja
gesamtstaatliche Bedeutung als Lebensraum seltener und bestandsgefährdeter Pflanzen- und
Tierarten sowie auch als Feuchtgebiet. Nach der Wiedervereinigung ist 1992 eine „Naturschutzfachliche
Rahmenkonzeption“ für ein 129100 ha umfassendes Gebiet zwischen Quitzöbel (Sachsen-Anhalt)
und Sassendorf (Niedersachsen) erarbeitet worden, in der auf 147 km Lauflänge der
Elbe die Besonderheiten hinsichtlich des Naturschutzes in einem Gebietsstreifen beiderseits der
Elbe herausgestellt werden.
Da die Gemarkung Gartow von der Geest bis zur Elbe reicht, wird daher auch die ganze Bandbreite
der räumlichen Natur- und Landschaftselemente berührt. Aus der Rahmenkonzeption wird zitiert:
„Die gesamte Elbtalaue ist vor rd. 30 Jahren zu einem „Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung“
gemäß der Ramsar-Konvention erklärt worden. Zu jenem Zeitpunkt sind große Teile dieses
Gebietes ferner als Landschaftsschutzgebiete im Zusammenhang des Naturparkes Elbufer-Drawehn
ausgewiesen worden. Letzterer ist 2006 um 56722 ha auf nunmehr 115994 ha vergrößert
worden, was fast eine Verdoppelung der ursprünglichen Fläche ausmacht.“ 6
Politisch forciert sind in der Folgezeit im Raum Gartow-Schnackenburg Naturschutzgebiete festgesetzt
worden: am 2. April 1986 „Alandniederung/Garbe“ mit 315 ha Fläche, am 12. Februar 1988
„Untere Seegeniederung“ mit 760 ha Fläche und am 2. März 1998 „Obere Seegeniederung“ mit
443 ha Fläche, ferner die Pevestorfer Wiesen und Papenhorn mit 416 ha Fläche. 7
Als Zweck zur Ausweisung von Naturschutzgebieten dient folgende Argumentation:
„Die Naturschutzgebiete erfassen Landschaftsteile des Urstromtales der unteren Mittelelbe, in
denen stromtaltypische, naturnahe Lebensräume erhalten sind oder wo sich in Folge einer standortangepassten
Nutzung charakteristische Lebensräume der Kulturlandschaft entwickelt haben.
Die überwiegend durch Grünland, Wälder oder Gewässer geprägten Landschaftsteile zeichnen
sich durch hervorragende Schönheit, besondere Vielfalt oder Vorkommen seltener bzw. gefährdeter
wildwachsender Pflanzenarten bzw. wildlebender Tierarten aus.“
Zahlreiche Nutzungsverbote und -einschränkungen für die Landwirtschaft, Wirtschaft, Jagd und
Tourismus sind damit verbunden.
Überlagert wurden alle Schutzmaßnahmen vom „Gesetz über das Biosphärenreservat Niedersächsische
Elbtalaue“ vom 14. November 2002, wodurch die innerhalb des Reservats gelegenen
Naturschutzgebiete darin aufgingen, ebenso die zuvor bestandenen Landschaftsschutzgebiete
20
mit den zugehörigen Verordnungen und Vorschriften. An ihre Stelle traten nunmehr die Bestimmungen
des Gesetzes. Auch hier gelten Einschränkungen der Nutzung, Verbote und ergänzende
Regelungen. 8
Natur- und Landschaftsschutzgebiete nach dem Stand 1991 (schwarze Flächen: Naturschutzgebiet)
Nebenflussniederungen
Wesentliche naturnahe und bedingt naturnahe Biotoptypen sind Röhrichte, Seggenrieder, Uferstaudenfluren,
Ufer-Pioniervegetation, Binsensümpfe, Auengebüsche oder Feuchtgebüsche, kleinflächig
Erlen- oder Birken-Bruchwälder, kleinflächig Auwaldreste, kleinflächig bachbegleitende
Erlen-Eschenwälder, naturnahe Fluss- und Bachabschnitte, Altarme, Bracks, Qualmgewässer oder
naturnahe Staugewässer.
Die meisten Flächen der Nebenfluss-Niederungen werden als Grünland genutzt. In den weniger
stark entwässerten Bereichen oder in den noch vorhandenen Rückstauräumen findet man gefährdete
Grünland-Biotoptypen. Dazu gehören nährstoffreiche Nasswiesen, artenreiche Flutrasen
oder wechselnasse Stromtalwiesen. In weniger gedüngten sandigen Flächen kommt auch mesophiles
Grünland häufiger vor, kleinflächig auch Sand-Magerrasen.“
Als Hartholzauenwald-Rest ist das Elbholz zu betrachten, obwohl dieses in früherer Zeit forstlich
intensiv genutzt und 1834 nahezu abgeholzt und wieder neu bestockt wurde.
Dort kommen die Baumarten Stieleiche, Flatter- und Feldulme besonders oft vor; ebenso „eine
dichte artenreiche Strauchschicht wie z.B. Rote Johannisbeere, Zweigriffeliger Weißdorn, Pfaffenhütchen,
Roter Hartriegel und gewöhnlicher Schneeball. Zoologisch sind Hartholzauwälder
insbesondere als Brutbiotop für Vögel und als Insekten-Lebensraum bedeutsam…“ Reste von
Erlen-Bruchwald finden sich südöstlich und östlich von Gartow in der Seegeniederung, wo die
21
Schwarzerle die beherrschende Baumart ist. Biologisch weniger wertvoll sind die ausgedehnten
Nadelforste auf armen Böden der Talsand- und Dünenplatte Gartower Forst.
Auf die vielen vorhandenen Pflanzengesellschaften an dieser Stelle einzugehen,wo sich etliche
vom Aussterben bedrohte Rote-Liste-Pflanzen befinden,kann nicht geleistet werden. Ebenso nicht
auf die Fauna mit ebenfalls mehreren vom Aussterben bedrohter und sehr seltener Tierarten wie
z.B. Feldspitz-, Brand- und Zwergmaus, Schmetterlings- und Libellenarten, Lurcharten, Weißstorch
und weitere Vogelarten, Qualmwasserkrebse, Rotbauchunken usw. Festzustellen bleibt, die Landschaft
um Gartow birgt viele biologische Besonderheiten in sich und war in der Vergangenheit
Gegenstand einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen. 9
Die Gemarkung Gartow, gestrichelt: Grenze bis 1879
Gartow 2009: Zwischen „Am Ortfeld“ und „Buchhorst“
Juli 2009: Hahnenberge. Mit Kiefern bestandene
Flugsanddünen
22
Talsand- und Dünengebiete
Wesentliche naturnahe und bedingt naturnahe Biotoptypen der Talsand- und Dünengebiete sind
forstlich nur schwach geprägte Eichenmischwälder, Buchenmischwälder, Erlen- und Eschenwälder,
Erlenbruchwälder, Kiefern- und Kiefern-Eichen-Mischwälder, Birken- und Kiefernbruchwälder,
Feldgehölze, naturnahe Bachabschnitte, Kleingewässer mit Verlandungsbereichen, aktive oder
teilaktive Binnendünen mit Sand-Magerrasen und naturnahe Übergangsmoor-Reste.
Insbesondere die grundwasserferneren Teilbereiche der Talsandflächen sind mit Wäldern und
Forsten bestanden. Neben Fichten- und Kiefernforsten überwiegen bodensaure Eichen-Mischwälder.
Eichen, Birken und Kiefern sind als Hauptbaumarten für die trockenen Standorte zu benennen.
Auf feuchteren Standorten sind verstärkt Esche und Erle, lokal Birke und Kiefer anzutreffen.
Bruchwälder kommen meist mehr oder weniger entwässert vor.
Die tiefgründig trockenen Dünenstandorte sind mit Kiefernforsten bedeckt. Bemerkenswert ist
hier das häufige, kleinflächige Vorkommen von Offensand-Biotopen und Sand-Magerrasen.
2008: Seegeniederung am Schloss Gartow
23
Die Seege
Im Ortsbereich Gartow ist die Seege, früher auch als Gaarte bezeichnet, neben dem Gartower See
das Landschaftsbild bestimmende Gewässer.
Die ebene Seegeniederung ist geprägt durch die Rückstauwirkung infolge periodischer Elbhochwässer,
wodurch die gesamte Niederung beeinflusst wird. Sie wird von überwiegend Extensiv-
Grünland-Lebensräumen eingenommen, auf dem Sandtrockenrasen, Röhrichte, Seggenrieder
und Erlenbruchwald-Rest vorherrschen.
Wertvolle Naturschutzbereiche nach dem Stand von 1990/92
Früher lieferten die Seegewiesen ausgezeichnetes Grünfutter und Heu, es wurde die Intensiv-
Bewirtschaftung angewandt, wenn keine Beeinträchtigung durch Elbehochwasser erfolgte. Außerdem
speiste die Seege in früheren Zeiten die Burggräben in Gartow sowie den Gartow ehemals
umgebenden Ortsgraben und trieb bis 1695 die Wassermühle in Höhe der heutigen Seegebrücke
in Gartow an. Die Seege brachte aber auch Probleme mit sich, die insbesondere mit der mangelnden
Abflussleistung zusammenhingen und den Oberliegern in der Altmark Sorgen bereitete. Sie
war nicht nur Wasserlieferant sondern ist bis heute auch ein Fischereigewässer. Seit 1807 z.B.
hatte der Quarnstedter Berufsfischer W.F.L.E. Hasse vom Haus Gartow die Fischereiberechtigung
in der Seege sowie an den begleitenden Bracks und Kuhlen gepachtet. Hierbei erscheinen für die
Seege je nach Örtlichkeit von der Landesgrenze abwärts verschiedene Bezeichnungen: Rönne/
Putjans Ortsee, Gaarte in Höhe Nienwalde, Seege in Höhe Schloss Gartow, Gartower See und Enge
bei Restorf, Restorfer See (GR 1809/10, S. 209). Über lange Zeiträume hinweg ist die Seege neben
anderen Gewässern stets verpachtet worden, die Einnahmen flossen dem Haus Gartow zu. 10
In den Jahren 1809 - 11 hat der Wasserbau-Kondukteur Heye Vermessungsarbeiten im Seegetal
durchgeführt, wobei nicht bekannt ist, welches Projekt damals verfolgt wurde. 11
24
Die Seege im Jahre 1974 zwischen Nienwalde und Gartow
Um die Abflussleistung der Seege zu gewährleisten, waren bauliche Unterhaltungsarbeiten notwendig,
wie Nachrichten aus der Franzosenzeit vermelden:
Im Sommer 1812, das Königreich Hannover war von den Franzosen besetzt und Gartow gehörte
damals zum Department der Elbe, Distrikt Salzwedel, hatte sich die Ortschaft Bömenzien beim
Unterpräfekten von Westphalen in Salzwedel über ungenügende Räumung der Seege im Gartower
Bereich beschwert. Das Wasser floss zu langsam ab, so dass die Bömenziener Wiesen überflutet
wurden. Gemäß Vereinbarung von 1753 war das Haus Gartow zur Räumung der Seege von der
Landesgrenze bis zur Elbe verpflichtet. Nach einer Untersuchung durch den Distrikts-Baumeister
Lietzmann verfügte die Unterpräfektur eine umgehende Grundräumung. Dagegen legte das Haus
Gartow Protest ein. Die französisch orientierte Verwaltung war im Begriff, auch kleinere Flüsse wie
die Seege künftig unter „strenge policeiliche Aufsicht zu stellen.“ Auch sollten Flussschauen stattfinden,
um „die Abstellung der vielen und mancherlei dabei obwaltenden Unordnungen und Unregelmäßigkeiten
nach Möglichkeit zu fördern.“ In der Vereinbarung von 1753 war die Verpflichtung
nur lau beschrieben: „dass der Seege als einem beständig laufenden Flüßchen den natürlichen
Lauf lassen und selbigen weder zu dämmen noch verstopfen“ zu lassen. Daraus leitete das Haus
keine ausgeprägte Räumungspflicht ab. Da aber die Einwohner von Bömenzien und Stresow mit
Verbreiterung der Seege einschließlich von Durchstichen drohten, musste gehandelt werden. Nach
dem Urteil des Hauses Gartow lief das Seegewasser bis Gartow gut ab, aber von dort bis zur Elbe
nicht. Käme nun das Wasser durch die ausgebaute Seege mit größerer Fülle und schneller als bisher
an, drohten nun in Gartow Überschwemmungen. Die Bömenziener und Stresower verwiesen
auf das in ihrem Gebiet geltende Vorflutsedikt von 1772, was aber nicht im Lande Hannover galt.
Das Haus Gartow verstand sich lediglich dazu, die Seege in gewissen Zeitabständen „auszuschilfen“
und Treibgut, wie z.B. Baumstämme zu bergen. Da Graf von Bernstorff befürchtete, dass die
Seege auch auf hannoverschem Gebiet völlig neu ausgebaut werden sollte, drohte er mit gerichtlichen
Schritten. 12
25
Um den Zustand der Seege festzustellen, gab es bereits
im Juli 1855 eine Seege-Gewässerschau, wobei
die Uferanlieger aufgefordert wurden „bei Vermeidung
von 2 Reichsthaler Strafe“ die in ihrem Abschnitt liegende
Seege „schaufrei aufzuräumen“. Das Gewässer
war in einer Breite von 16 Fuß (4,64 m) und einer Tiefe
von 1 ½ Fuß (0,44 m) zu erhalten. Bei Quarnstedt existierte
eine Furt, die stets eine Breite von 20 Fuß (5,80
m) und eine Tiefe von 1 Fuß (0,29 m) haben musste.
Jeweils im Juni eines jeden Jahres war eine Gewässerschau
durchzuführen, wie auch eine Nachschau im
Herbst. Der zuständige Deichvogt protokollierte Nachlässigkeiten
wie diese im Oktober 1855: „Neben dem
Schloßhofe Gartow bis zur Seegebrücke ist die Seege
ebenfalls stellenweise um 6 bis 12 Zoll auszubaggern“
oder „Unterhalb des Gartower Sees war das linke Ufer
der Seege von der Gartower Bürgerschaft nicht gereinigt.“
Nach der behördlichen Verfügung vom 20.11.1834
wurde festgelegt, dass eine Schau „jährlich am
1. Juni und Oktober oder mindestens in den ersten Tagen
dieser beiden Monate gerichtsseitig oder durch einen zuverlässigen
Gerichtsunterbedienten vorgenommen“ wird.
Der jeweilige Deichvogt in Schnackenburg führte die Aufsicht.
13
5.10.1860: Bekanntmachung zur Seegeschau
1867 regte Deichhauptmann von Jagow auf Crüden/Altmark die Regulierung der Seege an. Hintergrund
des Projektes war der schädliche Einstau des Elbehochwassers in die Alandniederung.
Es wurde auch ein Deich mit Siel erbaut, aber das blieb Stückwerk, so lange die Seege nicht
ausgebaut worden war. Als Vermesser wurde ein Herr Panning aus der Altmark geschickt, um das
Sohlengefälle der Seege bis zur Elbe festzustellen. Das Unternehmen blieb unausgeführt. Schon
1869 hatte sich bei Vietze und Meetschow die hinderliche Wasserpest ausgebreitet, eine neue
aus dem Ausland eingeschleppte Pflanze, die den Wasserabfluss stark behindern konnte.
Als 1872 wiederholt die Korrektion der Seege von Anliegern aus der Altmark angeregt wurde, gab
es erneut Widerstände der Unterlieger. Im August 1874 wurde notiert: „… da die Seege in der
Restorfer Feldmark am Laascher Stege so stark mit Schilf zugewachsen sei, dass vom hohen Ufer
kein Wasser zu sehen, der Lauf des Flusses nicht zu erkennen ...“ 14
Da früher der Grundsatz galt, dass der jeweilige Uferanlieger auf Länge seines Grundstückes bis
zur Gewässermitte die Unterhaltungspflicht für die Seege inne hatte, musste das Haus Gartow
aufgrund seines umfangreichen Besitzes lange Strecken der Seege instand halten. Diese Arbeit
verrichteten beim Gut Gartow/Quarnstedt angestellte Arbeitskräfte. Heute ist der Unterhaltungsverband
Jeetzel/Seege für die Unterhaltungsmaßnahmen zuständig.
Am 3. Juli 1930 stellte das damalige Kulturbauamt I in Magdeburg einen „Plan zum Ausbau des
Zehrengrabens, des Schaugrabens und der Seege“ auf, der bezeichnenderweise auch das Gebiet
der Provinz Hannover, also die gesamte Seegestrecke, umfasste. Dieser Plan erfuhr am 1.5.1931
noch einige Ergänzungen, bevor die Länderbehörden in Sachsen und Hannover ihre Prüfungs-
26
bemerkungen abgaben. Nach am 2. Juni 1934 abgehaltenen Verhandlungen in Salzwedel war
geplant, als Träger der Maßnahme einen Unterhaltungsverband zu gründen. Da die Bereitschaft
dazu nicht sonderlich ausgeprägt war, sollte er als Zwangsgenossenschaft installiert werden. Es
ist interessant, dass der Kreis Osterburg die gesamte Maßnahme, also auch die Strecke innerhalb
der Provinz Hannover, finanzieren wollte.
Nach dem am 18. Juli/7. August 1934 in Magdeburg angefertigten neuen Entwurf umfasste das
Vorteilsgebiet eine Fläche von 584 ha, davon beitragspflichtig 465 ha. Es handelte sich um rd. 65
ha Mineralboden. Zu regulieren waren 7,5 km Flussstrecke, wobei als Kenngröße eine Abflussmenge
von 6 Liter/Sekunde/qkm bei Mittelwasserführung und 16 Liter/Sekunde/qkm bei Winterhochwasserführung
angegeben wird. Erreichtes Ziel ist es gewesen, in der 2500 ha umfassenden
Zehrengrabengenossenschaft Bodenverbesserungsarbeiten durchzuführen. Im Erläuterungsbericht
wird dazu ausgeführt: „Die Seegestrecke von Gartow abwärts wird nur zur Vermeidung von
Schäden, nicht aber zur Schaffung von Verbesserungen für die anliegenden Flächen ausgebaut.
Deswegen wird auch dieser Ausbau von den Oberliegern (Kreis Osterburg) bezahlt. Der Zweck der
Bildung einer Unterhaltungsgenossenschaft an der unteren Seege ist es, für die stark vernachlässigte
Unterhaltung der unteren Seege einen leistungsfähigen Träger zu schaffen. Während bisher
die Unterhaltung, die in den Händen der Anlieger lag, sehr viel zu wünschen übrig ließ, wird zukünftig
die zu bildende Genossenschaft die Unterhaltung ordnen und einheitlich durchführen. Ein
weiterer Zweck ist es, durch Einbau von 2 Stauschleusen in der unteren Seege dafür zu sorgen,
dass in trockenen Zeiten, etwa wie im Sommer 1934, die notwendige Grundanfeuchtung der Wiesen
und Ländereien durchgeführt werden kann.“ Die Seege sollte eine Sohlenbreite von 7 m und
Böschungen von 1:3 erhalten, ferner waren einige Durchstiche geplant. Durch Abgraben einiger
Sohlenerhöhungen wurde ein Sohlengefälle von 0,15 - 0,35 m je laufenden Kilometer angestrebt.
Um die Kosten zu senken, war der Einsatz des Freiwilligen Arbeitsdienstes und/oder von Notstandsarbeitern
vorgesehen. Es wurde mit rd. 25000 cbm Bodenaushub gerechnet.
Der Träger ist dann in Form der „Wassergenossenschaft für die untere Seege in Gartow“ gemäß
Satzung vom 9. März 1935 gebildet worden. Der Satzung sind am 21. Februar 1940 ergänzende
Pläne beigefügt worden. Ab dem 21. Februar 1941 wurde die Wassergenossenschaft in den
„Wasserverband für die Untere Seege in Gartow“ umbenannt mit dem Zusatz: “Die Ausbaukosten
trägt der Kreis Osterburg aus Anlaß des Zehrengraben-Ausbaues.“ Nach dem 2. Weltkrieg und den
veränderten politischen Grenzen lebte der Ausbau erneut auf. Am 1. Juni 1956 erschien lediglich
hierzu eine Zeitungsnotiz:
„…Mit dem Vertreter des Kreiskulturbauamtes wurde dann über die dringend notwendige Regulierung
des Seegebettes beraten. In den Jahren 1952 - 53 wurde in einem Projekt die Seege reguliert
und wieder in den Soll-Zustand versetzt. Nachdem der Flußlauf in der Altmark reguliert worden ist,
wurde der Druck des Wassers stärker. Der Abfluß ist durch Versandung in den letzten Jahren gefährdet.
Die Wiesen der Anlieger werden von Jahr zu Jahr durch das Wasser unbrauchbarer. Durch
die Räumung der oberen Seege in der Altmark hat sich der Sand im Flußbett abgelagert. Auch im
Mittelsee befindet sich keine Rinne. Die laufenden Räumungsarbeiten reichen nicht aus, um einer
bevorstehenden Katastrophe zu begegnen. Die Mittel aus Mitgliederbeiträgen entsprechen nicht
dem Aufwand, der notwendig ist. Es müßte ein Saugbagger eingesetzt werden ….“ 15
In den Jahren von 1935 bis 1938 sind im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes Ausbauarbeiten in
der unteren Strecke der Seege durchgeführt worden, ebenso 1943 eine neuerliche Entschlammung.
Im Jahre 1957 erfolgten Baggerungen in der Seege durch die Firma Norddeutsche Baggerei.
Nach einem Entwurf des Kreiskulturamtes in Lüchow vom 4.1.1958 sind 1959 in den Gemar-
27
kungen Gartow, Laasche, Meetschow und Restorf rd. 5 km Gräben im Seegetal ausgebaut worden.
Am 13.7.1961 bereiste Staatssekretär Deetjen nach vorangegangenen Klagen das Seegegebiet,
wobei das Mitglied des Nieders. Landtages, Dr. Konrad v. Oppen aus Gartow, Vorarbeiten leistete.
Mit Inkrafttreten des Nieders. Wassergesetzes im Jahre 1962 geriet die Seege in die Unterhaltungspflicht
des Landes Niedersachsen. Damals wurde der Zustand des Gewässers beklagt: „…
Die Seegeniederung ist heute zum größten Teil versumpft und durch den Rückstau der Elbe alljährlich
unzeitigen Überflutungen ausgesetzt. In den Jahren 1934/35 wurde der Flusslauf oberhalb
Gartows zu gut einem Drittel durch den damaligen Reichsarbeitsdienst ausgebaut. Die Reststrecke
bis zur Mündung ist bis heute, abgesehen von einer durchgeführten Teilentkrautung, völlig
unberührt geblieben. Die Folge davon ist, dass man hier kaum noch von einem Flusslauf sprechen
kann, da das Wasser durch die Verschlammung seitlich in die Wiesen drückt und diese z.T. ganzjährig
unter Wasser setzt...“ Hydraulisch wurde für die Seege eine Abflussmenge von 6 Liter/Sek.
pro qkm bei Sommermittelwasser ermittelt, bei Sommerhochwasser 16 Liter/Sek. pro qkm. Der
Grundwasserstand lag bei 40 - 80 cm unter Flur. In der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 12.9.1962 war
in diesem Zusammenhang zu lesen: „…Jahrelang habe man sich bemüht, der Abwanderung nach
1945 Einhalt zu gebieten, jetzt gehe man soweit, eine weitere Entvölkerung zu organisieren und
zu fördern. Es müsse einen anderen Weg zur Besserung und Sicherung der Landwirtschaft in der
Seegeniederung gefunden werden. Ohne Zweifel sei die Versumpfung der über 2.400 Morgen großen
Wiesenfläche an der Seege durch den Nichtausbau der unteren Seege verursacht worden….“
Schwankungen der Niederschlagssummen (mm), Vegetationsperiode Mai - Juni (oben), Jahr (unten)
Und der heutige Zustand der Seege?
Die Seege erreicht südlich von Kapern das Land Niedersachsen und bildet auf rd. 2,5 km Länge
eine gemeinsame Grenze mit dem Land Sachsen-Anhalt. Danach fließt sie begradigt und weiterhin
meist unbeschattet überwiegend durch Grünflächen. Bei Gartow durchfließt die Seege den
Kleinen Gartower See als Sandfang und anschließend den rd. 60 ha umfassenden, gestauten
Gartower See. Über den ebenfalls angestauten Laascher See gelangt die Seege in die Elbe. Hochwässer
der Elbe wirken sich durch Rückstau in der Seegeniederung bis nach Bömenzien aus,
wobei das Hochwasser mehrere Wochen anhalten kann.
28
Die Seege ist ein sehr langsam fließendes Gewässer mit überwiegendem Stillwassercharakter.
Oberhalb von Nienwalde wachsen als Vorboten für eine beginnende Verlandung lokal ausgedehnte,
flächendeckende Krebsscherenbestände. Der Untergrund ist mit einer bis zu 50 cm dicken Faulschlammschicht
bedeckt. In Nienwalde besteht die Gewässersohle aus einem Sand-Schlammgemisch.
Ausgedehnte Bestände von Pfeilkraut zeigen Faulschlammbänke an. Daher verkrautet die
Seege in diesem Bereich auch stark. Das Wasser ist überwiegend schwach bis deutlich getrübt.
Zum überwiegenden Teil setzt sich die Gewässerfauna aus Schnecken und verschiedenen Wasserkäferarten
zusammen. Im Sediment leben Kugelmuscheln und auch sehr vereinzelt Teich- und
Malermuscheln. Auch die Dreikantmuschel ist in geringen Dichten vertreten.
Eintags- und Köcherfliegen kommen nur mit wenigen Arten meist in spärlicher Anzahl vor. Wasserasseln
sind zahlreicher als Bachflohkrebse, ferner kommen verschiedene Libellenarten vor; wobei
die Gattung Calopteryx splendens recht häufig war. Aufgrund der chemisch-physikalischen Messergebnisse
lag die Sauerstoffsättigung in den Monaten Juni bis Oktober in der Seege nur zwischen
42 - 57%. Neben deutlichen Sauerstoffdefiziten wurden in den Wintermonaten Ammoniumkonzentrationen
von bis zu 0,75 Milligramm pro Liter im Bereich einer kritischen Belastung festgestellt.
Die Gewässergüte erreichte daher mit Stand 1988 nur die Güteklasse „kritisch belastet“. 16
In Abhängigkeit zu den Wasserständen in der Elbe unterliegen auch die Wasserstände in der Seege
sehr starken Schwankungen. Von der Elbe wandern verschmutzungsfördernde Tierarten in die
Seege ein, z.B. der getigerte Flohkrebs, Schnecken und Asseln sowie Wollhandkrabben. Die Elbe
bringt ferner hohe Salz- und Ammionumgehalte in die Seege und den Gartower See (bei Hochwasser).
1989 schwankte der pH-Wert zwischen 7,4 und 8,2; die Leitfähigkeit zwischen 550 und
770 us/cm, der Gesamtphosphatwert zwischen 0,06 und 0,13 mg/Liter, der Sulfatwert zwischen
88 und 149 mg/Liter, der Nitratwert zwischen -0,05 und 1 mg/Liter, der Kaliumwert zwischen 4,5
und 10 mg/Liter, der Chloridwert zwischen 47 und 68 mg/Liter und der Nitritwert bewegte sich
zwischen -0,01 und 0,02 mg/Liter, um nur die wichtigsten Indikationen zu nennen (Messstelle
Seegebrücke Gartow).
Das Seegewasser erreicht, bereits aus der Altmark belastet, die Gütemessstelle Nienwalde. 1991
stellte das Wasserwirtschaftsamt Lüneburg für den dortigen Bereich fest:
„In Nienwalde traten im Juni, August und November deutliche Sauerstoffdefizite von bis zu 50%
auf. Gegenüber 1990 ist hier ein Rückgang der Nährstoffgehalte aber ein leichter Anstieg der
organischen Belastung festzustellen. An der Messstelle Meetschow ist der Einfluss des Laascher
Sees deutlich erkennbar. Die pH-Werte lagen bis auf die Wintermonate über 8. Zurzeit von Algenblüten
wurden Werte um 10 pH gemessen. Im Sommer waren deutliche Sauerstoffübersättigungen
die Regel. Der Gehalt an gelösten Nährstoffen sinkt im Sommerhalbjahr bis in den Bereich der
Nachweisgrenze ab. Phosphor und Stickstoff liegen dann fast ausschließlich in gebundener Form
in der Planktonmasse vor. Durch anaerobe Vorgänge in den bodennahen Schichten des Laascher
Sees kam es im Spätsommer allerdings zur Rücklösung von Phosphat aus dem Sediment.“ 17
Die bisher letzten veröffentlichten Messwerte stammen aus dem Zeitraum 1998 - 2000. An der
Gütemessstelle Nienwalde sind für die Seege folgende Analysewerte im Sediment festgestellt
worden: Cadmium = 0,96 mg/kg, Zink = 300 mg/kg, Quecksilber = 0,28 mg/kg, Blei = 93 mg/
kg, Kupfer = 45 mg/kg, Nickel = 26 mg/kg und Chrom = 73 mg/kg. Diese Schwermetallgehalte
weisen lediglich nur mäßige Belastungen auf. Quecksilber-, Nickel- und Chromgehalte finden sich
sogar in der Kategorie „praktisch unbelastet“ bzw. „antrophogen unbelastet“. Dabei führte die
29
Elbe im Zeitraum von 1989 - 1999 im Schwebstoff sehr hohe Cadmiumwerte mit sich: zwischen
8,6 (1996) und 19,0 (1991) mg/kg und Zink zwischen 1260 (1999) und 2430 (1991) mg/kg. Als
Ergebnis wurde festgestellt: „Die Seege wurde in ihrem Mittellauf in Nienwalde und im Mündungsbereich
unterhalb des Laascher Sees beprobt. Mit Ausnahme einer deutlichen Zinkbelastung war
das Sediment in Nienwalde unbelastet bis mäßig belastet. Unterhalb des Laascher Sees sind die
Folgen von eingestautem Elbewasser und der dort sedimentierten Schwebstoffe aus der Elbe aufgrund
der hohen Belastung mit Quecksilber, Cadmium und Zink erkennbar.“ 18
Der Wassergüte abträgliche Nährstoffe gehen der Seege durch eine Vielzahl diffuser Quellen aus
der Landwirtschaft, sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in Niedersachsen, zu. Daher ist die niedersächsische
Landesregierung bestrebt, im Zuge des Gewässerstreifen-Programmes einen 5 - 10 m
breiten Uferstreifen beiderseits gefährdeter Fließgewässer eigentümlich zu erwerben. Dort werden
dann keine Dünge- und Herbizidmittel mehr eingesetzt. Eine überwachte Einleitung von gereinigtem
Abwasser erfolgt nur noch durch die 1976 in Betrieb genommene Kläranlage Laasche über
den Leipgraben in die Seege. 1984 waren 2.300 Einwohner angeschlossen, ausgelegt ist die Kläranlage
für 6.000 Einwohnergleichwerte und 359 kg täglichen biochemischen Sauerstoffbedarf.
Die Jahreseinleitungsmenge betrug 1984 insgesamt 3280 cbm gereinigtes Abwasser. Das sind
19,4 Liter in der Sekunde. Gewisse Einleiterwerte, z.B. von BSB 5 („Biologischer Sauerstoffbedarf“)
und CSB („Chemischer Sauerstoffbedarf“), die behördlicherseits vorgegeben waren, mussten
eingehalten werden.
Vor dem 2. Weltkrieg hatte lediglich die Molkerei Kapern ein sog. Wasserrecht zur Einleitung einer
nicht genannten Abwassermenge in den südlichen Schaugraben beantragt. Erst nach Durchfließen
von 5 Absatzbecken geriet diese bei Restorf in die Seege. Das am 8.11.1934 in das Wasserbuch
eingetragene Recht ist am 11.10.1963 erneuert und am 27.2.1970 gelöscht worden.
Als weiterer Schmutzwassereinleiter galt im März 1968 die Molkerei Gartow, die bis zu 36.000
cbm Betriebsabwasser pro Jahr nach vorheriger Klärung in den Abzugsgraben am Quotum indirekt
in die Seege einleiten durfte. Diese Menge wurde ab Januar 1978 auf nur noch 10.000 cbm
reduziert. Im Januar 1988 ist dieses Recht gelöscht worden. Über den Helkgraben ist seit 1967
verbrauchtes Wasser der Badeanstalt Gartow der Seege zugeführt worden, wobei die behördliche
Auflage vom 24.8.1967 lautete: „Eine Überlastung des Gewässers darf jedoch nicht eintreten.“
Das Wasserrecht erlaubte die Einleitung von jährlich 30.000 cbm. Zum 30.6.1990 erlosch dieses
Recht.
Als Gartow kurz nach 1945 mit vielen Flüchtlingen belegt war, gab es vom zuständigen Deichvogt
in Schnackenburg Klage wegen des Gewässerzustandes der Seege. Deichvogt Templin berichtete
am 1.5.1948 an die zuständige Behörde:
„Im Herbst vergangenen Jahres ist im Schloß des Grafen von Bernstorff ein Alters- und Pflegeheim
eingerichtet worden. Es sind ungefähr 100 Personen im Schloß untergebracht. Die Abwässeranlage
(Klärgrube) ist seiner Zeit nur für den Eigenbedarf der gräflichen Familie gebaut worden und
somit für den großen Betrieb zu klein. Da jetzt der Badebetrieb ungefähr 100 m unterhalb der
Einlaßstelle wieder anläuft, ist es zu bedenken, daß das Wasser durch Abwässer des Altersheimes
stark verunreinigt ist. Ich bitte um Verfügung, ob die Angelegenheit von dort aus bearbeitet wird
oder das Landratsamt in Dannenberg zuständig ist.“ 19
In fischereilicher Hinsicht weckte die Seege schon frühzeitig Begehrlichkeiten. Während früher bis
auf wenige Ausnahmen die Nutzung aller größeren Gewässer dem Landesherrn zustand, erreichte
30
es Graf von Bernstorff aufgrund alter Privilegien, sich die Fischerei in der Seege zu sichern. In einer
Zusammenstellung zur „Fischerei beim Hause Gartow“ vom 19. Mai 1700 stand dem Grafen
die Fischerei „in dem Bezirk seiner und aller zubehörigen Dörfer und Feldmarken, in allen großen
und kleinen fließenden und stehenden Wässern, als in dem Elbstrom, in der Garte oder Seegefluß,
deren Seen, Bracken und wie es Namen haben mag“ zu. Speziell zur Abgrenzung des Fischereirevieres
wird mitgeteilt: „III. Der Garte- oder Segefluß und die darine befindliche stehende Seen
von der Boehmesienischen und Caperschen Feldtscheidung über den Ravens See an durch die
Garte hinter Niendorff bis Gartow, hinter Gartow entlang bis Restorff, Restorff vorbey bis Laasche,
von Laasche bis durch den Meschowischen Graben biß in den Elb-Strohm“. Mit dazu gehörten bei
Restorf das Heilige-, Dohren- und das alte und neue Sechowische Brack. Das bedeutet, Graf von
Bernstorff besitzt das Fischereirecht in der Seege von der Landesgrenze bis zur Elbe einschließlich
des Gartower Sees. Allerdings muß er das Mitfischereirecht der ehemaligen Hauswirte Bollmann,
Niemann und Riege bzw. deren Rechtsnachfolger aus Nienwalde dulden. Dieses ist auf die
Feldmark Nienwalde beschränkt und darf nur im Bereich der von den eben erwähnten Hauswirten
im Besitz befindlichen Grundstücke bis zur Mitte der Seege ausgeübt werden. Als der Gartower
See fertig gestellt und damit die Seege aufgeweitet war, ergab sich für Graf von Bernstorff die
Möglichkeit, über ein noch größeres Fischereirevier zu verfügen. Ein pensionierter Senatspräsident
am Oberlandesgericht Schleswig verfasste seinerzeit ein fischereirechtliches Gutachten. Auf
Grundlage des Preuß. Wassergesetzes von 1913 und des Nieders. Wassergesetzes von 1960 wies
er für den Grafen dessen künftiges Fischereirecht auch im Gartower See nach.
Im Rahmen des Vorhabens „Natur erleben in Niedersachsen“ spezieller: „Seeadlerbeobachtung in
der Seegeniederung bei Gartow“ förderte die Ruth- und Klaus Bahlsen-Stiftung eineTeil-Renaturierung
der Seege zwischen Gartow und der Landesgrenze. Auf dieser 2,4 km langen Strecke begann
ab 2007 der Bau von insgesamt 6 sogen. Mäandern, also verschwenkter Gewässerverläufe sowohl
nördlich als auch südlich der Seege. Im Erläuterungsbericht steht u.a.: „…Nach dem Ausbau
der Mäander wird der Altlauf der Seege auf einer mittleren Länge von 15 - 40 m mit dem bei der
Herstellung der Mäander gewonnenen Boden verfüllt. Der Abschnitt zwischen der Anbindung des
Mäanders an den Altlauf der Seege und der Verfüllung des Altlaufes bleibt als Totarm erhalten.
Dieser soll zukünftig nicht mehr unterhalten werden und ausschließlich dem Naturschutz zur Verfügung
stehen…“
Das Einzugsgebiet der Seege umfasst bei Eintritt in das Land Niedersachsen 213 qkm, in Gartow
272 qkm und an der Einmündung in die Elbe 324 qkm. Schon frühzeitig ist für die Seege eine
Schauordnung sowie eine Unterhaltungsordnung erlassen worden... 20
Hergestellte Mäander bei Nienwalde 2007
31
Infolge zahlreicher Klagen beauftragte der Regierungspräsident
in Lüneburg das Wasserwirtschaftsamt
Lüneburg, eine Untersuchung zur
Verminderung von Hochwassergefährdungen
zu erarbeiten. Letzteres legte mit Datum vom
6.1.1962 den „Bericht zu den Möglichkeiten
zur Verbesserung der Abflußverhältnisse in
der Seegeniederung“ vor. Neben dem Ausbau
der Seege zwischen Restorf und Brünkendorf
war die Anlage von Sommerdeichen
zwischen Gartow und Meetschow südlich der
Seege nahe an den Gewässern Seege, Gartower
und Laascher See geplant. Damit sollte
ein 320 ha großes Gebiet zumindest von
Elbe-Sommerhochwässern geschützt werden.
Die Planungen sind später nicht umgesetzt
worden.
Der Bau künstlicher Mäander an der Seege ab
2007
Alandüberleitung
Seit mehr als hundert Jahren, die ersten schriftlichen Ausarbeitungen datieren von 1901, wird
eine Planung verfolgt, die Alandmündung unter Benutzung des Seegetales künstlich zu verlegen.
Hierbei soll die Alandniederung gegen den Einfluss der ständig wiederkehrenden und Schaden
bringend in die Alandniederung einströmenden Elbehochwasser geschützt werden. Mit der Verlagerung
der Alandmündung an die Seegemündung in die Elbe wäre die Hochwassergefahr für
immer gebannt.
Der Magdeburger Regierungsbaumeister Rogge hatte 1904 bereits detaillierte Pläne dazu erarbeitet
und die Ergebnisse in der Denkschrift: „Verlegung der Alandmündung – Kurze Erläuterungen
zu dem Entwurf des Regierungsbaumeisters Rogge vom 29. Dezember 1904“ veröffentlichen
lassen. Um 1940 lag ein baureifer Entwurf vor, kam jedoch wegen der Kriegsverhältnisse nicht zur
Ausführung. Zudem hatten die Anlieger in der Provinz Hannover kein Interesse daran, die ohnehin
vorhandenen Probleme (ebenfalls Hochwassergefährdung) noch durch die Alandverlegung zu
verschärfen.
Nach dem 2. Weltkrieg kam zwischen den beiden deutschen Staaten keine gemeinsame Zusammenarbeit
in wasserwirtschaftlichen Fragen zustande. Dennoch verfolgte der Volkseigene Betrieb
Wasserwirtschaft Mittlere Elbe in Magdeburg den alten Plan weiter. Im Jahre 1956 wurde hierzu
die „Grundkonzeption zu dem Plan der Ableitung von Alandwasser zur Seege“ erarbeitet. Diese
sah vor, nur dann Alandwasser überzuleiten, wenn die Alandniederung bereits infolge Elbehochwasser
oder Eigenhochwasser geflutet war. Am 4. Oktober 1967 kam es in dieser Angelegenheit
zu einem Gespräch zwischen der Oberflußmeisterei Osterburg und der Bauabteilung Dannenberg
des Wasserwirtschaftsamtes Lüneburg. Seitens Osterburg war eine Verlegung in den 1970iger
Jahren vorgesehen, aber da hierfür zuvor die Seege hätte ausgebaut werden müssen, unterblieb
das Vorhaben. Immerhin ist dieser Aspekt beim Bau der Seegebrücke Meetschow-Vietze berücksichtigt
worden, indem diese eine größere Lichtweite erhielt. Bei einem Wasserstand von +4,70 m
am Pegel Wittenberge (Pegelnull = NN +16,59 m) sollte die Überleitung wirksam werden. Das entspricht
einem Elbewasserstand von NN +16,50 m an der Seegemündung, zu diesem Wasserstand
ist das Seegetal bis in die Altmark hinein überstaut. Die Alandüberleitung war auch Gegenstand
32
in den Verhandlungen bei der 33. Sitzung der deutsch-deutschen Grenzkommission im Juni 1977
und mehrere Male im Jahr 1978. Auf westdeutscher Seite sind daraufhin Voruntersuchungen
durchgeführt worden aber konkrete bauliche Maßnahmen erfolgten noch nicht. 21
Die Flussmeisterei Osterburg hingegen begann 1982 - 1985 mit dem Bau von Absperrdeichen
in der Alandniederung, um den Eintritt von Elbehochwasser zu verhindern. 1991 wurde der Bau
eines sog. Überleitungsbauwerkes bzw. Alandabschlusswehres bei Kl. Wanzer fertig gestellt. Mit
dem Bau war bereits 1986 begonnen worden. Bisher ist aber noch kein Alandwasser in die Seegeniederung
übergeleitet worden, weil hierzu auf niedersächsischem Gebiet noch die baulichen
Voraussetzungen fehlen. Die entsprechenden Planungen werden weiterverfolgt. In den Jahren
2006/07 ist südlich von Kapern der rechtsseitige Seegerückstaudeich errichtet worden, 2008
folgte das Reststück bis zur Landesgrenze. Erst mit Fertigstellung auch des linksseitigen Seegerückstau-Deiches
ist an eine weitere Alandüberleitung zu denken.
Juli 2006: Alandabsperrbauwerk Kl. Wanzer
33
Quellen und Literatur
1. Miest, Paul-Friedrich: „Die Landschaften des Kreises Lüchow-Dannenberg“ in: Hannoversches
Wendland. 1. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, 1969,
S. 11 - 20
2. Unterlage Katasteramt Lüchow
3. Standortkarten 1:200 000, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und Nieders.
Landesamt für Bodenforschung, Hannover 1983
4. Deutscher Wetterdienst: Klima-Atlas von Niedersachsen, Offenbach 1964
5. Wilkens, Horst: „Biologische Charakterisierung und Bedeutung des Höhbeck und der ihm
umgebenden Niederungsgebiete“ in: Hannoversches Wendland, 4. Jahresheft des Heimatkdl.
Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, 1973, S. 39 - 48 sowie Walther, Kurt: „Zur Vegetation
der Flussniederungen um den Höhbeck“ in: wie vor, S. 31 - 38
6. Amtsblatt für den Regierungsbezirk Lüneburg: Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen
im Landkreis Lüchow-Dannenberg, Höhbeck-Gartow vom 1.8.1974, S. 429 - 431
7. Amtsblatt für den Regierungsbezirk Lüneburg: Verordnung über Naturschutzgebiete im
Bereich des Schutzgebietssystems Elbetal vom 2.3.1998, S. 31 - 36
8. Gesetz über das Biosphärenreservat Nieders. Elbtalaue vom 14.11.2002 in:
9. Nieders. Gesetz- und Verordnungsblatt 2002, S. 426 ff
10. Dierking, Heinrich: „Naturschutzfachliche Rahmenkonzeption Untere Mittelelbe-Niederung
zwischen Quitzöbel und Sassendorf“, Hannover 1992, 163 S.
11. GR 1809/10, S. 209
12. GR 1809/10, S. 338
13. G4 Nr. 1 a „Die Aufräumung des Seegeflusses betr. 1813“
14. ebenda
15. G 4 Nr. 15 „Reinigung der Seege 1855 - 1908, Seege-Korrektion 1867“
16. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 1.6.1956
17. Wasserwirtschaftsamt Lüneburg: Gewässergütebericht 1988, Lüneburg 1989, S. 14 - 15
18. Staatliches Amt für Wasser und Abfall Lüneburg: Gewässergütebericht für 1991,
Lüneburg 1992, S. 15
19. Schulze, Manfred: „Schwermetalle im Sediment der niedersächsischen Elbe und ihrer
Nebenflüsse oberhalb Hamburgs“, Lüneburg 2001, S. 11, 12, 15, 17 zugleich NLWKN-
Schriftenreihe Bd. 1
20. Puffahrt, Otto: „Abwasserprobleme im Regierungsbezirk Lüneburg im Zeitraum von 1934
bis 1952“, Lüneburg 2003, S. 56 - 57
21. Amtsblatt der Regierung zu Lüneburg 1927, S. 77 ff., S. 197 f.
34
Erste Erwähnung Gartows
Hinsichtlich der ersten urkundlichen Erwähnung Gartows als Siedlung führt Rudolf Haberland aus:
„Im Jahre 1225 werden zuerst Herren von Chartowe in Urkunden als Inhaber der Burg Chartowe
am Seegeübergang zwischen Krummendieck und dem Bezirk „Uppe de Heide“ erwähnt. Gab es
1225 auch schon einen Ort Gartow? Wir wissen es nicht, dürfen es aber wohl annehmen. Wann ist
dieser Ort entstanden? Wir haben keinerlei Nachrichten darüber. Es kann jedoch wohl kaum einen
Zweifel darüber bestehen, dass die Siedlung Chartowe erst in Anlehnung an die Burg entstanden
ist und nicht schon vor Anlage der Burg bestanden hat…Urkundlich erwähnt wird der Ort Gartow
zuerst im Jahre 1321…“ 1
Die Erwähnung Gartows im Jahre 1225 fügt sich ein in die Reihe anderer größerer Siedlungen
im Landkreis Lüchow-Dannenberg mit Ersterwähnungen: Clenze 956 (wie auch Lüneburg), Lüchow
1145 (auch 1158), Bergen/D. 1203, Trebel 1251, Hitzacker 1258, Dannenberg 1293, Gorleben
1360, Schnackenburg 1373 und Wustrow 1377. Wird in diesem Zusammenhang das Gebiet
der Altmark näher betrachtet, ergeben sich weitere mittelalterliche Stadtgründungen: Havelberg
(948), Werben (1005), Tangermünde (1009), Salzwedel-Burg (1134), Seehausen (1151), Osterburg
(1160) und Salzwedel-Stadt (1233).
Einen Flecken namens Gartow gibt es nur einmal, aber in der Gemeinde Wusterhausen/Dosse
im Bundesland Brandenburg existiert ein Ortsteil mit der Bezeichnung Gartow (131 Einwohner,
Gartow/Wendland 1417 Einwohner). 2
Im ältesten Ortsverzeichnis unserer Region, dem „Lüneburger Lehnregister“, welches den Zeitraum
von 1330 bis 1368 abdeckt, erscheint Gartow nicht. Erklärlich wird dies, wenn bedacht wird,
dass Gartow damals offenbar nicht im Einflussbereich der Lüneburger Herzöge Otto, Wilhelm und
Bernhard gelegen hat, sondern im Bereich der Sachsenherzöge. 3
Späterhin (1486) begab sich Georg v. Bülow „in den Schutz des Kurfürsten Johann“ von Brandenburg:
„Das ich mich mitsambt meinem Sloß Garttow und aller seiner Zugehörung in des …Herrn
Johannsen, Marggraven zu Brandenburg… sunderlich Schutz und Schirm gesetzt und gegeben
habe …“ 4
Einen ähnlichen Schritt vollzog Georg v. Bülow
mit Gartow bereits 1471. Vorangegangen waren
Querelen mit den Herrscherhäusern Braunschweig-Lüneburg
und Brandenburg einerseits
und denen v. Bülow auf Gartow andererseits
um 1460. 5
Der Zeitpunkt der Ersterwähnung Gartows
1225 bezieht sich also lediglich auf die Nennung
der Burginhaber von Gartow, den Herren
von Chartowe. Somit bleibt der Nachweis zur
Ersterwähnung Gartows als Siedlung späteren
Nachforschungen als künftige Aufgabe vorbehalten.
Siegel v.d. Gartow und von Bülow
35
Siedlungsentwicklung
Die ersten nachweisbaren Bewohner unserer Landschaft waren Menschen des Mesolithikum-
Zeitalters. Als unsesshafte Jäger und Fischer erlangten sie jedoch kaum Bedeutung. Aber schon
während der Jungsteinzeit kann mit einer relativ dichten Besiedlung unserer Heimat gerechnet
werden. Seit etwa 3000 vor Christi trieben die Neolitiker Wald-Viehzucht und Ackerbau, wobei sie
an bestimmte Siedlungsgebiete gebunden waren und dabei Wald rodeten. In der Bronzezeit, mehr
aber in der Eisenzeit, und dann um Christi Geburt, trat hier „das häufige Vorkommen von Wohnplätzen“
und eine „außerordentlich dichte Besiedlung des Kreisgebietes“ hervor. 6
Infolge kriegerischer Entwicklungen kam es in Schüben immer wieder zu teilweise ganzen, oder
aber zeitlich begrenzten Siedlungsentleerungen von Teilgebieten des Landkreises. Im 9. Jahrhundert
breiteten sich längs der Elbe und im Wendland die Slawen aus, die vermutlich verbliebene
germanische Siedler teilweise verdrängten. Die Urbewohner scheinen vor dem Eindringen
der Wenden Abkömmlinge von Barden und Sachsen gewesen zu sein. Zu den Wenden teilt Koch
mit: „Die heidnischen Wenden, welche von den Sachsen verschieden bald Slaven bald Wenden
genannt wurden, sich selbst aber auch unterschieden als Dravanen und Linonen (Dravaner = Drawehner-Goh
und Linonen = Lem-Goh, jetzt Lemgow) drangen etwa 200 Jahre nach der Auswanderung
der Langobarden nicht nur in das jetzt unter dem Namen Wendland bekannte Gebiet von
Niedersachsen sondern weiter bis Bleckede, Lüneburg, Bevensen und Uelzen, nach Süden auch
bis Bodenteich vor,“ sowie: „Bemerken wollen wir hier, daß bei der Einwanderung der Wenden
zweifellos die Straße über Lenzen in der Priegnitz mit dem Übergange bei der alten Lenzer Fähre
über die Elbe bevorzugt gewesen ist und daß von dem zwischen Vietze und der Thalmühle belegenen
Höhenzuge, dem Höhbeck, aus die Besetzung des Hannoverschen Wendlandes erfolgt ist.“ 7
Über die Orts- und Flurnamen wurde versucht, die Ausbreitung der Wenden nachzuvollziehen: „Die
Orts- und Flurnamen zeigen an, dass sich die wendischen Einwanderer bis auf die Marschen an
Elbe und Seege überall ausbreiteten. Wendische Ortsnamen können aber auch von eingegangenen
Slawenorten auf unter deutscher Herrschaft entstandene Neugründungen übertragen sein.
Trotzdem scheinen die Gruppen der über die Elbe gekommenen Wenden nicht umfangreich gewesen
zu sein. Von den etwa 350 Siedlungen (einschließlich der Wüstungen) des Kreises entstanden
mindestens 50 im Jeetzeltal, in den Marschen und durch Umsiedlungen erst später, so dass mit
etwa 300 alten Siedlungsplätzen zu rechnen ist. Sie wurden nicht auf einmal besetzt. Mehr als
300 bis 400 wendische Familien dürften daher kaum aus dem ostelbischen Gebiet herübergezogen
sein, wahrscheinlich waren es noch weniger, weil sich nach und nach jüngere Familien, die
von den ersten Ankömmlingen abstammten, ausbreiten konnten.“ 8
Unter sächsischer Duldung mischten sich die heidnischen Wenden unter die Germanen und bildeten
bald die Mehrzahl, wobei die wendische Sprache überhand nahm. Vermutlich kamen die
Germanen seit dem 10./11. Jahrhundert wieder in größerer Zahl in das Wendland zurück, wobei
W. Schulz bemerkt: „Der deutsche Einfluss erstreckt sich also bereits vor dem Jahre 1000 auf
den ganzen Kreis Lüchow-Dannenberg, nach Schnath war seine Zurückgewinnung schon 983
abgeschlossen. Die Kriegszüge der Billunger und Sachsen gingen nach Ostelbien, von Kämpfen
diesseits des Flusses (Elbe) ist nichts nachgewiesen. Ohne eine straffe sächsische Herrschaft
über das ganze Land ist diese Befriedung des Wendlandes nicht zu verstehen. Die aus der Uelzener
Urkunde von 1289 abzuleitenden Kolonisationsmethoden (des Wendlandes) sind daher nicht
erst als Einrichtungen aus der Zeit der Grafen von Lüchow und Dannenberg aufzufassen, sondern
die Angaben beziehen sich auf eine viel frühere Zeit.“ 9
36
Die Deutschen setzten vermutlich bei der Kolonisation
des Wendlandes nach Zurückdrängung
der Wenden in den Dörfern Dorfschulzen
ein, die Aufsichts- und Verwaltungsaufgaben
wahrnahmen. Möglicherweise gab es zudem
Siedlungseinflüsse aus der Altmark. Die früheren
Germanen gehörten zu den Westgermanen
und innerhalb dieser zum Volk der
Herminonen, sie siedelten um 800 in dem
weiten Raum nordöstlich von Aller und Harz
bis zur unteren Oder, also auch im Landkreis
Lüchow-Dannenberg (Wendland). Später traten
die Westsneben und Semnonen sowie erst
dann die Langobarden auf. Das Kerngebiet der
langobardischen Besiedlung ist bis um 1300
als Bardengau bezeichnet worden. Vor dem
Auftreten der Langobarden scheinen die Angeln
im 1. und 2. Jahrhundert in die damals
weitgehend entvölkerte Altmark eingewandert
zu sein. Sie kamen aus dem Schleswiger
Raum. 10
Zeitgenössische Beschreibung von Gartow im
Braunschweiger Anzeiger von 1757
Der Gartower Raum war schon frühzeitig Gegenstand archäologischer Forschungen, begonnen
mit den Untersuchungen zum Höhbeck-Kastell Karls des Großen sowie den Ausgrabungen bei
Pevestorf, der Burg Meetschow und dem Ringwall im Elbholz. 11
Seit kurzem haben sich Forscher der Universität Göttingen den Raum Meetschow - Lenzen - Gartow
erneut vorgenommen und mit neuesten Methoden, wie Luftaufklärung, dendrologischen und
Magnetik-Untersuchungen, gründlichere Ergebnisse präsentiert. In Vietze wurden neben Scherben,
Knochen und einer emaillierten Heiligen-Fibula 178 unter Heinrich dem Löwen geprägte Silbermünzen
geborgen. 12
Hinsichtlich der Burgen hat Alfred Pudelko schon vor 1970 Untersuchungen angestellt, wobei ihm
eine Kette von Burgen auffiel, die von der ehemaligen Burg Pretzetze über Pölitz, Gorleben, Meetschow,
Restorf, Gartow, Rahnsburg, Bömenzien bis Schnackenburg reichte. Auch das sind Belege
für militärischstrategische Überlegungen jener Zeit. 13
Der Bogen, den die Burgenkette abschwenkend von der Elbe in die Seegeniederung vollzieht, hat
seine Erklärung vielleicht in der einstigen Existenz der „Insel Krummendiek“, den heute eingedeichten
Teil des Gartower Deich- und Wasserverbandes, wobei „Krummendiek“ ein Hinweis auf
eine vor Jahrhunderten bestehende Bedeichung sein kann. 14
37
In einem Vortrag von Jens Schneeweiß sind die Ergebnisse des vier Jahre laufenden Projekts
„Elbslawen“, Forschungsgegenstand des Seminars für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen,
vorgestellt worden:
„…Die älteste, nachgewiesene slawische Besiedlung im Raum Meetschow stammt aus dem 7./8.
Jahrhundert. Die Beteiligung der Burg Meetschow an der Schlacht des Jahres 929 n. Chr. gilt
als erwiesen. Der Umbau und das spätere Aufgeben der Burg erfolgten auf Grund von Wasserstandsveränderungen.
Der Burgwall im Elbholz wurde nach 860 n. Chr. errichtet. Anfang des 10.
Jahrhunderts erfolgte eine gewaltsame Zerstörung der Burg. Im 10. Jahrhundert erfolgten starke
Landschaftsveränderungen durch den Elbstrom mit Auswirkungen auf das Siedlungssystem.
Die Vietzer Schanze ist tatsächlich das „Castellum hohbuoki“, wobei eine römische Nutzung der
Anlage als unwahrscheinlich gilt. Ungeklärt ist noch die Funktion der Schwedenschanze aus der
frühslawischen Zeit (8. Jahrhundert). Eine spätere Nutzung der Höhenbefestigungen ist nicht erfolgt…“
15
Die Siedlungsausdehnung hatte wegen des natürlichen Überschwemmungsgebietes eine vorläufige
Stagnation erfahren. Erst seit dem Hochwasserschutz ab 1975/76 war daran zu denken, neue
Siedlungsgebiete zu erschließen. Da diese jedoch unter Stauwasser litten, ergab sich während
des Seeausbaues ab 1972 die Möglichkeit, die Bereiche „Schäferkamp“ und „Auf den Kämpen“
künstlich aufzuhöhen. Danach konnte die Bebauung des „Schäferkamps“ und „Auf den Kämpen“
im westlichen Gebiet, wo heute die Ferienhaus-Siedlung besteht, erfolgen. Die Bereiche „Am Quotum“
und „Auf den Kämpen“ (700 x 400 m, östliches Gebiet) sind nicht aufgehöht worden, so dass
es viele Jahre gedauert hat, bis die Bebauung verdichtet werden konnte. Noch heute gibt es dort
Lücken.
Bevor die Fläche „Schäferkamp“ aufgehöht wurde, lagen die Geländehöhen dort zwischen NN
+16,50 bis NN +17,76 m in unregelmäßigem Durcheinander. Der Bereich „Quotum“ lag etwas höher,
etwa zwischen NN +17,20 m bis NN +18,50 m. Da die Ortslage Gartow den Überschwemmungen
der Elbe durch Rückstau bis 1975 ausgesetzt war, wurde auch hier die „Polizeiverordnung
zum Schutze der Elbniederung gegen Wassersnot“ vom 30. Oktober 1930 angewandt. Reichte
bei vorzunehmenden Hausneubauten die Bauplatzhöhe nicht aus, musste eine Aufschüttung bzw.
ein Sockelmauerwerk vorgenommen werden, damit der Fußboden etwas höher als der mittlere
eisfreie Hochwasserstand lag.
Nur Vermutungen können darauf hindeuten, warum die ersten Siedler die Stelle zum Wohnen
und Arbeiten aussuchten, wo sich heute Gartow befindet. Die Erklärung könnte in den naturräumlichen
Gegebenheiten liegen: Zwischen Gartow und Quarnstedt verengt sich die Seegeniederung
unproportional stark. Zwei nur wenige Dezimeter höher liegende Flächen liegen sich auf kürzester
Distanz gegenüber – nur von der Seege getrennt. Hier bestand offensichtlich eine Furt, später eine
Brücke im Zuge wichtiger Fernverbindungen nach Lenzen, Schnackenburg, in die Prignitz und die
Altmark. Strategisch war diese Furt ein Zwangspunkt und wer darüber die Kontrolle hatte, festigte
seine Macht. In direkter Nachbarschaft zur Furt wurde eine „Wasser“-Burg errichtet und zu ihrem
eigenen Schutz mit Gräben umgeben.. Die Verbindung Furt/Burg scheint logisch, denn eigentlich
wäre es vorteilhafter gewesen, eine Burg auf dem 60 m hohen Höhbeck mit umfassender Rundumsicht
erbauen zu lassen.
Spitzenartig ragt die Gartower Besiedlung an die Seegeniederung heran, geradezu prädestiniert
zum Bebauen. Als Grundfläche diente wohl eine vorhandene, später durch künstliche Aufhöhungen
vergrößerte Talsandplatte, umgeben bis auf die Verbindung im Süd- und Nordwesten von
38
ehemals morastigen Gebieten. Die Hausbebauung fügte sich der damaligen Wegeführung an, die
direkt entlang der seegeseitigen, hochwasserfreien Geestkante entlang führte. So entstand bald
beiderseits dieses Weges ein langgestrecktes Straßendorf, später als Marktflecken aufgewertet.
Späteren Siedlungsausdehnungen waren bald wegen natürlicher Hindernisse Grenzen gesetzt:
Hochwasser und Morast. Daher erhielt Gartow im Ortsteil „Spring“ eine westliche Vorortsiedlung
und zur Geest hin eine südwestliche Erweiterung mit dem Ortsteil „Hahnenberge“. Auf dem jenseitigen
Seegeufer entstand ab 1695 das v. Bernstorffsche Gut Quarnstedt mit einer westlich
anschließenden Arbeitersiedlung.
Um die Hochwassergefährdung von Gartow zu minimieren, existierte im westlichen Ortsbereich
am Elsebusch ein inzwischen verschwundener niedriger Deich und im östlichen der Schäferkampsdeich
sowie der Buchhorstdamm. Noch weiter westlich übernahm der Straßendamm Gartow
- Meetschow einen gewissen Hochwasserschutz. Dennoch kam es vor, dass Gartow bei Extremhochwasser
von drei Seiten eingeschlossen war und in Teilen der Ortslage durch Gräben und
natürliche Rinnen überflutet wurde. Das änderte sich erst mit dem Deichbau von 1974 - 76, wobei
auch Nienwalde in den Hochwasserschutz einbezogen wurde und die Straße Gartow-Nienwalde
nicht mehr durch Überschwemmungen unterbrochen wird.
Burg und späteres Schloss Gartow
Bereits 1830 hat sich ein unbekannter Verfasser zu diesem Thema geäußert:
„Aus mehreren zutreffenden Sagen und Überlieferungen, Lokalumständen, Namen usw. dürfte
angenommen werden, dass der Höhbeck mit dem daranstoßenden Marschdistrikte zwischen der
Elbe, dem Aland und dem Seege- oder Garte-Flusse schon im 9. und 10 Säculn (Jahrhundert) von
Christen eingenommen, angebaut und gegen die anliegenden Gewässer eingedeicht wurde (also
die Insel Krummendiek), während die durchaus waldige Gegend im Süden des vorbeschriebenen
Distriktes am linken Ufer der Seege noch Jahrhunderte hindurch von (den heidnischen) Slawen
bewohnt blieb, mit alleiniger Ausnahme des Ortes Gartow und dessen nächster südlicher Umgebung.
Das Schloß Gartow ist nach seiner Lage fast unzweifelhaft zum Schutze des vorerwähnten
Marschdistriktes und zur Deckung des Hauptpasses (Damm oder Brücke) zu selbigem gegen die
Slawen als Brückenkopf erbaut worden, indem das meistens sumpfige Tal der Seege nur wenige
Übergänge gestattet, in einer vor Anwendung des Schießpulvers außerordentlich festen Lage.“ 16
Schloss Gartow Mitte des 16. Jhd. – Rekonstruktionsversuch von Detlev Stupperich
39
Und 1978 hat sich Detlev Stupperich eingehend mit der Baugeschichte von Burg und Schloss
beschäftigt:
„Die Urkunde von 1371 ist ein sehr wichtiger Hinweis zur Baugeschichte, da sie den Anfangszeitpunkt
markiert für diejenige Anlage des Schlosses Gartow, die 1709 und 1713 abgerissen wurde.
Drei Befestigungsarten werden erlaubt: Graben, Planken (Holzzaun aus vertikal aneinander gefügten
Bohlen mit womöglich eisenbeschlagenen Spitzen) und Mauern. Plankenzäune und Gräben
hat die Burg schon vor 1371. Sie werden nur erwähnt zwecks Befestigung des Städtchens. Sehr
wichtig ist dagegen das Wort muren. Es macht deutlich, dass vorher keine großen Mauern (aus
Steinen) existierten….“
Vermutlich war die allererste „Burg“ etwa um 1225 nichts anderes als eine Anlage runder Erdwälle
und Holzpalisaden, also eine Einfachst-Ausführung ohne Abwehrmauern aus Stein. Als
beim späteren Schlossneubau nach 1700 der Baugrund untersucht wurde, konstatierte der Celler
Oberbaumeister J.C. Borchmann „..wie unter solchen fundament-Mauren in der Erde große
Eichen-Bäume undt in (Zeichenbuchstabe) A. rudera von einem alten Schloße gefunden worden.“
Diese Eichenstämme, insgesamt 60 Stück, dienten zur Stabilisierung des früher wohl morastigen
Untergrundes. Nach Expertenansicht ist die erste Burganlage keine slawische Ringwallanlage
sondern eine „Substruktion einer deutschen Burganlage“ gewesen. Bis zum Jahre 1371 dürfte es
auch kein Burggebäude aus Steinquadern gegeben haben, möglicherweise bestanden diese aus
Fachwerk/Mauerziegelkonstruktionen. Aus dem Text des Teilungsvertrages von 1439 zwischen
Vicke von Bülow und Werner von der Schulenburg geht hervor, dass es damals ein „oberstes“ und
ein „unteres“ Schloß gegeben hat. Dieses Bauwerk stammte als Neubau aus dem Jahre 1371: „…
Höchstwahrscheinlich wurde damals ein kompletter Neubau errichtet: Im Süden der etwa kreisförmigen
Hauptinsel wurde an die Innenkante des umgebenden Walles eine halbkreisförmige Mantelmauer
gesetzt (Durchmesser ca. 45 m). Nach Norden wurde diese Mauer durch ein weiteres
gerades Mauerstück mit einem Torhaus in der Mitte abgeschlossen. Dadurch entstand vor dem
Schloß ein halbkreisförmiger Hof. Dieser Hof war von außen durch ein weiteres, kleines Torhaus
zugänglich…“
1439 bestand das Schloß/die Burg lediglich aus dem Wohnhaus, das lange neue Haus, der Küche,
dem kleinen und großen Bergfried und das Tor mit Torhaus. Das Wohnhaus war mit einiger
Sicherheit zweigeschossig. Die Bergfriede waren turmartige, die anderen Gebäude überragende
Baulichkeiten.
Um 1518 entstand durch Zu- und Neubauten wahrscheinlich ein halbkreisförmiges Schloß mit Abschlussmauer.
Eine weitgehend mit der Wirklichkeit identische Darstellung des Gartower Schlosses
liefert erstmals der Merianstich von 1650.
Es versteht sich von selbst, dass die Burg Gartow eine Wasserburg gewesen ist, d.h. sie war mit
einem Wassergraben umgeben. Vor der eigentlichen Burg befand sich um 1696 eine vorgelagerte,
ebenfalls mit einem Wassergraben versehene Vorinsel, wo einst das alte, im Dreißigjährigen
Krieg abgebrannte Brauhaus stand, sowie die danach errichtete Schule Gartow. Wird der Lageplan
damaliger Zeit betrachtet, erstaunt die Vielzahl der vorhandenen Wirtschaftsgebäude und
-flächen, die bis an die Kirche von Gartow reichen. Das erklärt sich aus der Tatsache, dass es drei
voneinander getrennte Wirtschaftshöfe gegeben hat, so wie sie sich aus der Dreiteilung des von
Bülowschen Besitzes seit 1518 ergab. 17
Als Andreas Gottlieb von Bernstorff 1694 das Schloß und die Herrschaft Gartow käuflich erwarb,
waren die Bauten in die Jahre gekommen und z.T. baufällig. Ein kostenträchtiger Neubau wurde
40
notwendig – darum ist 1709 die erste, frühneuzeitliche Schloßanlage abgebrochen worden. Lediglich
ein erst 1696 errichteter Fachwerkbau blieb zunächst erhalten und diente bis zur Fertigstellung
des neuen Schlosses als Übergangswohnung. Als hannoverscher Premierminister konnte sich
A.G. von Bernstorff den Celler Oberbaumeister Johann Caspar Borchmann leisten, der 1710 „mit
dem Bau der heute noch erhaltenen und bewohnten, dreiflügeligen Ehrenhofanlage“ begann…
Die heutige barocke Schloßanlage ist also über den Fundamenten der alten errichtet. Dadurch
konnte die bereits vorhandene Aufschüttung benutzt werden. Weil auch die alte Zufahrt vom Dorf
weiter genutzt wurde, ist die Schauseite des Schlosses nach Norden auf das Dorf hin gerichtet.
Sie zeigt eine schlichte, zweigeschossige Fassade mit einem gewichtigen Mansarddach. Die Mitte
ist ungewöhnlich wenig betont: Nur ein kleiner Portikus umrahmt die Eingangstür. Diese ist über
eine Treppe in der Mitte und eine geschwungene Auffahrt aus dem 19. Jahrhundert zugänglich.
Den Mittelbau flankieren zwei Seitenflügel, heute ebenfalls zweigeschossig wirkend, aber nur mit
einem einfachen Zeltdach. Die Seitenflügel waren ehemals nur durch kleine, viertelkreisförmige
Verbindungsgänge an den Mittelbau verbunden…“ 18
Mit ersten vorbereitenden Baumaßnahmen für das künftige neue Schloß ist 1703/04 begonnen
worden, als der mittlere versumpfte Schlossgraben zur Gewinnung von Baufläche mit Sand aus
den Hahnenbergen verfüllt wurde. Die Untertanen im Gartower Distrikt leisteten bei diesen bis
1706 andauernden Arbeiten Hand- und Spanndienste. Das neue Schloß erhielt zur Fundamentsicherung
Steinpacklagen von 2,32 m Breite. Die Steine dazu stammten vom Höhbeck. Quadersteine,
die auf das Fundament gesetzt wurden, kamen per Schiffsfracht von Magdeburg, ebenso von
dort Kalksteine, die in einem Brennofen nahe Gartow vor der Weiterverwendung gebrannt wurden.
Weitere Quadersteine stammten aus Harburg. Erst 1712/13 ist der letzte Rest des alten Schlosses
abgebrochen worden. Das Hauptgebäude des Schlosses war im Wesentlichen 1713 und der
Küchenflügel 1714 fertig gestellt worden. Es fehlte noch der Archivflügel, um dem gesamten Komplex
die noch heute vorhandene U-Form zu geben. Der Archivflügel war 1721 so weit hergestellt,
dass nach der Zerstörung der Gartower Kirche am 29. Mai 1721 durch einen Großbrand die Gottesdienste
bis zur Fertigstellung der neuen Kirche im Archiv abgehalten werden konnten. 1727 war
der Archivflügel vollendet. Das alte Schloß bzw. die alte Burg war einem Barockschloß gewichen.
Dieser Repräsentationsbau erinnerte nicht mehr an das Aussehen der mehr zu Verteidigungszwecken
errichteten alten Burg Gartow. 19/20
Rekonstruktionsversuch von Detlev Stupperich
1650: Schloss Gartow gezeichnet von Conrad Buno
41
Burg und Schloss Gartow: Zeichnung von Detlev Stupperich
Um 1700: Wasserburg und Vorwerk Originalzeichnung von Deich-Conducteur Pflaumbaum
42
Kämpferische, unsichere Zeiten im Frühmittelalter
Der Raum Höhbeck - Gartow-Schnackenburg befand sich stets in Grenzlage oder im Gebiet widerstreitender
Interessenkonflikte machtausübender Herrscher. Bis heute vereinigen sich in diesem
Raum die Grenzen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-
Anhalt.
Neben damaligen Stammesfehden orientierten sich die Kämpfe an der Verbreitung des Christentums,
was früher mit Feuer und Schwert erfolgte: „Zwar wirkten die Fürsten der Wenden schon zur
Zeit der sächsischen Kaiser…auf Einführung der christlichen Lehre hin, namentlich Gottschalk,
welcher im Michaeliskloster zu Lüneburg (theologische) Studien abgelegt hatte. Dieser Fürst, dessen
Vater 1032 erschlagen war, suchte das Christentum nach dem Osten hin zu verbreiten, als
er im Jahre 1047 zur Herrschaft über die Wenden kam, wurde aber wegen seines Bekehrungseifers
am 7. Juni 1066 zu Lenzen in der Prignitz erschlagen. Was Heinrich dem Finkler und seinen
Nachfolgern auf dem Kaiserthrone nicht gelungen war, erreichte Heinrich der Löwe durch seine
Ausdauer und Energie. Als dann die christliche Lehre Wurzel an der Elbe gefasst hatte, fand sie
in den an sich frommen Gemütern der Sachsen und der mit ihnen vermengten Wenden einen
fruchtbaren Boden.“ 21
Die das Wendland bevölkernden Langobarden begannen Ende des 2. Jahrhunderts und verstärkt um
425 nach Christi aus ihren Hauptwohngebieten nach Italien abzuwandern, wo sie 568 n. Chr. Fußfassten.
In das Wendland kamen nun überwiegend Angehörige der Sachsen (um 450 n. Chr.) und
der Warnen. Im 9. Jahrhundert überschritten Slawen aus dem Osten die Elbe und setzten sich hier
fest.
Die Völkerschaften waren damals unbeherrscht und streitbar, es kam zu vielen Kämpfen, wobei
auch der Raum Gartow nicht unverschont blieb, obwohl genaue Aussagen dazu nicht getroffen
werden können. Die Feindseligkeiten in der Nachbarschaft werden aber auch Auswirkungen auf
den Gartower Raum gehabt haben. Kaiser Karl der Große festigte seine Macht, indem er hier die
Slawenstämme Wilzen, Linonen und Smeldinger, die östlich der Elbe angesiedelt waren und über
die Elbe drängten, bekämpfte. In den Jahren 789 und von 808 bis 812 gab es Schlachten. 810
erhielt Karl, der an der Aller lagerte, die Nachricht: „die an der Elbe gelegene Burg mit Namen
Hohbuoki (Höhbeck), in der sich der kaiserliche Sendbote Odo mit einer ostsächsischen Besatzung
befand, sei von den Wilzen erobert worden.“ Der Chronist Karls des Großen, Einhard, legte
811 folgende Notiz nieder: „Der Kaiser… schickte ein Heer über die Elbe gegen die Linonen. Dieses
verwüstete deren Gebiete und stellte das im vorigen Jahre von den Wilzen zerstörte Kastell
Hohbuoki an der Elbe wieder her. Nach den Ausgrabungsergebnissen auf dem Höhbeck ist noch
nicht restlos sicher, ob das Kastell bereits 789 bestanden hat, es kann demnach auch erst 808
errichtet worden sein. 22
Auch die Altmark blieb von den Völkerverschiebungen nicht unberührt: „Das Chronikon von Moissac
berichtet 780, bei Karls Aufenthalt in Orheim (Ohrum/Oker) sei eine große Menge Friesen und
Wenden getauft worden. Was liegt näher, als dabei an die Wenden in der Altmark und in Osthannover
zu denken? Und in den Einhard-Annalen heißt es, zu dem Krieg gegen die Böhmen (805) sei
das Heer der Sachsen, das sich im Nordthüring-Gau gesammelt habe, mit innumerabilibus Slavis
(unzähligen Slawen) gekommen. Damit können nicht die Wilzen von jenseits der Elbe gemeint
sein, die von jeher die erbitterten Feinde der Sachsen und Franken waren und höchstens als
gezwungene Verbündete nicht aber im Heeresverband der Sachsen hätten auftreten können. Vielmehr
werden damit die zahlreichen wendischen Hintersassen der Grundherren in den ostsächsi-
43
schen Marken gemeint sein…Die Geschichtsschreiber berichten über den großen Obotriteneinfall
von 983, den der erste Markgraf der Nordmark Dietrich aus dem Hause Haldensleben durch sein
übermütiges, anmaßendes Verhalten gegen den Obotritenkönig ausgelöst hatte, über räuberische
Einfälle von jenseits der Elbe und über das Ringen um die befestigten Plätze an der Elbe (Walsleben,
Werben, Arneburg, Tangermünde). Über Kämpfe an der Nordgrenze um die Festen Wittingen,
Salzwedel, Bömenzien wissen wir nur sehr wenig.“ 23
Als Hinterlassenschaften bzw. Zeugen gewaltsamer Vorgänge im frühen Mittelalter gelten die Burgenreste.
Es handelt sich aber nicht um Gebäude, wie wir sie uns landläufig romantisierend vorstellen
sondern um recht einfache Befestigungswerke aus Wällen, Holzpalisaden, Steinen und
Erdreich, die für gewisse Zeit ihren Zweck erfüllten. Sehr alte, germanische Burgen sind Gummern
vermutlich im 1./2. Jahrhundert n. Chr. und das Höhbeck-Kastell gewesen. Slawische Burgen hingegen
waren wiederum Gummern und Elbholz (9. Jhdt.), die jüngere Schwedenschanze auf dem
Höhbeck und ebenfalls Meetschow (7./8. Jhdt.). Im 12. Jahrhundert erscheinen als deutsche Burgen
Schnackenburg, Rahnsburg, Restorf, Gartow, Gorleben und Pretzetze. 24
Karl der Große hat vermutlich 784 auch den Gartower Raum bei seinen Feldzügen berührt. “Der
König, entschlossen, dem sächsischen Krieg ein Ende zu machen, überschritt den Rhein, verwüstete
die Gaue der Westfalen und kam bis zur Weser. Als er an dem Orte, der Huculbi (vermutlich
Höhbeck) genannt wird, an dem Flusse das Lager aufgeschlagen hatte, sah er, daß er
nicht wie beabsichtigt hatte, in die nördlichen Gebiete Sachsens ziehen könne wegen der großen
Überschwemmungen, die damals plötzlich durch die andauernden Regengüsse entstanden
waren …“. 25
In den Jahren 808/809 wurde vom Grafen Oddo ein fränkisches Kastell auf dem Höhbeck im Auftrag
Karls des Großen errichtet, ebenso in der Nähe eine Burg, um den Elbeübergang nach Lenzen
zu schützen. Das Kastell wurde 810 von den feindlichen Wilzen erobert und zerstört, jedoch 811
erneut aufgebaut. Im Jahre 929 kam es ferner zur Schlacht bei Lenzen durch König Heinrich I von
Sachsen. 26
Das Höhbeck-Kastell (nach Sprockhoff 1958)
44
Landesherrscher im Mittelalter
Um gewisse Entwicklungen in und um Gartow verstehen zu können, ist es erforderlich einige
machtpolitische Vorgänge aufzuzeigen, die stets von damaligen Königen und Herzögen veranlasst
wurden und Rückwirkungen auch auf das Gartower Gebiet hatten, da Gartow im Grenzbereich von
Brandenburg, Sachsen und Braunschweig-Lüneburg lag. Feste Grenzen gab es damals noch nicht,
weil Kämpfe hin- und herwogten und die Interessen- und Einflusssphären mitunter schnell wechselten.
Es kann an dieser Stelle keine ausführliche Darstellung der Landesgeschichte erscheinen.
Es sollen vielmehr prägnante Persönlichkeiten und Ereignisse schlaglichtartig genannt werden.
Brandenburg
In Brandenburg herrschten damals die Askanier. Albrecht der Bär (1134 - 1170) erhielt von Kaiser
Lothar die Nordmark. Auf ihn folgten in 1. Linie: Otto I (1170 - 1184), Otto II (1184 - 1205),
Albrecht II (1205 - 1220), Johann I von Stendal (1220 - 1266), zeitgleich Otto III von Salzwedel
(1220 - 1267) und Otto IV (1266-1308), zeitgleich ferner Johann II (1266 - 1282) und Konrad
(1266 - 1304), daran anschließend, Waldemar (1305 - 1319). Sein Vetter Heinrich stirbt 1320. In
2. Linie erscheint bei den Askaniern Bernhard (1180 - 1212), der 1180 nach dem Sturz Heinrichs
des Löwen Brandenburg erhält und den Titel Herzog von Sachsen führt. Danach herrschen die
Wittelsbacher unter Ludwig dem Älteren (1323 - 1351), Ludwig dem Jüngeren, auch der Römer
genannt (1351 - 1365) und schließlich Otto V, der Faule genannt (1365 - 1373).
Sachsen
Im Herzogtum Sachsen herrschte von 852 bis 961 zunächst das Geschlecht der Ludolfinger. Graf
Ludolf erhielt 852 von Ludwig dem Deutschen den Titel Herzog, verbunden mit einigen Aufgaben
wie z.B. die Oberaufsicht über die Grafen, Leitung der allgemeinen Volksversammlung, Verkünder
der königlichen Gesetze, Anführer des Heerbannes und Streitschlichter. Für seine Bemühungen
erhielt er einen großen Teil des Königsgutes zu Lehn. Sein Sohn Brun ist vermutlich der Gründer
der Stadt Braunschweig gewesen und fiel 880 in der Normannenschlacht bei Ebstorf.
Von 961 bis 1106 erscheinen als neue Herrscher die Billunger. Magnus, der letzte Billunger stirbt
1106. Auf ihn folgt von 1106 bis zu seinem Tod 1137 Lothar von Süpplingenburg, den Heinrich V
1106 mit dem Land Sachsen belehnt. Lothar wurde 1125 deutscher Kaiser. Von 1137 bis 1180
herrschen nun die Welfen über Sachsen. 1137 verleiht Kaiser Lothar seinem Schwiegersohn Heinrich
dem Stolzen, ein Enkel Heinrichs des Löwen, das Land. Heinrich der Stolze stirbt 1139 .
Bereits 1138 hatte König Konrad III (1138 - 52) Albrecht dem Bären das Land Sachsen zu Lehn
gegeben. Unter ihm kam es zu einem Kampf zwischen den Häusern Staufern und Welfen, wobei
Albrecht der Bär Lüneburg, Bardowick und die umgebende Orte besetzte. Konrad III erklärt die Vereinigung
von zwei Herzogtümern in einer Hand für ungesetzlich aber Heinrich der Stolze weigert
sich, auf ein Land zu verzichten.
1142 kommt es zur Aussöhnung zwischen den Staufern und den Welfen und Konrad III belehnt
Heinrich den Löwen 1180 mit Sachsen, zu dem u.a. auch die Grafschaften Lüchow und Dannenberg
gehören. Albrecht der Bär verzichtet auf seinen Anspruch. Konrad stirbt 1152, Albrecht der
Bär 1170. Heinrich der Löwe wird auf dem Reichstag im Januar 1180 mit der Reichsacht belegt
und emigriert nach England. Das Herzogtum Sachsen wird aufgelöst, das Gebiet links der Weser
fällt als Herzogtum an den Erzbischof von Köln, das östliche Sachsen mit den alten sächsischen
Marken erhält Bernhard von Anhalt, der Sohn Albrechts des Bären. Er führte den Titel Herzog von
Sachsen und übertrug damit den Namen Sachsen auf die Gebiete des späteren Landes Sachsen.
45
Für die Gebiete links der Weser entfiel die Bezeichnung Sachsen. 1189 wird Heinrich der Löwe ein
zweites Mal gebannt. Er stirbt 1195.
Heinrich der Löwe (l.), Herzog Magnus (m.), Herzog Friedrich III (r.)
Braunschweig - Lüneburg
Auf Heinrich den Löwen folgt sein ältester Sohn Heinrich von 1195 bis 1203. Nach seinem Tod
erfolgte die Teilung des Landes unter den drei Söhnen: Heinrich erhält sämtliche Gebiete links des
Flusses Leine, Otto, der als Kaiser Otto IV von 1198 bis 1215 regierte, bekam die Gebiete rechts
der Leine und Wilhelm, genannt Langschwert, übernahm das Gebiet Lüneburg.
Das Herrschaftsgebiet von Wilhelm umfasste die „überelbischen Lande“: Das östliche Gebiet des
Lüneburgischen mit Lüneburg, den nordöstlichen Teil des Harzes und die größere Zahl der Welfischen
Güter in der Altmark“. Zu ihm gehörten die Vasallen u.a. auf den Schlössern in Hitzacker,
Lüchow und Dannenberg, demnach auch das Hannoversche Wendland. Als Wilhelm von 1203
bis 1213 regierte, erhellt sich aus den Urkunden jener Zeit nicht, dass es damals eine festgelegte
Grenze zwischen der Altmark und der Grafschaft Lüchow gab und vermutlich auch nicht im
Gartow-Schnackenburger Raum. Die Interessengebiete wurden mehr oder weniger respektiert. In
den Urkunden hat Wilhelm (Langschwert) keinen Herzogstitel geführt. Da seine Brüder Heinrich
und Otto keine Kinder hinterließen, wurde 1213 der Sohn Wilhelms im Alter von 9 Jahren Erbe
der gesamten welfischen Lande. Otto ( das Kind) regierte von 1213 bis 1252. In seiner Zeit wurde
Waldemar von Dänemark von Graf Heinrich von Schwerin überfallen und 1223 in Dannenberg
im Waldemarturm gefangen gesetzt. Otto nahm an der Schlacht von Bornhöved im Jahr 1227
teil und geriet in Gefangenschaft. Gegen Abtretung der Burg Hitzacker wurde er freigelassen. In
seine Regierungszeit fiel auch die Gründung des Herzogtumes Braunschweig - Lüneburg auf dem
Reichstag zu Mainz 1235. Die Söhne Ottos regieren das Land gemeinschaftlich, nämlich Albrecht
und Johann. 1267 beschlossen sie, das Land wieder zu teilen. Johann regierte von 1269 bis 1277
in Lüneburg, Otto (der Strenge) von 1277 bis 1330 in Celle.
Im Hannoverschen Wendland waren damit folgende Vorgänge verbunden: Im Juli 1317 wird Günter
von Kävernbergh (v. Kefernberg) zu Gartow mit der Grafschaft Lüchow beliehen, dieser verkauft
die Grafschaft am 6. Januar 1320 an Herzog Otto den Strengen. Otto erwirbt 1321 ein Viertel von
Gartow, wobei Friedrich von Gartow ihm verspricht „das Schloß zu bewahren“. 1328 wird nach
Kämpfen und Verhandlungen eine Grenzlinie zwischen Altmark und Lüneburg verabredet. Gartow
kommt auf die lüneburgische Seite. In einer Mitteilung Herzog Ottos von 1330 ist von einem „neuen“
Schloß in Gartow die Rede.
46
Von 1330 bis 1352 regierten Otto und Wilhelm, Söhne von Herzog Otto (dem Strengen). Als Otto
1352 starb, regierte Wilhelm („der mit dem großen Bein“) bis 1369 weiter. Da er keine männlichen
Nachkommen hatte, entbrannte von 1369 bis 1388 der bekannte Lüneburger Erbfolgekrieg.
Magnus II von Braunschweig (Torquatus) war ein ungestümer, kämpferischer Charakter und
stritt sich mit Herzog Albrecht von Sachsen um die Braunschweig-Lüneburger Lande. Schließlich
verzichteten die sächsischen Fürsten, nachdem Friedrich, Bernhard und Heinrich 1388 in der
Schlacht von Winsen/Aller siegten.
Mittelalterlicher Ritterzug: Prinz v. Waldeck, Graf Pückler, Prinz Carl v. Preußen, Graf Arnim, Graf Lynar
Indessen verschenkten die Markgrafen die sog. Insel Krummendiek 1360 an den Johanniter Orden
in Gartow. 1371 überwies Magnus Torquatus dem Johanniter Orden für geleistete und noch
zu leistende Dienste das Schloß und die „Stadt“ Gartow. Zu jener Zeit wird auch das Schloß Prezetze
erwähnt. 1390 zog Herzog Heinrich von Braunschweig - Lüneburg mit 1100 Pferden in die
Altmark, verwüstete dabei das Gebiet von Salzwedel bis Stendal und eroberte die „festen Häuser“
in Schnackenburg, Gartow und Wustrow. 1391 kam es zum Waffenstillstand aber auch zum
Streit wegen Schnackenburg. Die Insel Krummendiek wird geteilt. Bernhard und Heinrich regierten
von 1390 bis 1409 die Landesteile Celle und Lüneburg gemeinsam, während sich Friedrich mit
Braunschweig und einigen Schlössern zufrieden gab. Ab 1409 regierte Heinrich bis 1416 allein
weiter. Herzog Bernhard regierte bis 1434. In den Jahren 1409, 1428 und 1432 wurde das Land
Lüneburg mehrfach geteilt. Danach regierten weitere Herzöge: Otto (von der Heide) und Friedrich
(der Fromme) bis 1441 gemeinsam, danach Otto bis 1446 allein und von 1446 bis 1457 Friedrich
allein. Es folgten von 1457 bis 1464 Bernhard II und Otto (der Jüngere) gemeinsam, dann bis
1471 Otto allein und von 1471 bis 1478 erneut Friedrich (der Fromme), der einige Jahre im Kloster
zugebracht hatte. Otto (der Jüngere) nahm in seiner Regierungszeit den Herren von Bülow das
Schloß Hitzacker ab.
47
Von 1478 bis 1522 ging die Regierung an den zunächst noch minderjährigen Herzog Heinrich (der
Mittlere) über. Er entsagt dann aber der Regierung zugunsten seiner drei Söhne Otto, Ernst und
Franz. Diese regierten bis 1546, wobei Otto 1529 auf die Mitregierung verzichtete und als Abfindung
Harburg erhielt. Ernst (der Bekenner) regierte von 1539 bis 1546 als Letzter.
Mittelalterliche Beraterrunde, Gerichtssitzung
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Gartow im Besitz des Johanniter Ordens
1360 verkauften die von der Gartow ihren Gartower Besitz an den Johanniter Orden. Die Ursprünge
des Ordens liegen weit zurück, als der Markgraf Albrecht der Bär von seinem Kreuzzug nach
Palästina 1159 Templer und Johanniter mitbrachte, die sich in seinem Herrschaftsbereich und
damit auch in der Altmark festsetzten. Sie kultivierten Ländereien und sicherten gleichzeitig ihre
Einflusssphären mit dem Schwert „als Krieger und Geistliche“. Außerdem trugen sie „auch viel zur
Beförderung des christlichen Glaubens unter den erst halb unterjochten, dem Heidenthum anhängenden
Wenden bei…“ Wegen ihrer Hilfeleistungen auch im karikativen Sinne sind die Templer
und Johanniter von den Landesfürsten reich beschenkt worden, indem sie Ländereien und Hebungen
erhielten, auch Privilegien, die ihren Unterhalt sicherten. Die erste Schenkung war die Kirche
in Werben nebst Ländereien, wo dann auch die erste sogen. Commende des Johanniter Ordens
gegründet wurde. Sie war die älteste in der Ballei Brandenburg. Ihr Vorsteher („Commendator“)
beaufsichtigte für den Orden die Gebiete: „Sachsen, Pommern, die Mark und die Wendlande“.
Erste Verwalter des Ordens waren ab 1271 Ulrich von Belleberg („Vicepräceptor des Ordens in
Sachsen und Wendenlande“), 1283 Moritz (ohne Familiennamen), 1321 Gebhard von Wanzleben
und 1351 Herrmann von Wereberge, der den späteren Titel Herrenmeister führte. Schon frühzeitig
(1171) kamen Erwerbungen bei Braunschweig, Pommern und Mecklenburg hinzu; ebenso bei Ratzeburg.
1235 überließ Graf Heinrich von Lüchow dem Orden sein Eigentum im heute nicht mehr
existierenden Dorf Wonem.
Um 1439: Die Johanniterburg Gartow, Rekonstruktionsversuch von Detlev Stupperich
Hermann von Wereberge (1351 - 1372) ein braunschweigischer Edelmann, dessen Mutter eine
Gräfin von Wernigerode gewesen sein soll, erhielt als Erster Grundbesitz aus dem Gartower Raum.
Es handelte sich um die sog. Insel Krummendiek, „mit mehreren Dörfern und Höfen in der Altmark
gegen Erlegung von 500 Goldgulden“. Dieser Verkauf, auch als Schenkung bezeichnet, erfolgte im
Jahr 1360 durch den Kurfürsten Ludwig der Römer (1351 - 1365) und dessen Bruder Markgraf
Otto. Die Insel war ein heute nicht mehr genau abzugrenzendes Gebiet zwischen Höhbeck und
49
Schnackenburg in der Elbmarsch, wohl auch mit Deichen versehen und gehörte damals zu Brandenburg,
wie auch Holtorf, Kapern und Gummern.
Während Herrmann von Wereberge überwiegend
in Supplingenburg, deren Commende
von den Templern um 1130 errichtet wurde,
residierte, nahm dessen Nachfolger Bernhard
von Schulenburg (1371 - 1397) seinen Amtsitz
in der Burg von Gartow. In einer Urkunde vom
1. November 1460, als Liborius von Schlieben
(1460 - 1471) als Herrenmeister fungierte, wurde
dem Orden vom Kurfürsten Friedrich II von
Brandenburg ein sehr umfangreicher Besitz
bestätigt, in der auch Gartow ohne Aufschlüsselung
des dortigen damit verbundenen Einzelbesitzes,
erwähnt wird. 27
Wappen v.d. Schulenburg
An die Johanniterzeit erinnert heute noch im Gartower Forst ein langer Forstweg bzw. eine Jagdbahn
mit der Bezeichnung „Sonnenburger Bahn“. In der v. Bernstorffschen Registerführung sind
die pflichtigen Orte noch lange Jahre in ihrer ehemaligen Lehnshoheit unterschieden worden: Das
Sonnenburgische/Johanniterorden-Lehen umfasste die Orte: Gummern, Kapern, Holtorf, Nienwalde,
Restorf, Brünkendorf, Pevestorf, Vietze, Meetschow und Prezelle. Das Cellische Lehen die
Orte: Laasche, Gedelitz, Kl. und Gr. Trebel, Nemitz, Tobringen, Lomitz, Vasenthien, Gorleben, Marleben,
Klautze, Krautze, Schmarsau i. Lemgow, Prezier, Volzendorf und Püggen. Als märkische
Dörfer wurden Gummern, Kapern und Holtorf bezeichnet.
50
Quellen und Literatur
1. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, 2. Aufl., Lüchow
1988, S. 49
2. Müllers Grosses Deutsches Ortsbuch. Vollständiges Ortslexikon“, 30. Aufl., K.G. Saur, München
2007, S. 303
3. Hodenberg. v.: „Lüneburger Lehnregister der Herzöge Otto und Wilhelm und der Herzöge
Bernhard und Wilhelm Seculi XIV und XV nebst einem Homburger, einem Hallermunder und
einem Wölper Lehnregister“ in:Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums
Lüneburg, 9. Bd., Celle 1863, S. 11 - 61
4. Riedel, A.F.: „Codex diplomaticus Brandenburgensis, Sammlung der Urkunden,Chroniken
und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten.
“Reihe B, Bd. 5, Berlin 1848, Nr. 2138/Seite 432)
5. Riedel a.a.0., Reihe B, Bd. 5, Berlin 1848, Nr. MDCCC III/Seite 53, Nr. 1904/S. 161
6. Kofahl, K.: „Siedlungen aus der Zeit um Christi Geburt im hannoverschen Wendland“ in: Die
Kunde, 10 Jg., Heft 7, Hannover 1942
7. Koch: „Das Hannoversche Wendland oder der Gau Drawehn“,Dannenberg 1899, S. 22 - 23
8. Schulz, Willi: „Die Siedlungen des Landkreises Lüchow-Dannenberg“, 1956, unveröffentlicht,
S. 62
9. W. Schulz, a.a.O., S. 62
10. Schulze, Eduard: „Beiträge zur Volkskunde der Altmark“, Bremen 1969, S. 12 - 14
Stephan, Joachim: „Die Vogtei Salzwedel. Land und Leute vom Landesausbau bis zur Zeit
der Wirren“, Salzwedel 2006. Quellen, Findbücher und Inventare des Brandenburgischen
Landeshauptarchivs
11. Voss, Klaus L.: „Zum Stand der archäologischen Untersuchungen auf dem Hasenberg von
Pevestorf“ in: 2. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow
1970, S. 7 - 12
12. Schneeweiß, Jens: „1100 Jahre Meetschow – neue Einblicke in eine „alte Burg“ in: Archäologie
in Niedersachsen, Bd. 10, 2007, S. 102 - 105; ders.: „Teilprojekt 3: Slawische Burgen
und ihr ländliches Umfeld im nordöstlichen Niedersachsen“ in: Archäologisches Nachrichtenblatt
12, 2007, S. 288 - 292; ders.: „Bodenschatzsuche am Höhbeck – archäologische
Forschungen in der Gartower Elbtalaue“ in: Samtgemeindebote Gartow Juli - September
2007, S. 7 - 9
13. Pudelko, Alfred: „Frühe Burgen im Seegetal“ in: 1. Jahresheft des Heimatkdl.
Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1969, S. 51 - 58
14. Pudelko, Alfred: „Von der Insel Krummendiek“ in: 3. Jahresheft des Heimatkdl.
Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1972, S. 31 - 44
15. General-Anzeiger Lüchow-Dannenberg vom 15.3.2009
16. Anonym: „Über den Zustand von Gartow im XIV. Jahrhundert“ in: Neues Vaterländisches
Archiv, Jg. 1830, S. 139 - 155 ferner: Haberland, Rudolf a.a.O., S. 44
17. Stupperich, Detlev: „Gartow. Rekonstruktion einer frühneuzeitlichen Schlossanlage“,
Bückeburg 1978, S. 24, 120 - 123
18. Stupperich, Detlev a.a.O., S. 128, vgl. auch Ryll, Monika: “Die Residenz Gartow-Schlossarchitektur
im Spiegel nordeuropäischer Herrenhäuser des 18. Jahrhunderts“ in: 13. Jahresheft
des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1992, S. 23 - 56
19. /
20. Puffahrt, Otto: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff in und
um Gartow“, Gartow 1994, S. 51 - 56 Pudelko, Alfred: „Gartow um 1700“ in: 6. Jahresheft
des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1977, S. 121 - 132
51
21. Koch, a.a.0., S. 24 - 25
22. Haberland a.a.O., S. 29
23. E. Schulze a.a.O., S. 18 - 19, vgl. Keseberg, Alfred: „Altmärkisches Quellenbuch zur Heimatgeschichte
der Altmark und der Nachbargebiete“, 1. Bd., Salzwedel 1931; 2. Bd. Salzwedel
1932
24. Heimatkundl. Arbeitskreis Lüchow-Dannenberg: Wendland-Lexikon, Bd. 1 A-K, Stichwort
Burgen, S. 116 - 118)
25. Keseberg, Alfred, Herausg.: „Altmärkisches Quellenbuch zur Heimatgeschichte der Altmark
und der Nachbargebiete“, 1. Bd., Salzwedel 1931, S. 88
26. Keseberg, Alfred, Herausg.: „Altmärkisches Quellenbuch zur Heimatgeschichte der Altmark
und der Nachbargebiete“, 2. Bd., Salzwedel 1932, S. 21 - 24, 64 - 66
27. v. Winterfeld, A.: „Geschichte des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem.
Mit besonderer Berücksichtigung der Ballei Brandenburg oder des Herrenmeisterthums
Sonnenburg“, Berlin 1859, S. 649 - 654, 670 - 675, 696 - 700
52
Gartow als Grenzort bis 1719
Es dürfte richtig sein, den Ort Gartow tatsächlich als Grenzort zu bezeichnen, noch mehr aber die
Stadt und Feldmark Schnackenburg in ihrer Insellage im Kurfürstentum Brandenburg. Bis 1719
verlief die Landesgrenze an der heutigen Gemarkungsgrenze Gartow/Holtorf, veranschaulicht mit
der schönen Eichenallee von der heutigen Bundesstraße 493 nach Holtorf abzweigend; also fast
in Sichtweite von Gartow/Quarnstedt aus. Es dauerte lange, bis diese Grenze gefestigt war und
respektiert wurde.
Im Mittelalter gab es noch keine festen Grenzen, lediglich beanspruchte Gebietsteile bestimmter
lokaler Herrscher. Werden die wenigen bekannten Urkunden zu Rate gezogen, ergibt sich folgendes
Bild:
Um 1700: Wasserburg, Wirtschaftsteil, Kirche im Marktflecken Gartow
Am 13. Januar 1321 geloben die Gebrüder von der Gartow dem Herzog Otto von Braunschweig-
Lüneburg sowie dessen Söhnen Otto und Wilhelm „Burghude auf dem Schlosse Gartow zu halten“,
womit feststeht, daß Gartow zumindest unter dem Einfluß des Herrscherhauses Braunschweig-Lüneburg
stand. Gefestigt wurde diese Position wenige Tage später, als Friedrich von der Gartow sein
Viertel am Schloß Gartow mit Zubehör an den ebengenannten Herzog verkauft. Noch deutlicher
wird die Situation mit der Erbverbrüderung zwischen den Herzögen Otto von Braunschweig-Lüneburg
sowie dessen Vettern, den drei Herzögen Otto, Magnus und Ernst von Braunschweig vom 29.
Mai 1322. In diesem Vertrag erhalten die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg „Schnackenburg,
Gartow, Lüchow, Neubrück und die Probstei St. Blasii zu Braunschweig“. 1
53
Diese Abmachung hatte jedoch nur wenige Jahre Bestand, denn am 21. Mai 1328 steht in der Kurzinhaltsangabe
dieser Urkunde: „Markgraf Ludwig von Brandenburg überläßt dem Herzoge Otto
von Braunschweig und Lüneburg und dessen Söhnen Otto und Wilhelm die Grafschaft Lüchow,
wogegen sie ihm Gartow und den Zoll zu Schnackenburg überlassen, Aulosen brechen und das
Kloster Amelunxborn in seine Güter zu Aulosen wieder einsetzen sollen. Er verpflichtet sich mit
ihnen, umbeschadet des Baues der herzoglichen Landwehren zu Pretzetze, Oringen (wohl Öring)
und zu den Planken, sich gegenseitig zu Rechte stehen, sich wegen der geführten Fehde zu sühnen
und drei Jahre Frieden zu halten…“
Gartow wechselte also zum Herrschaftsgebiet Brandenburg. Unklar bleibt, wer die Landwehren,
also Durchfahrtshindernisse, bei Pretzetze, am Öring und im Forst Planken angelegt hat: der
braunschweig-lüneburgische oder der brandenburgische Herrscher? Zusammen mit Gartow sind
die damit verbundenen Dienstleistungen auch an Brandenburg übertragen worden, so wie sie
Markgraf Waldemar einst genutzt hatte. In einer Folgeurkunde vom gleichen Tag bestätigt Markgraf
Ludwig von Brandenburg „die Grenzregulierung zwischen der Mark Brandenburg und dem
Herzogthum Lüneburg“. Wird der Urkundentext richtig ausgelegt, verlief die Grenzlinie in etwa
der damaligen Heerstraße folgend von Dannenberg auf Ziemendorf, vor dem „Clukersberg“ (wohl
Klocksberg bei Wirl). Bei Meetschow begann dann die „ewige“ Landscheide, ohne daß zu erfahren
ist, wie deren Verlauf sich anschließend darstellte. 2
Jedoch hatten die Herzöge Otto und Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg die Hälfte des Gartower
Schlosses in ihrem Besitz, welches die Gebrüder von der Gartow für sie treuhänderisch verwalteten.
Vermutlich hat Herzog Otto von Braunschweig (also nicht die Herzogsbrüder Otto und Wilhelm)
das Schloß Gartow gegen den Protest des Markgrafen Ludwig neu erbauen lassen und den
Gebrüdern von der Gartow als Gegengabe dort das Wohnrecht eingeräumt. Wäre es so, dann ist
dieses Verhalten gegenüber Markgraf Ludwig eine Provokation gewesen. Dieser Vorgang ereignete
sich 1330. 3
In den folgenden 30 Jahren scheinen sich die territorialen Verhältnisse geändert zu haben. Im
Lehnbuch der Herzöge Magnus und Ernst von Braunschweig für den Zeitraum 1344 bis 1365
erscheint Friedrich von der Gartow als Vasall im ihm umgebenden Gebiet „terram hobeke“, also
Höhbeck ohne Angabe von Begrenzungen. Henning von der Gartow wird im Jahre 1350/51 als
Besitzer von drei Bauernhöfen in Vietze sowie Besitzungen in Restorf genannt. 4
Das Gebiet der sog. Insel Krummendiek mit den Dörfern Quarnstedt, Holtorf, Kapern, Gummern
und Stresow gehörte bis 1360 noch zur Mark Brandenburg, da zu diesem Zeitpunkt Kurfürst
Ludwig der Römer und dessen Bruder Markgraf Otto dem Johanniter Orden diese Insel für 500
Goldgulden verkauften. 5
Nach dem Erwerb des Gebietes durch den Johanniter Orden stellt sich die Frage, ob es ein Anhängsel
von Brandenburg oder Braunschweig-Lüneburg geblieben ist oder der Orden gewissermaßen
als private Institution über das Gebiet verfügte. Der Ordensbesitz beschränkte sich später nicht
nur auf die Insel allein, sondern dehnte sich als „Sonnenburger Lehen“ über den Höhbeck bis
Meetschow und Prezelle unter Einschluss des gesamten heutigen Gartower Forstes aus. 6
1364 wird bereits deutlich, wohin „das Schloss Gartow mit dem Städtchen, mit Dörfern, mit Jagd,
mit hoher und niederer Gerichtsbarkeit, mit geistlichen und weltlichen Lehen und mit allen Diensten….“
gehört, zum Herzogtum Braunschweig-Lüneburg. Aus der Urkunde vom 9. September 1364
54
geht hervor, daß die Herren von der Gartow sowie deren Nachfolger von der Schulenburg Gartow
Schloß und Ort „von dem Herzoge und von der Herrschaft Lüneburg zu Lehn besessen haben“.
Der braunschweig-lüneburgische Herzog versprach dem Johanniter Orden, das „Schloß mit allem
Zubehör in seinem Herzogthume zu verteidigen“, ist also der Schutzherr gewesen. Der Markgraf
von Brandenburg wurde damals als Gegner angesehen, da das Schloß und Städtchen ihm gegenüber
nicht geöffnet werden durfte. Aus der Urkunde geht ferner hervor, daß der Orden mit
Erlaubnis des braunschweig-lüneburgischen Herzogs den „Werder Höhbeck“ mit den darauf liegenden
Orten kaufen darf. Ferner, wenn es der Markgraf von Brandenburg erlaubt, war es dem
Orden gestattet, die noch unter brandenburgischer Hoheit stehende Insel Krummendiek käuflich
zu erwerben. Demnach hat der Orden 1360 beim Kauf der Insel Krummendiek nicht die Territorialhoheit
darüber erlangt. 7
Am 16. Oktober 1371 überläßt Herzog Magnus von Braunschweig und Lüneburg dem Johanniter
Orden „wegen geleisteter Dienste das Eigenthum über das Schloss und Städtchen Gartow, über
den Werder Höhbeck, über die darauf liegenden Dörfer und über die Heide ...“ Das verweigerte
Öffnungsrecht gegenüber dem Markgrafen von Brandenburg bestand weiterhin fort. Tiefgründig
ist der Satz in dieser Urkunde: „… (der Herzog von Br.-Lbg.) verpflichtet sich, zwei Wochen vorher,
ehe er vom Schlosse Krieg führen will, dem Commthur (dem Orden) es anzuzeigen“. 8
Dann kam es um 1390 zu Konflikten, in die Gartow mit hineingezogen worden ist. Seit 1371 gehörten
das Schloß und die Herrschaft bekanntlich zum Johanniter Orden. Vermutlich haben die
Lüneburger Herzöge das Schloß 1389/90 militärisch besetzt und damit die Markgrafen Jodocus
und Procop brüskiert. Ein unbekannter Verfasser äußert hierzu seine Ansicht: „daß die Herzöge
Bernhard und Heinrich (von Braunschweig-Lüneburg) das Schloß Gartow zwar belagert und erstürmt,
sich dort aber auf keine Weise festgesetzt, den Besitz desselben vielmehr wahrscheinlich
sehr bald und schon vor 1391 – wieder aufgegeben haben; indem im letztgedachtem Jahre der
Meister des Ordens, Bernhard von der Schulenburg, dort residierte; daß vielmehr von Lüneburgischer
Seite – im November 1594 zum ersten Male (seit 1371) – wieder versucht wurde, ein
Hoheits-Recht über Gartow zu prätendiren (beanspruchen)“. 9
Nachdem Friede herrschte, hat der Johanniter Orden ohne Behinderung An- und Verkäufe von
Gütern betätigt oder Belehnungen vergeben. Hierbei reicht das Einflußgebiet des Ordens im Jahre
1435 nicht nur bis Gummern sondern ferner bis nach Bömenzien und Stresow. 10
Am 20. Mai 1438 endete die Herrschaft des Ordens in Gartow, da dessen Herrenmeister von
Tyrbach die eine Hälfte von Gartower Besitzungen an Werner v. d. Schulenburg und die andere
Hälfte an den zu Dannenberg seßhaften Ritter Vicke von Bülow verkaufte. Im Jahre 1441 erwarb
von Bülow die v. d. Schulenburgsche Hälfte, so dass die Herrschaft in Gartow von 1441 bis 1694
im Besitz der Familie von Bülow verblieb und dann von den von Bernstorffs abgelöst wurde. Der
Johanniter Orden zog sich in die Stadt Sonnenburg/Pommern zurück.
Die weitere Entwicklung schildert Haberland:
„Wie die Johanniter, so waren auch die Bülows in dem von den Johannitern erworbenen Territorium
selbstständige Landesherren mit allen Rechten und Einkünften, die solche besaßen; doch
haben sie sich ihrer territorialen Unabhängigkeit nicht immer ungestört erfreuen dürfen, besonders
von lüneburgischer Seite her war sie schon im 14. Jahrhundert bedroht. Im lüneburgischbraunschweigischen
Teilungsvertrag von 1428 wird Gartow als zu Lüneburg gehörend bezeichnet
und Lüneburg scheint danach des öfteren den Versuch gemacht zu haben, Gartow fest in die Hand
55
zu bekommen, doch ist ihm das damals noch nicht gelungen; denn wie aus Urkunden der Jahre
1471 und 1486 hervorgeht, begab sich Georg (Jörg) von Bülow in den Schutz des brandenburgischen
Kurfürsten, der natürlich gern bereit war, den „lieben getreuen Jörg von Bülow“ in seine
„Beschirmunge“ zu nehmen. Ob Kurfürst Albrecht Achilles (1470 - 86) und Kurfürst Johann Cicero
(1486 - 99) dann wirklich eine Schutzherrschaft über Gartow ausgeübt haben, wissen wir nicht.
Das Endergebnis des stillen Ringens um den Besitz von Gartow war schließlich, dass Gartow nicht
brandenburgisch, sondern 1594 lüneburgisch wurde.
Um 1700: Gartow gezeichnet von Ingenieur-Offizier Rallen
56
1699: Grenze zwischen Braunschweig-Lüneburg und Brandenburg mit den brandenburgischen Dörfern
Holtorf, Gummern, Kapern, Stresow gezeichnet von Georg Friedrich Pauli
57
Jede Möglichkeit, die schlechte finanzielle Lage des Landes zu verbessern, muße ausgenutzt werden
und so kam 1594 Herzog Ernst II wohl dazu, von den Bülows die Landeshoheit über Gartow
zu fordern. Die Bülows weigerten sich, sie abzutreten, aber dessen ungeachtet huldigten im folgenden
Jahre die unzufriedenen Bürger Gartows dem Herzoge, später auch die Einwohner der
Dörfer und schließlich mußten auch die Bülows die Oberhoheit Lüneburgs anerkennen. So wurde
Gartow endgültig lüneburgisch. Ein letzter Versuch Brandenburgs 1684, zum mindesten die Lehensherrschaft
über Gartow zu gewinnen, mißglückte, so sehr auch die Bülows mit Brandenburg
sympathisierten.“ 11
Der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm forderte die Herren von Bülow zwischen 1684
und 1687 mehrmals auf, ihm zu huldigen bzw. als Landesherrn anzuerkennen. Dasselbe forderte
jedoch auch der cellische Herzog Georg Wilhelm. Die von Bülows gerieten in eine Zwickmühle und
der Celler Herzog drohte mit der Einziehung des Gutes Gartow. Durch die Wankelmütigkeit verärgert,
reagierte Herzog Georg Wilhelm:
“Die Bülows waren schnell bereit, den Huldigungseid in Berlin zu leisten. Die Celler Regierung aber
protestierte auf das heftigste, leitete gegen die Bülows ein Verfahren wegen Felonie (Treuebruch)
ein, ließ Gartow im Februar 1687 befestigen und legte mehrere Kompanien Fußvolk im Schloß
und Flecken Gartow. Brandenburg ließ schwere Artillerie auffahren. Es kam sogar zu Schießereien
zwischen beiderseitigen Grenzschutzabteilungen. Die Lage war höchst bedrohlich, doch schließlich
siegte die Vernunft. Sachsen vermittelte zwischen den feindlichen Parteien und es kam zu
Verhandlungen, die auf cellischer Seite Andreas Gottlieb Bernstorff führte. Jahrelang zogen sie
sich hin, bis endlich 1690 ein Vergleich zustande kam. Brandenburg verzichtete endgültig auf
Gartow…“ 12
Für ihren Fehler mußten die von Bülow seit 1687 eine vom Celler Herzog verfügte Zwangsbewirtschaftung
ihres Gutes Gartow erdulden, die bis 1690 andauerte, als Andreas Gottlieb von Bernstorff
das Gut Gartow 1694 käuflich erwarb.
Gartow blieb dennoch Grenzort und die Stadt Schnackenburg blieb weiterhin eine Enklave von
Hannover im brandenburgischen Gebiet, da Holtorf, Kapern und Gummern weiterhin brandenburgisch
blieben, jedoch dem Gut Gartow zahlungs- und leistungspflichtig waren. Diese Konstellation
dürfte ziemlich einmalig gewesen sein: „Ausländer“, und solche waren die Einwohner von Holtorf,
Kapern und Gummern nach Auffassung des Herzogs in Hannover, zahlten Steuern und leisteten
Dienste an den „Ausländer“ von Bernstorff, wenn die Meinung Preußens zugrunde gelegt wird.
Von den Grenzstreitigkeiten zwischen Preußen und Hannover 1691/92 die vorausgingen, blieb
Gartow unberührt, als am 28. Oktober 1699 die Landesgrenze zwischen beiden Ländern im Bereich
Arendsee-Gartow im sogen. Gartower Grenzrezeß festgeschrieben wurde. Die Orte Holtorf,
Kapern und Gummern blieben territorial ausgeklammert, sie blieben preussisch. Im Rezeß wird
auch das Gebiet bei Gartow erwähnt:
„…zwischen dem Gartow- Quarnstedt- und Holtorfer Felde, so theils mit doppelten Hügeln, theils
mit Grentzstangen bemercket, bis neben der Sandfuhrt oder dem Sandgraben zu Ende der Holtorfer
Feldmarck, alwo die 52. Grentzstange nach der Numero der Hügel stehet. Von dannen in der
Fohre zwischen den letzten Gartowischen Ackerstücken auf der Höhe und Casper Rathkens aus
Holtorf Stücken hinunter durch die Wall-See neben Holtorf, vor den Gartowischen Krißen…“ weiter
bis zur Elbe. Zu jener Zeit wurde die Landesgrenze also mit Erdhügeln und Stangen gekennzeichnet.
13
58
Später wurde der Grenzrezeß von 1699 durch die brandenburgischen Grenz-Kommissare nicht
als endgültig anerkannt, da sie zu verstehen gaben „daß ihr König und Herr nicht gesonnen wäre,
den Land-Grentz-Receß de ao. 1699 zu verewigen“. Demnach vertraten sie die Ansicht, es gelte
weiterhin die Landesgrenze vom Jahre 1328, wonach das gesamte Gartower Gebiet als noch zum
Kurfürstentum Brandenburg gehörig betrachtet wurde. 14
Die pflichtigen Untertanen aus den drei vorgenannten Orten zeigten sich gegenüber dem Haus
Gartow in den Folgejahren renitent, da sie sich nicht zu Hannover gehörig fühlten. Für Preußen war
das Gebiet Holtorf, Kapern und Gummern insofern von Bedeutung, weil in Holtorf Zoll gehoben
werden durfte und mit der dortigen Elbfähre Lenzen im Verlauf einer Heerstraße von Arendsee aus
schnell erreicht werden konnte.
Im Rahmen des sog. Nordischen Krieges und damit verbundener überregionaler politischer Verabredungen
hat Preußen gemäß Abtretungsvertrag vom 4./21. August 1719 letztendlich auf Holtorf,
Kapern und Gummern verzichtet, so daß deren Gemarkungen und Einwohner dem Kurfürstentum
Hannover angegliedert werden konnten.
Eine über mehrere Jahrhunderte anhaltende Situation hatte sich geändert, Gartow war nun kein
direkter Grenzort mehr. Auf die neuzeitliche, kurz nach dem 2. Weltkrieg geplante Abtretung dieses
Gebietes an die sowjetisch besetzte Zone und die Grenzlage von 1945 bis 1990, wovon Gartow
ebenfalls wirtschaftlich unmittelbar betroffen war, wird weiter hinten berichtet. 15
Gartow im 17. Jhd. nach Merian
Die Gartower Landschaft nach der Topographie von 1968
59
Quellen und Literatur
1. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg
und ihrer Lande“, 1. Bd., Hannover 1859, Urkunden Nr. 343, 344, 365
2. wie vor, 1. Bd., Hannover 1859, Urkunde Nr. 438, 439
3. wie vor, 1. Bd., Hannover 1859, Urkunde Nr. 501, 502
4. wie vor, 2. Bd., Hannover 1860, Urkunde 79
5. v. Winterfeld, A.: „Geschichte des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem“,
Berlin 1859, S. 672
6. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 16,
Zeichnung
7. Sudendorf, H., 3 Bd., Hannover 1862, Urkunde Nr. 236
8. wie vor, 4. Bd., Urkunde Nr. 220
9. Anonym: „Über den Zustand von Gartow im XIV. Jahrhundert“ in: Neues Vaterländisches
Archiv, Jg. 1830, S. 139 - 155
10. Brosius, Dieter: „Wendländische Regesten 1298 - 1528“, Lüchow 1988, Urkunde 164.
11. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 60
12. Haberland, Rudolf a.a.O., S. 122
13. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 24 - 26
14. Puffahrt, Otto: „Der Gartower Grenzrezess zwischen Brandenburg und Braunschweig-Lüneburg
vom 28. Oktober 1699“,Lüneburg 2004, s. auch Gartower Heimatbote August 1929.
15. D 10 Nr. 16 „Alte Historie von Gartow, zu den Grentz-Acten mit Chur Brandenburg gehörig,
1767“
16. Lentz, N.N.: „Historische Sammlung von dem Lüneburgischen Orte Gartow“ in: Braunschweigische
Anzeigen vom 19.1.1757, 6. Stück, S. 86 - 91
60
Die Adelsgeschlechter in Gartow
Drei Adelsgeschlechter bestimmten im Wesentlichen die Geschichte von Gartow: die Herren von
(der) Gartow, die Herren von Bülow und die Grafen von Bernstorff. Der Einfluss des Johanniter
Ordens soll hier nicht unterbewertet werden, dürfte jedoch in der kurzen Wirkungszeit nicht allzu
viel Einfluss auf Gartows Entwicklung gehabt haben.
Am wenigsten ist vom Geschlecht der Herren von (der) Gartow bekannt, welches im 13. Jahrhundert
erscheint. In diesem Zusammenhang muss auf eine stark ähnelnde Wappenführung der Herren
von (der) Gartow und dem Geschlecht der von (dem) Knesebeck hingewiesen werden. Beide
verwenden im Wappenschild die Greifenklaue, die Kralle nach links ausgerichtet und die Helmzier
trägt bei den von (der) Gartow drei Fähnchen und bei den von (dem) Knesebeck deren fünf. Diese
Übereinstimmung wäre eine Untersuchung wert. 1
Die von dem Knesebeck, im Mittelalter im Raum Bodenteich und Lüchow begütert, erscheinen
urkundlich bereits 1268 sowie erneut 1353 beim Verkauf des Dorfes Trabuhn an die Herren von
Wustrow. 2
Herren von (der) Gartowe (Charthowe)
Der Heimatforscher Rudolf Haberland hat sich bereits mit diesem Geschlecht, von dem nur wenig
bekannt ist, beschäftigt:
„…Es war am 6. November 1225, als zu Zehusen (Seehausen) in der Altmark auf Einladung der
jungen brandenburgischen Markgrafen Johann und Otto zahlreiche Edle und Herren versammelt
waren, mancherlei Angelegenheiten des Landes zu besprechen und zu ordnen. Unter anderem
wurden während dieser Tagung dem 1184 gegründeten Kloster Arendsee von den Markgrafen
seine Rechte bestätigt und ihm zwei Hufen Landes geschenkt. Rechtskraft erhielt die darüber
ausgestellte Urkunde erst durch Anhängung des markgräflichen Siegels und durch Unterschrift
einer Reihe von Zeugen. Unter den Zeugen dieser Urkunde aber befindet sich auch ein Conradus
de Gartowe, und dieser Conrad von Gartow und ein Gerhardi de Carthowe, der ebenfalls im Jahre
1225 als Zeuge in einer anderen Vertragsurkunde genannt wird, sind die ersten uns bekannten
Mitglieder des Geschlechts derer von Gartow. Seitdem aber werden Herren von Gartow in zahlreichen
Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts genannt. Doch wissen dieselben meist nur von
Käufen und Verkäufen, Belehnungen und Verpfändungen zu berichten und fast gar nichts von
dem, was sonst das Leben unserer Gartower Herren ausgefüllt haben mag.
Wappen v.d. Gartow (l), v.d. Knesebeck (r)
61
Das aber geht aus den zahlreichen urkundlichen Erwähnungen der Herren von Gartow unzweifelhaft
hervor, daß dieselben ein sehr begütertes Geschlecht waren. Fast alle Orte in unserem
Heimatgebiet links und rechts der Seege waren, ganz oder zum Teil, Lehnsbesitz der Herren von
Chartowe, nämlich:
„Hus und Stedeken to der Gartowe“ (1360), in Krummendiek: Quarnstedt, Holtorf, Capern, Gummern,
Brunstorp, Hogen Wentorp, Krissow, Tzedemstorp und verschiedene Höfe, im Höhbeckgebiet:
Restorf, Pevestorf, Brünkendorf, Vietze, Dorp to Vire, Tezichow, im Gebiet „Uppe der Heide“:
Niendorf, Meetschow, Wirl, Prezelle, Gedelitz, Wulfeshole, Santekow, Hangförde, nicht aber Gorleben
und Laasche.
In der Altmark werden Liesten, Zühlen, Thielbeer, Genzin als Besitz der Herren von Chartowe genannt.
Gartow und die Dörfer „Auf der Heide“ waren um 1360 lüneburgische Lehen, die Orte des
Höhbeckgebietes braunschweigische und die Dörfer und Höfe Krummendieks brandenburgische
Lehen…“ 3
Nur wenige weitere Urkunden erwähnen Mitglieder der Familie von Gartow, wie die Urkunde vom
13. Januar 1321 in der „Basilius, Hilmar und Johann von der Gartow geloben, dem Herzoge Otto
von Braunschweig und Lüneburg und seinen Söhnen Otto und Wilhelm Burghude auf dem Schlosse
Gartow zu halten“ (Urkunde Nr. 343). Im Original werden die Vornamen „Beseke, Helmer und
Henningh von der Chartowe“ sowie Gerhard („Gherarde“) genannt. Als Zeugen traten auf Volrad
von „dreingleue“, Roleue von Garsenbutle, Henning von Irksleue (ein Ritter), Jordan von dem Campe,
Hinrich von Irkssleue, erwähnter Gerhard von der Gartow, Thiederich von Wardenberg, Jurius
von Hitzacker und Heineke von Dannenberg als „Knechte“.
Nur wenige Tage später, am 9. Februar 1321, wird die nächste Urkunde ausgestellt: „Ritter Friedrich
von der Gartow verkauft dem Herzoge Otto von Braunschweig und Lüneburg und dessen Söhnen
Otto und Wilhelm sein Viertel des Schlosses Gartow mit seinem Anteile an der Vorburg und an
dem Gerichte im Dorfe, mit dem Patronatsrechte und sonstigem Zubehör“. 4
Friedrich verkauft ferner seinen Anteil am Kirchlehn sowie vier Häuser in Gartow, die Mühle, das
Vorwerk, Felder, Holzung, Wasser, das Wendfeld mit der Mühle, eine Hufe in Quarnstedt, dazu
Einkünfte aus der Hafer- und Gerstenernte.
Schon zu diesem frühen Zeitpunkt begegnen wir der Teilung des Gesamtbesitzes in vier Teile,
nämlich an Beseke, Helmer, Henning und Friedrich von der Gartow. Ob Gerhard dazu gehörte, ist
nicht ganz klar.
Friedrich von (der) Gartow („der“ wird nun nicht mehr genannt) und sein Bruder Johann erscheinen
in einer weiteren Urkunde vom 22. Mai 1328 worin „Die Gebrüder Friedrich und Johann von Gartow,
Knappen, erklären, für ihre Schuldforderung den vierten Theil des Schlosses Gartow von den
jungen Herzögen Otto und Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg erhalten zu haben“. Somit
waren die jungen Herzöge Mitbesitzer von Schloss Gartow und einigen Zubehörungen in Gartow
geworden. In der Folgezeit muss es den jungen Herzögen gelungen sein, ein weiteres Viertel am
Gartower Besitz zu vereinnahmen:
„Die Gebrüder Friedrich, Johann und Balduin von der Gartow geloben wegen des ihnen von den
Herzögen Otto und Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg anvertraute Hälfte des Schlosses
Gartow treu zu bewahren“ (Urkunde Nr. 532). Am gleichen Tag, dem 5. Februar 1332, ist eine
weitere Urkunde ausgestellt worden: „Die Gebrüder Friedrich, Johann und Balduin von der Gartow
geloben wegen des ihnen am Schloße Hitzacker geschehenen den Herzögen Otto und Wilhelm
62
von Braunschweig und Lüneburg eine Sühne“. Welches Vorkommnis sich ereignete, erfahren wir
jedoch nicht. 5
Die nächste Urkunde vom 5. Februar 1335 nennt neue Namen: „Die Gebrüder Basilius, Hilmar
und Busso von Gartow resigniren dem Herzoge Otto von Braunschweig Güter zu Leisten zu Gunsten
des Klosters Arendsee“. Damit ist die Ortschaft Leisten im Hannoverschen Wendland gemeint.
Weitere Jahre später ist eine Urkunde mit folgendem Kurzinhalt ausgestellt worden, welche vom
17. Februar 1342 datiert: „Die Gebrüder Busso, Basilius und Hilmar von der Gartow verzichten
den Herzögen Otto und Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg auf das Dorf Lomitz und auf das
Burglehn zu Lüchow und geloben, das den Kaufleuten genommene Geld zurückzugeben, niemals
Feinde der Herzöge zu werden und ihnen 40 feine Mark zu zahlen“ (Urkunde Nr. 4). Die Geldrückgabe
an die Kaufleute lässt die Vermutung zu, dass die Herren von Gartow illegal gehandelt haben
und sich der Gedanke des Raubrittertums aufdrängt. Die näheren Umstände werden wir jedoch
wegen fehlender Überlieferung nie erfahren. Mitglieder der von Gartow erscheinen auch im Lehnbuch
der Herzöge Magnus und Ernst von Braunschweig, welches die Zeit von 1344 - 1365 betrifft:
genannt werden „Freder Claudicans de gartouwe“ mit dem Zusatz „terram hobeke“, also Land
Höhbeck sowie „Henninghus de gartowe“, dessen Besitztum angegeben wird, worunter drei Höfe
in Vietze erscheinen. 6
Später sind keine Verkaufsurkunden der Herren von Gartow mehr bekannt, jedoch erscheinen in
der Urkunde Nr. 111 vom 19. April 1360 im Zusammenhang mit denen von Wustrow ein Friedrich
von der Gartow und in der Urkunde Nr. 401 vom 18. Februar 1369 bei einer Verpfändung der
Name Busse von der Gartow, ebenso in der Urkunde Nr. 402 gleichen Datums. Friedrich von der
Gartow erscheint ein letztes Mal in der Urkunde Nr. 429 vom 18. November 1369 mit dem Kurzinhalt:
„Die Knappen Diedrich Wenckstern und Friedrich von der Gartow stellen einen Revers aus,
dass Herzog Magnus von Braunschweig und Lüneburg unter Vorbehalt des Öffnungsrechtes ihnen
auf drei Jahre das Schloss Pretzetze mit Gülte, Gericht und Recht, wie Diedrich von Hitzacker
es besessen hat, für 450 Mark Pfennige verpfändet und gelobet hat, sechs löthige Mark ihnen
jährlich zu der Gülte zuzulegen und ihnen die Kosten nöthiger Bauten am Schlosse, die sie nach
seinem Rathe vornehmen, bei der Einlösung zu ersetzen, dass er auch Selbsthülfe vom Schlosse
gegen Unrecht, wogegen er ihnen nicht zum Rechte oder Vergleiche verhilft, ihnen gestattet hat.“ 7
Als die Herren von Gartow ihren Gartower Besitz bereits abgetreten hatten, blieben sie weiterhin
in Urkunden namentlich präsent. So in einer Klageschrift anlässlich des Satetages in Lüneburg
vom 16. - 18. März 1393, als unter weiteren Tätern Henning von der Gartow der Vorwurf gemacht
wurde, zu Lasten von Friedrich und Albrecht von Wustrow Vieh gestohlen zu haben (Urkunde Nr.
135). Etwa 20 Jahre zuvor (1376) erschien Bosse von der Gartow als Zeuge in einer wichtigen
Urkunde als „König Oluf von Dänemark, König Hakon von Schweden und Norwegen und Königin
Margarethe von Schweden und Norwegen geloben, dem Herzoge Erich von Sachsen-Lauenburg
Hülfe in allen seinen Kriegen zu leisten…“ 8
Anläßlich einer geistlichen Stiftung in einer Kapelle bei der Domkirche in Ratzeburg wird gemäß
Urkunde vom 4. Mai 1387 Busso von Gartow als Zeuge aufgeführt (Urkunde Nr. 147.4) und in der
Urkunde vom 2. Februar 1397 erscheint ein weiterer Namensträger: „Burchard von der Gartow
verschreibt den Gebrüdern Nicolaus und Heinrich von Hachede 30 Mark Pfennige nebst Zinsen in
seinem Burglehen zu Lauenburg.“ 9
63
In einer Urkunde vom 31. Oktober 1403 erscheint als Zeuge Hinrich von der Gartow (Urkunde Nr.
225) und in der Urkunde vom 18. Mai 1404 lediglich der Familienname von der Gartow (Urkunde
Nr. 246). Bei letzterer beginnt der Kurzinhalt mit den Sätzen: „Achtzehn ritterbürtige Leute
des Herzogthums Sachsen-Lauenburg schliessen mit zwölf ihrer dortigen Standesgenossen einen
Bund, nämlich die von Zule, Wackerbart, Lasbeke und Scharpenberg mit den Schacke, Daldorp
und von der Gartowe…“ 10
Demnach hat sich zumindest ein Familienmitglied der von der Gartow im Lauenburgischen niedergelassen.
Nach ergänzenden Urkunden sind weitere Aktivitäten dieser Adelsfamilie nachweisbar:
die Brüder und Knappen Friedrich und Henning von Gartow verpfändeten Johann Markmann in
Lüchow und dessen Frau den Bauermeister Tyleke aus Nemitz (Urkunde Nr. 2 vom 15.8.1300),
Ritter Friedrich von Gartow richtet beim Kaland Lüchow für sich und seine Eltern eine Memorie
(Betstunde) und Messe ein. Gleichzeitig erhielt der Dekan des Kalands die Nutzung eines Ackers
und einer Wiese. Seine Neffen sind Friedrich, Henning und Boldewin von Gartow (Urkunde Nr. 10
vom 18.1.1329). Diese Gebrüder, wobei Friedrich als der „Jüngere“ bezeichnet wird, verkaufen
an Hinrich von Dannenberg, Henning Klitzing und Otto Melbeck zu Händen des Kalands Lüchow
das halbe Dorf Gr. Breese „wie ihre Eltern es besessen haben“ (Urkunde Nr. 18 vom 11.11.1336).
Wenig später verkauft Hinrich von Gartow (der Jüngere) an Pardam Plato, Hinrich von Dannenberg
und Henning Klitzing die andere Hälfte von Gr. Breese zugunsten des Kalands Lüchow sowie eine
Rente vom dortigen Hof Burmester. 11
Busso von Gartow sowie seine Brüder Beseke und Helmer versprechen dem Kaland Lüchow Wiedergutmachung
für zugefügte Schäden (Urkunde Nr. 29 vom 25.3.1342), ebenso desgleichen
wenige Monate später (Urkunde Nr. 30 vom 26.6.1342). Die vorerst letzte Urkunde beinhaltet die
Verpfändung des Dorfes Lanze durch Geseke und Busso von Gartow an die Brüder Pardam und
Rabode von Plato sowie den Gebrüdern von dem Knesebeck (Urkunde Nr. 31 vom 22.2.1344).
Schließlich verkauften Hinrich Sack der Ältere und seine Frau Mette an Vicke von Bülow „ihre Burg
zu Gorleben, Ober- und Unterburg mit dem Vorwerk und dem ganzen Dorf sowie das Dorf Laasche,
das der Aussteller von Jan von der Gartow gekauft hatte…. 12/13
In der Geschichte der Altmark von 1855 wird Gerhard von Garthow 1225 als Vogt zu Salzwedel
unter dem Grafen Heinrich von Aschersleben bezeichnet. Im Isenhagener Urkundenbuch Nr. 31
wird 1225 „Gerhard de Carthow“ als Zeuge aufgeführt, wie auch „dominus Johannes cognomine
gans de Garthowe“ in einer Urkunde von 1255 erscheint, wo auch sein Sohn Gerhard genannt
wird. Die von Gartow waren, wie bereits erwähnt, ebenfalls in der Altmark begütert, wohin sie sich
nach dem Verkauf von Gartow zurückzogen. Die Chronik der Stadt Arendsee erwähnt sie 1312 :
„Die Gebrüder von Gartow gaben, gepanzert und eisengeharnischt, ihrer Schwester das Geleit ins
Kloster und unterschrieben die Schenkungsurkunde, wonach sie jährlich 2 ½ Wispel Korn vom
Dorfe Liesten als Leibgedinge liefern wollten“ sowie „die von Gartow überweisen dem Kloster
weitere Hebungen aus Liesten (20. Mai 1319) und „Friedrich, Heinrich und Balduin von Gartow
überlassen dem Kloster Besitzungen in Liesten 1329“. Am 2. August 1331 geben die von Gartow
dem Kloster alle Rechte am Dorf Zühlen und „Papst Johann XXII bestätigt dem Vikar Dietrich von
Gartow den Besitz eines Altars in der Klosterkirche 21.12.1331“. 1335 haben Beseke, Hilmer und
Busso von Gartow ihre restlichen Besitzungen in Liesten an das Kloster verkauft und 1338 den
Hof zu Thielbeer überlassen. 14
64
Bis zum Erlöschen der männlichen Linie nach 1629 blieb der Hauptsitz der Familie von Gartow
Berkow oder Berkau bei Bismarck. Der Letzte der Familie war Johann von Gartow. Die Herren v.
Gartow werden ebenfalls in Urkunden von Brandenburg erwähnt. 15/16
Herren von Bülow
Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Familie von Gartow ist die 256 Jahre währende Präsenz
der Herrn von Bülow eng mit der Ortsgeschichte Gartows verbunden. Genauere Überlieferungen
aus dieser Zeit fehlen aber. Außer wenigen Urkunden, die im wesentlichen An- und Verkäufe dokumentieren,
wie zum Ort Gartow oder seiner Bürger wie auch zur Wirtschaft, Rechtssprechung,
Verwaltung u.a.m. gibt es keine Aussagen. Die gesamte von Bülowsche Ära ist daher weitgehend
unbekannt. Gartow hatte keine Stadtrechte, daher auch keine eigene Verwaltung mit schreibkundigen
Bürgern.
Als die Herren von Bülow noch keine Besitzer von Gartow
gewesen sind, waren sie andererseits bereits seit 1426
mit der Burg und Feste Gorleben und dem Dorf Laasche
begütert. 1438 befanden sich auch die herzoglichen
Schlösser Dannenberg und Pretzetze als Pfandbesitz in
den Händen Viktors von Bülow und 1434 war Dannenberg
sein Wohnsitz. Seit 1438 hielt er sich jedoch im
neuerworbenen Schloß Gartow auf. Was die von Bülows
jedoch bis in die Gegenwart überliefert haben, ist ihr
Wappen, das gleichzeitig als Gartower Ortswappen und
als Samtgemeide-Wappen offiziell verwendet wird. Das
Wappen hat hinsichtlich der Anzahl von Kugeln im Laufe
der Zeit einige Abwandlungen erfahren: „Das älteste uns
bekannte Wappen der Bülows ist das des Stammvaters
Gottfried von Bülow vom Jahre 1255. Es ist ein dreieckiges
Schild mit 21 goldenen Kugeln (nicht Pfennigen). Ein
späteres Wappen der Stammlinie zeigt in einem dreieckigen
blauen Felde vierzehn goldene Kugeln (4, 4, 3, 2, 1).
Flankiert wird das Schild rechts und links von einem Vogel
mit gelber Brust und blauen Flügeln, dem „Vogel Bülow“
(Pirol). Daß der „Vogel Bülow“ der Familie den Namen gegeben
hat „ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil
die Familie sich in alten Urkunden „von“, also nach dem
Gute Bülow, geschrieben und auch den Vogel nicht von
Anfang an im Wappen geführt hat (Bülowsches Familienbuch
21)“ sowie : „Landesherren von Gartow aber waren
… von 1441 bis 1594 die reichsunmittelbaren Herren von
Bülow und so weist denn auch das Wappen von Gartow
die goldenen Kugeln des Bülowschen Wappens auf, doch
nicht 14 Kugeln, sondern nur neun.“ Überliefert ist in diesem
Zusammenhang folgende Sage: 17
Wappen v. Bülow
65
Wappensage der Familie von Bülow
Ein junger Wendenhäuptlingssohn aus Mecklenburg, namens Bülow, hatte sich als einziger der
Familie zum Christentum bekehrt. Er wurde daraufhin aus dem noch heidnischen Sippenverband
ausgestoßen. Traurig, aber unverzagt, zog er aus, um im Christenlande sein Glück zu versuchen.
Als er auf seinem Wege durch einen großen Wald kam, horchte er plötzlich auf. Hatte da nicht jemand
seinen Namen gerufen? Bülow … Bülow hörte er jetzt ganz deutlich. Wer rief da, woher kam
das? Und dann sah er es: Auf dem nächsten Baum, einer riesigen, alten Eiche, saß hoch oben in
der Krone ein gelbleuchtender Vogel und rief: Bülow … Bülow!
Jetzt flog er auf, ließ sich ein paar Bäume weiter nieder und rief wieder: Bülow … Bülow! Unwillkürlich
folgt ihm der junge Häuptling, und immer rufend führte ihn der leuchtend-gelbe Vogel immer
tiefer in den Wald hinein.
Jetzt blieb er auf den schon fast kahlen Ästen einer uralten Eiche sitzen und – war in der Tiefe,
in dem anscheinend hohlen Baum verschwunden. Aber schon Sekunden später war er wieder da
und hielt etwas Blinkendes im Schnabel. Jetzt ließ er es fallen und war mit einem letzten auffordernden
Bülow … Bülow verschwunden.
Als sich nun der junge, immer wieder so angerufene Bülow bückte, konnte er das Blinkende aufheben,
einen schönen, goldenen Ring. Er dachte: Wo der war, wird noch mehr sein. Sofort machte er
sich daran, unter den Wurzeln der schon morschen Eiche nachzugraben und zu suchen, und fand:
Einen Schatz, lauter goldene Dukaten.
Durch dies Gotteswunder gestärkt, zog er frohgemut weiter und wurde der Begründer eines weitverzweigten
Geschlechtes. Sein Wappen aber ist: Auf dem Helm der Vogel Bülow, im Schild vierzehn
goldene Dukaten. 18
Die von Bülow sind ein uradeliges mecklenburgisches Adelsgeschlecht. Das Geschlecht tritt 1154
bei der Grundsteinlegung des Ratzeburger Domes zuerst auf und ist nach dem Dorf Bülow bei
Rehna benannt. Die von Bülow sind in fast allen Berufen aufgetreten und haben vor der Reformation
fünf Bischöfe, neun Pröbste, zwanzig Domherren und neun Äbtissinnen gestellt. Im 14. Jahrhundert
waren es vier Bischöfe von Schwerin, denen sich im 16. Jahrhundert noch Dietrich von
Bülow, Bischof von Lebus und Begründer der Universität Frankfurt/Oder zugesellte. Seither sind
viele Familienmitglieder als Staatsmänner, Generale und Schriftsteller bekannt geworden. Der
Vater des ebengenannten Bischofs von Lebus war Ritter Friedrich von Bülow auf Wehningen. 19
Hier interessieren aber die Gartower Bülows, die von Victor („Vicco“) abstammen. Er kaufte das
Haus Gartow dem Johanniter Orden 1438 ab.
Am 25. November 1441 erwirbt Vicco von Bülow die Hälfte des Schlosses Gartow und die Hälfte
des Ortes Gartow für 4.500 Reichsthaler Gulden von Werner von der Schulenburg, die Letzterer
einst vom Johanniter Orden erworben hatte. 1448 erhält er durch Kauf drei Höfe in Holtorf „und
allen Besitz im Krummendiek, den sie (die St. Johannisritter von Rederen) vom Johanniterorden zu
Lehen gehabt haben“. Ein Jahr später (1449) erfährt er eine herzogliche Belehnung seiner bisher
erworbenen Güter, nämlich: Kl. und Gr. Gorleben, Laasche, Kacherien, Gülden sowie Höfe in Gr.
Gusborn, Breese i.d.M., Schmarsau b. Dannenberg und die Wassermühle Püggen.
Vicco von Bülow war nicht nur Herr auf Gartow sondern auch noch auf den Gütern Stintenburg, Neuenkirchen
und Drönnewitz (1434 - 1443). Später kamen noch die Güter Öbisfelde, Borkow, Arends-
66
höfen und Gägelow sowie Kl. Schwechten hinzu, wie auch Campen, Essen, Brunsroda,Potrembse,
Pluskow, Scherfesdorf, Hundorf, Segrahn usw. Das Geschlecht hat sich in Deutschland außerordentlich
verbreitet und blüht nach fast 900 Jahren unvermindert weiter.
Die Herren von Bülow haben eine rege An- und Verkaufspolitik betrieben, indem sie Höfe und Ländereien
in der engeren und weiteren Umgebung erwarben, vertauschten oder abgaben. Bereits im
Jahre 1419 kaufte Vicco von Bülow drei wüste Höfe in Gülden von Ghus von Hitzacker, 1426 die
Burg und das Dorf Gorleben sowie das Dorf Laasche, 1429 zwei Höfe in Bresse i.d.M. und 1437
einen Hof in Schmarsau b. Dannenberg. Diese Erwerbungen tätigte er vor dem Kauf des Schlosses
und der Gutsherrschaft Gartow ab 1438.
Im Laufe der Zeit haben die Bülows folgende 26 Besitztümer im Gartower Raum erworben: Breese
i.d.M. (z.T.), Brünkendorf, Bussau (z.T.), Gartow (z.T.), Gorleben, Gülden, Gr. Gusborn (z.T.), Kacherien
(z.T.), Klautze, Laasche, Lomitz, Meetschow, Nienwalde, Prezelle, Pevestorf, Püggen (z.T.), Prezier,
Quarnstedt, Restorf, Schmarsau b. Dannenberg (z.T.), Schreyahn (z.T.), Splietau (z.T.), Streetz
(z.T.), Trabuhn, Vietze und Volzendorf. Die zehn Höfe in Volzendorf waren 1689/90 für 1000 Rtlr.
an die Familie von Badendorf in Woltersdorf verpfändet. Aus den altmärkischen Dörfern Holtorf,
Kapern und Gummern erfolgten Fleisch- und Getreidelieferungen.
Im Mittelalter (ab 1442) hatten sie zahlreiche Pfandschaften über Burgen , als Gegenleistung für
gewährte Dienste und Zahlungen vom Landesherrn inne. Gartow nur am Rande betreffend, gab es
1475 Streitigkeiten zwischen den Herren von Jagow und Jürgen von Bülow. Bei Nienwalde hatten
die dortigen Einwohner im Landschaftsteil Sandekow Land urbar gemacht, was bei von Jagow auf
Widerspruch stieß. Bei der Einigung wurde deutlich, dass es in der Sandekow keine festgelegte
Grenze gab. Weide, Jagd und Holzung durften künftig beide Adelshäuser nutzen. Die Dorfstätte
Wirl fiel an Jürgen von Bülow. 20
Gartow unter der Herrschaft von Bülow
Wegen der fehlenden Überlieferung sind Aussagen zum Zustand des Ortes Gartow, seiner Gemeindeverfassung
und Einwohner kaum möglich. Fest steht, Vicke von Bülow erwirbt ab 1438 Eigentum
an der Burg Gartow und war zuvor mit einigen Höfen und Ländereien außerhalb von Gartow
begütert. Im Jahre 1441 erwarb er vom Johanniter Orden eine Hälfte am Schloss Gartow und den
halben Ort Gartow sowie das „Cremerland“ in der Feldmark Schnackenburg (Urkunde Nr. 210).
Wann die zweite Hälfte von Gartow in den Besitz der von Bülow kam, darüber gibt es keine Quelle.
Der Burg Gartow war jedoch schon ein Wirtschaftshof (Vorwerk) angegliedert. Ob Gartower Bürger
dort Dienste leisten mussten, bleibt unbekannt wie auch, ob sie Geld- und Naturalabgaben entrichteten.
1518 ist das Gartower Besitztum unter die drei Brüder Vicke, Henrich und Christoffer von Bülow
aufgeteilt worden. Vicke, der Älteste von ihnen, behielt die Vorburg, das Brau- und Backhaus, den
halben Vorwerkshof vor der Burg sowie einen Teil der Burg selbst und ein Drittel aller Liegenschaften
und Einkünfte. Ebenso wurde mit den beiden anderen Brüdern verfahren, jeder verfügte
dann über ein Drittel des Gesamtbesitzes. Und jeder von ihnen bewohnte mit seiner Familie und
Gesinde einen Teil der Gartower Burg. Für 170 lange Jahre blieb diese Dreiteilung bestehen und
war ökonomisch wohl nicht erfolgreich.
67
Busso von Bülow, Herr auf Gartow und Öbisfelde, heiratete 1568 Fredeke von der Asseburg, starb
jedoch bereits 1571. Aus der Ehe stammten der 1569 geborene Heinrich und in der Nacht nach
dem Begräbnis seines Vaters der zweite Sohn Busso. Er starb 15jährig im Jahr 1586 und wurde in
der Kirche Öbisfelde neben seinem Vater begraben. Die Mutter starb am 4.10.1604 im Alter von
70 Jahren. 21
Um 1600: Gartow mit der alten Kirche gezeichnet nach Merian gestochen von Fresenius, Berlin
Busso hatte noch die Brüder Levin, Victor und Christoph. Letzterer führte die Stammeslinie weiter,
war verheiratet mit Ilsabe von der Schulenburg und starb 1609. Aus dieser Ehe gingen sechs
männliche Nachkommen hervor: Victor Friedrich, Levin Busso, Hans Georg, Caspar Ernst, Christoph
und Jobst. Victor Friedrich, geboren am 23.8.1590 in Gartow, gestorben am 20.3.1668 in
Gartow, erhielt Unterricht bei Privatlehrern. Er kam 1601 zum Gymnasium nach Magdeburg, ging
1607 mit Christoph von Bismarck und dessen Bruder Ludolph zur neugegründeten Universität
Gießen, wo er 2 Jahre lang studierte. Danach begaben sich die Drei nach Köln, weil sie in Gießen
„eine ganz ungesunde Luft gehabt“, und blieben dort 2 ½ Jahre. Zwei seiner Brüder fielen in Gefechten
in Dänemark, er reiste für einige Zeit zu seiner Mutter, um sie über den Verlust der Kinder
zu trösten und reiste dann den Gebrüdern von Bismarck nach, die in Holland an der Universität
Franecker studierten, um dort ebenfalls ein Studium aufzunehmen. Gemeinsam bereisten sie Holland
und fuhren für sechs Monate nach England, um an der Universität Oxford weiter zu studieren.
In England erkrankte Victor-Friedrich an Fieber, reiste nach Hause und gesundete dort. Dann kümmerte
er sich um die häuslichen Güter und wurde 1628 vom Herzog Christian von Braunschweig-
Lüneburg (1566 - 1633) zum Landrat im Fürstentum Lüneburg bestellt. Am 17.8.1630 heiratete er
im Alter von 40 Jahren in Gartow Käthe von Jagow aus Aulosen. Diese Ehe war mit sechs Töchtern
und zwei Söhnen gesegnet. Die Söhne Christoff und Achatz Friedrich verstarben bereits als Kinder
wie auch Tochter Käthe und Ottilia Marie. Tochter Margaretha Anna Sabina heirateten nicht aber
Ilsabe von Bülow, die am 11.8.1658 in Gartow Georg Albrecht von Gattenhöfen, einen Rittmeister
und später zum Obristwachtmeister beförderten Mann heiratete. Die Schwester Catharina heiratete
am 21.7.1667 in Gartow Dietrich Levin von Schachten, Kanonikus des Stifts Halberstadt,
gewesener Leutnant unter dem braunschweig-lüneburgischen Groß-Eckischen Regiment.
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Victor Friedrich von Bülow „war der weltlichen Pracht, Übermut und Hofart spinnefeind, er blieb bei
seiner altteutschen Kleidertracht und war darin männiglich lieb und angenehm“. In Gartow machte
er während des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 48) harte Zeiten durch: 1631 und 1638 wurden
seine Güter geplündert, 1638 mußte er mit seiner Familie sogar fliehen, zuerst nach Salzwedel,
dann nach Hamburg. 1642 „wurde ihm alles Vieh von den Schwedischen hinweggetrieben, sein
Schloß geplündert, er wurde übel traktiert und verwundet, mußte fliehen und sich eine Zeit lang zu
Lenzen aufhalten. Dann macht der Obrist v. Goldacker zu Roß den schwedischen Völkern, die zu
Gartow im Quartier lagen, einen feindlichen Überfall, zündet den Flecken Gartow an, wobei seine
Brau- und Backhäuser, Reitställe, Vorwerke und Scheunen zu Asche wurden. Das Schloß und die
Kirche blieben erhalten.“
Kaum war der Krieg vorüber, brach das nächste Unglück über Victor-Friedrich herein.1651 kam es
bei Schnackenburg zu einem Deichbruch: „überschwemmte die Elbe alles Getreide, nahm Deiche
und Dämme hinweg und verursachte großes Elend, worunter man noch heute (1668) zu leiden
hat.“ Am 16.3.1668 verstarb er in Gartow im Alter von 78 Jahren. 22
Ein Verwandter von ihm, der 1611 geborene General der Infanterie, Vizegouverneur von Pommern
und Erbherr zu Hundorf, Barthold Hartwig von Bülow, stand damals in schwedischen Kriegsdiensten.
Er starb 1667 in Wolgast. Ein weiterer Verwandter von ihm, Jacob von Bülow, war Erbherr auf
Gudow, Wehningen, Jasebeck und Segrahn, ferner dänisch-norwegischer Generalmajor, lebte von
1626 - 1681. Gudow, Wehningen und Jasebeck waren schon viele Jahre im Familienbesitz.
Curt (auch Cord) und Jobst von Bülow waren die letzten Besitzer Gartows. Sie verkauften 1694 das
Gut an den Premier-Minister Andreas Gottlieb von Bernstorff.
Curt von Bülow blieb zunächst noch im Schloß Gartow wohnen, begab sich aber später auf sein
Gut Berendshagen in Mecklenburg, wo er 1702 starb, während Jobst von Bülow nach Schwerin
ging. Es ist nicht bekannt, ob sich Familienmitglieder aus Gartow auch zeitweilig zum v. Bülowschen
Gut Kl. Schwechten bei Stendal wandten, welches seit 1373 und bis etwa 1649 im Besitz
der Adelsfamilie von Lützendorf gewesen ist. Überliefert ist jedoch, dass Ernst Ludewig von Bülow,
der 1676 in Kl. Schwechten heiratete und als Erbherr von Gartow und Kl. Schwechten bezeichnet
wird. Allerdings starb er schon am 22.1.1683. Von seinen drei Söhnen sind Achatz Ludewig
und Ernst Gottfried von Bülow als Leutnante in einem dänischen Infanterie-Regiment 1706 in
Siebenbürgen gefallen. Johann Albrecht, der dritte Sohn, war großbritannischer Capitain beim
Dragoner-Regiment v. Bothmar und blieb Erbherr auf Kl. Schwechten. 1813 soll der letzte v. Bülow
in Kl. Schwechten, Theodor Christian Ernst Friedrich Heinrich, sein Gut schuldenhalber heimlich
verlassen haben. 23/24
Im Übrigen wird ein Johann von Bülow (1616 - 1662) bereits als Besitzer von Gartow und Kl.
Schwechten genannt. Es gab also schon damals eine Verbindung zwischen Gartow und Kl.
Schwechten. 25
Wirtschaftliche Aktivitäten
Einnahmen ergaben sich aus Alkoholverkauf, Erhebung von Alkoholsteuern, Stättengeld von Jahrmärkten,
verpachtete Weiden, Mastgelder aus Forsten, Holzverkauf, Wildfleischverkauf, Fischereiverpachtung,
Grasverkauf, Getreideverkauf, Verpachtung von Ländereien und Schäfereien, Verkauf
von Vieh und eingenommene Dienstgelder von Untertanen. Als Naturallieferungen kamen
erhebliche Getreidemengen von vielen Bauernhöfen und Pachtwindmühlen hinzu.
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Der Töpfer in Gartow zahlte als Konzessionsabgabe an das Haus Gartow jährlich einen Geldbetrag
und lieferte außerdem 30 Milchschalen. Dafür durfte er auf dem Restorfer Feld Lehm- bzw. Tongruben
eröffnen. 26
Die Familie von Bülow durfte innerhalb der Gemarkung Gartow den „Korn-Zehnten von etlichem
Heydtland, auch von einigen Kämpen“ beanspruchen. Das bedeutet, zehn Prozent des Ernteertrages
abnehmen. Da die Gartower Bürger in ihrer Feldmark über zu wenig Grünland verfügten,
mussten sie sich teilweise Wiesenareale vom Haus Gartow anpachten.
Als Vicke, Henrich und Christoffer verstorben waren, rücken deren Erben nach. Im Gegensatz zu
den umliegenden Dörfern einschließlich Quarnstedt haben Gartower Bürger keine Hauspacht an
die von Bülows gezahlt. Sie waren jedoch aufgrund alter Verpflichtungen gehalten, gewisse Abgaben
an sie zu tätigen: Wiesenzins für die Nutzung von Grünland, der Gartower Lehnkrüger zahlte
Accise, d.h. eine Steuer auf Alkohol: „hat hiebevor an daß Hauß Gartow für jede Tonne Bier 2
Schilling Accise zu erlegen und noch besonders dem Ambte Schnackenburg für Maltz-Accise, jährlich
eines für alles 1 ½ Rtlr. entrichten müßen, nachdehm aber auf Hochfürstl. Verordnung Anno
1687 die Maltz-Accise durchgehends hiesiger Örter abgeschaffet undt an deren Stelle auf jede
Tonne Schmalband (Anm.: Biersorte) 3 Schilling gesetzet worden. Alß ist gedachter Lehnkrüger anstatt
der bißher gegebenen Tonnen- und Maltz-Accise zu der neu angeordneten Accise mitgezogen
worden und bekömbt davon Hochfürstl. Schatz 15 Theile, das Hauß Gartow wegen der von dem
Lehnkrüger für jede Tonne gehabten 2 Schilling in gleichen Wegen der von denen Bürgern alhier
gehabten Maltz-Accise 3 Theile und Bürgermeister und Rath alhier 1 Theil…“ 27
v. Bülowsches Geldregister 1688/89
Brückenreparatur
v. Bülowsches Geldregister1687/88:
Mastgelder aus der Forst „Haneberg“
70
Dienste
Zur Ableistung folgenden Dienstes waren die Gartower gegenüber denen von Bülow verpflichtet:
„Die gesambten Bürger in Gartaw müßen jährlich im Frühling 3 Tage und im Herbst 3 Tage, die Bespannten
mit Wagen und Pferden und übrige mit der Hand am Sandt-Deiche arbeiten, wobey die
Fuhrleute, nicht aber die Handtdienste, die ersten beyden Tage des Abends eine Mahlzeit nebst
etzlichen Kannen Bier und des dritten Tages anstatt Mahlzeit eine Tonne Bier bekommen. ...Dem
Richter und Gerichtsvogt, welche bey obbemelter Deicharbeit die Aufsicht haben…“
Das Haus Gartow bezahlte also Essen und Trinken während der sechs Tage Arbeitseinsatz für die
Gartower Bürger bzw. deren Stellvertreter. 28
Als die Herzöge Heinrich und Wilhelm 1564 eine Deichordnung für ihre Lande in Kraft setzten,
wurde darin verordnet:
„… soll in die Haupt- oder Amt Leute zu Dannenberg und die von Bülow zu Gartow samt den
Diekgeschworenen so darzu gesetzet seyn, die Dieke jedes Jahr viermahl, nemlich am Dienstag
nach Judica, am Dienstag nach Johanni, am Dienstag nach Egedi und am Dienstag nach Martiny
besichtigen…“
Die Herren von Bülow waren ferner berechtigt, Ausbaumaße bei Deichneubauten und -reparaturen
festzulegen (wohl auf Ratschlag von Deichsachverständigen). 29
Eigenmächtige Handlungen der von Bülow
Aus nicht bekannter Ursache zogen die v. Bülow 1578 aus Gartow und einigen Dörfern der Umgebung
die Türkensteuer ein. Als die Gartower Bürgerschaft diese Steuer ab 1595 auf Anordnung
der Landesherrschaft an den Schatzschreiber Johann Becker in Uelzen direkt und unter Umgehung
der v. Bülow abführte, wollte Curt v. Bülow den alten Abgabemodus gewaltsam wiederherstellen.
Als die Gartower Bürgerschaft daran ging, Heide in Ackerland umzuwandeln, forderten
die v. Bülow die Hergabe des Kornzehnten (jede 10. geerntete Kornstiege). 1593 sind auch die
Gorlebener zum ersten Mal mit dem Kornzehnten belastet worden.
Die früher üblichen zwei jährlichen Gerichtstage für die Bauernschaft, wo ein auswärtiger Richter
Recht sprach, sind ab etwa 1575 auf Betreiben der v. Bülow abgeschafft worden. Außerdem
nahmen sie die Strafgelder von den Rechtsbrüchen für sich selbst ein. Curt v. Bülow erlaubte es
sich sogar, von der Gartower Bürgerschaft Geld zu fordern, um seine Schwester aussteuern zu
können. Nicht nur in die Rechtspflege, sondern auch in kirchliche Angelegenheiten griffen die v.
Bülow massiv ein. Sie verpfändeten oder verkauften Kirchengüter und zogen die Gewinne ein.
Auf ihr Betreiben ist die sonst nach abgehaltenem Gottesdienst erfolgte Segenssprechung an die
Landesherrschaft eingestellt worden. Dem Superintendenten von Celle wurde es nicht gestattet,
die Kirchen im Gartower Gebiet zu visitieren und überhaupt seien die v. Bülow „mit den geistlichen
Güthern wunderbarlich umgegangen“. Sie behinderten ferner die Einführung der landesüblichen
Gesangsbücher.
Im Laufe der Zeit brachten die v. Bülow die Gartower Bürgerschaft wegen vielerlei eigenmächtiger
Eingriffe, die hart am Rande der Legalität lagen, gegen sich auf. Als sich die v. Bülow unterstanden,
in der Heide südlich von Gartow auf Kosten der Bürgerschaft neue Vorwerke anzulegen und
soviel Land urbar zu machen, daß sie anstatt 6 Wispel Einsaat nunmehr 40 bewirtschafteten, beschwerte
sich der Rat von Gartow am 5.10.1594 beim Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg.
Hinzu kam noch die Betreibung der Gartower Gemeindeweide mit fast 2000 Schafen durch die
v. Bülow. Als der Herzog Auskünfte zu den Vorwürfen wünschte, vermeinten die v. Bülow, daß die
71
Untersuchungszuständigkeit beim Herrenmeister des Johanniter Ordens in Pommern und nicht
beim Herzog liege. Der Herzog war jedoch der Ansicht, schon die Vorbesitzer von Gartow hätten
das Gartower Gebiet mit Ausnahme des Werders Krummendiek „den Herzögen zu Lüneburg zu
Lehen getragen“. Einen weiteren Beweis für die Lüneburger Zugehörigkeit sah der Herzog in der
Entrichtung von Reichssteuern aus dem Gartower Gebiet. Daraufhin schickte der Herzog zur Untersuchung
der unklaren Verhältnisse als Abgesandte Hans Hartmann v. Erffa, Heinrich v.d. Wense,
Fritz v. Berge und Caspar Nitze.
Diese Herren vernahmen die Gartower Bürgerschaft sowie Curd, Vicke und Christoff v. Bülow um
Beweise zu sammeln. Ferner warben sie in den umliegenden Dörfern für die Vornahme der Erbhuldigung,
d.h. Anerkennung des Herzogs Ernst als Landesherrn durch persönlichen Eid. Obwohl
der Gartower Bürgerschaft eine Huldigung von den v. Bülow verboten wurde, legten die Gartower
1595 beim Erscheinen der herzoglichen Abgesandten ihren Huldigungseid ab. Nur die Landbevölkerung
vermochte sich noch nicht dazu durchzuringen.
Den „Stein ins Rollen“ brachte jedoch schon 2 Jahre zuvor der Gartower Organist Hinrich Ricke,
der sich den Drangsalen der v. Bülow besonders ausgesetzt sah und sich die Behandlung nicht
gefallen ließ. Ricke war 1590 seines Amtes enthoben und 1593 wegen angeblicher Mißachtung
von kirchlichen Bestimmungen auf Betreiben der Gebrüder v. Bülow inhaftiert worden. Er geriet
daraufhin in finanzielle Schwierigkeiten und forderte in einer Eingabe an den Herzog Gerechtigkeit.
Organist Ricke brachte gegen Curd v. Bülow eine lange Liste von Beschuldigungen vor:
01. Weil er auf Anweisung von Vicke v. Bülow das Pforthaus in Besitz nahm, hielt ihm Curd v.
Bülow „den Spieß am Halse“.
02. Wurden ihm Schläge angedroht, weil er mit seinem „Instrument“ zu spät kam.
03. Hatte ihn Curd v. Bülow im Hopfengarten „angeritten und gepeitschet“.
04. Ein Haus in Gartow zu bauen, wurde ihm nicht gestattet. Curd v. Bülow ließ z.B. die Zimmerleute
vom Rohbau abziehen.
05. Curd v. Bülow verweigerte ihm „den Tisch“, obwohl es damals üblich war, den Geistlichen an
den Mahlzeiten teilnehmen zu lassen.
06. In Gegenwart adeliger Personen wollte Curd v. Bülow ihn auf dem Kirchhof prügeln, was
Ricke‘s Frau jedoch verhinderte.
07. Curd v. Bülow warf die Frau von Ricke gewaltsam zu Boden und mißhandelte sie mit Fußtritten.
08. Als sich Ricke 1593 beschwerend an die Justizkanzlei Celle gewandt hatte, wurde er in
Gartow auf Betreiben Curd v. Bülow`s inhaftiert und sind die Scheiben seiner Mietwohnung
mutwillig zerschlagen worden, obwohl seine Kinder an Pocken erkrankt waren.
09. Er wurde aufgefordert, seine Habseligkeiten zu verkaufen und Gartow zu verlassen. Grund:
Ricke war im Auftrag der Gartower Bürgerschaft zum Johanniter Orden nach Sonnenburg
gereist, um persönliche und Gartower Klagen vorzubringen.
10. Eine zweite Aufforderung, Gartow zu verlassen, ignorierte Ricke. Grund: Weil er zusammen
mit einigen Gartower Bürgern in Magdeburg Beschwerden vorbrachte.
11. Nicht nur, daß Curd v. Bülow die Bürgen von Ricke unter Druck setzte, die ihn aus dem Gefängnis
auslösen wollten; so wurde Ricke als Anstifter der Streitigkeiten zwischen Gartower
Bürgerschaft und der Familie v. Bülow hingestellt.
12. Wurde Ricke des Diebstahls von Briefen und Siegeln aus dem Besitz der v. Bülow und als
Urheber der Uneinigkeit zwischen zwei Landesfürsten bezichtigt.
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13. Ein Diener aus dem Gefolge Curd v. Bülow wurde so sehr aufgestachelt, daß er Ricke im
Gasthaus eine Bierkanne ins Gesicht warf. Curd v. Bülow bedachte Ricke so oft er konnte
mit „Hohn- und Schmeheworten“ und drohte ihn zu erschießen, wenn er Ricke allein träfe.
Diese tiefen Zerwürfnisse waren sicherlich in gegenseitiger Abneigung begründet, aber die Gebrüder
v. Bülow und darunter besonders Curd v. Bülow gebärdeten sich damals mehr als überheblich.
Nur so ist es zu verstehen, daß auch die Gartower Bürgerschaft schwere Beschuldigungen
vorbrachte. Der Rat von Gartow wurde stetig übergangen, da die v. Bülow in die Ratskompetenzen
eingriffen. Die wichtigsten Beschwerdepunkte lauteten:
01. Einsetzung von Kirchen- und Schulbedienten ohne Ratsbeteiligung.
02. Wenn der Gartower Rat seine 7 Gerichtstage im Jahr abhielt, sind die ihm zustehenden
Gebühren vorenthalten worden.
03. Bereits bei minimalen Vergehen wurde die Bürgerschaft mit Gefängnishaft oder Viehpfändung
bestraft.
04. Widerrechtliche Anhebung der Biersteuern und des Grasgeldes und Versuch der v. Bülow,
die beiden Jahrmärkte in Gartow wieder abzuschaffen.
05. Ungewöhnliche Heranziehung zu Deicharbeiten. Einführung einer Gartensteuer.
06. Die Familie v. Bülow nutzte widerrechtlich Gemeindeeigentum der Gartower Bürgerschaft,
vereinnahmte ohne Erlaubnis den Eichenwald in den Hahnenbergen, legten Vorwerke an
und ließen Eichen fällen. Dazu kam noch die Ausrodung der Buchhorst und des Waldgebietes
„Bruderstieg“.
Wenig überzeugend sind da die Gegenbeschuldigungen seitens der v. Bülow. Sie vermeinten,
der Rat würde eine unrichtige Rechnungsführung betreiben, ebenso die Kirchengeschworenen.
Die Bürgerschaft sei ihren vielen Dienstverpflichtungen nur nachlässig gefolgt. Um diese Klagen
aufzuklären, hatte Herzog Ernst seine Abgesandten nach Gartow geschickt. Das war eine heikle
politische Angelegenheit, da sich die v. Bülow bisher stets unter Hinweis auf die Immunität des
Gartower Gebietes gegen äußere Einmischungen schützen konnten. Immunität deshalb, weil der
Johanniter Orden als geistliche Macht das Gartower Gebiet („Sonnenburger Lehen“) neutral halten
konnte, was auch noch nach Abzug des Ordens von den Landesfürsten zu Brandenburg und
Lüneburg-Celle respektiert worden ist.
Herzog Ernst brach damit die Immunität auf und nahm immer mehr Einfluß auf das Gartower Gebiet.
So sind 1598 Gorleben und Laasche erstmals mit Landesabgaben belastet worden und ab
1607 die übrigen Dörfer. Das muß für die von Bülow ein herber Schlag gewesen sein. Ausgelöst
durch eigenes Verschulden und den Mut des Organisten Ricke sowie der Gartower Bürgerschaft,
mußten die v. Bülow schließlich 1595 einem Vergleich zustimmen. Als Georg Wilhelm Schenk v.
Winterstädt 1672 als Oberhauptmann für die Dannenbergischen Ämter (wozu jedoch der Gartower
Distrikt nicht zählte) eingesetzt wurde, beschnitt er zugunsten der Landesherrschaft gewisse
Vorrechte des Adels. Inwieweit er aber die v. Bülow darin einbeziehen konnte, ist z. Zt. nicht bekannt.
30/31
Was die Herren von Bülow wohl bewogen haben mag, sich gegenüber den Untertanen und besonders
denen aus Gartow so herrisch zu verhalten, ist nicht bekannt Die anschließend zu lesenden
Verhaltensweisen waren geradezu geeignet, Widerstand zu provozieren, was dann ja auch mit der
Zwangsbewirtschaftung ihrer Güter ab 1687 eintrat.
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Vergleich mit der Gartower Bürgerschaft
Die Landesherrschaft setzte daraufhin eine Untersuchungskommission ein.
Ihr gehörten an:
Fürstl. Statthalter Hans Hartmann v. Erffa, Hauptmann Fritz v. d. Berge aus Bleckede, Caspar Nilzemann
und der Meister des Johanniter Ordens Martin Graf v. Hohnstein.
Nach Anhörung und zur Beilegung der Streitigkeiten kam es am 17.10.1595 zur Aufstellung eines
Rezesses „in Güte“. Dieser hatte zum Inhalt:
01. Die Herren v. Bülow als Patrone der Gartower Kirche sollten für den Kirchen- und Schuldienst
„qualificirte Personen“ auswählen. Sollten sich diese Personen „in Lehre oder
Leben“ungeeignet zeigen, waren sie auf Erfordernis der Gartower Bürgerschaft wieder
abzulösen.
02. Die Herren v. Bülow gestatteten Bürgermeister und Rat von Gartow wie bisher die Abhaltung
von jährlich sieben Gerichtstagen. Jedoch durften die v. Bülow „wie von altersher geschehen“
den Gerichtstagen beiwohnen, damit die Bestimmungen der Rechtsprechung geachtet
wurden.
03. Verpflichteten sich die v. Bülow, die Gartower Bürgerschaft mit ungebührlichen Strafen nicht
zu belasten und sich mit ihr gütlich zu einigen.
04. Wurde der Gartower Bürgerschaft gestattet, weiterhin die beiden Jahrmärkte unter der Bedingung
abzuhalten, daß sorgsam mit Feuer und Licht umgegangen wird.
05. Von jeder Tonne gebrauten Bieres mußten die Gartower Brauer eine Biersteuer in Höhe von
16 Schilling Lübisch zahlen, wovon die Herren v. Bülow 12 Schillinge einzogen. Die restlichen
4 Schillinge durfte die Bürgerschaft „zu des Städtchens gemeinen Nutz gebrauchen.“
06. Die „verkauften und bebaueten“ Hausstellen in Gartow durften ihren Status behalten und
die Herren v. Bülow verpflichteten sich, vor dem Verkauf von Hausstellen zuvor die Erlaubnis
des Gartower Rates einzuholen.
07. Bei der Ergreifung und Verwahrung von Straftätern mußte die Gartower Bürgerschaft Mithilfe
leisten. Im Gegenzug stellen die v. Bülow nach altem Herkommen „eine Kanne Bier und
Stücke Brods auch nothdürftig Feuer und Licht“ für die Wachmannschaft zur Verfügung.
08. Durfte das von den Herren v. Bülow erhobene „Graßgeld“ nicht noch weiter erhöht werden.
09. Es verpflichteten sich die v. Bülow, die Gartower Bürgerschaft nicht länger als notwendig
(4 Tage jährlich) zu Instandsetzungsarbeiten an Deichen und Dämmen einzusetzen. Das
galt insbesondere für „den Mühlen- und Restorfer Diek und Damm wie von alters her geschehen.“
10. Durften die von der Gartower Bürgerschaft erweiterten Kohl- und Hopfengärten nicht weiter
vergrößert werden.
11. Da der Buchhorstwald durch Abholzungen bereits sehr gelitten hatte, durfte die Gartower
Bürgerschaft im Hahnenberger Holz nur noch Holz für den Brückenbau und die Errichtung
öffentlicher Gebäude „wie von alters her geschehen“ entnehmen. Das Viehweiden in beiden
Wäldern blieb jedoch gestattet.
12. Das vorhandene v. Bülow‘sche Vorwerk bei Gartow durfte weiterhin betrieben werden,
da es inzwischen zum Gewohnheitsrecht geworden ist.
13. Christoff v. Bülow hatte zum Nachteil der Gartower Gemeindeweide ein Weidegrundstück so
sehr vergrößert, daß die Gartower Viehtrift versperrt wurde. Die bisherigen Viehpfändungen
durch die v. Bülow mußten künftig unterbleiben.
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14. Die Herren v. Bülow verpflichteten sich, ihre Weddeweide „da sie schon 30 Jahre vorher
zum Hauß Gartow gewonnen“ wurde, nicht mehr zum Nachteil der Gartower Bürgerschaft
zu erweitern. Dagegen durften die Gartower nicht mehr ihr Vieh widerrechtlich auf die
Weddeweide bringen. Bei Verstößen durften die v. Bülow einen halben Schilling Pfandgeld
erheben.
15. Es wurde vereinbart, die „sehr verhauenen“ (abgeholzten) Waldungen Zirach, Helke und
Bruderstieg „mit Heistern vermöge der Fürstl. Lüneburgschen Holtz-Ordnung“ wieder aufzuforsten.
16. Die Gartower Bürgerschaft willigte ein, alle Häuslinge in Gartow, die kein Bürgerrecht erworben
hatten, aus dem Ort zu entfernen und künftig keine neuen mehr aufzunehmen. Nur mit
Genehmigung der Herren v. Bülow durften ausnahmsweise Häuslinge in Gartow seßhaft
werden, wenn sie zuvor für den Erwerb des Bürgerrechts 4 Gulden lübisch entrichtet hatten.
Das Geld wurde zur Hälfte an den Gartower Rat überlassen.
Schließlich gelobten die Herren v. Bülow „das sie die Bürger und Einwohner zu Gartow mit keinen
Diensten oder Bürden wollen belegen mehr als sie allezeit und von altersher gethan“. Die Gartower
Bürgerschaft dagegen versprach ihren „Erb-Junckherrn“ treu und gehorsam zu sein und alle
Dienste zu leisten, wie bisher. Dieser Rezeß von 1595 wurde von Cord, Hans und Christopher v.
Bülow unterschrieben und gesiegelt.
Zwanzig Jahre später, im Januar 1615, beschwerte sich die Witwe des Christoff v. Bülow, Ilsabe
v. d. Schulenburg, über die Gartower Bürgerschaft, weil diese schweren Schaden an den Hölzungen
„Bruderstieg“ und „Heitritt“ angerichtet hatten. Um den Schaden zu kompensieren, ließ die
Witwe von den Verursachern 8 Rinder pfänden. Es kam zu einem Streit, so daß zur Untersuchung
der Angelegenheit Wilhelm v. Hodenberg (Hauptmann zu Medingen und Oldenstadt) und Conrad
Haussmann (Zöllner zu Hitzacker) betraut werden mußten.
Nach Zeugenaussagen Laascher Bauern befanden sich in beiden Hölzungen vormals größere Eichenbestände,
die jedoch von Gartower Bürgern bzw. deren Vieh stark geschädigt waren. Schließlich
erkannten die Gartower ihr Fehlverhalten an und gelobten in einem Abschied vom 28.3.1615
Besserung. Im gleichen Jahr entstanden zwischen den Herren v. Bülow und Gartower Bürgerschaft
Streitigkeiten. Es ging um die ungenehmigte Anlegung von Häuslingsstellen, wo sich „vor dem
Thore“ der Schmied, Barbier und Schneider etabliert hatten. Diese waren ohne Bürgerrechte. Sie
mußten jährlich an die Herren v. Bülow eine Wohnmiete zahlen und einmalig eine Tonne Bier als
Einstand reichen.
Da die Ansiedlung angeblich ohne Wissen des Gartower Rates erfolgte, klagte die Gartower Bürgerschaft
gegen die v. Bülow. Die strittigen Häuslingsstellen befanden sich jedoch auf Grund und
Boden derer v. Bülow und es war kein Rechtsmißbrauch nachzuweisen. Allerdings kamen massive
Klagen auf von Seiten der v. Bülow: angeblich nahm der Gartower Rat Zollgelder von Jahrmärkten
ein, die den v. Bülow zustanden, mißbrauchten das adelige v. Bülowsche Siegel zur Ausstellung
von Geburtsbriefen, ließen Zeugen ohne Beeidigung aussagen und uneheliche und wendisch Geborene
wurden fälschlicherweise „für deutsch echt und recht“ anerkannt, nur um 2 Thaler Gebühren
kassieren zu können, die sie angeblich hinterher „versauffen“.
Ferner wurde moniert, daß der Gartower Rat ein Drittel der Erbschaftsgebühren unrechtmäßig
kassiere und das sich die Gartower weigerten, für den Unterhalt des Gartower Pastors und die
Reparaturen der Schule aufzukommen. Vielmehr haben die Gartower stellvertretend für sie die
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Bauern bedrängt, diesen Verpflichtungen nachzukommen.Es mutet seltsam an, daß früher von
der Gartower Bürgerschaft ein „Garten- und Wiesen-Zinß“ gefordert wurde, welches das Haus
Gartow vereinnahmte. Die Nutzung von Wiesen und Gärten war also steuerpflichtig. Schon 1670
wurde diese Steuer erhoben. Henrich Ahnsorge zahlte 1697 für eine Wiese mit einem Ertrag von
drei Fuder Heu jährlich 9 ggr. Wiesenzins und Conrad Giegeler für seinen Kohlgarten 6 ggr. Landpacht.
Aber auch der Gartower Rat vereinnahmte Gartenpachtgeld. Solches wurde von Gärten
am Spring erhoben, die auf Worthen gelegen haben, also weitgehend hochwasserfrei lagen. Am
Spring befanden sich mehrere Gärten innerhalb von Ackerländereien. Weitere Bürgergärten waren
in den Hahnenbergen und im Elsebusch vorhanden. 32/33
Zwangsbewirtschaftung und Übergang auf die Grafen von Bernstorff
Nicht unmittelbar aber mittelbar sind die Gartower Bürger von einer Zwangsmaßnahme des damaligen
Landesherrn berührt worden. Das von Bülowsche Gut Gartow wurde von 1687 bis 1694
unter Sequestration gestellt.
Die Maßnahmen der Zwangsbewirtschaftung („Sequestration“) eines adeligen Gutes wie Gartow
war zu damaliger Zeit ein sehr seltener Vorgang. Nicht nur offensichtliche Mißwirtschaft der v. Bülows
war der Grund des Eingreifens durch den Landesherrn, sondern das fehlende Wohlverhalten
der v. Bülowschen Familie gegenüber dem Fürstentum Lüneburg und deren Herrscher. Bereits im
15. Jahrhundert verstanden es die v. Bülows, die ehemalige politische Immunität des Johanniter
Ordens, dessen Gebiet sie ja erworben hatten, geschickt auszunutzen. Weder die brandenburgischen
Herrscher, noch die des Fürstentums Lüneburg konnten eine völlige Kontrolle im Gartower
Gebiet ausüben. Spürten die v. Bülows Druck von einer der beiden Seiten, begaben sie sich in den
Schutz der jeweiligen Gegenseite. Beide Herrscherhäuser vermieden allzu strenge Maßnahmen,
um nicht diplomatische oder kriegerische Verwicklungen zu provozieren. Dabei ist erkennbar, daß
die v. Bülows mehr nach Brandenburg tendierten. Sie gebärdeten sich mitunter wie kleine Provinzfürsten
und nahmen eigenmächtige Handlungen vor, die nicht immer im Einklang mit den
Rechtsvorschriften standen.
Einen Grund zum Eingreifen sah die Landesherrschaft nach 1650 ebenfalls, als sich der Zustand
der Elbedeiche wegen fehlender Unterhaltung und auftretender hoher Hochwässer, zum Teil mit
Deichbrüchen, dramatisch verschlechtert hatte. Um die „Landeswohlfahrt“ nicht zu gefährden,
waren die Deiche instand zu setzen. Das jedoch ging über die Leistungsfähigkeit der v. Bülows, die
ohnehin stark verschuldet waren. Hier war nun eine Gelegenheit gegeben, landesherrlich wirksam
zu werden.
Zudem hatten die v. Bülows nicht nachdrücklich genug die Gebietsansprüche des brandenburgischen
Amtes Lenzen verteidigt, daß einen Elbwerder nahe des linken Elbeufers okkupieren wollte.
Deshalb wurde dann auch der Dannenbergische Oberhauptmann Georg Wilhelm Schenck v. Winterstedt
damit beauftragt. Er ist 1685 als Kommissar des Celler Herzogs mit Grenzregulierungsfragen
im Gartower Raum befaßt gewesen.
Im Jahre 1687 verfaßte er eine Zustandsbeschreibung des Sonnenburgischen Lehens, d.h. des
Besitzes der Herren v. Bülow. Eine beigefügte Wertberechnung ergab für den Lüneburgischen Distrikt
einen Güterwert von 57440 Rtlr. und die brandenburgischen Anteile von Kapern, Holtorf und
Gummern 15140 Rtlr., zusammen 72580 Rtlr.
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Am 6.3.1687 wurde Amtmann Henrich Barthold Grävemeyer aus Schnackenburg auf herzoglichem
Befehl als Zwangsverwalter auf dem v. Bülowschen Gut Gartow eingesetzt. Um einen Überblick
vom Umfang des Besitzes und der zugehörigen Berechtigungen zu erhalten, mußte eine
Inventur vorgenommen werden. Dazu holte er sich den kaiserl. Notar Günter Otto Banse aus Celle,
der in seiner Gegenwart sowie in der des Gartower Bürgermeisters Anton Grote und des Bürgers
Jürgen Wiese, den Viehbestand, Getreidevorrat, Baulichkeiten, Natural- und Geldhebungen sowie
wichtige Papiere auflistete. Curd v. Bülow bewohnte das alte Schloß und hatte noch folgende Güter:
Quarnstedt (Haus, Scheune, Schafstall), Rucksmoor (Haus, Meierei, Viehstall), Schäferei vor
Gartow (Haus, Schafstall).
Die Besichtigung des Schlossgebäudes ergab erhebliche bauliche Mängel: „Das Hauß Gartow an
sich, dem Gebäude nach, ist biß auf einen kleinen Raum in der Runde gebauet, das Dach ist an
Junker Cord von Bülow Seiten ganz schadschaft, auf den anderen beyden Seiten aber noch gut
von Ziegelsteinen und im Stand und ist das Mauerwerck an etlichen Ohrten ganz zerborsten, daß
es fast außbrechen will, etlichen Ohrten ist es schon heruntergefallen und sind die Fenster Theils
ganz eingeknittert und etlicher Orten ganz offen…“ 34
Amtmann Grävemeyer erhielt für seine Aufsichtsführung eine Barentschädigung von 57 Rtlr. jährlich
sowie als Naturalien vier Fuder Heu und vier Schock Stroh aus dem Aufkommen des Gartower
Gutsbetriebes. Zur ständigen Mahnung ihrer Vergehen mußten die Erben der von Bülows jeden
Tag die im Schloß einlogierte Wachmannschaft dulden. 35
Zu jener Zeit (1688/89) war das von Bülowsche Brauhaus ohne Aktivität, weil die erforderlichen
Gerätschaften gestohlen waren. Daher fehlte die Einnahme von der Bierbrauerei. Auch bestand
noch die Dreiteilung des Besitzes bis 1694 fort.
Damals verfügte das Haus Gartow noch über 640 Ackerflächen an 37 verschiedenen Örtlichkeiten
sowie 25 Wiesenkomplexe mit einer Gesamterntemenge von 241 Fudern. Im Jahre 1677 wurde
der Gesamtwert des Gutes Gartow auf 37000 Rtlr. geschätzt.
Die Burg war in schlechtem baulichen Zustand, am Wohnteil der Victor Friedrich von Bülow wurde
die Jahreszahl 1484 gefunden. Das Bauwerk ist demnach 200 Jahre alt gewesen. Die Verbindungsbrücken
auf dem Burggelände und die Seegebrücke mußten dringend instand gesetzt werden.
Auch der Schloßgraben erfüllte seine Funktion nicht mehr, er war fast zugewachsen. Die Liste
der Mängel war lang. 36
Die Gebrüder Cord, Joachim Christoffer, Friedrich Busso und Ernst v. Bülow haben am 23.4.1689
an den Herzog Georg Wilhelm geschrieben, ihn um Verzeihung der begangenen „Fehler“ und
Rückgabe des zwangsbewirtschafteten Hauses Gartow gebeten. Der Herzog hatte ein Einsehen.
Laut Verfügung vom 7.3.1690 erhielt die Familie v. Bülow „das Hauß und Flecken Gartow sambt
denen dazugehörigen, wie auch ihren übrigen Dörffern und Güthern“ wieder zurück. 37
Am 31.3.1693 starb Ernst v. Bülow, nachdem er von einer Reise nach Celle „…spät Nachmittages
gegen die Glocke fünfe nach allem Ansehen frisch und gesund wieder heimgekommen, nach genoßener
Abendmahlzeit über die Brust etwas geklaget, nicht lange hernach plötzlich gestorben“
ist. Daraufhin nahm der Vormund, Thomas v. Jagow auf Scharpenhufe/Altmark, das Haus Gartow
symbolisch in seine Verwaltung. 38
77
Die Rückübertragung der Gartower Güter war wohl mehr symbolischer Art, denn die Erben der von
Bülows haben zu viele Schulden gehabt, um die Gutswirtschaft wieder voranzubringen.
Die Gunst der Stunde nutzte Premierminister Andreas Gottlieb von Bernstorff aus Celle, der die
Gartower Verhältnisse bereits bestens kannte; weil er bei den Verhandlungen wegen der Gebietsansprüche
Brandenburgs auf Gartow eine führende Position einnahm und das Kurfürstentum
Hannover vertrat. Zudem stand er in einem Alter, wo er sich von der Landespolitik in das Privatleben
zurückziehen konnte.
Der Kaufvertrag zwischen den verkaufenden
Vettern Curd v. Bülow und Jobst v. Bülow und
dem Geheimrat Andreas Gottlieb v. Bernstorff
betr. das Adelige Haus Gartow und dessen Güter
vom 18.4.1694 beginnt mit folgenden Sätzen:
„Zu wißen sey hiermit, daß heute unter gesetzten
Dato zwischen deren Wohlgebohrnen Herren
Curd und Herren Jobst Gevettern von Bülow
alß Verkäuffern an einem und dem Wohlgebornen
Herrn Andreas Gottlieb von Bernstorff,
Fürstlichen Braunschw. Lüneburg. Geheimbten
Rath alß Käuffern am anderen Theil ein aufrichtiger
unwiderruflicher Erbkauff über das
Adeliche Hauß und Guth Gartow und deßen Zubehörungen,
Wollbedächtlich abgehandelt und
geschloßen, wie folget:
Es verkaufft Herr Curd von Bülow sein habendes
ein Drittel und Herr Jobst von Bülow seine
habende zwey Drittel und also beyde miteinander,
vor sich, ihre Erben und Nachkommen
beständig unwiderruflich und zu einem ewigen
wahren Erbkauff an dem Herrn Geheimbten
Rath Andreas Gottlieb von Bernstorff, seinen
Erben und Nachkommen daß gantze Hauß und
Guth Gartow und deßen Jura und Pertinentien,
nichts überall außgenommen, so wohl Lüneburgschen
als Bißherigen Sonnenburgischen
Lehens und zwar …“ (Es folgt die Aufzählung
des Gartower Besitzes).
Curd v. Bülow erhielt als Kaufpreis für sein Drittel
Anteil am Haus und Gut Gartow (einschließlich
den freien Hof in Gummern) 16000 Reichsthaler,
Jobst v. Bülow 34000 Rtlr.
Wappen v. Bernstorff
Der Landesherr, Herzog Georg Wilhelm in Celle, genehmigte den Verkauf des Gutes Gartow an A.G.
v. Bernstorff am 4.9.1694. Dies tat er umso lieber, als er den Verkauf von Gartow mit folgenden
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Worten begründete: „...da die von Bülow wegen der unter ihnen gewesenen Communion und sich
gefundenen hohen Schulden weder die Güter, deren Zubehörungen und Gebäude in gebührenden
Stand erhalten (haben), vielweniger waß davon ruiniert (war) zu repariren, die vielen wüsten (Hof)
Stellen wieder in Stand zu bringen oder die versetzten Pertinentien (Zubehörungen des Gutes)
vielweniger waß davon ruiniert (war) zu repariren, die vielen wüsten (Hof) Stellen wieder in Stand
zu bringen oder die versetzten Pertinentien (Zubehörungen des Gutes) einzulösen, noch die kostbaren
der gantzen Nachbarschaft gefehrlichen Deiche und Dämme zu beßern und zu erhalten…“
Die Amtmänner in Lüchow, Dannenberg und Schnackenburg wurden angewiesen, dem neuen Besitzer
A.G. v. Bernstorff Schutz und Hilfe bei der Konsolidierung des Gutes Gartow zu gewähren.
Der Landesherr behielt sich bei dieser Gelegenheit vor, die Abmachungen zwischen ihm und den
Herrn v. Bülow lt. Lehnsbrief von 1690 betreffend die Jagd in der Feldmark Krautze und in den
Trebelschen Tannen zu einem späteren Zeitpunkt abzuändern. 39
Die offizielle Übergabe des Gutes Gartow an den Geheimrat A.G. v. Bernstorff am 28.6.1694 fand
in seiner Abwesenheit statt. Er ließ sich vom Landrat und Hofgerichts-Assessor Georg Gebhard v.
Dannenberg vertreten. Die notwendigen Formalitäten wickelte der Notar Georg Degencolbe ab.
Um 10 Uhr fanden sich im Schloß Gartow zur Übergabe folgende Personen ein: als Familienoberhaupt
Curd v. Bülow mit seinen Söhnen Cord Ludwig und Adam Johann, Dr. Münter, Lizentat Gosky
aus Salzwedel, als Vertreter Gartows der Bürgermeister Simon Joachim Walters und die beiden
Bürgerschaftsabgeordneten Nicolaus Möller und Hans Rathgen und die jeweiligen Dorfschulzen
der dem Haus Gartow pflichtigen Ortschaften. Einige Monate später folgte die sogen. Huldigung
der Untertanen, die A.G. Bernstorff am 6.11.1694 in Gartow festsetzte.
Die meisten der Untertanen leisteten diesen Eid zum ersten Mal, aber es gab noch einige alte
Personen, die den v. Bülows in früherer Zeit gehuldigt hatten.
Dem Notar Johann Georg Degencolbe aus Lüchow wurde die Organisation dieses Verwaltungsaktes
übertragen. Premierminister Bernstorff fand sich in Begleitung des Dr. Heinrich Münter im
Schloß Gartow im Eßsaal ein, wo bereits der Landhauptmann und Ingenieur Elers Strauß, der
neue Gutsverwalter Jacob Kruse sowie die Pastoren Christian v.d. Heyde (Gartow), Martin Redlich
(Holtorf) und Georg Heinrich Grimms (Prezelle) auf ihn warteten.
Zuerst wurde die Einwohnerschaft von Gartow vorgeladen. Pastor Grimms las den Huldigungseid
vor und 36 Bürger leisteten den Eid mit erhobenen Fingern und ausgestreckten Armen ab. Der
mitanwesende Gartower Pastor, Magister Lehmann, ermahnte die Eidesleistenden „daß sie dem
Allen, was sie jetzt angelobet und geschworen, treulich nachkommen und sich gegen Sr. Excellence
Hr. Geheimrath Bernstorff als ihrer von Gott verliehenen Obrigkeit gehorsamlichst bezeigen
möchten.“
Geheimrat Bernstorff dagegen versprach, seine neuen Untertanen „väterlich“ zu versorgen und zu
schützen sowie nicht in ihre althergebrachten Rechte einzugreifen. Danach folgte die Eidesableistung
der Dorfbewohner. Der Huldigungseid lautete:
„Ihr sollet geloben und schwören einen Eid zu Gott und auf sein heiliges Wort, daß dem Herrn
Geheimbten Rath Andreas Gottlieb Bernstorff, und wenn er nach dem Willen Gottes nicht mehr
in diesem Leben sein wird, alsdann seinem ältesten Sohne und deßen Nachkommen oder auf
seinen und ihren Abgang … allemahl nach dem Rechte der Erstgeburt als Euren Erbherrn und
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Obrigkeit wollet getreu und gehorsam sein, nach seinen und denen, die Er euch vorsetzen wirdt,
Gebot und Verbot Euch richten und halten, die schuldigen Abgaben, Gefälle (Steuern) und Dienste
treulich und gebührend entrichten und ableisten, seinen des H. Geh. Raths, seiner Nachkommen
und Güter, Nutzen und Besten soviel an Euch ist, befördern, Schaden und Nachtheil aber warnen,
abwenden und hindern…“ 40
Damit endete für Gartow die lange Ära der Familie von Bülow und die Grafen von Bernstorff traten
an. Der Premierminister Andreas Gottlieb von Bernstorff entwickelte eine vielfältige Tätigkeit um
einen florierenden Gutsbetrieb aufzubauen. Die finanziellen Mittel dazu hatte er offensichtlich.
Nachlässigkeiten und der Schlendrian, der zuletzt bei den von Bülows obwaltete, wurden ersetzt
durch Wiederherstellung alter Rechte, dem Hinzukommen neuer Rechte und straffer Führung.
Frühere Besitzzugehörigkeit der Gemarkungen im Gerichtsbezirk Gartow,
1989 gezeichnet von Otto Puffahrt
80
Quellen und Literatur
1. Johann Siebmachers Wappen-Buch. Faksimile-Nachdruck von 1701/05, München 1975, 1.
Teil S. 174, 3. Teil S. 139
2. Koch: „Das Hannoversche Wendland oder Der Gau Drawehn“, Dannenberg 1899, S. 30 - 32
3. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“ Nachdruck
Lüchow 1988, S. 42
4. Urkunde Nr. 344
5. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg
und ihrer Lande“, 1. Teil bis zum Jahre 1341, Hannover 1859, Urkunden Nr. 343, 344,
441, 531, 532, 568, 581
6. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg
und ihrer Lande“, 2. Teil vom Jahre 1342 bis zum Jahre 1356, Hannover 1860, Urkunden
Nr. 4, 79
7. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg
und ihrer Lande“, 3. Teil vom Jahre 1357 bis zum Jahre 1369, Hannover 1862, Urkunden
Nr. 111, 402, 429
8. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg
und ihrer Lande“, 7. Teil vom Jahre 1390 bis zum Jahre 1394, Hannover 1872, Urkunden
Nr. 135, 197.12
9. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg
und ihrer Lande“, 8. Teil vom Jahre 1395 bis zum 31. März 1399, Hannover 1876,
Urkunden Nr. 157, 157.4
10. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg
und ihrer Lande“, 9. Teil vom 3. April 1399 bis zum 15. März 1405, Hannover 1877,
Urkunden Nr. 225, 246
11. Urkunde Nr. 24 vom 8.9.1339
12. Urkunde Nr. 31 vom 22.2.1344
13. Urkunde Nr. 123 vom 19.10.1426 Brosius, Dieter: „Wendländische Regesten 1298 - 1528.
Ungedruckte Urkunden zur Geschichte des Landkreises Lüchow-Dannenberg im Späten
Mittelalter“,Lüchow 1988
14. Felcke: „Chronik der Stadt Arendsee“, Gardelegen 1891/92
15. /
16. F.Th.: „Aus alten Chroniken und Urkunden“ in: Gartower Heimatbote von Januar 1929 Riedel,
A.F.: „Codex diplo maticus Brandenburgensis, Sammlung der Urkunden, Chroniken und
sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten“,
Reihe A, Bd. 15, Berlin 1858, S. 101, Bd. 25, Berlin 1863, S. 199, S. 203 - 204, S.
239 - 241, S. 467
17. Haberland, Rudolf a.a.O., S. 51, 61
18. „50 Jahre meines Lebens. Viele Erinnerungen und einige Gedanken. Für Kinder und Enkel
aufgeschrieben von Hasso von Blanckenburg“ (ehem. Herr auf Gut Rottnow/Pommern)
ohne Ort, ohne Jahr (1970), S. 145 - 146
19. Meisner, Otto: „von Bülow“ in: Neue Deutsche Biographie, 2. Bd., Berlin 1955, S. 727 - 729
20. Brosius, Dieter: „Wendländische Regesten 1298 - 1528“ Lüchow 1988, Urkunde 380
21. Roth, Fritz: Auswertungen von Leichenpredigten, 3. Bd., Boppard 1962/64, R 2729
22. Roth, Fritz: „Auswertungen von Leichenpredigten“, 1. Bd., Boppard 1959, R 811
23. /
24. Schröder, Christian: „Aus der Geschichte von Kl. Schwechten“, Isernhagen 1994, S. 29, 33,
40; Roth, Fritz: „Auswertungen von Leichenpredigten“, 1. Bd., Boppard 1959, R 299
81
25. vgl. auch: Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Uradeligen Häuser. 12. Jg., Gotha
1911, S. 139 - 224
26. GR (Geldregister v. Bernstorffsches Archiv Gartow) 1688/89, S. 56
27. GR 1688/89, S. 27
28. GR 1688/89, S. 137
29. Heimatbote Gartow, Februar 1930
30. /
31. B1 Nr. 6 „Alte Urkunden von 1594 bis 1609“ Nippert, Klaus: „Konkurrenz als Chance. Zur
Auseinandersetzung zwischen der Gartower Gemeinde und den von Bülow gegen Ende des
16. Jahrhunderts“ in: 15. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg,
Lüchow 2001, S. 57 - 76
32. /
33. D 28 Nr. 1 „Rezesse mit der Gartower Bürgerschaft“, D 28 Nr. 2 „Von der Gartowischen
Bürger Garten- und Wiesen-Zinß 1697 - 1726“, Nippert, Klaus: „Konkurrenz als Chance. Zur
Auseinandersetzung zwischen der Gartower Gemeinde und denen von Bülow gegen Ende
des 16. Jahrhunderts in: Hannoversches Wendland, 15 Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises
Lüchow-Dannenberg 1994 - 1997, Lüchow 2001, S. 57 - 76
34. Urkunde A 8 II
35. GR 1688/89, S. 174, 179
36. Puffahrt, Otto: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff in und
um Gartow“, Gartow 1994, S. 42 - 43
37. B6 Nr.11 „Restitution derer von Bülow 1690“
38. B 7 Nr. 12 „Urkunden von 1690 - 1694“
39. Urkunde A 8 I, Haberland, Rudolf a.a.O., S. 122 - 123
40. D8 Nr. 5 „Beeidigung der Gartowischen Untertanen“ 1688 - 1726
82
Grafen von Bernstorff – Haus Gartow
Das Geschlecht von Bernstorff stammt, ebenso wie die
v. Bülows, aus dem Mecklenburgischen . Es lag unweit
der Stammheimat der v. Bülow. Der Ursprung der Familie
v. Bernstorff liegt im Ort Bernstorf bei Rehna und wird
1237erstmals urkundlich erwähnt. Obwohl zu jener Zeit
kein Ritter von Bernstorf erscheint, so lässt sich aus anderen
Schlussfolgerungen ableiten, dass die Bernstorffs
bereits damals in Bernstorf ansässig waren. Aber erst
1411 wird mit Johann Bernstorf der erste dieser Familie
namentlich genannt. Es wird vermutet, dass die
Bernstorffs bereits im Zuge der Einwanderung niedersächsischer
Ritter unter Heinrich dem Löwen in der 2.
Hälfte des 12. Jahrhunderts nach Mecklenburg gekommen
sind. Woher die Bernstorffs vor ihrer Ansiedlung in
Mecklenburg gekommen sind, ob aus Holstein, Bayern,
Österreich oder der Grafschaft Diepholz, lässt sich nicht
nachweisen.
Schloss Gartow
Die Geschlechterfolge nach 1411 wird hier übersprungen, um zum Stammvater der Gartower Linie,
dem späteren hannoverschen Premierminister Andreas Gottlieb v. Bernstorff dem Älteren
(1649 - 1726), zu gelangen. Zu seiner Person ist bereits viel veröffentlicht worden, daher sollen
hier nur seine wichtigsten Lebensstationen genannt werden:Zusammen mit seinem Bruder
Christian Rudolf besuchte er um 1663/64 das Gymnasium Göttingen, danach drei Jahre lang die
Universität Helmstedt, wo er Rechtswissenschaften studierte und anschließend im Reichskammergericht
Speyer eine Stelle einnahm. Ab 1669 trat er die damals obligatorische Bildungsreise
mit seinem Vetter Andreas an, die Beide nach Frankreich, Italien, Österreich, Prag und nach
Deutschland zurück führte.
Ab 1670 stand er im Dienst der Herzogin von Mecklenburg-Schwerin, da er aber zu sehr für die
Rechte der mecklenburger Ritterschaft eintrat, erregte er das Missfallen des HerzogsChristian l
(1623 - 1692). Obwohl er am dortigen Hofe einen gewissen Einfluss aufgebaut hatte, musste
er in Schwerin seinen Dienst quittieren. Ab 1672 nahm ihn der cellische Herzog Georg-Wilhelm
(1624 - 1705) an, wo er als Volontär seine spätere Karriere begann. Als seine Mutter 1673 starb
(der Vater war bereits 1655 verstorben), verlor er sein Elternhaus in Ratzeburg. In Celle verbrachte
er schließlich 33 Jahre und kam schnell zu Ruhm und Ehre. Durch diplomatisches Geschick, begünstigt
von Glücksumständen, stieg Andreas Gottlieb schließlich bis zum Premierminister auf. Im
November 1675 heiratete er Johanette Lucie v. Sinold gen. v. Schütz, die insgesamt neun Kindern
das Leben schenkte. Alle Söhne starben, meistens als kleine Kinder, noch vor ihrem Vater.
Als Herzog Georg Wilhelm 1705 verstarb, fiel das Herzogtum Lüneburg mit seiner Residenz Celle
an Hannover. A.G. Bernstorff zog nach Hannover um und wirkte unter dem Kurfürsten Georg
Ludwig ab 1709 als erster Minister. Auch in dieser Zeit bewies er sein Verhandlungsgeschick und
löste schwierige staatspolitische Aufgaben. Seine Bemühungen wurden mit der Erhebung in den
Freiherrenstand am 8. Oktober 1715 durch Kaiser Karl VI belohnt. Als der Landesherr Georg I auch
noch König von Großbritannien wurde, musste v. Bernstorff nach London übersiedeln. Dort verließ
ihn sein Glück. Die Einflussnahme des britischen Außenministers Stanhope schädigte
83
v. Bernstorffs Machtstellung so nachhaltig,
dass v. Bernstorff im Jahre 1720 aus der Politik
ausschied und sich für den Rest seines Lebens
nach Gartow begab. Am 6. Juli 1726 starb er im
Alter von 77 Jahren. Da er jedoch keine männlichen
Nachkommen hatte, erbte Joachim Engelke
v. Bernstorff, den Gartower Besitz. Er war
in hannoversche Dienste gekommen und arbeitete
sich vom Hofjunker zum Kriegsrat hoch.
1727 schied er aus dem Dienst und kümmerte
sich um seine ausgedehnten Besitzungen, bis
auch er am 4. Februar 1737 starb.
Erbe von Gartow und den anderen Besitzungen
wurde sein Sohn, Andreas Gottlieb der Jüngere
(1708 - 1768). Er wurde zusammen mit seinem
Bruder Johann Hartwig Ernst von dem Gelehrten
Johann Georg Keyßler unterrichtet. A.G. der
Jüngere studierte an der Universität Tübingen,
danach unternahm er mit seinem Bruder und
Keyßler eine lange Bildungsreise durch mehrere
Länder Europas. 1731 kehrten sie nach Gartow
zurück. Andreas Gottlieb kümmerte sich
um die Besitzungen Gartow und Dreilützow
und sein Bruder um die Güter Wedendorf und
Wotersen.
Andreas Gottlieb Freiherr von Bernstorff
(1649 - 1726)
Am 7. April 1733 verheiratete sich Andreas Gottlieb d.J. mit Dorothea Wilhelmine v. Weitersheim
in Straßburg, beide zogen nach Gartow. Er kümmerte sich von dort aus auch noch um die Güter
seines Bruders, der in Dänemark Karriere gemacht hatte. In Gartow entfaltete er eine rege Betriebsamkeit
und war seinen Untertanen gegenüber durchaus sozial zu eingestellt. Wegen der
Inspektion auswärtiger Güter und vieler Verhandlungen war er oft nicht Gartow. Am 20. Juni 1763
starb seine Frau im Alter von 64 Jahren, am 20. August 1768 starb auch er in Gartow.
Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Die beiden Töchter verstarben jung.
Der älteste Sohn Joachim Bechtold v. Bernstorff (1734 - 1807) übernahm neben anderen auch
den Gartower Besitz. Er hatte zusammen mit seinem Bruder Andreas Peter die Universitäten Leipzig
und Göttingen besucht und erlangte 1754 den Doktorgrad in Jurisprudenz. Bald darauf wurde
er zum Hofrat (1755) und Kammerrat (1756) ernannt. In Hannover lernte er Louise v. Steinberg
kennen und heiratete sie am 25. Februar 1757. Sie starb bereits 1758 im Alter von 20 Jahren.
Sechs Jahre später heiratete er am 18. Mai 1764 in 2. Ehe Magdalene Hedwig v. Lowzow, Tochter
eines Generalmajors in dänischen Diensten, die ihm vier Kinder schenkte. Während er von einem
Verwandten das alte Familienstammgut Bernstorf mit Zubehörungen sowie das Gut Hanshagen
kaufte, veräußerte er 1797 die Güter Rüting und Schildberg. Am 13. April 1803 starb seine zweite
Frau, am 3. Dezember 1807 auch er.
Die Nachfolge trat Ernst von Bernstorff (1768 - 1840) an, er ging in preußische Dienste und wurde
Leutnant. Später wandte er sich dem preußischen Staatsdienst zu und ist 1795 unter Fried-
84
rich Wilhelm II Kammerherr und Legationsrat geworden. 1802 schied er aus dem diplomatischen
Dienst aus und begab sich auf das Gut Wedendorf. Ein Jahr zuvor, am 24. Juni 1801, heiratete
er Amerika (sie war 1780 in New York geboren) Riedesel Freiin zu Eisenbach, die ihm vier Kinder
gebar.
Als er 1807 die Besitzungen in Gartow erbte, lebte er zeitweise in Gartow und Wedendorf. Er war
ein schwieriger Charakter und soll 1818 insbesondere mit Bauern 120 Prozesse geführt haben.
Damals soll er den Mut verloren haben und war fast versucht, das Gut Gartow an den Grafen
Münster zu verkaufen. Ernst verstarb am 2. März 1840 im Alter von fast 72 Jahren in Gartow, seine
Frau Amerika folgte ihm erst am 17. Mai 1856 in den Tod und starb in Wedendorf.
Der älteste Sohn von Ernst, Bechtold von Bernstorff (1803 - 1890), wuchs in Gartow auf. Er heiratete
am 6. Dezember 1828 Thekla Freiin von Bibra, Tochter eines hessischen Rats und Landjägermeisters.
Nach dem Tod seines Vaters 1840 erwarb Bechtold die Güter Wehningen mit Jasebeck
(2000 Morgen) und Wahrstorf bei Grevesmühlen (1400 Morgen) hinzu. Damit ist er einer der
größten Grundbesitzer des Königreichs Hannover geworden, zudem Geheimrat und Landrat im
Herzogtum Lüneburg. Ausserdem wurde er 1876 als Kandidat der Hannoverschen Partei in den
deutschen Reichstag gewählt. 1878 feierten sie die Goldene Hochzeit. Thekla ist am 16. Februar
1884 gestorben. Bechtold folgte ihr im Alter von 87 Jahren am 25. Juni 1890. Beide sind in Gartow
auf dem Friedhof beerdigt worden. Von den 11 Kindern erbte Joachim von Bernstorff (1834
- 1901) das Gartower Besitztum. Als junger Mann diente er als Offizier bei den hannoverschen
Garde-Kürrassieren und brachte es dort bis zum Rittmeister im Generalstab. Am 8. August 1863
heiratete er in Cannstatt Adelheid Freiin v.d. Bussche-Ippenburg. Er zog zunächst auf das Stammgut
Bernstorf, danach auf das neuerworbene Gut Ventschow/Wahrstorf in Mecklenburg. Zudem
wirkte er als Klosterhauptmann des adeligen Klosters Dobbertin, wo er auch zeitweise wohnte.
1890, nach des Vaters Tod, übernahm Joachim im Alter von 56 Jahren auch das Gut Gartow als
Besitz. Am 22. Juli 1901 starb er in Gartow; seine Frau beendete ihr Leben nur wenige Monate
vorher, am 9. November 1900. Beide sind ebenfalls in Gartow begraben.
Erbe von Gartow wurde der älteste Sohn, der am 14. Mai 1864 geborene Günther von Bernstorff
(1864 - 1937). Nach dem Besuch des Gymnasiums in Lübeck studierte er Jura und wurde mecklenburgischer
Amtsverwalter. Als Soldat diente er beim mecklenburgischen Grenadier-Regiment
Nr. 89, wo er Oberleutnant der Reserve wurde.
Am 28. Juli 1896 heiratete er Eleonore v. Hohnhorst, Tochter eines Landrats bei Celle. Ab 1901
übernahm er von seinem verstorbenen Vater das Gut Gartow und zog in das Schloss ein. Seine
Ehe blieb jedoch kinderlos. Eleonore, seine Frau, verstarb am 27. Juli 1935, Günther folgte ihr am
10. April 1937. Auch sie sind in Gartow begraben.
1937 erbte Günthers Bruder Gottlieb von Bernstorff (1867 - 1956) das Gut Gartow. Zuvor jedoch
wohnte er lange auf dem Gut Quarnstedt, das er später pachtete. Am 16. Juni 1908 heiratete
Gottlieb die um 20 Jahre jüngere Mathilde Freiin v. Dincklage, Tochter eines Reichsgerichtsrats.
Er musste die schwere Zeit der letzten Kriegstage 1945 und die ebenfalls nicht leichte Nachkriegszeit
durchstehen. Das Pforthaus auf dem Schlosshof und die große Scheune auf dem Gut
Quarnstedt brannten infolge Feindbeschusses ab. Der Gartower Wald wurde geplündert, indem
kanadische Holzfäller Kahlschläge verursachten. Außerdem mussten Verwandte und Freunde, die
aus dem Osten von ihren Besitztümern geflohen waren, aufgenommen und unterstützt werden.
Ferner drohte die Bodenreform, eine Art Enteignung des Großgrundbesitzes durch die englische
85
Besatzungsmacht. Am 5. Dezember 1956 starb Gottlieb im Alter von 90 Jahren in Gartow; seine
Frau überlebte ihn bis zum 1. November 1973.
Aus der Ehe Gottlieb und Mathilde v. Bernstorff gingen fünf Kinder hervor, von denen drei im
Kindesalter verstarben. Erbe wurde sein Sohn Joachim von Bernstorff (1911 - 1946). Er studierte
Jura, wurde Gerichtsreferendar und Reserveoffizier beim Kavallerie-Regiment 13 in Lüneburg.
Wenige Wochen nach dem Kriegsausbruch heiratete er am 14. Oktober 1939 Helga v. Zitzewitz,
Tochter eines Landhauptmannes in Pommern. Er nahm am Krieg teil, geriet in englische Gefangenschaft
und blieb dort inhaftiert, weil er für die deutsche Abwehr gearbeitet hatte. Am 9. Januar
1946 starb er an den Folgen von Hunger und Diphtherie.
Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor, darunter die Zwillinge Andreas und Cornelius, beide am
9. März 1942 geboren. Andreas als der Erstgeborene wurde automatisch Erbe. Weil Andreas von
Bernstorff beim Tod seines Vaters noch nicht volljährig war, führte seine Mutter die Gutswirtschaft
weiter. Sie heiratete am 4. September 1950 in 2. Ehe Joachim Freiherrn v. Adelsheim v. Ernest/
Odenwald. Später kümmerte sich der Verwandte Konrad v. Oppen mit um die Gutsgeschäfte. Das
Besitztum war wegen drohender Enteignung an Verwandte aufgeteilt, später aber gegen Entschädigungszahlungen
wieder zusammengeführt worden. Andreas v. Bernstorff heiratete am 24. Mai
1975 Anna Freiin v.d. Bussche-Ippenburg. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor. Fried von
Bernstorff hat als Erstgeborener seit dem.1. Juli 2012 das Erbe angetreten. 1
Besitzzeiten derer v. Bernstorff
Andreas Gottlieb der Ältere (1649 - 1726) 1694 - 1726
Joachim Engelke (Schwiegersohn) (1677 - 1737) 1727 - 1737
Andreas Gottlieb der Jüngere (1708 - 1768) 1737 - 1768
Joachim Bechtold (1734 - 1807) 1768 - 1807
Ernst (1768 - 1840) 1807 - 1840
Bechtold (1803 - 1890) 1840 - 1890
Joachim (1834 - 1901) 1890 - 1901
Günther (1864 - 1937) 1901 - 1937
Gottlieb (1867 - 1956) 1937 - 1956
dessen Sohn Joachim (1911 - 1946)
hatte die Zwillingssöhne
Andreas und Cornelius (geboren 1942)
Andreas 1946 - 2012
Fried (geboren 1978) ab 2012
Abhängigkeit vom Haus Gartow
Es ist davon auszugehen, daß schon seit den Herren von (der) Gartow ein Abhängigkeitsverhältnis
zwischen dem Adel und der Gartower Bürgerschaft bestanden hat. Besonders massiv mischten
sich die Herren von Bülow in die Angelegenheiten Gartows ein. Es hatte schwerwiegende Folgen
für sie. Eine gewisse Selbstverantwortung wurde der Gartower Bürgerschaft belassen aber alle
relevanten Entscheidungen waren stets vom örtlichen Adel abhängig. Unter der Herrschaft der
v. Bülows haben Gartower Bürger Dienstleistungen und Abgabeverpflichtungen gegenüber dem
Haus Gartow erfüllen müssen. Die Pflichten blieben auch unter der Herrschaft der Grafen von
Bernstorff erhalten. Sie schwanden nicht ganz, da sich die Grafen über die Kirchenleitung und ihren
ausgedehnten Grundbesitz sowie den Besitz innerhalb der Gemeinde Gartow einen gewissen
Einfluß weiterhin – bis heute – sichern konnten. Zudem waren sie ehrenamtlich – und nicht ganz
uneigennützig – für die Region Gartow gesellschaftlich und politisch tätig. Sie haben sich dadurch
86
dauernde Verdienste erworben.
Beim Herrschaftswechsel auf die Grafen von Bernstorff ab 1694 und noch mehr seit Bestehen
des Adeligen Geschlossenen Gerichts Gartow ab 1720, verstärkte sich die schon bestehende Abhängigkeit;
zumal seit 1720 vom Haus Gartow besoldetes Amts- und Aufsichtspersonal tätig wurde.
Verstärkt sind Landesgesetze angewendet worden, auch trug die nunmehr straffe Führung zur
verstärkten Kontrolle entscheidend bei. Diese Kontrolle blieb auch unter der Herrschaft der Grafen
von Bernstorff erhalten, bis das Geschlossene Gericht Gartow 1850 aufgehoben wurde und
die Grafen von Bernstorff massive Einflussverluste hinnehmen mussten. Die Abhängigkeit war beiderseits
bedingt: das Haus Gartow benötigte Arbeitskräfte und Untertanen, die Abgaben leisteten
und zahlten. Andererseits sorgte das Haus Gartow für die Aufrechterhaltung der Administration,
Ausbau und Unterhaltung von Verkehrsverbindungen, Bauten, Deichen u.a.m. Damit einher gingen
Aufträge an Handwerker und Händler.
Dienste
Der Deichdienst ist bereits in v. Bülowscher Zeit gefordert worden. Um 1710/11 stellte er sich wie
folgt dar:
„Die Bürger im Flecken Gartow seyn von alters hero schuldig gewesen, dem Hause Gartow alljährlich
6 Tage an der Teich Arbeit zu helfen, als 3 Tage im Herbst und 3 Tage im Frühling und
dienet ein jeder, welcher Pferde hat, 6 Tage mit dem Spann, der aber keine Pferde hat, 6 Tage mit
der Hand. Wenn nun solcher Dienst wegen großen Waßers oder anderer Abhaltung halber nicht
wirklich oder vollkommen abgestattet werden kann, bleiben sie allerdings verbunden, solche restirenden
Tage im nächstfolgenden Jahre nachzudienen“. Damals waren 44 Bürgerstellen hierzu
verpflichtet. Als Aufsichtsführender unter der Bezeichnung „Bürgerrichter“ war Peter Bormann von
der Dienstableistung befreit. 2
Noch 1715 wurde vermerkt, daß Hand- und Spanndienste in folgende drei Abteilungen gegliedert
waren:
„und werden die Märkischen Dienste (aus Holtorf, Kapern, Gummern) zur Haußhalts-, die Sonnenburgischen
zu anderer Arbeit und die (Gartower) Bürgerdienste zu denen Wegen und Deichen zu
bessern angerechnet…“ 3
Während alle dörflichen Hofstelleninhaber verpflichtet waren, für das Haus Gartow Hand- und
Spanndienste sowie Fuhren in die nähere und weitere Umgebung zu unternehmen, galten für die
Gartower Bürger zusätzlich genau spezifizierte Dienstleistungen gemäß des Dienstregisters von
1832/33.
„Dienstbeschreibung vom Flecken Gartow:
In diesem Flecken sind 25 Volle- und 24 halbe Bürgerstellen, welche dem Hause Gartow folgende
Dienste zu leisten schuldig sind:
Ordinaire Deichdienste: Ein jeder Bürger des Fleckens Gartow, er habe eine volle oder halbe Bürgerstelle,
ist von Alters her schuldig, bei des Hauses Gartow Deichen jährlich 6 Tage zu dienen,
nämlich: 1. im Frühjahr 3 Tage, 2. im Herbst 3 Tage und zwar solchergestalt, daß diejenigen,
welche Spannung haben (Anm.: Pferdefuhrwerk halten) ohne Ausnahme mit dem Spann, die übrigen
aber mit der Hand, diesen Dienst verrichten müssen. Insofern solcher in einem Jahre nicht
ganz abgeleistet wird, müssen sie die nicht abgeleisteten in dem folgenden Jahre nachdienen. Die
Spanndienste werden dabei gespeiset, wie es aus dem Geldregister zu ersehen ist.
87
Extraordinaire Dienste
Vermöge des mit der Leibeigenschaft unterm 28.sten October 1704 errichteten Recesses ist selbige
(Anm.: die Bürgerschaft von Gartow) schuldig, in allen jetzigen und künftigen des Hauses
Gartow Wiesen, zwischen dem Gaarte-Fluß (Anm.: Seege) und der Elbe auch in den sogenannten
Werften, Wiesen an beiden Seiten der Gaarte und deren hinter dem Schlosse belegenen, in dem
sogenannten Wulfsholze bereits gemachten oder noch ferner auszurodenden Wiesenhorst und
der Niendorfer Grenze und der Breite nach, zwischen dem Wulfsholzer Acker und dem Schlosse zu
Gartow oder Seegefluß belegen ist, das Gras, wenn es gemähet worden, wie es sich gebührt und
wie es ihnen von Seiten des Hauses Gartow wird angewiesen und befohlen werden, zu kehren und
zu wenden bis es trocken ist und sodann in Haufen zu bringen.
Behuf dieses Dienstes kommt aus jedem Bürgerhause zur Zeit nur eine Person, es ist aber davon
Niemand aus der Bürgerschaft exmitirt, wie sie denn auch die Befugnis haben, die bei ihnen wohnenden
Häuslinge zu besagtem Dienste, so oft es erfordert wird, mit herbei zu ziehen, damit die
Arbeit desto eher vollendet werde. Zur Erläuterung dieser recessmäßigen Beschreibung wird noch
hinzugefügt, daß nach der bisherigen Observanz (Gewohnheit):
01. die Dienstleute in Hinsicht ihrer Tüchtigkeit dem Gerichte jährlich vor Anhebung des Heudienstes
präsentiert werden müssen
02. dass während des Heuens ein Vollbürger wöchentlich 6 Tage – ein Halbbürger aber nur 3
Tage, die verheyrateten Häuslinge wöchentlich 1 Tag und die unverheyrateten Häuslinge
oder einzelnen Personen, nur in 14 Tagen einen Tag dienen müssen
03. dass die Dienstleute auch das wieder naß gewordene Heu, imgleichen alles Nachgras so
lange trocknen und kehren müssen, bis es eingefahren werden kann
04. dass es in des Hauses Gartow Willkür stehe, den Aufseher bei diesem Dienste aus der Mitte
der Bürgerschaft zu nehmen oder dazu einen eigenen Bedienten zu stellen; daß aber der
Bürgerrichter jederzeit ratione officio verbunden sey, den Dienst durch den Ausruf anzusagen
05. dass der zeitige Bürgermeister bisher jederzeit dienstfrei gewesen ist
Delinquenten-Wachen
Wenn die Gefangenen beim Hause Gartow
sitzen, muß die Gartower Bürgerschaft dabei
Wachen halten und zwar mit so starker Mannschaft
als erfordert wird und ist dagegen vermöge
Recesses de 1704 von dem Beitrage zu
den Delinquenten-Kosten, welche sämtliche
Unterthanen entrichten müssen, frei gelassen.
Dabei wird ihnen nach der Observanz das nöthige
Feuer und Licht, auch ein Krug Bier aus der
Delinquenten-Casse frei gegeben und, wenn
die Inquisiten, welchen die Kosten zuerkannt
werden, des Vermögens und zuvörderst alle
baaren Auslagen erstattet sind, werden auch
diese Wachen à Person täglich mit 2 ggr. vergütet,
sonst aber bekommen sie dafür nichts.
1711: Delinquentengeld-Einnahme
88
Damm- und Grabendienste
Auf dem Quarnstedter Damm muß die Bürgerschaft ihre Kavel (Deichteilstück) von 8 Ruthen 6 Fuß
Rheinländische Maaße lang, die Ruthe zu 15 Fuß gerechnet, mit Erde befahren, so oft es nöthig
ist und solche in gutem Stande erhalten, desgleichen muß ein Jeder seine Kavel an den Gräben
vorlängs dem Schäferkampe, in untadelhaftem Stande erhalten“. 4
1721 wurde vom Haus Gartow Ernst Hanne aus Holtorf als Zehntmahler angenommen, der die
Aufsicht bei der Einziehung des Zehnten aus Gartow, Nienwalde, Meetschow, Prezelle, Lomitz,
Gorleben, Holtorf, Kapern und Gummern hatte. 5
Im Juli 1725 war der Ingenieur Rollwagen mit der Vermessung des Buchhorst-Geländes beschäftigt
und teilte es in Koppeln ein. Ebenso suchte er einen Platz in der Gartower Heide für das neue
von Bernstorffsche Vorwerk aus und nahm Vermessungen in und bei Nienwalde vor. 6
Im Januar 1726 verkaufte der „alte“ Bürgermeister Adam Christian Hildebrandt aus Gartow dem
Haus Gartow für 350 Rtlr. die ebenfalls von ihm zuvor angekaufte sogen. „Dorfstedte“ hinter
Wolfshahl. 7
Handwerker
Über sehr lange Zeit haben verschiedenste Handwerker von Aufträgen existieren können, die der
Betrieb einer Gräflichen Gutswirtschaft mit sich brachte. An dieser Stelle werden einige Beispiele
angeführt, um den Umfang und die Art der Dienstleistungen zu verdeutlichen. Hier werden nur
Personen aus Gartow genannt:
Bäcker
Nachzuweisen ist der Gartower Bäcker Christian Loeck.
Brauer
Nach einem Bericht des Schnackenburger Zöllners Hermann Dralle von 1671 haben sieben Gartower
Bürger selbst Bier gebraut. Hierbei wurde die Braupfanne gegenseitig ausgeliehen. Dann
begannen die von Bülow fremdes Bier im Gartower Bezirk zu verkaufen. Im Jahre 1671 bestand
nach Aussage von Dralle die Situation: „im Flecken brauet jetzo, wer da will“. Allerdings zahlten
die Selbstbrauer alle halbe Jahr die Alkoholsteuer an die Landesregierung und von jedem Scheffel
Malz eine Gebühr an die von Bülow. Auch die Gartower Bürgerschaft erhielt von den Selbstbrauern
einen Steueranteil. Später verweigerten die von Bülow den Gartowern ihren Anteil. 8
Müller
Nahe des Schloßes, oberhalb der Seegebrücke, befand sich um 1696/97 eine Wassermühle, die
der Müller Jochim Guhl betrieb. Als Pacht lieferte er an das Haus Gartow jährlich 1 Wispel Roggen
(rd. 500 kg). Der Mühlenbetrieb ist jedoch wegen Stauschäden an den Wiesen des Hauses Gartow
aufgegeben worden und Müller Guhl erhielt eine einmalige Geldentschädigung von 30 Rtlr. Damit
war die zu v. Bülows Zeiten noch florierende Wassermühlen-Ära beendet (GR 1696/97, S. 148).
Nachdem die Wassermühle an der Seege stillgelegt worden ist, wurde bei Quarnstedt eine Windmühle
angelegt, die als „hinterste“ bezeichnet wurde. Um 1710 kam eine zweite hinzu, die „vorderste“,
welche Müller Jochim Kubel gepachtet hatte. 9
Die Windmühle Gartow war „vor einigen Jahren geleget“, also aufgegeben worden. 10
89
Schäfer
Die Schäferei in Gartow (Schäferkamp) wie auch noch 1716 ein Stück Land im Helk hatte seit
Michaelis 1710 der Schäfer Andreas Thiele gepachtet.
Scharfrichter/Schlachter
Scharfrichter Valentin Wilhelm Kannenberg kümmerte sich um das Kurieren erkrankten bzw. Entfernung
toten Viehes. Sogar das Schlachten wurde vergeben: Johann Hasse zerlegte einen Ochsen,
einen Bullen, sechs Kühe, einundvierzig Kälber und neunzehn Schweine.
Schmied
1715 arbeiteten für das Haus Gartow der Grobschmied Jürgen Wilhelm Dittmer, der zugleich Hufschmied
gewesen ist, ferner der Kleinschmied Arend Barles wie auch der Böttcher Johann Ulrich
Jahncke sowie der Rademacher Dietrich Ludolph Gudehus.
Tischler/Drechsler
1715 verfertigte der Tischler Johann Andreas Reincke einen Waschtisch, zwei Kälbertröge, ein
„Repositorii“ und zwei Bretter „zu Sonnenzeiger“. Tischler Johann Hilmer Meyer verfertigte einen
Brettschemel, einen kleinen Kasten, reparierte einen Küchentisch, einen Fliegenschrank, einen
Stuhl, einen Kasten und eine Garnwinde.
Tischler Reincke lieferte 1715 ferner drei Kellen und sechs Löffel aus Holz sowie „ein Feuerschlag
sambt der Lahde“. Der Drechsler Caspar Henrich Gerberding erhielt 1715 den Auftrag zwei neue
„Theer-Eimer“ herzustellen.
Töpfer
Irdenzeug, also Geschirr aus Ton gebrannt, liferte
der Töpfer Anton Hohentopf. 11
Weber
Das Anfertigen von Leinenzeug besorgten die
Leinweber Johann Krauel aus Breese i. Br. und
Balzer Sasse aus Quarnstedt, beide zusammen
580 Ellen. Schäfer Thiele lieferte Wolle, der
Gartower Färber Johann Christoph Bruns bearbeitete
86 Ellen, um anschließend braunen
Stoff präsentieren zu können.
Die Witwe von Jobst Köppen war 21 Tage damit
beschäftigt, Leinenzeug auszubessern. 12
1711: Pachteinnahme vom Gartower Töpfer
Trauerbegleitung
Als am 14. August 1715 der Generalleutnant von Bernstorff verstarb, nahm daran nicht nur die
gräfliche Familie, die Verwandten und Bekannten teil sondern auch auf mittelbare Weise die Gartower
Bürgerschaft. Zunächst sorgte man dafür, daß der Gartower Schneider Henrich Bade den
Altar, die Predigtkanzel und den herrschaftlichen Kirchenstuhl mit schwarzem Trauertuch bekleidete.
Für ausgewählte Bedienstete des Hauses Gartow, wie dem Verwalter Jacob Kruse, Kornschreiber
Tilo Greten, Schreiber Redlich, Haushälterin Grote und Hausjungfer Schönberg, ist extra
maßgeschneiderte Trauerkleidung angefertigt worden. 13
Als Premierminister Andreas Gottlieb von Bernstorff am 6. Juli 1726 verstarb, endete auch seine
Lehnsherrschaft und sein Nachfolger, Kammerherr Joachim Engelke von Bernstorff, wurde nun-
90
mehr Lehnsherr. Außer den Müllern auf den Dörfern mußte auch Scharfrichter Kannenberg aus
Gartow eine Anerkennungsgebühr in Höhe von 66 Rtlr. an das Haus Gartow zahlen. Kannenberg
war ferner für die Abdeckerei zuständig. 14
Andreas Gottlieb von Bernstorff hatte verfügt, daß nach seinem Tod enge Bedienstete des Hauses
Geldgeschenke erhielten. Für etliche von ihnen wurde maßgeschneiderte Trauerkleidung
angefertigt, wobei die Schneider Hinrich Bade aus Prezelle, Odewahn aus Nienwalde und Göde
aus Gartow eiligst arbeiteten. Wiederum ist das Kircheninnere mit schwarzem Tuch verkleidet
worden, wie ferner auch Trauerflor angebracht wurde. Von Celle aus kam der Leichnam im Pferdefuhrwerk
in Gartow an, begleitet vom Zinngießer Greve aus Celle und dem Maler Erich Jäger
ebenfalls aus Celle. Der Gartower Tischlermeister Götze verfertigte eine Totenbahre aus Eichenholz
wie auch 12 Kerzenhalter. Schneider Odewahn lieferte das Leichenlaken, die Kirche wurde
feierlich ausgeleuchtet. Der Nachtwächter Paul Vicke bewachte drei Nächte lang den Sarg. Erst
am 16. Januar 1727, ein halbes Jahr nach dem Tod von Andreas Gottlieb von Bernstorff, ist eine
offizielle Trauerfeier in der Kirche Gartow abgehalten worden. An der Kirchentür waren die drei
gräflichen Wachtschützen und dazu fünf Ausschußknechte postiert.Pastor Georg Adolph Gössel
hielt die Trauerrede, der Kantor Dingelstedt dirigierte dazu seinen Schüler-Chor. Zeitgleich fanden
Trauergottesdienste in Trebel (Pastor Zimmermann), Prezelle (Pastor Rudolph) und Holtorf (Pastor
Höfer) statt. Nach der Trauerfeier gab es in Gartow eine Trauermahlzeit und abends haben fünf
Tagelöhner ein Trauerglockengeläut veranstaltet. Im Bezirk Gartow erklangen vier Wochen lang in
den Kirchen die Glocken im Andenken des Verstorbenen. 15
Steuern und Abgaben
Wie bereits unter v. Bülowscher Herrschaft war das Haus Gartow berechtigt, gewisse Abgaben in
Geldzahlung zu erheben. Das Alkoholmonopol brachte zu allen Zeiten gute Steuereinnahmen, so
auch beim Haus Gartow, welches dieses Monopol von der damaligen Landesherrschaft erhielt.
Abzugsgeld
Als 1710/11 Joachim Schulte aus Gartow gestorben war, der im Register als „alter abgelebter
Mann“ bezeichnet wurde und 37 Jahre lang Schäfer der Bürgerschaft gewesen ist, verzog dessen
Witwe in die Altmark. Zuvor jedoch verkaufte sie 2 Schweine 2 Kühe und 16 Schafe und einige
Habseligkeiten. Vom Erlös mußte sie an das Haus Gartow „Abzugs- oder Abschoßgeld“ zahlen. Das
waren 10 Prozent des Erlöses. 16
Alkoholsteuer
Vor 1695 ist eine sogen. „Malz-Accise“ vom selbstgebrauten Bier Gartower Bürger erhoben worden.
Die Landesherrschaft ordnete am 29.7.1695 an, nicht mehr das Malz zu besteuern, sondern
die fertiggebrauten Tonnen Bier. Für eine Tonne waren 3 Schillinge Steuer abzuführen. Sie gelangte
jedoch nicht im ganzen Umfange als „Schatz“ zur Steuerverwaltung der Landesherrschaft aber
es war der größte Anteil (2 Schillinge 1 ¾ Pfg.). Der Rest floß dem Haus Gartow und der kleinere
Teil dem Flecken Gartow zu. Je Quartal sind im Zeitraum 1696/97 zwischen 60 und 100 Tonnen
Bier von den Gartower Bürgern hergestellt und versteuert worden. 17
Beim Gartower Gallusmarkt war es erlaubt, auch Bier außerhalb des Amtsbezirkes Gartow auszuschenken.
Hierbei wurde „inländisches“ Bier je Tonne mit 4 Schillinge 2 Pfg. steuerlich belastet
und „ausländisches“ (z.B. aus Preußen) mit gar 8 Schillingen. Auch hier erhielt das Haus Gartow
mit 2 Schillingen seinen Anteil, der Flecken jedoch nicht.
91
Den Gartower Bürgern war es ferner erlaubt, außer eigenes Bier zu brauen, auch Branntwein herzustellen.
Vor 1697 zahlten sie irrtümlicherweise die Alkoholsteuer an das Amt Schnackenburg als
Stellvertreter der Landesherrschaft in der Nähe. Das hörte ab Michaelis 1697 auf und das Haus
Gartow erhielt seither 1 Rtlr. jährlich als Schankgebühr.
In Gartow war es Jacob Kruse, Gutsverwalter beim Grafen v. Bernstorff, der den „Lehnskrug“ inne
hatte und im Zeitraum 1696/97 insgesamt 56 Tonnen Bier (von Michaelis 1696 bis Michaelis
1697) ausschenkte. Das Haus Gartow nahm von jeder Tonne 1 ggr. 6 Pfg. ein. 18
Fräulein-Steuer
Nach Festsetzung des Hauses Gartow zahlte und lieferte jede Hausstelle in Gartow bei Heirat der
v. Bernstorffschen Kinder 3 Rtlr., lieferte 4 Scheffel Hafer (rd. 200 kg), zwei Gänse, vier Hühner
und 40 Eier. 19
Frauengeld
Um 1696/97 waren die Bürgerfrauen aus Gartow gehalten, jeweils am Martinitag (11. November)
„vor Sonnenuntergang“ an das Haus Gartow ein „Frauengeld“ von jährlich einmalig 4 ½ Pfg. zu
zahlen. Damals waren nur 30 „Weiber“ in Gartow angetroffen worden. Diese Abgabe galt ausschließlich
nur für Gartow.
Garten- und Wiesenzins
Um 1710 vereinnahmte das Haus Gartow jährlich
von den Gartower Bürgerstellen für benutzte
Gärten und Wiesen ein entsprechendes
Pachtgeld. Es wurde auf „Laurenty-Tag“ fällig.
Fast alle Bürgerstelleninhaber nutzten derartige
Gärten oder Wiesen.
1711: Frauengeld-Einnahme
1711: Garten- und Wiesenzins-Einnahme
92
Gräfin-Steuer
Aus der früheren „Fräuleinsteuer“ war im Laufe der Zeit eine Gräfin-Steuer geworden. Gehoben
wurde diese ungewöhnliche Steuer anläßlich der am 9.6.1826 vollzogenen Vermählung von Gräfin
Louise v. Bernstorff mit dem Königl. Preuß. Major v. Brandenstein.
Nach altem Herkommen zahlte jeder Inhaber einer vollen Bürgerstelle in Gartow den Geldbetrag
von 2 Rtlr. 5 ggr. 4 Pfg. und lieferte als Naturalie 4 Hühner. Die Inhaber von halben Bürgerstellen
zahlten und lieferten die Hälfte. Als Vollbürger zahlten und lieferten damals u.a.: Hofmedikus Dr.
Ellissen, der gleich zwei Vollbürgerstellen besaß, Ernst Heinrich Andreas Schönberg, Samuel Friedrich
Wolf, Johann Joachim Heinrich Bardien und als Institution das Hospital oder auch Armenhaus
in Gartow. Von den Inhabern der Halbbürgerstellen erscheinen u.a.: Johann Heinrich Wellmann,
Peter Friedrich Berend Honig, Busso Harbord, Hans Heinrich Fährmann und als Institution der
Gasthof in Gartow. Auch die Einwohner der umliegenden Gartowschen Dörfer waren zur Zahlung
und Lieferung im Rahmen der Fräulein-Steuer verpflichtet. Die Sammlung von 1826 ergab eine
Summe von 1377 Rtlr. Während die Gartower Bürger als Naturalie lediglich Hühner liefern mußten,
haben die Hofbewirtschafter in den Dörfern neben Bargeld und Hühnern auch Getreide, Gänse
und Eier hergeben müssen. Ein Teil hiervon wurde geldwertmäßig bezahlt, ein anderer als
Naturalie geliefert. Schließlich sind 256 Scheffel Hafer (12800 kg), 270 Hühner, 637 Eier und 55
Gänse als Naturprodukte eingesammelt worden, wobei diese wohl beim Hochzeitsmahl Verwendung
fanden. 20
Landessteuer
Die begehrte Alkoholsteuer ist bald nur noch von der Landesherrschaft erhoben worden, die
Hausbrauerei und -brennerei durch die Gartower Bürger war in diesem Zusammenhang verboten
worden. Lediglich das Gräfliche Brauhaus durfte weiterhin alkoholische Getränke herstellen, die
versteuert werden mußten. Daher erhielt das Haus Gartow aus dem Flecken Gartow keine Alkoholsteuer
mehr.
Um 1830 versah der Steuereinnehmer Fricke in Gartow als Beauftragter der Landesherrschaft
seinen Dienst. Das bedeutet, daß es in Gartow damals eine Steuerrezeptur gegeben hat. In jener
Zeit wurden 17 Oxhöft Alkohol unversteuert und heimlich durch den Brauverwalter Stagen, der zur
Tatzeit jedoch nicht mehr im gräflichen Brauhaus beschäftigt war, verfahren. Es kam zur Anklage
gegen den Grafen, der zur Tatzeit in Holland weilte. Landbereuter Bötticher aus Schnackenburg
hatte den Fall gemeldet. 21
Schutz- und Dienstgeld
Von Häuslingen vereinnahmte das Haus Gartow auch Gebühren aus Gartow. Aufgeführt werden
im Register Margarethe Preusing, die bei der Witwe Steffen in Gartow wohnte. Sie war jedoch zu
arm, um die jährliche Gebühr von 12 ggr. aufzubringen. Daher wurde vermerkt: „gehet betteln und
ist wenig im Lande“. Dann erscheint noch die „Piepersche“, die beim Kuhhirten wohnte. Auch in
diesem Fall konnte das Geld nicht eingenommen werden. Als Grund ist vermerkt worden: „Soll
sehr arm seyn und 4 kleine Kinder haben.“ Lediglich von Grete Oyen, die im Haus von Hans Kubel
wohnte, sind 12 ggr. eingenommen worden. In Gartow lebten um 1710/11 neun Häuslinge, darunter
Schuhmacher Christoph Harnisch, Böttcher Wiechmann, Schmiedeknecht Julius Schulte und
Tischler Johann Hilmer Meyer. Nur vier von ihnen waren in der Lage, das Schutz- und Dienstgeld zu
zahlen. Die anderen waren dazu zu arm. Sie kompensierten das, indem sie den Gartower Bürgern
bei der Heuernte halfen.
93
Standgeld
Dieses ist nicht von den Gartower Bürgern erhoben worden, sondern von den Jahrmarktbeschickern,
die Gartow kurzzeitig aufsuchten.
Um 1710/11 sind in Gartow jährlich drei Jahrmärkte abgehalten worden: zu Ostern, zu Laurenti
(28. August) und zu Michaelis (29. September). Im benachbarten Trebel gab es solche zu Ostern
und Michaelis.
Von den Krämern, die ihre Buden in der Hauptstraße aufstellten, kassierte das Haus Gartow ein
Stättegeld. Krämer, die ihre Buden auf dem Kirchhof hatten, zahlten ein solches an die Kirche
Gartow. 22
Weidegeld
Die Gartower Bürgerschaft hatte um 1696/97 die Möglichkeit, Schweine gegen Gebührenentrichtung
an das Haus Gartow in das Elbholz, in die Eichelmast, einzutreiben. Die Gebühren schwankten
je nach Ertrag der Eichenbäume. Wurden die Schweine wegen fehlender Eicheln nicht fett
genug, verringerte sich die Gebühr. Das war der Fall 1696/97. Bürgermeister Walter, Pastor Lehmann
und der Gutsverwalter Kruse ließen ihre Schweine dort einhüten.
Desgleichen waren die Hahnenberge zur Eichelmast freigegeben aber die Schweine hatten dort
innerhalb von zwei Tagen „alles weggefressen“. 23
Quellen und Literatur
1. v. Bernstorff, Werner: „Die Herren und Grafen v. Bernstorff. Eine Familiengeschichte“,
Celle 1982, S. 1 - 8, 24 - 55, 112 - 155, 210 - 234
2. GR 1710/11, S. 104
3. GR 1715/16, S. 509
4. Puffahrt, Otto: „Gräflich von Bernstorffsches Dienstregister 1832 - 1833
für den Raum Gartow“, Lüneburg 2003 S. 85 - 88
5. GR 1725/26, S. 588
6. GR 1725/26, S. 579
7. GR 1725/26, S. 577
8. B 49 Nr.1 „Alte Nachrichten von dem Gartowischen Damm- und Weggelde…“
9. GR 1710/11, S. 275
10. GR 1726/27, S. 316
11. GR 1715/16, S. 692 - 698
12. GR 1715/16, S. 668 - 690
13. GR 1715/16, S. 625 - 627
14. GR 1726/27, S. 246
15. GR 1726/27, S. 600 - 610
16. GR 1710/11, S. 144
17. GR 1696/97, S. 119
18. GR 1696/97, S. 122
19. GR 1696/97, S. 241
20. G 7 Nr. 15 „Gräfin-Steuer zu Gartow 1826“
21. G 7 Nr. 15 a „Acta Manualia in Zoll- und Steuersachen 1828 - 1830“
22. GR 1710/11, S. 161
23. GR 1710/11, S. 137
94
Amtsverwaltung
An der Spitze der Verwaltung stand in politischer Hinsicht ein Amtmann mit juristischer Vorbildung.
Obwohl eine Amtsverwaltung in Gartow erst ab 1720 installiert worden ist, stellte das Haus Gartow
einen Amtmann bereits ab Mai 1718 an.Der Amtmann war für alle hoheitlichen und verwaltungstechnischen
Angelegenheiten seines Dienstbezirkes zuständig und wurde von seinem Stellvertreter,
dem Amtschreiber, unterstützt.
Die Annahme eines Amtmannes setzte die Genehmigung der Landesregierung voraus. Er wurde
auf seine Fähigkeiten hin besonders in juristischen Belangen von der Justizkanzlei Celle geprüft
(um 1824). Es wurden hohe Anforderungen an den Amtmann gestellt: Untadeliges Benehmen,
Unbestechlichkeit, Treue, fachliche Qualifikation usw. Er wurde auch als Gerichtshalter oder Justiziarius
bezeichnet und mußte einen Huldigungseid auf den Landesherrn ablegen („…Ihr wollet
treu, hold und gehorsam seyn…“). Die „Verordnung die Ansetzung der Justiziarien und Actuarien
adelicher Patrimonial-Gerichte betr.“ vom 1.8.1798 bestimmte, daß Amtmann- und Amtschreiber-
Stellen nur „mit solchen Subjecten besetzt werden, welche den ihnen obliegenden obrigkeitlichen
Geschäften mit Nutzen vorzustehen im Stande sind und gegen die sowohl wegen ihrer Geschicklichkeit
und ihres Lebenswandels als wegen ihres Domizils oder ihrer ausländischen Dienstverhältnisse,
keine gegründete Bedenklichkeiten eintreten, sondern daß auch jeder Justiziarius und
Actuarius den gewöhnlichen Huldigungs- und einen allgemeinen Dienst-Eid leiste…“
Zu den Aufgaben eines Gartower Amtmannes gehörten nach dem Stand von 1824: Schlichtung
von Streitigkeiten möglichst ohne großen Aufwand, Beachtung, Verfolgung und Bestrafung von
Verstößen der Landesgesetze und Verordnungen des Hauses Gartow, Polizeiaufsicht, Regelung
zivilrechtlicher Angelegenheiten, Ausübung des Richteramts, Dienstaufsicht gegenüber seinen
Untergebenen, Rechtsbeistand des Hauses Gartow und Verteidigung des Hausrechte, Führung
von Registern und Ordnung der Registratur, Aufsicht über Rechnungsführungen, Deichaufsicht
u.a.m. Für seine Bemühungen erhielt der Amtmann Dienstwohnung, Gartenland und Gehalt sowie
anteilig von verhängten Strafen oder Dienstleistungen Gebühren („Diäten“). Ferner erhielt er
vom Haus Gartow weitere Vergünstigungen wie Lieferung von Feuerholz für seine Wohnung, die
Dienstzimmer und das Gefängnis, freies Pflügen und Eggen seiner Ländereien sowie Bereitstellung
desselben, das Recht, eine bestimmte Anzahl Vieh auf die Weide eintreiben zu dürfen, nebst
freier Winterfütterung, Lieferung von rd. 225 kg Deputatroggen und Erstattung von Auslagen für
dienstliche Zwecke. Ferner durfte er Pensionsleistungen in Anspruch nehmen.
Im Jahr 1730 verdiente ein Amtmann jährlich
334 Rtlr. (davon 154 Rtlr. Deputate), und 1838
bereits 887 Rtlr. Hierbei betrug die Barbesoldung
616 Rtlr.
Schreiber
95
Der Amtmann war früher absolute Respektsperson, wie aus der Bestallung von 1824 hervorgeht:
„Er soll daneben von mir (dem Besitzer des Hauses Gartow) und Allen des Hauses Gartow Bedienten
als Primus in ordine geachtet und angesehen werden, die Gerichtsdiener in Amts-Sachen
besonders unter seinen Befehlen stehen…“ 1
Mit Abtretung der Gerichtsbarkeiten an die Landesregierung am 1.7.1850 endete das Wirken der
Amtmänner, Amtsschreiber und des Gerichtspersonals.
Neun Amtmänner leiteten die Geschicke der Gartower Amtsverwaltung: Daniel Westing, gebürtig
aus Lüneburg (1718 - 1720), Christian Nicolaus Wolbrecht (1720 - 1760), August Henrich Werckmeister
(1760 - 1781), Christoph Friedrich Oppermann (1783), Dr. jur. Johann Friedrich Albrecht
Spiel (1784 - 1787), Carl Albrecht Mackeprang, vorher Stadtsekretär in Ratzeburg (1787 - 1810),
Dr. Johann Friedrich Ziegler aus Celle (1810 - 1814). Als Amtmann wurde der vorige Amtschreiber
in Winsen/L. Georg Philipp Meyer verpflichtet (1816 - 1821). Von November 1814 bis Juni 1815
verwaltete der Dannenberger Amtschreiber Grote das Gericht Gartow mit.
Danach wurde die Rechtspflege vom Lüchower Bürgermeister Gericke wahrgenommen. Da die
Amtmannstelle unbesetzt blieb, verwaltete Amtsassessor Ludowig aus Lüchow das Gericht Gartow,
wobei Amtsassessor Hesse die Rechtspflege betrieb. Erst am 6.9.1824 konnte die Amtmannstelle
mit Dr. Christian Otto Ludwig Sarnighausen besetzt werden, der vorher Amtmann in Brake
gewesen ist. Er blieb Amtmann bis zum 30.6.1850.
Während der Amtmann als 1. Beamter bezeichnet wurde, galt der Amtschreiber als dessen Vertreter
als 2. Beamter. Beide ergänzten sich in der täglichen Arbeit. Auch der Amtschreiber verfügte
über eine juristische Bildung und legte einen Diensteid ab. Gegenüber dem Amtmann mußte er
„jederzeit schuldigen Respect erweisen“ und besonders die ihm diktierten Protokolle schreiben.
Der Amtmann als Repräsentant und Verantwortlicher hatte wohl viel zu tun, aber der Amtschreiber
erledigte doch den Großteil der Arbeit im Büro. Er mußte sich um eine Vielzahl von Aufgaben
kümmern, die vom Amtmann auf ihn delegiert wurden. Die Führung „derer Protocolle als sein
vornehmstes und als ein solches Haupt Geschäfte“ oblag dem Amtschreiber aber auch die Zusammenstellung
von Vorgängen, Verwaltung der Gerichtsgebühren/Strafgelder nebst Rechnungsführung,
Testaments- und Vermögensverwaltung der Zivilisten, Erhaltung der Registraturordnung,
Steuereintreibung usw. Als wichtiger Mitarbeiter war er bei vielen Handlungen des Amtmannes gegenwärtig.
Auch ihm standen für Mühewaltungen außer seiner Besoldung gewisse Gebühren zu. 2
Als erster Amtschreiber wird Friedrich Rudolph Hieronymi ab 1730 erwähnt, der bis 1744 seinen
Dienst verrichtete. Ihm folgten die beiden Kornschreiber Rudolph Johann Anthon Cherubim (1744
- 48) und Peter Plack (1748 - 54), die jedoch nicht als Amtschreiber tituliert wurden. Ein neuer Amtschreiber
kam in der Person des Johann George Langen (1751 - 1760 gestorben), danach Conrad
Henrich Kniep (1760 - 1788 gestorben) und Rudolph Arnold Seggel (1789 - 1810, 1813 - 1822).
Um 1730 wurden Amtschreiber noch miserabel entlohnt:
jährlich 80 Rtlr. und der Gegenwert von Wäschewaschen in Höhe von 6 Rtlr., um 1772 erhielt er
100 Rtlr. und dazu Kostgeldgegenwert 110 Rtlr. jährlich.
Seit 1814 war die Amtschreiberstelle in eine „Gerichts-Actuarius“-Stelle umgewandelt worden.
R.A. Seggel erhielt eine Pensionszahlung und „andere Emolumente“. Als Gerichtsaktuar fungierte
Wilhelm Hölty (1814 - 1838). Hölty erhielt als Gehalt und Kostgeld jährlich 160 Rtlr., ein Viertel aller
Gerichtsgebühren, freie Wohnung, Gartenland, freie Viehweide, zusammen 367 Rtlr. Auf Hölty
96
folgte kein titulierter Amtschreiber mehr, aber 1835 - 38 wird als 2. Beamter Assessor v.d. Decken
und ab 1839 Assessor v. Estorf bis 1847 und von 1847 - 50 Assessor v. Meding genannt.
Quellen und Literatur
1. D 7 Nr. 1 „Des Gartowischen Amtmanns Bestallungen, wobei auch eines
Fürstl. Amtmannes und Amtsschreibers Eid“
2. D 7 Nr. 2 “Actuarii Bestallungen 1764“
97
Justizwesen
Die Rechtspflege im Rahmen der damaligen Reichsgesetze nahmen nicht die Grundherren, also
der örtliche Adel, selbst wahr. Sie wären über alle Maßen befangen gewesen, daher sind außenstehende
Personen damit betraut worden. So ließen z.B. die Herren v. Bülow um 1600 rechtskundige
Leute aus dem Brandenburgischen Recht sprechen. Während der Zwangsbewirtschaftung
des Gutes Gartow von 1687 - 1694 hat der Fürstliche Amtmann Jacob Balck aus Schnackenburg
diese Aufgabe wahrgenommen. Weil hiermit Gebühreneinkünfte verbunden waren, protestierte er
1694 heftig gegen die Wegnahme. Er führte ferner im Auftrag der Landesherrschaft die Aufsicht
über die Landesgrenze zu Brandenburg. Auch diese wurde ihm 1709 abgenommen und dem Haus
Gartow übertragen. Die Rechtssprechung war dem Haus Gartow mit dem Erwerb ab 1694 faktisch
mit übertragen worden. Durch die Weigerung des Schnackenburger Amtmannes vergingen aber
noch mehrere Jahre, bis bis die Rechtspflege für das Haus Gartow Realität werden konnte.
Geschlossenes Gericht Gartow
Das frühere Kurfürstentum und spätere Königreich Hannover war in verschiedene Ämter aufgegliedert,
deren Bezirke aus den ehemaligen Burgvogteien gebildet worden sind. Bei diesen Ämtern
handelte es sich um kleine, überschaubare Verwaltungseinheiten mit Sitz einer Amtsverwaltung
in einem zentral gelegenen Ort, meist einem ehemaligen Burgstandort oder Marktflecken. So existierten
nach dem Stand von 1780 im Landkreis Lüchow-Dannenberg folgende Ämter: Hitzacker,
Dannenberg, Lüchow, Wustrow und Schnackenburg. Sie waren der Landesherrschaft direkt unterstellt,
wobei der jeweilige Amtmann und sein Stellvertreter, der Amtsschreiber, im Auftrag der
Landesherrschaft fungierten.
Daneben gab es ferner Patrimonialgerichte, das waren Verwaltungsbezirke, in denen fast ausschließlich
Untertanen des örtlichen Adels wohnten. Der Patron, Vorsteher eines solchen Bezirkes
und meist adeliger Abstammung, hatte die Landesgesetze zu respektieren und installierte eine
bescheidene, kleine Verwaltung und übernahm damit die Grundaufgaben, insbesondere Einziehung
der Landessteuern, Einhaltung der Landesgesetze, Garantie der Sicherheit und Ordnung,
Strafverfolgung u.a.m. Derartige gebietlich relevante Patrimonialgerichte gab es mit Sitz in Breese
i.Br. (v. Grote), Schnega (v. Grote) und in Grabow (v. Plato) sowie in Gartow (v. Bülow, v. Bernstorff).
Zudem existierten Patrimonialgerichte in geringerer gebietlicher Ausdehnung der Adelsfamilien
v.d. Bussche, v. Dannenberg und v.d. Knesebeck.
Das frühere Patrimonialgericht Gartow erhielt
ab 1720 den Status eines sogen. Geschlossenen
Gerichts und war den Ämtern hinsichtlich
der Aufgaben und Befugnisse fast gleichgestellt.
Das Geschlossene Gericht Gartow 1720-1850
98
In der Überlieferung wird hierzu berichtet:
„…Das Gericht bildete einen geschlossenen Bezirk, hatte aber auch außerhalb seiner Hoheitsgrenze
Gerichtsuntertanen. Innerhalb seiner Hoheitsgrenze lagen das Städtchen Gartow, 22 Dörfer
und 3 einständige Höfe und zwar im Kirchspiel Schnackenburg (1 Dorf), Kirchspiel Holtorf (2),
Kirchspiel Restorf (5), Kirchspiel Gartow (5), Kirchspiel Prezelle (4), Kirchspiel Trebel (9) und im
Kirchspiel Langendorf (1 = Pölitz an der Elbe, vormals ein Dorf, später nur noch adelig freie Schäferei).
Ferner gehörten zu Gartow außerhalb seiner Gerichtsgrenze 2 ganze Dörfer, 13 verstreut
wohnende Gutsleute und 7 Zehnte.
Gartow war ursprünglich wohl Bestandteil der Grafschaft Lüchow. Es stand unter lüneburgischer
Hoheit und war im Besitz der Herren von Gartow. Durch sie wurde Stadt und Schloß Gartow 1354
und 1359 an den Johanniter Orden verkauft, zu dessen Gunsten Herzog Magnus auf die Lehnsherrschaft
verzichtete. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts ist Gartow „unter die Zahl der Raubnester
gekommen“ und als solches von den Herzögen Bernhard und Heinrich von Lüneburg 1390
erobert worden. 1438 hat der Johanniterorden Gartow an Vicke von Bülow verkauft. Jürgen von
Bülow hat den ihm vererbten Besitz um einige Dörfer und Höfe vergrößert, die er 1491 von den
Herrn von Wustrow kaufte. Die Familie von Bülow hat Gartow bis 1694 besessen. In diesem Jahre
haben Curd und Jobst, Vettern von Bülow, dem geheimen Rat Andreas Gottlieb von Bernstorff das
ganze Haus und Gut Gartow verkauft. Dieses bestand aus den adelig freien Höfen zu Quarnstedt
und Gummern, dem Flecken Gartow, den Dörfern Quarnstedt, Restorf, Pevestorf, Brünkendorf,
Kapern, Gummern, dem Hofe Stresow und Intraden (Anm.: Einkünfte) im brandenburgischen Amte
Arendsee, der Feste Gorleben, den Dörfern Gorleben, Laasche, Volzendorf, Prezier, Klautze, 4
Höfen zu Krautze, 4 Höfen zu Schmarsau, den Dörfern Gülden, Kacherien, Trabuhn, 8 Höfen zu
Püggen, 5 Höfen zu Streetz, 9 Höfen zu Splietau, 4 Höfen zu Lomitz, 4 Höfen zu Gr. Gusborn, 4
Höfen zu Breese (i.d. Marsch) bei Dannenberg, 5 Höfen zu Schreyahn, 2 Höfen zu Schmarsau bei
Dannenberg, einer Mühle zu Bussau und Pachten aus der Mühle zu Marleben (Tobringen). Durch
Kauf und Tausch mit dem Landesherrn hat der geheime Rat von Bernstorff seinen Güterbesitz,
der wegen seines Umfanges im Fürstentum Lüneburg einzigartig dasteht, vergrößert und abgerundet…“
1
Die Abrundung bestand darin, insbesondere
von Gartow weit entfernte Untertanen, die mit
ihren Pferdegespannen oder zu Fuß unmöglich
im Laufe eines Tages zu Feldarbeiten eingesetzt
werden konnten, los zu werden und dafür
Untertanen aus Gartow nahe liegenden Orten
zu gewinnen. Aufgrund seiner Größe war das
Gericht Gartow das bedeutendste adelige Gericht
im späteren Königreich Hannover.
Als Kennzeichen für ein geschlossenes Gericht,
wie es Gartow einst gewesen ist, werden nicht
nur die obere und niedere Gerichtsbarkeit angeführt,
sondern daß es auch „in Landes-, Polizei-,
Militär- und Kirchensachen alles dasjenige
vornimmt, was die herrschaftlichen Beamten
Sitz des Gerichts Gartow:
Das Torhaus auf dem Schlosshof (bis 1945)
99
in den ihnen angewiesenen Distrikten (Ämtern) auszurichten die Befugnis haben, dergestalt, daß
keine andere Gerichtsperson etwas zu solchen vorzunehmen berechtigt ist“.
Wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist, hat die Forschung nicht genau definieren können:
„…Das Zusammenwachsen eines großen Grundbesitzes mit den verschiedensten, mehr oder minder
weitgehenden Privilegien und Gerechtsamen hat schließlich zur Anerkennung der Geschlossenheit
des Gebietes, das einen geschlossenen Besitz umfaßte, gegenüber der landesherrlichen
Lokalverwaltung geführt. Beim Gericht Gartow ist auch wohl noch in Betracht zu ziehen, daß in
seinem Mittelpunkt die ehemals landesherrliche Grenzfeste Gartow stand, zu der zweifellos ein
bestimmter Vogteibezirk gehört hat. Indes als geschlossenes Gericht ist Gartow endgültig erst
1720 anerkannt worden. Vor den Bernstorffschen Zeiten hat es ….nicht zu den Gerichten gehört,
die man geschlossen nennt; denn die Ausübung der Hoheitssachen, ja sogar die Verwaltung der
Ober- und Untergerichte (Anm.: der schweren und weniger schweren Straftaten) in verschiedenen
Dörfern hat den Beamten zu Schnackenburg und zu Lüchow obgelegen. Die Verwaltung des geschlossenen
adeligen Gerichts Gartow lag in den Händen eines besonderen Gerichtsamtmannes,
der seinen Sitz auf dem Schloßhof zu Gartow hatte.“ 2
Wegen der bedeutenden Größe des Geschlossenen Gerichts Gartow konnte die Familie von Bernstorff
bei Abstimmungen bei den Landtagen bzw. der Lüneburger Ritterschaft vier Stimmen geltend
machen, sofern die Ritterschaft in landesgesetzliche Vorhaben eingebunden war. Letztere
war auch unter der Bezeichnung „Lüneburgische Landschaft“ bekannt. Später ergaben sich nach
anderem Modus sogar zehn Stimmanteile. Zu beachten ist der Umstand, daß ein Geschlossenes
Gericht Gartow erst im Jahr 1720 entstand, nachdem 1719 der ehemals brandenburgische
Landesteil um Holtorf, Kapern und Gummern an das Kurfürstentum Hannover abgetreten war.
Nun erst stellte sich das Gericht Gartow als geschlossen dar. Innerhalb des Geschlossenen Gerichts
Gartow mit seinen 29 Dörfern bzw. 331 Hofstellen war nicht nur die Rechtsprechung aufrecht
zu erhalten, sondern auch die Verwaltung mit allen Verzweigungen in die Öffentlichkeit und
Privatsphäre. Der eigentliche Gutsbetrieb war davon rechtlich nicht berührt - zumindest was die
Ökonomie betrifft - aber als gleichzeitiger Gutsherr und Amtspatron war der jeweilige von Bernstorff
bei vielen Angelegenheiten stets beteiligt. 16 Dörfer mit 227 Höfen lagen im Gartower Distrikt,
13 weitere Dörfer mit 104 Höfen außerhalb davon.
Zu den Vorrechten – gegenüber ungeschlossenen
Patrimonialgerichten wie Breese i.Br.,
Grabow und Schnega - des Geschlossenen Gerichts
Gartow gehörten gemäß der königlichen
Deklaration vom 9./20. Februar 1720 nicht nur
alle Fälle der Rechtsprechung, vielmehr auch
nach einem Schreiben vom 17. Juli 1722 die
Erhebung und Abwicklung von Steuern bzw.
Militäreinquartierungen und – durchmärschen,
ferner die Aufsicht im Auftrag der Landesherrschaft
an der Landgrenze und Elbegrenze. Mit
hierzu gehört die Kirchenaufsicht über alle
Kirchen und Kapellen im Gerichtsbezirk einschließlich
Personal und Schulwesen. Weitere
1812: Verwaltungsgrenzen in der „Westfälischen
Zeit“, 1989 gezeichnet von Otto Puffahrt
100
Privilegien waren das Alkoholmonopol, die Inbesitznahme von sich in der südlichen Elbehälfte
bildenden Sandinseln und die Ausübung der Rechtsprechung auf denselben. 3
In den Jahren von 1810 bis 1813, als das Kurfürstentum Hannover innerhalb des Königreiches
Westfalen unter französischer Verwaltung stand, fand das französische Recht Anwendung. Die
Gerichtsbarkeit des Hauses Gartow war ab 1.9.1810 aufgehoben bis zum Abzug der Franzosen.
Danach wurde die alte Landesverfassung wieder in Kraft gesetzt und das Haus Gartow erhielt
die Gerichtsbarkeit zurück. Der Gartower Amtmann Dr. Ziegler fungierte während der französischen
Verwaltung als „Friedensrichter“, Prozesse wurden vor dem „Procurator“ Brunnemann in
Salzwedel geführt. Das Königl. Kabinettsministerium in Hannover versuchte 1821, dem Haus
Gartow die Gerichtsbarkeit zu entziehen (Verordnung vom 13.3.1821). Die Hannoversche Ständeversammlung
hatte Vorschläge unterbreitet, den Patrimonialgerichten wie Gartow eines war,
die Gerichtsbarkeit abzuerkennen. Das konnte freiwillig geschehen oder durch Unterlassung einer
vorgeschriebenen Förmlichkeit.
Die Gerichtsbarkeit wollte Ernst Graf v. Bernstorff unter keinen Umständen verlieren, wie er am
30.4.1821 erklärte: „….daß ich von den Rechten und Befugnissen des Hauses Gartow in Hinsicht
der Jurisdiction und Alles dessen was dazu gehört nie etwas freiwillig aufgeben werde, noch auch
ohne eidbrüchige Verletzung meiner Pflichten gegen Vorfahren und Nachkommen aufgeben darf!
…“ Ernst v. Bernstorff berief sich dabei auf das Familienstatut von 1720, nach dem keine Rechte
abgetreten werden durften. Das Haus Gartow behielt die Gerichtsbarkeit aber weiterhin, weil es
zum Verzicht nicht gezwungen werden konnte.
Während der Franzosenzeit war die gesamte Ämterverfassung einschließlich der Patrimonialgerichte
aufgehoben. Somit existierte auch das Geschlossene Gericht Gartow nicht mehr. Sofort
nach Abzug der Franzosen wurde die alte Verfassung wieder in Kraft gesetzt. 4
Die weitere Entwicklung schildert R. Haberland:
Nach einem Gesetz vom 13. März 1821 sollten den Adeligen Gerichten die Kriminaljustiz entzogen
und diese den Königlichen Ämtern zugewiesen werden, und so kam es denn, daß am 28. Dezember
1835 die Landdrostei zu Lüneburg beim Gericht Gartow anfragte, ob die Kriminalgerichtsbarkeit
des Gerichtes nicht „zweckmäßiger“ vom Amt Lüchow wahrgenommen werden könne, da Gartow
kein „wohlbesetztes“ Kriminalgericht bilde und mithin die Urteile nicht selbst sprechen könne.
Gartow jedoch wehrte sich in einem 13 Seiten langen Bericht gegen eine solche Abtretung, die
Entfernung nach Lüchow sei zu groß, in Lüchow reiche das Gefängnis nicht aus usw. Weitere Anfragen
und Berichte gingen hin und her zwischen Lüneburg und Gartow mit dem Ergebnis, daß am
1. November 1841 kurzweg die Kriminaluntersuchungen dem Amte Lüchow übertragen wurden…
Nach einer „Verfassungsnovelle“ vom 5. September 1849, einem Gerichtsverfassungsgesetz vom
5. September 1850 und einer neuen Amtsordnung sollten alle Adeligen Gerichte aufgehoben und
in Königliche Ämter verwandelt oder mit einem solchen vereinigt werden, und es wurden ferner die
Trennung der Justiz von der Verwaltung gesetzlich festgelegt. Diese neuen Bestimmungen hatten
in unserem Grenzgebiet zur Folge, daß das Adelige Gericht Gartow aufgehoben und mit dem gar
zu kleinen Amt Schnackenburg – es zählte 1822 nur 818 Einwohner, das Gericht Gartow dagegen
5033 – zu einem Königlichen Amt Gartow-Schnackenburg vereinigt wurde.
In einem Rezeß vom 1. Juli 1850 wurde zwischen der Landesherrschaft und dem bisherigen gräflichen
Gerichtsherrn folgendes festgesetzt:
101
§ 1. Die Gerichtsbarkeit des Gräflich von Bernstorffschen Gerichtes Gartow wird mit allen
dazu gehörigen Rechten, einschließlich der Polizeigewalt, und allen daraus herfließenden
Aufkünften und Nutzungen an die Landesherrschaft abgetreten, welche sämtliche
mit der Verwaltung derselben verbundenen Unkosten und Lasten übernimmt.
§ 3. Die gutsherrlichen Gerechtsame bleiben unberührt.
§ 4. Die Einnahmen für die Konzessionen zu nachstehenden Gewerben, welche der abtretende
Gerichtsherr bisher bezogen hat, als zum Branntweinschenk, zur Krugnahrung,
zum Musikmachen, zum Kessel-, Sensen- und Futtermesserhandel, zum Kesselflicken,
Scherenschleifen, Siebhandel, Leinsamklappern, zu Zinngießerarbeiten und zum Teerschwelen,
werden auf die Landesherrschaft übertragen.“
Am 15. Juli 1850 übernahm die Landesherrschaft das gräfliche Gericht. Es mußten abgeliefert
werden unter anderem die Peitsche, trockene Maße (Himten), Flüssigkeitsmaße (2 bis 1/16 Quarter),
Längenmaße (Elle), Gewichte (Pfunde), eine Kiste mit Normalziegelsteinen, Siegel. Die letzten
Beamten und Angestellten des alten gräflichen Gerichtes waren: Gerichtsamtmann Dr. Sarnighausen,
Amtsassessor von Meding, Gerichtsschreiber Wagner, Gerichtsvogt Rademacher, Gerichtsdiener
und Pförtner Hildebrandt.
Am 22. Juli 1850 gab das Ministerium des Innern bekannt: „Wir bringen zur öffentlichen Kenntnis,
daß am 15. Juli das Amt Schnackenburg wie auch das der Landesherrschaft abgetretene Patrimonialgericht
Gartow aufgehoben und aus dem vereinigten Bezirke beider Obrigkeiten das Königliche
Amt Gartow-Schnackenburg mit dem Amtssitze zu Gartow errichtet worden ist.“
Das neugebildete Amt Gartow-Schnackenburg zählte 26 Gemeinden, 945 Wohnhäuser, 6393
Einwohner und wurde eingeteilt in zwei Vogteien. Zur Vogtei Schnackenburg gehörte der rechts
der Seege gelegene Teil des Amtes mit den Orten Schnackenburg, Gummern, Capern, Holtorf,
Quarnstedt, Restorf, Pevestorf, Brünkendorf, Vietze; zur Amtsvogtei Gartow der übrige Teil des
Amtes mit den Gemeinden Gartow, Nienwalde, Laasche, Meetschow, Gorleben, Klautze, Gedelitz,
Gr. Breese, Lomitz, Marleben, Nemitz, Prezelle, Prezier, Tobringen, Trebel, Vasenthien, Volzendorf.
Seit der Amtsreform vom 1. Oktober 1852 führte das neue Amt die Bezeichnung Amt Gartow, nicht
mehr Amt Gartow-Schnackenburg. Es trat damals auch die Exklaven Prezier und Volzendorf an
das Amt Lüchow ab und erhielt dafür von Lüchow das Dorf Lanze zugewiesen. Mit der Abtretung
der Gerichtsbarkeit an die Landesherrschaft ab 1.7.1850 ist jegliche Strafverfolgung seitens des
Hauses Gartow eingestellt worden.
Zufolge der 1850 gesetzlich festgelegten Trennung von Verwaltung und Justiz erhielt Gartow noch
in demselben Jahr neben dem Amt auch noch ein Amtsgericht, das dem „kleinen Obergericht“
Dannenberg unterstellt war und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bis zu 100 Talern, seit 1859
bis zu 150 Talern, entscheiden konnte.In Kriminalsachen führte das Amtsgericht, ebenso wie das
alte Amt, nur die Voruntersuchung.
102
25.7.1850: Aufhebung des Königlichen Amtes
Schnackenburg sowie des Patrimonialgerichts
Gartow
Die Amtsgerichte erhielten Dienstgebäude und Personal, wobei die Amtsrichter als Einzelrichter
handelten und entschieden. Das für den Bezirk Gartow zuständige Amtsgericht hatte seinen Sitz
in Lüchow. Die Rechtspflege wurde durch regelmäßig in Gartow stattfindende Sprechtage sichergestellt.
Genau abgegrenzt waren die Zuständigkeiten der Amtsgerichte:
01. Strafsachen: „ die Untersuchung und Aburteilung der zur gerichtlichen Zuständigkeit gehörenden
Polizeistrafsachen, in Kriminalsachen die durch die Strafprozeßordnung ihnen
überwiesenen Handlungen“,
02. Steuer- und Zollvergehen: „das Ermäßigungsverfahren, die Untersuchung und Entscheidung
ohne Rücksicht auf den Wert und auf die Höhe der beantragten Strafe“,
03. Bürgerliche Rechtssachen: „Rechtsstreitigkeiten in Sachen bis 150 Thaler Wert einschließlich“
sowie ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes: „Rechtsstreitigkeiten über
Wegegerechtigkeiten, Grenzberichtigungen, Injurien (Anm. Beleidigungen), Ansprüche aus
einem unehelichen Beischlafe, soweit solche überall vor die weltlichen Gerichte gehören,
Streitigkeiten zwischen Dienstboten und Dienstherren, die aus dem Dienstverhältnisse entspringen,
desgl. Streitigkeiten über Einräumung oder Verlassung einer Wohnung zwischen
Mieter und Vermieter, die Erkennung von Arresten und einstweiligen Verfügungen nach
Maßgabe der Vorschriften der bürgerlichen Prozeßordnung, die Leitung der Konkurse … die
Erledigung aller sonst durch die Prozeßordnungen und andere Gesetze den Amtsgerichten
überwiesenen Handlungen…“
Damit war der Großteil der im ländlichen Raum vorkommenden möglichen Rechtsakte abgedeckt.
Kompliziertere Rechtsangelegenheiten wurden bei den Ober- und Schwurgerichten behandelt. 5
103
… Zehn Jahre noch diente das bisherige Gerichtslokal im Torhaus des Schlosses und das Gefangenenhaus
am Tor zum Schlossgebiet – es ist noch heute vorhanden – mit den drei darin befindlichen
Kojen ihren ehemaligen Zwecken, dann wurde das Hahnsche Gasthaus (Hauptstraße Nr.
32) Amts- und Gerichtslokal.
1850 war Gartow Sitz eines Amtes und eines Amtsgerichtes geworden, und die Gartower haben
sich dessen sicher gefreut. Als man aber staatlicherseits bald daran ging, die Zahl der Ämter zu
verringern – 1859 wurden 19 von 39 Ämtern der Landdrostei aufgehoben und mit benachbarten
vereinigt, darunter auch Wustrow, Clenze und Hitzacker –, da war man in Gartow in großer Sorge,
daß es bald wohl auch das Schicksal Wustrows, Clenzes und Hitzackers werde teilen müssen; doch
die Gefahr ging noch einmal vorüber, und Bürgermeister Dröge gab am 20. April 1861 der Bürgerschaft
in einem „Cirkular“ bekannt: „Als eine besondere Begünstigung unserer höchsten Behörde
haben wir es anzusehen, daß löbliches Amt und Amtsgericht in unserm Städtchen verblieben ist,
da gewiß sämtlichen Bürgern und Geschäftsleuten ein nicht unbedeutender Nachteil erwachsen
wäre, wenn selbiges uns genommen. So ist nun mehrseitig der Wunsch rege geworden, uns hierfür
erkenntlich und dankbar zu beweisen und zwar in der Art, durch gemeinschaftliche Beiträge
….das Bild Seiner Majestät unseres allergnädigsten Königs Georg V. anzukaufen und mit Genehmigung
der höchsten Regierung dasselbe in dem Gerichtslokale unseres Städtchens aufzuhängen“.
Die Anregung Bürgermeister Dröges fand den Beifall seiner „geehrten Mitbürger“. Es wurde
gesammelt und das Bild, „ein großes feines Kupfer, gerahmt mit schönen, breiten Goldleisten“,
gekauft, und groß war die Freude, als Ende Mai ein Schreiben des Königlichen Innenministeriums
eintraf, in dem zum Ausdruck gebracht wurde, „daß des Königs Majestät allergnädigst die von den
Bewohnern des dortigen Fleckens ausgesprochenen Gesinnungen der Treue und Anhänglichkeit
mit Befriedigung entgegengenommen und zu genehmigen geruht haben, daß Allerhöchst dero
Protrait … in den gemeinschaftlichen Geschäftslokalen des Amtes und Amtsgerichtes aufgestellt
werde“. Sechs Jahre später aber war schon wieder Gefahr im Verzuge, und jetzt waren alle Bemühungen,
Gartow das Amt und das Amtsgericht zu erhalten (Entsendung einer Deputation nach
Berlin 15. Sept. 1867, Bereitstellung eines Bauplatzes zum Bau eines Gefangenenhauses 1868),
vergebens. Am 1. Oktober 1871 wurde das Gartower Amtsgericht mit dem Lüchower vereinigt und
am 1. Juli 1872 auch das Amt Gartow mit dem Lüchower. Auch einer Deputation beim „alten Kaiser“,
der in der Göhrde zur Jagd weilte, gelang es nicht, Amt und Amtsgericht wieder nach Gartow
zurückzubringen, so sehr der redetüchtige Ratsherr Lerche aus Schnackenburg den kaiserlichen
Herrn auch für das Anliegen der Abordnung zu interessieren wußte.
Die Gerichtsbarkeit verlor das Haus Gartow jedoch im Zuge der Ämterreformen von 1850. Am
1.7.1850 wurde „die Gerichtsbarkeit des Gräfl. von Bernstorffschen Gerichts Gartow mit allen dazugehörigen
Rechten einschließlich der Polizeigewalt und allen daraus herfließenden Aufkünften
und Nutzungen an die Landesherrschaft abgetreten, welche dagegen von dem Zeitpunkte der
Abtretung und Übernahme der Gerichtsbarkeit an gerechnet, sämtliche mit der Verwaltung derselben
verbundenen Unkosten und Lasten übernimmt.“ Zum Schutz seiner Güter durfte das Haus
Gartow auf eigene Kosten einen Polizeiaufseher anstellen, was jedoch unterblieb.
Bis auf den provisorisch angestellten Gefängniswärter Beußel übernahm die Landesregierung das
Gerichtspersonal. Der bisherige Amtmann Dr. Sarnighausen und der Amtsassessor v. Schulte traten
in den Landesdienst über. Das Haus Gartow vermietete an die neue Amtsverwaltung „das bisherige
Gerichtslocal Gartow nebst zwey daran stoßenden Zimmern der gegenwärtigen Wohnung
des Gerichts-Amtmannes“ sowie das Gefangenenhaus und die Wohnung des früheren Arztes Dr.
Münchmeyer auf 10 Jahre für 280 Rtlr. Jahrespacht.
104
1859 wurde das „kleine Obergericht“ Dannenberg aufgehoben und sein Bezirk dem Obergericht
Lüneburg zugelegt…“ 6
Bis zum Jahr 1884 war nun unser Heimatbezirk ein Teil des Amtes Lüchow. Am 1. April 1885 trat
die am 6. Mai 1884 erlassene Kreisordnung für die Provinz Hannover in Kraft, und Amt und Stadt
Lüchow wurden zum Kreis Lüchow. Am 1. Oktober 1932 wurde er jedoch aufgehoben und mit dem
Kreis Dannenberg vereinigt. 1951 erfolgte die Verlegung des Kreissitzes von Dannenberg nach
Lüchow unter Umbenennung des Kreises in Kreis Lüchow-Dannenberg“. 7
Graf Bechthold von Bernstorff regte im Sommer 1892 aufgrund mehrerer Beschwerden aus der
Bevölkerung die Errichtung eines Amtsgerichtes oder zumindest einer Außenstelle nach Gartow
an. Das Amtsgericht hielt zwar Sprechtage in Gartow ab aber die Entlegenheit von Lüchow machte
sich doch bei juristischen Handlungen negativ bemerkbar. Da sich der angeschriebene Richter
Thilo auf Urlaub in der Schweiz befand, antwortete dessen Kollege, Amtsrichter Schulze u.a.: „ daß
das Amtsgericht vielfach Gelegenheit gehabt hat, sich von den Unzuträglichkeiten des jetzigen Zustandes
zu überzeugen … Die weiten Entfernungen, die Schwierigkeit des Verkehrs namentlich im
Winter sowie die durch den jetzigen Zustand der Staatskasse erwachsenden Kosten reden eine so
deutliche Sprache, daß eine erneute Anregung der Frage aus den Kreisen der Bevölkerung heraus
nur freudig begrüßt werden kann…“. Amtsrichter Thilo meldete sich später ebenfalls zu Wort: „…
So wenig ich mich persönlich dem verschließe, so wenig lebe ich andererseits der Hoffnung, daß
etwaige in besagter Richtung unternommene Schritte von Erfolg begleitet sein werden.
Das Amtsgericht in Gartow ist seiner Zeit aufgehoben
und diese Aufhebung ist keinesfalls
ohne eine gründliche, sorgfältige Prüfung der in
Betracht kommenden Verhältnisse gefallen …
als ja doch erkannt werden muß, daß Handel
und Wandel im dortigen Theil des Bezirks nur
gering und die Rechtsverhältnisse nicht sehr
erheblich sind, wenn es auch auf den Sprechtagen
lebhaft genug zugeht. Da auch die durch
die Justizreform von 1879 geschehenen Veränderungen
und die sonstigen Justizgesetze
der neuen Zeit wesentliche Momente für eine
veränderte Beurteilung der vorliegenden Frage
nicht bieten, so erscheint mir eine Entscheidung
derselben im Sinne der dort gesagten
Wünsche leider wenig aussichtsvoll…“
Graf von Bernstorff mobilisierte daraufhin die
einzelnen Gemeindevertreter, sein Gesuch
zu unterstützen, was dann auch geschah. Am
25.11.1892 erhielt der damalige Justizminister
v. Schelling in Berlin einen entsprechenden
Brief vom Grafen. Der Minister antwortete nicht
selbst, sondern stellvertretend für ihn der Präsident
des Königl. Oberlandesgerichts Celle am
31. Januar 1893: „… Wir haben das Amtsgericht
in Lüchow und die Herren Vorstandsbeam-
1893: Gerichtstermine im Amtsblatt der Kgl. Regierung
in Lüneburg
105
ten des Landgerichts in Lüneburg sich über das Gesuch äußern lassen und glauben in Übereinstimmung
mit denselben der Meinung sein zu müssen, daß kein hinreichendes Bedürfnis für die
Wiederherstellung eines Amtsgerichts in Gartow besteht. In Betracht gezogen ist dabei, daß die
den westlichen Theil des vormaligen Amtsgerichtsbezirks Gartow bildenden sogen. Tannendörfer
durchschnittlich gleich weit von Gartow wie von Lüchow entfernt sind und den Interessen der
weiter östlich belegenen Ortschaften durch die Einrichtung des allmonatlich zweimal in Gartow
stattfindenden Gerichtstages Rechnung getragen wird.
Wir erkennen an, daß für jene Ortschaften Unzuträglichkeiten übrig bleiben, welchen durch die
Einrichtung des Gerichtstages nicht abgeholfen wird. Sie scheinen uns aber in dem Maße doch
nicht vorzuliegen, daß sich der bedeutende Kostenaufwand rechtfertigen könnte, der mit der Errichtung
eines Amtsgerichts verbunden sein würde …“ 8
Es wurden Mängel in der Aufrechterhaltung der Rechtspflege im Gartower Bezirk eingestanden
aber es blieb dabei, daß das Lüchower Amtsgericht zwei Mal im Monat in Gartow Gerichtstage
bzw. Sprechstunden abhielt. Das blieb auch nach 1945 noch so. Im Sommer 1971 sind die Gerichtstage
eingestellt worden. Inzwischen existiert auch das Lüchower Amtsgericht nicht mehr; es
wurde 1971 mit dem Amtsgericht Dannenberg vereinigt. 9
25.3.1872: Vereinigung des Amtsbezirks Gartow mit dem Bezirk des Amtes Lüchow
1870: Dienstsiegel des Amtsgerichts Gartow Amtsgericht Gartow: Gebührenmarke
½ Thaler, 15Gr.
106
Rechtspflege
Früher waren Verwaltung und Justiz noch nicht getrennt, d.h. der Besitzer des Hauses Gartow war
gleichzeitig oberster Gerichtsherr und somit für die Verfolgung und Bestrafung von Vergehen verantwortlich.
Dieses Amt konnte der Gerichtsherr wegen fehlender juristischer Kenntnisse und aus
Zeitgründen selbst nicht wahrnehmen. Daher war das Haus Gartow gehalten, für das Justizwesen
im Gartower Bezirk eine juristisch gebildete Person sowie Strafverfolgungspersonal anzustellen.
Um 1694/95 reichte ein Gerichtsdiener in der Person von Jürgen Schultze, der jährlich 12 Rtlr.
Lohn, 15 Himten Roggen (375 kg) und „3 Ende Landt“ erhielt.
Von 1695 bis 1716 versah dieses Amt Dr. Münter aus Lüchow, der vom Haus Gartow dafür mit 30
Rtlr. jährlich besoldet wurde. Er hielt zwei Mal im Jahr für 1 - 3 Wochen in Gartow zusammen mit
dem Gerichtsschultheiß Kolbe sogen. Gerichtstage ab, um die vorgefallenen Klagen der Untertanen
protokollieren zu lassen oder sofort zu schlichten. Als er im Dezember 1704/Februar 1705 in
Gartow weilte, ließ er sich aus der Schloßküche gut bewirten: „Ein Viertel vom Kalbe, 1 Pfund Baumöhl,
1 Quartier Branntwein (rd. 1 Liter), Hühnerfleisch, Butter, Semmel, Gewürze und Pflaumen“.
Von 1699 bis 1712 beschäftigte das Haus Gartow den Gerichtsaktuar Bernhard Matthias Dücker
und um 1716/17 Johann Nikolaus Fescken. 10
Um 1704/05 arbeitete der Stendaler Bürgermeister und „Syndico“ Berndis als Advokat für das
Haus Gartow. Um rechtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit den drei vorgenannten Dörfern
in der Berliner Kanzlei durchzusetzen, wurde der dortige Prokurator Christian Ludwig Stärken
vom Haus Gartow jährlich mit 20 Rtlr. besoldet.
Als 1713 der Gerichtsaktuar Christian Andreas Lüderwald und der Schreiber Conrad Dietrich Redlich
angestellt wurden, fungierte Dr. Münter nun als „Justiziarius“ des Hauses Gartow bei gleichem
Gehalt.
Bis der erste Gartower Amtmann seine Geschäfte aufnahm, haben sogenannte Gerichtsverwalter
Justizfälle bearbeitet.
Die Nachfolge von Dr. Münter trat ab 1716 der Gerichtsverwalter Johann Henrich Brüncke aus
Varel an, bis 1718 der erste Gartower Amtmann Daniel Westing aus Lüneburg dieses Amt mit
übernahm und ein Gerichtsverwalter entbehrlich wurde.
Da das Haus Gartow bis 1719 auch Rechtsprechungsangelegenheiten bei den Untertanen in den
brandenburgischen Dörfern Holtorf, Kapern und Gummern wahrnehmen mußte, war es von Vorteil
auch dort einen Interessenvertreter zu wissen. Schließlich war Brandenburg damals Ausland. Mit
der Wahrnehmung Gartower Interessen war dort der Grenzrat Berndissen aus Osterburg betraut.
Vom Haus Gartow erhielt er für seine Bemühungen eine Jahresbesoldung von 50 Rtlr.
Selbstverständlich war der Amtmann ferner verpflichtet, sich juristisch für die Belange der gräflichen
Familie einzusetzen sowie entsprechende Gutachten und Klageschriften zu verfassen. Hatte
der oberste Gerichtsherr eine juristische Bildung, durfte er selbst Recht sprechen, war aber lt.
Verordnung vom 1.8.1798 verpflichtet, „einen Geschworenen Actuarium“ zu halten.
Die Polizey (-aufsicht) im Flecken Gartow, in den Dörfern, an den Grenzen und im ganzen Gerichte
Gartow mit größter Wachsamkeit und nöthiger Strenge handhabe und so viel an ihm ist, nichts
107
unbemerkt und ungerügt lassen was der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und denen bestehenden
Polizei-Verordnungen gefährlich, nachtheilig oder entgegen seyn mag auch die Gerichtsdiener zu
Allem, was hierin ihres Amtes ist, mit Strenge anhalte… die Ausübung des Richter-Amts hingegen
wird selbigem (Amtmann) …ohne alle Einmischung des Gerichtsherrn (Graf v. Bernstorff) überlassen…Die
in meinem Gerichte eingeführten Schulzen-Tage, den ersten Dienstag in jedem Monate,
gehörig abhalte und die (Dorf-) Schulzen und Geschworene mit Nachdruck und Strenge anhalte,
dass sie ihrem geleisteten Eide gebührend nachleben…“
In die Kompetenz des Hauses Gartow fielen mehr die geringfügigen Delikte wie z.B. Beleidigung,
Diebstahl, Körperverletzung, Verstöße gegen Landesgesetz, Abpflügen von Land, Ackerschäden,
Verbote gegen Bierbrauen und Schnapsbrennen, Brandstiftung, Unfug, Lärm, Glücksspiele, Verstöße
gegen die Feuerordnung usw. Vergehen gegen bestehende Verbote und hauseigene Verordnungen
wurden generell als „Brüche“ bezeichnet. Dabei wurden vier Arten unterschieden:
01. Unzuchtbrüche (Schwängern vor der Eheschließung)
02. Gerichtsbrüche (Diebstähle, Beleidigungen, Schlägereien, Übertretung von Landesgesetzen)
03. Jagd- und Forstbrüche (Forstvorschriften, Nichteinhaltung von Jagd- und Forstvorschriften),
04. Herrendienstbrüche (Nichterscheinen zur Dienstableistung). Die dafür verhängten Geldstrafen
flossen dem Haus Gartow zu, daß damit das Gerichtspersonal finanzierte. Die Einnahmen
aus den „Gerichtsbrüchen“ wurden zu einer festen, immerwährenden Einnahmequelle.
Die als Richter fungierenden Gartower Beamten durften nach einer Verordnung („Sportuln-Taxa“)
für ihre Bemühungen Gebühren von den Auftraggebern erheben. So mußte jede Person, die
schriftlich vor Gericht zitiert wurde, 1 ggr. zahlen und für jeden protokollarischen Vorbescheid 3
ggr. Die Bekanntmachung eines Urteils kostete 6 ggr., ein Zeugenverhör ebenfalls 6 ggr. und ein
Bericht an ein Obergericht schon 1 Rtlr. Gleiche Gebühren kosteten eine Ehestiftung, Hofübertragungen
oder Testamente, sowie die Ausstellung eines Geburtsscheines und Lehnbriefes. Von
jedem Fall eines geringfügigen Vergehens („Brüche“) erhielt der Amtmann 3 ggr. Gebühren. Sehr
hoch war das „Geleite-Geld für auswärtige Huren“ mit 3 Rtlr.
Mußten der Amtmann, Amtschreiber und Aktuar einen tagesfüllenden Ortstermin abhalten, durften
sie „Diäten“ kassieren (2 Rtlr., 1 Rtlr. 8 ggr, 1 Rtlr.) War der Amtmann verhindert, durfte der
„Zweiter Beamte“ der Amtschreiber, die Rechtspflege betreiben.
Die Vögte, Förster und Nachtwächter sowie die
Kirchengeschworenen waren verpflichtet innerhalb
ihre Wirkungsbereiche auf die Einhaltung
gesetzlicher Bestimmungen zu achten. Ein großer
Teil der Anzeigen und Anklagen kam jedoch
aus der Bevölkerung selbst. Bei der damaligen
sozialen Einbindung der Menschen blieb kaum
eine Veränderung unbemerkt, sei es der plötzliche
Holzreichtum auf dem Hof aus Holzdiebstählen
oder auffällige Lebensweise.
Rechtspflege war unbedeutend. Aufgabe des
Gerichtsvogtes war es „…jährlich auf Laurenti-
Tag, wenn der Garten- und Wiesenzins fällig ist,
solchen von der Bürgerschaft beizutreiben
Gefängnisinsasse
108
und die Heudienste im Flecken Gartow bestellen, auch wenn es das Haus Gartow verlangt, die
Aufsicht über die Heuer mit übernehmen…“ 11
Nach einem Dienstvertrag von 1771 hatte der Gerichtsvogt folgende Aufgaben: „…Insonderheit
bey dem ihm anvertrauten Dienst den ganzen Tag, außer in der Mittagsstunde und wenn er in
Dienstsachen verschickt wird, vor der Gerichtstube aufwarte, dieses Zimmer so ofte es nöthig
ausfege nebst seiner und der Gerichtsdiener Frauens die Fenster und den Fußboden wasche,
den Ofen heize, das dazu erforderliche Brennholtz mit den Gerichtsdienern klein säge, haue und
auftrage … Jedermann, der vor Gericht zu erscheinen begehrt, mit Bescheidenheit ohne den geringsten
Aufenthalt anmelde …. Die Verordnungen und Patente anschlage …. daß kein Bettler,
Landstreicher oder sonstiger unbekannter schlecht gekleideter verdächtiger Mensch auf dem
Gartower Schloßhofe gehe oder sich dem Schloße nähere ….. die ihm vom Gericht zukommenden
Befehle, Schriften und Bescheide denen Parteien … zustelle …. Wenn jemand mit Gefängnis- oder
Leibesstrafe beleget und Verbrecher in gefängliche Haft genommen werden sollen, die Herbeiholung,
Inhaftierung, Schließung am Halseisen, im Block, Sprengel, Spanischen Mantel mit aller
Geschwindigkeit, Sorgfalt und Behutsamkeit ohne alle unnötige Härte …. pünktlich ausrichte …
usw“ . Der Gerichtsvogt mußte einen Diensteid ablegen .Er führte auch die Dienstaufsicht über die
Gerichtsdiener und dem Schlossnachtwächter und wirkte bei Abschiebungen von Personen und
Beschlagnahmen mit. Dem Gerichtsvogt oblag das Anschließen von Verurteilten an den Strafpfahl,
den Block oder die Anlegung des spanischen Mantels. Dafür erhielt er entsprechende Gebühren.
Der um 1751/52 tätige Gerichtsvogt Jacob Malchin Thrams brauchte seit 1750 nicht mehr zwei
Mal wöchentlich „die Postkiepe“ von Pretzetze zu holen, weil die Postkutsche nun auch Gartow
anfuhr.
Die späteren Gartower Amtmänner wurden in den Dienstinstruktionen, wie z.B. in einem Text von
1810, auf die Justizpflege hingewiesen: „….alle ihm von mir aufzutragende zur Gerichtspflege und
sonst zum Ressort derer Beamten zu Gartow in Criminal- oder sonstigen Justiz- auch Polizey-
Sachen gehörende Angelegenheiten und Geschäfte mit treuestem Eifer und Fleiß, wie es nur von
einem gutdenkenden, getreuen und geschickten Beamten erwartet werden mag, übernehme, besorge
und zu Ende bringe…“
Präziser werden die Justizaufgaben in der Dienstinstruktion von 1824 formuliert:“…In allen Civil
und Criminal-Sachen die Königlichen Verordnungen nebst denen darinnen angenommenen Gesetzen,
die Landes-Observanz und denen nicht widersprechende hiesige Gerichts-Gewohnheiten
zum Grunde seines Verfahrens lege. Auf die sich zum Inquisitorial-Verfahren qualificirende Verbrechen
ein besonders wachsames Auge habe, damit solches ins Klare gebracht und der Thäter
ausfindig gemacht werden möge...“
Folgende Gerichtsvögte haben bis 1795 dem Haus Gartow gedient:
Dietrich Schulzen (1695 - 1696), Johann Hinrich Lippold (1772/73), Johann Jürgen Weichmann
(1696 - 99), Christoph Marpurg (1699 - 1702), Claus Carstens (1704 - 1718), Johann Adam Hetzner
(1718 - 1723), Johann Hinrich Lippold (1722 - 1789), Friedrich Guhl (1723 - 1746), Jacob
Malchin Thrams (1750 - 1762), Jochim Hinrich Gotts (1762 - 1772), Joachim Heinrich Kubel (1789
- noch 1795), Johann Joachim Christian Märtens (seit 1819) und Georg Pöhler (seit 1832). Ab
1832 wurde ein zweiter Gerichtsvogt in der Person des N.N. Blanke in Trebel eingesetzt. Der ehem.
Wachtmeister und Grenzvogt N.N. Rademacher löste 1838 den Gerichtsvogt Pöhler ab.
109
Als Exekutivpersonal hielt sich das Haus Gartow jeweils einen Gerichtsvogt sowie mehrere festbesoldete
Gerichtsdiener, die sog. „Wachtschützen“, die bei Festnahmen, Pfändungen und Gefangenentransporten
fungierten. Auf den Jahrmärkten in Gartow und Trebel nahmen Vogt und
Gerichtsdiener Ordnungs- und Überwachungsaufgaben wahr. Wenn z.B. in Trebel Markttag war,
wurden durch sie ein Korporal und vier Landmilizsoldaten als Wache vom Haus Gartow angefordert
„umb die Unordnungen und Schlägereyen so daselbst bißher ofte vorgegangen, zu steuern“.
In den Jahren1696/97 gab es vier Wachtschützen:
Hans Pevestorf und Clauß Basaer aus Gartow sowie Jürgen Haße und Jürgen Grönmöller aus
Quarnstedt. 12
Die Gerichtsdiener profitierten von Gesetzesverstößen ebenfalls, indem auch sie Gerichtsgebühren
von den Tätern und vom Gericht erhielten. Dieses Geld sollte ein Ansporn zur unnachsichtigen
Strafverfolgung sein. Der Transport eines Gefangenen oder Vagabunden bis zur Grenze des Bezirks
Gartow wurde mit 6 ggr. honoriert, an Botenlohn für jede gelaufene Meile Wegstrecke 3 ggr.
gezahlt und das Kassieren des Standgeldes auf den Jahrmärkten in Gartow und Trebel brachte 1
ggr. Jede Inhaftierung wurde mit 3 ggr. belohnt und die 24 stündige Bewachung von Arrestanten
mit 4 ggr. vergütet. Todesurteile brachten für jeden Gerichtsdiener täglich 4 ggr. an Gebühren und
der Scharfrichter durfte ebenfalls Gebühren für seine Bemühungen kassieren. 13
Außer den Gerichtsdienern sind im weitesten Sinne auch der Pfandemann (Pfänder) und der Gartower
Bürgerrichter dem Justizpersonal zuzurechnen. Der Bürgerrichter hatte jedoch kein Richteramt
inne, sondern übte lediglich eine Aufsichtsfunktion aus. Nur nachrichtlich werden die Gartower
Bürgerrichter hier aufgeführt: Adam Janeke (1694 - 1699), Jochim Bohlmann (1699 - 1706), Peter
Bormann (1708 - 1711), Henrich Zesterfleth (1711 - 1715), Hans Kubel (1715 - 1720), Christoph
Harnisch (1720 - 1722), Jacob Schultzen (1722 - 1772), Friedrich Wilhelm Riechert (1762 - 1764),
Hinrich Jochim Meyer (1764 - 1766), Friedrich Wilhelm Riechert (1766 - noch 1795).
Als Exekutivpersonen des Hauses Gartow werden auch der Schloßnachtwächter
H.B. Götz und der Pfandemann Joachim Friedrich Wiech genannt.
Als Wachtschützen bzw. Gerichtsdiener fungierten:
Um 1694/95 Jürgen Schultze, der jährlich 12 Rtlr. Lohn, 15 Himten Roggen (375 kg)
und „3 Ende Landt“ erhielt; um 1709/10 Nikolaus Carstens unter der Bezeichnung „Gerichtsvoigt“.
Da er als zusätzliche Aufgabe die Post des Hauses Gartow zu Fuß von Pretzetze abholen
mußte (die Postkutsche fuhr Gartow nicht an), erhielt er jährlich ein Paar neue Stiefel, später
als Ersatz für abgenutztes Schuhwerk ein sogen. „Stiefelgeld“. Um 1709/10 waren die Wachtschützen
Hans Pewesdorf, Bastian Leip (aus Lomitz), Claus und Jürgen Gronmöller noch nicht
fest angestellt sondern wurden von Fall zu Fall eingesetzt. Die Wachtschützen erhielten Tagelohn,
weil sie „auf den 3 Gartowschen- und 2 Trebelschen Marckt Tagen mit dem Gewehr aufgewartet.“
Um 1730/31 waren der Gerichtsvogt Friedrich Guhl und die drei Wachtschützen Johann Hinrich
Höppner, Stoffer Schulte und Johann Rosenthal fest angestellt. Die Wachtschützen Johann Jürgen
Cordts, Christoph Reusch und Jochim Evers erhielten jeweils jährlich 8 Rtlr. Lohn und alle drei Jahre
eine neue, grün-rote Uniform vom Haus Gartow. Christoph Schütte, Johann Joachim Wegener,
Christoph Hinrich Meinecke (1772/73), Gottfried Ludwig Gehrke, Jacob Heinrich Michels (beide
seit 1815, 1823) . Sie verrichteten gleichzeitig Dienst als Schlossnachtwächter. Es folgten Johann
Ludwig Hildebrandt, Jacob Heinrich Michelsen (1838/39). Nach der französischen Besetzung wurde
der Begriff „Wachtschützen“ abgeschafft und generell durch den „Gerichtsdiener“ ersetzt. 14
110
Zur Unterbringung von verdächtigen und beschuldigten Personen diente ein Gefängnis, das sich
zeitweise im Torhaus neben der Wohnung des Schließvogtes auf dem Schloßplatz befand (um
1705). Später sind Kriminelle in den Keller des Schloß-Brauhauses gebracht worden. Vor dem
Schloßtor befand sich der 1723 errichtete Strafpfahl. Für die symbolische Aufrichtung des Strafpfahles
erhielten die damit betrauten Nemitzer Einwohner vom Haus Gartow eine halbe Tonne
Bier.
1750 wurde auch auf dem Prezeller Kirchhof ein Strafpfahl errichtet.
Sind Personen in das Gartower Gefängnis eingeliefert worden und blieben dort mehrere Wochen,
hat man die entstandenen Unkosten für Verpflegung und Bewachung auf alle Untertanen des Gartower
Bezirks abgewälzt. Die von der bodenbearbeitenden Bevölkerung eingezogenen „Delinquentengelder“
waren gemäß der Hofqualität gestaffelt. So zahlte ein Vollhöfner um 1730 den Betrag
von 1 Rtlr. 12 ggr., ein Viertelhöfner 9 ggr, ein Kossater 6 ggr. und ein Brinksitzer 4 ggr. 6 Pfg.
Von der Gartower Bürgerschaft wurde kein Geld erhoben, sondern sie mußte die Gefangenenbewachung
übernehmen. Der Gartower Scharfrichter war für die Reinigung der Zellen verantwortlich.
Um 1838 existierte am Torhaus des Schloßes ein Gefangenenhaus, das damals „theils zu
Gemächern für Gefangene und deren Wächter eingerichtet, auch sind noch einige Gemächer für
Gefangene massiv und mit einem Dornschen flachen Dache erbaut“ wurde.
1715 war der Scharfrichter (Nachrichter) V.W. Kannenberg für die Reinigung des Gartower Gefängnisses
zuständig. Damals war der wegen verschiedener Diebstähle inhaftierte Hans Weber aus
Trebel im Gefängnis verstorben. Nun galt es, ihn zu beerdigen. Zuvor lieferte der Tischler Johann
Hilmer Meyer einen Sarg, während seine Frau den Toten wusch und herrichtete und das Totenkleid
anlegte. Als Totengräber erscheinen Johann Jahncke und Stephan Nehle. Als Totenträger fungierten
gräfliche Vögte und Hofknechte, die dafür von der gräflichen Brauerei eine halbe Tonne Bier
erhielten.
Zu jener Zeit machten einige Bettler Bekanntschaft mit dem Gefängnis als sie auf dem Trebeler
Jahrmarkt vom Landmiliz-Corporal Hinrich Bahlcken und 6 „Ausschuß-Knechten“ aufgegriffen
wurden. Die Hälfte des Strafgeldes als Denunziantengebühr erhielten Wachtschütze Leip und der
Sohn des Gerichtsvogts Hetzner weil sie drei Fremde beim Rauchen ohne geschlossene Pfeifenkapsel
beobachtet hatten.
Kosten verursachte 1724 die 26 tägige Inhaftierung der Marie Sannecke, die „wegen verschiedener
Übelthaten und Unzucht“ festgenommen wurde. Als im April 1724 drei Tagelöhner wegen
Diebstahls in das Gefängnis mußten, fertigte der Gartower Kleinschmied Arend Barles eine neue
Kette mit Handschellen an.
Fast alle schweren kriminellen Delikte sind von auswärtigen Gerichten verhandelt worden und die
Verurteilten verbüßten ihre Strafen in auswärtigen Zuchthäusern. Ein solches Schicksal erlitt die
Ehefrau des Musketiers Christoph Paaschen, Elisabeth geb. Gehrckens im Jahre 1735. Sie hatte
aus Unachtsamkeit am 10.12.1734 in Brünkendorf eine Feuersbrunst entstehen lassen und kam
in das Zuchthaus Celle.
Als im Mai 1751 die Ehefrau des Jürgen Jathe, Marleben in der Elbe tot aufgefunden wurde, kam
der Ehemann als Verdächtiger in das Gefängnis. Wenig später ist die ledige Catharina Elisabeth
Dahrendorf aus Wirl wegen des Verdachts des Kindermordes ebenfalls in das Gefängnis einge-
111
liefert worden. Jürgen Jathe starb übrigens am 16.8.1751 im Gartower Gefängnis, vielleicht an
den Folgen der Tortur, die der Scharfrichter Christoph Schultze auch an Elisabeth Schäfer 1749
vornahm.
Gerichtsbrüche und Geldstrafen Gartower Einwohner
Sehr eindrucksvoll ist von Haberland die Hinrichtung des Pferdediebes Friedrich Ludolf Wiese aus
Nienwalde am 4.12.1772 geschildert worden. Es war die letzte Hinrichtung. Die Prozedur der Vorbereitungen
und die Hinrichtung selbst sind nach einem festgelegten Ritual unter Einbeziehung
vieler Personen vorgenommen worden. 15
Bereits zu v. Bülowschen Zeiten waren die festgesetzten Strafen für Vergehen im Rahmen der
niederen Gerichtsbarkeit eine willkommene, stets sprudelnde Einnahmequelle. Auch die Grafen v.
Bernstorff verzichteten nicht darauf, um Ordnung zu halten und Gesetzesübertretungen zu ahnden.
Einige wenige Beispiele mögen veranschaulichen, um was es früher Streit gegeben hat. Die
Vergehen sind als „Gerichtsbrüche“ bezeichnet worden:
Johann Meyer und Jochim Rönneberg aus Gartow hatten trotz Verbots im Dorfkrug von Holtorf
sonntags „gesoffen und sich dabey geschlagen“. Meyer, der die Prügelei begann, zahlte 1 Rtlr.
Strafe, Rönneberg dagegen nur 12 ggr.
Die Frau von Jürgen Henrich Röhrs aus Gartow hatte Christian Ellies übel beschimpft, als er im Auftrag
der Gemeide den Hirtenlohn einsammelte. Weil sie in ihrer Erregung ihn noch auf der Straße
„schimpfliche Worte“ nachrief, fiel die Geldstrafe mit 1 Rtlr. ziemlich hoch aus.
Johann Nikolaus Hildebrand aus Gartow beklagte sich über Jochim Ohnsorge, dessen Pferde gerade
frisch angekauftes Gras verdorben hätten. Ohnsorge zahlte 12 ggr. Strafe.
Der gräfliche Federschütze Hans Buchhorn mußte feststellen, daß der Hund vom Jochim Ellies
aus Gartow mehrmals im Wald ohne den vorgeschriebenen Knüppel am Hals angetroffen wurde.
Als Buchhorn dem Ellies eröffnete, beim nächsten Mal den Hund zu töten, drohte ihm Ellies eine
Tracht Prügel an. Ellies wurde zu 1 Rtlr. Geldstrafe verurteilt.
Schäferknecht Johann Henrich Pleße hatte im November 1709 den Sohn von Jochim Ellies scheinbar
grundlos „übel geschlagen“. Dafür mußte Pleße 18 ggr. Strafe zahlen. Johann Nicolaus Hildebrand
aus Gartow sah in seinem Gehege Pferde des Scharfrichters aus Gartow, die dort Schaden
anrichteten. Als er die Pferde kurzerhand pfändete und den Sohn des Scharfrichters zur Rede
stellte, nahm dieser ihm die Pferde weg. Der Sohn musste dafür 1 Rtlr. zahlen.
Die namentlich nicht genannte Hebamme aus Gartow beklagte sich, als sie im Hause des Bürgermeisters
gewesen ist, über den Schneiderburschen Köhne Ludwig Christian Hohnstock. Der
wohnte vorübergehend dort und geriet mit ihr „ohne alle Ursache“ in Streit, wobei er sie eine alte
Hexe nannte und auf eine Bank stieß. Hohnstock wurde zu 16 ggr. Geldstrafe verurteilt.
Henrich Ohnsorge aus Gartow versäumte den ihm aufgetragenen Wachdienst und entzog sich
erfolgreich einer Zwangseintreibung. Auch die Ehefrau von Anton Kubel hatte ein Wachvergehen
begangen. Es wurden Geldstrafen von 12 bzw. 10 ggr. verhängt.
112
Leinweber Jochim Schulte und Jochim Rönneberg aus Gartow haben am 19. Januar 1711 „fast
die gantze Nacht in Jochim Ellies Hause durch, mit Geigenspiel, auch Saufen und Carten-Spiel“
gefeiert und begannen anschließend eine Schlägerei untereinander. Ellies, der das Treiben trotz
Verbots zugelassen hatte, zahlte 2 Rtlr. Strafe, Schulte und Rönneberg zusammen 3 Rtlr.
1711: Gerichtsbrüche im Flecken Gartow
113
Jochim Ohnsorge aus Gartow hatte sich unterstanden trotz Verbots dem Schuhmacher Harnisch
an einem Sonntag vor Beendigung des Gottesdienstes ein Bier zu zapfen. Das kostete Ohnsorge
16 ggr. Strafe.
Die Einsicht in der Befolgung von einzuhaltenden Bestimmungen war in Gartow im Jahre 1715
noch nicht sonderlich ausgeprägt. Es sind etliche Strafgeldzahlungen angeordnet worden:
Wegen nicht ausgeführter Räumung des Rönnegrabens in den Hahnenbergen „beym großen
Moore“ wurde die Bürgerschaft vom Haus Gartow zu 10 Rtlr. Geldstrafe verurteilt. Da eine Pflichtverletzung
des Bürgermeisters vorlag, ist diese auf 5 Rtlr. „auf inständiges Bitten“ reduziert worden.
16
Christian Bätche wurde vom Gartower Pfandemann Andreas Gentze des nachts auf dem Schäferkamp,
seine drei Pferde dort hütend, angetroffen.
Henrich Ohnsorge hatte sich unterstanden, im Moor sein Land eigenmächtig durch Abpflügen zu
vergrößern.
Lorenz Hasse hingegen hatte in den Heidstücken unerlaubterweise Plaggen gewonnen.
Das illegale Anlegen eines Grabens an seinem Ackerkamp im Hahnenberge außerhalb der Landgrenze
brachte Jacob Jürgen Giegeler eine Strafzahlung ein.
Christian Ellies war angewiesen, einen Zaun zu errichten, was er unterließ. Als gegen ihn Zwangsmaßnahmen
eingeleitet wurden, hatte er „die allerlosesten und bösesten Worte ausgestoßen,
auch öfters bey erhaltener Execution solche Insolvencien verübet“.
Auf Anzeige des gräflichen Hofmeiers Johann Bade aus Rucksmoor mußten Johann Nicolaus
Hildebrand und Anton Kubel zugeben, auf gräflichem Land (Dannstücke) Bäume abgepflügt zu
haben. Hildebrandt wiederholte seine Tat sogar.
Hildebrand geriet wenig später mit dem Gartower Bürgerrichter in Konflikt, weil er zum Heumachen
„ein gar kleines Mädchen gesandt“. Als der Bürgerrichter dies monierte, auch pfänden wollte,
widersetzte sich Hildebrand. Seine Frau stand ihm bei und nannte den Bürgerrichter „einen
alten Umbringer“.
Henrich Ohnsorge richtete mit seinen Pferden im Gerstenfeld des Scharfrichters Kannenberg
Schaden an.
Christian Bätche wurde überführt „daß er vor des Bürgermeisters Hildebrandt Thür besoffen, eine
Forke in der Hand habend, gekommen und mit Ungestüm verlanget herauszukommen“. Hildebrandt
sollte nach Meinung Bätches die Pferde der Bürger auf den Schäferkamp treiben, der
jedoch dem Hause Gartow gehörte.
Selbst der Bürgermeister Adam Christian Hildebrandt nahm es nicht so genau. Der Pfandemann
traf ihn in den Hahnenbergen während der Eichelmast mit seinen sechs Pferden an. Die Pferde
wurden zeitweilig in Gewahrsam genommen.
Ebenfalls nachts hütete Henrich Bormann seine Pferde in der Weddewiese, wo Pfandemann Gentz
ihn aufspürte. Das gleiche tat Anton Kubel dort, ferner Lorenz Hasse, Jochim Ohnsorges Witwe,
114
Jochim Ellies, Friedrich Kaulitz, Jochim Mauchel und Henrich Ohnsorge. Pfandemann Gentz pfändete
allesamt deren Pferde.
Hans Kubel beschwerte sich über den Tischler Johann Hilmer Meyer, der bei Kubel auszog und
einen Teil der Miete schuldig blieb. Kubel pfändete daher einen Kessel von Meyer, der dem Wert
der Schuld in etwa entsprach. Daraufhin nahm Meyer wiederum einen Kessel von Kubel mit und
„hat dabey sehr geschimpfet“.
Die Ausschußknechte (Milizionäre) Günter Hildebrand, Jochim Bollmann und Henrich Ellies haben
abends vor dem Haus des Scharfrichters Kannenberg in Nähe seiner Haustür „mit ihrem Gewehr
gefährlich geschoßen, auch allerhand Muthwillen verübet“.
Jacob Jürgen Giegeler wurde bestraft, weil er Johann Jochim Möller geschlagen hatte.
Wegen nicht geleistetem Grabenräumen beim Schäferkamp und Nichterscheinen beim Gericht
deswegen, erhielten Jacob Werner Hennings, Henrich Ohnsorge und Christian Ellies Geldstrafen.
Dann verfiel die gesamte Gartower Bürgerschaft in Kollektiv-Geldstrafe, da sie für ihre Gänseherde
entgegen einer bestehenden Landesverordnung keinen Hirten angestellt hatte.
Margarethe Baßar verweigerte den obligatorischen Heudienst und widersetzte sich der Pfändung
durch den Bürgerrichter.
Auch Johann Hilmer Meyer weigerte sich zum Heudienst, schickte auch keinen Ersatz. Als der Bürgerrichter
Hans Kubel eine Pfändung vornehmen wollte, „fiel er dem Bürgerrichter in die Haare“.
Als die Ehefrau von Meyer sich ebenfalls wehrte, stieß er sie zu Boden. Nun wurde auch Kubel
bestraft.
Anne Margarethe Schultze, Tochter des Jacob Sch., beleidigte Anne Margarethe Vollenschar, sie
sei „eine Ehebrecherin und allgemeine Hure“.
Wieder einmal traf Pfandemann Gentz nachts Jemanden mit seinen Pferden im Haferfeld auf dem
Schäferkamp an, es war Friedrich Kaulitz. Tagsüber schädigten dort die Gänse von Johann Hasse
und Hans Zincke den Hafer.
In Strafe verfielen mehrere Gartower Bürger, weil sie bei zu leistendem Deichdienst zur Schonung
ihrer Pferde die Seitenbretter ungenügend hoch anordneten „und also damit wenig schaffen und
ausrichten können“. 17
Drastisch durchgegriffen wurde ferner 1725, als die Dorfschulzen Levin Bahlken und Hanß Jürgen
Lange aus Holtorf als Zeugen vom Haus Gartow vorgeladen worden sind. Sie mußten mit ansehen
„wie denen Caperschen die zu kurtz befundenen Mist-Wagen, die sie auf den Hofe-Dienst
gebracht, entzwey gehauen worden“. 18
Im November 1725 war Anne Elisabeth Mecklenburg vom damaligen Gerichtsvogt Friedrich Guhl
in Gartow an den Strafpfahl angeschlossen worden, weil sie Gänse und Hühner gestohlen hatte.
Kleinschmied Arend Barles erhielt in jener Zeit den Auftrag, neue Fuß- und Handschellen für die
Ankettung im Gefängnis herzustellen. 19
115
Die Strafpfähle in Gartow und Trebel (vermutlich vor den Kirchen) sind erst im August 1725 aufgerichtet
worden.
Im Juli 1814 weigerten sich die Gartower Häuslinge, zu denen Schlosser Waldow, Schneider Wiese,
Seiler Schrader, Schuster Kayser, Nagelschmied Thiede, Töpfer Schulze, Schuster Riefe, Schuster
Jürgen Heinr. Maaß, Drechsler Hennings, Zimmergeselle Gassel, Zimmermeister Bahlke, Schneider
Sterling, Schneider Hildebrandt, Zimmergeselle Maack, Schutzjude Hirsch, Maurergeselle
Gödecke, Tagelöhner Roost, Schuster Gehrke, Böttcher Wolff, Schneider Frahm und Einwohner
Hasse gehörten, den obligatorischen Heudienst für das Haus Gartow zu leisten. Dieser wurde ein
Mal wöchentlich fällig. Nicht geweigert hatten sich dagegen die Gartower Bürgerstelleninhaber.
Bevor die französische Verfassung in Kraft trat, haben die Gartower Häuslinge den Heudienst
abgeleistet, jedoch in den Jahren 1811 - 1813 nicht mehr. Darüber war es zur Klage gekommen
und der Gutsverwalter Bade war vom Grafen beauftragt worden, diesen im anhängigen Prozeß
zu vertreten. Archivar Cleves, ebenfalls vom Grafen mit der einstweiligen Wahrnehmung seiner
Geschäfte betraut, hatte unachtsamerweise gegenüber den Häuslingen geäußert, sie seien dazu
– wohl nur in der Franzosenzeit – nicht verbunden, weiterhin Heudienst zu leisten. Als dann wieder
die früheren Verhältnisse eintraten und die Franzosen abgezogen waren, bestand Bade auf
Fortführung dieser Dienstleistung.
Die Gartower Häuslinge nahmen 1814 zu ihrem Rechtsbeistand den Celler Prokurator Reinking,
der ihre Interessen vor der dortigen Justizkanzlei vertrat. Es gab deren 23 verheiratete und 9 ledige,
die in Gartow lediglich zur Miete wohnten, also kein Bürgerrecht besaßen. Verheiratete Häuslinge
leisteten ein Mal wöchentlich den Heudienst, ledige alle 14 Tage. Wegen des ausgedehnten
Ländereibesitzes des Grafen wurde dieser Heudienst den Häuslingen zusehends schwerer. Sie
argumentierten vor Gericht, mit der Zahlung von 1 Rtlr. Dienstgeld und 1 Rtlr. Schutzgeld im Jahr
seien ihre Verpflichtungen abgegolten.
Der verstorbene Graf Joachim Bechtold v. Bernstorff war damals in Gartow beliebt, wie Anwalt
Reinking mitteilte: „…war gegen alle Leuthe unseres Standes ausserordentlich mildthätig, jeder
wandte sich im Fall der Noth an Hochdenselben und er blieb nie ungehört …“ Daher hätten sich
die Häuslinge verpflichtet gefühlt, also aus Dankbarkeit, den Heudienst zu verrichten. Als aber der
Sohn des Grafen die Dienstleistung abforderte, gab es Widerstand. Der Graf scheiterte dann vor
Gericht, die Häuslinge blieben vom Heudienst künftig verschont. 20
Im Jahr 1819 beschwerte sich der Amtsschreiber über die unverhältnismäßige Arbeitslast mit der
Eintreibung von Strafgeldern: „…ich klagte nun dem Herrn Amtmann, daß ich mit der Einforderung
der Bruchgelder eine ungeheure Last habe, daß so sehr viel Zeit zwischen dem Vergehen der
zu Bruch geschriebenen Leute und der Einforderung der Bruchgelder verfließe. Die Leute hätten
dann ihr Vergehen oft schon vergessen oder weil ähnliche Strafen öfter vorkämen, so glaubten sie
oft, die Strafe schon einmal bezahlt zu haben. Dann würden die Leute gegen ihre Überzeugung zur
Entrichtung der Strafgelder gezwungen und ihr Widerspruch grenze fast an Empörung…“
Im „Bruchregister“ von 1825/26 erscheinen einige strafwürdige Delikte, die die Gerichtsverwaltung
zu verfolgen und zu bestrafen hatte:
In Kapern traf es Anne Marie Balzer, wegen Unzucht zu 5 Rtlr. Strafe verurteilt, ebenso Dorothee
Elisabeth Eggert und Catharine Margarethe Porath, beide aus Holtorf wegen gleichen Delikts. Als
Schwängerer der A.M. Balzer war Joachim Christian Järnke aus Holtorf angegeben, der gemäß
116
den Bestimmungen die doppelte Geldstrafe, nämlich 11 Rtlr., zu zahlen hatte. Ebenfalls wegen
Unzucht war Marie Elisabeth Gührs aus Pevestorf verurteilt wie ferner Catharine Dorothee Griebke
aus Trebel.
Rademacher Reinhard aus Trebel beschuldigte zu Unrecht die Ehefrau von Johann Christoph Leip
des Diebstahls, die Strafe mit 13 ggr. fiel eher moderat aus.
In Lomitz war es Catharine Sophie Beußel, die wegen Unzucht in Geldstrafe verfiel, ebenso der
Schwängerer Knecht Michael Voß. Hauswirt Beußel aus Lomitz wurde bestraft, weil er im Dorfkrug
den Einwohner Belitz aus Lanze „angegriffen und gestoßen“ hatte.
Auch Prezelle erscheint im Bruchregister:
Henriette Marie Elisabeth Philippi mußte mit dem Makel der Unzuchtsbeschuldigung leben und
der Gastwirt Lämmerhard hatte sich vergessen, weil er die dortigen Einwohner Bade und Roosch
schlug. Mit dabei war dessen Ehefrau, die beim Tumult gegen den Prezeller Dorfschulzen Jürgen
Schulze unanständige Äußerungen vorbrachte. Catharine Elisabeth Stödter aus Tobringen und
Margarethe Elisabeth Fährmann aus Klautze waren der Unzucht angeklagt.
Ein anderes Delikt beging Hauswirt Peters aus Nemitz:
Er wagte es, auswärtigen Branntwein in das Gartower Gebiet einzuschmuggeln. Johann Joachim
Heinrich Flügge aus Nemitz dagegen wurde bestraft, da er die Ehefrau von Peters unrechtmäßig
des Diebstahls beschuldigte. In Vietze schließlich wurde die Ehefrau von Christoph Steiling mit
einer Geldstrafe belegt, weil sie die Ehefrau des Einwohners Dietrich beleidigt hatte.
Wegen Einführung fremden (Lüchower) Branntweines sind 1826/27 Hauswirt Grützmacher aus
Klautze, Kauwatz aus Tobringen und Heinrich Fabel aus Lomitz mit Geldstrafen belegt worden.
Im Januar 1827 ist der Stadtrichter Bräunlich in Lenzen von Gartow aus informiert worden, gegen
Anne Catharine Meier aus Gartow, die offensichtlich nach dorthin gewechselt war, die Zwangseintreibung
einer gegen sie verhängten Geldstrafe durchzuführen. Eine ähnliche Nachricht erhielt
das Kreisgericht in Seehausen, weil der ebenfalls nach dorthin verzogene Jürgen Friedrich Gehrke
aus Nienwalde belangt werden sollte. Gehrke war mit 11 Rtlr. säumig, Meier mit 5 Rtlr. Die Strafe
für Gehrke war entstanden, weil er vor der Ehe Ilsabe Catharine Roost aus Gartow geschwängert
hatte. Da er ausgewichen war, wurde überlegt, ob man seine Abfindung pfänden sollte, die er von
der elterlichen Kossaterstelle zu erwarten hatte.
1827/28 wurde Joachim Heinrich Beußel aus Nienwalde beschuldigt, Anne Marie Kruse aus Kapern
vorehelich geschwängert zu haben. Er zahlte die verhängte Geldstrafe nicht sondern gab
an, sein Bruder Peter Heinrich sei der Täter gewesen. Der jedoch weilte bereits im benachbarten
Preußen.
Gleich zwei Schwängerer aus Lüchow stammend, Brauknecht Carl Martin und Schlosser Johann
Friedrich Franz Bendfeld, waren beim Gericht Gartow angeklagt. Ersterer hatte mit Anne Marie
Magdalene Friderike Giegeler aus Gartow Unzucht getrieben, Letzterer mit Dorothee Elisabeth
Henriette Wendt aus Meetschow.
In der Zeit 1828/29 mehrte sich der Alkohol-Schmuggel wegen illegalen Einführens von Lüchower
Bier und Branntwein. Es waren hierbei aufgefallen: Märtens aus Trebel, Witwe Bohlmann von
117
daher, Albrecht aus Marleben sowie der dortige Dorfschulze Hahlbohm, Gauster aus Lomitz, J.J.
Schulz und Riekhof aus Nemitz, Flügge aus Gorleben, Müller Wiegrefe aus Tobringen und Kraak
aus Marleben, welche beide Produkte vom Brauer Steding aus Lüchow bezogen hatten.
Die ausgedehnten Waldungen, mehrheitlich im Besitz des Grafen von Bernstorff, weckten auch
Begehrlichkeiten bei den Einwohnern Gartows. Sie stahlen Holz und wurden dabei erwischt: am
12. März 1844, Schuster Riege, der eine Kiefer entwendete sowie drei Tage später Bürger Albrecht
wegen des gleichen Delikts. Ebenfalls im März 1844 wurde Gastwirt Spohn gemeldet, sein
„Vergehen“ im wahrsten Sinne des Wortes: „Benutzung eines unerlaubten Weges“. Er zahlte 12
ggr. Strafe.
Am 8. Juni 1844 traf es die Ehefrau des Tischlers Lichtenberg, weil sie unerlaubt Weidenbusch
verbrannte. Mit 1 Rtlr. war die Geldstrafe recht hoch. Ludwig Montag, Knecht bei Spohn war bei
der Entwendung von 8 Latten angetroffen worden. Er zahlte die eigentlich festgesetzte Geldstrafe
von 3 Rtlr. 18 ggr. jedoch nicht. Darauf deutet der Hinweis:“Cessat“. Am 6. Januar 1845 wurde
Bürger Giese wegen Sandentwendung zu 8 ggr. Strafe verurteilt. Mit 2 Rtlr. 16 ggr. Geldstrafe
geahndet wurde im März 1845 der Diebstahl einer Kiefer durch Wilhelm Albrecht, nur 4 ggr.
Strafe zahlten Tagelöhner Christoph Schaal und Nagelschmiedgeselle Klug, die beide jeweils eine
Birke gestohlen hatten. Im November 1845 schien es recht kalt gewesen zu sein, da mehrere
Diebstähle angezeigt worden sind: Caroline Mengeler wegen Entwendung von Zaunbusch (16 ggr.
Strafe), Kinder des Tagelöhners Schaal aus den Hahnenbergen wegen Diebstahl von Leseholz
(2 ggr.), desgleichen auch die Witwe Hamann (4 ggr.), Ehefrau des Maurergesellen Christoph Gerber
(4 ggr.) und die ledige Sophie Hildebrandt (4 ggr.). Mit einer Strafe von 12 ggr. hat der Bürger
Leip seine gestohlenen drei Kiefern büssen müssen. Sattler Spohn „und Consorten“ zahlten 16
ggr. Strafe für die Entwendung von zwei Kiefern am 3. März 1846. Ebenfalls wegen unerlaubter
Entnahme von Leseholz wurden im Oktober 1846 die Ehefrau des Tagelöhners Bohlmann, des
Maurers Christoph Gerber und die Witwe Maak zu Geldstrafen verurteilt.
Wofür im Dezember 1846 der Gartower Haussohn Heinrich Meyer 12 ggr. zahlen mußte, ist dem
knappen Vermerk: „Ordnungsstrafe“ nicht zu entnehmen. Auch das Gänseweiden war strafbar,
das mußten Bürger Leip und Tischler Lichtenberg im August 1847 erfahren, sie zahlten 7 ggr.
, Leip ist im Juli 1848 erneut dabei betroffen worden, bzw. 8 ggr. 2 Pfg. Strafe. Im Oktober desselben
Jahres ist die Ehefrau des Tischlermeisters Hoop senior beim Eichelnsammeln betroffen
worden. Strafe: 8 ggr. Am 19. Juni 1848 zahlte Uhrmacher Leip wegen „Gehen eines verbotenen
Weges“ 4 ggr. Strafe, dazu 2 ggr. Gerichtsgebühren und 2 ggr. Vorladungsgebühren. Im Dezember
1848 traf es Tagelöhner Mummelthey, der Heidekraut und Moos entwendet hatte, sowie den
Bürger Friedrich Hildebrandt, der ohne Erlaubnis Plaggen gewann. Bei Mummelthey, der 1 Rtlr. 12
ggr. Strafe zu zahlen hatte, wurde der Vermerk „arm“ statt des Bezahltzeichens „ddt“ angebracht.
Im November 1849 wurde Bürger Mengeler vom gräflichen Jäger August Krüger ebenfalls wegen
Plaggenentwendung angezeigt, dieser zahlte 1 Rtlr. 12 ggr. Strafe.
Wie gewissenhaft die Geisteshaltung bei Strafen damals gewesen ist, zeigt das Beispiel vom Juni
1850:
Der verstorbene Gerichtsvogt Rademacher aus Gartow, der ja beispielhaft zu wirken hatte, blieb
2 Rtlr. 4 ggr. Gerichtsgebühren schuldig. Seine Erben beeilten sich, diese Schuld sofort zu begleichen.
21
118
Quellen und Literatur
1. Krieg, Martin: „Die Entstehung und Entwicklung der Amtsbezirke im ehemaligen Fürstentum
Lüneburg“, Göttingen 1922, S. 72 - 73
2. Krieg, Martin: a.a.o., S. 73
3. Manecke, U.F.C.: „Topographisch-historische Beschreibungen der Städte, Ämter und
adeligen Gerichte im Fürstentum Lüneburg …“, Celle 1858, 2. Bd., S. 165 - 181 sowie in:
Heimatbote Gartow, Januar - Mai 1937
4. Kröger, Hans-Helmut: „Wesen und Entstehung der Geschlossenen Adelsgerichte in Braunschweig-Lüneburg“,
Prüfungsarbeit zum Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien,
Hamburg April 1963, S. 43 - 75
5. Verordnung, die Bezirke der unteren Verwaltungsbehörden betr. vom 27.3.1859, Gesetz,
betr. verschiedene Abänderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 31.3.1859,
Verordnung, die Bildung der Gerichte betr. vom 31.3.1859, Bekanntmachung des Königl.
Justiz-Ministeriums betr. die Ausführung der Gesetze über die Gerichtsverfassung vom
8.11.1850 und vom 31.3.1859 vom 8.4.1859
6. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 215 - 217
7. Haberland, Rudolf: a.a.0., S. 217 - 218
8. G 8 Nr. 34 „Acta, Verlegung des Amtsgerichtes nach Gartow 1892“
9. GR 1710/11, S...
10. GR 1715/16 S. 534 - 536
11. D 7 Nr. 3 „Annehmung Gartower Gerichtsvoigte 1771“
12. GR 1696/97, S. 266
13. Angaben von 1787
14. D 7 Nr. 1 „Des Gartowischen Amtmannes Bestallungen, wobei auch eines Fürstlichen Amtmanns
und Amtschreibers Eid“
15. R. Haberland: „Der Stab ist gebrochen. Die letzte Hinrichtung im adeligen Gericht Gartow im
Jahre 1772“ in: Das Jeetzelschiff Nr. 6 vom 9.5.1951
16. GR 1702/03, S. 662
17. GR 1715/16, S. 224 - 232
18. GR 1725/26, S. 419
19. GR 1725/26, S. 416 - 417
20. P 45, Acta in Sachen des Herrn Cammerherrn Grafen v. Bernstorff modo Verwalter
Bade, Kläger wider die Häuslinge Waldow und Consorten, Beklagten in pto. Heudienstes
1814/15“
21. Ungeordnete Papiere „Verzeichnisse der erkannten Forstwrogen-Sachen“
119
Forst und Landwirtschaft
Gartower Wald
Die Holzwirtschaft gab zahlreichen Personen Arbeit. So ist für den Forstbetrieb von Bernstorff
bekannt, daß 1896 insgesamt 125 festbesoldete Arbeitskräfte (davon 49 Forstarbeiter und 15
Arbeiter) tätig waren. Im Mai 1953 arbeiteten 57 Personen nur allein im gräflichen Forstbetrieb:
42 Waldarbeiter, 9 Leute forstliches Außenpersonal, 1 Treckerfahrer und 5 Gespannführer. Waldarbeiter
gibt es inzwischen schon lange nicht mehr, bewirtschaftet wird der gräfliche Forstanteil
heute von Andreas Graf v. Bernstorff und seinen Förstern Ralf Abbass und Ulrich v. Mirbach.
Übrigens hat es 1812 in den Hahnenbergen, Heidstücken und im Helk noch 300 - 400 Jahre
alte Eichen gegeben. Seitens des Hauses Gartow sind Forstkulturarbeiten vorgenommen worden.
Der als Mastwald dienende Holzbestand in den Hahnenbergen war um 1703 „alt und in einem
schlechten Zustand“. Zur Neukultivierung wurde ein umzäunter Kamp angelegt, die Fläche mit
Ochsengespannen gepflügt und „Saateicheln“ gepflanzt. Sie stammten aus dem Elbholz und aus
Pölitz. Der neu eingerichtete Kamp ist jedoch 1704/5 von Wildschweinen zerstört worden, so dass
eine Neuherrichtung erforderlich wurde.
1711: Einnahmen aus der Forst „für Mast“ aus dem Elbholz, Hahnenbergen und Gedelitzer Holz
120
Das Haus Gartow verfügte über 24000 Morgen Waldfläche und war Privatbesitz aber aufgrund
früherer Rezesse hatten einige umliegende Gemeinden in bestimmten Forstdistrikten Weiderechte.
Sie waren einer geregelten Forstkultur abträglich, zumal immer mehr Vieh eingetrieben wurde.
Diese Berechtigung wurde „Weide-Servitut“ genannt. Ihre Inhaber waren die Dorfschaften Lomitz,
Prezelle, Meetschow und der Flecken Gartow.
Außerordentlich schädlich war die starke Entnahme von Waldoberboden (Plaggenhieb), der als
Stallstreu bzw. Dünger von den Landwirtschaft treibenden Gartower Bürgern seit eh und je verwendet
wurde. Das Gewinnen von Plaggen war den Gartower Bürgern auf der Raumenheide (Blößen
westlich des sogen. Harpeschen Weges) auf 1708 Morgen Fläche gestattet. Nach dem Stand
von 1812 durfte die Gartower Bürgerschaft auch Mithüterechte in folgenden gräflichen Forstrevieren
ausüben:
In der Raumenheide, einschließlich Falkenmoor und Heidstücke, Hahnenbergen, Umschwang,
Helk, Brudersteig, Heideriethe und Seerich.
Das waren zusammen 3082 Morgen Fläche, davon 243 Morgen Moor- und Bruchland, bestanden
mit Erlen und Birken. Hinzu kamen rd. 270 Morgen baumloser Waldboden, der wegen Überschwemmungen
unkultiviert blieb. Diese Fläche lag direkt bei Gartow und ist viele Jahrzehnte
außerordentlich stark beweidet worden. Der Waldboden konnte sich daher kaum noch regenerieren.
Hinzu kamen andere Eingriffe in den Waldbesitz des Grafen. Um diese Unregelmäßigkeiten
abzustellen, klagte der Graf mehrmals vergeblich – das Recht der Gartower ist von den Gerichten
stets anerkennt worden. Der Graf klagte deshalb: „…In den letzten 5 Jahren aber haben sich diese
Anmaßungen durch den jetzt überall in der Welt um sich greifenden Geist der Unzufriedenheit auf
das Äußerste gesteigert und bin ich als der jetzige Besitzer von Gartow wiederum mit dieser Bürgerschaft
in die ausstehendsten Rechtsstreitigkeiten verwickelt…“ Die Gartower Bürgerschaft vermeinte
außerdem noch, weitere Rechte geltend machen zu können, wie z.B. Sand- und Lehmgewinnung.
Ferner dehnten die Berechtigten ihr vermeintliches Recht über die alten Grenzen hinaus
aus. Graf von Bernstorff behauptete, er könne etwa 5000 Morgen deshalb nicht forstlich nutzen.
In der französischen Besatzungszeit (1803 - 13) begehrten Gartow, Meetschow, Holtorf, Kapern,
Marleben, Klautze, Lomitz und Prezelle noch weitergehende Waldbenutzungsbefugnisse. Das
empörte Graf von Bernstorff so sehr, daß er seinerseits die Ortschaften 1812 wegen „Besitzstörung“
verklagte. Dagegen wehrten sich die Ortschaften. Wortführer der Gartower Bürgerschaft
war Schmiedemeister Ernst Heinrich Andreas Schönberg. Ihm war es eine Genugtuung, daß das
Gartower „Friedensgericht“ gegen Graf von Bernstorff entschied und ihn zur Tragung der Gerichtskosten
verurteilte.
Es wurde versucht, die Gartower Bürgerschaft mit einer einmaligen Geldzahlung zum Verzicht zu
bewegen aber vergebens. Als jedoch die Zeit kam, wo es zwischen Bürgerschaft und dem Grafen
ein besseres Verhältnis gab, keimte wieder Hoffnung auf, das Recht gegen Geldzahlung zu eleminieren.
Die Prozeßführung muß kontinuierlich stattgefunden haben, denn der Graf wunderte sich,
daß 14 Monate vergangen waren, ohne daß seitens der Gartower Bürgerschaft etwas Gerichtliches
vorfiel. Die Querelen waren so stark geworden, daß Graf von Bernstorff im Jahre 1814 gemäß
eines Gutachtens von Oberförster Schröter bereit war, der Bürgerschaft Gartow rd. 660 Morgen
Waldfläche zu Eigentum zu übertragen. Durch gezielte Aufforstung gelang es dem Grafen, das von
der Bürgerschaft genutzte Areal auf 550 - 560 Morgen. einzuschränken. Später erneuerte der
121
Graf das Angebot von 1814, also den Verkauf dieser eben genannten Fläche an die Bürgerschaft
jedoch mit der Ausnahme den Forstort „Umschwang“ behalten zu wollen. Auch der Graf selbst
hatte eigentümlicherweise ein Weiderecht über die Bürgerschaft, weil ihm in Gartow 10 Bürgerstellen
gehörten.
Als Graf von Bernstorff 1814 vergeblich der Bürgerschaft ein Angebot gemacht hatte, berichtete er
noch in Wallung an den Oberförster Schröter: „Bei Leuten, wie die Gartower Bürger, kommt es gar
nicht darauf an, ob man ihnen 100 Morgen mehr oder weniger bietet! Der Geist des Widerspruchs
allein regiert in ihnen und so sind sie von jeher gewesen! Lügen und Unsinn kosten ihnen nichts …“
Nach dieser Zurückweisung wurde mit der gezielten Aufforstung der strittigen Waldweideflächen
begonnen. Um 1814 hatte Graf von Bernstorff nach verlorenem Prozeß einen Teil seines Forstes
Hahnenbergen den Gartower Bürgern überlassen müssen.
1832 durften die Gartower Bürger 9 Pferde, 150 Stück Hornvieh, 60 Schweine und 300 Gänse in
die Waldweide treiben. Dazu kam noch Quarnstedt mit 30 Stück Hornvieh. Das Mitweiderecht in
den Hahnenbergen, im Helk und auf dem Serich bestand schon seit 1595 zugunsten der Gartower
Bürgerschaft. Im Jahre 1847 zeichnete sich endlich eine Einigung ab. Bis der entsprechende
Rezeß abgeschlossen werden konnte, war das Datum vom 25.3.1848 erreicht. Der Graf zahlte
an die Bürgerschaft 1800 Rtlr. und übte Verzicht auf etliche vorherige Rechte, die Bürgerschaft
entsagte ihren bisherigen Berechtigungen. Umgekehrt zahlte die Bürgerschaft dem Grafen eine
Summe von 2900 Rtlr. für den Rückerhalt von drei vollen und einer halben Bürgerstelle in Gartow,
die bisher dem Grafen gehörten. Der Rezeß wurde jedoch erst mit dem 1.1.1852 wirksam. 1
Heute dient der Gartower Forst als Holzlieferant aber auch als Jagdrevier und zur Naherholung.
Der Forstgutsbezirk Gartow ist Gemeindefreies Gebiet, wobei die Siedlungen Rondel, Falkenmoor
und Rucksmoor zur Gemeinde Gartow und Wirl zur Gemeinde Prezelle gehören.
Forsthaus Falkenmoor, Zeichnung von A. Scholz
122
Anschaulich schildert der damalige Förster Karl Junack einen Spaziergang durch den Gartower
Forst:
„Der Wald umfängt uns sofort, wenn wir bei Herbsten Vater (Anm.: Sägewerk Herbst) gleich rechts
in den alten Trebeler Weg einbiegen. Zunächst sind wir im Gartower Gemeindewald, den Gartow einer
Weideablösung aus dem Gartower Gutswalde in der Mitte des vorigen Jahrhunderts verdankt.
Die ältesten Bestände die jetzt nahezu 100 Jahre alt sind, stammen noch aus der gräflichen Zeit
und alle fünf Jahre gibt die Aufsichtsbehörde einen Teil zum Abhieb frei, dessen Erlös dann den
Gartower Bürgern die Steuern erleichtert. Wißt Ihr noch, wie der in der Inflation gemachte Schlag
in natura verteilt wurde? Mit dem Papiergeld wußte man damals ja nichts anzufangen; aber auch
die gefällten Bäume waren ein sehr unbequemes Zahlungsmittel und wir wollen doch dankbar
sein, daß wir uns jetzt wieder auf unser Geld einigermaßen verlassen können, wenn es auch noch
immer nur schlechtes Papier und kein Gold ist und wir alle wenig davon haben.
Aber fort die Geldsorgen, wir sind jetzt schon mitten im Walde angelangt und wollen die Augen aufmachen.
Bitte hier, nur fünf Schritte ab vom Weg links in den Bestand hinein. Wir stehen gleich vor
einer unserer größten botanischen Seltenheiten, die an dieser einen Stelle noch in einer größeren
Anzahl und schöner Ausbildung vorkommt und die ich hier seit mehr als 30 Jahren kenne, unseren
lieben Königsfarn. Wir gehen auf dem alten Trebeler Weg zurück und haben nun rechter Hand ein
Kiefernstangenholz, das die Gemeinde Gartow der Waldpflege des Bürgermeisters Könecke verdankt.
Man spricht nicht gern von diesem früheren Bürgermeister, aber den Wald hat er doch lieb
gehabt und hier hat er etwas Gutes geschaffen, was für die späteren Geschlechter heranwächst
und schon jetzt Wasenhaufen (Anm.: Stack- bzw. Buhnenbauholz) und Klumpholz gegeben hat
und gibt. Groß ist der ganze Gemeindewald nicht und bald stehen wir an der Grenze des Gutswaldes.
Wir erkennen die Grenze nicht nur an dem Grenzgraben, der sich rechts und links in gerader
Linie hinzieht, sondern noch an der reicheren Waldflora. Die Gutskiefern sind mit Fichten gemischt
und wenn wir genauer hinsehen, so entdecken wir zu unserem Erstaunen links zwischen jungen
gepflanzten Fichten wild umherstehend Tannen, richtige Edeltannen….“ 2
Quarnstedt
Quarnstedt, um 1695 ein eigenständiges Dorf, wurde durch kluge Aufkaufpolitik der v. Bernstorff
systematisch zur Gutssiedlung und kam so in den Besitz der Familie. Die Siedlung Quarnstedt war
von der Entrichtung der allgemeinen Kriegssteuerzahlung befreit. Der Grund lag in Gorleben. Der
Ort war einst Adelsitz, aber schon lange verlassen worden. Im Laufe der Zeit haben die dortigen
Fischer und Kossater das ehemalige adelige Land für sich übernommen. Da es zuvor frei von
Kriegssteuerbelastung war, nun aber von Gorlebenern bewirtschaftetet wurde, ist es kriegssteuerpflichtig
geworden. Nach einer Untersuchung wurde vereinbart, daß die Gorlebener Ländereien
künftig steuerpflichtig werden sollten.
Die Landesherrschaft kompensierte das mit der Steuerfreiheit für Quarnstedt, um dem Haus
Gartow entgegen zu kommen. Trotz der Steuerfreiheit zahlten die Quarnstedter Hofinhaber als
„Miether“ für die Hofstelle und Länderei an das Haus Gartow Pachtgeld. 1696/97 waren dies 14
Hauswirte, wobei Claus Haße, Hanß Sandke und Henrich Könning mehr als die Übrigen zahlten. 3
Zur Abrundung des Quarnstedter Besitzes hatte das Haus Gartow 1702 einen Tausch vorgenommen.
Die Hofstelle und die dazu gehörigen Ländereien von Peter Bormann aus Quarnstedt gingen
in das Eigentum des Hauses Gartow über. Dafür erhielt Bormann in Gartow die wüste halbe Bürgerstelle
Jochim Maatsch ohne Gebäude (da nicht vorhanden) aber mit einem halben Baumgarten,
einen Garten sowie einem zweiten hinter dem Frauen-Berge und zwei Stück Ackerland. Die
Witwe von Jochim Maatsch, Elisabeth, erhielt für die wüste Halbbürgerstelle 38 Rtlr. 4
123
In Quarnstedt entstanden für gräfliche Bedienstete nach und nach Tagelöhnerhäuser, die als Deputathäuser
bezeichnet wurden. Im Jahre 1725 wurde das sechste davon fertiggestellt, zuletzt
gab es deren zwölf.
1711: „ Einnahmen aus verpachteten
Stücken“: Das Dorf Quarnstedt
Um 1773: Teil der Feldmark Gartow gezeichnet von
H. Breckenfelder
1724: Gartow und Quarnstedt
124
Vorwerk Gartow
Das gräflich v. Bernstorffsche Vorwerk gehört zwar nicht zur Ortskernbebauung aber die Zugehörigkeit
des Schlosskomplexes zur Ortslage ist unbestritten.
Das Vorwerk befand sich 1694 unmittelbar in Schloßnähe, zwischen Schloß und Kirche und war
wie alle Werte in der v. Bülowschen Zeit, in drei Teile aufgegliedert: ein Teil gehörte Cord v. Bülow,
ein anderer Teil dem Major v. Schacht und der dritte Teil dem Junker v. Schacht.
Die baufälligen Gebäude sind nach und nach abgebrochen oder translociert worden. Um die Viehzucht
wieder voranzubringen, erfolgte ab 1698 schrittweise der Neubau von Vorwerksgebäuden,
nachdem die hinderlichen Wassergräben rund um das Schloß verfüllt werden konnten.
Zunächst aber mußte Bauholz in großer Menge besorgt werden, einiges stammte aus dem Elbholz.
Der brandenburgische Heidereiter Peter Weichard aus Zietzow organisierte den Kauf von
110 Tannenhölzern aus dem Brandenburgischen sowie den Bezug von 22000 Mauersteinen aus
der Ziegelei Pollitz.
In den Jahren 1698/99 erfolgte mit einem Kostenaufwand von 1887 Rtlr. der Vorwerksneubau.
Das Gebäude enthielt Viehställe, Molkenstube, Wohnräume und war mit Stroh gedeckt. Die Maurerarbeiten
führten Michel Eckner aus Lenzen und Jochim Hinrich Brandenburg aus Uelzen durch.
Die Untertanen leisteten im Rahmen der Burgfestdienste Hilfe mit Hand und Spann.
1700/01 entwickelte sich eine rege Bautätigkeit. Zunächst ist eine Scheune aufgebaut worden, in
der Korn gelagert werden sollte. Um das Bauholz einzukaufen, reiste der Gartower Zimmermeister
Carsten Witthöfft nach Rathenow. Dort kaufte er Eichen- und Tannenholz von den Händlern Borchmann
aus Goldbeck und Jochim Bars aus Havelberg. Dieses Holz kam als Floß verbunden die Elbe
hinunter bis an die Seege. Weiteres Holz wurde aus den hauseigenen Waldbeständen entnommen
oder von Bauern aus der Umgebung angekauft.
In mühsamer Arbeit ist das Holz von Januar bis Juli 1700 zurechtgesägt worden (Sägelohn pro
Tag = 8 ggr.). Fast 65000 Mauersteine aus den Ziegeleien Pollitz, Seehausen und Dömitz wurden
herangeschafft, wobei die Vietzer Schiffer im Rahmen ihrer Dienstpflicht die Steine von Dömitz bis
Gartow transportierten. Um Fundamentsteine zu erhalten, hat der „Steinklöber“ aus Harburg in
der Vietzer Feldmark Feldsteine gesprengt. Am 2270 Rtlr. teuren Bau waren folgende Handwerker
beteiligt: Maurermeister Jochim Henrik Brandenburg aus Uelzen, Gottfried Gerber aus Gartow,
Tischler Joh. Hilmer Meyer und Jürgen Henrich Reincken, Grobschmied Erich Hohse, Kleinschmied
Arend Barles, alle aus Gartow. Kalk lieferte Matthias Pann aus Fallersleben, Nägel Christian Carstens
aus Arendsee, Taue und „schwartze Seife“ als Schmiermittel für die Blöcke der Gartower
Krämer Jacob Werner Hennings.
An die Kornscheune ist noch ein Schweinestall angebaut worden. Da das alte Torhaus im Wege
stand, mußte es abgebrochen werden. Im Zusammenhang mit dem Bau waren für die Transporte
die Verfertigung einer neuen Holzbrücke und die Instandsetzung einer vorhandenen notwendig.
Ein Jahr später sind die beiden großen Holzbrücken „vor dem Schloß“ repariert worden und an den
vorhandenen Eselstall erfolgte mit Abbruchholz der Anbau eines Pferdestalles. Der Pferdestall ist
1703 neu erbaut worden, weil der bestehende „von schlechter Commoditaet sondern solcher gar
niedrich und winckelhafft“ gewesen ist.
125
1704 kam es zum Neubau eines Torhauses. Das alte war baufällig und mußte seit Jahren mit Stützen
gesichert werden. Außerdem reichte die Durchfahrtshöhe für Ackerwagen nicht aus. Das neue
Torhaus diente dem „Schließvogt“ als Wohnung und als Gefängnis der Gerichtsverwaltung. An das
neue Torhaus ist weiterhin ein Reitstall angebaut worden. Gleichzeitig musste die Holzbrücke am
Torhaus über den äußeren Schloßgraben repariert werden.
Erst 1706 sind Pferdestall, Reitstall und Torhaus für zusammen 3446 Rtlr. bezugsfertig geworden.
Um dem Ackervogt und Gärtner Wohnungen zu verschaffen, ist 1706 für beide ein Wohnhaus
(auch „Voigst-Haus“) nahe der Seegebrücke errichtet worden. Der Ackervogt hatte u.a. die Aufgabe,
den dortigen Wegezoll-Schlagbaum zu beaufsichtigen.
Für den Bau eines Wagenhauses für Kutschen im Jahre 1706 sind Geländeerhöhungen vorgenommen
worden. Es befand sich nahe der Kornscheune. Das gesamte Vorwerksgelände mit Schloß
erhielt eine Umzäunung. Das Wagenhaus wurde 1707 fertig und bekam nachträglich als Anbau
mehrere Hundezwinger. Als kleinere Bauten kamen zum Flachstrocknen ein „Boeke-Stovens“ und
für die Schweinezucht ein „Mästekoven“ hinzu.
Veranlaßt durch den Abbruch des alten Schlosses im Jahre 1709 wurde der Neubau eines kombinierten
Wasch-, Back- und Schlachthauses auf dem alten Wall erforderlich.
Alle bisher errichteten Gebäude trugen Biberschwanz-Dachpfannen. Bei Schneestürmen wiesen
sie Undichtigkeiten auf. A.G. von Bernstorff erfuhr von der Methode, Dachziegel mit Kalkmörtel
verstreichen zu lassen. Im Gut Schönhausen bei Tangermünde wurde dieses Verfahren bereits
praktiziert, daher sind der Verwalter und der Gartower Maurermeister zum Studium nach Schönhausen
geschickt worden. Wenig später haben alle Dächer des Vorwerkes eine Dachziegelverstreichung
erhalten.
Es wurde sehr genau auf die Werterhaltung der Gebäude geachtet: So erhielt das Kornscheunendach
1710 eine Verlängerung, damit Wände und Fundamente keinen Schaden durch Tropf- und
Spritzwasser nahmen.
Weil der Hofplatz des Vorwerks Gartow im Frühjahr und Herbst durch das Vieh völlig unpassierbar
wurde, erhielt der italienische Maurermeister Tino mit seinen Arbeitskollegen 1710 den Auftrag,
zwischen den Gebäuden gepflasterte Fußwege anzulegen. Währenddessen begann der Neubau
des Schlosses, der sich weit über 10 Jahre hinzog.
Da der vorhandene Brunnen 1712 übelriechendes Wasser hergab, baute Brunnensetzer Hans
Schrader aus Wendeburg für 100 Rtlr. auf dem Vorwerksgelände einen 5,80 m tiefen neuen und
mit Steinen ausgekleideten „Zucken-Brunnen“. 1713 ist vom Torhaus bis zum Ende des Vorwerks
ein aufgehöhter Steinweg hergestellt worden. Das alte Pflaster wurde zuvor aufgenommen. Mit
erheblichen Kosten ist 1719 die Pflasterung des Schloßvorplatzes vollendet worden.
Großer Wert ist auf vorbeugenden Feuerschutz gelegt worden. Im 2. Stockwerk des Torhauses
ist ein neuer Fußboden verlegt und der Zwischenboden mit Gips ausgegossen worden. Im Vorwerksgebäude
haben 1714 aus dem gleichen Grund Flure und Zimmer des 2. Stockwerks „rauhe
Fliesen“ erhalten.
126
Ein Pförtnerhaus für 393 Rtlr. und ein Hühnerstall sind 1716/17 errichtet worden. Im Folgejahr
konnte ein massiver Schweinestall mit einem Kostenaufwand von 526 Rtlr. in Benutzung genommen
werden.
Um die Haltbarkeit der Vorwerksgebäude zu erhöhen, ist 1721 für 524 Rtlr. die Scheune verkleidet
worden. Alle Gebäude erhielten für 200 Rtlr. einen Ölfarbenanstrich.
Das 1724/25 neu erbaute Back- und Waschhaus mit 2 Stockwerken und den Abmessungen 13
x 7 m mußte das vorhandene ersetzen, weil die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten. Immer
mehr wurde das Vorwerk Gartow perfektioniert: 1728 ist ein Steindamm zum Hintertor geschaffen
und 1727/28 ein Gewächshaus mit Steinen aus der Ziegelei Schönhausen und Kosten von
1471 Rtlr. erbaut worden. Viel Geld (832 Rtlr.) kostete die massive Gartenmauer an der Straßenund
Kirchenseite. 1730 folgte die Anlegung eines gepflasterten Weges von der Seegebrücke zum
Schloßtor an der Kirche.
Abgerundet wurde der Schloß- und Vorwerkskomplex mit dem noch heute vorhandenen großen
und kleinen Portal aus Quadersteinen, die der Steinhauermeister Curd Hinrich Jördens aus Hannover-Barsinghausen
1733 mitbrachte. Beide Portale kosteten 513 Rtlr.
Über dem Eiskeller wurde 1734 ein Gebäude errichtet und im gleichen Jahr der Pferdestall mit
Feldsteinen ausgepflastert. Damals werden ferner Fischteiche hinter dem Waschhaus erwähnt.
Dort wuchsen Karpfen und Karauschen heran.Eine größere Maßnahme war 1748/49 der Bau
eines neuen Reitstalles „von 19 Verbind“ und den Abmessungen 27 x 13 m. Vom Höhbeck sind
1317 Fuder Fundamentsteine, von den Ziegeleien Pollitz, Schönhausen, Lenzen und Hohengöhren/Brandenb.
Mauersteine angeliefert worden. Rinnensteine und Fliesen verkaufte Steinhauermeister
Christian Körner aus Völpke. Als weitere Handwerker waren beteiligt: Maurer Gottfried
Gerber, Grobschmied Hans Frahm, Tischler Franz Jochim Nork, Glaser Jürgen Wilh. Benecke und
Zimmermeister Peter Witthöfft, alle aus Gartow, ferner Zimmermeister Johann David Neyse aus
Lüneburg. Die Gesamtkosten betrugen 5067 Rtlr.
Quellen und Literatur
1. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 79 - 81
2. G 18 Nr. 10 „Acta der mit der Gartower Bürgerschaft abgeschlossene Rezeß wegen Aufhebung
der der Bürgerschaft in den Forsten des Hauses Gartow zuständig gewesenen servitutischen
und sonstigen Berechtigungen betr. 1848 ff.“
3. Junack, Karl: „Wer macht mit mir einen Spaziergang durch den Gartower Wald?“ in: Gartower
Heimatbote, April 1931) (Ungeordnete Papiere „Verzeichnisse der erkannten Forstwrogen
- Sachen)
4. GR 1696/97, S. 156 - 157
127
Soziales Engagement des Hauses Gartow
Es entsprach sittlichem und religiösem Empfinden, an arme Mitmenschen zu denken und sie zu
unterstützen. Dabei halfen nicht nur Verwandte oder der Armenkasten der Kirche sondern auch
das Haus Gartow unter v. Bülows und später v. Bernstorff.
Andreas von Bülow verwendete dafür eine Schuldverschreibung in Höhe von 800 Gulden, die der
Rat der Stadt Salzwedel anerkannt hatte. Dieser verpflichtete sich, die 5% Zinsenzahlung an die
Kirchengeschworenen in Gartow abzutreten. Nach Inhalt der Urkunde vom 16. Februar 1556 sorgten
sie dafür, daß bedürftige Leute in Gartow unterstützt wurden. 1
Es wurde eine Stiftung errichtet, die die Bezeichnung: „Stiftung zum Heiligen Geist“ trug, sie ging
später in die Administration der Familie v. Bernstorff über.
Zusätzlich zur segensreichen Tätigkeit der Stiftung hat aber die Familie v. Bernstorff ebenfalls eine
soziale Verpflichtung gesehen, die damals herrschende Armut zu mildern. Einige Beispiele mögen
das verdeutlichen.
Im Jahr 1702 hat das Haus einigen Bürgern aus Gartow Geldstrafen oder Steuerzahlungen erlassen,
weil diese darum „inständig“ baten: Christian Bätge, dessen Bruder Verwalter auf dem
Gut Wedendorf war, Grobschmied Erich Hose, Tischler Johann Hilmer Meyer und Johann Ulrich
Janecke. 2
Es kam häufiger vor, daß Untertanen des Hauses Gartow ihren Kindern den Vornamen des jeweiligen
Gutsherrn von Bernstorff vergaben und dieser dann ein Taufpate wurde. Im August 1702
fühlte sich die Frau des Geheimrates von Bernstorff, Johannette Lucie von Sinold gen. v. Schütz,
geschmeichelt, weil der Gartower Tischler Johann Hilmar Meyer deren Tochter Louise als Taufpatin
wählte. Er wurde mit 4 Rtlr. belohnt. 3
Bereits 1702/03 zahlte das Haus Gartow auf Initiative von Andreas Gottlieb v. Bernstorff an den
Kantor Düker Schulgeld für 11 arme Kinder in Gartow, desgleichen an den Küster und Schulmeister
Marwede für 6 weitere arme Kinder. 4
Aus den Geldregistern früherer Zeit ist zu entnehmen, daß das Haus Gartow um Unterstützung
bittende fremde Menschen mit einer kleinen Geldspende erfreute. Im Oktober 1715 kümmerte
man sich um den „armen Jungen“ Kurt Jahncke aus Gartow, der erst einmal vernünftig eingekleidet
werden mußte. Daher erhielt der Gartower Tuchmacher Jochim Klöpper den Auftrag, Stoff zu
liefern und Schneider Johann Radcke war es vorbehalten, daraus Kleidungsstücke herzustellen.
Ferner hat er auf Kosten des Hauses Gartow mehreren armen Personen Kleidung ersetzt oder
ausgebessert.
Zu damaliger Zeit baten Antonio Granello und Jacobo Devot aus Genua sowie Antonio Giopa und
Dominico Casola aus Neapel um Geldspenden, damit sie ihre gefangenen Verwandten auslösen
konnten.
Das Haus Gartow zahlte an den Gartower Küster Jürgen Henrich Marwede einen Geldbetrag, damit
dieser 15 armen Kindern zumindest das Lesen beibrachte, ähnlich wurde in den Schulen
Restorf, Nienwalde und Meetschow verfahren. 5
128
1715: „Extraordinäre Ausgabe für Schule, Stiftungen und Almosen
129
1715 verzichtete das Haus Gartow auf die Eintreibung von nicht bezahlten Gebühren, wie bei
Johann Nicolaus Hildebrandt aus Gartow, der eigentlich 2 Rtlr. Rückstände auszugleichen hatte.
Da er aber in einen Landtausch mit dem Grafen einwilligte, erließ der Graf diesen Betrag. Ebenso
brauchten Hans Kubel, Jochim Mauchel, Jochim Ellissen, Friedrich Kaulitz, Hanß Hilgenfeld,
Henrich Baßar, Henrich Bornemann, Johann Meyers Witwe, Lorenz Haße, Anton Kubel, Johann
Nicolaus Hildebrandt und Christian Bätche, sämtlich aus Gartow, ihre Strafgelder nicht bezahlen.
Durch einen Rechenfehler mußte das Haus Gartow an verschiedene Gartower Bürger zuviel bezahlte
Kriegssteuer zurückerstatten. Belastet waren damit Ackergrundstücke, so z.B. 6 Stücke
in den Dannen und 2 Stücke im Wolfskahl, die zuvor Möllendorf bzw. Jacobsen gehörten; deren
Hausstellen jedoch wüst wurden und 1715 sich im Eigentum der Nachfolger Drechsler Gerberding
und Kleinschmied Barles befanden. 6
1725 wurde der Ehefrau von Achatz Krüger in Gartow, eine ihrem Mann „der entlaufen“war, zudiktierte
Geldstrafe aus dem Jahre 1721 erlassen. Als Gartow im Jahre 1721 fast völlig niederbrannte,
verzichtete das Haus Gartow noch im Jahre 1726 auf die Erhebung der Kriegssteuer. 7
Mit einem monatlichen Betrag von 12 ggr. wurden vom Haus Gartow 1725 sechs Frauen unterstützt,
die als arm galten: Magdalene Weidner, Ilse Marckmann, Witwe Giegeler und die Witwe von
Asmus Wiechmann aus Gartow sowie Catharina Magdalena Wollatz und Anna Catharina Harbers
aus Quarnstedt.
Ferner erhielt Johann Hasse Unterstützungsgeld für zwei Waisen, die Steffen Danehl aus Gartow
hinterlassen hatte und die Hasse mit Geld vom Haus Gartow ernährte und kleidete. Der Knecht
Luloff Marwede erhielt ebensolche Unterstützung, weil er das jüngste Kind des verstorbenen Küsters
Jürgen Hinrich Marwede versorgte. Das Haus Gartow zahlte weiterhin Geld zur Versorgung des
unehelichen Kindes der Ilse Steiling aus Pevestorf, die jedoch in Wustrow „weggelaufen“ war und
ihr Kind in die Obhut von Nicolaus Hildebrandt in Gartow gab.Da die Waisenkinder von Christoff
Kaufmann 1724 verstorben waren, unterstützte das Haus Gartow nunmehr „den im Frühjahr 1724
angenommenen armen Jungen Friedrich Söhnlein“ und das „arme Mädgen Grethe Niemann“. 8
Als Christian Ellies in Gartow eine zuvor wüste Bürgerstelle bebaute, lieh er sich vom Haus Gartow
ein Kapital von 400 Rtlr. Dafür trat er die Hälfte seiner Wiese vor dem Elbholz auf die Dauer von 40
Jahren an das Haus Gartow ab. Ebenso verfuhr Drechsler Hinrich Caspar Gerberding aus Gartow,
der für 220 Rtlr. seine Wiese am Elbholz so lange abtrat, bis die Schuld getilgt war. 9
Bauten für das gräfliche Personal
Mit dem von der Familie v. Bülow übernommenen und später hinzuerworbenen Gebäudebestand
war es möglich, hauseigenen Bediensteten oder fremden Leuten gegen Mietzahlung Wohnungen
zu verschaffen.
1705 ist in Gartow ein neues Haus erbaut worden, in dem die Kuh- und Schweinehirten-Familien
gemeinsam untergebracht waren. Auch der gräfliche Ackervogt sollte dort Aufnahme finden. Dieser
war als Torwächter vorgesehen, um in Gartow ein- und ausfahrende Fuhrwerke sowie Fußgänger
im Augenschein zu behalten. Im gleichen Jahr erhielten Ackervogt und Gärtner gemeinsam ein
neues Haus an der Seegebrücke (Neubau 1750).
130
Um 1710 sind Mieteinnahmen aus mehreren Häusern erzielt worden:
In Quarnstedt (Leinweber Balzer Saßen, in Gartow das kleine Haus vor der Seegebrücke (Leinweber
Jürgen Schulte), die Schmiede in Gartow (Erich Hohse) und die dortige alte Schmiede. Das
Haus im Elbholz wurde von hauseigenem Personal bewohnt.
Damit der für das Haus Gartow tätige Leinweber eine Wohnung erhielt, wurden für ihn 1720 im
alten Schafstall neben der alten Schmiede einige Räume hergerichtet. 1721 kamen noch zwei
Wohnungen hinzu. Im Jahre 1729 war der Neubau eines Leineweber-Wohnhauses für 366 Rtlr. mit
2 Stuben, 6 Kammern, Küche und Diele unumgänglich. Es trug Dachpfannen.
1721 begann der Neubau von Tagelöhnerkaten in Quarnstedt, wobei baufällige Gebäude repariert
wurden oder dafür mit Neubauten Ersatz geschaffen worden ist. Im Lauf mehrerer Jahre kamen
weitere Katen dazu. 1723 existierten 12 Katen.
Da das Haus Gartow in Gartow ein Försterhaus mit Wohnung, Hunde- und Rebhühnerstall erbauen
lassen wollte, ist 1723/24 für Jacob Schulze ein Wohnhaus errichtet worden, weil er den Bauplatz
zur Verfügung stellte. Bisher wohnten der Förster und der Vogt in Baracken „vorm Thore“. 1724/25
erfolgte der Neubau des Försterwohnhauses für 922 Rtlr. einschliesslich Ställen, Hundehof und
Rebhühnerstall, der sich vorher auf dem Vorwerk Quarnstedt befunden hatte.
Um 1729/30 folgt der Neubau eines Wohnhauses „auf der Schäfferey vor Gartow“ für den Gerichtsvogt
und den Pfandemann mit zwei Wohnungen, 1731 der Anbau einer Hirtenwohnung im
Elbholz an das Haus des Holzknechtes und 1733 ein Schafstallneubau.
Mietobjekte um 1730 waren die Schmiede (18 Rtlr.), das Gasthaus (60 Rtlr.), Leineweberhaus
(20 Rtlr.) und ein Haus auf der Freiheit vor Gartow (14 Rtlr.). Da das Hirtenhaus mit zwei Wohnungen
vor Gartow infolge Blitzschlages am 8.2.1734 niederbrannte, ist sofort ein neues „von 13
Verbind“ mit Hartdach und für 446 Rtlr. erbaut worden.
Mit der Aufwertung der Gartower Amtsverwaltung als „Geschlossenes Patrimonialgericht“ und der
damit verbundener Anstellung eines Amtmannes wurde 1743 für 270 Rtlr. im Torhaus des Vorwerks
eine Beamtenwohnung geschaffen.
Der Bau einer neuen Schmiede erfolgte 1755 „auf der sogen. Schäfferey“ für 786 Rtlr.
Der Gartower Försterhof erhielt 1757 erneut einen Pferdestall und 1758/59 mußte Ersatz für das
baufällige Fischerhaus im Elbholz geschaffen werden. Der Holzvogt im Elbholz erhielt 1761/62 ein
neues Wohnhaus (245 Rtlr.).
Um 1771 ist das auf der Schäferei belegene ehem. Leineweberhaus von Fräulein Christiane Sophie
v. Jagow angemietet worden. Die Übergangs-Schmiede wurde vom Zimmermeister Michel
Christoph Tege bewohnt.
Scharfrichterei, Schmiede, Gasthof und eine Wohnung in Quarnstedt waren 1812 fest vermietet
an Personen, die beruflich darin arbeiteten und in einem Pachtverhältnis zum Haus Gartow standen.
Vermietet waren außerdem:
Fischerhaus im Elbholz (Maurergeselle Joh. Heinr. Gührs), Ehem. Försterhaus vor Gartow (Friedensrichter
Dr. Ziegler), Ehem. Amtshaus (Dr. Zieglers Büro), Ehem. Verwalterhaus vor Gartow
131
(Steueraufseher Heins). Das Haus in Meetschow war nicht vermietet.
Um 1838 waren vermietet: Gasthaus, Schmiede, Neues Haus vor Gartow (Forstsekretär Haupt,
Aktuar Hölty, Witwe des Sekretärs Krüger), Ehem. Verwalterhaus vor Gartow (Witwe des Kutschers
Törper) und Fischerhaus im Elbholz (ehem. Fischer, nun Tagelöhner Schenk), Mieteinnahmen 353
Rtlr. Die Scharfrichterei taucht als Mietobjekt nicht mehr auf.
1850 sind Gasthof und Schmiede (280 + 50 Rtlr.) sowie das ehemalige Amthaus (Amtsassessor
Stölting für 108 Rtlr.) vermietet worden. Das Gebäude des ehemaligen Gerichts Gartow „nebst
Gefangenenwärter-Wohnung“ war nach Aufhebung des Gräfl. von Bernstorffschen Gerichts für
100 Rtlr. an die Landesherrschaft vermietet worden.
Vom Neuen Haus vor Gartow , wie auch vom ehemaligen Verwalterhaus vor Gartow, ist keine Miete
erhoben wurden, weil dort hauseigenes Personal wohnte.
Da das Gasthaus im Winter 1872/73 ersatzlos abgebrochen wurde, fielen auch die Mieteinnahmen
fort. 1876 waren vermietet: Die Hofschmiede, das ehemalige Verwalterhaus (Rademacher
Teichmann). 1890 waren nur die Hofschmiede und das ehem. Verwalterhaus vermietet. In Letzterem
wohnten Tischler Riechert, Briefbote Lüders, Forstgartenarbeiter Schulz zur Miete; eine Stube
hatte Ökonom Giesewell angemietet.
Folgende Objekte sind seit 1698 angekauft worden:
Schmiede (1698), Höfe in Quarnstedt: Sandecke (1699), Duncker (1700), Peter Bormann (1702),
Henrich König (1704), Claus Hasse (1721), Gasthaus in Gartow (1720), freie sogen. Dorfstätte auf
dem Wolfsahl von A.C. Hildebrandt, Gartow (1725), Dreiviertelhof Matthias Pagel, Holtorf (1719),
Halbhof Jirjahlke, Lomitz (vor 1800). In Gartow sind einige Bürgerstellen erworben worden: Cordt
(genannt 1812), Belitz (gen. 1812), Niebuhr (gen. 1822), Hildebrand (gen. 1822), Salge (gen.
1838). 1892 kam das Haus Nr. 5 hinzu.
Quellen und Literatur
1. Urkunde Nr. 102, 104.
2. GR 1702/03, S. 662 - 663
3. GR 1702/03, S. 818
4. GR 102/03, S. 777
5. GR 1715/16, S. 702 - 705
6. GR 1715/16, S. 612 - 613
7. GR 1725/26, S. 559, 568
8. GR 1725/26, S. 730
9. GR 1725/26, S. 736
132
Kirchen-, Schul- und Sozialwesen
Notizen zur Kirchengeschichte
Die Religionsbetätigung hat in Deutschland schon lange Tradition, davon zeugen mitunter sehr
alte Kirchen bzw. deren Vorgängerbauten, wobei die Feldsteinkapelle in Vietze wohl die älteste im
Gartower Bezirk ist. Von der frühen Kirchengeschichte in Gartow ist erstaunlich wenig bekannt.
1328 wird die Existenz einer Pfarrkirche erwähnt, also gab es Kirchenbedienstete und eine zugehörige
Kirchengemeinde. Danach vergehen rd. 200 Jahre ohne jegliche Nachrichten von Kirche
und Religionsausübung.
Nur am Rand wird die Kirche Gartow im 14. Jahrhundert zur Herrscherzeit der Johanniter erwähnt:
„In dem Landbuche Karls IV finden sich nur spärliche Angaben über Gartow, da der Kaiser hier keine
Abgaben zu erheben hatte. Gartow est ordinis Sancti Johannis Iherosolimitani (Gartow gehört
dem Johanniter Orden zu Jerusalem) heißt es dort.
Nur einige Einkünfte der Kirche in Gartow aus altmärkischen Dörfern werden noch angeführt. Aus
Benkendorf (südöstlich von Salzwedel) mußten 1 ½ Wispel Weizen geliefert werden und aus dem
Nachbardorfe Liesten 40 Scheffel Weizen. Thielbeer (südlich von Arendsee) hatte dem Altare der
heiligen Jungfrau Maria in Gartow 16 Scheffel Weizen zu geben. Es handelt sich hier wahrscheinlich
um Stiftungen der Herrn von Gartow….“ 1
Erst 1534, als eine landesweite Kirchenvisitation angeordnet wird, erscheint Gartow im Zusammenhang
mit der Kirche. Als der damalige Pastor Heinricus Mechow zu den Gartower Kirchenverhältnissen
befragt wurde, nannte er den Betrag von 30 Gulden Jahresbesoldung für seine Bemühungen.
Die Kirchenaufsicht übten als Patronatsherren Familienmitglieder v. Bülow aus, was die
Verwaltung der Kirchengüter mit einschloß. Der Pastor Mechow hatte das Gefühl, von denen v.
Bülow zu seinem Dienst gezwungen zu sein, war unzureichend über die Einkünfte der Gartower
Kirche informiert und war nicht eigentlich Repräsentant der Kirchengemeinde. Vermutlich haben
die v. Bülows ein eigenwilliges Regiment geführt. 2
Als 1658 eine General-Kirchenvisitation im Fürstentum Lüneburg durchgeführt wurde, war die
Kirche in Gartow davon offenbar nicht betroffen. Lediglich die Landkirchen Trebel und Prezelle
erscheinen in den erhalten gebliebenen Protokollen. 3
Kirche St.Georg zu Gartow, erbaut im Jahr 1724
133
Ab 1694, als Andreas Gottlieb von Bernstorff als oberster Kirchenaufseher sein Amt antritt, wird
die Überlieferung besser:
„Die erste Erwähnung des Patronats in Gartow findet sich in einem Verkaufsvertrag von 1321, in
welchem neben einem „verdendel des huses to der chartowe“ alle Rechte, auch am „Kerklene“
(Kirchlehen) veräußert werden. 1329 und 1331 wird von einem Pfarrer Dietrich von Gartow gesagt,
er sei zugleich Präpositus in Arendsee. Kirchlich gehörte Gartow aber zur Diözese Verden
und muß mindestens bis 1455 bei dieser geblieben sein. Der Johanniterorden übernimmt Gartow
mit allen Lehnsrechten „gheystlich und weltlich“, die ihm 1371 erneut bestätigt werden. Schon
damals scheint die Kirche zu Gartow Einkünfte aus der Altmark bekommen zu haben, mit diesem
Gebiet war das alte Gartow mindestens ebenso eng verbunden wie mit demjenigen um Lüchow
und Dannenberg…. Aus einer Schuldverschreibung von 1517 geht hervor, daß die Junker v. Bülow
„Patronen sinth der Parkerken Sancti Georgy thor Ghartow“ und des „obgenannten altaris aller
Christen“, demnach trug die Kirche zu Gartow schon vor der Reformation den Namen des heiligen
Georg wie noch heute…. Da nach Übernahme Gartows durch Bernstorff der Probst zu Lüchow als
Superintendent mit dem Käufer Kontakt aufnimmt, um die volle Inspektion über die zu Gartow
gehörenden Kirchen zu erlangen, versucht Bernstorff durch ein Abkommen mit dem Landesherrn
bzw. dem Konsistorium den Propst vor der endgültigen Durchsetzung seiner vermeintlichen Ansprüche
zu stoppen…“ Die Kompetenzen des Propstes zu Lüchow blieben auch in der Folgezeit
stark beschnitten, die v. Bernstorff hatten sich weitgehende Befugnisse in Kirchen- und Schulangelegenheiten
im Gartower Bezirk sichern können. Der Einfluss der Familie v. Bernstorff auf
Entscheidungen und administrative Fragen dauerte bis 1920, als Schul- und Kirchenverwaltung
getrennt wurden. Aber auch späterhin haben die v. Bernstorffs, aus der Tradition abgeleitet, eine
gewisse Kirchenaufsicht geführt. 4
Im Laufe der Zeit haben die Gartower Pastoren nicht nur religiöse Festtage wie die Reformationsfeier
Luthers, die Augsburger Konfession, der Augsburger Religionsfrieden, Osterfest, drei Bußund
Bettage, Verkündigung Maria sondern ferner Dankesgottesdienste wegen Friedenschlüssen
nach Kriegen und die „Hagelfeier“
am 1. April 1788 begangen.
Hatten sich Seuchen und „außerordentlich gemeine Landplagen“ gezeigt, sind danach zusätzliche
Bußtage angeordnet worden. Pastoren waren gehalten, Niemanden von der Beichte auszuschließen
und durften in Predigten und Katechismusstunden Niemanden namentlich benennen, der
gesündigt hatte. Auch waren sie verpflichtet, geschwängerten Frauen den Betrag von 1 Rtlr. auszuzahlen.
Sie hatten ferner darauf zu achten, daß „Ausländer“ ohne vorher eingereichte Bescheinigung
nicht getraut wurden, wie auch Verwandte 1. Grades nicht.
Geistliche unterstanden der weltlichen Gerichtsbarkeit, sie leisteten beim Antritt ihres Amtes einen
Eid auf den Landesherrn. Und sie unterlagen mit Beschränkungen der weltlichen Besteuerung.
Zweckmäßigerweise haben die Pastoren im Auftrag des Hauses Gartow bei den Predigten zu bestimmten
Tagen weltliche Vorschriften verlesen, wie z.B:
Wegen Desertion, ungehorsamer Kinder, Bettler, Sabbatsfeier, Verunreinigung der Wolle, Pferdedieberei,
Flachsarbeit, Geldwechselei, Hausdieberei, Branntweinsaufens, Hazardspiele, Bankrotte
und Heiraten.
134
Pastor Hölty unterschrieb damals als:
„Prediger und Beamter des Zivilstandes“ im Königreich Westfalen, zu dem damals offenbar auch
ein Teil der Altmark gehörte. … Offenbar ist der wirtschaftliche Niedergang hier in der Franzosenzeit
nicht so groß gewesen, wie infolge des 30 jährigen Krieges oder des Weltkrieges 1914 -1918.
Das geht daraus hervor, daß sowohl nach dem 30 jährigen Krieg, wie in und nach dem 1. Weltkrieg
ein Rückgang der Geburten zu verzeichnen ist, während in den Jahren 1801 - 1815 kein Rückgang
der Geburten zu beobachten ist. Im Gegenteil:
1811 sind in Gartow 64 Kinder geboren, die höchste Zahl von Kindern, die nach Ausweis der Kirchenbücher
seit 200 Jahren überhaupt während eines Jahres in Gartow geboren worden sind. Die
Pastoren mußten einige Zeit lang Kirchenbuchverzeichnisse an das Haus Gartow liefern. 5
Am 16. November 1924 wurde in Gartow feierlich das 200jährige Jubiläum des Bestehens der
Kirche gefeiert und mit dem Reformationsfest verbunden.
Neuerungen gab es in der Kirchenorganisation:
Die Bezirkssynode hieß nun Kreiskirchentag, die Landessynode entsprechend Landeskirchentag.
Der Kirchenkreis Gartow wurde aus den sechs Kirchengemeinden gebildet und war nunmehr der
Kreiskirchenverband. Ein Kreiskirchentag – der erste – wurde im Januar 1925 in Gartow begangen,
wobei Beschlüsse zur Einrichtung einer Kreiskirchenkasse, eines Wohlfahrts- und Jugendpflegeausschusses
gefaßt und verschiedene Regularien durchgesprochen wurden.
Auch zum Ablauf der Konfirmation meldete sich die Kirche im Mai 1926 zu Wort:
„….ihr lieben Kinder. Welche Erinnerung an jenem bedeutsamen Tag eures Lebens ist in euren
Herzen geblieben? Besonders günstig ist es bei den Kindern gewesen, in deren Häusern die äußerliche
Feier in bescheidenen Grenzen geblieben ist. Wenn alle Eltern es sich doch zur Regel
machen wollten, gerade an diesem Tage auch den Gästen keinen Alkohol vorzusetzen! Ist es denn
nötig, daß des Kindes Auge gerade an diesem Tage auf Weinflaschen, Biergläser oder auch Bierfässer
gerichtet wird? Das Kind hat eben seinen ersten Abendmahlsgang getan; es ist dafür hingewiesen
worden auf Martin Luthers Worte: „Fasten und leiblich sich bereiten ist wohl eine feine
äußerliche Zucht.“ Und nun folgt vom Mittag an bis in den späten Abend hinein Schmaus auf
Schmaus, Trunk auf Trunk?...“
Störungsfrei sollte ferner der Gottesdienst sein, wie der Superintendent Dr. Weerts aus Dannenberg
1926 forderte: „Wiederholt ist bei öffentlichen Umzügen mit Musik, Trommeln und Pfeifen
der Gemeindegottesdienst gestört, sowie durch öffentliche Vorführungen während der Kirchzeit
Ärgernis erregt worden. In solchen Vorkommnissen, die übrigens auch gegen die Polizeiordnung
betr. die äußere Heilighaltung der Sonn- und Feiertage verstoßen, drückt sich eine Mißachtung
der christlichen Sonntagsfeier aus, die in weiten Kreisen berechtigten Unwillen erregt …“ Dazu
paßt eine Erinnerung, die während des Kirchenkreistages 1927 in Gartow vorgebracht worden ist:
„….daß sich die Bezirkssynode Gartow schon einmal im Jahre 1871 genötigt sah, einen Zuruf an
ihre Gemeinden Gartow, Holtorf-Kapern, Prezelle, Restorf, Schnackenburg und Trebel zu richten,
in dem sie über die immer mehr um sich greifende Entheiligung des Sonntags bittere Klage führte
und zur Umkehr und Besserung aufforderte.“
135
Das Thema war 1926 aktuell und die Bezirkssynode brachte hierzu ihre Bemerkungen und Warnungen
vor:
„…Das wüste Sonntagstreiben, die schlechten Sonntagsfreuden haben schon so manche von
Euch in großes Leid gebracht, so manche schöne Jugendzeit verdorben, so manches Leben für
immer verkümmert. Seid fröhlich immerhin, seid fröhlich allezeit; so aber, daß Eure Sonntagsfreude
wie Eure Alltagsfreude Gott wohlgefall! Suchet die Sonntagsfreuden am rechten Orte! Da sind
sie nicht, wo viele sie suchen und oft teuer bezahlen müssen. Suchet sie jeden Sonntag in der
Kirche, suchet sie in der Bibel oder in anderen heiligen oder doch guten Büchern; suchet sie in
der Gesellschaft Eurer Lehrer oder Prediger, die sich dessen innigst freuen werden, suchet sie im
Kreise solcher Altersgenossen, die den Herrn lieb haben…“
Den Nationalsozialisten waren althergebrachte Kirchenrechte ein Dorn im Auge, 1934 ging es um
das Kirchenstuhlrecht:
„Die gegenwärtige Zeit, in der stärker denn je der Wille zu einer mit dem deutschen Volksleben fest
verbundenen Kirche erwacht ist, fordert die Abschaffung kirchlicher Rechte aus früherer Zeit, die
dem nationalsozialistischen Volksempfinden fremd geworden sind. So ist aus vielen Gemeinden
der Landeskirche der berechtigte Wunsch geäußert, die noch weithin vorhandenen Kirchstuhlrechte
aufzuheben, weil die über alle Standes- und Klassenunterschiede hinweg geeinten Glieder
unseres Volkes und damit auch unserer Kirche kein Verständnis mehr haben für kirchliche Rechte
und Einrichtungen aus der Vergangenheit, durch die solche Unterschiede – bewußt oder unbewußt
– noch aufrecht erhalten werden …“ Ohnehin hatte Adolf Hitler die Aussage gemacht: „Wir
haben den neuen Staat – den neuen Menschen müssen wir bilden“. 6
Von 1879 bis 1932 war mit der Pfarrstelle Gartow die Superindentur der Inspektion Gartow verbunden.
.Am 15. August 1933 mußte in Gartow ein außerordentlicher Kreiskirchentag einberufen
werden. Es ging um die geplante Teilung des 1869 eingerichteten Kirchenkreises (KK) Gartow,
auch von dessen Auflösung war die Rede.
Am 3. Februar 1935 führte Pastor Störmer aus Schnackenburg als kommissarischer Superintendent
in der Gartower Kirche eine Visitation durch. Der Synodalbezirk Gartow ist 1953 tatsächlich
aufgehoben und mit dem KK Dannenberg vereinigt worden. 2006 schliesslich wurden die beiden
Kirchenkreise Lüchow und Dannenberg zum gemeinsamen Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg vereinigt.
Sitz des Superintendenten ist Lüchow, das KK-Amt befindet sich in Dannenberg.
Friedhöfe
Im Verlauf der Zeit hat es in Gartow mehrere Friedhöfe gegeben: Der älteste und die längste Zeit
belegte Friedhof befand sich im direkten Umfeld der Kirche. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung
war es notwendig, ab 1722 zur Springstraße auszuweichen, wo ein Platz westlich der alten Post
als Friedhof diente. Obwohl 1762 aufgehöht, war er wegen Hochwassereinfluss zu niedrig und ist
1813 aufgegeben worden. Daher ist ein dritter Friedhof auf der Buchhorst eröffnet, auf welchem
am 30. April 1814 die erste Beerdigung stattfand. Dieser wiederum reichte ebenfalls nicht mehr
aus, so dass ab 1878 der noch heute im Gebrauch befindliche Friedhof in den Hahnenbergen
aufgeschlossen wurde.
Es war Elisabeth v. Bernstorff, die ein Grundstück in den Hahnenbergen zur Anlage eines neuen
Gemeindefriedhofes kostenlos zur Verfügung stellte. Eine Bedingung war jedoch damit verbunden:
die Familie v. Bernstorff hatte sich dort einen Erbbegräbnisplatz ausbedungen. Das wurde
nicht realisiert, jedoch sind Beschäftigte der Familie v. Bernstorff dort beerdigt worden, während
die Angehörigen v. Bernstorff ihren Privatfriedhof bei der Kirche anlegten.
136
Um die Einfriedigung zu finanzieren, sind weitere Erbbegräbnisplätze verkauft worden. Im Februar
1878 haben die Gartower Familien Albrecht, Bardien, Brüggemann, Dröge, Japp, Herbst, Krüger,
Könke, Meinke und Wellmann davon Gebrauch gemacht.
Nach den Bedingungen, die außerdem galten, war es Personen christlicher Glaubensrichtungen
erlaubt, in Gartow beerdigt zu werden. Angehörige anderer Konfessionen waren nicht zugelassen.
Sowie: „…der Beerdigung der Leichen der Selbstmörder bleibt es bei der hier Orts bestehenden
Sitte, daß dieselben an einem besonderen Orte beerdigt werden …“ Sind Familienbegräbnisse 10
Jahre lang nicht gepflegt worden, fielen die Grabstellen an die Kirchengemeinde zur Neuverpachtung.
Die Schenkungsurkunde von Elisabeth v. Bernstorff datiert vom 27. Mai 1878.
Ab Juni 1878 erfolgte relativ schnell eine Grabbelegung/Verkauf von Familiengrabstätten (22 Gräber).
Die Erstbepflanzung mit Bäumen geschah im April 1878 aus der Baumschule James Booth,
Hamburg-Kl. Flottbek.
1891 ist zur Friedhofsvergrößerung ein Grundstück des Schlossermeisters Adolf Waldow angekauft
worden, hierzu waren „Staatsgenehmigungen“ des Konsistoriums Stade und des Regierungspräsidenten
einzuholen. Eine Friedhofsordnung mit 31 Paragraphen vom 5. Mai 1892 regelte
den Betrieb. 1902 ist der Friedhof erweitert worden.
Seit Juni 2007 besteht, einem neuen Trend folgend, ein öffentlicher Friedhof „Ruheforst Elbtalaue“
im Elbholz, der von der Familie v. Bernstorff betrieben wird. Im Bereich gekennzeichneter Bäume
werden Bestattungsurnen beigesetzt, die sich im Verlauf der Zeit von selbst zersetzen.
2015: Heutiger Friedhof Gartow
137
Gemeindeleben
1699 haben der Drechsler Jürgen Ernst Gerberding und der Kleinschmied Arend Barles in Gartow
zwei wüste Bürgerstellen (Jacobsen bzw. Möllendorf) wieder neu bebaut. Wie die übrigen Bürgerstelleninhaber
mußten sie an die Kirche Gartow den „sogenannten Heyligen Geist zu Gartow“
entrichten. Da ihre Geldmittel für den Wiederaufbau nicht ausreichten, liehen sie sich vom Haus
Gartow Geld an. Dafür trat jeder von ihnen vier Stücke Land, drei in den Dannstücken und eines
auf Wolfshahl, an das Haus Gartow für immer ab. Gleichzeitig übernahm das Haus Gartow die
stetige Zahlung des Kirchenzinses dieser beiden Bürgerstellen.
1766 wurde das Cellische Gesangbuch eingeführt.
Am 23. August 1856 wies Amtsvorsteher Albers Graf von Bernstorff auf die Sabbatsordnung hin:
„Da die Sabbathsordnung vom 25. Januar 1822 unter Ziffer I,1 neben dem Verbote der Arbeiten
auf Äckern, Wiesen p.p. an Sonntagen bekanntlich die Bestimmung hinzufügt, daß „solche nur in
Nothfällen vor, zwischen und nach dem Gottesdienste geschehen“ dürfen; somit in Nothfällen die
gedachten Arbeiten durch die Verordnung ohne Weiteres gestattet werden, jedoch nirgends die
Obrigkeit zur Erlaubnis-Erteilung ermächtigt ist, so bedauere ich, die gebetene Erlaubnis zu dem
Morgen als am Sonntage vor Euer Hochgeboren beabsichtigten Erntearbeiten grundsätzlich nicht
ertheilen zu können….“ 7/8
1902 fand das Königl. Konsistorium in Stade die Vorgehensweise des Gartower Kirchenvorstandes
unangemessen und trug daher einen Beschluß von diesem nicht mit. Es ging um die nicht
näher erläuterte Beseitigung eines „Denkmals“ auf dem Grab des Abbauers Dippner aus Gartow.
Kirchliche Aktivitäten zur Hebung des Gemeinsinnes und Verbreitung des Religionsgedankens hat
es in der Gemeinde Gartow stets gegeben. Einige Beispiele aus der Zeit zwischen dem 1. und 2.
Weltkrieg mögen dies verdeutlichen:
Regelmäßig wurden z.B. Kollektengelder gespendet und für verschiedene Zwecke verwendet, so
im Oktober für das Diakonissenmutterhaus in Rotenburg. Bei den regelmäßig stattfindenden Missionsfesten
wurde reichlich Geld gespendet. Die Kirchengemeinde war insofern in das Kirchengeschehen
eingebunden, als Kirchenvorsteher Aufgaben übernahmen.
Sehr erfolgreich wirkte der Gartower kirchliche Frauenverein, begründet 1913 von der Frau des
Superintendenten Seevers. Alle vier Wochen trafen sich die 63 Mitglieder, die einen Beitrag von
1 - 2 Mark zahlten, um soziale Taten zu vollbringen. Während des 1. Weltkrieges wurden heimische
Soldaten mit Päckchen im Feld unterstützt, Kranken und kinderreichen Familien geholfen
und bei Kriegsende 1918 ist den Soldaten ein feierlicher Empfang bereitet worden. Mit Sachspenden
bedacht wurde ferner ein Feldlazarett an der Westfront, wo Gräfin Clara v. Bernstorff die
Leitung hatte.
1919 erhielten die Kirche und das Pfarrhaus in Gartow elektrische Beleuchtung, den Wiedereinbau
von Prospektpfeifen nahm die Firma Furtwängler + Hammer aus Hannover vor. Im gesamten
Kirchspiel mußten für kriegsmäßige Metallgewinnung während des 1. Weltkrieges 11 Kirchenglocken
und neun Orgelregister zwangsabgeliefert werden. Ein großer kultureller Verlust. Auch die
Kirchen blieben von der Zeichnung sogen. Kriegsanleihen nicht verschont, Gartow hatte daher
einen Verlust von 100 800 Mark zu verkraften.
Infolge des Krieges und seiner Nachwirkungen hatte das Religionsempfinden gelitten, wie berichtet
wird:
138
„…Viele sind gegen die Kirche gleichgültig geworden. Haß gegen die Kirche und Kirchenfeindschaft
sind jedoch nur bei Wenigen zu finden. Aber es wird viel an der Kirche und ihren Einrichtungen
kritisiert und herumgenörgelt…“, sowie „…Äußerlich angesehen vollzieht sich die Pflege und
Betätigung des religiösen Lebens jetzt wieder in denselben Formen und in demselben Umfange,
wie vor dem Kriege. In Gartow, wo die Gottesdienstbesucher allsonntäglich gezählt werden, ist es
geradezu auffällig, wie konstant, von der Kriegszeit abgesehen, die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher
ist…“ Die Zahl der Abendmahl-Teilnehmer war insgesamt gesunken, am wenigsten
jedoch in Gartow (minus 2,5%). Sorgen machte sich damals der Gartower Pastor nicht nur um
die berufstätigen Schiffer, die mitunter monatelang ihren Heimatorten und somit der Kirche fern
blieben sondern auch wegen der neuartigen „Freideutschen Jugend“, deren Mitglieder bürgerliche
Konventionen weitgehend ablehnten und sich auf dem Höhbeck konzentrierten. Sie hatten mit der
Kirche nichts im Sinn.
Unter kirchlicher Beobachtung stand auch das Gartower Armenhaus. Ende 1919 waren deren
letzte Insassen, der Schneider Hannes Spohn und der Ausrufer Ernst Ohnesorge verstorben.
Besonderes kirchliches Interesse galt der Jugend. Obwohl sie die „Kinderlehre“ regelmäßig besuchte,
ließ die Erziehung im Elternhaus zu wünschen übrig. Der Kirchenvertreter meinte hierzu:
„…Man läßt ihnen zu viel Willen. Auch wird hier und da wohl geklagt, daß die Kinder sich abends
zu lange lärmend auf der Straße umhertreiben…“ sowie: „…Die ledige Jugend scheint, wie es in
einem Berichte mit Recht heißt, vorläufig hoffnungslos von dem allgemeinen Vergnügungstaumel
erfaßt zu sein…Die Beteiligung der ledigen Jugend am Gemeindegottesdienst läßt sehr zu wünschen
übrig, besonders seitdem die Tanzlust ihr ganzes Sinnen und Denken ausfüllt…“
Als Folge der Kriegsereignisse hatte er einen weiteren moralischen Negativwandel beobachtet:
„…Treu und Glauben sind in der Kriegszeit weit und breit geschwunden. In erschreckendem Maße
mehren sich die Vergehen gegen das Eigentum. Diebstähle sind überall an der Tagesordnung.
Kleidungsstücke und Lebensmittel sind nirgends sicher. Es ist wiederholt vorgekommen, daß Rinder,
Kälber, Schweine und Schafe aus dem Stall oder von der Weide geholt und geschlachtet sind
… und: „Leider sind aber doch eine ganze Reihe von Fällen ehelicher Untreue bei Männern und
Frauen bekannt geworden. In einzelnen Fällen liegen Paare in Ehescheidung, besonders in der
Restorfer und Prezeller Gemeinde“ sowie schließlich: „Die meisten unehelichen Kinder entstammen
dem Verkehr mit Kriegsgefangenen.“
In Gartow gab es damals auch einen Jugendverein, dem etwa 20 männliche Jugendliche angehörten,
hinzu kam ein Jungfrauenverein. Im Sommer 1921 haben die Ehefrau des gräflichen Sekretärs
Beck und Schwester Elfriede aus Gartow vor jungen Mädchen im Pfarrhaus Trebel über religiöse
und moralische Themen gesprochen. Gräfin Clara von Bernstorff gründete in ihrem Wohnort
Schnackenburg in jener Zeit einen Verein junger Mädchen. 9
Als Generalsuperintendent Schwerdtmann aus Hannover im Juli 1921 eine Kirchenvisitation vornahm,
wählte der Gartower Superintendent Umland als Predigtthema: „Ihr Christen lernt am Landmann:
01. Wer ernten will, muß säen. Gottes Säeleute sind die Pastoren und Lehrer aber auch die Hauseltern
und Jedermann,
02. „Wer gesät hat, muß in Geduld auf die Ernte warten.“ Schwerdtmann hatte in Gartow an den
Bezirkssynoden der Jahre 1913, 1917, 1919 und 1921 teilgenommen und war am 2.3.1922 verstorben.
139
Superintendent Umland setzte sich in seiner Dienstzeit für die Gründung eines Gartower Missionsvereines
ein (Innere-, Volks- und Heidenmission):
„….Er soll dafür sorgen, daß in allen unseren Gemeinden durch Wort und Schrift die Kenntnis
und das Interesse für die Missionsarbeit jeglicher Art geweckt und gefördert werde …“ Der Verein
wurde dann auch 1923 gegründet.
Ein damaliger Höhepunkt war die Einweihung des Gartower Gefallenen-Gedenksteines zu Pfingsten
1923. Ein 200 Zentner schwerer Findling aus der Gemarkung Vietze erhielt einen neuen Platz
zwischen Kirche und Pfarrhaus, an dem eine Bronzetafel mit den Namen von 44 gefallenen und
vermißten bzw. an Folgekrankheiten verstorbener Kriegsteilnehmer angebracht wurde. Die Einweihungsfeier
geriet zu einem großen Spektakel, an dem außer dem Superintendenten Gemeindevertreter,
die Schule, Postamtsmitarbeiter, gräfliche Bedienstete, der Jugend-, Krieger-, Turn- und
Schützenverein sowie Veteranen von 1870/71 und der Jungfrauenverein teilnahmen. Graf Günther
v. Bernstorff enthüllte das Denkmal feierlich. Eine Ehrensalve des Kriegervereins, ein passendes
Lied vom Männergesangverein und ein Weihegedicht rundeten die Feier ab. 10
Kirche und Privathaushalte litten 1923 unter der galoppierenden Inflation, auch die Kirche. In der
Endzeit der Geldentwertung stopften die Kirchenbesucher ganze Bündel wertloser Geldscheine in
den Klingelbeutel und Spendenkasten. Silvester 1923 machte man sich die Mühe, den „Wert“ der
Kollekte auszurechnen: es waren 10 470 000 000 000 Mark!
1924 ließ Graf v. Bernstorff die beiden während des 1. Weltkrieges zum Einschmelzen abgelieferten
Gartower Kirchenglocken auf eigene Kosten ersetzen. Die kleine Uhrglocke stammte aus
der St. Petri-Kirche in Hannover, die zweite Läuteglocke wurde von der Celler Stadtkirche käuflich
erworben. Mühlenbaumeister Thiele aus Meetschow besorgte das Aufhängen der Glocken.
Die Wahl von Kirchenvorstehern war eine alte Tradition, unzählige Male geübt aber im Herbst
1924 war es erstmals möglich, auch weibliche Gemeindemitglieder zu wählen. Damals erlebte
Superintendent Umland den Besuch von Herzog Ernst August und Herzogin Viktoria Luise von
Braunschweig-Lüneburg mit, beide befanden sich auf einer Reise durch die Provinz Hannover und
kamen auch nach Gartow. Die mit dem Auto angereisten hohen Gäste sind von Honorationen aus
Gartow und einer mehrere hundert Menschen umfassenden Volksmenge begrüßt worden. Das
Herzogspaar besuchte das v. Bernstorffsche Familiengrab, besichtigten Kirche und Gefallenen-
Ehrenmal, nahmen Kaffee im Schloß zu sich und reisten wieder ab.
Am 16. August 1925 fand in Gartow wieder ein Missionsfest statt. Der Festredner Pastor Klose aus
Hollenstedt wählte als Vortragsthema: „Der Herr weint über Jerusalem“. Nach dem Gottesdienst in
der Kirche begaben sich die Gläubigen „unter Klängen des Posaunenchores“ zum Schützenplatz,
wo Lob- und Danklieder gesungen, Vorträge und Reden gehalten wurden. Dort sprach Pastor Konrades
vom Kalandshof aus Rotenburg über das Dilemma jener Zeit:
„…Es ist ja ein namenloser Jammer zu sehen, wie so viele Menschen in unseren Tagen den Glauben
an den lebendigen Gott verloren haben. Die Ursachen der ungeheuren Gottentfremdung in
unserem Volke sind mancherlei. Redner streifte kurz die schreckliche Wohnungsnot besonders
in den Großstädten, den Alkoholismus, die Vergnügungssucht und die Unzucht mit dem unheimlichen
Heer von Geschlechtskrankheiten, die unser Volk weithin ins Verderben bringen und es
gottlos und heillos machen ….“ 11
140
Der soziale Gedanke in der kirchlichen Tätigkeit erstreckte sich nicht nur auf die Linderung von
Not im eigenen Ort sondern die Gemeinde wurde grundsätzlich zu Hilfeleistungen sensibilisiert. So
z.B. im Dezember 1925, als in der Gastwirtschaft Grabow in Gartow ein Film zur Arbeit der Bethelschen
Anstalten gezeigt wurde. In Bethel sind damals 5000 Kranke versorgt worden.
Am 6. Dezember 1928 war Pastor Lemmermann aus Hannover in der Kirche Gartow und hielt
einen Vortrag über „den Lutherischen Gotteskasten“. Der Gartower Jungmädchen-Verein, geschmückt
mit Kerzen und Adventskronen, sowie der Frauenchor gestalteten den Gottesdienst sehr
feierlich. Der weitere Verlauf wird so geschildert: „…Nach der Verlesung sang ein dreistimmiger
Frauenchor das Lied: „Auf, auf ihr Reichsgenossen“. Nach einer zweiten Verlesung sang derselbe
Chor mit einem Solo von Frau Gräfin v. Bernstorff und Geigenbegleitung von Dr. med. Fraesdorff
das Lied: „Er kommt, er kommt, der starke Held“. Als Hauptgesang wurde von der Gemeinde der
Gesang gesungen: „Gottes Stadt ist fest gegründet“ und dann hielt Herr Pastor Lemmermann seinen
Vortrag im Anschluß an das Wort Joh. 6, 35: „Ich bin das Brot des Lebens“….“
Am 23. Februar 1930 erhielt die Gartower Kirche Besuch von Pfarrer Rumpold aus Weißbriach/
Kärnten, einem Vertreter des Gustav-Adolf-Vereins. Er informierte vormittags Kinder und sprach
abends vor Erwachsenen, zeigte Lichtbilder zur Arbeit der evangelischen Kirche in Kärnten.200
Jahre lang, bis 1781, wurden evangelische Gläubige dort unterdrückt. Pfarrer Rumpold nahm
83,34 Reichsmark an Spenden mit nach Hause.
Die hohe Arbeitslosigkeit, mit verursacht durch den von Spekulanten ausgelösten Börsensturz,
brachte viel Not in Deutschland, besonders aber in den Großstädten. Daher sammelte die Kirchengemeinde
Gartow im April 1931 für die Stadt Harburg-Wilhelmsburg Spenden ein, die mit
dem Auto nach dort transportiert wurden: 12 Zentner Getreide, 2 ½ Zentner Erbsen und Bohnen,
3 Zentner Kartoffeln, 130 Pfund Speck und Wurstwaren, 50 Pfund Eingewecktes, Mehl und Kolonialwaren,
Kleidungsstücke sowie 58 RM Bargeld (aus Gartow, Meetschow und Nienwalde).
Im Dezember 1931 berichtete der aus Schnackenburg gebürtige Pastor Dornblüth aus Kirchboitzen
in Gartow, Schnackenburg, Kapern, Prezelle und Trebel über die gegenwärtige Notsituation
der Hermannsburger Mission.
Zu einem weiblichen Publikum hingegen sprach am 23. Februar 1932 Fräulein Rehmert, Sekretärin
des Landesverbandes für die evangelische weibliche Jugend aus Hannover „über unsere Aufgaben
in der Gegenwart“ wie z.B.: „…Man merkt es nicht, daß die Fluten der Gottlosigkeit und der
Entsittlichung ganz unauffällig schon nahe herangetreten sind und heimlich ihre Macht entfalten.
Da gilt es die Augen offen halten und den Feind erkennen…“
Der Gartower Frauenverein besuchte im Juli 1933 die Witwe des verstorbenen Superintendenten
Umland, die in Lüneburg lebte, wohin ihr Mann versetzt worden war sowie dessen Grabstelle. Die
Witwe war langjährige Leiterin des Frauenvereins.
Die Nationalsozialisten waren daran gegangen, den kirchlichen Einfluß stark zurückzudrängen.
Die evangelische Frauenarbeit mußte reagieren und schloß sich als „Frauendienst der Deutschen
Evangelischen Kirche“ zusammen. Dieser war der „Reichsarbeitsgemeinschaft Deutscher Frauenverbände“
eingegliedert, die seit 1. August 1933 dem Reichsinnenministerium unterstellt war.
Wegen der Interessenkollision mit den nationalsozialistischen Zielen durften die kirchlichen Gruppierungen
keine Orts- und Jugendgruppen mehr gründen.
141
Trotz der Bevormundung durch den Staat hatte die Evangelische Frauenhilfe Gartow zum 1. Advent
1933 eine Feier für 50 ältere und einsame Frauen im Gasthaus Meyke eingeladen. Vom 18. bis
21. Februar 1934 war die Stadtmissionarin Fräulein Marcard in den Evangelischen Frauenhilfen-
Gruppen von Gartow, Schnackenburg, Trebel und Prezelle mit Vorträgen über ihre Arbeit tätig,
insbesondere Behebung von sozialen Nöten in Stadtgebieten.
Ende des Jahres 1934 gab es in Gartow zwei getrennte Adventsfeiern. Eine veranstaltet von der
Evangelischen Frauenhilfe Gartow in der Gastwirtschaft Krüger, insgesamt mit 170 Frauen, auch
von der Frauenhilfe Nienwalde. Dort sprachen die Ehefrauen von Dr. med. Fraesdorff und Superintendent
Umland und begleiteten die Feier. Wenig später fand in der Gastwirtschaft Kühn die
Adventsfeier der NS-Frauenschaft statt, wo der Gartower Pastor Auhagen eine kurze Ansprache
vortrug.
Im November 1935 begann mit 30 Teilnehmerinnen in Gartow ein Bibelkursus, der zu einer ständigen
Einrichtung werden sollte. Die drei ersten Abende führte Fräulein Lukas, Geschäftsführerin
des Deutschen Evangelischen Frauenwerkes aus Potsdam, durch. 12
Die Kirchengemeinden blieben von Reformbestrebungen auch in jüngster Zeit nicht verschont,
was im Wesentlichen seine Gründe in knapperen Finanzmitteln hat:
„Der Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg steht vor einer neuen Sparrunde: Die Landeskirche wird
im kommenden Jahr noch knapp 3,38 Millionen Euro überweisen und diese Summe dann bis
zum Jahr 2012 auf 2,85 Millionen Euro reduzieren… Ende 2012 wird es im Landkreis nur noch
insgesamt 15,25 Pfarrstellen und drei Regionaldiakonenstellen geben. In der Region Nord: drei
Pfarrstellen (Hitzacker II und Neu Darchau werden verbunden) und 0,5 Regionaldiakonenstelle.
In der Region Mitte: 5,25 Pfarrstellen (Quickborn/Damnatz und Langendorf sowie Lüchow III und
Plate werden verbunden) und in der Region Ost: drei Pfarrstellen und eine Diakonenstelle. Das
macht unterm Strich ein Minus von 2,5 Stellen. In der Region Ost ist der Schmerz über die Stellenreduzierung
am größten: Die Gemeinden Trebel und Gartow sind auf dem Papier längst nur noch
halbe Pfarrstellen, aber immer noch durch „ganze“ Pastoren besetzt …“ Der Gartower Pastor Eckhard
Kruse erlebte derartige Auswirkungen schon vorab, als er längere Zeit als Vertretungspastor
in Bergen/D. amtieren mußte.
Aber auch baulich gab es in letzter Zeit Veränderungen im Umfeld der historischen St. Georgs-
Kirche Gartow:
„…Im Rahmen der geförderten Maßnahmen wurde die Bausubstanz der Pfarrscheune sowie eines
weiteren bis dato als Garage genutzten Nebengebäudes saniert, der historische Glockenturm
restauriert sowie die Außenanlagen inklusive der Einfriedigung neu gestaltet. Ein zwischen Pfarrscheune
und Nebengebäude eingefügter Neubau verbindet beide Gebäude, so dass durch den
Neubau sowie Sanierung, inneren Umbau und Umnutzung der vorhandenen Gebäudesubstanz
ein modernes Gemeindezentrum umgesetzt werden konnte. Entstanden ist auf diese Weise ein
sehenswertes Gesamtensemble aus der in Backsteinbauweise errichteten Barockkirche mit dem
restaurierten Glockenturm, der umgebauten Pfarrscheune und dem modernen Gemeindehaus
für gut 80 Personen. Das Umfeld mit dem neu gestalteten Kirchplatz, hinter dem sich der alte
Pfarrgarten mit der großen Streuobstwiese anschließt, wurde ebenfalls in das schlüssige Gesamtkonzept
der Maßnahme mit einbezogen… Das „Evangelische Forum“ mit all seinen Aktivitäten wie
z.B: auch Kinonachmittage und -abende… ist in die vielfältige und umfangreiche Gemeindearbeit
mit einbezogen. In Zukunft ist es als Ort der Begegnung auch für alte Mitbürger und für Behinderte
vorgesehen und soll dabei die generationenübergreifende Kommunikation fördern. Das Gemein-
142
dehaus kann vormittags als „offener Seniorentreff“ dienen und wird als „Markt-Café“ zur Verfügung
stehen. Ein Schwerpunkt liegt in der Kinder- und Jugendarbeit. 13/14
Regelmässig treffen sich Frauen- und Altenkreis, die „Kleine Kantorei“, gegründet im Herbst 1999,
um alte und neue Kirchenvokalmusik unter ihrer Kanotorin Dorothea Tramitz einzuüben und zur
Aufführung zu bringen sowie der Posaunenchor unter der Leitung von Martina Klute.
2012: Kirchenchor Gartow, Kleine Kantorei
1953: Kirchenchor Gartow, Konzert mit Dietrich v.
Amsberg
Historischer Kirchenchor
143
Von großer Bedeutung ist die 1991 aufwendig restaurierte Hagelstein-Barockorgel. Erbaut hat
sie der Lüneburger Orgelbauer Johann Matthias Hagelstein. Mit ihren nord- und mitteldeutschen
Klangelementen hat sie zahlreiche Konzerte bereichert. Ab 2008 findet in jedem Jahr der „Gartower
Orgelsommer“ mit ständig steigenden Besucherzahlen statt.
Kreiskantor Axel Fischer schreibt: „Als die Kirche fertiggestellt wurde, wandte sich Graf Bernstorff
zunächst an den Orgelbauer Hans Hantelmann in Lübeck, der als Schüler Arp Schnitgers einen
guten Ruf genoss. Der Vertrag wurde am 28. Oktober 1733 geschlossen, Hantelmann starb jedoch
am 15. April 1735 während der Arbeiten. Dies führte zur Beauftragung von Johann Matthias
Hagelstein am 12. Dezember 1735. 1740 wurde ein zweimanualiges Werk mit Pedal und 23 Stimmen
in der St. Georg Kirche aufgestellt.“
Die Modernisierungsmaßnahmen haben jedoch keinen Einfluss auf eine Wertungskommission
gehabt, welche die Aufgabe hatte, Deutschlands schönste Dorfkirchen auszuwählen. Bereits im
Jahre 2005 hatte der Bund Heimat und Umwelt (BUH) einen entsprechenden Wettbewerb ausgeschrieben:
„…Grundlage war ein Appell an die Kirchengemeinden, ihre Dorfkirchen vorzustellen.
Annähernd 400 Einsendungen aus allen Bundesländern waren daraufhin beim BUH eingegangen.
Mitgemacht hat auch die Kirchengemeinde Gartow. „Eigentlich hatten wir das Ganze irgendwie
schon wieder vergessen“, erzählt Pastor Eckhard Kruse. Umso überraschter war er deshalb über
eine Urkunde, verbunden mit einem kleinen Geldpreis, die die Post nun ins Pfarramt brachte. Die
Kirchengemeinde habe ihre Kirche hervorragend präsentiert, lobt der BUH. Das Gotteshaus gehöre
zu den schönsten Dorfkirchen Deutschlands. In Niedersachsen wurden neben St. Georg Gartow
die Kirchen im ostfriesischen Dornum und in Lengerich im Emsland mit dem Prädikat „Schöne
Dorfkirche“ ausgezeichnet…Gartows barocke, denkmalgeschützte St. Georg-Kirche, 1724 erbaut,
hat unter anderem damit gepunktet, dass sie bis auf technische Notwendigkeiten wie den Einbau
einer Heizung keine Umbauten erfahren hat. Und auch die Hagelstein-Orgel hat den Gartowern
Pluspunkte beschert. Vielmehr noch aber hat das Gesamtensemble eine wichtige Rolle bei der erfolgreichen
Vorstellung des Gotteshauses gespielt, freut sich Eckhard Kruse. Dass sich die Kirche
in Gartow um die Menschen kümmere. Kruse nennt das „lebendige Kirche“.
Und es gab für die Kirchengemeinde Gartow noch eine weitere Auszeichnung:
„… Die Gemeinde hat sich deshalb an dem Umweltmanagement der Landeskirche „Der Grüne
Hahn“ beteiligt und sich nach den Regeln des „Eco Management and Audit Scheme“ kurz EMAS,
zertifizieren lassen – als erste Gemeinde im Kirchenkreis …“ Verbesserungen bei der Energieeffizienz
sollen den Verbrauch bei Strom, Gas und Öl reduzieren: „…In den nächsten drei Jahren
sollen deshalb der Strom- und Wasserverbrauch um jeweils 5% und der Wärmeenergiebedarf
um 15% gesenkt werden. Deshalb werden veraltete Lampen ausgetauscht, Fenster und Haustür
im Pfarrhaus ersetzt, Nebeneingänge der Kirche isoliert und geprüft, ob und wie die Umstellung
der kirchlichen Gebäude auf Fernwärme durch die Biogasanlage (Anm.: auf dem Gut Quarnstedt)
möglich und wirtschaftlich vertretbar ist.“ 15
Besoldung und Rechnungswesen
Der jeweilige Gartower Pastor erhielt vom Haus Gartow jährlich drei Faden Eichenholz als sogen.
„Christholz“, der Kantor die Hälfte. 16
Vom Hause Gartow wurde um 1710/11 Pastor Christoph Lehmann zu Michaelis mit
20 Rtlr. Barzahlung jährlich besoldet. Nach altem Recht hatte er Anspruch auf den Empfang von
6 Bratwürsten zu Weihnachten. Diese ließ er sich nicht in natura liefern sondern erhielt dafür den
144
Geldwert (6ggr.). Weitere 12 Rtlr. erhielt er in seiner Funktion als gleichzeitiger Pastor von Restorf.
Dieser Geldbetrag war gekoppelt mit der sogen. „Böselschen Hufe“, die im Austausch mit Pölitz an
das Amt Dannenberg gefallen war.
Am 11. September 1858 wandte sich der Gartower Pastor Freytag an den Grafen von Bernstorff:
„…um Berichtigung der rückständigen Pacht für die Pfarrländereien. Seit Jahren bin ich, weil diese
Pacht nicht zu den festgesetzten Terminen erfolgte, nie mehr gänzlich aus der Verlegenheit gekommen.
Notgedrungen habe ich Ew. Hochgeboren von Zeit zu Zeit Mitteilungen über meine drückende
Lage gemacht, in welche ich durch den erwähnten Umstand versetzt wurde. Es fehlt seit
langem schon oft der Groschen zu den kleinen Bedürfnissen des täglichen Lebens, unter welchem
Mangel meine Frau schwer leidet. Noch in diesen Tagen muß ich längst eingegangene, bedeutende
Verpflichtungen zu erfüllen und bedarf über das zur Ausrüstung meines ältesten Sohnes für
seine neue Lebensstellung, zur Berichtigung des Kostgeldes für die beiden anderen Kinder und
des Gesindelohnes unumgänglich einer für meine Umstände bedeutenden Summe. Ew. Hochgeboren
werden mir das Angeführte zur Entschuldigung gereichen lassen, wenn ich nochmals um
die Berichtigung der bis zum 1. Mai d.J. fälligen Pachtsumme sowohl für die Pfarräcker als für die
Pfarrwiesen dringend bitte…“
Die Personen, die mit der Kirchenrechnungsführung betraut waren (Pastor, Kantor, Kirchenjurat)
erhielten lediglich Anerkennungsbeträge, ebenso der Patron v. Bernstorff für Schreibgebühren,
wie auch der Fleckensdiener und Gerichtsdiener.
Für die Prüfung der Kirchenrechnung erhielten laut Anweisung vom 4. März 1763 der Amtmann
und Amtsschreiber ebenfalls Gebühren. Jährlich ein Mal, wohl bei Fertigstellung der Kirchenrechnung,
gab es eine Mahlzeit für 9 Personen, wobei auch eine halbe Tonne Bier konsumiert worden
ist. Die Ausgaben hierfür erscheinen ebenfalls.
Der Kantor erhielt in seiner Funktion als Organist eine Jahresbesoldung von 8 Rtlr., die beiden
Glockenläuter 2 Rtlr. zusätzlich zu dem Betrag, den sie ohnehin aus der
Bürgerrechnung erhielten.
Kantor Krug erhielt vom Haus Gartow vierteljährlich den „Hausdreyer“ für die Gartower Hospitalbürgerstelle,
also 3 Gute Groschen Anerkennungsgebühr, ferner zwei Ostereier. Pastor Hölty erhielt
„für Haltung der Betstunden und Catechismus Lehren“ im Hospital“ 16 Rtlr., eine Wurst und
6 Eier im Jahr. Der Organist, Küster und Schullehrer Bernhard Marwede erhielt vom Haus Gartow
jährlich eine Barbesoldung von 16 Rtlr. Auch er hatte Anspruch auf 3 Bratwürste zu Weihnachten,
die mit Geld abgegolten wurden. Ferner erhielt er für zwei inzwischen wüstgefallene Höfe in Quarnstedt
(Klitzing, Buncke) weitere 6 ggr. an Einnahmen. 17/18
Auch an den Bälgentreter wurde gedacht. Er bekam für seine Bemühungen als Naturalie 5 Himpten
Roggen. Seit 1704 hatte er nichts mehr zu tun, weil die Orgel in jenem Jahr wegen des Turmbaues
ausgebaut und noch nicht wieder installiert war.
Im gewissen Maße wurde ferner der Lehrer Schröder in Nienwalde unterstützt, er bekam jährlich
einen Zuschuß von 6 Rtlr. auf Anordnung des Grafen vom 31. Oktober 1762 „wegen der geringen
Anzahl seiner Schulkinder zur Beyhülfe“.
Dann gab es noch einen Türwärter namens Rump, der für seine Tätigkeit jedes Quartal 1 Rtlr. erhielt.
145
Der Hospitalküster Johann Friedrich Lange war für das Vorlesen und Vorsingen während der Gottesdienste
zuständig. Dafür erhielt er 2 Rtlr. jährlich. Schließlich erhielten die Kirchenjuraten vom
Haus Gartow ein Fuder „Kirchenrechnungs-Holtz“. 19
1711: Ausgaben an den Geistlichen pro Salario
146
1775: Ausgaben für Wein und Oblaten in der Kirche Gartow
147
Anhand einiger alter Kirchenrechnungen der Gartower Kirche soll versucht werden, die örtliche
Kirchenverfassung etwas zu verdeutlichen:
Früher galt als Registerlaufzeit der Zeitraum von Advent zu Advent, es wurde vom jeweiligen Kirchenjuraten
geführt. Zunächst kommt hier die Kirchenrechnung von
1775/76 zur Auswertung. Es waren Zahlungsrückstände, die zur Einnahme gerechnet wurden, zu
verzeichnen: Zinsen und Kirchstuhlmiete vom Hof des Joachim Henning Gausmann aus Nienwalde,
seit 1772 dazu die Zinsen von 1773; die der Hofnachfolger Jürgen Hinrich Schultze ebenfalls
noch nicht beglichen hatte. Auch hatte Letzterer die Zinsen von 1775 ebenso noch nicht beglichen.
Der in Konkurs geratene und „entwichene“ Jürgen Reinack aus Gartow war Zinsen rückständig
geblieben und bei der Konkursabwicklung erhielt die Kirche weiteres Kapital als Einnahme,
wie ferner von Gausmanns Hof aus Nienwalde. Es müssen daher außer den Zinszahlungen noch
andere Außenstände gegenüber der Kirche bei beiden bestanden haben.
Um mit Geldmitteln flüssig zu sein, hat sich die Kirche Gartow Ostern 1763 von benachbarten Kirchen
Gelder geliehen, wofür sie Zinsen zahlen mußte: Kapelle Lomitz (42 Rtlr.), Kirche Trebel (70
Rtlr.), Kapelle Volzendorf (46 Rtlr.), Kapelle Meetschow (70 Rtlr.), Kirche Restorf (50 Rtlr.), Kapelle
Prezier (98 Rtlr.), Kirche Holtorf (79 Rtlr.), Kirche Kapern (84 Rtlr.) und 1764 erneut von der Kirche
Holtorf (23 Rtlr.). Von der Gartower Stiftung zum Heiligen Geist sogar die Summe von 578 Rtlr.
Da offenbar dieses Geld noch immer nicht ausreichte, sind in den Folgejahren weitere Beträge
angeliehen worden: 1766 erneut von der Kapelle Prezier (56 Rtlr.), Kirche Trebel (57 Rtlr.), Kirche
Kapern (53 Rtlr.), Kirche Holtorf (37 Rtlr.). Ab 1769 ging man dazu über, sogar von Privatpersonen
Gelder anzuleihen, nämlich vom gräflichen Reitknecht Pflug (93 Rtlr.), vom Grafen v. Bernstorff
selbst (46 Rtlr.) und vom Fräulein v. Jagow (100 Rtlr.). 1770 sind von der Kirche Kapern 72 Rtlr.,
im Jahre 1771 von der Frau des Gartower Amtmannes Wolbrecht 72 Rtlr., 1774 von der minderjährigen
Tochter des Nachtwächters Jochim Buwäse aus Gartow 100 Rtlr., von den Erben des Jochim
Christoph Uhlenbrock 46 Rtlr. und erneut von der Stiftung zum Heiligen Geist 40 Rtlr., 1775 von
der Kirche Restorf 40 Rtlr., von der Kapelle Prezier 150 Rtlr. und schließlich von der Kirche Holtorf
100 Rtlr. angeliehen worden.Die letzte Geldaufnahme mit 400 Rtlr. wurde 1776 von Friedrich
Christoph Sannecke bezogen, so daß die Kirche Gartow insgesamt von 1763 bis 1776 die Summe
von 2608 Rtlr. Schulden bei diversen Gläubigern hatte.
Aber die Kirche Gartow verlieh ihrerseits ebenfalls Gelder und vereinnahmte die Zinsen davon. Der
Zins lag damals bei 5 Prozent oder 1 ½ Guten Groschen je verliehenen Reichsthaler. Aus Gartow
mußten daher Zinsen an die Kirche Gartow zahlen: Stephan Hinrich Belitz (Leihsumme 18 Rtlr.),
Johann Christoph Bennecke (16 Rtlr.), Jürgen Reinack, der später Gartow heimlich verließ (17
Rtlr.), Johann Christian Schlüters Witwe (32 Rtlr.), Joachim Dietrich Schultze (14 Rtlr.), Johann Levin
Ahnsorge (68 Rtlr.), Cord Hinrich Meyer (18 Rtlr.), Georg Christian Werner (14 Rtlr.) und Georg
Christian Werner (20 Rtlr.). Dazu kamen Christian Gäde aus Holtorf (2 Rtlr.), Johann Hinrich Lücke
(5 Rtlr.), Jürgen Hinrich Schultze (10 Rtlr.) und Conrad Hahlbohm (7 Rtlr.), Christoph Hinrich Muchau
aus Vietze (12 Rtlr.) und Johann Friedrich Ostermann aus Meetschow (1 Rtlr.). Ferner hatte sich
Graf von Bernstorff im Jahre 1763/1774 den hohen Betrag von 933 Rtlr. von der Kirche Gartow
geliehen, wie auch die Kapelle Gorleben 100 Rtlr. und die Kirche Trebel für den Einbau der Orgel
400 Rtlr. Das alles zusammen erbrachte 65 Rtlr. Zinseinnahmen. Die Einnahme von 12 ggr., die
der Flecken Gartow alljährlich am stattfindenden Gerichtstag an die Kirche abführen mußte, fällt
dagegen kaum ins Gewicht. Es war damals allgemeiner Brauch, in der Kirche seinen Sitzplatz zu
kaufen (Kosten zwei Rtlr.).
148
Wurde der Kirchenstand aufgegeben, waren einmalig 6 ggr. zu zahlen. Wer keinen Kirchenstand
kaufen wollte oder konnte, zahlte ein jährliches Mietgeld in Höhe von 3 ggr.. Frauen und Männer
saßen in der Kirche getrennt. Die vermietbaren „Manns-Stände“ befanden sich in der „mittelsten
Reihe“ und an der „Flecken Seite“. Gemietet waren in der „mittelsten Reihe“ (in Klammern: Nummer
des Sitzes) Plätze von: Johann Christoph Bennecke (79), Friedrich Dräger (80), Cordtsche
Hausstelle „betritt Prange“ (82), Johann Nork (84), Maler Willers (87), Joachim Hoyer (90), Friedrich
Hennings (92), Hartwig Friedrich Minte (94), Balzer Hinrich Kruse (95), Friedrich Riechert (97),
Nicolaus Lindhus (98), Friedrich Meyers Erben „betritt Bunncke auf ½ Jahr“ (99), Andreas Carl
Janecke (102), Johann Albrecht Hartwig (103), Hans Jürgen Hasse (104), Leopold Ziesenitz (105),
Landchirurg Pouloux (108), Jürgen Christoph Bormann (110), Joachim Friedrich Hildebrand (111),
Jürgen Hinrich Rohr „betritt Giegeler“ (112), Jürgen Werner (113), Johann Christian Spohn (114),
Johann Christian Pevestorf (115), Johann Friedrich Wiese (117), Johann Daniel Behne (118), Johann
Joachim Röhl (119) und Joachim Wilhelm Bischoff (120), sämtlich aus Gartow.
Die Gartower Männer saßen allesamt in einer Abteilung wie auch die Männer aus Nienwalde,
die in der Kirche an der „Flecken-Seite“ gesessen haben, ferner die Männer aus Meetschow, Quarnstedt
und Rucksmoor; die in anderen Kirchenabteilungen ihre Plätze hatten.
Hier jedoch interessieren die den Gartowern reservierten Kirchenstände, wobei die Reihe mit den
„Frauen-Ständen“ fortgesetzt wird:
Witwe des Peter Roost (115), welche „auf der Klappe“ sitzen mußte, Frau des Kutschers Lämmers
(115), die drei Witwen, die im v. Bernstorffschen Hospital wohnten und deshalb keine 3 ggr. Miete
zahlen brauchten: Witwe des Christian Gäde (116), des Jürgen Wilhelm Bennecke (118) und des
Joachim Gäde (117). Es folgen einige Stände, deren Miete das Haus Gartow zahlte, die Kirchenstandmieter
also Bedienstete des Hauses Gartow gewesen sind: Catharina Zincke (119), die Frau
des gräfl. Ackervogts Bobzien (120), die Frau von Johann Hinrich Klug (121), Frau des Försters
Eschrich (122), Frau von N.N. Rosenbohm (123) und Frau von N.N. Buße (124). An der Gartenseite
im Kircheninneren haben weitere Gartower Frauen ihre Plätze gehabt: Frau des Friedrich Bennecke
(75), Frau des Erdmann Schultze (76), Magd der Amtmannsfrau Wolbrecht (77), Frau des Andreas
Hildebrandt (78), Magd des Herrn Michaelis (79), Magd der Pastorenfrau Schultze (80), Frau des
Adam Jahnken (81), Magd des N.N. Waldau (82), Magd des H. Schröder (83), Frau des Christoph
Kayser (84), Magd des Herrn Torbiers (Törber?) (85). Die beiden Witwen Lehnert und Maak (118,
124) aus dem Hospital waren von der Kirchenstuhl-Gebühr befreit. In der Prieche an der „Flecken-
Seite“ befanden sich weitere „Manns-Stände“ der Gartower: Joachim Martin Niebuhr (2), Jacob
Schultze Witwe (3), Levin Ahnsorge (4), Johann Ludwig Suhr (5), Johann Christian Schlüter Witwe
(6), Samuel Wunderlich (7), Schneider Diehn (8), Friedrich Belitz (9), Cord Hinrich Meyer (10), Ahnsorge
jun. (11). „Die beyden Acker-Voigte“ (15), Holzknecht Niemann (16), Ackervogt Bobzien (17)
und der Ochsenknecht Schultze (18), waren ebenfalls frei von Gebühren. Weiterhin saßen dort:
Friedrich Bennecke (19), Joachim Adam Jahnke (20), Anton Fuhrmann (21), Valentin Kahle (23),
Johann Zierres (24), Friedrich Kröplien (25), Erdmann Schultze (26), Andreas Hildebrand (27), in
der „Prieche Gartenwärts“ haben Schmied Meyer (5), Invalide Joachim Maneke (6), Johann Lemke
(7) und der Nachrichter Schultz (8) gesessen. Damit ist die Liste nicht erschöpft, in der „mittelsten
Reihe“ nahmen Frauen und Männer gemischt ihren Platz ein: Jürgen Christian Werner (7), Johann
Wilhelm Hilgenfeld (12), Friedrich Hennings (14), Herr Davids (15), Louise Catharine Dingelstedt
(18), Andreas Hildebrands Stelle „betritt Bonncks Frau für ½ Jahr“ (20), „zur Cordschen Stelle
gehörig, betritt Witwe Sauerbrey“ (21), Friedrich Dräger (23), Ernst Leopold Ziesenitz (24), Johann
Ludwig Saur (26), der Kammerdiener Herr Meyer (27), Fräulein von Schultz „betritt Herr Willers
149
Frau“ (28), Johann Christian Spohn (29), dessen Tochter (30), Johann Christoph Bennecke (31),
Hartwig Friedrich Minte (35), Meyers Erben „betritt Witwe Frahm auf ½ Jahr“ (37), Johann Albrecht
Hartwig (38), N.N. Waldau (39), Joachim Röhl (40), Hinrich Christian Dannehl (41), Andreas Carl
Jahnecke (42), Hans Jürgen Hasse (44), Johann Wilhelm Hilgenfeld (45), Jürgen Hinrich Rohrs Witwe
(46), Margarethe Lehnchen (47), Joachim Hoyer (48), Friedrich Riechert (49), Jacob Schultze
Witwe (50), Joachim Wilhelm Bischof (51), Joachim Maneke (52), Johann Christian Pewestorf (53),
Georg Christoph Sörger (54), Hinrich Otto Adam Gartauer (55), Joachim Friedrich Hildebrand (56),
Julius Schulze Witwe (57), Jürgen Christoph Bormann (58), Joachim Prange (59), Hinrich Schönberg
(60), Johann Christian Schlüter Witwe (61), Zimmermeister Tege (62), Johann Levin Ahnsorge
(63), Nicolaus Lindhus (64), Cord Christoph Reinecke (66), Nachrichter Schultz Frau (67), Ludolph
Hildebrands Frau (69), Friedrich Kröplien (70), Gefreiter Johann Schmidt (71), Johann Norck (72),
Georg Valentin Kahle (73), Johann Kruse Witwe (74), Andreas Giegeler (75), Samuel Wunderlich
(76), Johann Friedrich Wiese Magd (77), Cord Meyer (78) und in den „Frauen-Ständen Fleckenwärts“:
Witwe Frahm (1) und die Magd des Försters Schultze (2), Magd des Herr Lotzow (22), Reitknecht
Friedrich Frahm (61), Frau des Schäfers Ahrens (62), Witwe des Invaliden Lange (72), Frau
des Invaliden Meinecke (73), Frau des Christoph Schütte (78), Frau des Wachtschützen Meinecke
(79), Johann Joachim Wegener (80) und „Gartenwärts“: die zwei Mägde des Amtmannes Werckmeister
(1, 2), die Magd des Amtsschreibers Kniep (3), Rönnebecks Frau (4), Dankerts Frau (8),
Die vier Frauen der Hofknechte (8, 9, 10, 13), Siemes Schultze Frau (14), Frau des Andreas Kruse
(15), Frau des Hans Bonhoff (16). Diese Personen gehörten als Dienstpersonal zum Haus Gartow
(Graf von Bernstorff). Im entfernteren Sinne zählten die folgenden Frauen
ebenfalls zum gräflichen Personal, da deren Männer niedrige Funktionen für das Haus Gartow
ausübten: Frau des Schmieds Meyer (19), Anna Ilsabe Pflughöfft (20), Niemanns Frau aus dem
Elbholz (21), Frau des Pfandemanns Koppe (22), die Frau des Gerichtsvogtes (25), die Witwe des
Fischers Bahlke aus dem Elbholz (26). Frau des Heubinders Guhl (27), Witwe des N.N. Gott sen.
(39), Herr Michaelis (46), die Frau des Nachrichterknechtes (62), Witwe Bahlke (66), Witwe des
Kuhhirten Peerts (67) und Witwe Rönneburg (68). Ferner bezahlte das Haus Gartow „6 Stände in
denen neu angebauten hohen Stühlen.“
Einnahmen ergaben sich auch aus dem Läutegeld der Glocke, als 1775/76 der Pächter des Vorwerkes
Rucksmoor, Bade und die Frau des Hofknechtes Schultze aus Quarnstedt verstarben. Es
sind jeweils 9 ggr. bezahlt worden. Diesen Betrag zahlten ferner auch Verwandte Auswärtiger, für
Kinder war die Hälfte aufzubringen. Bei Hochzeiten zuvor „lediger Leute“ mussten gemäß Kirchenordnung
8 ggr. für das Läuten bezahlt werden.
Von den Erbschaften Verstorbener vereinnahmte die Kirche den „100sten Pfennig“: das nachgelassene
Vermögen der verstorbenen Pastorenwitwe Gössel wurde mit 120 Rtlr. festgestellt und
davon 1 Rtlr. 4 ggr. 10 Pfg. als „hundertster Pfennig“ einbehalten. Auch vom Vermögen des verstorbenen
Balzer Christian Röhrs ist diese Abgabe erhoben worden. Dann kam es vor, daß anonyme
Geldgeschenke vereinnahmt werden konnten: „Den 7. Febr. 1776 ist von einem Unbekannten der
Altar beschenkt worden mit 2 Rtlr. 11 ggr. 1 Pfg.“
Es gab immer wieder Leute, die Geld für Arme spendeten. Hier diente der in der Kirche aufgestellte
Armenkasten, der besonders zu Weihnachten, Ostern, Johannis und Michaelis die Mildtätigkeit
herausforderte. Ferner kamen die sogen. „Becken-Collecten“ am Buß- und Bettag sowie Karfreitag
hinzu.
150
Von Graf v. Bernstorff gab es eine Anordnung, nur die Hälfte der Einnahmen, die dem Armenkasten
zuflossen, wieder an arme Personen auszuschütten. Dies betraf auch die „Becken-Collecte“.
Der Kirchenbetrieb erforderte allerdings auch Ausgaben. Dabei war die Leihsumme von 400 Rtlr.
zur Anschaffung der Orgel in Trebel zu Ostern 1776 eine einmalige, außergewöhnliche Ausgabe.
Nicht jedoch die Zinszahlung an den Grafen v. Bernstorff mit 23 Rtlr.Ausgaben entstanden für
die Reinigung der Altargeräte durch den Kantor, für Kreide „die Vasa sacra“ zu reinigen, Lichter
anzünden und Brot sowie Wein anzukaufen. Auch das Fensterputzen, Reparaturen in und am Gebäude
waren zu bezahlen. Damals erhielt Friedrich Ernst Steinmacher den Auftrag „64 Nummern
auf denen Priechen anzumalen“. Kleine Ausgabebeträge entfielen auf das Glockenfett, Wartung
der Stundenuhr durch den Kantor, der hierfür Baumöl benötigte. Der Kossater Hannover aus Nienwalde
hat damals die Kirchenuhr gängig gemacht, wobei der Uhrmacher Kahlebom die Uhr nur
reinigte.
Außer dem Leihkapital für die Trebeler Kirchenorgel waren die Zinszahlungen an etliche Gläubiger
der größte Ausgabeposten.
Gartower Pastoren
Pastor Umland unterzog sich 1924/25 der Mühe, die Gartower Kirchengeschichte etwas aufzuhellen.
Hier sein langer Bericht „Wenn die Gartower Kirchenmauern erzählen könnten:
„Ja, wenn die Gartower Kirchenmauern erzählten könnten, das würde gewiß eine interessante
Geschichte werden. Denn unsere Kirche steht nun schon 200 Jahre auf ihrem Fleck und es hat
sich gar mancherlei begeben, nicht nur in Gartows Mauern, sondern noch viel mehr in der großen
Welt. Wenn wir ein Menschenalter mit 30 Jahren ansetzen, so stehen wir jetzt in der siebenten
Generation seit dem Kirchenbau und in dieser Zeit wurden in unserer Gemeinde 7470 Kinder getauft.
Doch wer denkt noch an all die Menschenschicksale, die diese Zahlen in sich bergen und an
all die Stürme, die in den verflossenen 200 Jahren über unser Volk und Land dahingebraust sind?
Unsere Kirchenmauern sind stumm. So will ich denn einiges herausgreifen, was ich in alten Büchern
und Akten gefunden habe.
Als unsere Kirche gebaut wurde, herrschten in unserem Lande die Kurfürsten von Braunschweig
und Lüneburg, die aber seit 1714 zugleich Könige von England waren. Sie hatten ihre Residenz in
England und kamen nur ab und an in ihre hannöversche Heimat. Die Bevölkerung unserer ganzen
Gegend war nur arm, denn noch seufzte man unter den Nachwirkungen des schrecklichen 30
jährigen Krieges. Wir sehen das daraus, daß gegen Ende desselben weder die Restorfer noch die
Gartower das Gehalt für einen eigenen Pastor aufbringen konnten. Die Pfarre in Restorf ist daher
im Jahre 1644 mit der Pfarre zu Gartow verbunden worden: „Die Combination dieser beyden
Pfarren hat accurat ein secuculum (= 1 Jahrhundert) über existiert. Sie ist Anno 1644 … erfolget,
nachdem per tricennale bellum (= durch den 30 jährigen Krieg) der hiesigen Gegend Zustand so
schlecht geworden, daß weder zu Gartow noch zu Rehstorff ein besonderer und eigener Prediger
hat subsistiren können… Von Anno 1644 dauerte diese Combination bis Anno 1744. In diesen
seculo, welches gewiß ein merkwürdiger Umstand ist, sind nur 3 Prediger gewesen, welche beyde
Pfarren zugleich administriret
(=verwaltet) haben und in Gartow wohnhaft gewesen“ (aus der Restorfer Chronik). Sie sind in
Restorf begraben und ihre Grabsteine liegen zum Teil in der Kirche zu Restorf. Ihre Namen sind
Magister Jürgen Betichius (Bethke), kurzweg „Magister Jürgen“ genannt. Er ist noch selber hinter
dem Pfluge gegangen und hat sein Land gepflüget. Der zweite war Magister Lehmann, dessen Bild
noch heute im Restorfer Pfarrhause zu sehen ist, der dritte Prediger Gössel, der wohl in der Zeit,
151
als 1721 mit dem ganzen Flecken auch das Pfarrhaus in Gartow niederbrannte, vorübergehend in
Restorf wohnte. Gössel ist also der erste Gartower Pastor seit Erbauung der neuen Kirche.
Nachdem Marwede verstorben war, nahm sein Nachfolger Jacob Dingelstedt seinen
Dienst ab 1725 auf.
1744 kam Ehren Heinrich Wilhelm Bode aus Kirchberg im Wolfenbüttelschen als Pastor nach
Gartow, infolge Präsentation durch den „Krieges Rath Frey Herrn Andreas Gottlieb von Bernstorff
auf Gartow“. Die Bestallungsurkunde ist vom Konsistorium in Hannover „Nahmens Ihro Königl.
Majestät von Groß-Britannien und Chur Fürstlicher Durchlaucht zu Braunschweig und Lüneburg“
ausgestellt. In jene Zeit fällt der zweite große Brand von Gartow im Jahre 1764, über den ich
freilich nichts Näheres habe erfahren können. Pastor Bode war hier während des siebenjährigen
Krieges. Nach seinem Tod kam 1769 durch Präsentation des Herrn Grafen von Bernstorff Ehren
Lindner von Prezelle hierher. Zu seiner Einführung kam der Probst Dankwerts von Lüchow herüber,
denn die Pröbste von Lüchow hatten dazumal die Cura animarum (Sorge für die Seelen) über
die unter gräflichem Patronate stehenden Gemeinden Prezelle, Gartow, Restorf, zu denen später
auch Trebel und Holtorf-Kapern gekommen sind, wahrzunehmen. Zur Cura animarum gehörte das
Recht der Introduction (Einführung) und Visitation der Geistlichen, während im übrigen die Aufsicht
über Kirchen und Pastoren zur Gerechtsame des gräflichen Patronats gehörte. In damaliger
Zeit müssen die Wegeverhältnisse offenbar noch sehr schlecht gewesen sein, denn der Amtmann
Werkmeister in Gartow schreibt unter dem 11. April 1769 an den Probst zu Lüchow: „Hochwürdiger,
Hochgelehrter, Hochzuverehrender Herr Probst! Da der Weg von Lüchau hierher an einigen
Stellen etwas sandigt ist, so überkommen zu unserer Geschwindigkeit sechs Pferde. Der Fuhrmann
hat Befehl, sich diesen Abend um 7 Uhr bei Euer Hochwürden zu melden und die Zeit zu
vernehmen, um welche er morgen früh anspannen soll, sodann aber Dieselben in drey Stunden
ohnfehlbar herzufahren.“ Auffällig ist auch, daß der Amtmann Werkmeister den Probst zugleich
Superintendent Sr. Britannischen Majestät nennt.
Pastor Lindner starb hier im Jahre 1788. Er ist der letzte Pastor gewesen, der hier einen zum Tode
Verurteilten auf sein letztes Stündlein vorbereitet hat, nämlich den Pferdedieb Friedrich Ludolf
Wiese aus Niendorf (Nienwalde), der 1772 auf dem Galgenberg gehängt wurde.
Anno 1789, dem Jahre des Ausbruches der französischen Revolution, wurde auf die von Herrn
Geheimen Rath Graf v. Bernstorff geschehene Präsentation Ehren Levin Carl Hölty, gleichfalls
aus Prezelle, auf die Pfarre zu Gartow berufen. Er ist der letzte, dessen Bestallungsurkunde vom
Königl. Großbritann. und Chur Fürstl. Braunschweig-Lüneburgischen Konsistorio in Hannover ausgestellt
wurde. Pastor Hölty hat von allen Gartower Pastoren hier am längsten gewirkt (1789 -
1834), 44 ¾ Jahre. In seine Amtstätigkeit fällt die Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands
und der Befreiungskriege. Von 1807 bis 1813 gehörte auch Gartow zum Königreich Westfalen,
das Napoleon mit seinem Bruder Jerome als König geschaffen hatte. An diese Zeit erinnern noch
die auf der Pfarre sich befindlichen, nach französischem Muster eingerichteten Zivilstandsregister.
Damals gab es in Deutschland noch keine Standesämter. Alle Geburts-, Trauungs- und Sterbefälle
wurden noch von den Pastoren in den Kirchenbüchern beurkundet. Erst im Jahre 1874 wurden
auch in Deutschland allgemein die Standesämter eingerichtet. Während des letzten Krieges
(Anm.: 1914/18) kam zufällig ein französischer Geburtsschein in meine Hände. Er zeigte mir, daß
die Form der Eintragung in die französischen Geburtsregister noch heute genau dieselbe ist wie in
den von 1807 - 1813 hier auf Befehl der französischen Regierung geführten Zivilstandsregistern.
152
Leider läßt sich über die kirchlichen Zustände und das kirchliche Leben in den damaligen Zeiten
nichts ermitteln. Pastor Hölty scheint eine ehrwürdige Predigergestalt gewesen zu sein. Er hat
sich in seiner langen Amtszeit und zum Teil recht bewegten Zeitläuften die Liebe und Verehrung
seiner Gemeinde erworben. In den beiden letzten Lebensjahren wurde ihm in der Person seines
späteren Nachfolgers des Kandidaten der Theologie, Freytag, aus Ratzeburg im Lauenburgischen,
ein Adjunkt zur Seite gestellt, der ihm einen Teil der Arbeit abnahm. Pastor Hölty starb am 30.
September 1833 an Altersschwäche im Alter von 74 Jahren, 8 Monaten und 7 Tagen. Er hatte 44
¾ Jahre „dem Predigtamt in Gartow vorgestanden“.
In den Akten befindet sich noch ein Brief des Pastors Holste aus Restorf, in dem dieser an den
Probst zu Lüchow über die Beerdigung des Pastors Hölty berichtet. Wir entnehmen aus diesem
Briefe folgendes:
„Unsern alten lieben und in jeder Rücksicht würdigen Kollegen Pastor Hölty, von dessen Ableben
der Herr Graf Sie benachrichtiget hat, haben wir am Sonnabend Vormittag zur Ruhestätte begleitet.
Unser Herr Kirchen-Patron hat sich in der Tat bei diesem Sterbefall, ehrend für ihn selbst
sowie für den Vollendeten und dessen Familie mit Ruhm und Dank von Allen bedeckt. Er hat einen
leichten, schwarz angestrichenen Leichenwagen dazu zurecht machen lassen und oben mit einer
Decke von schwarzem Tuch, wolkenmäßig drappiert (man sagt von 60 Ellen) versehen lassen.
Er ließ die beiden Brüder – nach der Leiche mit seinem Gespann fahren, dann in 2 Karossen uns
Prediger. Dann kam der Herr Graf selbst in einem Wagen mit 4 Pferden, dann der Herr Amtmann
und Herr Hofmedicus. Dann folgten alle Schullehrer aus dem ganzen Gericht nach seiner Anordnung,
von uns besorgt. Darauf das ganze Forstpersonal, alles von ihm selbst so angeordnet, dann
die Bürger Gartows und wer sich sonst dem Leichenzug anschloß. Durchs Flecken gingen wir alle,
und vor dem Flecken stiegen alle in ihre Wagen. Beim Leichenwagen gingen bei jedem Pferde
des gräflichen Stalles ein Reitknecht oder Knecht, damit die etwas raschen Pferde in langsamem
Schritte gehalten würden. Nachdem auf dem Kirchhofe gesungen und dabei die Beerdigung beendet
war, hielt Herr Pastor Freytag eine kleine Rede in seiner Manier, doch recht passend. Darauf
stand meine Wenigkeit auf und hielt eine Rede ex corde (aus dem Herzen) als 39 jähriger Freund
des würdigen Entschlafenen. Comes (Graf) stand wie Alle mit unbedecktem Haupt im sehr großen
dreifachen Zirkel. Ich darf sagen: es gelang mir vom Herzen zum Herzen eindringlich, dies
Opfer meiner treuen Liebe dem Ruhenden darzubringen, der am letzten Tage seines Lebens mit
schmerzlichen Krämpfen in der Brust wie in den Füßen hat kämpfen müssen. – Die Frau Gräfin
hat am Tage seiner Beerdigung sein Grab sehr schön mit Gesträuchen und Blumen verzieren
lassen. – Das Alles hat der Edle auch ganz verdient.“… Ehe wir nun in der Kirchengeschichte von
Gartow weitergehen, wollen wir noch einiges aus der Amtszeit des Genannten nachholen…. Beim
Durchblättern der von Pastor Hölty mit großer Sorgfalt geführten Kirchenbücher sind mir noch zwei
bedeutsame Bemerkungen aufgefallen. Die eine interessiert besonders die Gartower. Bei dem am
27. April 1814 28 Jahre alt an der Schwindsucht verstorbenen und am 30. April 1814 begrabenen
Gerichtsdiener Johann Georg Heinrich Kubel steht zu lesen: „Er ist der erste, welcher auf dem
Kirchhofe in der Buchhorst beerdigt ist.“ Also 1814 ist der alte jetzt verfallene Kirchhof angelegt,
auf dem Gartow seine Toten bis 1878 begraben hat. Früher ruhten die Toten auch hier im Schatten
der Kirche. Freilich nötigten gelegentlich die Wasserverhältnisse unsere Vorfahren, ihre Leichen
auf höhergelegenen Plätzen zu bestatten. So fand Anno 1814 der 79 jährige Invalide Levin Ernst
Schulze aus Niendorf „wegen hohen Wassers in den Tannen unweit der Scharfrichterei“ seine
letzte irdische Ruhestätte…
153
Nach dieser Abschweifung kehren wir wieder zum Begräbnis des alten Pastor Hölty zurück. Er
schläft nun den langen Schlaf nach mühevollem Leben dem Morgen der Ewigkeit entgegen. Sein
Tod legte die ganze Amtslast auf die Schultern des jungen Pastors Freytag.
Bereits am 5. April 1832 hatte das Königl. Großbritann. Hannoversche Konsistorium zu Hannover
dem Kandidaten der Theologie, Johann Julius Peter Freytag aus Ratzeburg im Lauenburgischen
infolge von Präsentation durch den Kirchenpatron Grafen von Bernstorff zum Pfarr-Adjunkten ernannt
und zwar cum spe succedend: (mit der Hoffnung auf Nachfolge). In jenen Zeiten wurden
die Pastoren nicht pensioniert, wenn sie alt und gebrechlich wurden sondern sie erhielten einen
Adjunkten, der ihnen bei den Amtsgeschäften half oder wohl gar alle Arbeit abnahm; sie selber
aber blieben Inhaber der Pfarre bis zu ihrem Tode. Gar mancher junge Pastor, der mit Aussicht
auf Nachfolge bei einem alten Herrn angestellt war, hat jahrelang gegen eine geringe Vergütung
arbeiten müssen. Pastor Freytag ist nicht ganz ein Jahr Adjunkt gewesen.
Am 21. Oktober 1832 (18. Sonntag nach Trinitatis) wurde er feierlich in sein Amt eingeführt und
nach dem 30. September 1833 erfolgten Tode des Pastors Hölty ohne weiteres rechtmäßiger Inhaber
der Pfarre zu Gartow. Er hat seine ganze Kraft auf dieser einzigen Stelle verzehrt. Er ist hier
annähernd 40 Jahre tätig gewesen und lebt hier im Volksmund als „der alte Pastor Freytag“ fort.
Von 1789 - 1871 hat Gartow also nur zwei Pastoren gehabt: Hölty und Freytag.
Pastor Freytag ist hier in Gartow jung gewesen und alt geworden. Wenn ich jetzt in den alten von
ihm geführten Kirchenbüchern lese, so muß ich mich immer aufs neue darüber wundern, daß er
vom ersten bis zum letzten Tage mit der gleichen tadellosen Handschrift seine Bücher geführt hat.
Seine Handschrift war wie „gestochen“. Die gleiche Sorgfalt hat er auf die Kirchenvorstandsprotokolle
verwandt, die vom Jahre 1851 an hier vorliegen. Überblicke ich nun das Leben dieses treuen
sorgfältigen Mannes, wie es uns in den Kirchenbüchern und Kirchenvorstandsprotokollen sich
widerspiegelt, so muß ich sagen, daß wohl keiner der Gartower Pastoren es so schwer gehabt hat
wie Pastor Freytag. Freilich habe ich über seine ersten Amtsjahre nur wenig erfahren können. Nur
soviel steht fest, daß er von Anfang mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten hart hat kämpfen müssen.
Er war wie die meisten damaligen Pastoren auf den Betrieb der Landwirtschaft angewiesen
und hat in den ersten Jahren durch die damals gerade sehr häufigen Überschwemmungen fast
dauernd Mißernten gehabt. Bald fiel auch auf sein häusliches Glück ein dunkler Schatten. Seine
junge Frau, die ihm einen Sohn geschenkt hatte, erkrankte schon nach zweijähriger Ehe an der
Schwindsucht und starb am 17. November 1835 im blühenden Alter von 25 Jahren. Es ist Marie
Amalie Wilhelmine Freytag geb. Heimreich, deren Grabstätte noch heute auf dem jetzt verfallenen
Friedhof hinter der Buchhorst zu finden ist. Wer mal an einem Sonntag Nachmittag dorthin pilgert,
findet daneben noch ein zweites Grab. Darin ruht die zweite Lebensgefährtin des Pastors Freytag,
Wilhelmine Dorothee Franziska geb. Lehnert. Auch sie ist ihrem Manne im Tod vorangegangen. Sie
starb nach langem Leiden am 24. November 1863 im 63. Lebensjahre an der Wassersucht. Die
letzten acht Jahre hat Pastor Freytag einsam als Witwer zugebracht. In der zweiten Ehe wurden
ihm zwei Kinder, ein Sohn und eine dauernd kränkliche Tochter, geschenkt, die ihren Eltern dauernd
ein Gegenstand der Sorge war.
Vom Jahr 1851 an sind wir durch die Protokolle der Kirchenvorstandssitzungen genauer über
Amtslast und Amtssorgen des Pastors Freytag unterrichtet. Zwei Ereignisse waren es vor allem,
deren Folgen sich wie ein dunkler Schatten auf die zweite Hälfte seiner Amtszeit legten: die beiden
großen Brände von Gartow 1853 und 1859. In der Nacht vom 25. auf den 26. September
1853 brannte mit vielen anderen Gebäuden auch das Pfarrwitwenhaus nebst Zubehör vollständig
nieder. Am 29. August beschloß der Kirchenvorstand einmütig, das Pfarrwitwenhaus ebenso wie-
154
der aufzubauen, wie es vor dem Brande gewesen war. Statt des zuerst in Aussicht genommenen
Massivbaues hat man sich später doch der Kosten wegen zu einem Fachwerkbau entschlossen.
Durch die Brandversicherungssumme wurden die Kosten des Neubaues bei weitem nicht gedeckt.
Im Kirchenvorstandsprotokoll vom 29. August 1854 heißt es: „Da man sich nach Einsichtnahme
einer älteren Baurechnung des Pfarrwitwenhauses vollständig überzeugt hatte, daß zur Erbauung
des Pfarrwitwenhauses die eingepfarrte Gemeinde wie zu den anderen Geistlichen und Pfarrgemeinden
zu konkurrieren hätte, so wird dieses hier abermals feststehend anerkannt und beträgt
danach bei einem Bedürfnis von 100 Thalern der Beitrag: a) der Gemeinde Gartow 37 Thlr. 12
g.Gr.-Pfg., b) der sogen. Gutsgemeinde 25 Thlr.-g.Gr. -Pfg., c) der Gemeinde Niendorf 21 Thlr. 8
g.Gr. 6 Pfg., d) der Gemeinde Meetschow 16 Thlr. 3 g.Gr. 6 Pfg.
Nach diesem Beitragsfuß sollten also auch die Baukosten des Pfarrwitwenhauses aufgebracht
werden. Gerade dieser Beitragsfuß ist nun für Pastor Freytag eine Quelle vieler Unannehmlichkeiten
und Verdrießlichkeiten geworden. Es hat zu endlosen, höchst unerquicklichen Sitzungen
des Kirchenvorstandes und zu jahrelangen Prozessen geführt. Da die beteiligten Gemeinden sich
nicht gütlich einigten und auch nicht zahlten, so war der Kirchenvorstand dauernd in Zahlungsschwierigkeiten.
Man mußte bald hier, bald dort Geld aufleihen, um die drängenden Gläubiger zu
befriedigen. Trotzdem ist das Pfarrwitwenhaus wieder aufgebaut.
Die Ausführung des Neubaues wurde dem Maurermeister Thilow in Schnackenburg für 1200 Taler
übertragen, weil sein Angebot das niedrigste war. Maurermeister Eggert in Meetschow hatte 1730
Taler und Zimmermeister Könke in Gartow hatte 1310 Taler gefordert. Der Bau war endlich 1856
fertiggestellt. Auch ein Stallgebäude wurde im Jahre 1857 noch dazu erbaut. Der Streit über den
Beitragsfuß zu den kirchlichen Bauten ging immer noch weiter, besonders da die vier Erbschulzen
in Meetschow nicht zu bewegen waren, ihre volle Portion zu den Baukosten der geistlichen Gebäude
beizutragen. Da brach am 12. Januar 1859 das zweite große Brandunglück über Gartow herein,
dem mit vielen Bürgerstellen auch das Pfarrhaus und das Kantorat mit ihren Nebengebäuden
zum Opfer fielen.
Nun hatte Pastor Freytag auch sein Obdach verloren. Er mußte eine Notwohnung beziehen. Er
wohnte zuerst im gräflichen Vorwerk und, nachdem das Pfarrwitwenhaus frei geworden war, in
diesem. Auch Kantor Krug hat in einem gräflichen Hause (in welchem, ist nicht gesagt) ein vorläufiges
Unterkommen gefunden. Der Schul- und auch der Konfirmandenunterricht wurde jetzt
in das große Zimmer des Hospitals zum „Heiligen Geist“ verlegt. Wieviel Sorge und Mühe, Ärger
und Verdruß hat Pastor Freytag als Vorsitzender des Kirchen- und Schulvorstandes von dem Wiederaufbau
der Pfarre und des Kantorats mit ihren Nebengebäuden gehabt! Wieviel Streitigkeiten
zwischen den einzelnen beitragspflichtigen Gemeinden, wie viel Prozesse, Beschwerden, Verhandlungen
mit dem Amt, mit Rechtsanwälten, mit den kirchlichen Behörden, wie viel aufregende
höchst unerquickliche Kirchenvorstandssitzungen hatten sie im Gefolge! Von wie viel Arbeit und
heißen Kämpfen für die Rechte der Kirche zeugen die 180 eng vollgeschriebenen Großoktavseiten
des Protokollbuches über die Sitzungen des Kirchenvorstandes jener Jahre! Wie mußten jene
äußeren Geschäfte und Schwierigkeiten die Arbeitskraft des treuen Mannes zermürben und seine
Amtsfreudigkeit beeinträchtigen! Wenn ich heute in diesen vergilbten Blättern der Protokollbücher
studiere, so drängt sich mir unwillkürlich der Ausruf auf die Lippen: „Armer Pastor Freytag, wie hat
man dir das Amt schwer gemacht!“.
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Gewiß soll nicht verschwiegen werden, dass Pastor Freytag in jenen Kämpfen nicht allein stand. Er
hatte abgesehen von zwei heftigen Widersachern im Kirchenvorstande treue Männer, die auf seiner
Seite standen. Gleich nach dem Brande schritt der Kirchenvorstand energisch zum Wiederaufbau
der geistlichen Gebäude. Zuerst wurde der Wiederaufbau des Kantorats in Angriff genommen.
Das alte Kantorat hatte der Kirche schräg gegenüber gestanden, von der Straße aus gesehen:
rechts neben Bürgermeister Beyer. Der Kirchenvorstand fand den Platz jedoch, da man jetzt gleich
ein zweites Schulzimmer und eine Wohnung für einen zweiten Lehrer mit in das Kantorat hineinbauen
wollte, zu beengt und erwarb nach einigem Hin und Her das gerade zum Verkauf stehende
Hildebrandsche Grundstück für 700 Taler.
Zunächst freilich hatte der Kirchenpatron Graf v. Bernstorff die Kaufsumme vorgestreckt, zugleich
aber den sofortigen Beginn des Neubaues dort gestattet, das ist auf der jetzigen Stelle. Das Pfarrhaus
sollte auf derselben Stelle wieder aufgebaut werden, wo das alte gewesen war. Beide Neubauten
wurden dem Zimmermeister Könke in Gartow übertragen: Das Kantorat für 2410 Taler und
das Pfarrhaus für 5626 Taler, obwohl Graf v. Bernstorff sich erboten hatte, ein gleich großes Pfarrhaus
in Eichenfachwerk für 4000 Taler erbauen zu lassen und Maurermeister Thilow in Schnackenburg
ein solches für 4525 Taler liefern wollte. Weshalb man in diesem Falle von der sonstigen
Gepflogenheit, immer dem Mindestfordernden den Zuschlag zu erteilen, abgewichen ist, habe ich
nicht erforschen können. Die vom Königlichen Amt in Gartow ausbezahlte Brandentschädigungssumme
betrug für das Kantorat 1600 Taler und für das Pfarrhaus 4250 Taler. Man sieht also,
daß die Gemeinde zu beiden Gebäuden erhebliche Zuschüsse zu leisten hatte. Da noch immer
die Beiträge der Gemeinden für das Pfarrwitwenhaus nicht bezahlt waren, weil man sich über
den Beitragsfuß nicht einigen konnte, so kann man sich leicht vorstellen, welche Schwierigkeiten
sich dem Pastor Freytag und dem Kirchenvorstande erst bei der Beschaffung der Bausumme für
das Kantorat und Pfarrhaus entgegenstellten, da die Gemeinden nicht zahlen wollten, so lange
die Frage nach dem Beitragsfuß nicht geklärt war. Man mußte sich kümmerlich helfen mit hier
und da aufgenommenen Darlehen. Die ganzen umständlichen, unerquicklichen Verhandlungen
im Kirchenvorstande drehten sich schließlich nur noch um die Fragen: Woher kriegen wir Geld,
um unsere Gläubiger zu befriedigen? Was müssen wir tun, um die Frage nach einem gerechten
Beitragsfuß zu entscheiden.
Es ist kaum glaublich, aber wahr, daß man über diese Frage von 1853 bis 1871 verhandelt, gestritten
und prozessiert hat. Pastor Freytag hat nicht mehr erlebt, daß die Gemeinden ihre Beiträge
zu den Neubauten der abgebrannten geistlichen Gebäude entrichtet haben. Gleich nach seinem
Tode hat dann freilich das Preußische Konsistorium die nach dem ursprünglichen Beitragsfuße
auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Beiträge nebst Zinsen und Zinseszinsen auf Heller und
Pfennig auf dem Zwangswege einziehen lassen. Wer kann sich noch wundern, daß Pastor Freytag
unter diesen fortwährenden Kämpfen und aufreibenden Geschäften allmählich alt und müde wurde
und daß ihm auf der Kanzel in den letzten Jahren oft die Freudigkeit und Frische fehlte! Pastor
Freytag wird von den alten Leuten, die ihn noch gekannt haben, als ein großer, ernster, strenger
Mann geschildert, der gelegentlich unartige Kinder auf der Straße zur Ruhe verwies, auch nicht
davor zurückschreckte, ihnen persönlich ein paar wohlverdiente Schläge zu verabfolgen. Im Konfirmandenunterricht,
den die Kinder zwei Winter hindurch besuchen mußten, gab er viel zu lernen
auf. 50 Gesänge mußten die Kinder auswendig lernen. (Unterstreichung des Verfassers)
156
Noch heute sind die Alten ihm dafür dankbar. Neulich traf ich einen alten Konfirmanden von Pastor
Freytag, der mir sogleich den Beweis lieferte, daß er noch die alten Kreuz- und Trostlieder,
wie er sie früher gelernt hatte, im Kopf hatte und seine Frau sagte dazu: „Uns Vadder kann mi so
schön trösten. He hätt all de Gesänge noch in Kopp.“ Unsere alten Leute erzählen auch noch, daß
Pastor Freytag bei einem Missionsfest in Rucksmoor einmal eine plattdeutsche Predigt gehalten
habe, die tiefen Eindruck machte. Er eilte so seiner Zeit voraus; denn heute ist es ja Mode geworden,
plattdeutsch zu predigen. In Hamburg, Lübeck und Bremen, in Mecklenburg, Pommern und
Schleswig-Holstein kann man heute zuweilen plattdeutsche Prediger hören…
Nach einer kurzen Vakanz, in welcher Pastor Walbaum aus Holtorf hier die Spezialvikarie führte,
wurde am 10. Dezember 1871 der Pastor Dr. Theodor Wilhelm Ferdinand Meyer, bis dahin in
Prezelle, als Pastor in Gartow eingeführt. Er ist der dritte Pastor, der von Prezelle nach Gartow
gekommen ist. Nicht ganz 5 Jahre, bis Anfang August 1876, hat er hier gewirkt. Seine Amtszeit fiel
in die ersten Jahre nach dem siegreichen Kriege gegen Frankreich. Auch die Kämpfe innerhalb
der Gemeinde um den Wiederaufbau der abgebrannten geistlichen Gebäude und seine Kosten,
die Pastor Freytags Lebenskräfte aufgerieben hatten, waren ausgekämpft und wir finden in den
Kirchenvorstandsprotokollen aus Pastor Meyers Zeit nichts mehr, was an die Stürme und Streitigkeiten
der früheren Zeit erinnert. Es handelt sich darin immer um sachliche Verhandlungen über
regelmäßig wiederkehrende Ausgaben des Kirchenvorstandes. Pastor Meyer konnte sich also in
ungestörter Ruhe seiner eigentlichen Berufsarbeit, der Predigt und der Seelsorge, widmen. Neben
seiner pastoralen Tätigkeit hat er auch in einer von ihm gegründeten Privatschule eine ersprießliche
Lehrtätigkeit entfaltet, deren seine noch lebenden Schüler sich gewiß dankbar erinnern werden.
Über das Leben des Pastors Dr. Meyer macht uns sein Sohn, Herr Pastor Ernst Meyer in Harburg-
Eißendorf folgende Mitteilungen: „Mein Vater wurde am 20. August 1825 als Sohn des Pastors
Ludwig Meyer in Stemmen geboren. Da seine Vorfahren väter- und mütterlicherseits seit dem
Jahre 1600 als Geistliche im Dienst der Hannoverschen Landeskirche gestanden hatten, ergab es
sich fast von selbst, daß auch er, nachdem er das Ratsgymnasium in Hannover absolviert hatte,
das Studium der Theologie erwählte. Nachdem er seine Examen bestanden hatte, war er bis zum
31. Jahre Hauslehrer in verschiedenen Orten, da bei der Erfüllung des geistlichen Berufs in jener
Zeit auf Anstellung lange gewartet werden mußte. In jener Zeit promovierte er zum Doktor philosophie
in Jena, 1855 wurde er Hospes im Kloster Loccum. Studiendirektor war dort damals der spätere
Superintendent D. Schultze in Winsen, mit dessen ältester Tochter er sich 1861 verheiratete.
1857 wurde er Pastor coll. in Isernhagen mit der Aussicht, nach dem Freiwerden der Pfarre dort
dauernd angestellt zu werden. Dort wurden ihm seine drei ältesten Kinder geboren. Als König Georg
V. von Hannover 1866 fortging, gab er dem Kirchenvorstand das Versprechen, wenn er wieder
zurückkehre, sollte die Gemeinde ihren ihr liebgewordenen Geistlichen behalten. Er kehrte nicht
zurück, so mußte mein Vater einem anderen Geistlichen Platz machen und 1867 die Pfarre Prezelle
bei Gartow übernehmen. Aber bis an sein Ende blieb er mit vielen Gemeindegliedern in reger
Verbindung, die ihn für treues Wirken in der Gemeinde im Gedächtnis treu behielten. Die Jahre in
Prezelle waren schwer, da er es nicht leicht hatte, bei der geringen Einnahme seine Familie – es
wurden ihm dort noch zwei Söhne geboren – zu erhalten. Er begrüßte es daher dankbar, als er auf
Präsentation des Grafen Bernstorff in Gartow 1871 die Pfarre in Gartow erhielt mit der Zusicherung,
daß er nach Abgang des Superintendenten in Restorf die Superintendentur Gartow erhalten
sollte. Der alte Graf Bernstorff war ein väterlicher Freund unserer Familie, was sich auch darin
zeigte, dass bei einem Sohn der Graf Ernst, bei der in Gartow geborenen Tochter Gräfin Elisabeth
(Schwester Elisabeth) Gevatterstelle übernahmen.
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Die fünf Jahre seines Wirkens in Gartow waren jedenfalls die schönsten Jahre seines Lebens.
Eine gesegnete Wirksamkeit in der Gemeinde war ihm beschieden, die Gottesdienste waren gut
besucht; in dem Krankenhaus, das vom Grafen eingerichtet war, brachte ihm die Seelsorge große
Befriedigung. In einer Privatschule, die im Pfarrhause eingerichtet war, fand er Gelegenheit, seine
bedeutenden Sprachkenntnisse zu verwerten. Er gab selbst die meisten Stunden, von seinen vielen
Schülern stehen unter anderem noch Pastor Brüggemann in Handorf, Lehrer Breuk in Harburg
im Amte; vor allem bestand ein reger Verkehr mit dem gräflichen Hause, der auch nach seinem
Fortgang von Gartow nicht aufhörte besonders mit Schwester Elisabeth. Nebenbei führte er in
Vertretung auch die Geschäfte der Superintendentur. Aber auf die Dauer konnte dieser Zwischenzustand
nicht befriedigen.
So gern mein Vater auch in Gartow geblieben wäre, mußte er doch im Jahre 1876 das Angebot
des Reichsgerichtsrats v. Bülow annehmen, der ihn als Patron die Pfarre Marschacht anbot, da
sie schon an Gehalt allein die doppelte Einnahme der kleinen Pfarre Gartow bot. Dazu zwang ihn
schon die Rücksicht auf seine zahlreiche Familie. So nahm er denn schweren Herzens im August
1876 von seiner Gemeinde Abschied. 26 Jahre hat er dann die Pfarre Marschacht verwalten dürfen.
Als er dort 1901 sein 25 jähriges Jubiläum feierte, kam die Verehrung und Dankbarkeit der
Gemeinde in für ihn herzerfreuender Weise zum Ausdruck. Aber wenn er auch die letzten Jahre einen
Kollaborator zur Hilfe hatte, reichten seine Kräfte doch nicht mehr aus, die weit ausgedehnte
Gemeinde zu versorgen, so daß er ein Jahr später 1902 in den Ruhestand trat. Nur ein Jahr durfte
er sich in Uelzen der wohlverdienten Ruhe freuen, am 12. November 1903, wurde er 78 Jahre alt,
in die Ewigkeit abberufen.
Mein Vater (Umland) stand mit seinem ganzen Herzen im Pfarramt, es war ihm Herzensfreude, das
biblische Evangelium zu verkündigen. Der Anfang seiner Wirksamkeit fiel in die Erweckungszeit
unserer Kirche, mit Petri und Münkel war er eng befreundet und arbeitete in ihrem Sinn. Bescheiden
und anspruchslos machte er für sich keine Ansprüche sondern gab sich in Liebe zu Gott und
der Gemeinde ganz den Aufgaben seines Amtes hin. Gewiß wird der Same, den er treu ausgestreut
hat, aufgegangen sein und in vielen Herzen reiche Frucht getragen haben, vor allem auch in der
Gemeinde Gartow. Er ruhe in Frieden und das ewige Licht leuchte ihm.
Als Pastor Meyer Anfang August 1876 von Gartow nach Marschacht zog, übernahm zunächst Pastor
Jacobi in Trebel die Spezialvikarie für die erledigte Pfarre in Gartow. Am 24. Sonntag nach
Trinitatis (27. November) 1876 wurde der vom Kirchenpatron präsentierte und von der Kirchenregierung
bestätigte Pastor Julius Adolf Gustav Oswald Freybe aus Klein-Berkel feierlich als Pastor in
Gartow eingeführt. Er ist nicht lange in Gartow gewesen, nicht ganz drei Jahre, von allen Pastoren
in Gartow, deren Namen die Geschichte kennt, die kürzeste Zeit. Seine schwächliche Körperkonstitution
konnte das feuchte Niederungsklima in Gartow nicht vertragen. Ihm wird eine gute Predigtgabe
und großer seelsorgerlicher Ernst nachgerühmt. Einer seiner Konfirmanden sagte mir
kürzlich von ihm:
„Im Konfirmandenunterricht war er streng, er ließ nichts durchgehen, aber wir hatten ihn alle
gern.“ Aus seiner Zeit ist besonders zu erwähnen, daß er am 20. Mai 1878 unseren jetzigen Kirchhof
eingeweiht hat. Ein junger Mensch von 18 Jahren, Heinrich August Rudolf Schulze aus Gartow,
hat dort als erster seine letzte irdische Ruhestätte gefunden. „Mit dieser Beerdigung wurde der
neue Kirchhof vor den Hahnenbergen eingeweiht, schreibt Pastor Freybe zu diesem Fall ins Verzeichnis
der Begrabenen. Am 12. Juni 1879 verließ Pastor Freybe Gartow, um eine Pfarrstelle in
Hannover zu übernehmen. Er war später lange Jahre Superintendent in Wunstorf und lebte zuletzt
im Ruhestande in Hannover, wo er vor reichlich zwei Jahren in die ewige Ruhe heimgerufen wurde.
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Nach seinem Fortgang führte der alte Pastor Walbaum aus Holtorf die Spezialvikarie der erledigten
Pfarre in Gartow. Die Vakanz dauerte nicht lange, denn schon am 7. September 1879 wurde
der Pastor Friedrich Ernst Julius Taube aus Bolzum feierlichst in das Pfarramt zu Gartow eingeführt.
Er war der erste Pastor in Gartow, der zugleich Superintendent und Kreisschulinspektor war.
Er hat hier nicht ganz neun Jahre lang gewirkt. Am 20. Juni 1888 siedelte er von hier als Probst
nach Lüchow. Über sein vielbewegtes und reichgesegnetes Leben macht uns sein ältester Sohn,
Oberlandeskirchenrat Arnold Taube, folgende Mitteilungen: Friedrich Ernst Julius Taube wurde in
Altenburg am 11. Januar 1837 als Sohn des Bürgers und Kastellans Johann Wilhelm Taube und
seiner Ehefrau Therese geb. Biedermann, geboren. In den schlichten, bürgerlichen, äußerlich und
innerlich gesunden Verhältnissen seines frommen und freudigen Vaterhauses erlebt er eine ebenso
bescheidene wie sonnige Kindheit, wurde 1851 in der Stadtkirche mit dem Denkspruch: „Dein
Leben lang habe Gott vor Augen …Gottes Gebot“ konfirmiert und konnte, da er auch in Altenburg
das Gymnasium von 1849 bis 1856 besuchte, bis zum Abiturientenexamen im Elternhause bleiben.
Dann folgten die ebenso fröhlichen wie fleißigen Studentenjahre von 1856 bis 1859 in Jena,
der Landesuniversität der Thüringer Staaten. Dort waren von besonderem Einfluß auf ihn die Vorlesungen
des berühmten Kirchenhistorikers Hase und vielleicht von noch größerer Bedeutung die
Tätigkeit des einst vielgenannten Professors Stoy, in dessen Seminar er während seiner ganzen
Studienzeit eifriges Mitglied war und von dem er seine große Liebe für Erziehung und Unterricht
und seine wundervolle Fähigkeit, mit Kindern umzugehen, so anregen und beeinflussen ließ, daß
an den vielen Orten seiner späteren Tätigkeit so viele mit Dankbarkeit davon reden können.
Die beiden theologischen Examina bestand Kandidat Taube in Altenburg vor dem herzoglichen
Konsistorium im Jahre 1861 und 1863. Sein Geschick führte ihn aber so, daß er vom Rechte der
Anstellung in der Heimat keinen Gebrauch machte. Durch Professor Stoy erhielt er beim Weggang
aus Jena eine Lehrerstelle am damals stark besuchten „Erziehungsinstitut“ des Dr. Felsberg in
Gronau an der Leine. Hier verlobte er sich mit seiner treuen Lebensgefährtin, der Tochter Anna
des Apothekers Horn in Gronau. Als er dann von 1861 bis 1863 in Diepholz als Hauptlehrer und
Schulleiter tätig gewesen war, wurde es ihm nahegelegt, in den Kirchendienst des Großherzogtums
Oldenburg einzutreten. Er wirkte dort in Huntlosen, Apen, Vechta und zuletzt in Oldenburg-
0sternburg als Hilfsgeistlicher. Es war die Zeit der ersten Liebe im Pfarramt, ein frischer Hauch von
der Erweckungsbewegung hatte seiner eigenen Art zu weiterer Vertiefung verholfen und indem die
bewegliche mitteldeutsche Art und die mit so wundervoller Geradheit und Offenheit verbundene
liebenswürdige und fröhliche Anlage, die Begabung, mit Menschen umzugehen und Freude zu
bereiten hinzukam, war diese Zeit der ersten Liebe von sehr starken Wirkungen. Vor drei Jahren
äußerte noch ein Geistlicher einer dieser Gemeinden, daß jetzt noch, nach fast 60 Jahren, der
Name dieses jungen Hilfsgeistlichen, der nur ein Jahr an diesem Orte geweilt habe, mehr genannt
werde als der Name aller Nachfolger. Das sind Dinge, auf die man nicht stolz sein kann….
Aber auch in Oldenburg kam es nicht zum endgültigen Wirken. Kennen gelernt hatte den jungen
Hilfsgeistlichen der Reichsgraf Bentinck aus Fridau bei Wien, der in Holland Güter besitzt. Es ist
die Familie, von der in den letzten Jahren so oft die Rede gewesen ist. Dieser Reichsgraf veranlaßte
Pastor Taube die Stelle als Schloßprediger in Fridau bei Wien und gleichzeitig die Aufgabe zu
übernehmen, in dem großen Bezirk nördlich von der Westbahn und in den nach Wien zuliegenden
Bezirken die zerstreuten Evangelischen zu einer Gemeinde zu sammeln. Man kann sagen, es waren
erste Anfänge, Jahrzehnte früher, ehe auch in diesen Gegenden die Los-von-Rom-Bewegung
einsetzte. Schön waren diese Jahre durch das Glück der jungen Ehe, schön auch dadurch, daß
man schaffen und wirken konnte, ohne durch Gesetz und Bevormundung gehemmt zu sein.
159
Aber es war keine Lebensstellung und vor allem gewann mein Vater nicht ein solches Vertrauen
zum österreichischen Volkscharakter, um sich auf die Dauer dort heimisch zu fühlen. So veranlaßte
ihn denn die Rücksicht auf den Wunsch der so entfernten Verwandten und dazu der Umstand,
daß er zur Hannoverschen Landeskirche mit ihrer ausgeprägten Art auf dem Gebiet des Glaubens
und kirchlichen Lebens sich hineingezogen fühlte, die Rückkehr ins Hannoverland zu erstreben.
Im Sommer 1870 wurde er in Bolzum in der Inspektion Sarstedt gewählt. Dort verwaltete er das
Pfarramt bis 1879, freudig der Gemeinde dienend, aber da die Arbeit seine frische Kraft nicht
ausfüllte, auch im weiteren Kreis unermüdlich tätig, anzuregen und neues kirchliches Leben zu
wecken.
Als man ihn zum Stiftsprediger in Loccum gewählt hatte, drängten sich – wie so manches Mal das
kirchlich Richtige störend – politische Momente dazwischen. Stattdessen wurde er einige Jahre
später als Superintendent nach Gartow versetzt, wo er vom Herbst 1879 bis zum Sommer 1888
seines Amtes gewaltet hat, und wo gewiß auch noch mancher lebt, der gern an das zurückdenkt,
was er ihm auf der Kanzel, in der Seelsorge, im Unterricht und im Verkehr von Mensch zu Mensch
gewesen ist. Wie viel Freude ging von ihm aus, wo immer er mit anderen zu tun hatte!
In Lüchow waren ihm dann noch 14 Jahre sehr angespannter und eifriger Arbeit vergönnt. Bei
seiner Lebhaftigkeit und inneren Teilnahme für alles, was seine Amtsbrüder, seine Gemeinde,
sein Volk betraf, rieb er sich frühzeitig auf. Am 23. Juli 1902 wurde er nach kurzem Siechtum
durch einen Schlaganfall mitten aus der Amtsarbeit abgerufen… Zwei besondere Vorkommnisse
aus Superintendent Taube`s Zeit mögen, weil sie allgemeines Interesse haben, hier noch erwähnt
werden. Besonders eindrucksvoll hat er die Feier des 400. Geburtstages Martin Luthers am 10.
November 1883 gestaltet. Bei dieser Gelegenheit wurde die jetzt zu einem herrlichen Baum herangewachsene
Luther-Linde bei der Kirche gepflanzt, die jetzt eine Zierde unseres Ortes (Gartow)
bildet. Sodann hat Superintendent Taube als Vorsitzender des Kirchenvorstandes in einem langwierigen
Rechtsstreit gegen die politische Gemeinde Gartow (Bürgermeister Könke) den freien
Platz zwischen Kirche und Pfarre, auf dem früher das Spritzenhaus stand, jetzt das Kriegerdenkmal
steht, als kirchliches Besitztum erstritten. Die umfangreichen Prozeßakten zeugen noch von
der Energie, mit der beide Teile ihr Recht verfochten haben.
Nach dem Fortzuge des Superintendenten Taube trat nun eine kurze Vakanz ein, in der wieder der
alte Pastor Walbaum in Holtorf die Spezialvikarie in Gartow übernahm.
Schon am 23. September 1888 wurde der bisherige Archidiakonus Pastor Johann Heinrich Seevers
in Lüchow als Superintendent in Gartow eingeführt. Etwas über 27 Jahre lang, also fast ein
Menschenalter hindurch, hat er hier seiner Ämter mit hingebender Treue und mit seelsorgerischer
Weisheit und Liebe gewaltet. Sein Bild steht bei der Generation, die gegenwärtig auf der Höhe des
Lebens steht, noch in lebendiger Erinnerung. Da es mir nicht mehr vergönnt war, den Verewigten
persönlich kennen zu lernen, so lasse ich hier ein kurzes Lebensbild des Superintendenten Seevers
folgen, das uns sein Sohn, Herr Hofbaurat Seevers in Gmunden, freundlichst zur Verfügung
gestellt hat: Johann Heinrich Seevers wurde am 24. Januar 1848 in Eitzendorf bei Hoya geboren.
Er stammte aus einer seit einigen Generationen dort ansässigen, aus Holland eingewanderten
Bauernfamilie, die es in kurzer Zeit verstanden hatte, sich in der neuen Heimat eine geachtete
Stellung zu erwerben.
Während sein älterer Bruder den väterlichen Hof übernahm, studierte er nach seiner Vorbildung
auf dem Dom-Gymnasium in Verden, Theologie in Leipzig und Göttingen. Nach bestandenem ersten
Examen war er zwei Jahre als Lehrer an der Schule in Lüchow angestellt. Nach bestandenem
160
zweiten Examen wurde er Rektor der Schule in Dannenberg. An dem Unterricht der Jugend hat
er große Freude gehabt. Auch später unterrichtete er gern und konnte als Kreisschulinspektor
seinen Lehrern ein erfahrener Berater sein.1875 erhielt Seevers vom Konsistorium die Aufforderung
zur Wahlpredigt in Sievershausen am Solling. Er wurde dort gewählt. Es kam aber nicht zur
Einführung, da er aus Lüchow die ihn völlig überraschende Nachricht erhielt, daß er vom Kirchenvorstand
einstimmig für die dort erledigte zweite Pfarrstelle gewählt worden sei. So ging er dorthin
und wurde im August 1875 in sein Amt eingeführt. In Lüchow hat er 13 Jahre mit dem von ihm
hochverehrten Probst Seebold in schönster Harmonie zusammen gearbeitet und sich die Liebe
der Gemeinde erworben.
Nach Seebolds Tode setzte die Lüchower Gemeinde alle Hebel in Bewegung, richtete auch eine
Eingabe mit seitenlangen Unterschriften an das Konsistorium mit der Bitte, dass Pastor Seevers
als dessen Nachfolger eingesetzt werden möchte. Es gelang aber nicht. Superintendent Taube aus
Gartow erhielt die Stelle und Seevers wurde dessen Nachfolger in Gartow. Im Herbst 1888 wurde
er dort eingeführt. Äußerlich besonders hervortretende Merkmale oder mit seiner Person im Zusammenhang
stehende Ereignisse sind aus dieser Zeit nicht zu erwähnen. Nennenswerte Schwierigkeiten
zwischen ihm und den Gemeindegliedern haben nicht stattgefunden. Der Schwerpunkt
seiner Tätigkeit lag in der Erfüllung der hohen Aufgabe seines Amtes, durch Predigt, Seelsorge
und eigenes Beispiel die ihm anvertrauten Seelen zu dem Einen, was not tut, hinzuführen….Die
Erziehung der Jugend lag ihm ganz besonders am Herzen. Sein ernster und liebevoller Konfirmandenunterricht
machte einen tiefen Eindruck auf seine Konfirmanden. Auch nach der Konfirmation
suchte er die jungen Christenseelen zu fördern und war über unausbleibliche Enttäuschungen
an ihnen sehr betrübt. Ein besonders hervortretender Charakterzug war seine peinlichste Wahrheitsliebe…..Was
Superintendent Seevers seiner Gemeinde und seine Gemeinde ihm war, kam
recht zum Ausdruck, als er im Jahre 1915 durch einen plötzlichen Verfall seiner Körperkräfte sich
gezwungen sah, sein Amt niederzulegen. Er konnte sich schwer dazu entschließen…. Nach seiner
Emeritierung sind ihm noch sechs Lebensjahre in Göttingen vergönnt gewesen, die er in Schwachheit
und Leiden mit nie klagender Geduld in zuversichtlichster Hoffnung auf seinen Erlöser ertrug.
In größter Gottergebenheit ertrug er auch in dieser Zeit den schmerzlichen Verlust seines jüngsten
Sohnes Paul, in Gartow geboren und aufgewachsen, der 1918 in der Irischen See sein kampfunfähig
gewordenes U-Boot neuester Bauart, nachdem die gesamte Besatzung es verlassen hatte, um
in die Gefangenschaft zu gehen, zusammen mit dem Ingenieuroffizier vor den Augen der Feinde
versenkte, damit es nicht in deren Hände geraten sollte, und dabei mit seinem Kameraden sein
Grab in den Wellen fand.
Nach dem Fortgange des Superintendenten Seevers von Gartow nach Göttingen, wo er seinen
Feierabend verleben wollte (am 10. März 1916), übernahm Pastor Schwietering aus Restorf die
Spezialvikarie, bis Pastor Umland von Hollenstedt, Kr. Harburg kommend, am 20. August 1916 in
seine Arbeit trat…“ 20
Am 2. Juni 1922, am 2. Tage vor Pfingsten, ist Superintendent Seevers sanft und friedlich zu
seinem Gotte heimgegangen… Es ist hier noch nachzutragen, daß Superintendent Seevers verheiratet
war mit Elisabeth Fulda, der im Jahre 1859 geborenen Tochter des Pastors Fulda in Schnackenburg.
In dieser sehr glücklichen Ehe wurden ihm vier Kinder geschenkt, außer den beiden
erwähnten Söhnen zwei Töchter.
Pastor Störmer aus Schnackenburg verwaltete kommissarisch die verwaiste Superintendenturstelle
in Gartow. Er trat am 1.4.1935 in den Ruhestand.
161
Pastor Auhagen verließ am 1.5.1936 Gartow und übernahm die Pfarre Meinersen, Kr. Gifhorn.
Weitere Pastoren waren in Gartow Friedrich-Heinrich v. Amsberg (1949 - 1973) und Gottfried Mahlke
(1974 - 1989). Seither verwaltet Pastor Eckhard Kruse die Pfarre Gartow.
Pastoren der Gemeinde Gartow seit der Reformation:
1543 Henricus Mechow, 1543 - 15.. Joachim Sander, 1633 - 1644 Johann Fien, Sohn des Pastors
in Moienburg im Alten Lande (?), nachher 2. Pastor in Dannenberg; 1644 - 1678 Georg Betichius
(Bätichen), auch Pastor in Restorf, 1678 - 1717 Magister Christoph Lehmann, auch Pastor in
Restorf, geboren am 20.2.1653 in Jüterbog, Sohn des Stanislaus Leman (Lemanowsky), vorher
Kandidat, gestorben im Dezember 1717, 64 Jahre alt; 1718 - 1743 Adolf Georg Gössel, vorher
Pastor in Radegast, gestorben am 10.12.1743; 1744 - 1768 Heinrich Wilhelm Bode (Rode?), vorher
Pastor in Kirchberg und Ildehausen, gestorben am 04.10.1768; 1769 - 1788 Daniel Gottlieb
Lindner, vorher Pastor in Prezelle, gestorben am 20.5.1788; 1788 - 1833 Levin Carl Hölty,
vorher Pastor in Prezelle, gestorben am 30.9.1833; 1833 - 1871 Johann Julius Peter Freytag,
geboren am 22.12.1797 in Ratzeburg, Sohn des Schiffsbooters Heinrich Friedrich F., gestorben
am 30.5.1871; 1871 - 1875 Theodor Wilhelm Ferdinand Meyer, vorher Pastor in Prezelle, nachher
Pastor in Marschacht; 1876 - 1879 Oswald Freybe, vorher Pastor in Kl. Berkel, nachher Pastor in
der Gartenkirche Hannover, nachher Superintendent in Wunstorf; 1879 - 1888 Friedrich Ernst
Julius Taube, vorher Pastor in Bolzum, nachher Probst in Lüchow; 1888 - 1915 Heinrich Seevers,
vorher Pastor Archidiakon in Lüchow, gestorben am 2.6.1922 in Göttingen; 1916 - 1932 Johannes
Wilhelm Umland, vorher Pastor in Hollenstedt, gestorben am 11.1.1933 in Lüneburg, 1937 - 1949
Joachim Ernst Oskar Hoffmann, geboren am 13.5.1909 in Regensburg, Sohn des Handelskammersyndikus
Dr. Walther H., vorher Pastor coll. in Bentheim, danach in Achim, danach in Hamburg-
Wilhelmsburg. 21
Kirchen- und Schulpatronate
Als das Geschlossene Gericht Gartow 1850 aufgehoben wurde, ist zwischen der Landesregierung
und dem Hause Gartow ein Rezess mit dem Datum 15. Juni 1850 errichtet worden, wobei in
Paragraph 7 die künftigen kirchlichen Zuständigkeiten geregelt waren. Demnach verblieben dem
Grafen von Bernstorff nach der Aufhebung folgende Rechte:
a) das vollständige Patronatrecht über die sämtlichen Pfarren im bisherigen Gerichtsbezirke, wie
es regelmäßig geübt wird und den Landesgesetzen entspricht, wobey jedoch dem Patrone ausdrücklich
zugesichert wird, daß solange die Landesgesetzgebung nicht ein Anderes mit sich bringt,
zu den erledigten Pfarr- und Schulstellen dem Königlichen Consistorio (Anm.: oberste Kirchenbehörde)
nicht mehr als eine Person präsentirt zu werden braucht und daß die Bestätigung ohne
erhebliche Gründe nicht verweigert werden soll,
b) das Recht des den einzuführenden resp. eingeführten Kirchen- und Schulvorständen für deren
Vermögens-Verwaltung, zunächst unter dem Königlichen Consistorio als oberer Instanz, Vorgesetzten
mit der Befugnis, die nach § 19 des Gesetzes über Kirchen- und Schulvorstände vom 14. October
1848 in den Fällen 1 - 5 einschließlich erforderliche Zustimmung, ohne vorgängige Anfrage
bey dem Königlichen Consistorio zu ertheilen, diejenige in dem Falle 6 aber bey den zuständigen
Behörden zu vermitteln so wie die nach § 21 desselben Gesetzes erforderliche Superrevision
ohne daß regelmäßig eine weitere Superrevision eintritt, vorzunehmen und
c) die Befugnis, das Königliche Consistorium auf wahrgenommene Mängel der Kirchen- und Schulverwaltung
in dem bisherigen Gerichtsbezirke aufmerksam zu machen.“
162
Erstmalig wurde Graf von Bernstorff 1887 die Wahl des Schulvorstandes in Pevestorf von den
weltlichen Behörden nicht überlassen. Diesen Vorstoß wagte die Königliche Regierung Lüneburg,
der eingelegte Protest vom Grafen war erfolgreich. Nunmehr vertrat man die Ansicht, daß der Graf
bei Neuwahlen von den weltlichen Behörden hinzuzuziehen sei. 1888 wurde der Graf erneut von
der Regierung in Lüneburg übergangen, weil seine Genehmigung zum Schulerweiterungsbau in
Pevestorf nicht eingeholt worden war. Mit Bedauern holte die Regierung beim Grafen nachträglich
die Genehmigung ein. Neues Ungemach bahnte sich 1890 an, als die Stellung des Grafen als
Vorgesetzter der Schulvorstände durch die Bestimmungen des Schulaufsichtsgesetzes vom 11.
März 1872 nicht mehr so sicher war. Besonders der § 1 dieses Gesetzes war deutlich formuliert:
„Unter Aufhebung aller in einzelnen Landestheilen entgegenstehenden Bestimmungen steht die
Aufsicht über alle öffentlichen und Privat-Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten dem Staate zu.
Demgemäß handeln alle mit dieser Aufsicht betreuten Behörden und Beamten im Auftrage des
Staates.“ Eine Mitaufsicht führten die Gemeinden und deren Organe bei der Schulaufsicht. Das
zuständige Ministerium in Berlin belehrte den Grafen am 5. März 1891, daß mit dem Gesetz vom
11. März 1872 „auch die bezüglichen öffentlich-rechtlichen Festsetzungen des Rezesses (vom 15.
Juni 1850) als aufgehoben angesehen werden.“
Das Recht, als Vorgesetzter der Schulvorstände zu wirken, verlor Graf von Bernstorff in Wehningen
am 5. März 1891.
Bessere Nachrichten gab es 1906, als die Königl. Regierung in Lüneburg zugunsten des Grafen
folgende Feststellung traf:
„Das Recht der Besetzung von Schulstellen…bleibt nach dem Gesetze vom 28. Juli 1906 betr. die
Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen für die Volksschule Gartow-Gut bestehen…“ Also nur
für die Gutsschule und nicht die Schulen in den umliegenden Dörfern. In diesen Fällen mußte sich
der Graf mit den weltlichen Behörden auf einen Bewerber einigen. Nach der Dienstanweisung des
Landeskirchenamtes in Hannover vom 20. Januar 1925, der Kirchenverfassung und der Kirchenkreisordnung
sind sogen. Kreiskirchenvorstände gebildet worden. Obwohl den Kirchengemeinden
die freie Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten zugestanden wurde, gab es zusätzlich den Kreiskirchenvorstand.
Dessen Aufgabe war: „Die Aufsicht über den Kirchenvorstand, das Selbstverwaltungsorgan
der Kirchengemeinde, soll darauf hinwirken, daß die großen Aufgaben der Kirchengemeinde
vollständig und zweckentsprechend erfüllt werden und dabei die in der Landeskirche
geltende Ordnung gewahrt wird.“ Am 29. Januar 1925 fand in Gartow der erste Kirchenkreistag
statt, den der Superintendent Umland leitete. Indessen versuchte das Landeskirchenamt dem
Grafen zu vermitteln, daß etliche kirchliche Zuständigkeiten durch die Reichsverfassung als erloschen
zu bezeichnen sind: „Es handelt sich dabei insbesondere um alle diejenigen Rechte und
Befugnisse, die über die den Patronen nach gemeinem evangelischen Kirchenrecht zustehenden
Rechte hinausgehen und als kirchenregimentliche Rechte anzusprechen sind. Mit dem Wegfall
der obrigkeitlichen Stellung der Berechtigten haben sie ihr wesentliches Fundament verloren und
sind deshalb undurchführbar geworden…“ Inwieweit der Graf davon betroffen war, sollte eine Besprechung
am 26. Februar 1925 klären. Der Graf war der Überzeugung, nach wie vor „das volle
Patronatsrecht im Sinne des kanonischen Rechts“ ausüben zu dürfen. Hinsichtlich der Amtsausübung
als Vorgesetzter der Kirchen- und Schulvorstände durch den Grafen wurde festgestellt,
daß die diesbezüglichen Bestimmungen infolge der Kirchengemeindeordnung vom 20. Dezember
1922 und des Staatsgesetzes betr. die Kirchenverfassung der evangelischen Landeskirchen
vom 8. April 1924 überholt sind. Ferner sind weitere Rechtsunsicherheiten besprochen worden.
Das Landeskirchenamt blieb bei seiner Ansicht, die Patronatsrechte des Grafen als erloschen zu
beurteilen: „…seinen ursprünglichen Charakter als ursprüngliches Hoheitsrecht hat aber dieses
163
sogenannte Patronatsrecht nicht verloren und müßte deshalb jetzt gemäß Artikel 137 Abs. 3 der
Reichsverfassung als erloschen angesehen werden….“ Ausgelöst wurde diese Fragestellung durch
die Wiederbesetzung der Pfarrstelle in Restorf. Natürlich legte Graf von Bernstorff Protest ein und
führte u.a. dazu aus: „…Im Laufe der Jahrhunderte ist das hiesige Patronatsrecht als solches und
nicht als kirchliches Hoheitsrecht von den kirchlichen Behörden angesehen und behandelt worden…“
Das Landeskirchenamt ließ sich aber nicht umstimmen: „…Wir halten es für ein Recht, das
auf Grund der dem Landesherrn zustehenden Kirchenhoheit durch Übertragung geübt wurde, jetzt
aber durch Artikel 137Absatz 3 der Reichsverfassung hinfällig geworden ist…“
In der Kirche Gartow hatte sich die Familie von Bernstorff gemäß der Schenkungsurkunde über
die Kirche zu Gartow an die Kirchengemeinde Gartow vom 10. Oktober 1724 das Eigentumsrecht
und die Erhaltung der Kirchenplätze und der Priechen auf dem Altarplatz reserviert. Eine allgemeine
Bauverpflichtung davon abzuleiten, wie es versucht wurde, ist vom Grafen zurückgewiesen
worden.
Der Umfang des Kirchenpatronats erstreckte sich auf die Kirchen und Kapellen:
Gartow, Meetschow, Holtorf, Kapern, Prezelle, Lomitz, Restorf, Vietze, Trebel und Gorleben. Die
Kirche in Lanze gehörte nicht dazu.
Das Realpatronat des Hauses Gartow war gemäß des Kaufvertrages vom 18. April 1694 in den
Besitz des am 6. Juli 1726 verstorbenen Premierministers Andreas Gottlieb von Bernstorff übergegangen
und seit dessen Tod ein Familienfideikommiss der von Bernstorffschen Familie geworden.
Das Recht wurde vertraglich verliehen. Wegen der Superintenturpfarre Gartow war das Recht des
Patrons, so lange die Superindentur bestand, durch ein Abkommen vom 20./23. Dezember 1869
mit dem Konsistorium beschränkt.
Dem Patron stand in allen Kirchen und Kapellen im Gartower Bezirk ein sogen. Patronats-Stuhl zur
Verfügung. Er war Vorgesetzter der Kirchen- und Schulvorstände und genehmigte deren Beschlüsse
und nahm „Superrevisionen“ in den Kirchen und Schulen vor. 22
Die Trennung von Schule und Kirche, die staatlicherseits weiterhin betrieben wurde, erfasste auch
Gartow: „Die Regierung in Lüneburg hat in Übereinstimmung mit dem Landeskirchenamt in Hannover
die organische Verbindung zwischen Kirchen- und Schulamt in Gartow mit dem 1. Januar
1930 gelöst. Herr Kantor Haberland ist vom gleichen Zeitpunkt an durch Privatdienstvertrag mit
dem Organisten-, Kantor- und Lektordienst betraut worden. Den Küsterdienst hat Herr Kirchendiener
Mahnke übernommen.“ 23
Im September 1939 hatte das Landeskirchenamt Veranlassung, erneut die Rechte des Grafen in
Frage zu stellen. Das Schulpatronat sei nach Ansicht dieser Behörde ohnehin erloschen, das Patronat
über die Kirchenmusiker- und Küsterstelle „würde seitens des Patrons nachzuweisen sein“.
Da anderenorts auf das Präsentationsrecht seitens Privatpatrone verzichtet worden ist, wurde
dem Grafen nahegelegt, es ebenfalls nicht mehr auszuüben. Am 22. November 1939 erklärte
der Graf bei der Kirchenvorstandssitzung in Gartow: „Die Küsterstelle Gartow steht unzweifelhaft
unter meinem Patronat. Ich gedenke keinesfalls auf dasselbe zu verzichten!“ 24
Kindergarten
„Bald wird es in Lüchow-Dannenberg keinen Kindergarten in kommunaler Trägerschaft mehr geben.
Der letzte, derjenige in Gartow, soll ab dem 1. August vom DRK übernommen werden. So
164
beschloss es der Gartower Samtgemeinderat bei seiner Sitzung am Dienstag im Haus des Gastes
einstimmig. Auch das Personal soll zum DRK überwechseln. Die Arbeitsverhältnisse werden ein
Jahr zu den bisherigen tariflichen Bedingungen fortgeführt werden, sieht es das Gesetz vor.
Gebäude und Gelände des Kindergartens sollen langfristig an das DRK verpachtet werden. Einig
war sich der Rat in dem Willen, sich beim künftigen Träger für die Fortführung der bisherigen Zusatzangebote
Zwergengruppe und Englisch im Kindergarten verwenden zu wollen.
Eine Übergabe des Kindergartens an das DRK geschehe im Geist der Strukturreform, die ja eine
Beschränkung der Kommunen auf ihre „Uraufgaben“ wolle, hatte Gartows Samtgemeinde-Bürgermeister
Friedrich-Wilhelm Schröder den Antrag vorgestellt. Dass die Samtgemeinde anders als
früher keinen Einfluss auf die ihr durch den Kindergarten entstehenden Kosten habe, spreche für
eine Übergabe an einen freien Träger, führte Schröder aus. Und unter diesen habe sich das DRK,
das bereits das dem Kindergarten benachbarte Seniorenheim führe, „förmlich aufgedrängt“. Die
räumliche Nähe verspreche Synergieeffekte: die Hausmeistertätigkeit oder die Mahlzeiten bei einem
späteren Ganztagesbetrieb im Kindergarten nannte Schröder als Beispiele dafür.“
„Einige Tränen musste Regine Schmidt-Köthke schon vergießen, als ihr am Freitagnachmittag in
Gartows Evangelischem Forum zahlreiche Kinder, Eltern und andere Gäste „Auf Wiedersehen“
sagten. Schmidt-Köthke war angesichts der Überraschungen, die ihr dort bereitet wurden und von
denen sie vorher nichts wusste, sichtlich gerührt. Doch die Gorlebenerin, viele Jahre Leiterin des
Gartower DRK-Kindergartens – bis vor wenigen Jahren eine Einrichtung der Samtgemeinde Gartow
– hinterlässt geordnete Verhältnisse. Mit kleinen Erdenbürgern und -bürgerinnen will Regine
Schmidt-Köthke auch weiterhin arbeiten, sie ist ab kommenden Mittwoch in der Dannenberger
DRK-Kinderkrippe „Liliput“ tätig. Und zwar für ein Jahr, dann geht’s in den verdienten Ruhestand.
Sie habe kindergartenmäßig in Sachen Erziehung schon alles gemacht, verriet Schmidt-Köthke
während ihrer Verabschiedung: „Doch die Krippenarbeit fehlt mir noch in meiner Sammlung. Deshalb
ist „Liliput“ für mich eine neue Herausforderung.“
Die beliebte Erzieherin hat 1977 als stellvertretende Leiterin des Gartower Kindergartens angefangen,
als Erika Szegedi 1996 die Leitung abgab, wurde Regine Schmidt-Köthke Chefin. Die Zusammenarbeit
mit ihren Kolleginnen sowie auch mit den Eltern habe ihr sehr viel Freude bereitet,
blickt sie auf die vergangenen 32 Jahre zurück…
Es könne sich wohl niemand so recht vorstellen, was es heiße, eine Kindertagesstätte zu leiten,
meinte Kai Christiansen, beim DRK-Kreisverband für solche und ähnliche Einrichtungen zuständig.
Da sei sehr viel Management erforderlich, die Aufgaben seien vielfältig, „und immer wollen
unzählige Kinder zu ihrem Recht kommen“. Regine Schmidt-Köthke habe all das in Gartow bravourös
gemeistert. Davon, dass Schmidt-Köthke den Gartower Kindergarten entscheidend mitgeprägt
habe, sprach SG-Bürgermeister Friedrich-Wilhelm Schröder. In pädagogischer Hinsicht sei unter
ihrer Leitung viel Gutes bewirkt worden. Seit seiner Inbetriebnahme Ende der 1970er-Jahre arbeitet
der Kindergarten eng mit der örtlichen Grundschule zusammen, hörten die Anwesenden von
der ehemaligen Schulleiterin Elke Steiling. Das geschehe zum Wohl der Kinder, Regine Schmidt-
Köthke sei von Anfang an einer der treibenden Motoren gewesen.“ 25
Abschied nehmen und doch nicht gehen. „Sie bleiben uns als Mitarbeiterin gottlob erhalten“,
freute sich DRK-Kreisverbandsvorsitzender Eberhard von Plato. Regine Schmidt-Köthke habe den
Übergang der Kindergarten-Trägerschaft von der SG Gartow zum DRK mit großem Engagement
mitgestaltet und sich den neuen Strukturen gestellt. Von Plato: „Sie haben bei all dem Neuen nie
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den Blick auf die Kinder in Ihrer Einrichtung verloren, immer auch die Bedürfnisse der Eltern gesehen
und waren stets für Ihre Kolleginnen da.“ 26
„Im Vordergrund stehe selbstverständlich das Wohl der Kinder. Ihnen müsse anregungsreicher
Raum geboten werden, „in der sie sich geborgen und wohlfühlen dürfen“. Das hat sich Maureen
Wiele auf ihre Fahne geschrieben. Die Arbeit mit den Kindern ist es, die sie nach Gartow geführt
hat – die Arbeit mit den Mädchen und Jungen des dortigen DRK-Kindergartens (KiGa). Seit dem 1.
April leitet die in Clenze lebende Maureen Wiele die Einrichtung an der Hahnenberger Straße. Sie
ist Nachfolgerin der vieljährigen Leiterin Regine Schmidt-Köthke, die seit einigen Tagen im Dannenberger
DRK-Kinderhort „Liliput“ tätig ist und zuvor mit großem Bahnhof verabschiedet worden
war.Die Arbeit mit Kindern sei schon immer ihr Ding gewesen, sagt die neue KiGa-Leiterin, und so
habe sie das Thema auch zur ihrem Studienschwerpunkt gemacht. Die Mutter einer zwölfjährigen
Tochter hatte von 1986 bis 1990 an der Fachhochschule Lüneburg Sozialpädagogik studiert und
sich danach in der Hansestadt zuerst der Hort- und Krippenarbeit zugewandt, später in Uelzen
einen Sprachheilkindergarten geleitet und nach der Familienzeit in Lüchow in der Jugend- und Erwachsenenbildung
gearbeitet. Auf die Bildung der Kinder und dass sie rechtzeitig auf ihr späteres
Leben vorbereitet werden, kommt es ihr an: „Dafür muss der Staat Geld zur Verfügung stellen.“
Die Kinder müssten schon früh alle möglichen Bildungschancen bekommen.
Der Wunsch, mit Kindern zu arbeiten, sei der eigentliche Antrieb, nun den Job in Gartow zu machen,
erzählt die Diplomsozialpädagogin. Im DRK-Kindergarten des Ortes sei nach ihrer Ankunft
freilich sehr viel Positives auf sie eingestürzt.
Die Eingewöhnungsphase habe sie wohl hinter sich, jedoch noch nicht die Phase der Einarbeitung.
So seien ihr beispielsweise die Namen aller 97 Mädchen und Jungen, die den Kindergarten täglich
besuchen, noch nicht geläufig. Maureen Wiele spricht davon, dass man sich inzwischen berochen
habe. Von ihren zehn Kolleginnen und ihrem neuen Arbeitgeber sei sie sehr herzlich aufgenommen
worden …“ 27
Inzwischen ist die Leitung des Gartower Kindergartens in die Hände von Kerstin Höltke übergegangen.
Einen weiteren „Kindergarten“ gibt es seit 2013 mit der Bezeichnung „De lütt Grashüppers“. Es ist
ein Projekt von der Elterninitiative Bildung für nachhaltige Entwicklung e.V. Betreuungsangebote
für Kinder unter drei Jahren werden in der Samtgemeinde Gartow im örtlichen Kindergarten und
bei Tagesmüttern und Tagesvätern vorgehalten. Einige Eltern wünschten sich für ihre Kinder eine
kleinere Gruppengröße. In der Krippengruppe im Kindergarten werden im Schnitt 15 Kinder betreut.
Berufstätigen Eltern fehlte eine flexible Nachmittagsbetreuung. Die Betreuung sollte gleichzeitig
auch zuverlässig, qualitativ hochwertig und sicher sein.
Schließlich schlossen sich einige Eltern zum gemeinnütigen Verein „Elterninitiative Bildung für
nachhaltige Entwicklung e.V.“ zusammen, mit dem Ziel ein Betreuungsangebot nach dem freilandpädagogischem
Konzept aufzubauen und eine Tagespflegeperson fest anzustellen. Die geeignete
Tagesmutter war bald schon gefunden: Annette Brandhorst aus Gartow. Sie hatte bereits eine
Kindergruppe in der Samtgemeinde Gartow geleitet, die „Rasselbande in der Rappelkiste“, und
hatte langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Kindern im Kindergartenalter. Mit der Förderung der
Festanstellung durch das „Aktionsprogramm Kindertagespflege“ des BMFSFJ konnte ihr eine Festanstellung
mit angemessenem Gehalt angeboten werden.
166
Im Zusammenhang mit einer weiteren Förderung vom Land Niedersachsen sowie durch großzügige
Spenden der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) und der Grünen vor Ort konnte sich
die Gruppe mit einem Bollerwagen, einem Spielgerüst für draußen sowie einer kompletten Ausrüstung
für ein Kinderzimmer mit Spielmöglichkeiten, Wickeltisch usw. einrichten.
Es gibt eine feste Morgengruppe mit fünf Kindern, die sich „De lütt Grashüppers“ nennen. Die
Kernzeit ist von 8 bis 12 Uhr, es können aber auch frühere sowie spätere Betreuungszeiten vereinbart
werden. Die Betreuung findet im Haus und im Garten der Tagesmutter Annette Brandhorst in
der Hahnenberger Str. 19 statt. Es gibt einen Hund, eine Katze und Hühner im Garten sowie eine
Pferdewiese und eine Koppel mit Eseln in der Nähe. Mit dem Bollerwagen kann Frau Brandhorst
mit den Kindern jeden Tag bei Wind und Wetter Exkursionen in die nähere Umgebung unternehmen
– z.B. in den Wald, zum Gartower See, auf den Wasserspielplatz am Campingplatz oder zum
Wochenmarkt am Freitag Vormittag. Am Nachmittag gibt es ein offenes, flexibles Betreuungsangebot,
das vor allem von den Eltern der ansässigen Unternehmen gern genutzt wird.
Schulen in Gartow
Die Existenz einer Schule in Gartow, vermutlich auf dem Areal der alten Wasserburg zu Zeiten der
v. Bülows, läßt sich relativ weit zurückverfolgen. Es ist einem Schreiben des Gartower Küsters
und gleichzeitigem Schulmeister Bernhard Marwede von 1702 zu verdanken, wenn wir auf einen
Schulbetrieb in Gartow Hinweise erhalten. Ausgelöst durch einen Streit, griff Marwede weit in die
Geschichte zurück und erwähnt ein „Schul-Register de Anno 1588“. 28
Bekanntlich waren früher der Kirchen- und Schuldienst miteinander kombiniert und der jeweilige
Kantor übte zugleich den Unterricht aus, der sich in den Anfängen des Schulwesens lediglich auf
den Katechismusunterricht erstreckte und das Religiöse und nicht unbedingt die weltliche Bildung
in den Vordergrund stellte. Das Lesen und Schreiben entwickelte sich in derartigen Unterrichten
erst nach und nach.
Auch in Gartow galt die „Dannenberger Schulordnung“ vom 18. August 1687, die einzuhalten war.
Die Unterweisung der Kinder in Religion und Unterricht lag damals ganz in den Händen der Kirche.
Zur Jahrhundertwende 1699/1700 bekam der
damalige Küster und Schulmeister Bernhard
Marwede aus Gartow außer seinem Schulgeld
von den Eltern und dem Küstergehalt
aus alter Tradition vom Haus Gartow jährlich
zu Weihnachten drei Bratwürste oder den entsprechenden
Geldwert von 3 ggr. Hinzu kamen
weitere 6 ggr. 9 Pfg. für zwei wüste Hofstellen
in Quarnstedt, die die Familie v. Bernstorff
aufgekauft hatte. Am 25. Mai 1700 zahlte die
Geheimrats-Frau v. Bernstorff an den Gartower
Kantor Düker das Schulgeld für acht Kinder armer
Eltern. Demnach hat Marwede Schulunterricht
gegeben und Düker die damals geläufige
Katechismuslehre. 29
Auf Marwede folgte Kantor Düker bis 1735,
29.11.1776: Quittung des Lehrers Georg Friedrich
Schröder
sein Nachfolger wurde Johann Jacob Dingel-
167
14.6.1703: Schreiben des Lehrers Bernhard Marwede
städt, danach dessen Sohn Johann Roger Ludewig
Dingelstädt und später der Kantor Tobias
Erhard Krug. 1765 unterrichtete außer Krug
noch der Küster Johann Friedrich Lange Gartower
Schulkinder.
1812 haben sich aufgrund der damals geltenden
französischen Gesetze alle Halb- und
Vollbürger in Gartow verpflichten müssen, die
anteilig von ihnen aufzubringenden Abgaben
zur Unterhaltung des Kantorats und der Schule
schriftlich anzuerkennen. Diese Verpflichtung
wurde in das französische Grundbuch hypothekarisch
eingetragen: „Beitrag behuf Baues und
Unterhaltung der Cantorat- und Schulgebäude,
Hof- und Gartenbefriedung p.p. jährlich um Ostern
zwey Eyer, quartaliter den Hausdreyer à
drey Pfennig, jährlich einen guten Groschen…“
Der Gesamtwert schwankte zwischen 17
Reichsthaler bei Halbbürgern und 33 Reichsthaler
bei Vollbürgern.
Verordnung vom 15.1.1765
Im Dezember 1812 wandte sich der Gartower Organist und Kantor Krug mit diesen Zeilen an den
Kirchenpatron Graf v. Bernstorff: „Die große Armuth, worin verschiedene in Gartow und Quarnstedt
wohnende Personen versunken sind, macht es diesen unmöglich, auch nur das geringe Schulgeld
für ihre zum Theil zahlreichen Kinder zu entrichten. Der Unterzeichnete hat auch wegen des in
der ehrerbietigst angelegten Note (Anm.: Verzeichnis) verzeichneten Schulgeldes alle Mittel, um
etwas zu erhalten, vergeblich versucht, hat aber durch öfteres Mahnen und durch Androhung der
Execution (Anm.: Zwangseintreibung) bisher nichts erhalten können. Würde auch durch würkliche
Exekution nicht das Geringste erhalten, da die Armuth der verzeichneten Personen bekanntlich zu
168
groß ist und der Zwangsbefehlträger insonderheit bey dem Nagelschmied Thiele keine Mittel zur
Ausführung der Execution vorgefunden hat.
Nagelschmied Thiele, der drei Schulkinder hatte, zahlte laut einem Vermerk noch nie das Schulgeld
„da er in der größten Armuth ist“.
Da ich nun selbst eine sehr zahlreiche Familie zu ernähren habe, und deshalb nicht im Stande
bin, das sauer verdiente Schulgeld gänzlich zu erlassen, so weiß ich mir in diesen Zeiten des fast
allgemeinen Geldmangels nicht anders zu rathen….“ 30
Kantor Krug bat daher den Grafen, anstelle der Säumigen das Geld aus der Kirchenkasse entnehmen
zu dürfen. Im November 1813 meldete er sich erneut, nunmehr in einer anderen Angelegenheit:
Im Schulhaus sind von feindlichen Soldaten „Hanseaten und Preußische Landsturm-Männer“ drei
Fensterscheiben zerstört worden. Da in der Stube wiederum andere Soldaten Quartier bezogen
hatten, beschwerten sich diese wegen der eindringenden Kälte. Der Graf sollte für die Behebung
des Schadens sorgen. 31
Im Oktober 1821 war der Gartower Pastor Levin Karl Hölty aufgefordert worden, sich zu den Schulverhältnissen
in Gartow, Nienwalde und Meetschow zu äußern:
I. Anzahl und Größe der Schulen
In der Parochie Gartow sind drei Schulen: 1. die Schule zu Gartow, wozu außer den Kindern des
Fleckens Gartow auch die Kinder aus Quarnstedt, Rucksmoor und dem Elbholze gehören. In dieser
Schule haben sich in dem Winter von Michaelis 1820 bis Ostern 1821 160 Kinder aus 90
Familien befunden, 2. die Schule zu Niendorf, in welcher 45 Kinder aus 22 Familien waren, 3. die
Schule zu Meetschow, worin sich die Anzahl der Kinder auf 44 aus 26 Familien belief.
II. Einkünfte der Schullehrer
…hat der Cantor und Schullehrer Krug zu Gartow seine sämtlichen Dienstemolumente ext. der
Wohnung als Küster, Organist und Schullehrer auf 240 Reichsthaler 8 ggr. 7 Pf. Conventionsmünze
angegeben und für Privatunterricht außer dem Hause noch 25 Rtlr.berechnet. Der Schullehrer
zu Niendorf gab seine sämtlichen Einkünfte ext. der Wohnung auf 45 Rtlr 1 ggr. 4 Pfg. Conv.Mze.,
gleichfalls ext. der Wohnung….Der Schullehrer Schulz zu Niendorf ist zugleich ein Drechsler und
der Schullehrer Freudenthal zu Meetschow ein Schneider, beide aber versichern, daß ihnen ihr
Handwerk aus Mangel an Kunden nicht so viel einbrächte, daß es als Nebenverdienst bemerkt
werden müßte.
III. Qualification und Prüfung der Schullehrer
Von den Dorfschullehrern wird verlangt:
01. daß sie richtig und fertig lesen und die gangbarsten Melodien der Gesänge singen können,
02. daß sie eine deutliche Hand schreiben und wenigstens die Anfangsgründe des Rechnens
verstehen,
03. daß sie im Stande sind, die Fragen und Sprüche des Katechismus zu zergliedern und den
Kindern die darin enthaltenen Wahrheiten abzufragen,
04. daß sie auch die Fähigkeit besitzen,
05. einigen gemeinnützigen Kenntnissen aus der Naturlehre, Naturgeschichte und Erdbeschreibung
nach den ihnen gegebenen Lehrbüchern bekannt zu machen. Die Lehrbücher,
die zu diesem Behuf in den beiden Dorfschulen gebraucht werden, sind: Gutmann oder
169
Sächsischer Kinderfreund, ein Lesebuch für Bürger und Landschulen von Thieme, Leipzig
1797 und das Handbuch der ersten und notwendigsten Kenntnisse für Kinder aller Stände,
Hannover 1805. Auch müssen die Schullehrer 4. da das Tafelrechnen in den Dorfschulen
nicht gelehrt wird, die Kinder wenigstens im Kopfrechnen etwas üben können. Nach diesen
Forderungen werden diejenigen, die sich um einen Schuldienst bewerben, von dem Prediger,
der dazu von den Herren Kirchenjuraten den Auftrag erhält, vor ihrer Anstellung geprüft.
IV. Umfang und Methode des Schulunterrichts
In den beiden Dorfschulen sind Gegenstände des Unterrichts: Lesen, Schreiben, Kopfrechnen,
Singen, Religion und ihre Geschichte und gemeinnützige Kenntnisse. In Hinsicht der Methode sind
die Schullehrer angewiesen, sich nach dem Handbuche für angehende Landschullehrer zur leichteren
Übersicht ihrer Pflichten und der zweckmäßigsten Methode für jede Art des Schulunterrichts
von dem Herrn Kirchenrath und Superintendenten Frank in Bardowick, Hannover 1802, zu richten.
In der Gartower Schule kommt zu obigen Gegenständen des Unterrichts auch noch Unterricht in
der deutschen Sprache (Anm.: man sprach außerschulisch wohl Plattdeutsch) und in schriftlichen
Aufsätzen, im mehrstimmigen Singen und im Tafelrechnen. Auch werden die Kinder mit den
Hauptbegebenheiten der älteren und neueren Weltgeschichte bekannt gemacht. Da in Gartow
das Schulzimmer zu klein ist, um alle Kinder fassen zu können, so haben die Kinder in zwei Schulen
verteilt werden müssen. In der sogen. großen Schule befinden sich die Kinder vom 9ten bis
14ten Jahre und in der kleinen Schule die Kinder vom 6ten bis 9ten Jahre. Wollen Letztere nach
vollendetem 9ten Jahre aber in die große Schule aufgenommen werden, so wird gefordert, daß sie
wenigstens nothdürftig lesen können. Die Kinder der großen Schule erhalten täglich 4 Stunden
Unterricht, Morgens von 8 bis 10 Uhr und Nachmittags von 1 bis 3 Uhr. Von 3 bis 4 Uhr wird gerechnet,
woran aber nicht alle Kinder theil nehmen. Die Kinder der kleinen Schule erhalten täglich
nur 2 Stunden Unterricht, Morgens von 10 bis 12 Uhr und werden in diesen beiden Stunden in der
Buchstabenkenntnis, im Buchstabieren und Zusammenlesen so wie auch in der Zahlenkenntnis
geübt. Auch werden mit ihnen zur Ermerkung des Denkens und zur Übung in hochdeutscher Sprache
Verstandesübungen angestellt. Eigentlichen Religionsunterricht erhalten diese Kinder noch
nicht, doch werden ihnen, wenn es die Zeit erlaubt, kurze moralische Geschichten erzählt, auch
lernen sie wohl kurze und ihnen fassliche Bibelsprüche auswendig. Die meiste Zeit muß aber von
dem Lehrer auf das Lesenlernen verwandt werden.
Schulszene
Schularbeiten
170
V. Sommerschulen
In den beiden Sommerquartalen wird hier so wie im ganzen Gericht Gartow nur ein Tag in der
Woche Schule gehalten und diese Einrichtung besteht auch erst seit dem Jahre 1799, da früher
gar keine Sommerschulen im hiesigen Gerichte üblich waren. Für diesen einen Tag erhält der
Schullehrer kein Schulgeld.
Im Flecken Gartow wird zwar außer diesem einen Tage auch noch an mehreren Tagen im Sommer
Schule gehalten und es wurde vormals für jedes Kind, wie im Winter, 6 Pfg. Cassenmünze
wöchentlich an Schulgeld bezahlt. Jetzt wird 1 ggr. Cassenmünze wöchentlich für jedes Kind an
Schulgeld entrichtet, da die Anzahl der Kinder, die an dieser Schule teilnehmen, gegenwärtig nur
gering ist. Denn da es den Eltern frei steht, ob sie ihre Kinder in diese Privatsommerschule schicken
wollen oder nicht, so geschieht dies von den ärmeren Eltern der Schulgemeinde auch gar
nicht und selbst nur wenige der Wohlhabenden lassen ihre Kinder an dieser Schule teilnehmen.
Es sind meistens nur die kleineren Kinder einiger Honorationen, einige Bürger und andere Ortsbewohner,
welche diese Schule besuchen. Zu wünschen wäre daher, daß auch im hiesigen Gerichte,
wie ich es glaube, im ganzen Lande der Fall ist, gesetzlich eingeführt würde, daß im Sommer, etwa
mit Ausnahme der Erntezeit, drei Tage Schule gehalten werden müßte und dem Schullehrer für
jedes Kind wöchentlich 3 Pfg. an Schulgeld bezahlt werden müßten.
VI. Schulprüfungen, Berichte, Dispensationen und Discription
Öffentliche Schulprüfungen finden auf beiden Dörfern nicht statt. Wenn der Prediger die Schule
besucht, wird zugleich eine Prüfung angestellt. In Gartow aber hat der Cantor Krug seit 1820 eine
öffentliche Prüfung eingeführt, welche in der Woche vor Ostern gehalten wird und beide Mal ehrvoll
für ihn selbst und für die Mehrzahl der Kinder ausgefallen ist.
Die Schullehrer sind gehalten dem Prediger von Zeit zu Zeit Bericht über die Fortschritte und das
Betragen der ihnen anvertrauten Schuljugend abzustatten und zugleich auch das Verzeichnis der
Absenten einzureichen. Es ist den Schullehrern in den Außendörfern nachgelassen, den Schulkindern
in Nothfällen Urlaub aus der Schule ertheilen zu dürfen, doch sind sie gehalten dies dem
Prediger nachher anzuzeigen. In Gartow erbitten sich die Kinder den Urlaub von dem Prediger.
Was die Schuldisciplin betrifft, so werden die Kinder, welche sich durch Unfleiß, Unachtsamkeit,
Plaudern, Neckereien und Störungen Anderer und ähnliche Unarten strafbar gemacht haben,
durch Heruntersetzen, Nachsitzen, vorzüglich wenn sie das ihnen aufgegebene Pensum zu Hause
nicht gelernt haben, durch Anschreiben ihres Namens an die Tafel, durch Stehen vor der Tür im
Schulzimmer usw. bestraft. Doch sind auch körperliche Züchtigungen nicht ausgeschlossen. Der
Cantor Krug hält sich ein Register, worin er den Fleiß oder Unfleiß, das Gute und schlechte Betragen
eines jeden Kindes von Woche zu Woche aufzeichnet, dieses zu Zeiten dem Prediger vorlegt,
von welchem dann auch bei Schulvisitationen und bei der jährlichen Schulprüfung Gebrauch gemacht
wird. Auch hängen in der Schule zwei Sittentafeln, auf der einen sind die Namen der Kinder
verzeichnet, die sich durch Fleiß und gutes Betragen ganz vorzüglich ausgezeichnet haben und
auf der anderen stehen die Namen derjenigen, von denen das Gegenteil gesagt werden muß.
171
VII. Anstellung, Kündigung und Entlassung der
Schullehrer
Im Gerichte Gartow werden die Schullehrer von
dem Herren Kirchenpatron (v. Bernstorff) angestellt,
ohne daß sie dem Königl. Consistorio
präsentiert oder von demselben bestätigt würden.
Die Schulstelle wird ihnen ohne Vorbehalt
einer etwaigen Kündigung verliehen und außergerichtlich
würden sie ihres Dienstes wohl
nicht entlassen werden können.
VIII. Stellung der Schullehrer gegen die Schulgemeinden,
dem Prediger und der Ortsobrigkeit
Die Schulgemeinde hat die Verpflichtung, den
Schullehrer als den der Schuljugend ihres Orts
vorgesetzten Lehrer zu ehren, kann die Beobachtung
seiner Schullehrpflichten von ihm
fordern, ist aber nicht befugt ihm Dienste und
Hülfsleistungen aufzuerlegen, die mit seinem
Amte nicht in Verbindung stehen. Der Schullehrer
hat den Prediger als seinen Vorgesetzten
zu betrachten und ist verbunden den Verfügungen
desselben in Schulsachen Gehorsam
zu leisten. Nach der im hiesigen Lande bestehenden
Observanz stehen die Cantoren, Küster
und Schullehrer, welche am Kirchorte wohnen,
unter dem Königl. Consistorio, die übrigen aber
unter der Ortsobrigkeit. Ob es im Gerichte Gartow
anders ist, ist mir nicht bekannt.
Körperliche Zurechtweisung
IX. Verpflichtung der Schulgemeinde zum Bau und Unterhaltung der Schulgebäude
In Niendorf und Meetschow muß jede Dorfschaft das Schulhaus ihres Orts bauen und im wohnbaren
Stande erhalten. Zur Erbauung und Unterhaltung der Schulgebäude in Gartow trägt aber das
ganze Kirchspiel bei….“ 32
1844 wandte sich Kantor Krug an Graf v. Bernstorff um Erlaubnis, daß die im Bezirk Gartow tätigen
Lehrer einer Witwen-Kasse beitreten dürfen, zumal im Königreich Hannover erste Schritte
dazu eingeleitet wurden. Etliche Lehrer hatten dafür bereits eine größere Geldsumme an den
Pastor Bödecker in Hannover übersandt. Hiervon waren 14 Schullehrer betroffen. Graf v. Bernstorff
erlaubte selbstverständlich ein solches Vorgehen. Von Juni bis November 1845 waren der
Witwenkasse beigetreten: Kantor Krug aus Gartow, Küster Roosch aus Prezelle, Küster Trommel
aus Restorf, Lehrer Meyerhoff aus Meetschow, Lehrer Bruns aus Nienwalde und Kantor Bruns aus
Trebel.
Am 26. Mai 1845 trat im Königreich Hannover das Volksschulgesetz in Kraft. Obwohl der Staat
nicht so ohne Weiteres über die Schulen im Gerichtsbezirk Gartow verfügen konnte, war es er-
172
wünscht, wegen Bildung von Schulbzirken auch das Gartower Gebiet einzubeziehen. Es war vom
Königlichen Konsistorium bereits ein Plan hierzu ausgearbeitet worden. Graf v. Bernstorff hatte
von sich aus vor, dem neuen Schulgesetz nachzukommen. Damit verbunden war eine höhere Dotierung
der Lehrergehälter, was die Gemeinden jedoch ablehnten. 33
Am 21. Februar 1850 ließ Graf v. Bernstorff durch Rundschreiben alle Schulvorstände und Lehrer
wissen: „…daß die Regierung unseren Ständen einen Gesetz-Entwurf vorgelegt hat wonach der
Unterricht in den Schulen künftig der Aufsicht des Predigers entzogen wird und von den weltlichen
Behörden beaufsichtigt werden soll. Wie nachtheilig dieses auf die Erziehung Eures Kindes einwirken
würde, glaube ich Euch nicht erst sagen zu müssen ... Es wird also in der That jede Aufsicht
fehlen und ob das für Euer Kind gut ist, könnt Ihr wohl am besten selbst beurtheilen…“ Graf v.
Bernstorff bereitete eine Petition zur Vorlage bei der Ständeversammlung gegen die Gesetzeseinführung
vor, die die Ortschaften unterstützen sollten. Der Protest der Ortschaften war bereits vom
Grafen vorformuliert worden: „…Da wir aber wünschen, daß unsere Kinder auch als wahre Christen
sollen erzogen und als solche von christlichen Lehren christlich sollen unterrichtet werden,
vor unserer weltlichen Staatsbehörde aber jedes Religionsbekenntnis jetzt gleiche Geltung hat, so
müssen wir dringend wünschen, daß diese Gesetzes-Vorlage nicht die Billigung der Hohen Ständeversammlung
erhalten möge…“ Die Fleckensgemeinde Gartow reagierte jedoch nicht wie erwünscht
und ließ am 4. März 1850 den Grafen wissen: „…daß selbige (Petition) aus dem Grunde
nicht unterschrieben werden kann, weil die darin enthaltene Opposition gegen unsere Regierung
sich nicht mit der von uns geprüften Regierungs-Vorlage im Einklange bringen läßt…“ 34
Auf Lehrer Tobias Erhard Krug folgten Carl Johann David Krug (um 1794) und Wilhelm
Krug. Bis 1851 wurden die Kinder aus Gartow zusammen mit denen der Gutsgemeinde gemeinsam
in einer einklassigen Schule von einem Lehrer unterwiesen. Ab 1851 erfolgte dann die Einsetzung
eines zweiten Lehrers. Zweite Lehrer sind gewesen: A. Imohr 1851 - 1853, Georg Wilhelm
Gothe 1853 - 1855, Adolf Georg Hermann Aschoff 1855, Schweinhagen 1857 - 1858 und provisorisch
Heinrich Hundt 1858 - 1859.
Lehrer H. Hundt wurde ab 1860 vom Haus Gartow besoldet (190 Rtlr./Jahr) und erhielt Holzlieferungen
im Werte von 53 Rtlr. Das Haus Gartow mußte dennoch 30% der Unterhaltungskosten
für die Fleckensschule in Gartow aufbringen. Im Jahre 1876 wurde die Schule aus dem ehem.
Amtshaus in das ehem. Dröge`sche Haus in Gartow, welches sich im Besitz des Hauses Gartow
befand, verlegt. Das Haus Gartow mußte sich damals an den Schulkosten in Holtorf (Lehrer Warneke),
Laase, Dünsche (Lehrer Siedenberg) und Trebel (Lehrer Wieland) beteiligen, weil es dort
über Grundeigentum verfügte. Lehrer Schulz erhielt 1890 ein Jahresgehalt von 825 Mark, sowie
Holzlieferungen im Werte von 112 Mark. Im Jahre 1921 sind vermutlich nur noch 15 Kinder in
der Gutsschule unterrichtet worden. Für Schüler aus Wirl und Klusbergen, die zur Schule Trebel
gingen, zahlte das Haus Gartow an die dortige Schulkasse jährlich 1000 Mark. 35
Ab 1860 kam es zur Trennung in eine bestehende „Fleckenschule“ Gartow und eine
„Gutsschule“. In der Fleckenschule unterrichteten als erste Lehrer:
Wilhelm Krug bis 1873, Schumacher 1873 - 1878 und Ferdinand Thölke 1878 - 1921 sowie als
zweite Lehrer: Mohwinkel bis 1871, Karl Ernst Korte 1871 - ?, Bellahn ? - 1881, Johannes Lühr
1881 - 1889, Lindeke 1889 - 1892, Friedrich Hinrichs 1893 - 1898, Vieregge 1898 - 1899, Neubauer
1899 - 1901, Frähmke 1901 - 1905, Kohrs 1907 und Otto Thölke 1907 - 1913.
173
In der Gutsschule fungierten als Lehrer:
Heinrich Hundt 1860 - 1889, Karl Schulz 1889 - 1902, Adolf Dohmann 1904 - 1909 und Ernst
Fromhage 1910 - 1920. Von 1911 bis 1930 waren Fleckens- und Gutsschule wieder (provisorisch)
vereinigt. In der Fleckensschule taten folgende 1. Lehrer Dienst: Ferdinand Thölke, Walter Menke
1921, Rudolf Haberland ab 1921 - 1948, als 2. Lehrer: Otto Thölke, Friedrich Schulz 1913, Walter
Wehmeyer 1914 - 1920, Albert Ohland 1920 - 1921, Walter Menke 1921 - 1924, Otto Röhr
1924 - 1930. In der Gutsschule führten Lehrer Ernst Fromhage und Walter Wehmeyer den Unterricht.
Seit 1922 gab es kirchliche Elternbeiräte, die frei gewählt wurden. Der Elternbeirat hatte die
Aufgabe: „Er hat mitzuwirken an der Erziehung der Jugend.“ Auch hierzu äußerte sich die Kirche
(1926): „…Es gilt, die Schule den Kampf der Parteien und allen parteipolitischen Bestrebungen
zu entreißen. Wir müssen daher alle bemüht sein, das herauszufinden, was uns allen gemeinsam
ist, die große Basis, auf der wir uns alle die Hand reichen können. Und dieser Grund liegt für mich
im christlichen Deutschtum. Wir müssen unsere Jugend erziehen zu all den Wesenseigenheiten,
die sich in das Wort „deutsch“ fassen lassen…“ und: „…die zwei wichtigsten Erziehungsfaktoren:
das Elternhaus und die Schule. Es ist von größter Bedeutung für die Entwicklung des kindlichen
Gemüts, welchen Geist es im Elternhause einatmet. An dieser Grundlage, die durch die elterliche
Erziehung geschaffen wird, kann die Schule nachher nichts ändern, sie kann nur weiterbauen auf
dem Boden, der ihr bereitet ist. Und viele Eltern machen es sich gar nicht klar, welch große Verantwortung
sie da zu tragen haben. Das kleine Kinderherz ist so empfänglich für alles, was es hört
und sieht und die ersten Eindrücke haben bleibenden Wert…“
Ab 1930 wurde die Volksschule Gartow eingerichtet, eine Gutsschule gab es nach Aufhebung der
Gutsgemeinde im Jahre 1929 nicht mehr. An dieser Schule unterrichteten als 1. Lehrer: Rudolf
Haberland (bis 1948), Walter Wehmeyer (ab 1948), als 2. Lehrer: Walter Wehmeyer (bis 1948)
und Johann Hermann (ab 1948), als 3. Lehrer: Johann Hermann 1946 - 1948, Helmut Hoins
1946 - 1948, Helmut Hoins 1949 - 1950 und Hermann Floment (ab 1950) und Werner Pinkes (ab
1947). Hilfslehrer waren ferner: Dick (1.2.1930 - 31.3.1930), Kruse (1.4.1930 - 30.6.1930) und
Walter Lühr (1.7.1930 - 31.3.1934). Schließlich muß noch der außerplanmäßige Lehrer Herbert
König (ab 1949) erwähnt werden.
Die beiden Schulhäuser (Fleckens- und Gutsschule) sind vermutlich 1857 erbaut worden. 36/37
Ehemalige Schule, Hauptstr. 5
174
1930 wurde die „Wanderhaushaltungsschule“ in Gartow wieder eröffnet, was auf die erfolgreichen
Bemühungen der Frau des Superintendenten Umland zurückzuführen war. Lüchow und Lanze
hatten ebenfalls Interesse gezeigt. Zwei Lehrgänge für junge Mädchen wurden angeboten, die
im Winterhalbjahr absolviert wurden. Lehrkraft war Clara v. Bernstorff aus Schnackenburg, die
auch Anmeldungen entgegen nahm. Das wöchentliche Schulgeld betrug 5 Reichsmark, mitzubringen
waren 2 Eier, halbes Pfund Mehl, ein Liter Milch, etwas Gemüse und Kartoffeln. Gelehrt wurde
Kochen, Backen, Einwecken, Nähen und Flicken sowie Schneidern. Ferner Kinder- und Krankenpflege,
auch Haushaltsbuchführung. Kenntnisse erhielten die jungen Mädchen außerdem in der
Gartenpflege und Viehzucht, denn, wie Gräfin Bernstorff schrieb:
„…wir Frauen sind gleichberechtigte und verpflichtete Bürgerinnen des Staates, Glieder einer
Volksgemeinschaft, für die wir mit verantwortlich sind. Wir lernen unsere Heimat und ihre Verhältnisse
kennen, die Pflichten und Rechte, die wir im öffentlichen Leben haben. Zur Grundlage und
zum Mittelpunkt unseres Handelns wird uns die Religion…“ 38
In den Jahren 1950/51 ist ein neues Schulgebäude im Ortsteil Hahnenbergen errichtet worden.
Die Schülerzahlen stiegen durch den Zustrom von Flüchtlingen stark an: 1939 = 97, 1945 = 226
(davon 110 aus Flüchtlingsfamilien), 1951 = 266 (127).
Gartow. Bürgermeister Henning leitete im Bürgermeisteramt eine Versammlung, um nach den
Richtlinien des Schulgesetzes einen „Schulzweckverband Gartow“ zu gründen. Den Schulzweckverband
stellen die Gemeinde und der Forstgutsbezirk dar. Zum 1. Vorsitzenden wählte die Versammlung
einstimmig Schulleiter Hauptlehrer König. Mitglieder sind Bahlke, Schmidt, Junack,
Henning, v. Oppen, Junker und ein noch zu wählender Lehrer, der auch stellv. Vorsitzender sein
wird. Die Verbandsversammlung setzt sich aus 6 Mitgliedern der Gemeinde zusammen. Hinzu
kommen 2 Personen für den Forstgutsbezirk. Die Wahl von Mitgliedern der Gemeinde soll auf
Vorschlag der politischen Parteien vorgenommen werden. Der im bisherigen Gesamtschulverband
tätig gewesene Kassierer Ahrens wurde für diesen Posten wiedergewählt. 39
1969 hatte der Schulzweckverband Gartow einen 16-sitzigen Kleinbus zur Schülerbeförderung im
Einsatz . Den neu angelegten Schulsportplatz nutzen die Gartower Schulen sowie die Sportvereine
Gartow-Prezelle und Nienwalde auch heute noch. Früher waren das Zollkommissariat Gartow und
die US-Army, die auf dem Höhbeck eine Funküberwachungsstation betrieb, ebenfalls Nutzniesser
der Anlage.
Todesanzeige Lehrer Walter Wehmeyer
175
(27.11.1956)
12.9.1957: Wettkampfergebnisse Schulsportfest in Gartow
176
Mittelpunktschule Gartow
Zweckverbandsversammlung am 13.10.1970:
„…Vor der Behandlung dieser beiden Anliegen stellte Rektor Koch der Versammlung die Lehrkräfte
vor, die im Schuljahr 1970 ihren Dienst an der Mittelpunktschule Gartow aufgenommen haben.
Es sind die Lehrerinnen Frau Heidrun Beißwenger, bisheriger Dienstort war Hamburg, Fräulein
Renate Meyer, Absolventin der Pädagogischen Hochschule Lüneburg, Frau Elke Steiling, bisher
tätig in Wiegboldsburg bei Aurich… Alle drei Lehrerinnen versicherten, daß sie sich im Kollegium
der Schule sehr wohl fühlen und daß ihnen die Arbeit sehr viel Freude bereite. Außer den drei
genannten Lehrerinnen nahm Frau Antje Thiede, Holtorf, am 1.8.1970 den Dienst als technische
Lehrerin an der Mittelpunktschule auf.
Zum Turnhallenbau gab Samtgemeindedirektor Borchardt einen Bericht über den Stand der Verhandlungen
mit der Kreisverwaltung und der Regierung in Lüneburg. Dabei konnte er als erfreuliches
Ergebnis melden, daß die zur Finanzierung eingeplanten Bundesmittel in Höhe von 100000
DM endlich bereitgestellt werden. Die Bereitstellung dieser Mittel erfolgte, nachdem Samtgemeindedirektor
Borchardt und Oberkreisdirektor Paasche entsprechende Verhandlungen in Bonn geführt
haben…. Während z. Zt. 14 Klassen in 12 Räumen unterrichtet werden, müssen im kommenden
Schuljahr durch starkes Ansteigen der Schülerzahl 17 Klassen in diesen 12 Klassenräumen
beschult werden. Hinzu kommt noch, daß Aufenthaltsräume für die Fahrschüler und ein Musikraum
dringend benötigt werden…. Zum Schluß der Versammlung dankte Rektor Koch den Verbandsmitgliedern
für den Beschluß vom 9.2.1970 zur Beschaffung eines Großraumbusses für
die Mittelpunktschule. Durch diesen Bus, der bereits seit dem 6.8.1970 eingesetzt ist, wurde eine
wesentlich bessere Beförderungsmöglichkeit der Schulkinder geschaffen.“ 40
1970 besuchten 406 Schüler/innen aus 20 Ortschaften die Mittelpunktschule in Gartow:
Gartow = 95, Nienwalde = 32, Schnackenburg = 33, Gummern = 3, Kapern = 23, Holtorf = 29,
Restorf = 18, Pevestorf = 14, Brünkendorf = 15, Vietze = 32, Meetschow = 6, Laasche = 6, Gorleben
= 21, Trebel = 8, Nemitz = 2, Marleben = 7, Gedelitz = 13, Prezelle = 21 und Lomitz = 28. 41
„Am 15. November 1970 nimmt Frau Bärbel Saugier aus Avignon in Frankreich vorübergehend
ihren Dienst an der Mittelpunktschule auf. Ab 1. Dezember wird der Lehrer z.A. Hans Jürgen Bosselmann
aus dem Ort Schülern bei Soltau eine Planstelle an der Mittelpunktschule in Gartow
übernehmen. Herr Bosselmann ist Absolvent der Pädagogischen Hochschule in Lüneburg.“ Im
Schuljahr 1970/71 gab es 406 Schüler:
„Die Anmeldung der 1971 schulpflichtig werdenden Kinder findet am Donnerstag, dem 13. Mai
1971 von 8.15 - 12.00 Uhr in der Mittelpunktschule statt. Schulpflichtig sind alle Kinder, die bis
zum 30. Juni 1971 das 6. Lebensjahr vollenden. Alle Schulpflichtigen bitte ich bei der Anmeldung
vorzustellen. Geburtsurkunden, Tauf- und Impfscheine sind mitzubringen. Auf schriftlichen Antrag
der Erziehungsberechtigten können auch Kinder, die in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1971
das 6. Lebensjahr vollenden, in die Schule aufgenommen werden, wenn sie die für den Schulbesuch
erforderliche geistige und körperliche Reife besitzen. Vordrucke für den Antrag auf vorzeitige
Einschulung liegen in der Schule bereit. Die Termine für die Überprüfung der Schulreife und Untersuchung
durch den Amtsarzt werden bei der Anmeldung bekannt gegeben. H. Koch, Rektor.“ (42)
Die Grundschule in Gartow legte sich 2007 ein Logo in Form eines Piratenschiffes zu, um die
Verbundenheit zwischen Schule und Schülern zu demonstrieren. Im November 2008 übernahm
Mechthild Rehwinkel die Leitung der Grundschule, nachdem ihre Vorgängerin Elke Steiling in den
Ruhestand getreten war.
177
Realschule
Am 2. Mai 1946 ist in den Räumen des Reichsarbeitsdienstlagers,
das seinen Standort auf
dem heutigen Hamburger Feriendorf an der
Hahnenberger Straße hatte, eine Privat-Mittelschule
unter Leitung von Studienrat Lüders mit
drei Klassen begründet worden. 43
1957: Anmeldung zur Mittelschule Gartow
Zehn Jahre später erschienen u.a. auch diese Meldungen zur Gartower Schulgeschichte:
„Gartow. Die Mittelschule hatte die Eltern zur Entlassung der 10. Klasse im Hotel Deutsches Haus
eingeladen. Der Schülerchor sang: Wie schön leuchtet der Morgenstern von Bach. Der Sprechchor
der 9. Klasse unter Leitung von Fräulein von Hörsten deklamierte „Stufen“ von Hermann Hesse.
Rektor Pudelko wies auf die Bedeutung dieser Abschiedsstunde hin und ermunterte die Abschiednehmenden,
nicht auf der erreichten Stufe stehen zu bleiben. Der Vorsitzende des Elternbeirates,
Forstmeister Junack , überbrachte den Dank der Eltern an das Lehrerkollegium. Bei der Aushändigung
der Zeugnisse erhielten Richter, Schulz und Feld für besondere Leistung eine Anerkennung
von der Schule. Nachdem der Chor unter Leitung von Fräulein Judith Franke das ostpreußische
Volkslied: Es dunkelt schon in der Heide vorgetragen hatte, folgte ein Feierspiel der 9. Klasse: Das
Erbe von Margarete Seidat.“ 44
„Eine gut besuchte Elternversammlung fand in der Mittelschule statt. Rektor Pudelko gab einen
Bericht über das Schuljahr. Durch die Instandsetzung von zwei Zimmern wurde für weitere Räumlichkeit
gesorgt. Der Ausbau wird laufend fortgesetzt werden. Mit viel Mühe und Liebe wurde von
älteren Schulkindern eine Garten-Grünanlage geschaffen, die bei der Elternschaft große Beachtung
fand. Die Stellenbesetzung ist augenblicklich sehr günstig und erlaubt einen Lehrplan, bei
dem außer Nadelarbeit alle Fächer besetzt sind. Für die oberen Klassen werden nun auch Kurzschrift-
und Maschinenschreib-Unterricht erteilt. Seit dem Schülerhöchststand (206) ist die Schülerzahl
etwas zurückgegangen. Dies ist bedingt durch die Abwanderung von Vertriebenen und die
Aufnahme von sieben Schülern in die Oberschule Lüchow … Forstmeister Junack gab einen Bericht
über die Tätigkeit des Elternbeirates ... Er schlug die Gründung eines Elternvereins vor… Der
vorläufige Vorstand: 1. Vorsitzender Junack aus Gartow, 2. Vorsitzende Frau Hoins aus Meetschow,
Kassierer Höper und Schriftführer Hoffmann aus Gartow…“ 45
Die ehemalige Mittelschule (heute Elbtalschule) beging im Mai 2006 ihr 60 jähriges Bestehen:
„…Sie entstand als private Mittelschule, gegründet von Eltern ein Jahr nach Kriegsende. Ab Mai
1946 wurden die ersten 46 Schülerinnen und Schüler nach einer Prüfung in drei Klassen eingeschult.
Unterrichtet wurde in einer ehemaligen Baracke des Reichsarbeitsdienstes am Gartower
Ortsausgang in Richtung Trebel. Aus heutiger Sicht waren die Bedingungen eher gruselig: Es fehlte
an Lehr- und Lernmitteln, die Schüler mussten nicht nur ihren Stuhl sondern auch Holz für den
Kanonenofen mitbringen. 25 Mark Schulgeld waren fällig. Die Klassenzimmer waren überfüllt,
1949 wurden bereits 132 Kinder unterrichtet, 1953 waren es dann 207. In die Schule kam man
entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad … Als der Landkreis 1958 die Mittelschule als Schulträger
übernahm, spendierte er drei neue Ölöfen für die Baracke. Ein neues Gebäude für die Kreisrealschule,
die „Backstein-Schule“, wurde erst 1965 eingeweiht. Rüdiger Paschke, seit 1963 Lehrer
178
in Gartow und ab 1972 bis 1998 Rektor, gestand, dass er am neuen Ort die Sanddüne als „Freiluftklassenraum“
schon vermisste. Mit der Einführung der Orientierungsstufe 1978 kam auch die
Hauptschule zur Realschule. Seit 2004 ist die Orientierungsstufe wieder Geschichte. Seitdem ist
es auf dem Schulhof leerer geworden, im 60. Jahr ihres Bestehens besuchen noch 134 Schülerinnen
und Schüler die Elbtal-Schule…“ 46
Die heutige Realschule mit Hauptschulzweig und (damaliger) Orientierungsstufe wird von Rektor
Gerhard Sprockhoff geleitet. Seine Vorgänger waren Jan Hild und Rüdiger Paschke, Letzterer ist
am 12. Juni 2007 verstorben.
2009: Elbtalschule Gartow, Schulstr. 5 - 7
Szola Podstawowa-Elbtalschule
Die Elbtalschule Gartow pflegt eine Partnerschaft mit der Schule Szola Podstawowa in Dretyn in
Polen:
„Die partnerschaftlichen Verbindungen zwischen der Gartower Elbtalschule und Szkola Podstawowa
in Dretyn sind im Laufe der Jahre schon sehr eng geworden, vom 12. bis 18. September 2004
gab es bereits die achte Begegnung. In diesem Jahr reisten 13 Jungen und 10 Mädchen im Alter
von 12 bis 17 Jahren ins ehemalige Pommern. Als „Chefs de Mission“ wirkten wieder Hans-Jürgen
und Helga Bosselmann sowie Gerhard Sprockhoff, als Gast war einmal mehr Gartows ehemaliger
SG-Direktor Hans Borchardt dabei, um sich ein Bild vom Zustand der von ihm initiierten Partnerschaft
zu machen. Als Trumpf erwies sich wieder einmal Busfahrer Waldemar Kiszkiel, der als
gebürtiger Pole gute Dienste vor allem bei persönlichen Kontakten der Jugendlichen leistete.
Die rund 550 km lange Anreise war bei 2 Stunden Pause locker in weniger als 12 Stunden zu
schaffen, in Dretyn warteten bereits Direktor Ryckiewicz mit dem Dolmetscher-Ehepaar Waldemar
179
und Agnes Zwiewka und vielen Schülern auf die deutschen Gäste. Schnell wurde Quartier in ausgeräumten
Klassenzimmern sowie Lehrmittelräumen genommen, nach dem Abendessen in der
Schulküche stand allseits freudige Kontaktaufnahme bzw. Wiedersehensfreude an.
Nach der offiziellen Begrüßung am Montagmorgen im Rahmen eines „Appells“ nahm ein abwechslungsreiches
Programm seinen Lauf. Gemeinsamer Unterricht in Deutsch, Geografie, Mathematik
und Sport, viele Wettkämpfe bei Sport und Spiel und Besuche in drei weiteren Schulen der Region
gehörten ebenso dazu wie zwei Grillabende mit Lagerfeuer und natürlich zweimal die beliebten
Discoveranstaltungen. Ausflüge nach Miastko, zum Gestüt nach Bialy Bor, die Besichtigung des
Wasserkraftwerkes bei Zydowo sowie einer Bernsteinschleiferei, eine Tagesfahrt an die Ostsee
mit Baden bei bis zu 2 m hohen Wellen bleiben unvergessen. Und dann natürlich Swierzno: als
ehemaliger Ort Groß Schwiersen, der Geburtsort Hans Borchardts, der hier sein Elternhaus zeigte
und besuchte und aus seiner Kindheit im ehemaligen Pommernkreis Rummelsburg berichtete.
Am vorletzten Tag stand schließlich noch eine gemeinsame Umweltaktion in und um Dretyn auf
dem Plan. Die Woche verging wie im Fluge und schon stand am Sonnabend die Heimreise an. Die
Traurigkeit beim Abschied wird allerdings von der Freude auf das Wiedersehen überdeckt, denn
vom 11. - 17. September 2005 kommen die polnischen Gäste in den Samtgemeindebereich Gartow.“
47
Gründer Hans Borchardt, Kapern, Lehrer Hans-Jürgen Bosselmann und andere Mitglieder wie
auch die Gastfamilien tragen aktiv zum Gelingen der deutsch-polnischen Freundschaft bei. „Hans
Borchardt, Gartows ehemaliger SG-Direktor und in Pommern geboren, wird mit der Bilanz des
von ihm gegründeten Projektes zufrieden sein: Seit zehn Jahren bestehen die partnerschaftlichen
Beziehungen zwischen der Elbtalschule Gartow und der Zespol Szkol (Gesamtschule) in Dretyn
im heutigen Pomorskie. Anfang September wurden die guten Beziehungen durch den 12. Besuch
einer Schülergruppe aufgefrischt. Die Gartower Gäste kamen dieses Mal mit einem besonderen
Geschenk und überreichten dem polnischen Direktor Miroslaw Ryckiewicz ein Schild der Schulpartnerschaft,
dessen Gegenstück in Anwesenheit des Förderers Hermann Lang wenige Tage vor
der Abreise mit kleiner Zeremonie an der Elbtalschule angebracht worden ist. Und dann natürlich
Swierzno: als ehemaliger Ort Groß Schwiersen, der Geburtsort Hans Borchardts, der hier sein
Elternhaus zeigte, besuchte und aus seiner Kindheit berichtete.
Seit mehr als 10 Jahren besteht zwischen der Elbtalschule Gartow und der Gesamtschule Dretyn
in Polen eine Partnerschaft. Im Jahre 2008 waren Gartower Schüler zum 12. Mal in Dretyn zu
Besuch, betreut vom Schulleiter Gerhard Sprockhoff, der Lehrerin Angelika Krüger und den Organisatoren
Hans-Jürgen und Helga Bosselmann. 48
Zur deutschen Gruppe gehörten 13 Mädchen und 6 Jungen, die unter Leitung der Lehrkräfte Gerhard
Sprockhoff und Angelika Krüger sowie der Organisation Hans-Jürgen und Helga Bosselmann
standen. Nach der angenehmen Anreise von etwa 540 km kam man am Sonntag über Miastko
(früher Rummelsburg) in Dretyn (Treten) auf dem Schulhof an und wurde von den polnischen
Gastgeberfamilien erwartet. Freundlich begrüßt und herzlich aufgenommen fanden fast alle im
Schulort Dretyn ihre Unterkunft, wobei die große Spanne der Unterbringung vom eigenen Zimmer
bis zum Schlafplatz auf dem Sofa in der Stube reichte. Die beiden 12-jährigen Mädchen Hannah
Sander aus Gartow und Antonia Gebauer aus Prezelle-Siedlung waren zum ersten Mal dabei und
wohnten bei Natalia Wabik, 13 Jahre, in Okunino, einem kleinen Nachbarort mit nur etwa 15
Häusern und einem idyllisch gelegenen See. Trotz der räumlichen Trennung von der deutschen
Gruppe fühlten sich beide wie zu Hause und lernten in einem familiären Tagesausflug die fast 60
180
km entfernte Stadt Szczecinek (Neustettin) mit Hallenbad und Einkäufen kennen.
Johannes Gäde ist erfahrener Austauschschüler, er war bereits zum zweiten Mal in Polen und
seine Familie war schon mehrfach Gastgeber für polnische Schüler. Der 16-jährige aus Prezelle
wohnte beim gleichaltrigen Przemyslaw Miszalowski in Dretyn in einem von mehreren Wohnblocks
für 12 bzw. 18 Familien. Statt des komplizierten Vornamens sprach er seinen Freund wie ortsüblich
mit „Mischa“ an. Auffallend für ihn war, dass die Leute viel zu Fuß unterwegs sind und auch
lange Strecken gehen, die hierzulande per Fahrrad oder sogar mit dem Auto gefahren werden.
Abends traf sich die Dorfjugend am Ortsrand beim Lagerfeuer und improvisierte sogar eine kleine
Disco im Freien.
Was die Kosten dieser deutsch-polnischen Begegnung betrifft, ist festzustellen, dass die Teilnehmerbeiträge
nur etwa ein Drittel abdecken. Derartige Begegnungen sind nur durchführbar, weil Zuwendungen
über die Samtgemeinde Gartow sowie Mittel aus der Sparkassenstiftung für Jugend,
Bildung und Sport bereitgestellt wurden und private Förderer das Projekt großzügig unterstützen.
Das abwechselungsreiche Programm sah mehrere Unterrichtsbesuche und Ausflüge vor. So wurden
das Gestüt und Trainingszentrum in Bilay Bor (Baldenburg), das Ostseebad Darlowko (Rügenwaldemünde)
besucht und eine Tagesfahrt in die Kaschubei unternommen. In einer Gedenk- und
Begegnungsstätte konnte die Gruppe das mit 36,83 längste Brett der Welt bestaunen und die
Faszination des auf dem Kopf stehenden Hauses erleben, das beim Begehen bei allen zu einem
permanenten Schwindelgefühl führt.
Für die sprachliche Verständigung bei offiziellen Anlässen war Deutschlehrerin Anita Wierzchon
zuständig, die durch Irro-Busfahrer Waldemar Kieszkiel bestens unterstützt wurde. Im privaten
Bereich benutzte man Deutschbrocken, englische Vokabeln sowie Hände und Füße und verständigte
sich durchaus erfolgreich. Die Kontakte unter den Schülern waren von Anfang an gut und
führten zu herzlicher Verbundenheit. So nahm es kein Wunder, dass beim Abschied viele Tränen
flossen. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen ist aber gegeben, denn der kommissarische Schulleiter
Gerhard Sprockhoff hat die polnischen Gäste für die Woche vom 6. bis 12. September 2009 zum
nächsten Besuch in die Gartower Region eingeladen.
2005 und 2007 wurde die Elbtalschule als „Umweltschule in Europa“ ausgezeichnet , weil sich
Gartower Schülergruppen an Naturschutzprojekten beteiligt haben. Seit 2008 gibt es in der Elbtalschule
das Ganztagesangebot, d.h. nach Beendigung der vorgesehenen Unterrichtsstunden wird
eine Betreuung bis in die Nachmittagsstunden angeboten (Kurse: Basketball, Schwimmen, Reiten,
Jonglieren, Deutsch, Mathematik, Englisch, handwerkliche Tätigkeiten, Erste Hilfeausbildung, Theater
usw.). In jenem Jahr war auch die Zukunft der Elbtalschule gefährdet, weil gemäß Schulentwicklungsplan
„bei einigen (Denk-) Modellen der Schulstandort Gartow für den Sekundarbereich
I (Haupt- und Realschule) aufgegeben“ werden sollte. Grund der Veränderungen sind sinkende
Schülerzahlen und dadurch gestiegene Kosten für den Schulbetrieb. 49
Ambulante Pflege
Der Begriff „Ambulante Pflege“ existiert erst seit gut 20 Jahren; die Gemeindekrankenpflege („Gemeindeschwester“)
gibt es bereits viel früher. Von ihren Mutterhäusern (z.B. Henriettenstift Hannover)
wurden Krankenschwestern zum Einsatz in einzelnen Gemeinden entsandt. Ende des 20.
Jahrhunderts öffnete sich der „Markt“ für freiberuflich tätige Pflegekräfte oder Pflegeunternehmen.
181
Seit Februar 1931 sind in Gartow und Schnackenburg alle vier Wochen Mütterberatungsstunden
abgehalten worden, die Medizinalassessor Dr. med. Harneck und der Frauenverein Gartow durchführten.
Kostenlos wurden Mütter über die Pflege und Behandlung der Säuglinge und der Kinder
bis zum schulpflichtigen Alter beraten.
1990 gründete Frau Jacqueline Behrens, Nienwalde, die „Hauskrankenpflege und Seniorenbetreuung“
mit Niederlassungen in Gartow und Lüchow.
Seit 1996 gibt es in Gartow und Umgebung die Diakoniestation mit ambulanter Pflege:
„Der gute Ruf.“
Das DRK ist ebenfalls mit einem ambulanten Pflege- und Seniorenservice vertreten.
Arzt und Apotheke
Der Feldscher Johann Schmidt in Gartow wurde vom Haus Gartow besoldet und versorgte hierfür
die in der v. Bernstorffschen Gutswirtschaft tätigen Arbeitskräfte. 50
Das Haus Gartow war seit 1694 stets erfolgreich bemüht, zur medizinischen Grundversorgung im
Gartower Gebiet einen Arzt und einen Apotheker zu Niederlassung in Gartow zu bewegen. Damit
der Arzt seine Existenz behaupten konnte, erhielt dieser vom Haus Gartow einen Garantielohn
und mußte die Bediensteten des Hauses Gartow bevorzugt und weitgehend kostenfrei behandeln.
Die Medikamente für die Behandlung von Bediensteten wurden 1730 ebenfalls vom Haus Gartow
bezahlt. Nach Möglichkeit ließen sich die Mitglieder der Familie von Bernstorff nicht von einfachen
sondern studierten Ärzten behandeln. Daher sind stets Verträge mit Dannenberger Ärzten
abgeschlossen worden, die ebenfalls jährliche Garantiesummen erhielten und sich verpflichteten,
zur Behandlung in Gartow zu erscheinen. Von 1814 bis 1838 wohnte der studierte Landphysikus
G.F.W. Ellisen in Gartow, der Weg in das Schloß war daher nicht weit. Während der örtliche Arzt um
1750 jährlich vom Haus Gartow einen Festbetrag von 12 Rtlr. erhielt, stieg dieser 1812 auf 100
Rtlr. und 1876 auf 1200 Mark.
Mediziner in Gartow
Ärzte
vor 1838 Dr. med. Gerh. Friedr. Wilh. Ellissen, gestorben 1838
1838 - 1850 Dr. med. Münchmeyer, danach in Peine
1850 - 1860 Dr. med. Schmidt, ab 1860 in Buxtehude
1860 - 1863 Dr. med. Schering, ab 1863 in Schnackenburg, 1868 in Bodenteich
1862 - 1868 Dr. med. Köneke, ab 1868 in Berlin
1868 Dr. med. Köneke kam im Dezember 1868 von Berlin zurück, nahm seinen
Wohnsitz in Schnackenburg für Dr. med. Schering, der nach Bodenteich zog.
1868 Dr. med. Schröder
1876 - 1890 Dr. med. Heinrich Degenhard, danach in Lüchow, starb dort an Typhus
1890 - 1896 Dr. med. Max Schwabe, danach Kreispysikus in verschiedenen Orten
1896 - 1911 Dr. med. Ernst Röhrs, danach in Hamburg, verstorben 1934
1911 - 1936 Dr. med. Hans Fraesdorff, danach auf der Insel Borkum
1944 - 1979 Dr. med. Ernst-August Herbst
1945 - 1948 Dr. med. von Zimmermann
ab 1950 Dr. med. Jürgen Wolf
1953 - 1976 Dr. med. Gerhard Neuschulz
1977 - 1988 Dr. med. Klaus Laenge
182
1979 - 2004 Dr. med. Thomas Herbst
ab 1989 Dr. med. Jürgen Severin
2006 - 2008 Dr. med. Henning Wilhelm
ab 2009 Gemeinschaftspraxis Schweskau und Gartow
Dr. med. Kretschmer-Nowakowski, Gerda Scholz, Dr. med. Jonas Niemann,
Lars Kämpfer (Übernahme der Praxis Wilhelm als Zweitpraxis)
ab 2011 Dr. med. Jan Geldmacher
Zahnärzte
Dr. med. dent. Friedel Köster
Dentist Paul Tornow
1981 - 2009 Dr. med. dent. Jochen Herbst
ab 2009 Dr. med. dent. Bahram Shirkhani
ab 2013 Dr. med. dent. Katrin Schaal
Tierärzte
1912 - 1926 Dr. med. vet. Ketz
1926 - 1974 Paul Henning
ab 1974 Dr. med. vet. Matthias Herbst
ab 2008 Eva Maria von Tippelskirch
Seit 1739 ist in Gartow auch eine Apotheke präsent, deren Existenz wiederum der jeweilige Gartower
Arzt sicherte. Dort sind auch Essenzen zur Behandlung von Viehkrankheiten hergestellt
worden. Allerdings war die Apotheke Gartow nicht durchgehend besetzt, Vakanzzeiten entstanden
1741 - 74 und 1775 - 1801. Deshalb mußten 1750 der Apotheker Heller aus Lenzen oder aber die
Apotheker aus Lüchow und Dannenberg Medikamente liefern. 51
Am 2. Januar 1739 erhielt der Apotheker Johann Werner Müller vom Geheimrat von Bernstorff die
Konzession, in Gartow eine Apotheke zu betreiben, um Arzneien und Gewürzwaren zu verkaufen.
Seine Landapotheke existierte 2 Jahre.
Die Gartower Apotheke blieb nicht lange verwaist. Der Apothekergeselle Matthias Paxmann interessierte
sich für den Standort. Bevor er jedoch an die Übernahme denken konnte, forderten die
„Geheimbten Räthe“ des Königl. Großbrt. zur Churfürstlichen Braunscheigisch-Lüneburgischen
Regierung die Abnahme des Examens von dem Kandidaten. Nach bestandenem Examen erhielt
Matthias Paxmann die Konzession vom Freiherrn von Bernstorff. Es wurde eine jährliche Pachtsumme
von 8 Reichsthalern vereinbart. Lange hielt er es nicht aus in Gartow. Aus zeitgenössischen
Schriftwechseln geht hervor, dass Paxmann heimlich aus Gartow entwichen ist. Schuldenhalber
wurde die Apotheke in Zwangsbewirtschaftung genommen und geschlossen. Dieser Zustand hielt
bis 1774 an. Es fand sich kein Nachfolger.
Zu Johannis 1774 bat der Apotheker Johann Gottfried Paalzow um die Erlaubnis „eine offene zu
des hiesigen Orts und umliegender Gegend nutzen und Besten gereichende freie Apotheke zu
halten, daneben mit Gewürz und allen sonstigen Materialwaaren ohngehindert zu handeln …“ zu
dürfen. Auch Paalzow fand in Gartow kein wirtschaftliches Fortkommen und verließ den Ort schuldenhalber
nach einem Jahr.
Von 1775 bis 1801 blieb die Apotheke geschlossen.
183
Über Arendsee gelangte der Apothekergeselle Busso Harbord in den Flecken und begann mit Duldung
der hiesigen Beamten die Apotheke einzurichten. Da er sich aber nicht um die Genehmigung
der Regierung in Hannover bemüht hatte, untersagte man ihm bei Strafe den Betrieb. Harbord legt
vor dem Dannenberger Arzt und dem Apotheker sein Examen ab und erlangte die ersehnte Konzession,
allerdings nur für 3 Jahre. Danach wurde ein weiteres Examen fällig, denn man verlangte
von ihm, seine Kenntnisse in Chemie, Arzneiprüfung und Arzneimittelkunde zu vertiefen. Busso
Harbord erwarb in Gartow eine Bürgerstelle, etablierte sich und wurde sogar als Bürgermeister
gewählt. Als Harbord 1837 verstarb, wurde der Betrieb von seinem Stellvertreter Theodor Wolter
weitergeführt, der 1848 die Apotheke durch Kauf übernahm.
Nach dem Brand 1853 wurden Haus und die Apotheke in der Hauptstraße 18 neu errichtet. Noch
heute sind Teile dieser historischen Möbel in Gebrauch. Vor allem die alte Wand im Verkaufsraum
ist ein wichtiges Element im täglichen Betrieb. 1860 starb Wolter und hinterließ Frau und Kinder,
seine Witwe erbte Haus, Hof und Apotheke. 1862 heiratete der Apotheker Ludwig Zeddies die Witwe
Wolter und übernahm die Apotheke als Pächter bis 1868. Dann zog er mit Frau und Kindern
nach Kassel.
Im Mai 1868 bewarb sich der Pharmazeut Adolph Langemann um die Apotheke. Seine Nachfolge
trat am 1. Juni 1874 der „Candidat der Pharmacie“ Heinrich Ernst Hölty an. Da die Witwe Wolter,
verheiratete Zeddies, noch Eigentümerin der Apotheke war, schloß Hölty mit ihr einen Pachtvertrag
für 3 Jahre. Zur Verbesserung der Erwerbslage versah er neben dem Apothekendienst das
Amt des Fleischbeschauers in Gartow und der dazugehörenden Gutsgemeinde.
Als 1877 die Pachtzeit für Hölty ablief, übernahm der älteste Sohn der Witwe Wolter, Wilhelm Theodor
Wolter, die elterliche Apotheke. Er hatte in der Zwischenzeit seine Ausbildung zum Apotheker
abgeschlossen. Am 1. Juni 1877 begann sein Wirken in Gartow. Seit 1880 ist bezeugt, dass er
auch Lehrlinge ausbildete. Im Juni 1891 verkaufte Theodor Wolter die Apotheke an August la Rose
aus Celle. Er brachte einen reichen Erfahrungsschatz mit. August la Rose erwarb die Apotheke
plus Anwesen. Im September 1891 heiratete er die Försters-Tochter Ida Lauw aus Oerenburg.
Das Ehepaar la Rose bekam zwei Töchter: Elisabeth (geb. 1894) und Margarethe (geb. 1899). Am
23. März 1908 starb August la Rose 48jährig. Mehrere Verwalter lösten einander ab, bis mit dem
Schwiegersohn der Witwe Ida la Rose wieder Kontinuität in den Apothekenbetrieb kam. Herman
Thiele heiratete Elisabeth la Rose und übernahm, nach dem Studium der Pharmazie in Marburg,
am 1. April 1913 die Verwaltung der Apotheke und wurde 1914 ihr Besitzer.
Aus der Ehe mit Elisabeth gingen ebenfalls zwei Töchter hervor: Margarethe und Elisabeth.
Apotheker Thiele entwickelte sich dank seines Humors und Geselligkeitsdranges bald zu einem
Gartower Original. So soll es zu folgender Begebenheit gekommen sein:
Ende der zwanziger Jahre holte er sich in Lüchow von der Krankenkasse Rezepterstattungsgelder
ab. Auf der Rückfahrt mit dem Omnibus brachte er den Fahrer dazu, die Fahrt in Tobringen zu unterbrechen.
Der Bus hielt vor der Dorfgaststätte und Hermann Thiele verwendete die Rezepterstattungsgelder
für eine schnell improvisierte Feier. Die Stimmung soll außerordentlich gut gewesen
sein und der Bus traf erst mit mehrstündiger Verspätung in Gartow ein.
In Erinnerung geblieben ist er auch dank eines Heimatliedes, das er für den Schützenverein dichtete
und komponierte. Am 15. November 1952 starb Apotheker Thiele.
184
Die Nachfolge wurde von seinem Schwiegersohn Heinz Schulz angetreten, der seit 1947 mit Tochter
Margarethe verheiratet war. Da die Ehe kinderlos blieb, übertrug Heinz Schulz im Juni 1976
altershalber den Apothekenbetrieb an seinen Neffen Dieter Knabenschuh . In Gartow erinnert
man sich an einen lebenslustigen Apotheker, der Vorträge vor dem Kulturverein hielt, Ölbilder
malte und Bücher für Radwanderer schrieb. Von November 1988 bis 1991 war er Ratsherr in Gartow.
Im November 1998 starb Dieter Knabenschuh mit 55 Jahren. Mit ihm endete die 100jährige
Nachfolge der Familie la Rose, die auch der Apotheke ihren Namen „Rosen-Apotheke“ gab. Da es
keinen Nachfolger gab, übernahm die Verwaltung der Apotheke 1999 zunächst die Apothekerin
Steffens-Koll.
Im Jahr 2000 übernahm der Apotheker Helmut Krabusch Haus und Apotheke.
2009: Rosen-Apotheke Gartow, Hauptstr. 18
Bademutter/Hebamme in Gartow
1710/11: Eine Bademutter ohne Namensnennung, lebte damals im Haus von Henrich Brockhöfft.
Hebamme in Gartow:
„Wir gratulieren Frau Niemser in Gartow zum 35 jährigen Dienstjubiläum als Hebamme am 1. Juli
1956. Die als Flüchtling nach Gartow gekommene Hebamme ist trotz ihres Alters noch unermüdlich
tätig. Auf dem Fahrrad, das sie wieder benutzt, nachdem sie sich mit ihrem Moped nicht recht
anfreunden konnte, ist sie täglich zu wartenden Patienten unterwegs. Demnächst erreicht sie das
65. Lebensjahr und damit nach dem neuen Hebammengesetz Pensionsalter. Wenn es nach ihr
ginge, würde sie diese ihr liebgewordene Tätigkeit weitere Jahre ausüben.“ 52
185
Krankenverein
Bechthold von Bernstorff war Initiator zur Bildung eines „Kranken-Vereins für das Gericht Gartow“,
der am 24.3.1845 gegründet wurde und die Funktion einer Krankenkasse für die Arbeiterschaft
hatte. Der Verein hatte 1847 bereits 123 Mitglieder. Die finanziellen Belastungen erwiesen sich
für den Verein zu hoch, der Verein löste sich wieder auf. Bei der Neugründung am 16.10.1850
zahlte nun das Haus Gartow für jeden Arbeiter als Mitgliedsbeitrag einen Sockelbetrag und das
Mitglied einen geringen Anteil.
Obwohl das Haus Gartow für 46 Arbeiterfamilien die Beiträge zahlte, waren die Arzthonorare und
Apothekerkosten damit nicht zu decken. Der Verein löste sich wieder auf. 53/54/55
Krankenhäuser
Der Vorläufer eines Krankenhauses, das Hospital, war zwischen 1745 und 1747 in Gartow begründet
worden. Im zweistöckigen Haus waren damals insgesamt 27 Betten mit 37 Liegemöglichkeiten
in 12 Zimmern vorhanden. Als „Beth-Mutter“ und „Aufseherin“ im Hospital fungierte die Witwe
Worthmann, der der Küster Joh. Friedr. Lange ab 1760 als Verantwortlicher vorgesetzt wurde.
Das „Herrschaftliche Hospital“ befand sich auf der ehem. Elliesschen Bürgerstelle, die das Haus
Gartow erworben hatte. Zur Bürgerstelle bzw. zum Hospital gehörten ein kleiner Garten, Ländereien,
Anteil am Gemeindewald und die Braugerechtigkeit.
Aus den Einnahmen dieser Liegenschaften mussten Gemeinde- und Staatssteuern gezahlt werden,
die aber das Haus Gartow übernahm. Das Hospital befand sich 1888 im Haus Nr. 39.
Der jeweilige Gartower Pastor hielt zwei Mal in der Woche Betstunden im Hospital ab, es bestand
eine 36 Paragraphen umfassende Hausordnung, die recht religiös ausgeprägt war.
Der örtliche Arzt behandelte die Insassen kostenlos, berechnete jedoch Medikamente. Da das
Haus Gartow das Krankenhaus mit jährlich 500 Rtlr. finanzierte, wurden Bedienstete des Hauses
Gartow kostenfrei vom örtlichen Arzt behandelt. Der Arzt erhielt für seine Bemühungen im Krankenhaus
eine finanzielle Jahrespauschale.
Wann das Krankenhaus seinen Betrieb einstellte, ist nicht bekannt. Als das Hospital – nun auch
als Krankenhaus bezeichnet – in den Besitz von Emma von Bernstorff kam, bestimmte sie 1897
in ihrem Testament u.a.: „Das jetzt als Krankenhaus benutzte Haus Nr. 14 in Gartow mit dazugehörenden
Nebengebäuden und Garten hinter dem Hause … vermache ich meiner lieben Nichte
Gräfin Eleonora v. Bernstorff geb. v. Hohnhorst mit der Verpflichtung, daß sie dasselbe oder den
Mietsvertrag desselben in ähnlicher Weise wie bisher nur für Zwecke der Krankenpflege im Flecken
und den Dörfern des alten Gerichts Gartow verwende…“
Als Gräfin Emma am 27.6.1909 verstarb, ist in Verhandlungen erreicht worden, daß das Krankenhaus
nicht an Eleonora, sondern lt. Schenkungsurkunde vom 25.5.1911 an die Stiftung zum
heiligen Geist in Gartow fiel. Gleichzeitig sind das Emma von Bernstorff gehörende Kinder- und
Krankenpflegehaus Nr. 98 in Schnackenburg mit Grundbesitz ebenfalls an die Stiftung gefallen.
Das Gartower Krankenhaus (Hospital) sollte aus dem Zinsaufkommen des hinterlassenen Vermögens
finanziert werden. Aus den Zinsen eines weiteren Vermögens mußten „einige schwache Kinder
aus den Gemeinden des Alten Amts Gartow im Laufe des Sommers im hiesigen Krankenhaus
zeitweilig zur Stärkung ihrer Gesundheit verpflegt werden.“
186
Im Torhaus auf dem Schloßhof sollte 1891 weiterhin eine Tbc-Isolierstation eingerichtet werden.
Davon wurde jedoch Abstand genommen, stattdessen sind dort Pflegekräfte
untergebracht worden.
Es existierte noch ein weiteres Krankenhaus in Gartow:
Dieses Krankenhaus ist 1828 von Gräfin Thekla von Bernstorff gestiftet worden, es gehörte 1880
der Diakonisse Gräfin Elisabeth von Bernstorff. Weitere Gelder für das Krankenhaus stammten
aus der Steinbergschen Stiftung, die von Gräfin Elisabeth von Bernstorff verwaltet wurde. Das Gartower
Krankenhaus war keine staatliche, sondern eine private Institution. Emma von Bernstorff
leitete das Krankenhaus und ab 1887 Joachim von Bernstorff. Der Aufenthalt im Krankenhaus war
kostenpflichtig, Erwachsene zahlten um 1890 täglich 1,25 Mark, Kinder 75 Pfg. und Kleinkinder
50 Pfg. Es konnten verschiedene Pflegeklassen gewählt werden. 1880 waren 3 Plätze der 1. Klasse,
13 Plätze der 2. Klasse und 7 Kinderplätze vorhanden. Im Zeitraum von 1887 bis 1895 betrug
Gesamtzahl der Patienten jährlich 94 - 172 Personen. Obwohl 1896 die Schließung des Krankenhauses
bevorstand, gelang es zunächst, dieses zu erhalten. Später folgte die Finanzierung des
Krankenhausbetriebes von der Stiftung zum heiligen Geist in Gartow . Die Geschäftsführung hatte
inzwischen die gräfl. von Bernstorff`sche Registerkasse übernommen. Bis März 1936 existierte
das Krankenhaus noch. Wann und warum es aufgelöst wurde, ist z.Zt. ebenfalls nicht bekannt.
Das Krankenhaus-Gebäude befand sich auf dem Schlosshof im ehemaligen Amtshaus. 56/57/58
Weil um 1892 bereits Krankenhäuser in Dannenberg, Salzwedel, Seehausen und Arendsee existierten,
nahm die Belegung des Gartower Krankenhauses ab. Von den zwei Diakonissen aus dem
Henriettenstift Hannover mußte eine Gartow verlassen, ein Dienstmädchen war ebenso entbehrlich.
Andererseits gab es auch Bestrebungen, ein neues Krankenhaus zu erbauen, ein finanzieller
Grundstock bestand bereits.
Stiftung zum Heiligen Geist der Familien von Bülow und von Bernstorff
Auch die Familie von Bülow hat sich in sozialen Angelegenheiten betätigt. Andreas von Bülow
begründete 1556 die Stiftung „Zum Heiligen Geist“. Er hatte „beim Rath zu Salzwedel ein Capital
von 800 Florin mit der Bestimmung belegt, daß davon die jährlichen Zinsen an die Kirchen-Juraten
zu Gartow ausgeliefert werden sollen, die Befehl gehabt, solche auf keine andere Weise als zu
Gottes Ehren und Speisung und Kleidung etlicher armer Leute zu verwenden. Diese Zinsen nebst
anderen Revenuen (Einkünfte) sind dann auch alljährlich für Speisung und Kleidung armer Leute,
nämlich am Grünen Donnerstage, Michaelistage und auf Allerheiligen verwandt, wie ein altes
Rechnungsbuch von 1605 - 1624 ausweist. Bis 1721 sind die Einnahmen und Ausgaben in der
Gartower Kapellen-Rechnung, von da ab bis 1760 in der Gartower Kirchen-Rechnung berechnet,
darauf aber 1760 auf Verfügung des Herrn Landrat Freyherrn von Bernstorff von solchen separirt
und in eine besondere Rechnung gebracht worden…“
Bis zum Jahr 1794 war das Stiftungsvermögen trotz Zuwendungen an Arme auf 2476 Rtlr. angewachsen.
Im Jahre 1745 stiftete Charlotte Sophie von Bernstorff in Gartow ein Krankenhaus,
wobei das Bürgerhaus von Christian Ellies angekauft und für diesen Zweck hergerichtet wurde.
Das Krankenhaus-Stiftungsvermögen betrug 1768 genau 2120 Rtlr. Am 19. Februar 1771 stiftete
zusätzlich der Küster und gleichzeitiger Hospital-Schulmeister Johann Friedrich Lange ein
Kapital von 50 Rtlr. und am 10. Oktober 1777 laut Testament von Christiane Sophie von Jagow
weitere 100 Rtlr. Beide Stiftungen waren unter der Bezeichnung: „Heiligengeist-Stiftung“ zusammengefasst.
Bis zum Jahre 1863 war das Vermögen dieser kombinierten Stiftung auf 4817 Rtlr.
187
angestiegen. Ein Teil des Geldes war in Landesobligationen angelegt, einen Teil hatte sich Graf von
Bernstorff zu 3,5% Zinsen selbst angeliehen. Das Vermögen wurde später mit der „Mauchelschen
Obligation“ aus Schnackenburg gespeist. Mauchel war um 1817 Schiffsbauer und Halbbürger in
Schnackenburg. Neben den Zinseinnahmen, die im Jahre 1863 insgesamt 183 Rtlr. betrugen,
ergaben sich weitere Einnahmen aus verpachteten Ländereien der früheren Hausstelle von Christian
Ellies auf der sog. Himmelfahrtsweide, auf dem Serich, im Elsebusch und in der Buchhorst,
zusammen 19 Morgen. Diese Ländereien, aus der Verkoppelungsmasse stammend, waren 1852
der Bürgerstelle Ellies, später dem Hospital, zugewiesen worden. Jährlich kamen auf diese Weise
58 Rtlr. Einnahmen hinzu. Weitere 4 Rtlr. sind aus der Gartower Bürgerrechnung „alljährlich um
Advent an s.g. Kuhschneide-, Gras- und Hausgeld“ vereinnahmt worden. Mit diesen Einnahmen
haben 1863 26 sogenannte „Hospitalisen“, also unbemittelte Personen, Unterstützung erhalten.
Von den Einnahmen waren andererseits etliche Ausgaben zu tätigen, z.B. anteilig von der Bürgerstelle
Hospital Grundsteuer, Hauspacht, Kuhschneidegeld, Kirchenstandsgeld, Brandkassenbeitrag
und Heudienstgeld, Zuwendungen an den Pastor und Kantor und Unterstützungsgelder für
die Hospitalinsassen, die dort zeitweise über Monate oder gar Jahre im Hospitalgebäude wohnten.
Noch rüstige Personen erhielten eine Anerkennungsgebühr, wenn sie den Schloßhof sauber fegten.
Auch haben einige von ihnen in Gartenstücken Kartoffeln für das Hospital angebaut. Zusätzliche
Ausgaben fielen für die Bauunterhaltung an (Maurer, Zimmermann, Glaser, Schlosser) und die
Heizung und Beleuchtung. Zur Heizung sind jährlich 12 Faden Knüppel- und 16 Faden Stockholz
verbraucht worden.
Seit 1888 stand dem jeweiligen Besitzer des Hauses Gartow das uneingeschränkte Verwaltungsrecht
zu, die Stiftung zu führen. Ebenso stand seit jenem Zeitpunkt der Realgemeinde von Michaelis
(29.9.) bis zum 31. Mai ein Mithüterecht auf den zur Hospital-Bürgerstelle gehörenden
Acker- und Grünlandflächen zu.
Eine wesentliche Vermehrung erhielt die Stiftung am 25. Mai 1911 durch die großzügige Schenkung
der Gräfin Eleonore von Bernstorff geb. von Hohnhorst. Sie vermachte der Stiftung je ein
Grundstück in Gartow und Schnackenburg im Gesamtwert von damals 12750 Mark und dazu eine
Bargeldsumme in Höhe von 8000 Mark. Nach den Festlegungen der Gräfin diente „das Grundstück
in Gartow zu Zwecken der Krankenpflege in dem Flecken und den Dörfern des alten Amtes
Gartow, das Grundstück in Schnackenburg zu Zwecken der Kinder- und Krankenpflege in der Gemeinde
Schnackenburg“. Weiterhin war von ihr bestimmt worden: „Von den Zinsen eines Kapitals
von 5000 Mark sollen schwächliche Kinder aus den Gemeinden des alten Amtes Gartow im Krankenhause
zu Gartow im Sommer verpflegt werden“ und „Die Zinsen eines Kapitals von 3000 Mark
zum Besten der Kranken und Armen des alten Amtes Gartow verwendet werden“. An diese Schenkung
waren allerdings zwei Bedingungen geknüpft: ihre Bediensteten, der Diener Jochen Kruse
und Fräulein Marie Koch aus Gartow mußten im Bedarfsfall im Gartower Krankenhaus kostenlos
aufgenommen und verpflegt werden.
Mit der neuen Fassung der Stiftungssatzung vom 20.09.1966 ist eine Anpassung an die moderne
Gesetzgebung erfolgt, jedoch blieb die Zweckerfüllung erhalten. In Paragraph 2 wird hierzu ausgeführt:
„Ausschließlicher und unmittelbarer Zweck der Stiftung ist die Linderung der Not armer,
alter und kranker Menschen:
Ihrem ursprünglichen sozialen Zweck entsprechend, hat sich die Hilfe derselben zuerst an Bedienstete
oder ehemals Bedienstete der gräflich von Bernstorff`schen Guts- bzw. Forstverwaltung
zu richten, falls derartige Bedürftige nicht zu ermitteln sind, an Angehörige der Gemeinden Gartow,
Trebel, Prezelle und Rucksmoor.
188
Die Mittel sind ausschließlich und unmittelbar dazu bestimmt, „bedürftige“ Personen zu unterstützen,
die nicht nur vorübergehend, infolge ihrer körperlichen oder geistigen Gebrechen, auf die
Hilfe anderer Personen angewiesen, sowie Personen, deren Einkünfte nicht höher sind, als das
zweifache der Regelsätze oder Sozialhilfe, einschließlich der Mietbeihilfe, es sei denn, dass ihnen
nach dem Umständen zugemutet werden kann, ihr Vermögen zum Lebensunterhalt zu verwenden
und dieses Vermögen ausreicht, um ihre Lebenshaltung nachhaltig zu bessern.“
Und in Paragraph 5 wird konkretisiert: „Allgemeine Richtlinie für die Ausführung der Tätigkeit des
Vorstandes soll der Gedanke bleiben, daß auch in der Zeit eines sich ständig weiter entwickelnden
Sozialstaates das Denken für Zweck anderer, besonders in Not befindlicher Menschen, zu den
vornehmsten Pflichten eines jeden Bürgers gehört.
Inzwischen existiert die Stiftung nicht mehr, sie wurde laut Beschluß des Vorstandes vom 21.
August 1980 aufgehoben. Dieser war erst wirksam geworden, als die Bezirksregierung Lüneburg
als Aufsichtsbehörde am 1. Juli 1986 die Genehmigung dazu erteilte. Das Barvermögen floss dem
Johanniter-Altersheim in Dannenberg zu. Den Grundbesitz erwarb die Familie v. Bernstorff. Kuratoren
sind bis heute Johanniter-Ritter.
Senioren- und Pflegeheim
Die Anfänge des Heimes liegen in der unmittelbaren Nachkriegszeit, 1946 waren im Schloß Gartow,
welches zum Kreisaltersheim unfunktioniert wurde, 83 Personen untergebracht: Dieses
Altersheim wurde von Fräulein v. Bodelschwingh bis zum 1.4.1951 geleitet. Der Kreisausschuß
beschloss, mit Wirkung vom 1.4.1951 das Gartower Altersheim im Schloß auf den Kreis zu übernehmen.
Ein Teil der im Altersheim Meudelfitz Untergebrachten sollte nach Gartow verlegt werden.
Die bisherige Leiterin des Gartower Altersheimes, Fräulein v. Bodelschwingh, übernahm außerhalb
des Landkreises andere Aufgaben. Nach diesem Zeitpunkt übernahm der Landkreis die Trägerschaft
für das Heim. Oberschwester Charlotte Biebricher leitete das Heim bis Dezember 1953,
danach der Diakon Dietrich Heidemann.
Wie berereits zu anderen Zeitabschnitten berichtet Wilhelm Tege auch über das Gartower Altenheim:
XVIII. Folge
Wie kam es zu dem heutigen modernen Altenheim in Gartow?
Im Mai 1945 war unser Gartow in einem bösen Zustand. Fast ein Drittel des Ortes war von den
Engländern besetzt und beschlagnahmt; dazu die erdrückende Zahl der Evakuierten und Flüchtlinge.
Es war wirklich eine große Notzeit. Man wußte nicht wie man die Menschen alle unterbringen
sollte, man wußte oft auch nicht wie man sie satt kriegen sollte.
Im Schloß hatten die Engländer eine Unteroffizierschule eingerichtet und alle Räume belegt. Dazu
hatten sie viele Häuser beschlagnahmt oder sonstige Belegungen vorgenommen. Das änderte
sich erst ganz allmählich. Ab Februar 1946 belegten sie nochmal das ehem. RAD-Lager, das zwischendurch
als Flüchtlingsunterkunft und vom Oktober 1945 bis Februar 1946 als Flüchtlings-
Durchgangslager gedient hatte. 1947 räumten die Engländer schließlich auch das gräfliche
Schloß. Nachdem sie abgezogen waren sollte das Schloß zunächst zu Wohnungen ausgebaut
werden. Aber schnell zeigte sich, daß ein Umbau zu Wohnungen kaum durchführbar war, weil
die notwendigen Kochgelegenheiten nicht zu schaffen waren. Hierfür fehlte es damals sowohl an
Materialien wie an Mitteln. Dann war plötzlich das Wort „Altersheim“ zu hören. Bald kam es dann
auch zur Einrichtung eines Altesheimes unter Leitung von Fräulein von Bodelschwingh in Verbindung
mit den Bethelschen Anstalten.
189
Wegen Personalschwierigkeiten konnte das Heim in dieser Verbindung nicht sehr lange aufrechterhalten
werden. Der Oberkreisdirektor sorgte damals sehr für die Erhaltung des Heimes und
erreichte, daß es vom Kreis als Kreis-Altersheim angepachtet und übernommen wurde. Mit dieser
Maßnahme schuf der Kreis damals das eigentliche Fundament für das heutige Altenheim
Gartow. Bis 1968 haben Herr Heidemann und seine Frau das Heim geleitet und für den Kreis
verwaltet. Mit den Jahren und den eingetretenen veränderten Verhältnissen traten in dem alten
und holzreichen Schloßgebäude Mängel und Gefahren auf, die es ratsam und sogar erforderlich
erscheinen ließen, das Altersheim anderweitig unterzubringen. In Angst und Schrecken brachte
allein der Gedanke eines Feuerausbruches viele Jahre die Verantwortlichen. Wie hätte man die
alten Menschen bei einem etwaigen Brand des Haupttreppenhauses über die kleinen Neben- und
Wendeltreppen überhaupt noch lebend retten sollen? Es war nicht auszudenken wie schrecklich
ein solcher Brand hätte werden können. Da die gräfliche Familie zudem die Räume des Schlosses
gern wieder in eigene Benutzung nehmen wollte, kündigte sie das Mietverhältnis mit dem Kreis
Anfang der sechziger Jahre auf.
Damit setzte aber auch sofort der Kampf um das Kreis-Altersheim im Kreistag ein. Neben Gartow
wollten auch andere Orte das Heim unter ihre Fittiche nehmen. Aber wo sollte es überhaupt gebaut
werden können? Selbst in Gartow gab es sehr viele Meinungen dazu. Die Buchhorst, am Hamburger
Bahnhof, Hahnenberge waren im Gespräch. Die Frage löste sich ganz einfach dadurch, daß die
gräfliche Familie das Gelände in genügender Größe, dort wo es heute steht, an der Hahnenberger
Str. kostenlos zur Verfügung stellte. Das tiefliegende Gelände stellte an die Erbauer zwar gewisse
Probleme, die aber bei den Möglichkeiten der modernen Technik gut gelöst und überwunden
wurden. Das Heim ist mit allem erdenklichen Komfort erbaut und eingerichtet. Als erstes Haus in
Gartow besitzt es auch einen Fahrstuhl, der selbst Menschen mit einem Rollstuhl befördert. Für
die alten Insassen ist das Haus eine sehr segensreiche Einrichtung geworden. Es liegt nur knapp
180 m von der Post, als Ortsmitte gesehen, entfernt ab. Ein bißchen abseits und doch nicht so
völlig abgesondert, um nicht den Tagesablauf in unserem Ort beobachten zu können. Genau das
wird damit erfüllt, was die alten Menschen gern haben, nämlich: am täglichen Leben teilhaben zu
können. Aber was für Mühe kostete es und wie viel Schwierigkeiten waren zu überwinden, um es
zu diesem modernen Altenheim in Gartow kommen zu lassen. Viel Ärger haben unsere Vertreter
im Kreistag gehabt. Mit ganzem Herzen mußten sie sich für die Gartower Sache einsetzen, um die
vielen Widerstände zu überwinden.
Unser Bürgermeister und seine Freunde aus der Ecke „hinter den Tannen“ setzten sich zu ihrer
eigenen und unser aller Freude mit ihrem eisernen Willen schließlich doch durch, Wilhelm Kraasmann,
Adolf Hennings – Meetschow und nicht zuletzt Dr. von Oppen, als M.d.L. (Mitglied des Landtages)
waren die Männer, die unseren Bgm. Henning tüchtig und erfolgreich unterstützen. Auch
Oberbaurat Quis hatte sich rührig für den Bau in Gartow eingesetzt, wie auch Herr Architekt Pompl
sich größte Mühe und Arbeit machte, um diesen modernen Bau in Gartow entstehen zu lassen.
Diesem Zusammenwirken mit erfolgreichem Abschluß hat Gartow das schöne Altenheim zu verdanken!
Heute ist das Haus laufend voll belegt. Die Bewirtschaftung hat das DRK übernommen
und die örtliche Leitung Frau Behrend – einer Berliner Krankenschwester – übertragen. Sehr unterstützt
wird Frau Behrend von ihrem Ehemann und der Tochter von Erwin Tege – Frau Matzek
– als Wirtschafterin. Diese sorgt mit ihren Hilfskräften für das leibliche Wohl aller Insassen. Das
Heim erfordert, mit seiner Pflegestation, insgesamt die Beschäftigung von 18 Menschen, um allem
und allen gerecht werden zu können. So ist das DRK-Altenheim schon ein beachtlicher Faktor
im Gartower Leben geworden. Zu den heutigen 65 Betten kann jederzeit ein Flügelbau mit weite-
190
ren 30 - 35 Betten für eine Erweiterung sorgen, wenn der Bedarf es erfordert und die Baumittel
zur Verfügung stehen. Die Heimleitung wünscht sich den Anbau schon heute; ob und wann der
Wunsch Erfüllung werden wird?
Ganz Gartow erhofft es, für die Ruhe und Geborgenheit suchenden alten Mitmenschen, wie auch
die aktive Heimleitung und auch für die Gemeinde selber. Zur Erleichterung des Zuganges der Altenheim-Bewohner
hat die Gemeinde 1970 bereits einen gefahrlosen Gehsteig vom Heim an den
Ortskern heran geschaffen. Sie wird noch in diesem Jahr durch einen Gehsteig auf der Gegenseite
der gefährlichen Kurve der B 493 für eine weitere Entschärfung dieser Gefahrenquelle sorgen.
Für unsere alten Mitmenschen im Heim ist dasselbe, auch wenn sie aus anderen Heimatgebieten
stammen, zu einem Ruheort geworden, in dem sie kein Heimatweh mehr empfinden. Und für die
Männer, die sich vor Jahren für den Bau in Gartow einsetzten, ist die Entwicklung des Heimes zur
verständlichen Genugtuung für gehabte Sorgen und Mühen geworden.
Seit Anfang 2007 sind in dem Senioren- und Pflegeheim unter anderem diverse Pflege-Qualitätsstandards
neu definiert worden. Die Heimleitung sowie die insgesamt gut 50 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter haben interne Fortbildungsveranstaltungen besucht. Das Ganze werde seitdem
fleißig in die Praxis umgesetzt, berichtet Bernd-Michael Kessel: „Es ist gewährleistet, dass unsere
Bewohnerinnen und Bewohner nach den aktuellen Pflegerichtlinien und -standards noch besser
versorgt und betreut werden.“ Jede Pflegetätigkeit werde nun auch dokumentiert und nachweisbar
mittels EDV archiviert.
In dem Gartower Senioren- und Pflegeheim des Roten Kreuzes wohnen derzeit 73 Menschen in
41 Einzel- und 16 Doppelzimmern. Die Zeiten der Dreibett-Zimmer sind seit einigen Monaten der
redensartliche Schnee von gestern. „Seit vielen Jahren ist das Haus mal wieder voll ausgelastet“,
freut sich Heimleiter Kessel. Die Bewohner profitieren zweifelsohne von der Mitarbeiter-Schulung
etwa auf der Grundlage nationaler Expertenstandards in der Pflege. In der Fortbildung durch eine
Firma aus Hannover ging es beispielsweise um den sogenannten Pflege-Knigge, in dem die Beziehung
zwischen Heimmitarbeitern und -bewohnern eine wesentliche Rolle spielt. Bernd-Michael
Kessel spricht von einer damit verbundenen Verbesserung der Servicequalität.
Etwa 80 Prozent aller Bewohner kommen laut Heimleiter aus dem Gartower Samtgemeindebereich.
Die Größe des Hauses sie für Gartow gerade die richtige. Im Moment lege man Wert darauf,
alle Zimmer herzurichten, sagt Kessel. Es müssen zum Beispiel noch diverse Kabel verlegt werden.
In über 50 Prozent der Zimmer sind die Arbeiten abgeschlossen.
2007 wurde es Zeit, die Einrichtung zu modernisieren:
„ab Gartow. Den Pflegedienst im Haus weiter verbessern, den Bewohnern den höchstmöglichen
Pflege- und Wohnkomfort bieten. Unter anderem das ist es, was Bernd-Michael Kessel am Herzen
liegt. Kessel ist seit September 2005 Leiter des DRK-Senioren- und Pflegeheimes Gartow. In der
Einrichtung hat sich viel getan: Vom Träger, dem Lüchow-Dannenberger DRK-Kreisverband, sind
in den vergangenen drei Jahren insgesamt gut 350.000 Euro in das Haus an der Hahnenberger
Straße zum Beispiel für Bau- und Umbaumaßnahmen investiert worden. Man sei auf dem richtigen
Weg, ist Kessel überzeugt. Die Zeiten, in denen Veränderungen zwar geplant, jedoch nicht
realisiert worden seien, „gehören der Vergangenheit an“.
Im März 2007 war im Senioren- und Pflegeheim der zweite Bauabschnitt in Angriff genommen
worden – die Deckensanierung und das ebenso umfangreiche Renovieren der Flure. „Der Speisesaal
und die Flure haben eine neue Deckenverkleidung und neue Beleuchtung erhalten“, ist vom
191
Heimleiter zu hören. Ende dieser Baumaßnahme: im Mai 2007. Anschließend erhielten die Flure in
den einzelnen Wohnbereichen neuen Glanz durch Farbe. Der Speisesaal wurde adäquat gedämmt
und in warmen Tönen gestaltet. Der Eingangsbereich des Heimes ist ebenfalls saniert worden.
„Die Einrichtung“, so Kessel, „sieht nun sehr freundlich und einladend aus“. Die Gesamtkosten
der zuvor genannten Baumaßnahmen belaufen sich auf rund 165.000 Euro. Im August erhielten
die nun ebenfalls in neuem Glanz erstrahlenden Bewohnerzimmer für etwa 55.000 Euro neues
Mobiliar: 55 bedienerfreundliche Pflegebetten sowie neue Schränke und Tische. Und was ist für
die nähere Zukunft geplant? „Da das Heim ein altes Haus ist, muss sicher über ein neues Dach
und die Erneuerung der Fahrstühle nachgedacht werden“, antwortet Bernd-Michael Kessel.“ 59
Stellvertretend für alle übrigen Heimbewohner mag hier der Lebenslauf von Albert Witt geschildert
werden, der am 16. Januar 2009 hundert Jahre alt wurde:
„tj Gartow. Respekt im Umgang mit anderen – das ist ein wichtiger Faktor, der das ganze Leben
von Albert Witt bestimmt hat. Vielleicht sind Ort und Zeit seiner Geburt ein Stück weit dafür verantwortlich,
denn Albert Witt wurde in Marienwerder in Ostpreußen geboren. Und zwar heute vor genau
100 Jahren, am 16. Januar 1909. Den größeren Teil des außergewöhnlichen langen Lebens,
auf das der Jubilar am heutigen Freitag zurückblicken kann, hat Albert Witt aber weit westlich von
seiner preußischen Heimat verbracht, nämlich im Landkreis Lüchow-Dannenberg, genau gesagt
in Weitsche.
Schon früh hatte Albert Witt, der zunächst das Gymnasium besuchte, nach dem Tod seines Vaters
den elterlichen Hof in Ostpreußen führen müssen – einen mit 80 Hektar für damalige Verhältnisse
großen Betrieb. 1941 wurde er dann in die Wehrmacht eingezogen und bei Stalingrad verwundet
– so dass er andernorts in einem Lazarett lag, als der Kessel geschlossen wurde. Später war Witt
in Frankreich eingesetzt. Auf dem Hof der Eltern von Volker Voss in Weitsche fand er eine Anstellung,
als er 1946 nach der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft auf der Suche
nach seiner Mutter und deren Schwestern in den hiesigen Landkreis kam. „Er hat meinen Mann
mit groß gemacht“, sagt Elke Voss über den Jubilar, und „er hat unsere Kinder mit groß gemacht.
Unser Verhältnis, das ist bis heute familiär“. Dem Hof in Weitsche sei Albert Witt sein Leben lang
verbunden geblieben, berichtet Volker Voss, daran habe sich nichts geändert, nachdem der unverheiratete
Jubilar 1975 in Rente gegangen war. Mit der Arbeit auf dem Hof sei damals aber nicht
Schluss gewesen. Bis Albert Witt 85 Jahre alt war, habe er sich selbstständig immer etwas zu tun
gesucht.
Mit einer Erinnerung belegt sei, wie wichtig Albert Witt der respektvolle Umfang mit anderen Menschen
gewesen ist: Am Tage der Konfirmation ihrer Kinder habe Albert Witt begonnen, diese zu
siezen, berichtet Elke Voss. Und erinnert sich an eine andere Seite des Wesens des Jubilars, seine
Tierliebe: „Manchmal hat er den Inhalt einer Fünf-Liter-Milchkanne an die Katzen verfüttert.“ Auch
andere Tiere habe er immer gut behandelt. Immer wichtig gewesen sei dem Jubilar auch gute
Kleidung – „in keinem Fall von der Stange“ habe die sein dürfen, sagt Elke Voss. Auf dem Hof Voss
war Albert Witt seit 1946 in leitender Stellung tätig – seine Lebensgeschichte hatte die Voraussetzungen
dafür geschaffen.
Nach der Pensionierung habe der 100-Jährige noch rund 30 Jahre in einer Altenteiler-Wohnung
gelebt. Erst 2006 sei er in das DRK-Seniorenheim in Gartow gezogen.Trotz der vielen Arbeit habe
Albert Witt auch immer Zeit für private Interessen gefunden, erinnert sich das Ehepaar Voss an
die vielen Jahrzehnte, die der Jubilar auf dem Hof gelebt hat. Alte Kulturen hätten ihn besonders
fasziniert, für die südamerikanischen Maya etwa sei Witt Experte gewesen. Briefmarkensammeln
192
war ein weiteres Hobby, und im TV verfolgte er intensiv das Sportgeschehen. Und im Urlaub ist Albert
Witt viel gereist – allerdings nie in seine frühere Heimat. Von dem früheren Hof seiner Familie
habe er sich aber ausführlich berichten lassen, nachdem das Ehepaar Voss dort zu Besuch war.
Zu seinem heutigen Ehrentag erwartet Albert Witt Gäste aus dem Kreis der Familie, Nichten und
Neffen, die in Schleswig-Holstein und Hamburg leben, und auch Elke und Volker Voss sind dabei.
Angekündigt hat sich auch Gartows Gemeindebürgermeister Hans-Udo Maury, der den Jubilar
ehren wird.“ 60
2015: DRK Senioren- und Pflegeheim Gartow
Im August 2008 beging das Senioren- und Pflegeheim Gartow sein 40jähriges Bestehen mit einem
Sommerfest:
„Bei üppigem Programm war es eigentlich unmöglich, nicht in Feierlaune zu kommen. Die Seniorinnen
und Senioren und ihre Gäste jedenfalls genossen den Tag von Beginn an. Das Organisatorenteam
um Heimleiter Bernd-Michael Kessel hatte mit der Programmauswahl den Geschmack
der Anwesenden getroffen. Wiederholter Beifall für die Künstler machte das deutlich – im Gartower
DRK-Senioren- und Pflegeheim, in dem am Sonnabend ein Sommerfest gefeiert wurde, und
das vor einem ganz besonderen Hintergrund: Die Einrichtung gibt es seit nunmehr 40 Jahren.
Glückwünsche und lobende Worte kamen von DRK-Kreisgeschäftsführer Matthias Hanelt. In dem
Haus habe sich seit seiner Öffnung viel getan, „baulich wie inhaltlich“. Es habe sich zum Wohl
der Bewohner kontinuierlich weiterentwickelt. Das von Ilka Wagener geleitete Cello-Quartett der
Musikschule machte in Sachen Unterhaltung den Anfang, und beispielsweise auch der Gartower
Männerchor, unter Mitwirkung des Männerchores Lüchow und von Horst Sielaff geleitet, das Duo
„Herzblatt“ und die „Wendland Dancers“ trugen zum Erfolg des Sommerfestes bei. Zahlreiche
Besucher nutzten zudem die Möglichkeit, hinter die Kulissen des Hauses und dessen Strukturen
zu schauen.“ 61
193
Quellen und Literatur
1. Wehde, E.: „Die Herrschaft Gartow unter dem Johanniterorden“ in: Gartower Heimatbote
August 1923
2. Kayser, Karl: „Die reformatorischen Kirchenvisitationen in den welfischen Landen 1542 -
1544“, Göttingen 1897, S. 542 - 543
3. Lange, Bernhard: „Die General-Kirchenvisitation im Fürstentum Lüneburg 1568“ in: Jahrbuch
der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte, 58. Bd., Blomberg/Lippe
1960, S. 41 - 80
4. Thoböll, Christoph: „Das Kirchenpatronat im deutschen Luthertum des 17. Jahrhunderts,
dargestellt am Beispiel des Patronatswechsels in Gartow im Jahre 1694“, Göttingen 1994
5. GR 1715/16, S. 487 - 488
6. Anonym: „Aufruf des Landeskirchentages betr. Aufhebung von Kirchenstuhlrechten“ in :
Heimatbote Gartow vom Juni 1934, S. 35
7. /
8. G 8 Nr. 18 „Diverse Gutsangelegenheiten 1856 - 1869“
G 8 Nr. 14 „Gutsgemeinde Gartow betr. 1850 - 1874“
9. Aus dem Bericht des Superintendenten über die kirchlichen und sittlichen Zustände im
Bezirk auf der Synode am 28.8.1919 in: Heimatbote Gartow November 1919
10. Gartower Heimatbote Juni 1923
11. Gartower Heimatbote September 1925
12. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.12.2007
13. Nieders. Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,
Referat 306, Hannover 2008, S. 29
14. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 21.6.2008
15. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 31.5.2008
16. GR 1813/14, S. 369
17. /
18. GR 1710/11, S. 473 - 474, GR 1813/14, S. 542
19. 19. A 8 Nr. 1 „Gartower Kirchenrechnungen von Advent 1775 bis Advent 1778“
20. Pastor Umland: „Wenn die Gartower Kirchenmauern erzählen könnten“ in: Heimatbote
Gartow, Januar - Mai 1925
21. Meyer, Philipp: „Die Pastoren der Landeskirchen Hannovers und Schaumburg-Lippes seit
der Reformation“, Göttingen 1941, 1. Bd. S. 303 - 304
22. Thoböll, Christoph: „Das Kirchenpatronat im deutschen Luthertum des 17. Jahrhunderts,
dargestellt am Beispiel des Patronatwechsels in Gartow im Jahre 1694“, Göttingen 1994
Conze, Eckart: „Von deutschem Adel. Die Grafen von Bernstorff im 20. Jahrhundert“,
Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart/München 2000, S. 109 - 113, 121 - 129; ders.: „Ritter,
Gutsbesitzer und Forstunternehmer“ in: 15. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises
Lüchow-Dannenberg, Lüchow 2001, S. 77 - 94, bes. S. 85
23. Gartower Heimatbote Februar 1930
24. G 7 Nr. 22 „Acte betr. den Rezess vom 1./7. Juli 1850 wegen kirchlicher Aufsichtsrechte
1887 - 1953“
25. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 30.3.2009
26. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 14.6.2007
27. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.4.2009
28. A 20 Nr. 3 „Küster und Schulmeister Bernhard Marwede Gehalt 1694 seq.“
29. Des Hauses Geld- und Korn-Register vom 1. May 1699 biß 1. May 1700, S. 560, 865
30. Sign.F 1 Nr. 1 „Flecken Gartow. An das Cantorat und die Schule zu Gartow“
194
31. Sign. F 1 Nr. 2 „Kirchen- und Schulsachen von Gartow und Meetschow 1812, 1813“
32. F 7 Nr. 6 „Bericht über die Verfassung und Verhältnisse der Schulen in der Parochie Gartow…“
von Prediger Levin Karl Hölty vom 26.10.1821
33. Sign. F 1 Nr. 7 „Diverse Kirchen-, Pfarr- und Schulsachen im Allgemeinen 1841 - 57“
34. /
35. Sign. F 1 Nr. 8 „Acta das Volksschulwesen betr. 1850“
36. /
37. Heimatmuseum Vietze: „Nachrichten über die Schulen zu Gartow“, erstellt von den Lehrern
Rudolf Haberland und Walter Wehmeyer; Laue, Heinrich: „Die Schulgeschichte unserer
Heimat“ in: Das Jeetzelschiff vom 5.12.1950, 16./17.12.1950, 25.1.1951, 8.2.1951 ff. und
4.10.1956 (Gartow)
38. v. Bernstorff, Clara: „Die Wanderhaushaltungsschule“ in: Heimatbote Gartow, September
1930, S. 71 sowie Mai 1931, S. 39
39. Neue Jeetzel-Zeitung vom 29.3.1956
40. Gartower Heimatbote vom 22.10.1970
41. Gartower Heimatbote vom 12.11.1970
42. Gartower Heimatbote vom 13.5.1971
43. Amt für Arbeitsleistung: „Das Werk des Reichsarbeitsdienstes in den Haushaltsjahren 1935
und 1936“, Heidelberg/Berlin 1937, Niedersachsen: S. 73 - 96
44. Neue Jeetzel-Zeitung vom 28.3.1956
45. Neue Jeetzel-Zeitung vom 19.5.1956
46. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.5.2006
47. Samtgemeinde-Bote Gartow von Dezember 2004
48. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 20.9.2008
49. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 10.10.2008
50. GR 1696/97, S. 389
51. Puffahrt, Otto: „250 Jahre Apotheke Gartow 1739 - 1989“, Gartow 1989
52. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 30.6.1956
53. /
54. /
55. G 23 Nr. 3 „Acten einen Kranken-Verein von 1845 - 48 betr.“
G 23 Nr. 5 „Die Einrichtung eines Krankenvereins im Okt. 1850“
Puffahrt, Otto: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff in und
um Gartow“, Gartow 1994, S. 280 - 286
56. /
57. /
58. G 23 Nr. 3 „Acten eines Kranken-Vereins von 1845 - 48 betr.“
G 23 Nr. 5 „Die Einrichtung eines Krankenvereins im Okt. 1850“
Puffahrt, Otto: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff in und
um Gartow“, Gartow 1994, S. 280 - 286
59. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 21.2.2008
60. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 16.1.2009
61. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.8.2008
195
Um 1600: Herzogtum Lüneburg und die Grafschaft Dannenberg
196
Gartows Entwicklung bis zur Aufhebung der Gerichtsverwaltung
1850
Eine sicher datierte Urkunde zur Ortsgründung von Gartow existiert nicht. Allgemein wird die Nennung
von Conradus de Gartowe, der als Zeuge in einer Urkunde vom 6. November 1225 erwähnt
wird, als Indiz für das Vorhandensein zumindest eines Wohnsitzes des Conradus in Gartow angenommen;
zumal er sich „de“, also von oder aus Gartow stammend bezeichnet. Eine Siedlung muß
zu jenem Zeitpunkt nicht zwingend existiert haben, hat aber mit großer Wahrscheinlichkeit bestanden.
Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht möglich, ein exaktes Datum der Ersterwähnung
des Ortes Gartow festzulegen. So muß die Jahreszahl 1225 vorläufig mit den damit verbundenen
Unsicherheiten weiterhin die erste Erwähnung Gartows repräsentieren. 1
In der Urkunde von 1225 bestätigten die Markgrafen Johann und Otto dem Kloster Arendsee und
erweitern dessen Besitzungen um zwei Hufen…“
Unkommentiert und nur nachrichtlich mitgeteilt wird ein Passus aus der Chronik von Kloetze/
Altmark, in dem in einer Fußnote die Herren von Gartow erwähnt werden:
„1.) Gartow befand sich seit etwa 1250 unter lüneburgischer Hoheit im Besitze der „Herren von
Ghartowe“, aus dem Rheinischen stammend, die 1344 auch das Schloß Cloetze innehatten. Den
„van Badendike“ flossen die Einnahmen der Klöster Dambeck, Diestorf und Ebstorf zu. Auch diese
Familie stammt aus dem Rheinischen. Sie besaßen auch das magdeburgische Oebisfelde (Ostfelde)
als Pfandlehen“. 2
Ohne Begründung der Burg an der von der Natur vorgegebenen und den Menschen nutzbar gemachten,
strategischen, machtpolitischen Lage durch die Herren von Gartow wäre der Ort Gartow
vermutlich nicht entstanden. Die Wasserburg Gartow sowie der kontrollierbare Seegeübergang
hatten im Mittelalter so viel Bedeutung, daß beide eine zunächst kleine aber dann umfangreichere
Ortssiedlung Gartow nach sich zogen. Wie sich das Gemeinwesen und die bauliche Entwicklung in
den Anfängen gestaltet haben, bleibt im Dunkel der Geschichte. Auch von der Fortentwicklung der
anschließenden Jahrhunderte ist so gut wie nichts überliefert, auch nichts davon, ob es eine gemeindliche
Selbstverwaltung oder eine vom örtlichen Adel fremdbestimmte Verwaltung gegeben
hat. Immerhin steht fest, daß Gartow als Gemeinwesen stets der Überwachung, wenn nicht gar
einer willkürlichen Lenkung der jeweiligen Burginhaber unterlag. Als Durchgangs- und Marktort,
ebenso als adeliger Gerichtsstandort, erlangte Gartow eine die umgebenden Dörfer überflügelnde
lokale Bedeutung. Nur Schnackenburg als wichtige herrschaftliche Elbzollstätte und frühzeitig mit
dem Stadtrecht versehen, übertraf Gartow, das immer ein Flecken blieb, zu groß für ein Dorf, zu
klein für eine Stadt.
Konstituierung als Ort
Nachdem die bauliche Entwicklung des westlichen Umfassungs-Wassergrabens Gartow erreicht
hatte und diese aus Wasserburg, Vorwerk, Kirche und beidseitiger Straßenzeilenbebauung bestand,
dehnte sich der Ort in Verlängerung der Hauptstraße weiter nach Westen aus. Es entstand
der Ortsteil „Spring“. Danach stagnierte die Entwicklung, bis dann Ende des 18., Anfang des 19.
Jahrhunderts nach und nach die Siedlung Hahnenberge entstand.
In den mittelalterlichen Urkunden wird Gartow zwar erwähnt aber lediglich nur als ganzes Gemeinwesen
und es sind keine Vorgänge dokumentiert, die sich auf innerörtliche Käufe, Verkäufe, Vertauschungen,
Rechtsgeschäfte, Privilegien u.a.m. beziehen. Wenn Gartow erscheint, dann stets
im Zusammenhang mit dem örtlichen Adel und territorialen Angelegenheiten. So wird Gartow am
197
21. Juli 1319 als Ausstellungsort für die Urkunde:“Markgraf Waldemar von Brandenburg verleihet
dem Grafen Günther von Kefernburg und dessen Vetter Grafen Günther die von ihm den von Alvensleben
früher verpfändete Grafschaft Lüchow mit Schloss, Stadt, Dienstmannschaft, Lehnen
und Gebiete zu Lehen nach Herrenrecht“ genannt. 3
In der Urkunde vom 9. Februar 1321 werden von Gartow das Schloss, die Vorburg, das „Gerichte
im Dorfe“ und das Patronatsrecht erwähnt, was auf die Existenz einer gewissen Gerichtsverfassung
und eine Kirche hinweist. 4
Wie es dazu gekommen ist, daß Gartow in alten Urkunden zeitweise als „Städtchen“ bezeichnet
wurde aber den Status eines Fleckens besaß, ist heute nicht mehr zu ermitteln. In der Urkunde
vom 9. September 1364 wird Gartow das Prädikat „Städtchen“ zuteil, ohne je Stadtrechte verliehen
bekommen zu haben. Auch in der folgenden Urkunde vom 15. September 1364 ist vom
„Stedeken“ die Rede, ebenso 1371. 5
Sogar noch 1439 und 1441 bleibt die Bezeichnung „Städtchen“ in zwei Urkunden erhalten. 6
Rudolf Haberland vermutete, daß Gartow zumindest für eine gewisse Zeit das Stadtrecht inne
hatte und äußerte sich auch zum mittelalterlichen Zustand Gartows: „Nach der Urkunde von 1321
war Gartow damals ein Dorf. Es muß aber schnell aufgeblüht sein; denn schon in Urkunden von
1360, 1364 und 1371 wird Gartow ein „Stedeken“ genannt, und das bedeutete, daß es sich zum
Unterschiede von einem Dorf nun selbst verwalten durfte, daß es das Jus mororum, das heißt das
Mauerrecht, und die Marktgerechtigkeit besaß.“
Wann und von wem Gartow das Stadtrecht verliehen erhielt, ist unbekannt. Urkundlich belegt
werden kann nur, daß am 10. Oktober 1371 Herzog Magnus Torquatus dem Johanniter Orden das
Recht gab, Haus und Städtchen Gartow zu befestigen mit „Grawen, mit Planken, mit Muren, wo
em dat bequem is un behaglich“ (Pfeffinger). Wie weit das damals geschehen ist, wissen wir nicht.
Jedenfalls war Gartow später von einem wassergefüllten Graben und einem Wall umgeben, dem
vielleicht auch noch eine starke Holzplanke statt der Mauer aufgesetzt war. Auf dem Schloßplan
von 1695 ist noch ein „Wall hinter Majors Garten“ eingezeichnet, der wohl das Endstück des
Stadtwalles gewesen ist. Der letzte Rest des Stadtgrabens ist heute noch im Garten der Benekeschen
Gastwirtschaft (Hausnummer 25) erkennbar.
Wann Gartow die Marktgerechtigkeit erhielt, ist urkundlich nicht festzustellen. Aus einer Verordnung
Herzog Georg Wilhelms vom 30. Juli 1695 geht hervor, daß „von jeher“ in Gartow jährlich
drei Krammärkte abgehalten wurden und „vor dem Kriege“ – gemeint ist wohl der Dreißigjährige
Krieg – auch zwei Viehmärkte. Diese beiden Märkte wurden nun (1695), weil der „Geheimbte
Rat“ Andreas Gottlieb von Bernstorff „untertänigst“ darum „angehalten und gebeten“ hatte, zum
„gemeinen Nutzen und Besten“ wieder erneuert“, und zwar sollten dieselben am Dienstag nach
dem Sonntag Jubilate und am Montag vor Simon Judae, jedes Mal einen Tag vor dem zu dieser
Zeit stattfindenden Krammarkt abgehalten werden.
Daß Gartow um die Mitte des 14. Jahrhunderts zu einem Städtchen erhoben wurde, ist ein Beweis
dafür, daß es an Größe und Bedeutung weit über die anderen Orte des Heimatgebiets hinausgewachsen
war, mit Ausnahme von Schnackenburg. Doch blieb es im Vergleich zu den reichen Kaufmannsstädten
Niedersachsens wie Braunschweig und Lüneburg nur ein armseliges Ackerbürger-
198
-städtchen. Gartow wird keinen brunnengeschmückten Marktplatz, kein prunkvolles Rathaus,
keine hochragenden Torbauten gehabt haben. Klappernde Ackerwagen und brüllende, blökende
Viehherden zogen alltäglich durchs „Sandtor“, aber nur selten ein mit Kaufmannswaren schwer
beladener Planwagen. Nur eine einzige ungepflasterte Straße besaß das Städtchen Gartow, und,
wie es überall in den mittelalterlichen Landstädtchen war, so wird es auch in Gartow gewesen sein.
Schweine und mancherlei Federvieh vergnügten sich auf der Straße und fanden auf den vor den
Häusern liegenden Dunghaufen Gelegenheit, zu wühlen und zu scharren.
Die mit dem Giebel der Straße zugewendeten Holz- oder Fachwerkhäuser waren mit Stroh oder
Rohr gedeckt und hatten meistens weder Schornsteine noch Glasfenster. Die mit geöltem Papier,
Pergament oder geschabten Hornplatten meist nur notdürftig verschlossenen Lichtöffnungen ließen
nur dämmriges Licht in das Innere des Hauses.
Mag uns auch der Lebensstand unserer Gartower Bürger in dem Jahrhundert, da Gartow ein „Stedeken“
war, äußerst primitiv erscheinen, das 14. Jahrhundert war Gartows große Zeit; denn in diesem
Zeitabschnitt war unser Heimatstädtchen einige Jahrzehnte hindurch Residenz eines Johanniter-Herrenmeisters,
und Gartow wäre wohl nicht wieder auf die Stufe eines stillen Marktfleckens
hinabgesunken, wenn der Orden Gartow nicht so früh wieder als Ordenssitz aufgegeben hätte.“ 7
Die Entwicklung von Gartow in den ersten Jahrhunderten nach der Gründung nachzuzeichnen,
wird nicht nur durch das Fehlen von Schriftmaterial sondern auch von Karten und archäologischen
Ortskerngrabungen fast unmöglich gemacht. Ob es eine archivalische Überlieferung zu kommunalen
Vorgängen, auch nur im geringen Umfang, unter den Herren von Gartow und von Bülow
gegeben hat, kann verneint werden. Der Adel hatte lediglich ein Interesse daran, seine Privilegien
zu wahren und Kontrolle auszuüben. Nur bei Streitigkeiten konnten Schriftsätze entstehen, die
ohnehin nicht alle bis in unsere Zeit erhalten geblieben sind. Kriegerische Vorgänge, verbunden
mit dem Verlust von Überlieferung, mögen auch ihren Teil zur Geschichtslosigkeit mancher Epochen
beigetragen haben. Und so bleibt nur das Resultat, mit dem Wenigen Gartows Vergangenheit
etwas aufzuhellen, wenn es um die Zeit vor 1694 geht. Zwar nicht üppig aber bedeutend besser
ist die Überlieferung seitdem die Grafen von Bernstorff in Gartow ansässig sind. Nach damals modernen,
einer Amtsverwaltung nachempfundenen Register- und Aktenführungs-Richtlinien besteht
die Situation, ansatzweise etwas zur Ortsgeschichte zu erfahren. Vordergründig galt das Interesse
nach wie vor den eigenen Objekten und Plänen der von Bernstorffs. Entsprechend mager sind die
Mitteilungen zu ausschließlichen Gartower Angelegenheiten. Hätte die Gemeinde nicht so sehr in
der Abhängigkeit der Adelsfamilie von Bernstorff gestanden und diese nicht innerhalb des Ortes
alle wichtigen Einrichtungen besetzt und betrieben (von der Kirche bis zur Scharfrichterei), wäre
die Überlieferung noch dürftiger ausgefallen. Daher beziehen sich die nachstehenden Ausführungen
auf die Zeit ab etwa 1700. Von Fall zu Fall wird auch Quarnstedt einbezogen, sowohl das Gut
als auch die Arbeitersiedlung.
Der Flecken Gartow wurde um 1847 von etwa 30 Voll-Bürger- und 28 Halb-Bürgerstellen gebildet.
Ihre Anzahl erweiterte sich auch später nur geringfügig. Die Kirche und das Schloß gehörten nicht
dazu, jedoch Forsthaus, Gasthaus, Schmiede, Pfarrgebäude, Scharfrichterei/Abdeckerei und
Schule, dazu die Gerichts- und Gutsverwaltung, die in Gebäuden auf dem Schloßplatz, abgesetzt
vom Ortskern, untergebracht war. Diese Einrichtungen standen im Abhängigkeitsverhältnis zur
Familie von Bernstorff.
199
Um 1700: Bürgerstellen in Gartow. Gezeichnet von Deich-Conducteur Pflaumbaum/Otto Puffahrt
200
Öffentliche Einrichtungen
Brandschutz und Feuerwehr
Wie viele Orte in damaliger Zeit mußte auch Gartow viele Erfahrungen mit Schadenfeuern machen,
wie die Brände von 1721, 1764, 1853 und 1859 zeigen. Andererseits wurde schon frühzeitig
auf vorbeugenden Brandschutz geachtet.
Schon 1695 sorgte Andreas Gottlieb von Bernstorff dafür, daß in seinem Herrschaftsbereich eine
genügende Anzahl Feuerlöschgeräte (Eimer, Haken, Leitern) vorgehalten wurde. Zur Finanzierung
sollte eine „Collecte“, d.h. Erhebung von Geldbeiträgen von den Untertanen, durchgeführt werden.
Im Flecken Gartow fand bereits im Januar 1698 in den Bürgerhäusern eine Feuervisitation statt,
an der die beiden Bürgermeister und der Verwalter des Hauses Gartow teilnahmen. Da bei dieser
Gelegenheit viele Mängel zutage traten, ist sofort ein Nachtwächter (Schweinehirte Johann Bunken)
angestellt worden, der darauf zu achten hatte, daß zur Nacht alle Feuer gelöscht waren und
Diebstähle verhindert wurden. Der vom Flecken entlohnte Nachtwächter lief im Winterhalbjahr
seine Streife von 21.00 bis 3.00 Uhr, im Sommer von 22.00 bis 2.00 Uhr. Die Feuervisitationen
sollten alle Vierteljahr wiederholt und auf die Dörfer ausgedehnt werden und hierbei „so schlimme
Backöfen und Feuerstellen, wie auch schadhaffte Darren an gefährlichen Orthen haben, solche
sogleich bey der Visitation eingeschlagen, weggerißen und unbrauchbar gemachet“ werden.
Durch das Abbrennen von Heideflächen (Verbote der Landesregierung 1677, 1684, 1685, 1688)
entstanden ebenfalls vermeidbare Schäden. Sehr leichtsinnig waren im März 1698 die Prezeller
Einwohner, als sie eine Heidefläche in ihrer Feldmark anzündeten, eine Nacht lang brennen ließen
und sich um das Feuer nicht kümmerten. Der Feuerschein war so kräftig, daß der in Prezelle
einquartierte Leutnant Pfuhl berichtete, er hätte in seinem Zimmer einen Brief lesen zu können.
Einwohner aus Trebel und Nemitz löschten das Feuer, da es Waldungen bedrohte. Als Täter wurde
der Prezeller Schäfer vermutet, der seine Schafweide verjüngen wollte. Da die Dorfschaft trotz
Androhung von 80 Rtlr. Geldstrafe innerhalb von 6 Wochen keinen Schuldigen präsentierte, sind
12 Reiter vom Haus Gartow in Prezeller Haushaltungen einquartiert worden. Die Reiter und Pferde
mußten kostenlos verpflegt werden und das so lange, bis der Willen der Prezeller gebeugt war. Als
der dortige Gastwirt voreilig seinen Strafgeldanteil zahlte, bekam er Ärger mit den Einwohnern.
Nach kurzer Zeit zahlten die Prezeller lieber die hohe Strafe als den Täter zu verraten. 8
Die vom Haus Gartow eingeführten Feuervisitationen konnten jedoch den Brand vom 29.5.1721
nicht verhüten. Nach dem Brand ist sofort eine Feuerspritze angeschafft worden. Geheimrat v.
Bernstorff ordnete an, daß zur Bedienung und Wartung der vorhandenen Feuerspritze eine Mannschaft
geschult wird, die drei Mal jährlich übte und zugleich eine Funktionsüberprüfung vornahm.
Als Anreiz durfte sich die Mannschaft jährlich eine halbe Tonne Freibier aus v. Bernstorffschen
Brauerei abholen. 9
Bevor der Wiederaufbau begann, besichtigte im Auftrag des Geheimrats v. Bernstorff der Oberbaumeister
Borchmann die Brandstätte und machte Vorschläge besonders zur künftigen Anlegung
der beiden Schmiedebetriebe. Für den Wiederaufbau sind recht detaillierte Vorschriften zur
Anwendung gekommen, so sollte zunächst der im Gartower Ortskern vorhandene Quergraben
verfüllt werden. Geheimrat v. Bernstorff ordnete sofort an, daß eine Strohbedeckung der Häuser
nicht mehr gestattet wird und nur noch Dachziegel zu verwenden sind. Ferner durften die
zur Straße zeigenden Hausfassaden nur noch in Ziegelsteinen bestehen und es war verboten,
201
in den neuaufgebauten Häusern Backöfen anzulegen.1732 ist das Flachsrösten in Backöfen bei
10 Rtlr. Geldstrafe verboten worden. Backöfen, die den Wohngebäuden zu nahe standen, sollten
verschwinden. Nur den Bäckern blieb es gestattet, in Nähe ihrer Häuser Backöfen zu betreiben.
Es gab damals in Gartow vier Bäcker, deren Backöfen besonders feuersicher angelegt wurden.
Geplant war aber, zur Obsttrocknung zwei Gemeinschafts-Backöfen außerhalb des Tores zu errichten.
Scheunen und Ställe sollten nur noch separat von den Wohngebäuden errichtet werden und
möglichst aus Ziegelsteinen bestehen. Die vor dem Brand zur Straße hin befindlichen Misthaufen
mußten künftig auf die Hinterhöfe verlagert werden.
Der Bäcker, in dessen Haus das Feuer ausgebrochen war, wurde aus Gartow verwiesen.
Die neu zu errichtenden Häuser lehnten sich in den Abmessungen denen der Vorgängerbauten an,
sind aber neuerdings zweistöckig aufgeführt worden. Ein Teil der Holzkonstruktion mußte aus Eichenholz
bestehen (z.B. die Grundhölzer). Brandmauern und Schornsteine durften nur noch ohne
Verwendung von Holz erbaut werden, wobei Schornsteine nicht mehr seitlich, sondern nur noch
in der Dachmitte herausragen durften. Auf Anraten des Oberbaumeisters Borchmann durften nur
noch gemauerte Schornsteine betrieben werden, abweichenden Bauformen drohte der Abriß. Bis
dahin mußten sich die Gartower mit provisorischen Feuerstellen behelfen.
Als Richtmaß für die Haushöhen diente die Pflasteroberkante der Hauptstraße: die Unterkante des
Schwellenholzes hatte 0,29 m über der Straßenoberkante zu liegen. Vor dem Brand besaß Gartow
„keine richtigen Straßen“ und der Ort war „gantz irregulair gebauet“. Später wurden die „Gaßen
des Fleckens gantz regulair“ angelegt.
Die Baurichtlinien sind auch bei späteren Bauten
beachtet worden. So wurde 1748 bei einem
Hausneubau festgelegt, daß er im Einklang mit
der „Symetrie“ der anderen Häuser stand. Als
Töpfer Johann Matthias Sachse 1750 seinen
Brennofen zu nahe am Wohnhaus errichtete,
wurde dieser „von gerichtswegen niedergerißen“.
In jenem Jahr stellte die Gartower Bürgerschaft
in Eigenleistung die Verfüllung des Grabens
her, welcher den Ort in zwei Hälften teilte. Auf
dem neugewonnenen Gelände entstanden
Bauplätze. Gleichzeitig ist zur Seegeseite hin
ein neuer Graben um den gesamten Ortskern
wiederhergestellt worden. Vermutlich war er
z.T. verlandet oder versumpft.
Die Landesregierung hatte am 20.11.1752
eine „Brand-Assecurations-Ordnung“ für das
Fürstentum Lüneburg erlassen, die die Untertanen
zwang, ihre Gebäude gegen Brandschäden
versichern zu lassen. Dabei wurde die Versicherungssumme
in etwa vorgegeben: Voll-,
Dreiviertel- und Halbhöfner sollten ihre Wohn-
2009: Hauptstr. 38, 40, 42 (jetzt Rosenstr.)
2009: Springstr. 10
202
häuser mit 150 Rtlr. und die Brinksitzer mit 50 Rtlr. versichern. Recht hoch versichert waren in
Gartow das Pfarrhaus (800 Rtlr.), Schule (500 Rtlr.) und Hospital (300 Rtlr.). Später sind die Versicherungssummen
sowohl der Gebäude in Gartow als auch der auf dem Lande heraufgesetzt
worden. 1752 waren im Bezirk Gartow in 27 Ortschaften 363 Wohngebäude, 28 Nebengebäude
und 229 Scheunen feuerversichert.
Das Haus Gartow und der Flecken Gartow sowie die Dörfer zahlten anteilige Brandkassenbeiträge
in der Schadenshöhe, wie solche insgesamt während eines Jahres im Versicherungsgebiet
entstanden sind. Entstanden wenig Brände, fielen auch die Beitragszahlungen niedriger aus. Die
Gesamtversicherungssumme betrug 1752 rd. 140300 Rtlr. (davon Gebäude des Hauses Gartow =
50000 Rtlr.) im Gartower Bezirk und stieg im Jahre 1800 auf rd. 257000 Rtlr. an, um 1804 waren
es dann 350800 Rtlr. 10
Im Oktober 1763 wurde in Anwesenheit aller Dorfschulzen die Frage erörtert, für Gartow und die
umliegenden 24 Dörfer eine neue Feuerspritze anzuschaffen, wobei das Haus Gartow ein Drittel
und der Flecken sowie die Dörfer den Rest der entstehenden Kosten aufbringen sollten. Lediglich
Gartow fand sich bereit, Kosten zu übernehmen, die Dörfer sahen keinen Vorteil, weil sie zu weit
von Gartow entfernt lägen und keine Wasserstellen als Löschreservoire im Ortskern besäßen.
Im November 1764 brannten in Gartow erneut 14 Bürgerstellen nieder. Gartow erhielt auf Betreiben
und mit Geldbeteiligung des Hauses Gartow 1795/96 zwei neue Feuerspritzen sowie erstmals
ein massives Spritzenhaus. 1805 schenkte Graf v. Bernstorff der Gemeinde Gartow vier
große Wassertonnen für Feuerlöschzwecke, die auf Schlitten transportiert werden konnten. Die
Gemeinde verpflichtete sich zur ständigen Bereithaltung der zwei Feuerspritzen. 11
Nach den Bränden 1853 und 1859 sind in Gartow „Notgänge“, d.h. Feuergassen eingerichtet
worden. Beim Wiederaufbau sind geradlinige Gassen geschaffen worden. Frühzeitig wurden auch
Schornsteine in die gräflichen Wohngebäuden und die der Bediensteten eingebaut. Von 1795 -
97 sind mit erheblichem Kostenaufwand rd. 150 Blitzableiter auf Gebäuden des Hauses Gartow
installiert worden. 12
Um 1777 bestand der Flecken Gartow aus 72 Feuerstellen, hinzu kamen sechs Feuerstellen der
„Freyheit vor Gartow“ (vermutlich der Ortsteil Spring) und neun Feuerstellen des „Hof zu Gartow“,
also Wohngebäude in Quarnstedt. Demnach wurde Gartow aus 87 Feuerstellen gebildet. 13
Anzumerken bleibt noch, daß die zweistöckige Bauweise in Gartow einen wirtschaftlichen Grund
hatte: die Abgebrannten konnten den oberen Hausteil vermieten und kamen so zur Geldeinnahme,
um ihre Verluste abzudecken. 14
Größere Brandschäden im Gartower Gebiet (ohne Gartow selbst) sind in den folgenden Jahren
entstanden:
1757: Prezelle (4 Wohngebäude, 1 Scheune), 1758: Prezier (10 Wohn-, 7 Nebengebäude), 1763:
Tobringen (14 Wohn-, 3 Nebengebäude), 1777: Prezelle (4 Wohngebäude), 1779: Meetschow (8
Wohn-, 5 Nebengebäude), 1785: Marleben (9 Wohn-, 8 Nebengebäude), 1792: Vietze (2 Wohngebäude),
1793: Krautze (6 Wohn-, 5 Nebengebäude), 1794: Marleben (7 Wohn-, 5 Nebengebäude),
1795: Lomitz (6 Wohn-, 3 Nebengebäude), 1802: Lanze (26 Wohn-, 61 Nebengebäude).
203
Brände in Gartow
Auch Gartow blieb von verheerenden Brandkatastrophen nicht verschont. Die damals vorherrschende
Bauweise und feuernährende Baumaterialien begünstigten eine sehr schnelle Ausbreitung
von Schadensfeuern.
Am 29. Mai 1721 um 19.15 Uhr brach in der Bäckerei, im Haus der Erben von Hans Voß, ein Feuer
aus. Es konnte sich wegen des damals herrschenden Nordwestwindes rasch ausdehnen. Das
Feuer nahm seinen Weg zum Haus des Bürgermeisters Hillebrandt, dann zum Anwesen des Maurermeisters
Gerber, griff zum Pfarrhaus und zur Küsterei über, um dann die Gasse zu überspringen
und das Haus des Grobschmieds Ellies in Brand zu setzen. Durch diesen Brand ist fast der ganze
Ort samt Kirche eingeäschert worden.
In der folgenden zeitgenössischen Berichterstattung wird die Brandkatastrophe sehr emotional
geschildert: „Es war was Entsetzliches anzusehen, daß in solcher Geschwindigkeit das Feuer in
eine solche erschreckliche Glut ausgebrochen, daß kein Mensch so bald dazu kommen können.
So bald das Feuer ausbrach lieffen wir gleich zu und nahmen die neuen Wassersprützen zur Hand,
wie wir aber mit denselben vom Schloße hinunter gekommen, stand sogar Crusen Haus (Anm. der
gräfl. Verwalter), welches doch noch eine ziemliche Ecke von dem Orte, wo das Feuer aufging, belegen
war schon im Feuer und war alle menschliche Hülfe verlohren, also daß das ganze Flecken
zwischen dem Hauptgraben und der Seege von einer Brücken bis zur anderen mit Kirche und
Pfarrgebäuden insgesambt in die Asche geleget ist.“ Im Bericht heißt es weiter:
„…wie dann der hiesige Gerichtvogt erst am Freytag Morgen, wie derselbe im Begriffe war, den
kleinen silbernen Kelch (in der Kirche) nachzusehen, von einer plötzlich herabfallenden Mauer
augenblicklich erschlagen ward. Die Glocken sind gäntzlich zerschmoltzen und ist davon nichtes
übrig geblieben, als was nach diesem etwa noch unter denen Steinhauffen wieder zusammen
gesammelt werden möchte…“
Von weiteren Todesopfern oder Verletzten ist im Bericht nichts erwähnt. Bei einer späteren Befragung
wurden als Verletzte genannt:
Die Pastorenfrau, Sohn und Frau des Bürgermeisters Hillebrandt sowie mehrere nicht namentlich
genannte Personen.
Insgesamt sind 36 Bürgerhäuser nebst Stallungen und Scheunen, Kirche, Pfarr- und Pfarrwitwenhaus,
Küsterei und Lehnkrug zerstört worden. Nur die wenigsten konnten etwas Habe retten, vor
allem Betten.
Jenseits des Hauptgrabens (südliche Begrenzung der Ortslage) blieben 16 Gebäude (davon 12
Bürgerhäuser, Hirtenkate, Torhaus, Förster- und Scharfrichter-Haus) vom Feuer verschont. Personen
aus den Geestdörfern mußten noch tagelang Brandwache halten, um kleine Brände in den
Ruinen zu löschen.
Die Abgebrannten wurden in Quartiere der Dörfer Nienwalde, Holtorf, Restorf und Quarnstedt verteilt.
Am 29. Mai 1721 abgebrannte Bürgerstellen
01. Gerber, Gottfried, Maurermeister
02. Hildebrandt, Adam Christian, Bürgermeister und Ackersmann
204
03. Mauchel, Jochim, Ackersmann
04. Voß, Erben des Hans Voß, Schuster
05. Ellies, Hinrich, Bäcker
06. Wiese, Hinrich, Schuster
07. Bollmann, Christoph, Leinweber
08. Jahnke, Johann, gelernter Schuster, jetzt Tagelöhner
09. Cords, Jürgen, Friedrich, Buchbinder
10. Köpper, Jochim, Tuchmacher. Im gleichen Haus Kramer Rummel.
Köpper wohnte im Restorfer Pfarrhaus.
11. Kaulitz, Friedrich, Leinweber
12. Hilligenfeld, Brauer und Ackersmann
13. Möller, Johann Jochim, Grobschmied
14. Danehl, Jochim, Tischler
15. Baßar, Hinrich, Ackersmann
16. Krüger, Achatz, Ackersmann
17. Brockhöft, Hinrich, Schuster
18. Haße, Lorenz, Ackersmann
19. Bruhns, Christoph, Bäcker
20. Loeck, Christian, Bäcker
21. Gerberding, Hinrich Caspar, Drechsler
22. Barles, Arend, Kleinschmied
23. Ohnsorge, Hinrich, Ackersmann
24. Kubel, Anton. Dessen Witwe betrieb mit einem Gesellen eine Schlachterei.
25. Gudehus, Dietrich Ludolph, Witwe (Rademacher)
26. Ellies, Jacob, Grobschmied
27. Hildebrandt, Johann Nicolaus, Ackersmann
28. Ellies, Christian, Ackersmann
29. Minten, Thomas, Erben (minderjährige Nachkommen)
30. Bätche, Christian, Schneider
31. Reinke, Johann Andreas, Tischler
32. wüste Bürgerstelle (früher Minte)
Auch die Bewohner der verschonten Häuser mußten sich wegbegeben, weil dort die Miliz einquartiert
worden war, vermutlich um Plünderungen zu verhindern. Da auch die Kirche niedergebrannt
war, fanden die Gottesdienste künftig im Schloßarchiv statt.
Da der Wiederaufbau nur langsam voranging, setzte v. Bernstorff im September 1724 als Fertigstellungstermin
für alle wiederaufzubauenden Häuser das Jahresende 1725 fest. Wer bis zu diesem
Termin seinen Hausbau nicht begonnen bzw. noch kein Baumaterial geordert hatte, dessen
Bürgerstelle sollte für wüst erklärt werden.
Wenige Tage später wurde die Anordnung getroffen, auch die vom Brand verschonten Häuser mit
Dachziegeln einzudecken. War das nicht bis zum Jahresende 1725 geschehen, sollte das Strohdach
gewaltsam abgenommen werden. 1732 gab es dennoch einzelne Strohdachhäuser und als
letzter Umrüstungstermin galt der 1. Mai 1733. Dennoch gab es bis März 1735 vereinzelte Bürgerstellen,
die nicht wieder aufgebaut worden waren.
Etwas mehr als 40 Jahre waren vergangen, als Gartow erneut von einem Großfeuer heimgesucht
wurde. Offenbar haben die rigerosen Wiederaufbauvorschriften nach dem Brand von 1721 nicht
205
die notwendige Wirkung erzielt. Am 23. November 1764 brannten folgende 14 Bürgerstellen nieder:
Jochim Hildebrandt, Jochim Mauchel, Gottfried Ludolph Schultze, Daniel Christoph Spohn
(Kramer), Rimacks (Schlachter), Jochim Dieterich Schultze, Witwe Rincks, Cordts (Buchbinder),
Jüers (Schneider), Ludoph Kaulitz, Johann Wilhelm Hilgenfeld, Hinrich Schönberg, Hinrich Dannehl
und Nicolaus Lindhus.
Wiederum sind neue Bauvorschriften zum Wiederaufbau erlassen worden. Zum Beispiel wurde
die Seitengasse um 1,20 m verbreitert und die Geschoßhöhen festgesetzt (untere Etage 10 Fuß
hoch = 2,90 m; obere Etage 9 Fuß hoch = 2,61 m). Verfallene Hintergebäude durften nur noch mit
Genehmigung wieder neu und dann zum größten Teil massiv errichtet werden. Nachrichten über
die Entstehungsursache des Feuers und damit zusammenhängende Angaben sind nicht bekannt.
In Gartow befanden sich damals 48 Bürgerstellen.
Im Juli 1765 wurde ausgerechnet Zimmermann Jochim Dietrich Schultze beschuldigt, die neuen
Bauvorschriften mißachtet zu haben. Er hatte wohl aus Ersparnisgründen das untere Stockwerk
nur 9 Fuß hoch (Vorschrift: 10 Fuß) und das obere nur 8 Fuß (Vorschrift 9 Fuß) verfertigt. Eigentlich
hätte das Haus wieder abgebrochen werden müssen, aber da sich Schultze Verdienste erworben
hatte, durfte das neue Haus ausnahmsweise stehen bleiben. Trotzdem wurde er mit vierwöchiger
Gefängnisstrafe bei Wasser und Brot belegt.
Bis zu jenem Zeitpunkt waren vier Häuser noch nicht wieder aufgebaut: Hinrich Christian Dannehl
(Kirchenjurat), Witwe Rincks (auch Ring), Daniel Christoph Spohn (Kaufmann) und Johann Levin
Ahnsorge als Vormund für die Stockmann`schen Kinder.
Der verurteilte Zimmermann Schultze wandte sich mit einer Beschwerde an die Landesregierung,
die Kurfürstliche Kammer in Hannover. Er forderte Schadenersatz und ihm schlossen sich die Abgebrannten
Witwe Rincks, Spohn und Dannehl an, die wegen Geldmangel ebenfalls nicht die geforderte
Hausgröße verwirklichen wollten. Ihnen wurde der Weiterbau bis auf weiteres untersagt.
Nach einiger Zeit weigerten sich nur noch Schultze und Witwe Rincks, die Bauordnung zu beachten.
Schultze hatte zudem noch eine Anklage bei der Justizkanzlei Celle erhoben. Daher mußten
die Gartower Beamten Stellung nehmen, wobei es in einem Bericht u.a. hieß:
„Es hatten nemlich sämtliche Häuser keine Schornsteine, keine Scheerwände und das Feuer
konnte also vermittelst der unter dem Dache befindlichen trockenen Dachspäne in der größten
Geschwindigkeit von einem Hause zum anderen laufen und in wenigen Minuten vierzehn Wohnhäuser
anzünden. Ferner fand man, daß die Gaße so schmal war, daß man die größte Mühe
anwenden mußte, die gegenüber stehenden Häuser durch fleißiges Begießen für die Anzündung
zu bewahren.“
Nach dem Urteil vom 2.9.1766 wurde dem Freiherrn v. Bernstorff untersagt, Vorschriften zu Geschoßhöhen
bei Hausbauten zu erlassen; ferner mußte er die Gerichtskosten tragen. Er ging in
die Berufung und die Kläger Schultze sowie Witwe Rinck durften ihre Hausbauten bis zur endgültigen
Entscheidung nicht fertig stellen. Dazu war die Witwe ohnehin nicht fähig, da das Bauholz
inzwischen weitgehend unbrauchbar war. Im März 1768 lenkte sie ein und versprach v. Bernstorff
künftig „gegen dessen obrigkeitliche Verfügungen gehorsamer und folgsahmer zu seyn“. Wie mit
Schultze verfahren wurde, ist nicht bekannt.
206
Am 25.6.1853 waren durch Blitzschlag die Häuser von Kaufmann Hahn und Schuster Schulz abgebrannt
aber damit war die Brandserie nicht gebannt:
Es schien eine Ironie des Schicksals zu sein, daß Gartow noch zwei Mal Großbrände hinnehmen
mußte, obwohl große Anstrengungen zur Feuerverhütung unternommen worden waren. Über die
Entstehung, den Verlauf und die Schäden des Feuers vom 25. September 1853 ist nichts Näheres
bekannt. Es brannten insgesamt 98 Gebäude ab, 388 Personen wurden obdachlos. Die Feuerversicherung
mußte 58 867 Rtlr. Entschädigungsgelder bezahlen. Das Feuer entstand kurz nach
21 Uhr im Stallgebäude von Eduard Krüger (früher Tode`sche Bürgerstelle): „Die Flammen griffen
schnell um sich, verbreiteten sich bei starckem Südwestwinde rasch über einen großen Theil von
Gartow und wütheten bis 5 Uhr morgens, wo man endlich das Feuer bewältigte. Etwa 7/8 von
Gartow lag in Asche und Schutt.“
Am 25.September 1853 abgebrannte Bürgerstellen
01. Jünemann, Amtsgehilfe 31. Dankert, Postspediteur
02. Riege, Schuster 32. Schulz, Sattler
03. Hahn sen. und jun. Kaufmann 33. Leib, Instrumenten- und Uhrmacher
04. Albrecht, Doris 34. Honig, Marie
05. Albrecht, Ackerbürger 35. Götting, Bader
06. Honig, Böttcher 36. Frahm, Böttcher
07. Schlüsselburg, Schuster 37. Gerber, Maurermeister
08. Meyer, Schuster 38. Wellmann, Schlachter
09. Maaß, Arbeitsmann 39. Gehrke, Maurermeister
10. Köppe, Leineweber 40. Michaelis, Kaufmann
11. Spohn, Gastwirt 41. Krug, Kaufmann
12. Dr. Schmidt, prakt. Arzt 42. Schulz, Schuster
13. Wiese, Schneider 43. Riechert, Tischler
14. Hamann, Zimmermann 44. Küster, Drechsler
15. Köster, Schuster 45. Schönberg, Schmied
16. Maack, Tagelöhner 46. Bischoff, Schuster
17. Hildebrandt, Schuster 47. Harbord, Witwe
18. Lichtenberg, Tischler 48. Dankert, Witwe
19. Berdien, Witwe 49. Kruse, Witwe, Altsitzerin
20. Albrecht, Marie 50. Waldow, Schlosser
21. Schmidt, Kaufmann 51. Riege, Schuster
22. Könke, Schuster 52. Honig, Witwe
23. Wolter, Apotheker 53. Pfarrwitwenhaus
24. Lantz, Bäcker 54. Glimmann, Färber
25. Bark, Stellmacher 55. Giese, Bäcker
26. Giegeler, Schuster 56. Hohenstein, Schlachter
27. Köhncke`s Erben 57. Bade, Rademacher
28. Unbehaun, Schmied 58. Bennecke, Schuhmacher
29. Hammer, Glaser 59. Kubel, Schuhmacher
30. Härtel, Einnehmer
dazu folgende Mieter:
Meyer, Witwe
Wellmann, Witwe
Micheli, Schneider
Hoop, Tischler
207
Pevestorf, Schneider
Mengeles, Altsitzerin
Hennigs, Altsitzerin
Maschmann
Waldow, Altsitzer
Cottau, Franz
Hertel, Einnehmer
Bollmann, Tagelöhner
Rode, Nachtwächter
Lichtenberg, Tagelöhner
Wendt, Glaser
Guhl, Maurer
Liebi, Auditor
Diehle, Auditor
Meyer, Peter
Behrens
Pevestorf, Witwe
Steiling, Witwe
Kaiser, Elise
West
Sofort nach der Brandkatastrophe stellte Graf v. Bernstorff Wohnraum für die Abgebrannten und
die beim Wiederaufbau beschäftigten Handwerker zur Verfügung, desgleichen Unterbringungsmöglichkeiten
für das Vieh. Ferner offerierte er einen Kredit in Höhe von 1 500 Rtlr. zur Beschaffung
von Viehfutter und für erste Bedürfnisse. Da auch das Haus des Postspediteurs Dankert
vernichtet war, kam die Post in ein gräfl. Gebäude. Lebensmittel- und Kleiderspenden kamen nicht
nur aus der nächsten Umgebung, sondern auch aus Uelzen.
Am 21.11.1853 fand mit Beteiligung des Bürgermeisters F. Dröge zwecks Bauplatzverteilung und
Wiederaufbau eine Bürgerversammlung statt.
Zuvor hatte sich eine Baukommission gebildet, der folgende Personen angehörten: Graf v. Bernstorff,
Sattlermeister Schultze, Bäckermeister Krüger und Schmiedemeister Schönberg. Bei dieser
Versammlung wurde beschlossen, dass sich mehrere Bürger nicht mehr neu auf den Brandstellen
ansiedeln, sondern Bauplätze „nach dem Spring und in den Hahnenbergen“ erhielten: Schuhmacher
Bischoff, Tischler Lichtenberg, Schuhmacher Köhnke, Bürger Albrecht, Bäcker Krüger, Böttcher
Honig, Zimmermann Köhncke und Tischler Riechert.
Sehr wenig ist vom Brand, der sich in der Nacht vom 11. zum 12. Januar 1859 ereignete, bekannt.
Das Feuer brach beim Anwesen des Bürgers und Fuhrmanns Hildebrandt aus und zerstörte 20
Gebäude. Zu den Abgebrannten gehörten außer Hildebrandt der Bäcker Beyer, Kantor Krug, Pastor
Freytag, Bürger Lüders und das Haus Nr. 6, welches dem Grafen v. Bernstorff gehörte (früher
Ellissen). Einige Stunden später brannte noch die Scheune des Tierarztes Bethge auf dem Spring
ab. 15
Der verheerende Brand Gartows von 1721 sowie die Brände von 1764, 1853 und 1859 prägen
noch heute das Ortsbild mit seinen alten Fachwerkhäusern, was heute in der Baudenkmalpflege
seinen Niederschlag findet:
„…Der Wiederaufbau nach den Bränden bestimmt bis heute das recht einheitliche Ortsbild Gartows,
das noch einmal im April 1945 bei heftigen Kämpfen einige Gebäude durch Brand verlor.
Die vorwiegend traufständigen, selten giebelständigen Bürgerhäuser sind nicht mehr aneinander
gebaut, sondern durch geringe Abstände und zwei Notgassen aufgelockert. Die überwiegend
zweigeschossige Bebauung wird nur von wenigen bescheidenen eingeschossigen Gebäuden unterbrochen…..Rückseitig
bilden oft Querscheunen oder Ställe einen Hofabschluß, an den sich Gärten
anschließen. Das einzige ältere Gebäude ist das sogenannte „Neue Haus“ (Nr. 6), das heute
das gräfliche Forstamt beherbergt….Die früheste Bebauung im Ortsteil Hahnenberge begann bald
nach 1800, nahm aber erst gegen Ende des Jahrhunderts mit der Errichtung der Gewerbebetriebe
seinen entscheidenden Aufschwung….Die Springstraße war schon um 1800 an ihrem Anfang
mit einigen Gebäuden besetzt….Entscheidenden Auftrieb bekam die Bebauung der Springstraße
208
nach den Bränden Gartows in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zwecks Auflockerung der dichten
Bebauung der Hauptstraße wurden 1854 sechs dort abgebrannte Bürger zum Spring umgesiedelt….Beim
Ausbau (der Chaussee nach Dannenberg) in dem Jahre 1875 - 1877 wurde die Springstraße
kräftig erhöht und gepflastert…“ 16
Es dauerte nahezu 100 Jahre, bis in Gartow wieder ein großer Brandschaden auftrat. Es waren die
verhängnisvollen letzten Kriegstage im April 1945, die Feuerzerstörungen brachten. Infolge Panzerbeschuss
und dadurch ausgelöste Brände wurden an der Hauptstraße gegenüber der Kirche
zerstört: das alte Hospitalhaus (v. Bernstorff), das Haus von Theodor Beyer, daran nach Osten anschließend
zwei Wohnhäuser und eine Scheune aus v. Bernstorffschen Besitz, auf dem Schloßhof
das historische Torhaus und etliche Gebäude auf dem Gut Quarnstedt (Meierhof).
Am 12.08.1975 gab es im heutigen Gebiet der „Nemitzer Heide“ einen Großbrand im Wald zwischen
Prezelle, Gorleben, Lanze und Trebel. Die erste Meldung erfolgte vom Feuerwachturm Falkenmoor
aus.
In der Nacht vom 17.8.2012 brannte an der Springstrasse der Edeka-Markt von Volker Hildebrand
bis auf die Grundmauern nieder; vermutlich war es Brandstiftung.
Am 20.06.2013 gab es nachts ein mehrstündiges Gewitter im Raum Gartow. Am „Helk“ brannte
ein Wohnhaus bis auf die Grundmauern nieder. Die 91jährige Bewohnerin musste mit ansehen,
wie ihr gesamtes Hab und Gut in Flammen aufging.
Kirchenneubau nach dem Großbrand 1721
Am 29. Mai 1721 ist nebst 53 Bürgerstellen des Fleckens Gartow, den Pfarrgebäuden und dem
Küstergehöft auch die Kirche in Feuer aufgegangen. Nach älteren Nachrichten hat bereits im Jahre
1328 sich eine dem heiligen Georg geweihte Kirche in Gartow befunden. Ob diese 1721 noch
vorhanden war, oder ein späterer Bau 1721 dem Feuer zum Opfer fiel, wissen wir nicht.
1721 stand eine massive Kirche mit Kapelle und Grabgewölbe der v. Bülowschen Familie in Gartow.
Diese Kirche stand, wie sich aus dem Merianschen Bilde aus der Mitte des 17. Jahrhunderts
ergibt, weiter fleckenwärts. Wieviel von dem Kirchengebäude vom Feuer verschont geblieben war,
ist uns nicht bekannt. Jedenfalls sah man von einer Wiederherstellung des Gebäudes am bisherigen
Platze ab.
Nach dem großen Brand wurde, wie es damals üblich war, durch Kollektanten eine Kollekte für
den abgebrannten Flecken Gartow gesammelt, welche den Betrag von 5 381 Talern, 9 guten Groschen
und 9 ½ Pfennigen ergab. Diese Kollekte war in den Städten Hannover, Lüneburg, Lübeck,
Uelzen, Hamburg, Celle, Bremen sowie in den Ämtern Gartow, Lüchow, Schnackenburg, Wustrow,
Clötze gesammelt. Auch seine Königliche Hoheit, der Prinz Friedrich Ludwig spendete den Betrag
von 20 Talern.
Von diesen Geldern sind das Pfarrhaus für 1 570 Taler, das Schulhaus für 740 Taler und die Pfarrscheune
für 460 Taler neu gebaut worden; im Ganzen 2 770 Taler, während 3 000 Taler an die
abgebrannten Bürger verteilt worden sind. Für den Wiederaufbau der Kirche blieb nichts übrig, so
daß der damalige Kirchenpatron, der Königl. Großbritannische und Kurfürstliche Braunschweigische
Premierminister Andreas Gottlieb Freiherr von Bernstorff, den Wiederaufbau auf eigene
Rechnung unternahm.
209
Die Gesamtkosten betrugen 14 891 Taler. Zusätzlich leisteten die Mitglieder der Kirchengemeinde
Hand- und Spanndienste. Der Bau wurde nach Plänen des Oberbaumeisters Borchmann durch
den Gartower Amtmann Wolbrecht geleistet. Derzeitiger Geistlicher war Prediger G.A. Gössel, Bürgermeister
von Gartow und Kirchenjurat war Adam Christian Hildebrandt. Diese beiden haben
sämtliche Belege der Kirchenbaurechnungen unterschrieben. Der Bürgermeister Hildebrandt hatte
auch die Aufsicht über die Handdienste und die Bestellung der Spann- und Handdienste.
„Im Herbst 1722 hat man den Anfang mit der Abbrechung der alten Kirchenmauern gemacht und
am 8. September besagten Jahres, als am Tage Mariä Geburt, den ersten Stein zu dem neuen
Gebäude geleget“. Die noch stehenden Kirchenmauern der alten Kirche, Kapelle und Gewölbe,
einschließlich der Fundamente, wurden abgebrochen und die gewonnenen Materialien zum Wiederaufbau
der neuen Kirche verwendet. Zum Bau der Kirche, insbesondere zu dem Turmfundament,
wurden Feldsteine aus den Feldmarken Pevestorf, Vietze und Brünkendorf verwendet. 200
430 Mauersteine und 34 066 Dachsteine wurden verbraucht. Kiefern- und Eichenbauholz wurde
aus Havelberg, die oben erwähnten Mauer- und Dachsteine aus Pollitz, Dömitz und anderen Orten,
Kalk aus Wolfsburg und Fallersleben von dem Kalkbrenner Franz Spanuth aus Fallersleben, die
Quadersteine des „Frontispice“ aus Barsinghausen bei Hannover bezogen. Eine Reihe von auswärtigen
Handwerkern und Kunsthandwerkern wurden zugezogen, unter anderem der Bildhauer
Johann Christoph Ohm in Hannover für die Steinmetzarbeiten des „Frontispice“, der Zimmermeister
Joachim Kruse aus Celle, der Stukkateur Joh. Joachim Böttger aus Celle, der Dachdecker Joh.
Jacob Seifert, der Bildhauer Ahrendt Heinrich Burg aus Celle für die Schnitzereien des Altars, des
Predigtstuhles, der Taufe und der hölzernen Altarleuchter, der Bildhauer Joh. Heinr. Meyer aus
Celle zur Vermalung und Vergoldung dieser Gegenstände, der Maler Ernst Jäger für den Anstrich
des sonstigen inneren Holzwerkes. Die Kirchenuhr wurde von dem Meister Joh. Schubert aus Celle
geliefert, die Windfahne von dem Hofschlossermeister Borchers in Celle.
Manche Hindernisse traten der Arbeit entgegen, weil es in Gartow noch kein Sägewerk und kein
so entwickeltes Handwerk gab. Ein Teil des von Havelberg nach Schnackenburg anzuflößenden
Holzes kam wegen zu niedrigem Elbewasserstandes nicht rechtzeitig genug an, so daß die Zimmerarbeit
zeitweise eingestellt und den Zimmerleuten Wartegeld bezahlt werden mußte. Ein anderer
Teil des Bauholzes fror bei Schnackenburg in der Elbe fest und mußte zum Frühjahr wieder
losgeeist werden.
Als 1722 die Maurerarbeit wegen des Winters eingestellt werden mußte, wurde auf das Gemäuer
ein Interims (Übergangs-)dach von Stroh gemacht. Trotz aller Hindernisse gelang es, die Kirche
am 14. September 1723 zu richten und den Bau so zu fördern, daß am 1. Oktober 1724 die
Einweihung der Kirche stattfinden konnte. Die Kirche hatte nach der straßenwärts gelegenen Giebelseite
ein viel bunteres Aussehen als jetzt: „Die gesamten Quadersteine bestehen in Gesimsen,
Frucht- oder Laubwerk und Tür- und Fenstereinfassungen waren in Steinfarbe, die übrigen Felder
und Fensterrahmen weiß angestrichen. Desgleichen auch der Engelskopf oben im Frontispice mit
feinem Gold an Haar und Laubwerk vergoldet“.
Eine besondere Aufmerksamkeit erfordern noch die Glocken, von denen noch eine Läuteglocke im
Gewicht von ungefähr 13 Zentnern und eine Schlagglocke von 172 Pfund jetzt gebraucht werden.
Es wurden damals drei Läuteglocken und eine Schlagglocke von dem Stück- und Glockengießer
Joh. Christian Ziegner aus Lüneburg im Gesamtgewicht von rund 37 Zentnern gegossen, wozu 35
Zentner altes Glockenmetall von der abgebrannten Kirche verwendet wurden. Die Anfertigung der
Wappen und Inschriften auf den Glocken hatte Hieronymus Markus Brüllo aus Lüneburg übernommen.
Man hat damals anscheinend zunächst versucht, die Läuteglocken auf dem jetzigen
210
Uhrturm aufzuhängen. Das jetzt bei der Kirche stehende Glockenhaus ist erst später erbaut. Am
1. Oktober 1724 konnte dann die Einweihung der Kirche stattfinden, zu welcher der Kantor Wilken
aus Lüchow mit einigen Schülern zum Singen geholt wurde. 17
Die Übersetzung der lateinischen Portalinschrift an der Kirche lautet:
„Nachdem die alte Kirche mit dem Städtchen durch Feuer eingeäschert worden, ließ A.G. von
Bernstorff in den Jahren 1723 und 1724 diese neue erbauen.“ 18
Gasthof
Ein Gasthaus existierte bereits 1629 „mit der
Brawpfannen und andere Braw Geräthe“ sowie
dazugehörigen Ländereien und wurde nachweislich
am 12.6.1629 von Vikke Ellies für eine
Summe von 900 Florin gekauft. Dabei handelte
es sich um einen „alten Krug sampt den dabey
neuen Wohnhause nebst Stedings Akker und
was von alters dabey gewesen“. Später hat der
v. Bülowsche Verwalter Jacob Krusen das als
„Lehnkrug“ bezeichnete Gasthaus erworben
und noch bis 1720 betrieben. Der alte Gasthof
befand sich schräg gegenüber der Kirche direkt
an der Seegebrücke und wurde im Jahr 1872
abgebrochen. 19
1720 erwarb das Haus Gartow vom Verwalter
Krusen den Gasthof für 3000 Rtlr. und ließ sofort
Reparaturen duchführen. Die zum Gasthof
gehörenden Ländereien wurden ebenfalls erworben.
Weil der Zustand des Gasthofes baulich
sehr schlecht war, ist bereits 1721/22 ein
Neubau geplant worden, der als „Herrschaftliches
Haus“ völlig neu entstanden ist. Das alte
Gebäude brannte vorher ab.
Wirtshausszene
Das Gebäude besaß die Abmessungen 17,98 x 15,66 m „von 13 Verbind“, war zweistöckig errichtet
und mit 4 Schornsteinen versehen. Jedes Stockwerk hatte eine Höhe von 3,19 m. Das Fensterglas
wurde von der „Glaßhütte bey Dömitz“ bezogen, drei Eisenöfen sind in Celle gekauft worden.
Der Ofensetzer Großheim aus Hannover baute vier Kachelöfen auf.
Zusätzlich zum Wirtsgebäude wurde noch eine Scheune mit den Abmessungen 13,05 x 10,15 m
„von 5 Verbind“ und ein Pferdestall erbaut. Die Mauersteine stammten aus Dömitz und Damnatz.
Insgesamt wandte das Haus Gartow 1737 Rtlr. für diese Neubauten auf. 1733 folgte der Bau eines
Schweinestalles, 1737 für 318 Rtlr. der Neubau einer Scheune mit Viehställen. Die Neusetzung
eines Brunnens ist 1741 vorgenommen worden und Dachreparaturen wurden 1748 fällig.
Als weitere Bauten folgten 1755/56 eine Wagenscheune und ein kombinierter Kälber-, Schweineund
Hühnerstall.
211
Als Zubehör des Hauses Gartow ist der Gasthof stets verpachtet worden. Der jeweilige Pächter
fungierte gleichzeitig als Brückengeldeinnehmer. Nach dem Stand von 1814 war der Gasthof ein
Fachwerkbau (15 Fach lang, 11 Fach breit) mit zwei Stockwerken, Hartbedachung und Blitzableiter
(!) Die Gefache waren mit Ziegelsteinen ausgemauert und die Hausdiele gepflastert. Im Erdgeschoß
befanden sich eine Stube, eine Küche mit aufgemauertem Feuerherd mit 2 Eisenplatten, 6
Rosten, 3 Kaserollöcher und Kesselhaken, eine Speisekammer, eine kleine Stube mit schwarzgekacheltem
Windofen und dem Bierschrank, eine Gesindekammer, eine Stube neben der Diele mit
Schenkschrank und Eisenofen, eine Kammer neben der Diele und ein Keller mit zwei Luken zum
Hof. In der 1. Etage befanden sich drei Kammern, die Knechtskammer, eine Abseite, zwei Stuben
mit Kachelofen und ein Saal mit Kachelofen.
Die aus Fachwerk bestehende Scheune war 16 Fach lang, 8 Fach breit und 11 Fuß (3,20 m) im
Ständer hoch. Sie hatte Hartdach und eine Lehmdiele, worin eine Knechtskammer, eine Häckselkammer,
ein Pferdestall und die Dreschdiele Platz fanden. Daran angebaut waren eine Wagenscheune,
zwei Kuhställe und jeweils ein Fohlen- und Holzstall. Ferner befand sich dort der kleine
und große Schweinekoven. Eine Toilette („Abtritt“) mit zwei Sitzgelegenheiten und ein Brunnen
„mit 2 ½ Satz Velpker Sandsteinen“ mit einer Holzeinfassung rundeten die Baulichkeiten ab.
Zum Gasthof gehörten 14 Stücke Ackerland, 5 Wiesen und 2 Gärten mit einem Weinstock, zwei
Birn-, 10 Kirsch-, neun Birn-, 26 Apfel-, 20 Pflaumen- und je zwei Pfirsich- und Aprikosenbäumen.
Die Verpachtung erfolgte im Rhythmus von 6 Jahren, eine Kündigung konnte innerhalb von drei
Monaten wirksam werden, wenn der Pächter z.B. gegen Gesetze verstieß: „….sollte er sich wahre
Übertretung der Landesgesetze und obrigkeitlichen Verfügungen zu Schulden kommen lassen ….
oder sollte er in seinem Hause Unsittlichkeiten und Liederlichkeiten dulden oder gar befördern
oder verdächtige Personen und Effecten wissentlich beherbergen…“
Als Verhaltensmaßregel erhielt er die Weisung:
„Jedermann, so bei ihm einkehren will, willfährig und aufwärtig sein, jedem nach Standesgebühr
begegnen, sich mit Allem was in einer wohl eingerichteten Wirtschaft an guten Betten, Meublen,
Eßwaren, Getränken, Fütterung für Pferde p.p. gefordert werden kann, versehen halte ….“ Der
Pächter „unterwirft sich mit seiner ganzen Familie und allen seinen Leuten (Dienstpersonal) der
Gerichtsbarkeit des Hauses Gartow…“ und hatte darauf zu achten, daß niemand mit offener Flamme
in den Gebäuden umherging.
Das Personal bestand aus vier Dienstboten, je einem Knecht, Küchenmädchen und Schenk sowie
einem Mädchen zur Viehversorgung.
Die Pachtsumme von jährlich 200 Rtlr. wurde in vierteljährlichen Raten fällig. Reparaturkosten bis
zu 3 Rtlr. zahlte der Pächter selbst, darüber hinausgehend das Haus Gartow. Es verstand sich von
selbst, daß Bier und Branntwein von der Brauerei des Hauses Gartow zu beziehen waren. Wurde
ergänzend auswärtiges Bier bezogen, sind Gebühren erhoben worden. Um 1838 befand sich im
Gasthof bereits ein Billardtisch.
Jährlich sind etwa 80 Tonnen Bier und 38 Oxhöft Branntwein verkauft worden, wobei ein Quart
Bier (0,94 Liter) 1 ggr. und die gleiche Menge Branntwein 4 ggr. kosteten. Mit diesem Umsatz
konnte der Pächter einen jährlichen Reingewinn von rd. 600 Rtlr. erzielen. Um 1843/44 sind bereits
114 Tonnen Bier und 24 Öxhöft Branntwein konsumiert worden. Letzterer verminderte sich
erheblich, weil der örtliche „Enthaltsamkeits-Verein“ (Alkoholgegner) Wirkung zeigte und Gartower
212
Kaufleute Branntwein günstiger in Lüchow besorgen und in Gartow verkaufen konnten als der
Pächter. Wein ist nur wenig verkauft worden, weil er von den Konsumenten billiger von auswärts
bezogen werden konnte.
Die Fremdenzimmer-Vermietung erfolgte recht selten, da bisweilen mehrere Wochen vergingen,
bis sich ein Gast einfand.
Noch 1717 war der Gasthof an den Verwalter Jacob Kruse verpachtet, bis seine Erben den Gasthof
1720 an das Haus Gartow verkauften. Weitere Pächter waren: Johann Jochim Schulze (1724), Johann
Peter Göbbel (1733, 1743), Martin Friedrich Krüger (1747, 1750), Anton Christoph Feldmann
(1754, 1758), Maximilian Adam Lotzow (1764, 1768), Johann Martin Hahne (seit 1769, 1782,
1786 seine Witwe Sophia Eleonora geb. Rohr). Benedikt Friedrich Hahn (1791, 1813), Joachim
Carl Friedrich Haupt (1814 - 1838, ging zu seinem Schwager Strohkirchen nach Tressow/Meckl.),
Kaufmann Wilhelm Anton Krug (1838 - 45), Bäcker Eduard Krüger (1845, 1860, 1872).
Im Laufe der Zeit veränderte sich der an das Haus Gartow zu zahlende Pachtbetrag: 1723 = 60
Rtlr., 1809 = 88 Rtlr., 1829 = 300 Rtlr., 1843 = 265 Rtlr., 1856 = 300 Rtlr., 1870 = 240 Rtlr.
Das Kapitel Gasthof endet nach einer Eintragung von 1875 wie folgt: „Das Gasthaus ist im Winter
1872/73 abgebrochen. Die Ländereien und Wiesen, welche bis um Johannis 1838 dem Gasthause
beigelegt gewesen, werden jetzt von der gutsherrschaftlichen Landwirtschaft genutzt, der
Garten ist der Herrsch. Gärtnerei beigelegt“.
Gemeindewald
Als ortsnahes Gehölz galt jahrhundertelang der Forstort „Die Hahnenberge“ und „Der Helk“. Aus
beiden Holzungen wurde Bau- und Brennholz entnommen, ferner ist das Vieh zur Mast eingetrieben
worden. Heute bestehen von diesen Waldarealen nur noch Rudimente, da sie überbaut
wurden. Nach einer historischen Karte von 1699, gezeichnet vom Ingenieurkapitan Pauli, waren
„Die Hahnenberge“ ausgedehnter als „Der Helk“, zumal im letzteren Forstort bereits in der Vorzeit
Rodungen zur Gewinnung von Weideland vorgenommen wurden. „Die Hahnenberge“ befanden
sich fast ausschließlich auf grundwasserfernem Geestboden. Südlich davon dehnte sich, bis auf
ein weiteres Waldareal bei Rucksmoor, die große fast baumlose „Gartower Heyde“ aus. Im Südosten
wurde sie vom „Das grosse Mohr“ bei Wirl begrenzt.
Im Rezess über die Spezialteilung der Gemeinheiten des Städtchens Gartow vom 17. Juni 1854
sind auch Festlegungen zum Gemeindeforst Gartow enthalten. Dieser setzte sich aus den Einzelforsten
Elsebusch (14 Morgen), Helk (31 Morgen), Hahnenbergen zwischen dem Marlebener und
Trebeler Weg (53 Morgen), zwischen dem Prezeller und Trebeler Weg (33 Morgen) und dem Umschwang
(6 Morgen) zusammen. Insgesamt umfassten die Gemeindeforste 138 Morgen.
In den Hahnenbergen wurde ein Gemeindeplatz vor der Scharfrichterei vorgehalten. Dieser sollte
„soweit nicht dem Grafen von Bernstorff das Recht der Anpflanzung … zusteht, mit Birken und
Kiefern besetzt und müssen die durch Hauung entstandenen Blößen sofort wieder bepflanzt werden.
Der Holzbestand soll verkauft und der Ertrag zur Besserung der gemeinschaftlichen Wege
verwandt werden“.
Um den Gemeindeforst von den übrigen Grundstücken sichtbar abzuheben, ist um diesen ein
Graben hergestellt worden, der von den Beteiligten des Forstes anzulegen und zu unterhalten war.
213
Der Graben durfte nur Grundeigentum des Forstes beanspruchen. Somit war ferner der Aushub
zu einem Wall auf der Forstseite vorgesehen. Entgegen den übrigen Vorschriften bezüglich der
Pflanzabstände auf den künftigen Privatkoppeln war es erlaubt, „Baumholz“ zu pflanzen oder
stehen zu lassen, sofern es mehr als 16 Fuß (4,65 m) von den Forsten entfernt blieb. Die Höhe
der Bäume war auch hierbei nicht begrenzt. Jeder Teilforst erhielt nach der Spezialteilung einen
Entwässerungsgraben, 8 - 18 Fuß breit (2,32 m - 5,24 m).
Die Interessenten, also die Bürgerschaft von Gartow mit Ausnahme des gräflichen Scharfrichters
Miethling und seiner Nachfolger, waren verpflichtet, den Wald zu erhalten, gleichzeitig auch berechtigt,
diesen zu nutzen. Mit einem vollen Anteil beteiligt waren die Pfarre, das Kantorat, jeder
Vollbürger, das gräfliche Gasthaus und das gräfliche Hospital. Nur zur Hälfte dagegen jeder Halbbürger
und das Pfarrwitwentum. Ausgenommen ein Areal von 14 Morgen hinter dem „Eiskeller“,
welches als Schützenplatz diente, durfte der Gemeindeforst „nur zur Holzcultur und zu keinem
anderen Zwecke benutzt werden.“ Das war eine Fläche von noch 123 Morgen „welche einer regelmäßigen
forstlichen Bewirtschaftung zu unterwerfen sind.“ Vorgeschlagen wurde der Anbau von
anspruchslosen Kiefern auf dem kargen Sandboden „weil von keiner anderen Holzart ein sicherer
Ertrag erwartet werden kann.“ Als Umtriebszeit waren 60 Jahre vorgesehen.
Vorgeschrieben wurde die Erstanlage von Forstkulturen, beginnend von Osten nach Westen: „Der
Boden muß, nachdem die Erdstöcke rein ausgerodet sind, entweder im Herbste gepflügt oder mit
Plagghacken rein umgehackt werden. In diesem Zustande bleibt es dann bis zum Frühjahr liegen,
wo derselbe bei dem ersten Thauwetter etwa im Anfange des Monats April mit eisernen Eggen
kreuz und quer vorgeeggt, der Kiefernsamen darauf (pro Morgen etwa 7 Pfund) gleichmäßig ausgestreut
und mit hölzernen Eggen untergeeggt wird. Die Höhen und Sandstellen aber, welche nur
durch Pflanzung in Bestand zu bringen sind, müssten mit 2jährigen Kiefern bepflanzt und müssen
die Pflanzstellen in 4 füßiger Entfernung (1,16 m) voneinander schon im Herbste zu 1 Fuß (0,29
m) breit und 1 Fuß tief bereitet werden.
Nach geschehener Bepflanzung oder Besamung hört alle Nutzung zum 20ten Jahre auf, in welchem
Jahre die erste, im 40ten aber die 2te Durchforstung beginnt, darin bestehend, daß jedesmal
alles trocken gewordene Holz vorsichtig herausgehauen, alle drainierenden Stämme aber auf
einer Quadratruthe (21,7 qm) 20 bis 30 Stück bei der ersten und 6 bis 10 Stück bei der zweiten
Durchforstung bis zur Haubarkeit stehen bleiben. Hat der Bestand aber das 60te Jahr erreicht,
dann tritt der reine Abtrieb ein. Alle forstschädlichen Nebennutzungen als das Weiden des Viehes,
das Jigelharken und Plaggenhauen p.p. sind in der Gemeindeforst aufs Strengste untersagt und
verfällt der gegen dieses Verbot Handelnde in eine Strafe von 5 Rtlr.
Die Beaufsichtigung des Holzes liegt zunächst dem Bürgermeister zu Gartow und außerdem zwei
Forstinteressenten, welche durch jährlich zu erneuernde Wahlen zu bestellen sind.“
Sie hatten bei eigener Verantwortlichkeit auf die pünktliche Ausführung der obigen Vorschriften zu
achten. Bald danach wurde die Forstaufsicht jedoch von der Realgemeinde wahrgenommen. Der
jeweilige Bürgermeister war aber stets in die Entscheidungen eingebunden. 20
Im Landschaftsrahmenplan Gartow von 1977, aufgestellt von der Nieders. Landesentwicklungsgesellschaft
Hannover, wurde aufgrund der Planungen der Gesellschaft für Landesplanung Bremen,
verstärkter Laubholzanbau (zumindest Beimischung), stärkere Artenmischung und das Freihalten
von Waldtälern von dichtem Baumbewuchs vorgeschlagen. Besonderes Augenmerk galt
den Waldrändern:
214
„Die Entwicklung eines mehrschichtigen, mit Laubgehölzen durchsetzten Waldrandes soll bei
vorhandenen Beständen durch geeignete Maßnahmen gefördert werden. Bei Bestandsnutzung
sollten die Waldränder geschont werden und ihre positiven Wirkungen im Naturhaushalt erhalten
bleiben.“ 21
Um 1719: Plan der Gartower Forstorte Hahnenberge, Helk und Finckenholz,gezeichnet von C.L.v. Mackphaill
215
Gemeindewappen
Ein Wappen erhielt Gartow höchstwahrscheinlich
erst im 15. Jahrhundert verliehen, und
zwar das etwas abgeänderte Wappen der Herren
von Bülow, die Gartow von 1441 bis 1694
besaßen. Daß Gartow als Wappensiegel nicht
das Wappenbild der Herren von Chartowe, die
rote Greifenklaue im silbernen Felde, übernommen
hat, erklärt sich daraus, daß Landstädten
erst im 15. Jahrhundert von ihren Landesfürsten
ein Wappen verliehen wurde, und zwar das
meist etwas abgeänderte des Landesherrn.
Landesherren von Gartow aber waren, wie wir
noch sehen werden, von 1441 bis 1594 die
reichsunmittelbaren Herrn von Bülow, und so
weist denn auch das Wappen von Gartow die
goldenen Kugeln des Bülowschen Wappens
auf, doch nicht 14 Kugeln, sondern nur neun.
Siegel der Gemeinde Gartow vor 1945
Postwesen
Bei der Postbeförderung ergaben sich besondere Schwierigkeiten, weil Gartow von der Kaiserlichen
Post lange Zeit nicht angefahren wurde.
Kurz vor 1700 bestand für das Haus Gartow die Möglichkeit, Postsachen in Dannenberg aufzugeben
und mit der Amtspost befördern zu lassen. Allerdings mußte die jeweilige Post nach Dannenberg
gebracht und von dort auch geholt werden. Sofort bei Übernahme des Gartower Besitzes
ließ Graf von Bernstorff einen hauseigenen Postbeförderungsdienst zwischen Dannenberg und
Gartow einrichten, um einen regelmäßigen Zubringer- und Abholdienst gewährleistet zu wissen.
Durch seine politischen und wirtschaftlichen Tätigkeiten pflegte Graf von Bernstorff eine ausgedehnte
Korrespondenz sowohl nach Hannover als auch nach Preußen. Es war deshalb sicherzustellen,
daß Briefe den Empfänger schnell und sicher erreichten und er die an ihn gerichtete Post
auf schnellstem Wege erhielt. Daher war es ein Glücksfall für Gartow, daß sich die Grafen von
Bernstorff stets für den Anschluß Gartows an das Postsystem einsetzten. Letzlich lag es ja auch
in ihrem eigenen Interesse.
Aber auch der Einsatz von Boten bot sich an, die im Bedarfsfall Briefe zu auswärtigen Emfpängern
brachten. Für ihren Dienst erhielten die Boten, gestaffelt nach bewältigter Entfernung, unterschiedliche
Entlohnung.
Im Rahmen der dem Haus Gartow zustehenden Hand- und Spanndienste wurden die Hofinhaber
des Dorfes Gorleben ab 1695 mit der Postbeförderung betraut. Vermutlich erfolgte der Postdienst
im „Reihedienst“, d.h. jeder Hofinhaber in Gorleben wurde der Reihe nach eingesetzt, bis der Zyklus
von neuem begann. Die Postbeförderung wurde im Rahmen der abzuleistenden „Ordinairen
Dienste“ (gewöhnliche Dienste) vorgenommen, wobei der Transport von Briefen und kleinen „Paqueten“
(Pakete) als Handdienst angerechnet wurden.
Pakete und Sendungen, die nur mit Gespannen zu transportieren waren, zählten als Spanndienst.
Gemäß damaliger Gepflogenheit erhielten die Hand- und Spanndienstleistenden bei Beendigung
216
ihres Auftrages eine geringe Entschädigungszahlung („Pröven“). Für einen Handdienst zahlte das
Haus Gartow 6 Pf. und für einen Spanndienst 9 Pf. Prövengeld.
Die in Gorleben ansässigen Brinksitzer waren im Rahmen der „Extraordinairen Dienste“ verpflichtet,
mit ihren eigenen Gespannen Postsachen für das Haus Gartow von Gartow nach Dannenberg
und zurück gegen Entrichtung eines Prövengeldes zu befördern sowie 3 - 4 Meilen (1 Meile = 7,4
km) weite „Briefe-Reisen“ für das Haus Gartow zu verrichten. Zwei Mal wöchentlich fuhr ein Gespann
mit bis zu vier Pferden von Gartow nach Dannenberg. In den Registern werden sie oftmals
als „Postführer“ und „Briefträger“ bezeichnet. Ausgenommen von den Diensten waren der Fährmann
und der Lehnmüller.
Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt trat im Posttransport eine Veränderung ein:
An gewissen Wochentagen brauchte die Post nur noch von Pretzetze geholt zu werden, weil im
Haus des dortigen Försters „auff dem Pretzetzer Damme“ (Deich) eine Postumschlagstation eingerichtet
wurde. Vermutlich war der Förster zu Pretzetze vom Dannenberger Amtmann zu diesem
Nebendienst verpflichtet worden. Die Kosten für die Verbindung Dannenberg-Pretzetze zahlte das
Amt Schnackenburg. Der Grund zu dieser Einrichtung lag in der extremen Abseitslage des Amtes
Schnackenburg. Um Schnackenburg an den ämterinternen Briefverkehr effizienter anzuschließen,
wurde vereinbart, daß die für Schnackenburg bestimmte Post von Dannenberg bis Pretzetze – unweit
der Grenze zwischen Amt Dannenberg und dem Herrschaftsbereich des Hauses Gartow bei
Laase – gebracht wird.
Bei dieser Gelegenheit brachte der Dannenberger Postbote auch Briefe für Gartow mit und nahm
auf seinem Rückweg Briefe aus Schnackenburg und Gartow wieder mit. Den Transport zwischen
Pretzetze und Gartow besorgten die Gorlebener Untertanen. Bedienstete des Amtes Schnackenburg
brachten bzw. holten die Post aus Gartow.
Der Postbeförderungsdienst durch die Gorlebener dauerte bis zum 30. April 1750. Ab 1. Mai desselben
Jahres richtete die Königliche Post zwischen Dannenberg und Gartow eine eigene fahrende
Post ein. Die Hofinhaber aus Gorleben: J.C. Schulze, H.H. Meyer, H. Riesche, J.J. Meyer, C. Gödeke,
J.H. Schrampe, H. Gödeke, J.R. Buhmann, J.H. Schulze, J. Schrampe, J.C. Schröder, J.H. Schack
und Joh.H. Schack brauchten fortan keine Postfuhren mehr zu leisten. Statt dessen mußten sie
jährlich insgesamt 30 Rtlr. Dienstgeld an das Haus Gartow geben. Vorsorglich wurde dieser Vergleich
so abgefaßt, daß im Falle einer Aufhebung der königlichen Postverbindung die alte Regelung
wieder Gültigkeit hatte, d.h. die Gorlebener Postfuhren wieder aufzunehmen wären. Wie
richtig diese Überlegung war, zeigte sich schon 6 Jahre später, als der Dannenberger Posthalter
Ludewig am 17.12.1756 mitteilte, daß die Postverbindung zwischen Dannenberg und Gartow zum
Jahresende 1756 wegen Unrentabilität aufgehoben werden sollte.
Vom Neujahr 1757 an waren die Gorlebener gehalten, wie bisher die üblichen Postfuhren für das
Haus Gartow zu verrichten. Auch der damalige Gerichtsvogt Jacob Malchien Trahms aus Gartow
durfte sich wieder auf den (Fuß-)Weg nach Pretzetze machen. Nach zehn Jahren besann sich
die Königliche Post wieder darauf, eine ab 1.10.1768 in Kraft tretende Postverbindung zwischen
Dannenberg und Gartow anzulegen. Nur wenige Tage zuvor mußte ein Bote aus Gartow in dieser
Angelegenheit nach Dannenberg geschickt werden. Für die Gorlebener Untertanen endete nun
nach siebzigjähriger Tätigkeit der Postbeförderungsdienst für immer, da die Königliche Post die
Verbindung nach Gartow dauerhaft aufrecht erhielt. 22
217
Im April 1897 bestand zwischen Gartow und Lüchow zur bereits bestehenden noch eine zweite
Personenpostverbindung, d.h. ein Postkutschenkurs zur Post- und Personenbeförderung. Täglich
fuhr die Postkutsche um 7.25 Uhr ab und erreichte Gartow um 10.15 Uhr. Von Gartow ging es um
17.25 Uhr wieder zurück nach Lüchow, wo die Postkutsche um 20.15 Uhr eintraf. Seit 1893 war
sogar das Straßenkreuz Rondel als Haltestelle ausgewiesen.
Von der frühen Postkutschenzeit hat Harry Halbom
aus Dolgow eine romantische Geschichte
überliefert, die Gartow betrifft:
„Fast 60 Jahre liegt es zurück: „Kasten-Jochen“,
der Paketbriefträger Jochen Flügge, der auch
viele Jahre der Postillon Lüchow-Gartow war,
hatte sich gewünscht, noch einmal wie früher
den Gartower Personenpostwagen zu fahren.
Man hatte ihm den Silvester-Wunsch erfüllt.
Und ich durfte mit ihm nach Gartow fahren! Vaters
Regimentskamerad von der Garde in Potsdam,
der alte Haverland von der Talmühle (auf
dem Höhbeck), war benachrichtigt, ich sollte
für ein paar Stunden dahin abgeholt werden.
Das Märchen vom Dukatenmacher hatte sich
erfüllt. Frühmorgens fuhr ich mit Jochen los,
und es war sogar Posthalter Dehns Schimmel
mit im Gespann. Keiner blies das Horn so hell
wie Jochen. Schon an der Loger Ecke ging`s
los: „Ach du mein lieber Gott, muß ich schon
wieder fort auf die Chaussee ohne Kaffee!“
Aber nach der rührseligen „Post im Walde“-
Weise zog der Postillon die platte Flasche aus
der Brusttasche und blies darauf ein anderes
Liedlein. In Woltersdorf wiederholte sich alles
und dann noch dreimal bis Trebel.
Postkutsche
In Trebel bekam ich auf meinem Bock Gesellschaft, einen Jungen, wohl ein Jahr älter als ich; es
war ein Neffe Jochens. Wir wurden uns beide schnell einig, auch darin, daß er gleichfalls, statt in
Gartow zu bleiben, mit mir zu Talmühle kommen sollte.
Es war ein schöner Wintertag. Früher, so dünkt mich, sind die Weihnachts- und Altjahrstage, je,
die ganzen „Zwölfe“ immer voll Schnee und Eis gewesen. Auch in der elf Kilometer langen Forst
blies Jochen einmal so und einmal so und in Gartow nochmals. Dort stand der Vietzer Korbwagen
schon bereit. Jochen war so mit sich beschäftigt, daß er ohne Bemerkungen seinen Neffen Ernst
mit hinüberwechseln ließ. Weiter ging die Fahrt. Wie wunderschön war die weiße, schnee- und
eisglitzernde Fläche ringum. So tief einprägsam und majestätisch sind mir diese herrlichen Weiten
nie wieder erschienen, obgleich ich dort noch oft entlanggefahren bin. Nur einmal, als ich 50 Jahre
später dort oben bei untergehender Sonne Abendvesper hielt und Gartow ganz goldumbordet vor
mir lag, fühlte ich ähnliches. Die Fahrt Pevestorf - Vietze - Talmühle aber wurde mein Jugenderlebnis
von 1899.
218
Oktober 1878: Personenpostkurs Lüchow über Gartow nach Schnackenburg
Wie erschrak ich über den eisschollentreibenden Strom tief, tief zu meinen Füßen; wie sang der
Silberbach zu seinem Talsturze; wie brausten die hohen Baumkronen über mir. Ernst war nüchterner
und hielt sich an Haverlands schon etwas altbackenen Weihnachts-Butterkuchen. Der Talmühler
Tannenbaum hatte einen Musikfuß, der die beiden Lieder „Stille Nacht“ und „Großer Gott,
wir loben dich“ klingelte. Den hatten wir in Lüchow nicht. Vater hatte vielmehr ein Weihnachtsgärtchen
für den Christbaum gebastelt, so daß er wie weiland der Baum des Lebens und der Erkenntnis
ausschaute. Beides war er auch für mich, wenn ich ihn zum ersten Male sah und etwas später
heimlich ihn unten kahlgemacht hatte. Haverlands hatten eine echte Talmühlentanne, viel höher
und größer als unser Tannenbaum zu Hause. Ich schwelgte über ihn, Ernst war`s egal, ob groß
oder kleiner. Er hielt sich an den Butterkuchen, der reichlich vor uns lag.
Viel Ungewohntes und Schönes gab`s zu sehen. Und doch harrten wir beide, die wir das erste
Mal ohne Eltern gereist waren, schließlich auf den Abschied. Das Korbwägelchen kam wieder
und fuhr uns nach Gartow zurück. Und nach dem Besehen der Schaufenster und einigen kleinen
Zwischenfällen mit den Gartower Jungen kam dort dann auch Jochen Flügge hoch auf dem gelben
Wagen, mit Horn und Koffer und Sporn. Es dunkelte schon, als wir abfuhren. Ernst und ich, wir
hielten uns an den Händen. Er ist später auch ein solcher Postillon geworden und hat sich lange
dieselbe Strecke entlanggeblasen. Er bekam schließlich sogar vom Kaiser ein silbernes Posthorn
als Ehrengabe, das zuletzt über seinem Grab auf dem Seelhorster Friedhof in Hannover erklang.
219
Am Tage war wieder neuer Schnee gefallen. Auch während der Fahrt durch den immer finsterer
werdenden Tann schüttelte Frau Holle die Betten so, daß uns Jochen in die leere Kalesche stecken
wollte; aber wir waren rechte Jungen und blieben draußen auf dem Bock. Plötzlich ertönte eine
Glocke. Die Romantik der Stunde gab mir ein, es müsse ein Schloßglöcklein von Gartow sein. Jochen
hielt und trat vom gelben Wagen in die Tannen, eine Jungschonung, nicht weit von Rondel.
Und dort blies es gewaltig: „Ach wie laufen doch die Jahre, wie verschwindet doch die Zeit!“ Er blies
zwei Verse des alten Silvesterliedes und kam dann wieder auf den Wagen. In Trebel verließ uns
Ernst, und wir fuhren weiter. Nun läuteten rundum die Glocken. Da fragte mich der kleine, dicke,
rotgesichtige, im Alltag so nüchterne Mann, von dem ich nie geglaubt hatte, daß so viel Romantik
in ihm sei: „Weetst du, wat ick blast `ew?“ ich sagte die erste Strophe auf. Als ich dann schwieg,
fuhr er fort: „Doch du hast durch deine Güte wie ein Wächter mich bewahrt, daß der Tod die Leibeshülle
noch nicht in das Grab gebracht. Ach wie soll ich das versteh`n, da noch andre schlafen
geh`n und gar viele schon begraben, die noch nicht mein Alter haben.“ Und dann erzählte er bis
Lüchow von all seinen Fahrten durch den Gartower Tann. Von dieser Stunde an ist er für mich
ein ganz anderer Mann geworden. Und alle, die in dieser Geschichte mitspielen, sind schon nicht
mehr unter den Lebenden, mich ausgenommen, der ich die Geschichte aufschrieb“. 23
Um 1888 werden in Gartow der Briefträger
Christoph Johann Joachim Wolf und der Landbriefträger
Joachim Christoph Schrader genannt;
um 1917/18 auch der „Postaushelfer“
Heinrich Bade und August Mai. Landbriefträger
waren Hermann Warnecke, Otto Meyer, Heinrich
Buss, Wilhelm Wendig, Wilhelm Bohlmann
und Willi Ehlers sowie Postschaffner Heinrich
Lüders und Postverwalter Albert Behrens.
1936 der Posthelfer Otto Schaal, Postschaffner
Hermann Warnecke und die Witwe des Postschaffners
Wichtendahl.
Postaufgabeschein vom
8.5.1843
Postaufgabeschein vom 19.3.1845
220
Zur weiteren Postgeschichte von Gartow ist z. Zt. nur wenig bekannt, um 1852 werden in Gartow
als Postbedienstete die Personen Harbord und Dankert, erwähnt, wobei Ersterer schon 1843 verstorben
war. 24
Das Postamt in Gartow war lange Zeit im auffälligen Fachwerkgebäude an der Abzweigung Hahnenberger
Straße/Springstraße untergebracht. Dann erfolgte der Umzug der Poststelle in das neu
errichtete Gebäude der Tourist-Information (Elbtalaue-Wendland Touristik) Nienwalder Weg 1. Seit
September 2003 befindet sich eine Postfiliale im Geschäft der FDNF Fahrradtouristik in der Hauptstraße
19.
2009: Ehemaliges Postamt Gartow, Springstr. 1
Ratswall
Um die Ortslage Gartow herum hat es einen Lehmwall gegeben, der wohl nicht nur Verteidigungszwecken
sondern auch als Hochwasserschutzwall gedient haben könnte. Auf der im Jahr 1700
vom Geometer Pflaumbaum gezeichneten Karte ist ein Wall als rückwärtiger Schutz wohl gegen
einstauendes Hochwasser südlich der Hauptstraße in Begleitung des damals noch vorhandenen
und mit Wasser gefüllten Umfassungsgrabens im Verlauf der heutigen Straße von der Post Richtung
Schloß nach Nienwalde eingetragen.
Der Wall wurde noch vor 1720 abgetragen und der Graben eingeebnet. Auf dem alten Wallgelände
durften Bürger Häuser bauen, mußten aber „Ratswallgeld“ dafür bezahlen. In der “Rechnung
der Gartower Bürger von 1727/28“ heißt es unter dem Titel „vom Ratswall“: Der Bäcker Heinrich
Berk hat den halben Ratswall bebaut und gibt dafür jährlich 3 Taler“ ( Nutzungsentschädigung).
Der Schlossermeister Delius (Hausnummer 27) zahlte noch vor einigen Jahrzehnten jährlich
221
10,29 Mark Ratswallgeld an die Realgemeinde.
Noch bis in das 20. Jahrhundert hinein hat
der Einwohner Delius jährlich nunmehr in Mark
umgerechnet, den Betrag von 10,29 Mark an
die Realgemeinde Gartow gezahlt, welches als
„Ratswall“-Geld verbucht wurde.
1764: Beständige Einnahme vom Ratswall
Im April 1954 gelang ein kurzer Blick in den Untergrund des Ortskerns von Gartow, als Telefonkabel
repariert worden sind. Gegenüber von Alfermann war im Zuge dieser Arbeiten in 1,50 m
Tiefe altes Backsteinmauerwerk freigelegt worden. Es kam eine Sandaufschüttung von rd. 1 m
Mächtigkeit zum Vorschein, die am Ostende der Straße abnahm. In Höhe des Postgebäudes zu
Beginn der Hahnenberger Straße stieß man bei Bauarbeiten auf Teile eines alten Knüppeldammes.
Auch am Haus Delius sind im Untergrund senkrecht stehende etwa 1,50 m lange und 8 - 10
cm Durchmesser aufweisende Holzpfähle sichtbar geworden. Hier werden Reste des ehemaligen
Ratswalles vermutet.
Scharfrichterei/Abdeckerei
Scharfrichter wurden nicht nur im Strafvollzug beschäftigt, sondern ihre tägliche Arbeit bestand in
der Tierkörperbeseitigung bzw. der Verwertung der Kadaver sowie im Einsatz der Veterinärmedizin.
Infolge des großen Einzugsgebietes um Gartow und der Existenz vieler hundert Kopf Vieh auf
den Bauernhöfen und den Gutswirtschaften mit Vorwerken hatte der Scharfrichter stets Arbeit. Da
er die Tierhäute verwertete, wird er nebenher auch eine kleine Gerberei betrieben haben.
Seit 1692 bemühte sich das Haus Gartow gegen den Widerstand der Amtsverwaltungen in Schnackenburg
und Lüchow, eine Genehmigung zur Niederlassung eines Scharfrichters in Gartow zu
erhalten. Erst nach langen juristischen Querelen und Urteilsverkündungen am 1.12.1706 und
2.1.1715 durfte ein Abdecker angestellt werden. Mit dieser Entscheidung mußten sich die Untertanen
der Adelsfamilie von Plato in Lomitz, Gedelitz, Gr. Breese, Marleben, Nemitz, Trebel und
Tobringen nach Gartow orientieren.
Da die Abdeckerei ein „Lehn“ des Hauses Gartow war, mußte der Inhaber bei einem Besitzerwechsel
an das Haus Gartow jeweils 50 Rtlr. zahlen. Diese Gebühr wurde als „Lehnware“ bezeichnet.
Als Pachtgeld zahlte der Abdecker jährlich 30 Rtlr. sowie Hausmiete; das Haus Gartow war dafür
verpflichtet, die Gebäude instand zu halten.
222
Ungeachtet der juristischen Unsicherheiten
arbeitete bei der Besitzübernahme 1694 in
Gartow bereits der „Meister“ Valentin Wilhelm
Kannenberg.
Das unehrenhafte Amt des Scharfrichters übte
bereits ein Familienmitglied der Kannenbergs
(Leonhard) seit 1662 in Fallersleben aus, ebenso
ein weiteres Mitglied (Hans Martin) vor 1731
in Wolfenbüttel sowie Erhard Kannenberg bis
etwa 1755 in Dannenberg. Auch die Familie
Miethling stellte über die Zeitläufe Scharfrichter,
so Erich Christian Miethling seit etwa 1755
in Bockenem. 25
Scharfrichter
1699 wurde in Quarnstedt vom Hof Ahrends ein Stall abgebaut und als Kuhstall für die Abdeckerei
in Gartow wieder aufgebaut. Ein Jahr später erhielt Kannenberg für seine kleine Landwirtschaft
eine Scheune von „5 Verbind“, das Holz stammte von der abgenommenen „Cords Scheune“.
Mit Kiefernholz aus den Hahnenbergen ist 1706 ein völlig neues Wohngebäude errichtet worden,
weil das vorhandene „nicht allein sehr klein sondern auch dabey ganz baufällig und schon auf
Stützen“ befindlich war. Der Bau wurde 1707 fertig und kostete 297 Rtlr., im Jahre 1716 kam eine
neue Scheune hinzu. 1735 erhielt das Wohnhaus eine Hartbedachung, 1751 folgte ein Innenausbau.
Um die „Hatzhunde“ unterzubringen, errichtete der Gartower Zimmermeister Peter Witthöft
1737 einen Stall „von 5 Verbind“.
Die 1716 erbaute Scheune war 1756 baufällig und ist durch einen Neubau ersetzt worden. 74 Fuder
Fundamentsteine stammten vom Höhbeck, Mauersteine lieferte Otto Christoph Lucas von der
Ziegelei Pollitz, Dachpfannen Meister Salge aus Damnatz. Die Zimmerarbeiten verrichtete Meister
Teege und die Maurerarbeit Johann Zierris, beide aus Gartow.
Der Scharfrichter arbeitete nicht allein, er hatte als Hilfskraft einen „Knecht“. Ereigneten sich
beim Vieh unerklärliche Todesfälle, war es Aufgabe des Abdeckers, das Tier aufzuhauen und zu
visitieren“. Besonders während des Verlaufs von Viehseuchen gab es für den Abdecker viel zu tun.
Dieser Berufsstand wurde mitunter auch als „Nachrichter“ bezeichnet.
Im Laufe der Jahrhunderte blieb das jährliche Pachtgeld in Höhe von 30 Rtlr. unverändert, seit
etwa 1750 lieferte der jeweilige Scharfrichter dem Haus Gartow drei Paar Lederhandschuhe im
Jahr zusätzlich. Um 1890 verdoppelte sich die Anzahl der zu liefernden Handschuhe und der Abdecker
mußte vier große Hunde des Hauses Gartow mitfüttern.
Folgende Scharfrichter/Abdecker sind bekannt:
Valentin W. Kannenberg (1694, 1723), später dessen Witwe, Christoph Schultze, aus Putlitz stammend,
er heiratete 1739 eine Tochter der Witwe Kannenberg. Schultze verstarb am 29.3.1778
und hinterließ als Witwe seine Ilsabe Catharine geb. Pieper. Deren Sohn Johann Christoph Erdmann
Schultze übernahm die väterliche Tätigkeit ab 1795, davor kümmerte sich seine Mutter mit
Hilfe des Knechtes um die Scharfrichterei/Abdeckerei.
223
Um 1813 bekleidete dieses Amt Johann Dietrich Niebuhr und ab 1816 kaufte Johann Christian
Friedrich Miethling das Anwesen und arbeitete nunmehr als Scharfrichter. Am 9.12.1816 erwarb
C.F. Miethling für 1600 Rtlr. in Gold das Scharfrichteranwesen vom Haus Gartow und brauchte
keine Wohnungsmiete mehr entrichten. Das Anwesen bestand damals aus Wohnhaus, Scheune,
Stall, Backhaus, Lederhaus, Schweinestall, Garten und Wiese.Er war noch 1857 tätig. Nachfolger
wurde Hennings, danach kam bis 1885 August Hahn, der das Anwesen an Friedrich Miethling
verkaufte. Um 1893 wird August Miethling erwähnt, der die Abhängigkeit vom Haus Gartow zur
Jahrhundertwende mit einer Geldzahlung ablöste.
Am 17.7.1862 brannte das Scharfrichter-Wohnhaus nieder. Auf der alten Scharfrichter-Stelle nahe
am Verwalterhaus wurde 1805/06 ein neues herrschaftliches Haus vor Gartow mit zwei Etagen
für 3048 Rtlr. erbaut.
Weil die Ausübung der Scharfrichterei laut Gesetz vom 17.12.1872 aufgehoben worden war, hatte
nur noch die Abdeckerei Bestand.
Schmiede
Die Schmiede befand sich früher im Besitz der Familie v. Bülow und wurde an den Grobschmied
Claus Möller verkauft, der sie jedoch nicht lange betrieb und eine neue Schmiede innerhalb Gartows
anlegte. Nach seinem Tod verkauften dessen Erben die Schmiede 1698 an das Haus Gartow.
Sie wurde nach Herrichtung dem Deichmeister Krukenberg als Wohnung zugewiesen.
Die Schmiede und das Wohnhaus befanden sich auf der sogen. „adelichen Freyheit“.
1704/05 mußte das Wohnhaus neu errichtet werden. Dort zog nun der Gartower Federschütze
ein. In den Jahren 1705/06 ist eine neue Schmiede mit dem Material des alten, vor der Schloßbrücke
stehenden Backhauses bei der Schäferei Gartow, erbaut worden. Die alte Schmiede befand
sich nahe der Scharfrichterei und des Hirtenhauses.
Mit einer Kapitalzahlung an die Gartower Bürgerschaft im Jahre 1710 konnte das Schmiedewohnhaus
von Steuerzahlungen an die Gemeinde Gartow befreit werden.
Nach dem Tod des bisherigen Hofschmieds Erich Hohse ist die Schmiede 1710 um zwei Fach
für den neuen Schmied Jürgen Wilhelm Dittmer vergrößert worden. Schmied Dittmer hatte die
Schmiede und den Garten für jährlich 18 Rtlr. gepachtet. Nahe der Schmiede befand sich das sogen.
Leineweberhaus, das ebenfalls zum Haus Gartow gehörte und in dem der Leinweber Johann
Ebeling wohnte.
Um 1751 erscheint Hans Frahm als neuer Schmied. Die alte Schmiede wurde 1754 abgebrochen
und um in der Bauzeit keine Verzögerungen eintreten zu lassen, ist sofort eine „Interims-Schmiede“
erbaut worden. 1755/56 kam es für 786 Rtlr. zum Neubau „von 15 Verbind auf der sogen.
Schäferey“. Rund 300 Fuder Fundamentsteine kamen vom Höhbeck, 6300 Mauersteine von der
Ziegelei Pollitz. Folgende Handwerker waren beteiligt: natürlich der Schmied H. Frahm selbst, Zimmermeister
Michel Christoph Teege, Maurermeister Jochim Friedrich Dräger und Glaser Jürgen
Wilh. Behncken, alle aus Gartow.
In der „Interims-Schmiede“ nahm Zimmermeister M.C. Teege eine Mietwohnung.
224
Um 1772 wirkte der Schmied Jürgen Christoph Frahm, 1778/79 der „Chur-, Huf- und Waffenschmied“
Joh. Conrad Meyer und seit 1781 Jacob Christian Carl Ahnholz. Die Pacht von bisher 18
Rtlr. wurde ab 1804 auf 23 Rtlr. erhöht, als der neue Schmiedepächter Ernst Joh. Carl Fischer die
Schmiede übernahm.
Der Schmied Ahnholz erhielt bis 1782 jährlich etwa 120 Rtlr. für geleistete Schmiedearbeiten, die
das Haus Gartow als Aufträge an ihn vergab. Ferner erhielt er jährlich 36 Rtlr. für seine Funktion
als gleichzeitiger Tierarzt. Ahnholz hielt sich zwei Gesellen (8 - 16 ggr. Wochenlohn), damals kostete
ein Pfund Stahl 2 ggr. und eine Schiffslast (rd. 40000 Pfund) Steinkohlen 34 Rtlr.
Mit Vertrag vom 1.1.1823 verpflichtete sich Schmied Fischer nicht nur das Hufebeschlagen der
Pferde vom Hause Gartow vorzunehmen, sondern auch alle Reparaturen an Ackerwagen, Sturzkarren,
Eggen, Pflügen, Schlitten, Ketten, Hacken, Forken, Schaufeln, Beile, Eimer, Kartoffelmühle,
Häckerlings- und Kornsichtmaschine. Bezahlt werden mußten diese Arbeiten vom Haus Gartow
dennoch (jährlich 135 - 300 Rtlr.). Möglicherweise hatte der Vertrag nur zum Ziel bei den Arbeiten
bevorzugt zu werden. Die damalige Schmiede bestand aus Wohnhaus (Stube, drei Kammern,
Küche, Diele, Hausboden), Beschlagscheune und Garten. In der Schmiede befand sich die Esse,
Blasebalg, Amboß, Schleifstein, Kohlenkammer und verschiedene Gerätschaften. 26
Als Schmied Fischer im Jahr 1840 verstarb, ist als neuer Pächter Heinrich Jacob Bethge angenommen
worden, er zahlte 50 Rtlr. Jahrespacht. Später trat sein Sohn Adolf die Nachfolge an, er
zahlte nun 62 Rtlr. Pachtgeld. Auch Adolf Bethge verpflichtete sich ab 1891 zum Hufbeschlag der
12 Ackerpferde und zur Vornahme von Reparaturen. Wegen wirtschaftlicher Veränderungen auf
dem Gut Gartow ist Bethge ab 1897 von dieser Verpflichtung entbunden worden.
Ab 1.5.1900 pachtete Schmiedemeister Emil Kropp jun. für 250 Mark Jahrespacht die gräfl.
Schmiede, deren Wohnhaus noch heute am Nienwalder Weg existiert. Für 900 Mark im Jahr erledigte
er den Hufbeschlag und Schmiedearbeiten auf den Gütern Gartow und Quarnstedt. Um
1906 wird in den Pachtverträgen eine derartige Verpflichtung nicht mehr genannt. Sein Sohn Otto
Kropp war noch 1936 gräflicher Schmied. 27
Sparkasse
Nicht unmittelbar zur Förderung der Gesundheit gedacht, dennoch mit einem sozialen Grundgedanken
behaftet, war die vormals bestehende Gartower Sparkasse.
Thekla v. Bernstorff legte im August 1833 einen „Plan der für das Gericht Gartow errichteten
Ersparnis-Anstalt“ vor. Im Einleitungstext wird der Zweck dieser Anstalt beschrieben:
„Da sich zu allen Zeiten bewähret, daß – Sirach 19, V.1-: Wer ein Geringes nicht zu Rathe hält,
der nimmt für und für ab“, da man ferner sieht, daß an vielen Orten des In- und Auslandes Spar-
Kassen gegründet sind und zum Segen der Einleger gereichen: so wünscht Unterzeichnete für die
Unbemittelten, denen es schwer wird, ihre kleinen Ersparnisse sicher zinsbar unterzubringen und
für die oft selbst die Aufbewahrung mit Unsicherheit verbunden ist, eine ähnliche Ersparniß-Anstalt
zu gründen und hofft mit Gottes Hülfe hierdurch den Sinn für Sparsamkeit zu wecken und so
den Wohlstand zu befördern. Es werden bei Gründung dieser Ersparniß-Anstalt folgende nähere
Bestimmungen und Bedingungen festgesetzt: § 1 Die Spar-Kasse nimmt von jedem Dienstboten,
Tagelöhner, Handwerker, Schiffsknechte des Gerichts Gartow Summen von 6 Guten Groschen bis
100 Reichsthaler entgegen. Eine höhere baare Einlage, diese mag nun auf einmal oder nach und
nach geschehen, wird der Regel nach nicht angenommen. Die Einlagen werden jährlich mit 3 1/8
pro Cent, also der Thaler mit 9 Pfennig verzinset…“ Thekla v. Bernstorff leitete die Sparkasse. Es
225
waren stets gräfliche Bedienstete, die als Revisor oder auch als Kassenführer dienten wie z.B.
Amtmann Dr. Sarnighausen, Sekretär Boehm, Dr. Spiel, Amtsassessor v. Estorff, Sekretär Brüggemann.
28
Als die Sparkasse 1833 ihren Betrieb aufnahm,
waren die ersten Sparer der Gartenknecht
August Heinrich Barge (er zahlte 29 Rtlr.
ein), Dienstmagd Katharina Elisabeth Hinrichs
aus Restorf (40 Rtlr.) und Dienstmagd Karoline
Reitz (3 Rtlr.). Späterhin haben etliche Eltern
für ihre Kinder oder Mündel Geldbeträge eingezahlt.
Als Sparer waren Frauen deutlich überrepräsentiert.
Ein Teil der Spareinlagen wurde
zinsbringend in Preuß. Staatsschuldscheinen
angelegt. 1845 hatten bereits schon 70 Sparer
ihr Geld dort deponiert, die Gesamt-Spareinlage
betrug 3813 Rtlr. Allerdings war der sogen. „eiserne
Bestand“ nicht hoch. Damals erscheinen
zwei Sparer mit je 300 Rtlr. Guthaben an der
Spitze, es waren dies Tagelöhner J.C. Johnke
und Altsitzer Schröder, beide aus Prezelle. So
sehr erfolgreich war die Geschäftsführung, daß
bis 1847 etwa 1000 Rtlr. aus Überschüssen für
wohltätige Zwecke gespendet werden konnten.
Die Zahl der Sparer war kleinen Schwankungen
unterworfen, 1851 = 113, 1859 = 98, 1865 =
114 und 1867 = 93. Die Gesamt-Einlagesumme
bewegte sich zwischen 5329 und 7254
Rtlr. Im Jahre 1871 war die Anzahl der Sparer
auf 61 herabgesunken bei 2322 Rtlr. Gesamt-
Einlagesumme.
„Contra-Buch“ der Sparkasse des Gerichts(bezirks)
Gartow
Dieser Trend setzte sich leider fort: 1879 waren es nur noch 17 Sparer mit 688 Rtlr. und 1885 gar
nur noch neun mit 548 Rtlr., davon acht Frauen. Wann die Sparkasse dann ihre Tätigkeit einstellte,
ist z.Zt. nicht bekannt.
Im benachbarten Schnackenburg gab es seit dem 1. Juni 1848 eine private Sparkasse, ab 1. Mai
1855 eine städtische, die 1930 ihr 75 jähriges Bestehen begehen konnte.
Die Bereitstellung und Verwaltung von Geld sowie damit verbundene Geschäftstätigkeiten sind das
Fundament jeglicher Wirtschaftsentwicklung. Daher trat an die Stelle der Gartower Ersparnis-
Anstalt um die Jahrhundertwende eine andere Institution: Die Kreissparkasse für den Kreis Lüchow.
226
Nunmehr etablierte sich eine kreisweit agierende „Kreissparkasse“, die eine sehr erfolgreiche
Entwicklung aufwies.1905 verzeichnete sie Einlagen in Höhe von 1,136 Mio. Mark (Umsatz 4
Mio.). Es handelte sich zunächst um die „Kreis-Spar- und Leihekasse des Kreises Lüchow“ (Satzung
vom 5. April 1902), wo Günther Graf v. Bernstorff als Beisitzer im Vorstand fungierte. Im Jahre
1918 betrug der Umsatz schon über 70 Mio. Mark bei 24431 Mark Reingewinn. Und im Januar
1926 erscheint in der Zeitung die kurze Notiz: „Die Zweigstelle Gartow hat sich gut entwickelt und
im Jahre 1925 war schon ein Reingewinn von 7000 Mark vorhanden….“
Bereits 1906 existierte eine Annahmestelle für die Kreissparkasse in Gartow, sowie weitere in
Gorleben, Trebel, Schweskau, Bockleben, Lüchow, Krummasel, Clenze, Bergen/D. und Bahnhof
Schnega. Die Kreissparkasse für den Kreis Lüchow bestand seit dem 1. Oktober 1902, es galt die
„Satzung für die Kreis-Spar- und Leihekasse des Kreises Lüchow“ vom 5. April 1902. Am 15. Mai
1924 ist in Gartow dann „eine selbstständige Zweigstelle errichtet worden, um dem östlichen Teile
des Kreises Erleichterungen im Kassenverkehr zu schaffen“. 29
Im Geschäftsbericht der Kreissparkasse Lüchow von 1925 wird mitgeteilt: „Die Zweigstelle Gartow
war gezwungen, ihr Geschäftslokal zu verlegen. Zu diesem Zwecke wurde das Grundstück des
früheren Fuhrunternehmers C.F. Behrens käuflich erworben. Der Rechnungsführer Benecke ist
nicht mehr in unseren Diensten.“ In „Passiva“ registrierten die Mitarbeiter Stahlberg und Weede
unter Spareinlagen 45619 Reichsmark, unter Kontorrent-Konten 20661 RM, Hauptstelle 44072
RM, Reingewinn 6801 RM.
Nach der Bilanz vom 31.12.1925 verfügte die Zweigstelle Gartow über folgende Aktiva: Kassenbestand
= 748,81 RM; Postscheckkonto = 876,60 RM; Kontokorrent-Konten = 102578,89 RM;
Gemeinde-Darlehen = 617,30 RM; Handschein-Darlehen = 11600,87 RM und Wechsel-Konto =
739,75 RM, Gesamt = 117155,22 RM. Die Passiva bestanden aus: Spareinlagen = 45619,78 RM;
Kontokorrent-Konten = 20661,59 RM; Hauptstelle = 44072,27 RM; Reingewinn = 6801,58 RM;
Gesamt = 117155,22 RM. 30
Ende 1926 gab es in der Zweigstelle Gartow 419 Sparbücher mit 145429 RM (Durchschnitt 347
RM) und 179 Konten. Der Umsatz belief sich auf 1,491 Mio. RM nur im Scheck- und Kontokorrentverkehr
und der Gesamtumsatz lag bei 3,646 Mio. RM.
Im Zuge einer Verwaltungsreform sind 1932 die Landkreise Lüchow und Dannenberg zum Landkreis
Lüchow-Dannenberg vereinigt worden. Daher ergab es sich, am 1.April 1934 die 1902 gegründete
Kreissparkasse Lüchow in die Kreissparkasse Dannenberg zu integrieren, wie auch zum
1. April 1936 die Gemeindesparkasse Schnackenburg. 31
Von 1926 bis 1954 war Willy Stahlberg Zweigstellenleiter. In der Nachkriegszeit haben mehrere
Personen die Filiale der damaligen Kreissparkasse Lüchow-Dannenberg in Gartow geleitet. 39
Jahre lang war es Rudolf Goldnau bis 1998, danach Torsten Pils. 2003 fusionierten die Sparkassen
Lüchow-Dannenberg und Uelzen.
Verkehrsverbindungen im Raum Gartow
Gartow lag schon immer abseits der wichtigen Verkehrswege, aber auch nicht ganz davon abgeschnitten.
Zielpunkt aller den Gartower Raum durchlaufenden Straßen und Wege waren die
Lenzener und die Gorlebener Elbfähre. Der Weg von Gartow zur Lenzener Fähre war um 1695
vermutlich nur im Ort Gartow selbst und dem Seegebrücken-Damm gepflastert, im Übrigen handelte
227
es sich um reine Sandwege. Zwischen Quarnstedt und Restorf ist zudem die Deichkrone als Fahrweg
benutzt worden. Um diese Zeit führten weitere Wege über Holtorf nach Schnackenburg, nach
Nienwalde, Bömenzien, Kapermoor, Ziemendorf, Prezelle und Trebel sowie über Gorleben nach
Dannenberg. Zusätzlich existierten mehrere Heerstraßen, die das Gartower Gebiet durchzogen
oder direkt durch Gartow führten wie:
die Heerstraßen von Dannenberg nach Schnackenburg; von Schnackenburg über Gartow, Gr.
Breese und Lüchow nach Salzwedel; von Havelberg über Bömenzien, Gorleben nach Pretzetze und
von Seehausen über Prezelle, Trebel nach Pretzetze. Ferner bestand noch eine Landstraße von
Arendsee über den Klauksberg, Gartow, Holtorf zur Lenzener Fähre. Auch die Post- und Heerstraße
von Hamburg nach Leipzig verlief, unter Benutzung der Lenzener Fähre, über Holtorf, Kapern
und Bömenzien. Durch die Existenz der Lenzener Fähre wurde Gartow zum Durchfahrtsort bzw.
Zwangspunkt für Frachtfuhrwerke. Für den Verkehr mußten feste Wegedämme bei Quarnstedt,
Restorf und Pevestorf sowie eine stabile Brücke über die Seege in Gartow vorgehalten werden.
Die bauliche Unterhaltung oblag den Herren von Bülow. Bereits Herzog Magnus zu Braunschweig-
Lüneburg hatte dem Haus Gartow die Erhebung eines „Brükken- oder Wege-Pfennigs“ erlaubt.
Die Unterhaltungslast wurde Vicke von Bülow mit der Zeit zu schwer, so daß sich die Stadt Lenzen
1490 zur Instandhaltung des Wegedammes von der Fährstelle bis Pevestorf verpflichtete.
1742: Gartower Umland gezeichnet von Gottfried von Walthausen
Zwischen 1695 und 1699 ist die Lenzener Fähre flussaufwärts, nördlich von Holtorf, verlegt worden.
Daraus ergab sich ein Vorteil für die Brandenburger, weil Holtorf bis 1719 zu ihrem Territorium
gehörte. Der Fähre kam auch strategische Bedeutung zwischen den Ländern Preußen und Hannover
zu. Das blieb auch noch nach 1719 so. Bis 1719 lag das kleine, nur von der Stadt und Feldmark
gebildete Amt Schnackenburg als Enklave im preußischen Staatsgebiet, da auch die Dörfer
Kapern und Gummern noch nicht zum Kurfürstentum Hannover sondern zu Preußen gehörten.
228
1757 kam die in Gartow befindliche Steinpflasterstrecke „von der Gartower Fleckensbrücke vor
dem Spring anfangend bis zum Ende des sogen. Quarnstedter Dammes“ einschließlich der Seegebrücke
in die öffentliche Wegepflicht. Bisher mußte das Haus Gartow lt. Vereinbarung vom
22.8.1846 den Quarnstedter Fahrdamm unterhalten, den die unterhaltungspflichtigen Ortschaften
Holtorf, Kapern und Gummern im Laufe der Zeit geschaffen hatten.Nach der Wegeordnung
von 1719 hatten die Anliegergemeinden Wegeabschnitte innerhalb ihrer Gemarkung instand halten
müssen. Diese Straßen waren bis um 1850 in keiner Weise mit einem festen Belag versehen
und die bauliche Unterhaltung wurde nur minimal von den angrenzenden Gemeinden durchgeführt.
Lediglich die Ortsdurchfahrt Gartow mußte bereits vor 1800 mit Kopfsteinpflaster befestigt
werden, um sie befahrbar zu halten. Mit den Einnahmen des Wegezolls an der Seegebrücke wurde
der Quarnstedter Damm instand gehalten. Erst nach Inkrafttreten des Wegegesetzes vom 28. Juni
1851 und der Bildung von sogen. Wegebauverbänden konnten wichtige Straßenverbindungen
dauerhaft befestigt werden.
Im Bereich des Gartower Ortsteiles Hahnenberge wurde 1857 die erste „Kunststraße“ als Chaussee
im Gartower Gebiet ausgebaut. Von 1860 - 69 erfolgte der Chausseeausbau von Gartow nach
Schnackenburg, von 1863 - 71 von Lüchow nach Gartow und 1876 in der Feldmark Meetschow.
32/33
Das Hochwasser vom März 1855 hatte gezeigt, daß Gartow von der wichtigen Wegeverbindung
nach Trebel abgeschnitten werden konnte. Daher wurde beschlossen, die Straße nach Trebel im
niedrigen Niveau des Ortsteiles Hahnenberge hochwasserfrei zu erbauen, d. h. auf einen Damm
zu verlegen. Damals war gerade das Landstraßengesetz erlassen worden und fand in diesem
Bereich gleich Anwendung
Mit der Planung war die staatliche Wegebau-Kommission Uelzen (Techniker Voigts) betraut. Bei
dieser Gelegenheit wurde gleichzeitig die Landstraßentrasse zwischen Lüchow und Schnackenburg
grob festgelegt. Im Bereich Hahnenberge sind dabei Geländehöhen berücksichtigt worden,
die beim Hochwasser 1845/55 noch aus dem Wasser herausragten.
1855 fand unter Beteiligung von Wegebauführer Köhler und Graf v. Bernstorff in Hahnenberge
eine Ortsbesichtigung statt. Da der zum Hochwasserschutz existierende Schäferkampsdeich
„höchst brüchig“ war und seine Funktion nicht mehr erfüllte, ist mit dessen Bodenmaterial ein Teil
des Straßendammes geschaffen worden.
Dieser übernahm nun die Deichfunktion. Weiteres Erdreich stammte von den Sanddünen bei Hahnenberge
und vom gräflichen Ackerland. Der Boden ist mit Schiebkarren auf Laufbohlen in die
Einbaustellen befördert worden. Ferner mußten 370 Schachtruthen bindiger Boden durch „Auspüttung“
gewonnen werden. Im Straßendamm mußte ein Entwässerungs-Siel („Küpe“) verlegt
werden.
Im gesamten Gartower Amtsbezirk existierte 1856 nur die 4420 Ruthen (20,6 km) lange Landstraße
Kreyenhagen-Schnackenburg, die nur auf 1,5 km Länge leidlich befestigt war. Auf lediglich 700
m Strecke befand sich ein Steinpflaster. Die Instandhaltung erforderte jährlich recht hohe Kosten
(auf 4,66 m Länge = 1 ½ ggr., die unbefestigte Erdbahn dagegen nur 6 Pfg. je 4,66 m Länge).
Drei Schachtmeister (Bartels, Engelhardt und Korth aus Arendsee), ein Vorarbeiter (Hamann) und
eine ungenannte Zahl „Preußischer Erdarbeiter“ bewältigten den Bau. Die Gartower Amtsverwaltung
229
hatte am 16.10.1856 beschlossen, dem Grafen v. Bernstorff die obrigkeitliche Bauaufsicht zu
übertragen. Allerdings mußte er sich mit 792 m Teilstrecke und 2400 Rtlr. Kosten am Straßenbau
beteiligen. Für 14 Tage mußte der Verkehr im März 1857 über den Schloßhof geleitet werden.
Die Arbeiten, im Akkord ausgeführt, konnten im Dezember 1858 beendet werden. Erst im Sommer
1859 wurde die Steinschlagfahrbahn mit einer aus Woltersdorf herbeigeholten Straßenwalze
festgewalzt. Der neue Straßendamm erhielt 8,12 m Kronenbreite und an der südwestlichen Böschungsseite
eine Lehmabdeckung von 1,16 - 1,74 m Dicke. Insgesamt sind 2215 Schachtruten
Erdreich bewegt worden (1 Schachtrute = 6,38 Kubikmeter). Als befestigte Fahrbahn diente ein
3,48 m breites Steinpflaster, welches aus Grauwacke bestand und per Schiff aus dem Magdeburgischen
antransportiert wurde. Auf eine Ruthe Fahrbahnlänge (4,66 m) kamen neun Kasten
Steine.
Die überörtlichen Straßenplanungen waren 1857 soweit gediehen, daß die Trasse von Lüchow
über Loge, Woltersdorf, Oerenburg, Tobringen und Trebel nach Gartow planfestgestellt war. Nach
dem Ausbau der Strecke Gartow-Schnackenburg war geplant, die Straßenverbindung von dort
weiter nach Seehausen zu führen. 34
1860/61 ist die Wegeführung von Quarnstedt Richtung Kapern bis zur Höhe der zweiten Windmühle
ausgebaut worden. Die Straße wurde mit aus den Feldmarken Vietze und Brünkendorf
stammenden Steinmaterial befestigt.
Als Arbeitsleute waren Trupps eingesetzt, deren Wortführer Schulz aus Restorf, Bethke aus Kapern,
Camradt und Belitz aus Brünkendorf sowie Pevestorf aus Kapern waren. Der Vorarbeiter
hieß Hamann, die beiden Steinschläger namens Schulz stammten aus Salzwedel. Sie erhielten
pro Kasten verarbeiteter Steine eine Vergütung von 5 ggr. Die Steine sind mit Gespannen von den
örtlichen Bauern für 14 ggr. je Kasten antransportiert worden.
Da die Ausbaustrecke in 20 Ruthen-Abschnitte (93,20 m) unterteilt war, wurde die Anlieferung
von Steingrand ebenfalls abschnittsweise ausgeschrieben. Für 93,20 m Straße wurden 160 Kasten
Grand benötigt (je Ruthe 6 Kasten). An Schlagsteinen sind je Ruthe fünf Kasten verarbeitet
worden.
Um 1920: Gartow-Hahnenberge
230
Die Straßenbreite betrug wie in Hahnenberge 8,12 m, die nutzbare Fahrbahnbreite 3,48 m (Steinschlagbahn).
Der Sommerweg war 2,61 m breit, der Fußweg 2,03 m. Differenzen entstanden
noch wegen der Linienführung Richtung Kapern und Schnackenburg. Schnackenburg und Holtorf
versuchten im Januar 1861 eine Trassenänderung über Holtorf, Lenzer Fähre, alter Postweg am
Deich entlang nach Schnackenburg durchzusetzen. Als Rechtsbeistand wurde Advokat Culemann
aus Lüchow hinzugezogen. Peinlich war nur, daß der Bürgermeister Bruns aus Schnackenburg
bereits der Linienführung über Kapern zugestimmt hatte. Der Schnackenburger Bürgervorsteher
Abraham Meyer reiste gar zum zuständigen Ministerium nach Hannover. Da die Trassenführung
über Holtorf jedoch qualmwassergefährdet war, wies das Innenministerium am 15.5.1861 die Beschwerde
ab. Nach Fertigstellung der Straße mußte sie im Winter 1861/62 gesperrt werden, weil
durch den erhöhten Sommerweg die Straßenentwässerung versagte. Erst im Mai 1862 konnte die
Straße vom Wegbaukondukteur Hoebel aus Dannenberg abgenommen und dem Wegeverband
übereignet werden. Danach wurde der Straßenbau nach Kapern fortgesetzt.
Die Gemeinde Holtorf schlug 1862 ein Angebot des Grafen v. Bernstorff aus, die Straßenbefestigung
bis zur Abzweigung nach Holtorf anteilig zu bezahlen, falls Holtorf als Gegenleistung die
Unterhaltungslast mitträgt. Schwierigkeiten ergaben sich beim Straßenausbau innerhalb von Gartow.
Nach Planungen aus den Jahren 1863/64 sollte die 5,80 m breite Ortsdurchfahrt auf 4,64 m
Breite befestigt sein. Noch wichtiger war die Aufhöhung der Straße, die jedoch am Widerstand der
Bürgerschaft scheiterte, weil sie sich weigerte, die Bürgersteige ebenfalls aufzuhöhen. Lediglich
Graf v. Bernstorff ließ 1862 die Straße zwischen Kirche und Seegebrücke sowie zum Schloßhof
erhöhen. In den folgenden Jahren sind weitere Straßenbauten ausgeführt worden, so ab 1863
von Lüchow nach Loge und 1866 zwischen Tobringen und Trebel sowie 1871 zwischen Trebel und
Gartow. 1876 ist in der Feldmark Meetschow eine 3,5 m breite befestigte Fahrbahn zum Ausbau
gekommen. 35
In den Jahren 1862/63 wurde die Straße von Quarnstedt bis zur Brücke vor Kapern mit Steinmaterial
aus den Gemarkungen Vietze und Brünkendorf ausgebaut.
Die Ausschreibung sah vor, bei der Herstellung des Straßenplanums „die gute Mutter-Erde ein Fuß
dick (0,29 m) abzuborken, zurückzuwerfen und nachher wieder zu ebnen, den Sand unter weghohlen“.
Für die 875 m lange Strecke sind 1000 Kasten Steingrand und 800 Kasten Schlagsteine
verarbeitet worden. Ob die vorgesehene Anpflanzung von 350 Waldbäumen entlang der
Straße verwirklicht wurde, ist nicht bekannt.
Obwohl die Gemeinde Kapern gegen die Zerschneidung
der Gemeindeweide protestierte,
wurde die Straße in der vorgesehenen Linienführung
erbaut. Wie bereits zuvor, ließ Graf
v. Bernstorff die Straße mit der Nummernbezeichnung
10 im Auftrag der Wegebauverwaltung
für den Wegeverband Gartow ausbauen.
Er drängte 1863 auch auf den Weiterbau nach
Schnackenburg und den Ausbau der Wegeverbindung
Gartow-Tobringen.
Strassenwalze
In schlechter Verfassung war ferner der Weg von Gartow nach Restorf. Graf v. Bernstorff monierte:
„…daß der Weg von hier nach dem Höhbeck sich in einem schlechten, stellenweise ganz un-
231
fahrbaren Zustande befindet, namentlich beym Holzplatze des Zimmermeisters Köster zu Restorf
und der ganze Weg zwischen Restorf und Brünkendorf durch das Restorfer Feld, welches daher
kommt, daß das Wasser nicht ablaufen kann sondern in den Gräben verdampfen muß …“
Der Straßenbau von Kapern nach Schnackenburg erfolgte in kleinen Abschnitten. 1864/65 wurde
das Teilstück von der Schleuse Gummern bis Schnackenburg, 1867 - 69 Armenhaus Kapern bis
zur Schleuse Gummern und 1869 Ortsdurchfahrt Kapern ausgebaut.
Auf 212 Ruthen (988 m) Länge war im Herbst 1872 der Ausbau des Weges vom Buchhorster
Damm bis zum Tannhof geplant. Der Bau erfolgte abschnittsweise in den Jahren 1882 -1885. 36
Im Dezember 1883 bestand das Vorhaben, über die Institution Wegeverband die Ortsstraße
(Hauptstraße) in Gartow aufzuhöhen und neu zu pflastern. Die betroffenen 24 Anlieger beteiligten
sich an den Kosten. Es wurden neue Hochbordsteine gesetzt. Die bisher auf die Straße führenden
Abwasserrinnen und -röhren durften nicht mehr erneuert werden. Allerdings reservierten sich
die Anlieger künftig das Recht, bei Jahrmärkten vor ihren Häusern Verkaufsbuden aufstellen zu
dürfen. Die Fahrbahn durch den Ort erhielt eine Breite von 7 m, die Bürgersteige sind mit Velpker
Sandsteinen ausgelegt worden. Den Aufhöhungsboden stellte Graf von Bernstorff zur Verfügung.
Wegbauinspektor Hunnäus aus Uelzen fertigte die Entwurfsunterlagen, Landstraßenaufseher Hamann
aus Nienwalde führte im Sommer 1884 die örtliche Bauaufsicht. Es mußten 2800 qm altes
Steinpflaster aufgenommen sowie 1622 qm Pflasterbahn repariert werden. Die Baustrecke war
400 m lang. 37
1897 verhandelte der Kreistag in Lüchow über den Vorschlag des Gemeindevorstehers Wolter aus
Gedelitz „auf Ausbau der Landstraße Lüchow-Gorleben unter Abänderung der festgesetzten Richtungslinie
dergestalt, dass letztere über Marleben, Gedelitz nach Gorleben führen soll“.
Ein interessanter Lösungsvorschlag wurde dem Kreistag im Jahre 1906 unterbreitet:
„Der Landrat des Kreises Westprignitz hat im Jahre 1903 hierher mitgeteilt, daß die dortige Kreisverwaltung
beabsichtige, eine Chaussee von Lütkenwisch nach Bahnhof Lanz zu bauen, daß dieser
Plan jedoch nur Aussicht auf Verwirklichung habe, wenn auch von Interessenten in der Provinz
Hannover zu den auf etwa 120000 Mark geschätzten Kosten ein Beitrag von ein Viertel – 30000
Mark – gewährt werden würde. Der Landrat des Kreises Lüchow hat darauf erwidert, daß diesem
Vorschlag diesseits nur näher getreten werden könne, wenn in das Bauprojekt auch noch der Bau
einer Chaussee von der Schnackenburg gegenüber liegenden Fährstelle bis nach Lütkenwisch
aufgenommen würde. Der Kreis Westprignitz hat sich damit einverstanden erklärt und einen Bauplan
für diesen Teil ausarbeiten lassen, andererseits aber auch verlangt, daß dann die Beihilfe
seitens der hannoverschen Interessenten auf 33000 Mark erhöht würde mit der Begründung, daß
der vom Landrat des Kreises Lüchow verlangte Teil der Chaussee Schnackenburger Fährstelle bis
Lütkenwisch allein etwa 23000 Mark kosten würde…“. Der Kreis Lüchow wollte sich mit 11000
Mark an den Kosten beteiligen. 38
Der letzte Abschnitt der Straße Gartow-Dannenberg, von Gorleben bis Pölitz (alte Kreisgrenze),
ist in den Jahren 1906/07 befestigt worden. Erst 1908 erfolgte die Befestigung der Straße von
Quarnstedt nach Pevestorf zur Fähre. Zuvor war dieser Weg, der auf 700 m Länge über die Besitzungen
des Grafen von Bernstorff führte, mit Schranken gesperrt. Zur Benutzung mußte zuvor
eine Erlaubnis eingeholt werden. Zwischen 1905 und 1911 erfolgte die Befestigung der Straße
von Restorf nach Vietze. 39
232
Im Übrigen zahlte der Wegeverband des Bezirks
Gartow ein Darlehen zurück, welches
1880 mit 20000 Mark aufgenommen worden
ist. 1910 waren knapp 12000 Mark davon zurückgezahlt.
Außerdem kostete die bauliche
Unterhaltung der Straßen ständig Geld, so in
den Jahren 1913/14 auf der Strecke Gartow-
Dannenberg 15440 Mark. Dazu das Teilstück
der Straße Gartow-Schnackenburg innerhalb
des Aufsichtsbezirkes Gartow 3100 Mark. Erst
relativ spät widmete man sich dem Ausbau
der Nebenstrecken, z.B. nach 1919 „einer
Verbindungsstrecke zwischen der Landstraße
Gartow-Gorleben und der Landstraße Gartow-
Trebel abzweigend von ersterer Straße nahe
Meetschow in südlicher Richtung“.
3.7.1896: Amtliche Bekanntmachung zu Strassenbauarbeiten
in der Gemarkung Gorleben
1977 wurden Pläne bekannt, fußend auf Überlegungen in der nationalsozialistischen Zeit, eine
neue Autobahn Hamburg-Berlin zu realisieren. Sie sollte bei Lüneburg/Bardowick-Metzingen-Karwitz/Tramm-Trebel
an Gartow vorbei führen. Dies war die sogen. Südtrasse. Die Nordtrasse hingegen
wäre durch das Amt Neuhaus verlaufen. Wirtschaftliche Erwägungen waren besonders bei
der Südtrasse die Triebfeder, um den Landkreis verkehrlich besser anzuschließen. Es gab sofort
Proteste dagegen, um Landschaft und Natur nicht zu beeinträchtigen. Es blieb letztlich bei der
Absicht.
Dagegen wurde die Autobahn Hamburg-Berlin als Nordtrasse ab etwa 1980 verwirklicht. Sie quert
bei Gudow/Zarrentin die Landesgrenzen zwischen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern
und verläuft an Wittenburg vorbei nach Berlin. 1980 gab es Überlegungen, von Wittstock aus einen
Autobahnzubringer („Stichstraße“) bis in das Gartower Gebiet zu bauen. Auch dieses Projekt
ist nicht verwirklicht worden. 40/41
Als sich 1989 die deutsche Wiedervereinigung abzeichnete, sind im Gartower Raum als offizielle
Grenzübergänge Kapern-Bömenzien, Schmarsau-Schrampe und die Fähre Pevestorf-Lenzen eingerichtet
worden.
Wegegesetz und Öffentlicher Personennahverkehr
Im April 1897 verkehrte zwischen Gartow und Lüchow zur bereits bestehenden noch eine zweite
Personenpostverbindung, d.h. ein Postkutschenkurs zur Post- und Personenbeförderung. Insbesondere
Graf v. Bernstorff hatte wegen seiner Gutswirtschaft ein Interesse zur besseren Anbindung
an Post und Beförderungsmöglichkeiten. Daher beantragte er 1904 die Einrichtung einer
Personenpostverbindung Gartow-Dannenberg. Bisher hielten lediglich „fahrende Landbriefträger“
eine Verbindung zwischen Gartow und Gorleben sowie zwischen Dannenberg und Pretzetze. Viele
Jahre gab es keine Straßenbau-Weiterführung zwischen Gorleben und Pretzetze, dort verlief wie
seither nur ein oft grundloser Sandweg. Ursache war die dortige Amts-/Kreisgrenze, weil keine
der beteiligten Verwaltungen bis an die Grenze weiterbaute. Erst 1906/07 war es soweit, daß
auch endlich dieses letzte Teilstück befestigt wurde. Die Personenpost Gartow-Lüchow war keineswegs
ausgelastet und zählte „zu den teuersten des ganzen Direktionsbezirks“, weil jährlich ein
Zuschuß von 3000 Mark erforderlich war. So fuhr ab dem 1.4.1870 die Personenpost „zwischen
233
Lüchow und Schnackenburg aus Lüchow 5.20 Uhr früh, durch Gartow 8.20 - 8.35 Uhr vormittags,
in Schnackenburg an 9.35 Uhr vormittags, aus Schnackenburg 3.45 Uhr nachmittags, durch Gartow
4.45 - 5.00 Uhr nachmittags in Lüchow an 8.00 Uhr abends“. 42
Lange Zeit hat es gedauert, bis es eine durchgehend befahrbare Straßenverbindung zwischen
Laase/Pölitz und Gorleben, im Bereich der ehemaligen Kreisgrenze Dannenberg/Lüchow, gegeben
hat. Als diese letzte Lücke kraftfahrtechnisch geschlossen war, bildete sich eine private
Kraftwagen-Verkehrs-Gesellschaft, die gegen Entgelt Personen- und Güterbeförderung mit Kraftomnibussen
auf der Strecke Dannenberg-Gartow-Schnackenburg und umgekehrt durchführte.
Aus wirtschaftlichen Gründen mußte sie zum 1. Mai 1920 ihren Betrieb einstellen. Bis zum 1. November
1922 gab es noch einen eingeschränkten Omnibusbetrieb zwischen Gartow und Schnackenburg.
Auch dieser musste „infolge gänzlicher Unrentabilität“ eingehen und von da ab wieder
„die Kariolpost verkehren“. Auf der Kraftpostverbindung Lüchow-Gartow von 1920, die es ebenfalls
zwischen Lüchow und Clenze gab, verkehrten vollgummibereifte Postbusse. Es war die erste
„Kraftpostüberlandlinie“ im gesamten Bezirk der Oberpostdirektion Hannover, deren Busse diese
Bereifung besaßen.
Fahrer der ersten Stunde waren Karl Heise aus Gartow und Gustav Missuhn.
Gemäß der „Ordnung über die Erhebung von Vorausleistungen für die Wegeunterhaltung“, erlassen
am 20.12.1924 vom Kreisausschuss Lüchow, mußten Unternehmer eine Straßenbenutzungsgebühr
entrichten. Das eingenommene Geld wurde zur Bauunterhaltung verwendet. 43
1925 gelang es, die Buslinie Dannenberg-Gartow erneut zu beleben:
„Die Autopostverbindung Gartow-Dannenberg ist mit dem heutigen Tag (7.7.1925) in Betrieb genommen!
Am Sonnabend fand die feierliche Eröffnungsfahrt von Gartow aus statt, an der in drei
mit Eichen- und Birkengrün und Fähnchen geschmückten Postautos Herr Oberpostrat Herzog
aus Hannover, die Vorsteher der Postämter Dannenberg, Lüchow und Gartow, Vertreter der Stadt
Dannenberg, der Kreise Dannenberg und Lüchow, der Städte Gartow und Schnackenburg und
mehrerer Gemeinden des Elbebezirks teilnahmen. Unter der sicheren Führung der Fahrer Giese,
Heise und Missuhn ging die Fahrt von Gartow, von den dortigen Einwohnern freudig begrüßt,
über Laasche, Gorleben, Pölitz, Laase, Pretzetze, Gr. und Kl. Gusborn, Splietau, Nebenstedt nach
Dannenberg zum Postamt, wo die geräumige und recht praktisch eingerichtete, vom Magistrat zur
Verfügung gestellte Autohalle besichtigt wurde“.
Ein Jahr später (1926) bestanden die Kraftpostlinien Lüchow-Gartow-Schnackenburg, Lüchow-Gr.
Wittfeitzen, Lüchow-Clenze, Clenze-Schnega und Clenze-Bergen Bahnhof zusätzlich.
Schwierig wurde die Verkehrsentwicklung in der Zeit kurz vor dem 2. Weltkrieg, als ein Teil der
Busse mit Fahrern zum Bau des militärischen Westwalles eingesetzt wurde und dafür Busse aus
Salzwedel von Privatunternehmen angemietet werden mußten.
Inzwischen wurde geklagt: „Die Landstraßen unseres Kreises werden leider durch den anwachsenden
Kraftwagenverkehr, insbesondere den Verkehr der Lastkraftwagen, von Jahr zu Jahr stärker
abgenutzt…“ 1927 existierten außer der Kraftpostlinie Dannenberg-Gartow Verbindungen
nach Lüchow-Clenze-Bergen/D.; Lüchow-Gr. Wittfeitzen und Lüchow-Schnackenburg. 1931 war
ebenfalls eine Linie Lanze-Lomitz-Prezelle-Lüchow geplant.
234
Eisenbahn-Projekte
Die 1873/74 in Betrieb genommene Eisenbahnlinie von Lüneburg nach Berlin über Hitzacker,
Dannenberg, Dömitz und Lenzen sowie die ebenfalls nach Berlin führende Eisenbahnstrecke Uelzen,
Schnega, Bergen/D., Salzwedel umgingen den Gartower Bezirk. Daher bemühten sich die
Gemeindevertreter, einen Anschluß an das Eisenbahnnetz zu erreichen.
1873 wurde die Elbebrücke bei Kaltenhof nach Dömitz für den Verkehr freigegeben, jedoch nur für
den Eisenbahnverkehr, eine Straßenspur gab es nicht. Als 1928 wiederum der Bau einer weiteren
Elbebrücke zwischen Hamburg und Magdeburg geplant war, erinnerte man sich: „…Denn schon im
Jahre 1885 ist im Kreistage der alten Kreishauptmannschaft Dannenberg, die außer den Ämtern
Dannenberg und Hitzacker noch die Ämter Gartow, Lüchow und Neuhaus umfaßte, auf Antrag des
Grafen v. Bernstorff – Gartow folgende Resolution gefaßt worden: Seit Erbauung der Eisenbahnbrücke
bei Dömitz haben die Verkehrsverhältnisse des bisherigen Kreises sich dahin entwickelt,
daß es ein unabweisliches öffentliches Bedürfnis sei, die gedachte Brücke zum Gebrauch für
Fuhrwerk einzurichten. Besonders, da die Fähranstalten, welche diesem Bedürfnisse bisher abhelfen
konnten, nach und nach wegen Gefährdung ihrer Existenz eingegangen sind und eingehen.
Er beantrage, daß der Kreistag das öffentliche Verkehrsbedürfnis der Zulassung des Fuhrwerks
zur Benutzung der Dömitzer Eisenbahnbrücke bekunden und …an die Königliche Landdrostei zu
weiterer Veranlassung gelangen lassen möge – Der Kreistag anerkannte das Verkehrsbedürfnis
als ein dringendes und beschloß demgemäß …“ Bekanntlich ist erst 1936 eine Straßenbrücke
über die Elbe nach Dömitz erbaut worden. 44
Obwohl sich das Haus Gartow vehement für die Schaffung einer Eisenbahnverbindung in den
Gartower Raum einsetzte und auch Gelder für Planungen bereitstellte, scheiterten angedachte
Projekte ab 1893 bis 1918 an fehlendem Kapital. 1893 war eine Kleinbahnverbindung von Arendsee
über Ziemendorf, Gollenstorf, Bömenzien nach Gartow oder Schnackenburg im Gespräch.
Initiator ist offensichtlich Bürgermeister Müller aus Arendsee gewesen.
Kurz vor und nach der Jahrhundertwende kamen mehrere Bahnprojekte zur Diskussion, die auch
den Gartower Raum berührten.
Der „Eisenbahn-Bau und Betriebsunternehmer“ Max Hähn aus Berlin unterbreitete im März 1895
den erstgemeinten Plan zwischen Dannenberg und Gartow eine Kleinbahn erbauen zu lassen, sofern
die Gesamtkosten 1,5 Mio. Mark nicht übersteigen. Für den Bau sollte sich eine GmbH bilden.
Einige Monate später hielt der mecklenburgische Eisenbahn-Oberkontrolleur Kammann in Gorleben
einen Vortrag zum Projekt. Zur Finanzierung der Vorarbeiten bewilligte der Kreis Dannenberg
800 Mark, die Stadt Schnackenburg und Gartow jeweils 200 Mark, Gorleben 100 Mark und
Holzhändler Herbst in Gartow 25 Mark sowie Graf v. Bernstorff 300 Mark. Andere vorteilhabende
Gemeinden zeigten jedoch kein Interesse. („Das Interesse an dem Zustandekommen der projektierten
Kleinbahn erscheint hiernach in einigen Gemeinden ebenso wie bei einigen Gewerbetreibenden
weniger groß zu sein, als wir bisher angenommen haben“).
Dieses Projekt förderten besonders die Herren Könke, Bardien und Krüger aus Gartow sowie in
Schnackenburg Bürgermeister Neumann und Kaufmann Lerch.
Die Baukosten der 38 km langen Bahnstrecke waren auf 1,9 Mio. Mark veranschlagt, die jährlichen
Betriebskosten lagen bei 163000 Mark. Folgende Haltestellen waren vorgesehen: Neben-
235
stedt, Splietau, Gusborn, Pretzetze, Gorleben, Meetschow, Gartow und Nienwalde. Neben Personen
sollten Ernteerzeugnisse, Futtermittel, Schlachtvieh, Düngemittel und Holz befördert werden.
Allerdings wies die angestellte Wirtschaftlichkeitsberechnung bei einem Einzugsgebiet von 9.000
Personen, wenn davon jede Person jährlich drei Mal die Bahn in beiden Richtungen benutzt und
ferner 2 t Güter versendet und empfängt, bereits Unsicherheiten auf. Der Bahnhof Schnackenburg
hätte 3 km von der Stadt entfernt zwischen Kapern und Gummern gestanden, weil die Fortführung
der Bahnlinie über Gr. Wanzer, Aulosen, Pollitz, Deutsch, Gr. Holzhausen, Krüden und Vielbaum
nach Seehausen geplant war. Damals existierte ein Komitee, welches Kleinbahnprojekte zu verwirklichen
versuchte. Ihm gehörte auch Graf v. Bernstorff an. Das Komitee schlug ferner eine Verbindung
von Arendsee durch den Lemgow nach Lüchow oder Lübbow vor. Planerische Vorarbeiten
leistete die Hamburger Firma Lenz & Co. Im Mai 1894 waren die Planungen so günstig ausgefallen,
daß die geplante Bahnverbindung Arendsee-Pretzier bessere Chancen hatte als die südwärts
gerichtete nach Callehne. Ein anderes Projekt verfolgte das Ziel, eine Kleinbahnverbindung von
Schnega über Kiefen, Lüchow, Woltersdorf, Prezelle, Gartow nach Schnackenburg herzustellen.
Die Vorarbeiten für die Strecke Lüchow-Kiefen waren bereits fertig.
1897 gab es Pläne zum Bau einer normalspurigen Kleinbahn Dannenberg-Schnackenburg-Stresow:
„…Seitens des Landes-Directoriums zu Hannover, bei welchem der Antrag auf Anfertigung der
bezüglichen Vorarbeiten seitens der Magistrate Gartow und Schnackenburg eingereicht worden
ist, wird indessen gleichwohl zunächst eine Äußerung darüber gewünscht, ob der Kreis sich an
diesem Bahnunternehmen betheiligen wird. Nach der vom Landes-Directorium vorgenommenen
approximativen Berechnung stellt sich bei diesem Project – entgegen einer von den Interessenten
aufgestellten, welche mit einem erheblichen jährlichen Gewinn abschließt – eine jährliche Unterbilanz
von rd. 60000 Mark heraus. Deshalb verstellt mehrgenannte hohe Behörde zur Erwägung,
ob der Bau einer normalspurigen Kleinbahn in der gewünschten Richtung nicht an die finanziellen
Kräfte der Interessenten zu große Anforderungen stellt und nicht eventuell zur Ermöglichung eines
angemessenen Anschlußes der fern vom bisherigen Bahnverkehr liegenden Gartower Gegend
eine Kleinbahn nach Lüchow im Anschluß an das Project Lüchow-Uelzen sich vorteilhafter erweisen
wird.“ 45
Ein anderes Eisenbahnprojekt des Jahres 1897 war der Bau einer Bahnlinie von Schnega über
Clenze, Lüchow, Woltersdorf, Gartow nach Schnackenburg. Diese Kleinbahn, 68 km lang, sollte
damals 1,7 Mio. Mark kosten. Sie sollte über Kl. und Gr. Breese, Lanze, Prezelle, Gut Gartow,
Kapern und Gummern führen, wobei eine Brücke über die Seege erforderlich wurde. Nur Gartow
und Schnackenburg erhielten Bahnhofsgebäude, Kl. und Gr. Breese, Lanze, Prezelle und Kapern
waren lediglich als Haltestellen vorgesehen.
Als sich noch der Abbau von Kalisalzen bei Wustrow durch die Gewerkschaften Ilsenburg und
Wendland sowie der Bergbaugesellschaft Teutonia lohnte, war der Bau einer Industriebahn von
Wustrow über Lüchow in direkter gerader Linie zum „Kalihafen“ Gorleben geplant. Sie erhielt die
Bezeichnung „Kalibahn“, wurde aber wie andere Lösungen nicht verwirklicht. Der Gartower Raum
blieb bis heute ohne Bahnanschluß, abgesehen von der unbedeutenden Gartower Waldbahn. 46
Die „Eisenbahn-, Bau- und Betriebsgesellschaft Reymer & Masch“ aus Berlin hatte 1899 planerisch
eine Kleinbahnverbindung Osterburg-Bretsch-Bömenzien-Schnackenburg mit Haltestellen in
Bretsch, Höwisch, Priemern, Groß Garz, Pollitz, Aulosen, Bömenzien und Gummern fertig ausgearbeitet.
Gesamtkosten 2,15 Mio. Mark. Die beteiligten Gemeinden sollten davon nur 50000 Mark
aufbringen.
236
Fast sicher war 1901 der Bau einer Bahn mit 1 m Spurweite von Arendsee nach Stendal. Von
dort sollte ein Nebengleis über Ziemendorf und Wirl nach Gartow führen. Besonders Bockleben,
Schmarsau, Schletau, Lomitz und Prezelle zeigten an dieser Bahnlinie Interesse. Unter Berufung
auf das Gesetz über Privatanschlußbahnen und Kleinbahnen vom 28.7.1882 genehmigte das
Ministerium im Januar 1904 die Bahnverbindung nur als Normalspurbahn.
1909 folgte das Projekt einer Bahnlinie von Lüchow über Woltersdorf, Trebel, Gorleben nach Gartow.
Dieses Vorhaben war wohl nicht wirtschaftlich genug und es kam nicht zustande.
Eisenbahnunternehmer Hahn zog sich bald darauf mit seinem Angebot zurück und auch der Unternehmer
C. Kühnhold aus Berlin, der die Bahn ebenfalls erbauen und 15 Jahre lang betreiben
sollte, konnte sich nicht zum Bau entschließen.
Eine neuerliche Anregung im November 1909, die Bahnlinie zu verwirklichen, scheiterte an den
Kosten, der Rentabilität und dem Kleingeist der beteiligten Gemeinden (kaum Finanzen bereitstellen,
aber die Bahnlinie sollte die Orte direkt berühren).
Eine Bahnnebenlinie, die zwar weder Gartow noch Schnackenburg berührte aber indirekt den
Gartower Raum „eisenbahnmäßig“ versorgte, war die 1911 eröffnete Lüchow-Schmarsauer Eisenbahn.
Da Gartow und Graf v. Bernstorff einen gewissen Vorteil von der Bahn haben würden,
zahlten 1908 jährlich Betriebskostenbeiträge: Lomitz 68 Mark, Prezelle 81 Mark, Lanze 68 Mark,
Nemitz 34 Mark, Tobringen 107 Mark, Trebel 142 Mark und Graf v. Bernstorff 488 Mark. Letzterer
hatte großes Interesse an der Bahn, da er jährlich etwa 1000 - 1500 Festmeter Holz (1 fm = 12
Zentner Gewicht) zum Lüchower Bahnhof brachte und der Weg nun nicht mehr so weit war. Die
Lüchow-Schmarsauer Eisenbahn sollte ursprünglich bis nach Arendsee weitergeführt werden.
1918 war geplant, von Oerenburg aus für den Personen- und Güterverkehr ein Nebengleis
(Schmalspurbahn mit 60 cm Spurbreite) bis nach Schnackenburg zu verlegen. Die Trasse hätte
direkt parallel zur Chaussee gelegen und zwar auf dem begleitenden Sandweg. Aus Heeresbeständen
wären die Schienen geliefert worden. Da Graf v. Bernstorff eine finanziell günstigere und
privat betriebene „Waldbahn“ von Wirl nach Arendsee angeboten wurde, ist das Nebengleis auch
wegen Feuergefahr, zu geringer Spurweite und aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht verwirklicht
worden. 47
Mit dem Entstehen von zwei deutschen Staaten ab 1945 und der hermetisch abgeriegelten
Grenze wurden sämtliche bestehende Eisenbahnlinien, Straßen, Wege und Fährverbindungen
gekappt. Der gesamte Landkreis Lüchow-Dannenberg geriet in eine prekäre Abseitslage. Nach
dem 2. Weltkrieg mußten mühsam neue Verkehrsverbindungen errichtet werden. Die Post hat aus
eigennützigem Interesse den ländlichen Raum auch für die Personenbeförderung erschlossen.
So gab es 1956 die Postomnibuslinien Dannenberg-Gartow-Schnackenburg und Lüchow-Trebel-
Gartow-Restorf-Brünkendorf-Vietze. Damit war die Erreichbarkeit in die Kreisstädte Dannenberg
und später Lüchow sichergestellt. Die vertrauten gelben Postomnibusse stellten zum 31. Juli 1983
ihren Fahrdienst ein: „…ab 1. August 1983 werden nun die acht Busse des Postamtes Lüchow
und die bisher für die Post im Auftrag gefahrenen Privatbusse zusammen mit den roten Bussen
der Bundesbahn die bisherigen Linien befahren, wenn der Postreisedienst von der Bundesbahn
übernommen wird….Nachdem bereits am 1. Juli die Postbusse im Bereich Uelzen von der Bundesbahn
übernommen wurden, werden ab 1. August acht Postbusse und zehn Busse privater
Unternehmer auch in unserem Landkreis im Dienste der Bundesbahn fahren. Das ist das Ergebnis
237
eines Beschlusses der Bundesregierung vom 25. Juni 1980, die öffentlich-rechtlichen Busdienste
zu vereinigen…“ 48
In der Zeit von 1921 bis 1925 hatten Einwohner des Gartower Bezirks die Möglichkeit,mit dem
Dampfschiff nach Hamburg und zurück zu fahren, da diese ab 1921 bis Gorleben und bis 1925
sogar bis nach Wittenberge fuhren. 49
Seege-Brücken
Um 1780 existierte im Straßendamm von Gartow nach Quarnstedt eine zweite Seegebrücke, um
den Hochwasserabfluß zu verbessern, ist dann damals jedoch zugeschüttet und mit dem Damm
überbaut worden. 1865 verfügte die Seegebrücke über eine Lichtweite von 25 m, die bei Hochwasserabfluß
nicht ausreichte und dort starke Strömung verursachte. 50
Zur gefahrlosen Überwindung der Seege in Gartow war eine Brücke notwendig. Um die Brückenlänge
zu reduzieren, ist schon frühzeitig ein Straßendamm zwischen Gartow und Quarnstedt entstanden,
der hochwasserfrei lag. Die beiden Seege-Furten bei Restorf waren auf Dauer keine
Alternative. Die Seegebrücke in Gartow ist stets eine Holzkonstruktion gewesen, die nach einigen
Jahrzehnten zu erneuern war. Nach Angaben um 1810 besaß die Brücke 9 Pfahljoche und eine
Gesamtlänge von 96 Fuß (27,84 m).
Im Sommer 1856 wurde die Frage erörtert, wann der gebildete Wegeverband die Seegebrücke
in seine Unterhaltungspflicht übernimmt, nachdem der bisherige Weg Lüchow-Gartow-Schnackenburg
gemäß Verordnung vom 13.3.1855 und basierend auf das Landstraßengesetz vom
28.7.1851 zur Landstraße aufgestuft wurde. Bis zur Übernahme hatte Graf von Bernstorff diese
Brücke auf alleinige Kosten unterhalten müssen. Nicht berührt davon war die Unterhaltung des
Quarnstedter Dammes, die dem Grafen auch weiterhin oblag. In jenem Bereich war 1846 eine
feste Straßenbefestigung durchgeführt worden. Bei Abgabe an den Wegeverband erlosch für den
Grafen auch die künftige Erhebung des Brückengeldes, mit dem fällige Reparaturen finanziert
werden sollten. In der Amtsversammlung vom 21.8.1856 gab es Widerstände gegen die Übernahme
der Brücke, zumal sie reparaturbedürftig war. Zimmermeister Köster aus Restorf hat dann im
Oktober 1856 die erforderlichen Arbeiten vorgenommen, die Passage während der Bauzeit führte
über den Flurteil Serich.
Da Holzkonstruktionen anfällig gegen Verrottung sind, kam man 1863 auf die Idee, eine eiserne
Seegebrücke errichten zu lassen. Es sollte eine sogen. Gitterbrücke sein und über eine Tragfähigkeit
von reichlich 6000 Pfund netto Ladung, d.h. ohne „Wagen und Pferde“ verfügen. Sie ist dann
zeitnah errichtet worden und erfüllte ihre Funktion bis April 1945, als sie aus strategischen Gründen
von deutschen Soldaten gesprengt wurde, um amerikanische Vorstöße zu erschweren. Eine
provisorische Ersatzbrücke hat danach mehrere Jahre lang den Verkehr aufgenommen, wobei
sie beim Eisversatz im März 1947 zerstört und wieder aufgebaut werden musste. Heute führt die
1957 erbaute Stahlbetonbrücke über die Seege. 51
238
Um 1850 existierte im Ortsteil Spring eine kleine Brücke über den ehemaligen Ortsgraben. Um
deren Unterhaltungspflicht ging es damals, obwohl die Brücke gemäß Vereinbarung zwischen Bürgerschaft
und dem Haus Gartow vom 25.03.1848 dem Wegeverband überlassen war. Allerdings
war auch hier das Haus Gartow beteiligt, denn es hatte aufgrund alter Abmachungen für diese
Brücke das Bauholz zu liefern, wie auch das zu den Hirtenhäusern. Diese Verpflichtung wollte Graf
von Bernstorff loswerden, was ihm nicht sogleich gelang. Daher sind für eine Reparatur im Jahre
1858 unerwartete Kosten angefallen. 52
Die Seegebrücke war im Verkehr ein wichtiges Nadelöhr. Zur Bestreitung der Unterhaltungskosten
und des Straßendammes zwischen Gartow und Quarnstedt durfte das Haus Gartow ein Weggeld
von den Benutzern erheben. Die Taxe von 1710/11 lautete wie folgt:
1 Wagen oder Karre mit 1 Pferd = 6 Pfg., 1 Karre mit 2 Pferden = 1 ggr., 1 Wagen mit 2 Pferden
= 1 ggr. 3 Pfg., 1 Wagen oder Karre mit 3 Pferden = 1 ggr. 6 Pfg., 1 Wagen mit 4 Pferden = 2 ggr.,
1 Wagen mit 5 Pferden = 2 ggr. 6 Pfg., 1 Wagen mit 6 Pferden = 3 ggr., 1 loses Pferd = 4 Pfg., 1
Stück Horn- oder Rindvieh = 4 Pfg., 1 Schwein = 2 Pfg., 1 Schaf oder Ziege = 2 Pfg., 1 Schubkarre
= 4 Pfg., 1 neues Wagenrad = 2 Pfg., 1 Tragebündel oder Tragekorb = 3 Pfg. Bürger aus Schnackenburg
zahlten je beladenen Wagen = 9 Pfg., offenbar brauchten Fußgänger nichts bezahlen.
Im September/Oktober 1710 wurden z.B. registiert:
Hans Kachel aus Schnackenburg, Wilhelm Mohrhord aus Salzwedel, Hermann Schöling aus Teplingen
mit Kohl, Henrich Grüttert aus Clenze, Johann Mund aus Lenzen „mit Erdenzeug“, Ernst
Buße aus Lenzen mit Leder, Jürgen Schröder aus Bielefeld, Hans Michel Richter aus Arendsee,
Hans Otto Müller aus Thüringen, Nicolaus Weiß aus Arnstadt, Jacob Heße aus Salzwedel, Jochim
Dessow aus Arendsee, Zacharias Örtel aus Salzwedel usw. 53
Die Seegebrücke vor 1945
239
Brückenzoll an der Seegebrücke
Den Gartower Brückenzoll hat es schon vor 1595 gegeben, denn er wird im Zusammenhang
mit der Beschwerde des Gartower Organisten Hinrich Ricke an den Celler Herzog Ernst erwähnt:
„Von Unseres gnedigen Landesfürsten und Herrn wegen kann ein Zoll, wie vorhanden, im Städtlein
gelecht werden, weil itziger Zeit mit demselben es unrichtig zu gehet und nicht ordentlicher Weise
gehalten wird.“ Damit war die Familie von Bülow gemeint, die sich zu diesem Vorwurf äußern
mußte. Bereits am 25. Mai 1677 hatte die Landesregierung die von Bülow wissen lassen, daß der
Schnackenburger Zöllner in Gartow das Brückengeld erheben darf.
Im April 1669 war es wegen des Zolles zu einem Eklat gekommen. Nach Auskunft des Zöllners
in Schnackenburg, Hermann Dralle, haben die von Bülow eine Stange aufrichten lassen und ein
Schild angebracht: „Hier gibt man Zoll“. Von den Zolleinnahmen erhielten die von Bülow Zweidrittel,
die Bürgerschaft Gartow ein Drittel. Das Setzen der Zollstange bedeutete insofern eine
Neuerung, als eine solche im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde und es viele Jahre lang diese
nicht gegeben hatte. Die Landesregierung in Celle ordnete über den Schnackenburger Zöllner die
sofortige Entfernung der Zollstange an. Daraufhin kam der Zöllner mit einer Menge Einwohner aus
Schnackenburg und in kurzer Zeit war die Zollstange nicht mehr vorhanden. Diese Aktion wurde
durchgeführt, obwohl die Familie von Bülow mit ihren Bediensteten bei gespannten Gewehren den
Tumult beobachtete. Am nächsten Tag installierten die von Bülow eine neue Zollstange. Sie wurde
einfach aus dem Giebel des Bürgermeisterhauses ausgebaut. Die Landesregierung verfügte erneut
bei Strafandrohung von 100 Rtlr. die Entfernung der Zollschranke. Dann fand ein Gespräch
zwischen Curd von Bülow und dem Zöllner statt, wobei es zu keiner Einigung kam. Nach Anhörung
von Schnackenburger Bürgern ergab sich, daß sie in Gartow keinen Zoll geben mussten.
Die Landesregierung reagierte nun schärfer
und drohte Curd, Christoph und Joachim Christoph
von Bülow den Arrest an. Curd von Bülow
bat um Verschonung, wies jedoch auch darauf
hin, daß der Brückenzoll bis 1638 mit einem
Schlagbaum und Zollbrett erhoben werden
durfte. Daraufhin wurde die Arrestandrohung
zurückgenommen. Als Joachim Christoph von
Bülow wenig später mit dem Schnackenburger
Zöllner zusammentrifft, und diesem voreiligen
Gehorsam vorwirft, wird von Bülow zu 500,
später 200 und schließlich nur 100 Rtlr. Geldstrafe
verurteilt; die er auch zahlen muß.
Da die Einnahmen aus dem Brückenzoll versiegten,
bat die Gartower Bürgerschaft 1671
bei der Landesregierung um Erlaubnis, den
Brückenzoll wiederzubeleben. Währenddessen
wurde die Seegebrücke baufälliger, Reparaturen,
die sonst aus den Zolleinnahmen finanziert
wurden, konnten nicht bezahlt werden.
Erneut ist Curd von Bülow vorstellig geworden
aber auch 1674 war die Landesregierung nicht
1695: Zolltarif für die Passage der Seegebrücke
240
bereit, den Zoll wieder zuzulassen. Vielmehr wurde von Bülow (absichtlich oder unbeabsichtigt)
beschuldigt, sich ein Recht angemaßt zu haben.
Als die von Bülow von den Untertanen eine Geldumlage forderten und diese es mit „gutem Willen“
gaben, setzte die Landesregierung erneut eine Geldstrafe in Höhe von 200 Rtlr. fest. Offenbar sollten
die von Bülow gezwungen werden, die Brückenreparatur selbst zu zahlen. Wiederum bat die
Gartower Bürgerschaft, den Brückenzoll einzuführen. Nun jedoch kam ein anderer Gedanke zum
Zuge: die Landesregierung selbst werde den Zoll erheben. Als Zolleinnehmer meldete sich Caspar
Schröder aus Gartow, der jedoch eine Jahresbesoldung von 25 Rtlr. forderte, sowie Berechtigung
zum Bier- und Branntweinausschank. Im Jahre 1677 hat er im Auftrag des Schnackenburger Zöllners
den Brückenzoll erhoben. Die von Bülow sind davon nicht informiert worden. Allerdings kann
vermutet werden, daß 1683 die Zollerhebung unter Duldung des Schnackenburger Zöllners denen
von Bülow wieder gestattet wurde. Damals präsentierten die von Bülow eine Rechnung von 150
Rtlr. für den Neubau der Seegebrücke.
Seit 1677 erhob der jeweilige Schnackenburger
Zöllner den Brückenzoll in Gartow, dessen Einnahmen
bis 1682 von 17 auf 13 Rtlr. sanken
und danach bis 1693 zwischen 2 und 7 Rtlr.
jährlich lagen. Hierbei bestand die Abmachung,
daß die Landesregierung die große und kleine
Seegebrücke sowie den Fahrdamm unterhält,
die von Bülow das Bauholz dazu hergeben, die
Einwohner von Gartow Holtorf und Kapern die
damit verbundenen Hand- und Spanndienste
leisten und die Landesregierung die Zimmereiund
Sägelöhne bezahlt.
Landbote
Landtransport einer Jagdgesellschaft
241
Als sich die Gelegenheit bot, monierte der Schnackenburger Zöllner den Bauzustand der Brücke
und drohte mit obrigkeitlichen Sanktionen. Dagegen erklärten die von Bülow, das entspräche nicht
der Wahrheit, denn man habe kürzlich (vor 1677) einen schweren Mühlstein von 16 Pferden gezogen,
über diese Brücke transportiert.
Zum 2. November 1694 erreichte es Andreas Gottlieb von Bernstorff, den Gartower Brückenzoll
an sich zu bringen und die Einnahmen davon zu erheben. 54
Zu Zeiten der von Bernstorffs ist die Brückenzolleinnahme verpachtet worden:
ab 1725 an den Gartower Chirurgen Johann Georg Focke und ab 1762 an Maximilian Adam Lotzow
in Gartow.
Im Laufe des Jahres 1715/16 haben viele Personen und Fuhrwerke die Seegebrücke passiert.
Einige Beispiele mögen die Herkunft der Reisenden und das mitgeführte Transportgut verdeutlichen:
In 243 Fällen ist ein Brückenzoll erhoben worden. Sogar Adelige bzw. deren Beauftragte wie z.B.
Rat von Jagow aus Cadenberge und Herr von Quitzow aus Eldenburg, die Ochsen treiben ließen,
haben Zollgeld in Gartow entrichtet. Ebenfalls Zoll für Ochsen entrichtete Amtmann Grantze aus
Lenzen und Hans Wärncke aus Mödlich. Michel Peters aus Lenzen und Jochim Kählcke aus Lanze
führten Wagenräder mit sich. Im Mai 1715 sind viele Schuhmacher unterwegs gewesen, um
Märkte zu besuchen: Jacob Hacke, Berend Klaffenbach, Hans Henrich Bruhn, Hans Ohnsorge,
Hans Jürgen Wiesengarn und Peter Borck, sämtlich aus Lenzen, Johann Schröder, Gottfried Ahlefeld,
Balzer Martens und Christian Freye aus Arendsee. Töpferwaren führte Nicolaus Behne aus
Lüchow mit sich, Johann Unverfährt aus Wittenberge Böttcherwaren und Ernst Buße aus Lenzen
Lederartikel. Hanß Kachel aus Schnackenburg verzollte „2 Wagen mit Weißbrod und Töpfen“,
während Amtmann Georgi aus Pollitz und Amtmann Wiesenhaver aus Scharpenhufe Vieh treiben
ließen.
Melchior Küchler aus Salzwedel kam mit einem „Wagen mit allerhand kurtzen Wahren“, von vier
Pferden gezogen. Ebenfalls im Mai 1715 waren Dorothea Giese aus Hitzacker, Dorothea Pömers
aus Hitzacker, Anne Grete Wulf aus Lüchow, Dorothea Reimers aus Lüchow, Gertrud Ehrhard aus
Lüchow und Dorothea Schwohn aus Güstritz mit „Bandwaren und Spitzen“ unterwegs. Stephan
Cornibbes, angeblich aus Maastricht, führte Messer mit sich, Rötger Dronßborg aus Köln Seidenware
und Helm Gödecke aus Bielefeld Leinenerzeugnisse. Nicolaus Eisland aus Königsee mühte
sich mit einer Schiebkarre voller Siebe ab und Salomon Bendix aus Halberstadt führte 2 Tragebündel
Haare mit sich. 55
242
Quellen und Literatur
1. Riedel, Adolph Friedrich: „Codex diplomaticus Brandenburgensis“ – Sammlung der Urkunden
und Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Brandenburg
und ihrer Regenten – Bd. A 22, S. 3 Nr. III, Berlin 1862
2. Schulze, Ernst: „Chronik der Stadt Cloetze. Nach Urkunden, archivalischen und anderen
Quellen bearbeitet von ….“, Klötze 1900, S. 22
3. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg
und ihrer Lande“, Hannover 1859, Bd. 1, Urkunde Nr. 315
4. wie vor, Urkunde Nr. 343
5. wie vor, 3. Bd., Hannover 1862, Urkunde Nr. 237
6. Brosius, Dieter: „Wendländische Regesten 1298 - 1528“, Lüchow 1988, Urkunden Nr. 195,
210
7. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, Lüchow 1988,
S. 50 - 51
8. C 21 Nr. 1 „Verordnungen und Anstalten wider die Feuersbrünste“
9. Geldregister 1726/27, S. 611
10. C 24 Nr. 8 „Die Brandversicherungsgesellschaft betr. Varia im Gerichte Gartow“
11. C 23 Nr. 1, 2 „Die Wiedererbauung des Fleckens Gartow 1721 ff., 1764 ff.“
12. Puffahrt, Otto: „Verbesserung des Feuerschutzes in Gartow“ in:
11. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg 1986, S. 128
13. Scharf, Christoph Barthold: „Der Politische Staat des Churfürstenthum Braunschweig-Lüneburg
samt dazu gehörigen Herzogthümern und Grafschaften, in welchen dessen Städte,
Flecken, Dörfer…“, Lauenburg 1777, S. 22 - 23
14. G 8 Nr. 15 „Den Brand zu Gartow am 25.09.1853 betr.“
15. G 8 Nr. 19 „Acta betr. den Brand zu Gartow in der Nacht vom 11./12. Januar 1859 betr.“
16. Nieders. Landesverwaltungsamt, Institut für Denkmalpflege: „Denkmaltopographie Bundesrepublik
Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen, Landkreis Lüchow-Dannenberg 21“,
Braunschweig/Wiesbaden 1986, Gartow: S. 97 - 102
17. B.: „Der Gartower Kirche zu ihrem 200jährigen Bestehen“ in : Gartower Heimatbote November
1924
18. Gartower Heimatbote vom 3.9.1971
19. A 8 Nr. 1 „Nachrichten wegen des Hauses Gartow, welches Sr. Excell. der Herr Geh. Rath
von Bernstorff in ao. 1694 von denen H. von Bülow gekaufet“
20. Gartower Heimatbote März - Mai 1972
21. Landschaftsrahmenplan Gartow, Nieders. Landesentwicklungsgesellschaft Hannover, Hannover
1977, S. 85 - 88
22. Puffahrt, Otto: „Zum Post-Botenwesen des Hauses Gartow im 18. Jahrhundert“ in: Postgeschichtliche
Blätter Hannover/Braunschweig, Heft 10, 1987, S. 54 - 73
23. Halbom, Harry: „Silvesterfahrt durch die Gartower Tannen“ in: Neue Jeetzel-Zeitung vom
2.1.1957
24. Puffahrt, Otto: „Beschwerden und Verbesserungsvorschläge des Postkunden Bechthold von
Bernstorff, Gartow“in: Postgeschichtliche Blätter Hannover/Braunschweig, Heft 13, Febr.
1992, S. 15 - 28
25. Glenzdorf, Johann und Fritz Treichel: „Henker, Schinder und arme Sünder.
ErsterTeil. Beiträge zur Geschichte des deutschen Scharfrichter- und Abdeckerwesens“,
Erster Band, Bad Münder am Deister 1970, S. 445 - 446 – Kannenberg, S. 528 - 530 –
Miethling
26. G 10 Nr. 35a „Schmiede - Contracte 1839 - 1894“
243
27. G 10 Nr. 35b „Verpachtung der sogen. Hofschmiede auf der Schäferei 1895 - 1936“
28. G 20 Nr. 17 „Gartower Sparkassen - Sachen 1834 - 1887“
29. Jahresbericht der Kreisverwaltung Lüchow für 1924, S. 16
30. Kreissparkasse, Geschäftsbericht für das Rechnungsjahr 1925, S. 5
31. Weidner, Alfred: „Das Sparkassenwesen im Kreise Lüchow-Dannenberg“, Dannenberg
1966, S. 104
32. /
33. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, 2. Aufl.,
Lüchow 1988, S. 241 - 246 Puffahrt, Otto: „Wegeführungen in der Gartower Heide 1695,
Dargestellt auf 10 Grobkarten“, Lüneburg 2006
34. G 5 Nr. 4 „Acta, die Anlage einer Landstrasse nach den Hahnenbergen betr. 1850 - 1855“
G 5 Nr. 5 „Diverse Chausseebau-Contracte 1856 - 1875“,
35. G 5 Nr. 12 “Acta, die Umlegung des Gartower Straßenpflasters betr. 1862 - 1871“
36. G 5 Nr. 26 „Acta, den Buchhorster Damm betr. 1872 - 1885“
37. G 5 Nr. 28 „Acta, die Aufhöhung und Umpflasterung der Straße in Gartow betr. 1883 -
1884“
38. Kreistagsprotokoll Lüchow vom 16.3.1906
39. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 245 - 246
40. /
41. Gartower Höhbeck-Rundschau Nr. 35/1980, Nr. 38/1980, Nr. 40/1980
Gartower Höhbeck-Rundschau von Oktober 1977
42. Puffahrt, Otto: „Postkursänderungen 1867 - 1880 in den Landkreisen Lüneburg (mit Stadt),
Uelzen und Lüchow-Dannenberg“, Lüneburg 2004, S. 17
43. Jahresbericht der Kreisverwaltung Lüchow für 1927, S. 3 - 4
44. Jeetzel-Zeitung vom 7.6.1928
45. Kreistagsprotokoll Lüchow vom 11.3.1897
46. Gartower Höhbeck-Rundschau von Oktober 1977
47. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 104 -
105
48. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 29.7.1983
49. Trost, Heinz: „Die Lauenburger Dampfschiffe und ihre Nachfolger“, Wesselburen und Hamburg
1975, S. 32
50. G 4 Nr. 4 „Die Unterhaltung der Seegebrücke vor Gartow und deren Reparatur im Oktober
1856, 1856 - 1865“
51. G 4 Nr. 8 „Acta, die Seegebrücke in Gartow betr. 1862 - 1864“
52. G 4 Nr. 5 „Die Reparatur und Unterhaltung der kleinen Gartower Brücke vor dem Spring
sowie die Ablösung des dazu gehörenden Holzes betr. 1857 - 1859“
53. GR 1710/11, S. 167 - 182
54. B 49 Nr. 1 „Alte Nachrichten von dem Gartowischen Damm- und Weggelde…“
55. GR 1715/16, S. 171 - 177
244
Franzosenzeit
Als Franzosenzeit wird die in der Landesgeschichte relativ
kurze Zeitspanne bezeichnet, in der der Einfluß der französischen
Besetzung des Kurfürstentums Hannover von
1803 bis 1813 wirksam wurde. Obwohl nur von geringer
Dauer, war diese Zeit ein enormer Einschnitt im Leben
der damals Betroffenen. Angehörige fremder Herkunft mit
anderer Sprache und nicht bekannten Verhaltensweisen
brachten ab 1810 eine für deutsche Verhältnisse völlig
neue Verwaltungsstruktur und Rechtsauffassung mit, die
fortan angewandt werden mußte. Sie verlangten erhebliche
Anpassungen und bewirkten grundsätzliche Veränderungen
im öffentlichen Leben. Da diese Zeitspanne in der
geschichtlichen Überlieferung auch im Wendland bisher
wenig beachtet wurde, wird dieser Zeit über Gebühr viel
Textraum geschenkt.
Die politischen und militärischen Ereignisse, die der Besetzung
Hannovers vorausgingen, müssen hier nicht näher
erläutert werden. Die französische Besetzung deutscher
Teilstaaten erfolgte im Juni 1803. Gemäß des Tilsiter
Friedensschluss kamen die Fürstentümer Göttingen, Grubenhagen
und Osnabrück zum neugeschaffenen französischen
Königreich Westfalen und nach dem sogen. Pariser
Tractat vom 14. Januar 1810 sind die übrigen hannoverschen
Provinzen mit Ausnahme des Herzogtums Lauenburg,
dem neugegründeten Königreich Westfalen angegliedert
worden. Innerhalb des Königreichs sind ab Juli 1810
die Departements Nord-, Niederelbe- und Aller als große
Verwaltungsbezirke gebildet worden. Ab Dezember 1810
wurde ein größerer Teil dieser Gebietseinheiten vom Königreich
Westfalen abgetrennt und mit dem Staat Frankreich
vereinigt. Diese gehörten nunmehr zu den „Hanseatischen
Departements“.
Selbstverständlich funktionierten die Franzosen die vorhandene
deutsche Verwaltung auch in Gartow um, insbesondere,
um die Versorgung und Unterbringung ihrer Truppen
sicherzustellen und Steuern einzutreiben, damit die
hohen Kriegskosten finanziert werden konnten. Erst 1808
begannen die Drangsale und übermäßigen Steuerzahlungen
sowie Dienstleistungen für die Franzosen spürbar zu
werden. 1
Napoleon Bonaparte
245
Zunächst mußten Bewirtschafter/Hofstelleninhaber eine monatliche Kriegssteuer entrichten.
Dann gab es aberwitzige Steuern wie Tabaksgeld und Möbelsteuer, die die Franzosen vereinnahmten.
Ferner mußte Getreide für das Militär in besondere Magazine geliefert werden, wie auch Vorspannpferde
für Kriegsfuhren oder aber einzelne Einwohner und Gespanne aus Gartow wurden
zum Festungsbau in weit entfernte Städte (z.B. Magdeburg) geschickt.
Das Gesetzbuch Napoleons ist in den Fürstentümern Göttingen, Grubenhagen und Osnabrück am
1. Januar 1808 und in den übrigen hannoverschen Provinzen am 1. September 1810 eingeführt
worden. 2
Im Sommer 1803 begannen sich die Franzosen dem Ort Gartow zu nähern und das östliche Hannoversche
Wendland zu besetzen. Für diese Zeit liegen glücklicherweise historische Nachrichten
vor, die Günther Graf von Bernstorff im Januar 1914 zur Veröffentlichung freigab:
„…Auszüge aus den Briefen meines Urgroßvaters Joachim Bechtold Graf Bernstorff zu veröffentlichen,
welcher im Jahre 1734 geboren, in Gartow lebte und dort am 3. Dezember 1807 starb,
nachdem meine Urgroßmutter Magdalene geb. von Lowtzow bereits am 13. April 1803 verstorben
war. Diese Briefe sind an seinen zu Wedendorf in Mecklenburg lebenden einzigen Sohn Ernst
gerichtet…
„…Alles was weg soll, ist zu Schiff, welches am Holtorfer Deich nahe bei der Fährstelle lieget und
jede Stunde weiter absegeln kann, sobald die Umstände es erfordern, inzwischen da ruhig bleibet
bis man siehet, welche Wendung die Unterhandlungen nehmen, die jetzt endlich von Hannover
aus mit dem General Mortier angefangen werden, deren Erfolg noch niemand weiß und von welchen
man hoffet, daß dadurch das ganze Lauenburg nebst diesem Winkel des Cellischen an der
Brandenburgischen Grenze völlig frei bleiben werden. Gott gebe es, ich will es wünschen, mich
aber noch nicht zu sehr einer festen Hoffnung überlassen. In Hannover war am 4. noch alles in
größter Ruhe, für Gartow ist also fürs Erste noch gar nichts zu fürchten und wer vor Gram schlafen
kann, der kann sicher ruhen. Zu allen diesem Jammer kommt eine schreckliche Überschwemmung,
die Elbe ist so angewachsen, daß die Elbschiffe ganz bis hier an die See(ge)brücke segeln,
alle Wiesen sind schiffbar und das herrliche Gras verloren, die Ochsen schwimmen in der Ochsenkoppel,
alle Weiden der Restorfer, Laascher, Meetschower sind unter Wasser, das Vieh schreit vor
Hunger, dabei regnet es unaufhörlich. Das Hannoversche Staats-Ministerium hat sich in Ratzeburg
etabliert. 8. Juni 1803“
„Nun kommen auch französische Truppen nach Lüchow, Dannenberg, Hitzacker, Wustrow, so viel
bis jetzt bekannt, ein paar hundert Mann an jedem Ort, einige Offiziers mit den Furierschützen
sind schon angekommen, die Truppen selbst werden heute oder morgen erwartet, von Schnackenburg
und hier höret man noch nichts. 6. September 1803“.
„Gestern sind die ersten Franzosen hier gesehen worden, ein Offizier, ein Unteroffizier, 4 Infanteristen
sind nach Schnackenburg durchpassiert, um vom Zoll Besitz zu nehmen. Der Offizier ist eine
halbe Stunde im Amthause gewesen, um Vorspann zu verlangen, hat sich sehr artig betragen, sich
nach nichts umgesehen, ist sonsten nirgends gewesen, die übrigen 5 haben mit weniger Höflichkeit
8 Bouteillen Wein im Gasthause ertrotzet und ausgeleert, ich habe keinen davon gesehen,
weil ich eben ausgeritten war. 8. September 1803.“
246
„In Schnackenburg auf dem Amt ist zur Observierung des Zolls ein Leutnant, ein Unteroffizier, vier
Infanteristen. Gestern ist der Regiments-Chef, ein Oberster, der in Lüchow, Dannenberg, Hitzacker
das Kommando führet, auf ein paar Stunden hierher gekommen, pour me faire ha cour me presenter
ses respects (um mir seine Aufwartung zu machen und seine Achtung zu bezeugen), wie
seine Worte waren. Ein sehr höflicher, artiger Mann. Auf morgen Nachmittag hat sich der Leutenant
aus Schnackenburg melden lassen, den der Amtmann Jacobi ganz außerordentlich rühmt.
Dem Anschein nach bleiben alle Ritterschaftlichen Güter frei und es werden nur die Ämter, Städte,
Klöster, Zölle pp. besetzt, indessen ist keine Gewißheit darüber. 10.September 1803.“
„Hier kann man an nichts als an Lieferungen denken, wie die repartieret, beschaffet und weggeschicket
werden sollen. Wie es die Untertanen aushalten werden, weiß ich nicht und ist vor aller
Menschen Augen verborgen. Vom Roggen ist das Quantum noch nicht bestimmt, was ich und die
Pächter zu geben haben, weiß ich auch noch nicht, bloß Haber, Heu, Stroh bringet für die Untertanen
auf ein einziges Quartal 6 - 700 Taler bar Geld, hierzu die drückenden Kriegssteuern. Die
Lieferung wird 15 Meilen weit nach Celle verlanget. 20. September 1803.“
„Ich bin gestern um 8 Uhr hier (Anm.: in Dreilützow) angekommen und werde morgen nach Gartow
zurückkehren, wo ich noch alles in Ruhe vorzufinden hoffen darf, weil sämtliche Truppen aus
der ganzen dasigen Gegend weiter vorwärts gegen Lüneburg zumarschiert sind, wie es heißt, um
daselbst ein Lager zu beziehen, wie andere sagen, um über die Elbe zu gehen. Es ist eine sehr
scharfe Order ergangen: 1. alle preußischen Deserteurs anzuhalten, 2. keinen Russen, weder vom
Zivil- noch Militärstande passieren zu lassen sondern davon dem nächsten Offizier zur weiteren
Verfügung Nachricht zu geben. Dreilützow, 28. August 1804.“
„Da eben durch einen Expressen die angreifende Nachricht eingehet, daß morgen wieder alle
Dörfer des hiesigen Guts besetzet, die Predigers und Försters zu Holtorf, Trebel, Prezelle abermals
mit Offiziers beleget werden sollen, so kann ich gar nichts mehr schreiben. Nun fort mit aller Ruhe.
29. September 1804.“
„Von hier aus weiß ich nichts Gutes zu sagen. Dem Anschein nach wird nächstens wieder eine
schwere Einquartierung einrücken und des anhaltenden Frostes ohnerachtet steiget die noch
stets fest zugefrorene Elbe dennoch täglich auf eine fürchterliche Art. Wie wird sie erst alsdann
wachsen, wenn sie aufgehet, man muß bange werden, die Aussichten erregen Grausen. 19. Februar
1805.“
„Hier haben wir täglich nicht allein Regen sondern Wolkenbrüche, am 20. und 21., beide aus Osten,
beide nachmittags 4 Uhr. Beim Gasthause konnte man mit Kähnen fahren, die Ochsenkoppel,
alle Wiesen bis an die Gaarte (Anm. Seege), alle Restorfer, Laascher, Meetschower, Gorlebener
Wiesen gleichen einem offenbaren See. Zu Rucksmoor hat der Roggen bis an die Ähren im Wasser
gestanden, die nächste Koppel bei Rucksmoor, wo die Quitschbeerenallee ist, war noch den anderen
Tag über und über überschwemmt, nun brauche ich wohl keine Beschreibung von Quarnstedt
zu machen. 24. August 1805.“
„Eben kommt eine Estaffette mit der schreckenden Nachricht, daß die russische Armee unter dem
Grafen von Tolstoy ihren Rückweg hier durch nach Lenzen ins Brandenburgische nimmt. Am 18.
kommen hier 2 General-Majors, 6 Stabsoffiziers, 40 Obere Offiziers, 1671 Gemeine, 283 Pferde,
bleiben die Nacht hier und marschieren am 19. weiter.
Am 20. kommen hier 2 General-Majors, 4 Stabsoffiziers, 42 Obere Offiziers, 1796 Gemei-
247
ne, fast lauter Kosacken, 279 Pferde, bleiben
die Nacht hier und marschieren am 21. weiter.
Ob es zwar eine totale Unmöglichkeit ist, daß
ich 46 Offiziers mit 2 Generalen aufnehmen
kann, so werde ich doch so viele aufnehmen
müssen, daß kein Winkel übrig bleibt. Es werden
fürchterliche Tage sein und wie so viele
Gemeine in ohngefähr 40 Häusern zu verteilen
sein werden, also in jedes Haus über 40 Mann,
die zum Teil so klein und elend sind, daß sich
nicht 10 darin rühren können, und für beinahe
300 Pferde Raum an einem Orte zu finden, wo
alle Stallung ungefähr für 30 hinreichet, das
vermag ich nicht zu wissen und nicht zu machen.
Man wird des Lebens müde und satt,
sehnt sich nach einem Besseren. Amen. 11.
Februar 1806.“
Französische Soldaten
„Im Taumel der drückensten Unruhe kann ich mit matter Hand nur eine Zeile schreiben, daß ich
noch am Leben bin und daß das Haus von unten bis oben voller Menschen und voller großer
Läuse ist. Am Dienstag sind sie des Morgens hier eingerücket, ein Regiment hat hier zwei Tage
Rasttag gehalten, das heute weiter marschieret ist, nun rücket ein anderes Regiment ein und
bleibet bis…. Das ganze Hauptquartier, Generals, Obristen, Adjutanten, Majors, Canzelei, Pagen,
Doktors und so weiter, alles hier im Hause, welches nun von einem reinen Wohnhause in einen
Schweinestall umgeschaffen wird. Seit dem 18. (war ich) in keinem Bett! Ach, was erlebet man
im 73. Jahr, was muß man erdulden, wie muß man sich beugen, denn was die Herren wollen, das
wollen sie. 21. Februar 1806.“
„Es ist noch gar nicht ruhig, freilich weniger stürmisch als in dem fürchterlichen Grade der vorigen
Woche aber bald fällt dies, bald das vor, vorgestern ist ein gewaltiger Artillerie-Train von ungefähr
90-100 Kanonen mit 6, 8, 10, 12 Pferden bespannet, nebst einer zahllosen Menge Pulverkarren
und Munitionswagen vorbei marschieret. Wie voll es hier gewesen ist, läßt sich daraus abnehmen,
daß hier auf dem Schloßhofe in der einzigen Stube des Scheunenvoigts Jürgen Schultze 24 Soldaten
waren, im Gasthause 29, im Hospital 23 und so ferner. Ach, wie siehet es hier im Hause aus!
Ach meine schönen Betten! Die müssen alle in den Backofen, um die Läuse zu töten und wie das
Haus je wieder so rein werden könne, wie es vor dem 18. war, das weiß ich nicht. Es ist noch nie
so voll gepfropfet gewesen als in den 5 Tagen vom 18. bis 23. und noch nie so zugeschmutzet…
Über ihr Betragen kann ich übrigens gar nicht klagen, sie haben mich mit zuvorkommender Höflichkeit
behandelt und recht musterhafte Manneszucht gehalten. Im Exerzieren übertreffen sie an
Gewandtheit, Leichtigkeit, Pünktlichkeit alles, was ich gesehen habe, die Franzosen, Preußen pp.
weit, weit. Ich habe in 2 Posttagen nichts von Berlin erhalten. 25. Februar 1806.“
„Es schneit täglich und ganz gewaltig, wie wird es den Elbgegenden ergehen? Ohne die durchmarschierenden
russischen Truppen zu rechnen, sind in der einen Februarwoche hier und in einigen
Dörfern des Gutes einquartiert gewesen rund 90 Offiziers, über 5000 Gemeine, über 600 Pferde,
fast zu hart. 11. März 1806.“
248
„Die vorige Nacht hat es dick Eis gefroren und heute scheint viel Schnee in der Luft zu sein. Es
sterben schrecklich viel Bauernpferde und Kühe, die sich von der vorigjährigen beständigen Nässe
ganz faul gefressen haben und es ist sehr zu fürchten, daß noch viele, viele sterben. Der Landmann
ist ganz ruinieret auf mehrere Generationen. 12. April 1806.“
„Es fanget hier an, sehr unruhig zu werden und es stehen mir harte Tage bevor. Das ganze Tschammersche
Infanterie-Regiment, beinahe 2000 Mann stark, rund 100 Pferde, 43 Offiziers, viele
Artillerie, rücken morgen auf den Marsch von Stendal ins Lauenburgische hier ein und bleiben
bis zum 19. Die schrecklichste Lage ist dabei, daß sie die Truppen nicht auseinander legen, nicht
einen Schritt seitwärts tun, die Kompagnien nicht teilen wollen, so daß alle Last auf Gartow und
einige nahe Dörfer Niendorf, Holtorf, Capern fällt. Jedes Haus 30, 40, 50 Mann bekommen wird,
dagegen hilft nichts, ob man aus dem Hause heraus muß oder nicht, darauf wird nicht geachtet,
es soll und muß so sein. Man wird des Lebens nicht mehr froh, kann gar nicht mehr frei Atem
schöpfen, wird von allen Seiten gedrücket und gequälet. Es ist ein abscheuliches Schneegestöber
mit Sturm aus Norden. 15. April 1806.“
„Ich dachte gestern oder heute ins Mecklenburgische zu reiten aber eine angekündigte preußische
Einquartierung des Infanterie-Regiments von Treuenfels und des Kürassier-Regiments von
Reitzenstein, welche nach Harburg und Stadt beordert sind, macht alle Projekte zu Wasser. Der
Tag, wann sie kommen sollen, wird noch erst bestimmt werden. Der betrübte Ostwind weht immer,
alles verdorret, alles verwelket, es ist noch nicht eine Hand voll Gerste in der Erde, auch gar nicht
abzusehen, wann der Acker aufhören wird, ein Felsen zu sein. 24. Mai 1806.“
„Der Chef des zweiten Bataillons vom Tschammerschen Infanterie-Regiment hat mir aus Lauenburg
geschrieben, daß er bald „das unschätzbare Glück“, „die hohe Ehre“ zu haben wünsche, mir
mit dem ganzen Stab, sämtlichen Kompagniechefs in Gartow „ehrfurchtsvoll“ aufzuwarten, weil
sie nächstens in ihre alten Standquartiere zurückmarschieren zu müssen glauben. Hierzu täglich
die Ordre erwarteten, indem sie schon vorläufig davon aversieret wären, alles Brot backen, Haber-
Lieferung und so weiter mit dieser Woche aufhören sollte.
Extra angenehme Aussicht. „Unschätzbares Glück“, „hohe Ehre“, ein paar Tausend Mann im
Gute, 30 - 40 Pferde im Stall, anderthalb Dutzend Offiziers im Hause und am Tisch zu haben …
Dreilützow, 12. Juni 1806.“
„Nun sollen im Gute Gartow auch einige hundert preußische Reuter in Cantonierungs-Quartiere
geleget werden. Der Stab, welcher bisher auf dem Amthause zu Dannenberg sein Quartier gehabt,
soll es nun hier im Hause bekommen: ach welche Last wird das für mich sein, denn ob ich gleich
die Offiziers nicht speisen darf, so muß ich doch den Major, bei welchem sie alle essen, die Küche
einräumen oder welches ebenso abscheulich ist, mit ihm teilen und die Unruhe, welche im ganzen
Hause entstehet, ist eine Bürde, die mich recht peiniget, wozu ich aber leider nichts sagen darf,
weil ich nicht verlangen kann frei zu bleiben und die selbige Last, welche die königlichen Domainen
und die übrigen ritterschaftlichen Güter drücket, mit selbigem im gleichen Verhältnis tragen
muß… 18. Juni 1806.“ 3/4/5
Es ist an dieser Stelle unmöglich, die vielen Veränderungen nachzuzeichnen, die die zehnjährige
Besatzungszeit mit sich brachte. Daher müssen schlaglichtartig Fakten die Umwälzungen verdeutlichen,
wobei keine Vollständigkeit erreicht werden kann. Aber diese werden ausreichen, einen
ersten Eindruck zu vermitteln.
249
Auszugsweise wird aus einem Handbuch, welches sicher für die Ausführung der vielen neuen französischen
Bestimmungen notwendig gewesen ist, zitiert:
„Jeder Gemeindebezirk hat einen oder mehrere Friedensrichter, welche unmittelbar von den Bürgern
auf drey Jahre gewählt werde und Ihre vorzüglichste Function ist, die streitenden Partheyen
zu vereinigen; gelingt ihnen dieses nicht, so laden sie dieselben ein, ihre Sache durch Schiedsrichter
entscheiden zu lassen.“ (S. 13)
Justiz
„Jede Strenge, welche bey der Verhaftnehmung, während der Gefangenschaft oder bey der Vollziehung
der Urtheile angewendet wird, ohne daß sie vom Gesetze authorisiert ist, ist ein Verbrechen.“
„Jeder Bürger hat das Recht, individuelle Bittschriften allen Constituirenden Gewalten und besonders
dem Tribunate einzureichen.“ (S. 18)
„Es ist Pflicht des Staates, für die Erziehung derjenigen Kinder Sorge zu tragen, welche keine Eltern,
noch vermögende Anverwandte oder eigenes Vermögen haben….“ (S. 66).
„Da die Gesetzgeber Frankreichs Maaßregeln ergriffen haben, welche denjenigen Personen, die
ihrer Krankheit, Leibesgebrechlichkeit, ihres hohen Alters oder anderer auch nur vorübergehenden
Umstände wegen außer Stande sind, sich den Unterhalt ganz oder hinlänglich zu erwerben,
Verpflegung und Unterstützung von ihrer Gemeinde oder von dem Staate zu sichern, so ist das
Betteln mit allem Rechte verboten…“
(S. 75)
Kuppelei und Prostitution waren verboten. Die „Hurenwirthe“ und „Schanddirnen“ wie auch „Kuppler
und Kupplerinnen“ wurden festgenommen und bestraft. Sogenannte „Schandhäuser“ durfte
es ebenfalls nicht geben. (S. 80)
„Jede Zusammenrottung von mehr als fünfzehn Personen, die sich der Vollziehung eines Gesetzes,
eines gesetzmäßigen Zwanges oder eines Urtheils widersetzen, wird als eine aufrührerische
Zusammenrottung angesehen und als solche behandelt…“ (S. 83)
„Die persönliche Sicherheit der Bürger wird gefährdet, wenn sie gesetzwidrig ihrer Freyheit beraubt
und eingesperrt werden, wenn Angriffe auf ihr Leben, auf ihre Existenz geschehen, wenn sie
Verletzungen an ihrem Körper erleiden …“ Willkürliche Verhaftungen und geheimes Einsperren
waren nicht gestattet. (S. 87)
Gebietseinteilung
„Jedes Department hat einen Präfecten, einen Präfectur-Rath und einen allgemeinen Departements-Rath,
welche die Functionen ausüben, die bis jetzt von den Verwaltungen und Commissaren
der Departemente verrichtet worden sind … Der Präfect führt allein die Verwaltung…“ (S. 20)
„Jeder Gemeindebezirk hat einen Unter-Präfecten und einen Bezirksrath von elf Mitgliedern…“
(S. 23)
„Die Städte, Flecken und andere Ortschaften, in denen bis jetzt ein Municipal-Agent und Adjunct
waren und deren Bevölkerung sich nicht über 2500 Einwohner beläuft, haben einen Maire und
Adjuncten ... Die Maire und Adjuncten üben die Verwaltungs-Functionen aus, welche bis jetzt von
250
den Municipal-Agenten und Adjuncten verrichtet wurden; in Rücksicht der Policey und des Civilstandes
haben sie die Functionen, welche bis jetzt von den Municipal-Verwaltungen der Cantone,
den Municipal-Agenten und Adjuncten versehen wurden.“ (S. 24)
„Jede Stadt, jeder Flecken oder jede andere Ortschaft, in denen es jetzt einen Municipal-Agenten
oder Adjuncten gibt, hat einen Municipal-Rath. Er besteht aus zehn Mitgliedern in den Ortschaften,
deren Bevölkerung nicht über 2500 Einwohner beträgt ... Dieser Rath versammelt sich jedes
Jahr den 15. Pluvios und kann 15 Tage versammelt bleiben ... Er höret die Rechnung über die
Municipal-Einnahmen und Ausgaben ab, welche der Maire dem Unterpräfecten, der sie definitiv
abschließt, ablegen muß und ist befugt sie zu debattieren. Er bestimmt die Vertheilung der gemeinschaftlichen
Holzfällung, Weide, Ernte und Früchte. Er bestimmt die Vertheilung der Arbeiten,
welche zur Unterhaltung und Reparation der Güter nöthig und zu denen die Einwohner verpflichtet
sind…“ (S. 25)
„Die Errichtung eines Municipal-Rathes hat nothwendig geschienen, damit derselbe die Interessen
der Einwohner der höheren Behörde vorstellen, die Rechte derselben sicher stellen und die
häuslichen Angelegenheiten der Gemeinde in Ordnung halten könnte…“ (S. 36)
„Die Maire und Adjuncten sind also der Regel nach Verwalter und Policey-Beamte…“ (S. 56)Die
Errichtung der allgemeinen Departements-Räthe und der Gemeindebezirks-Räthe hat wesentlich
zum Zwecke, die Unparteylichkeit der Verteilung der Abgaben unter den Bezirken, Städten, Flecken
und Dörfern sicher zu stellen und diesen Operationen, von welchen die Billigkeit in der Verteilung
unter die Privat-Personen abhängt, das allgemeine Zutrauen zu erwerben.“ (S. 34)
Steuerzahlungen
„Jeder Bürger ist verbunden, seinen Antheil zur Bestreitung der Ausgaben beyzutragen, welche die
Staatsverwaltung erfordert… Kein Bürger kann also darüber klagen, daß er Abgaben zu bezahlen
hat, denn er entrichtet sie um seiner Sicherheit und um seines eigenen Vorteils Willen…“ (S. 337)
Im Jahre 1791 sind in Frankreich die sogen. direkten Steuern eingeführt worden, die wichtigsten
waren die Personal- und Grundsteuer sowie die Möbelsteuer. (S. 353).
„Die Personal-Steuer, bestehend in einem dreytägigen Arbeitslohne, soll auf jeden Einwohner jedes
Geschlechts, der seit einem Jahre in der Gemeinde wohnhaft ist, und seine Bürgerrechte
genießt und der nicht in die Classe der Armen gezählt wird, gelegt werden.“ (S. 411)
Es gab auch eine Luxussteuer („Somptuar“-Steuer), sie wurde von Luxuskutschen, überzähligen
Mauleseln und Pferden sowie überflüssigen Dienstpersonal erhoben. (S. 416)
Weiterhin mußte eine Patent-(Berufs-)Steuer bezahlt werden. Sie galt für Personen „welche Handel,
Gewerbe, Handwerke oder Professionen treiben“. Die Berufe sind verschiedenen Steuerklassen
zugeordnet worden. Ein Bäcker z.B. fand sich in der Klasse 5 wieder, ein Bürodirektor dagegen
in der Klasse 1 und ein Besenbinder in der Klasse 7. Bauern waren frei. (S. 420)
Für die Zukunft war kurioserweise eine Tür- und Fenster-Steuer geplant, sie bezog sich auf Einfahrt-
und Wagentore sowie auf Türen von Magazinen der Großhändler. (S. 470)
251
Personenstandsregister
In öffentlichen Registern durften „Benennungen und Ausdrücke, welche auf eine directe oder indirecte
Weise an das Lehnsystem, an den Adel oder an das Königtum zurückerinnern“ nicht eingetragen
werden. Geburten, Verheiratungen und Sterbefälle sind vornehmlich in Zivilstandsregistern
dokumentiert worden. (S. 574)
Dienstkleidung
„Die Maire (Ortsbürgermeister) tragen ein blaues Kleid und eine rote Ceintüre mit dreyfarbigen
Fransen, die Adjuncten tragen das nehmliche Kleid und eine rote Ceintüre mit weißen Fransen…“
(S. 711) 6
Als ob 777 Seiten nicht ausreichten, sind in der 2. Abteilung noch weitere Bestimmungen nach
französischem Recht enthalten. Hierzu einige Beispiele:
Forstpolizei
Angewendet wurde das französische Gesetz über die Forstverwaltung vom 29.9.1791. Es waren
drastische Strafen gegen Verstöße vorgesehen (S. 3). Ein Beispiel: „Wir verbieten jedermann, im
Umkreise oder an den Seiten unserer Waldungen (Anm.: Nationalwaldungen) Sand, Erde, Mergel
oder Thon wegzuholen oder in eine Entfernung von weniger als hundert Ruthen Kalk zu machen
ohne unsere ausdrückliche Erlaubnis; auch verbieten wir den Forstbeamten ein solches zu dulden.
Die Übertreter sollen eine Geldbuße von 500 Franken nebst der Confiscirung der Pferde und
des Geschirrs zu gewärtigen haben.“ (S. 28)
Auch das Jagen war untersagt. Mit den französischen Dekreten vom August 1789 war die ausschließliche
Jagdgerechtigkeit abgeschafft. (S. 79)
„Kein Ackersmann darf, wenn er mit Vieh im Bauen eines Ackers oder in irgend einer anderen Arbeit
begriffen ist oder wenn er das Vieh hütet, verhaftet werden …“ (es sei denn, er hat sich eines
Verbrechens schuldig gemacht). (S. 154)
„Kein Dünger, keine zum Feldbaue dienlichen Werkzeuge und Gerätschaften und kein zum Ackerbau
dienendes Vieh dürfen zur Bezahlung öffentlicher Steuern hinweggenommen noch verkauft
werden…“
„Wenn ein Ackersmann abwesend, krank oder zufälliger Weise außer Stande ist, selbst Ernte zu
machen und um diese Hülfe ansteht, so soll die Municipalität dafür sorgen, daß seine Ernte eingethan
werde …“ (S. 161)
„Keine Autorität darf die Feldarbeiten bey der Saat und Ernte aufhalten, noch dieselben in ihrem
ordnungsmäßigen Gange stören.“ (S. 162)
Forstverwaltung
Die Privat-Leuten zugehörigen Waldungen sollen künftighin dieser Verwaltung (Anm.: der staatlichen
Forstverwaltung) nicht mehr unterworfen seyn und es steht jedem Eigenthümer frey, solche
nach Gutbefinden zu verwalten…“ (S. 178)
252
Zivilstand
„Das zum Heyrathen gehörige Alter ist für die Mannspersonen fünfzehn und für die Mädchen dreyzehn
volle Jahre. Jede Person soll im zurückgelegten einundzwanzigsten Jahre großjährig sein“. Es
war ein Aufgebot zu bestellen, erst 8 Tage später durfte geheiratet werden. (S. 199)
Es galt die französische, republikanische Zeitrechnung: „Die gemeine Zeitrechnung ist in Rücksicht
auf die Geschäfte des bürgerlichen Lebens abgeschafft… Das erste Jahr der Republik hat um
Mitternacht, den 22. Sept. 1792 angefangen…“ Das hatte auch Auswirkungen auf die Municipalverwaltungen,
denn diese waren „verbunden, ihre Sitzungen nach der Decade zu bestimmen.. Die
Unter-Präfecten sind gehalten, diejenigen, welche sich mit ihren Sitzungen nach den Sonn- und
Feyertagen richten, zu denunciren.“ (S. 248, 251)
Es durften keine Adelstitel getragen werden, diese auch nicht im amtlichen Schriftverkehr erscheinen.
Auch das Zurschaustellen von Adelswappen z.B. auf Kutschen war verboten. Beamte
und Notare, die Adelsbezeichnungen im Schriftverkehr aufgenommen hätten, wären ihrer Ämter
enthoben worden. (S. 255)
Eingeführt wurden „republikanische“ Maßeinheiten wie Metre (m), Are (10 x 10 m), Stere (Holzkubikmeter),
Litre, Gramme usw. (S. 257)
Vermögende Leute in den Städten, die Schauspielhäuser besuchten, zahlten beim Eintritt eine
kleine Abgabe mit „zur Unterstützung der Armen.“ (S. 355)
Es bleibt dem Urteil des Lesers vorbehalten, aus den vorstehenden Fakten Rückschlüsse zu ziehen.
Die Eingriffe sind verglichen mit den vorher geltenden hannoverschen Gesetzen geradezu
umwälzend gewesen. Hier sind noch nicht einmal die weiteren Bestimmungen gemäß des Gesetzbuches
Napoleon ausgeführt (Code Napoleon), welches vom 1. Januar 1808 an den Status eines
bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Westfalen erhielt. Die mittelalterliche Leibeigenschaft,
wo sie noch galt, wurde abgeschafft. Notare wurden bestellt, das Ändern des Familiennamens
wurde verboten, Frondienste eingeschränkt, Jagddienste abgeschafft, die Ablösungsgesetzgebung
auf den Weg gebracht, das Jagdrecht eingeschränkt u.a.m. Nach der Befreiung wurden die
zuvor gültigen hannoverschen Gesetze wieder eingeführt. 7
Im Dezember 1808 kam ein Kontingent französischer Truppen nach Gartow. Es handelte sich um
Kürassiere, die vom 7. - 31. Dezember in Gartow Quartier nahmen. Auf dem Schloßhof wurde eine
ständige Wache eingerichtet, da ein französischer Offizier dort logierte. Ein durchreisender französischer
General war außerdem bei Gastwirt Hahn einquartiert, der zu verpflegen war. Im Mai 1809
hat das Schill`sche Streifcorps zum Schaden des Hauses Gartow vier Ochsen, Roggen, Hafer und
Erbsen gefordert und erhalten. 8
1809 mußte Gartow zeitweilig 760 französische Militärpersonen aufnehmen und verpflegen. Die
dafür notwendige Organisation übernahm eine Einquartierungskommission, der der Bürgermeister
(„Maire“) Harbord vorstand. Die ständige französische Wache auf dem Schloßhof gab es noch
1809/10. In dieser Zeit mußte der Gartower Gastwirt Hahn einen französischen Offizier nach
Gorleben und Trebel fahren. 9
Mit Datum vom 1. September 1810 wurde vorläufig die hannoversche Verfassung und somit
auch die Gerichtsbarkeit des Hauses Gartow aufgehoben, weil der Bezirk Gartow nunmehr zum
Königreich Westfalen gehörte und französische Rechtssprechung galt. Es kam zur Bildung von
253
Kantonen, kleinen Verwaltungseinheiten und Municipalräten in Städten und Flecken sowie zur
Wahl eines „Maires“ (Bürgermeister) und „Adjuncten“ (Stellvertreter). Der bisherige Verwalter des
Gerichtsbezirkes Gartow, Amtmann Dr. Ziegler wurde zum „Friedensrichter“ ernannt, der dem Gartower
„Friedensgericht“ vorstand und nicht mehr vom Haus Gartow sondern von der französischen
Republik besoldet wurde. Ebenso der v. Bernstorffsche Amtsschreiber Rudolph Seggel.Die Gerichtsdiener
Götz, Schulenburg und Tietz blieben jedoch bei der v. Bernstorffschen Gutsverwaltung,
wo sie offiziell als Nachtwächter auf dem Schloßhof und den Vorwerken fungierten.
Mit der neuen französischen Rechtssprechung war es nicht zu vereinbaren, daß Untersuchungsgefangene
in Ketten gelegt wurden. Daher erhielt der Gartower Schlosser Waldow den Auftrag, die
Ketten im Gefangenenhause abzusägen. 10
Mit Inkrafttreten der französischen Verfassung ist auch eine neue Steuer wirksam geworden: die
Exemtensteuer. Sie wurde auf bisher steuerfreie Grundstücke erhoben. 11
In der Franzosenzeit hatte Graf v. Bernstorff keinen leichten Stand: viele Untertanen weigerten
sich nun unter der Fremdherrschaft die früheren Dienste zu verrichten und führten jetzt Prozesse
gegen das Haus Gartow. Eine Aufzählung (Streitgegenstand in Klammern) mag hier genügen: Holtorf
und Kapern (Burgfestfuhren), Nemitz (Holzfällen), Trebel (Strohlieferung), Prezelle (Burgfestdienste),
Gummern (Weidestreit, Malz-fuhren) und Gartow (Gerechtsame Besitzstörung). Hinzu
kamen eine Menge Einzelklagen wie z.B. Bürgervorsteher Bade und Witwe Fährmann in Gartow
wegen Wiesenzins-Zahlungen. Außerdem weigerte sich die Gartower Bürgerschaft, den obligatorischen
Heudienst für das Haus Gartow zu verrichten. Nicht eine gutspflichtige Ortschaft war dabei,
die keinen Hader mit dem Haus Gartow hatte. 12
Dem Grafen blieb nichts anderes übrig, als diese Versäumnisse in der Hoffnung auf spätere Wiedergutmachung
wertmäßig in seinen Registern zu vermerken. Die Untertanen bezogen sich dabei
auf den Artikel Nr. 686 des Gesetzbuches Napoleons, welches die „Aufhebung der persönlichen
und unbestimmten Dienste“ (Königl. Dekret vom 23. Januar 1810) bestimmte. Den gräflichen
Bauaufseher Pevestorf in Quarnstedt blieb es nicht erspart, im August 1810 drei französische
Rekruten, im Oktober französische Jäger und im Dezember französische Infanteristen unterzubringen
und zu beköstigen. Bürger Dröge aus Gartow wurde im Rahmen einer Kriegsfuhre nach
Lüchow gesandt. Ob er zu den 20 Tagelöhnern gehörte, die Förster Schulze aus Trebel zum Schutt
wegräumen in der abgebrannten Stadt Lüchow schickte, wissen wir nicht. Aber es ist bekannt,
daß Graf v. Bernstorff zu den Unglücklichen 230 Brote bringen ließ, die der Gartower Bäcker Gille
herstellte. 13
Als Steuereinnehmer während der französischen Zeit fungierte der Einwohner Krug, bei dem alle
Steuern entrichtet werden mußten (Kriegssteuer, Exemtensteuer und als neue Steuer der Beitrag
zum Departementfond). 14
Als französische und hessische Truppen kurzerhand über die Elbe bei Dömitz gebracht werden
mußten, sind die „Cantons“ (Verwaltungseinheiten) Quickborn und Gartow zur Bestreitung der
angefallenen Kosten verpflichtet worden. Mehrmals kamen ferner Kriegerfuhren von Schnackenburg
über Gartow nach Dannenberg vor, wie auch eine Anforderung der Präfektur Magdeburg,
Kriegerfuhren abzuleisten. 15
254
Am 19. Mai 1810 ist der Gartower Bevölkerung seitens des Amtmannes, nun „Friedensrichter, Dr.
Ziegler , der Huldigungseid auf die französische Verfassung abgenommen worden. „Ich schwöre
Gehorsam und Treue dem Könige und der Konstitution so wahr mir Gott helfe und sein heiliges
Wort“. Die versammelte Menge hob die rechte Hand und sprach:“Wir schwören es“. Damit war sie
zu französischen Bürgern geworden. Bald darauf folgte eine neue Verwaltungseinteilung in Departements,
Distrikte und Kantone, wobei die Grenzen willkürlich gezogen wurden, um die geplanten
oder vorgegebenen Gesamt-Einwohnerzahlen zu erreichen. Aus Gartow und Schnackenburg entstand
ein Kanton, der dem Distrikt Salzwedel im Elbdepartement angegliedert war. Kanton - Vorsteher
(„Maire“) wurde v. Ramdohr mit Sitz in Gartow. Der Kanton Gartow mit 6091 Einwohnern
bildete sich aus folgenden Ortschaften und Siedlungen:
Gartow, Rucksmoor, Quarnstedt, Schnackenburg, Gummern, Holtorf, Kapern, Restorf, Brünkendorf,
Laasche, Pevestorf, Vietze, Gorleben, Meetschow, Nienwalde, Trebel, Gedelitz, Marleben,
Tobringen, Vasenthin, Gr. Breese, Dünsche, Liepe, Pölitz, Pannecke und Klautze. Zudem bildeten
mehrere Ortschaften „Communen“:
Nienwalde-Rucksmoor, Holtorf-Kapern, Meetschow-Vietze-Brünkendorf-Laasche, Gartow-Quarnstedt,
Restorf-Pevestorf, Schnackenburg-Gummern und Gedelitz-Pölitz-Gorleben. 16/17/18/19/20
Im Sommer 1812 beantragte die Gartower Bürgerschaft die Abholzung der mit Erlen bestandenen
Buchhorst, um dort Gärten anzulegen, ebenso eines Teiles des Elsebusches. Der zu Rate gezogene
Forstmeister v. Sebisch war mit dem Kahlschlag auf der Buchhorst einverstanden. Beide
Areale gehörten dem Grafen von Bernstorff zwar nicht eigentümlich aber er hatte auf den dortigen
Flächen ein Mitweiderecht. Es gründete sich darauf, daß er Besitzer mehrerer Gartower Bürgerhäuser
war. Da auch der Helk und Serich im Gespräch waren, wo v. Bernstorff ebenfalls Mitweiderechte
geltend machen konnte, weigerte er sich, dem Vorhaben zuzustimmen.
Damals leitete der „Maire“ v. Ramdohr dort das Gartower Gemeinwesen, unterstützt vom „Commune-Secretair“
Krug, dem Steuereinnehmer sowie den „Municipal-Räthen“ E.K. Hölty, B.F. Hahn,
J.C.D. Schmidt, P.N. Reichenberg und J.J. Dröge.
Der Ortsbürgermeister („Canton Maire“) von Gartow, von Ramdohr, sondierte im Auftrag des Unterpräfekten
in Salzwedel die Bereitschaft der Gartower Gemeinde, für die Einwohner Wiegrefe in
Gorleben, Schulze in Trebel und Schulze in Lomitz Entschädigungen zu zahlen, weil diese hart unter
fremder Einquartierung gelitten haben. Lediglich Graf von Bernstorff, der während einer Teilzeit
der französischen Besatzung in Berlin lebte und die Geschäftsführung des Gutsbetriebes seinem
Archivar Cleves übertragen hatte, wollte eine Zahlung leisten. Die Gartower Bürgerschaft dagegen
nicht und das aus zwei Gründen: es seien auch weitere Einwohner, wie z.B. der Gartower Gastwirt
Hahn belastet worden und den reitenden Förster Schulze aus Trebel wolle man nicht unterstützen,
weil der verstorbene Graf von Bernstorff es im Jahre 1804 verstanden habe, fremde Offiziere beim
Förster einquartieren zu lassen. 21
Die neu eingeführten französischen und später beibehaltenen Grund- und Personalsteuern waren
eine schwere Last für die Untertanen, die zudem noch mit 5% Zulage monatlich belegt war. Hinzu
kam ferner die Kriegssteuer. Wer nicht zahlte (offizielle Währung nunmehr Francs und Centimes),
erhielt Besuch vom sog. „Zwangsbefehlsträger“ Heine, der dann Pfändungen bzw. Zwangseintreibungen
vornahm. Gartow erhielt 1813 den Befehl 1000 Rationen Lebensmittel für französische
Soldaten in Dannenberg zu liefern.
255
1812: Verordnung zur Bildung neuer Verwaltungseinheiten
In Gorleben, Holtorf und Schnackenburg existierten französische „Blockhäuser“, wohl Wachgebäude.
Leutnant Froreich aus Dömitz orderte Branntwein sowie auch Arbeitskräfte zum dortigen
Schanzen. Eine einfache Schanze war auch am Elbedeich bei Schnackenburg errichtet worden, in
Gummern mußte für zwei Tage ein russischer Offizier beköstigt werden. Friedensrichter und späterer
Amtmann Dr. Ziegler fuhr nach Salzwedel, um dort Militärmäntel zu kaufen. 22
In den letzten Monaten der Besetzung kam es zu vielen Einsätzen der Gartower Untertanen, um
die französischen Truppen zu unterstützen. Die französische Militärkommandantur ließ im Juli
1813 durch die zuständige Unterpräfektur Salzwedel dem Gartower „Maire“ einem Befehl zur
Gestellung von 9 Schanzarbeitern zukommen. Daraufhin sind 9 Tagelöhner aus Quarnstedt nach
Werben (rd. 50 km südöstlich von Gartow an der Elbe) geschickt worden, wo sie 7 Tage lang
blieben. Um bereits im Vorwege ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, vergaßen die Franzosen
nicht, mitzuteilen, daß 500 französische Soldaten als sogen. „Executionstruppen“ in Salzwedel
stationiert seien, mit der Aufgabe, Arbeiter ggfl. zwangsweise auszuheben.
Im August 1813 orderte der Generalgouverneur in Magdeburg, Graf Limmarois, 71 Schanzarbeiter
und mahnte zugleich die Lieferung von Leinen zu Bandagen an. Der Gartower „Maire“ mußte wohl
oder übel diesen Forderungen nachkommen, da rigorose Bestrafungen die Folge waren. 23
256
Hinzu kamen die ständigen Einquartierungen fremder Soldaten, wobei die Franzosen sich weigerten,
in die Tagelöhnerhäuser des Grafen von Bernstorff in Quarnstedt einzurücken, weil deren
bauliche Beschaffenheit ungenügend war.
Ständig hielten sich in Gartow und Umgebung Soldaten auf. So lagerten im April 1813 etwa 100
Kosacken in Wirl, der Kosacken-General nahm Quartier im Schloß Gartow. Von Mai 1813 bis März
1814 befanden sich russische Truppen („Zernitschewsches Corps“) in Gartow, im Juni logierten
im Schloß „2 Colonels, 2 Obrist-Lieutenants, 14 Capitains sämtlich mit Bedienten und 212 Unterofficirs
und Gemeine“. In bunter Folge kamen und gingen Soldaten: Königl Preußische Truppen
(16.5.1813 - 20.02.1814), Russisch-Deutsche Legion (Sept. 1813), Kavallerie des Preuß. Landsturms
in Wirl (Sept. 1813), englische Truppen (Okt. 1813), Braunschweig-Lüneburgische Truppen
(Okt./Nov. 1810), der Divisions-General Kreutz mit 50 Mann (Dez. 1813) und schwedische Truppen
(Febr. 1814).
In Gartow bestand ein Fourage-Magazin, in welches die umliegenden Dörfer abliefern mußten. Die
drückenden Steuerzahlungen und Lieferungen veranlassten den Gartower „Maire“ im Juli 1813
zu folgendem Schreiben an den Unterpräfekten Westphal in Salzwedel, wobei Archivar Cleves berichtete:
„Wenn Gartow nicht ganz zugrunde gehen soll, so muß ich jetzt Hülfe haben. Meine Lage
ist critisch. Alle Einnahme - Quellen versiegen. Die Bauern sind so arm oder geben es vor, daß
sie keine Gefälle (Steuern) bezahlen. Aus Mecklenburg kann ich kein Geld erhalten… Gartow ist
leider ein Etappenort. Ganze Divisionen, Regimenter und Bataillons sind in kurzer Zeit hierselbst
durchmarschiert und einquartiert gewesen. Auf diese Art hat das Gut Gartow in dem verflossenen
Monat Junius außer dem ganzen Generalstabe des Herrn Generals Dufour beinahe 2000 Soldaten
und Unterofficire verpflegen müssen. Die Forderungen des Militairs sind ungeheuer…“ 24/25
Als die Gartower Gemeinderechnung vorgelegt wurde, entstanden damit wegen der veränderten
Verhältnisse gewisse Unstimmigkeiten:
„Das Flecken Gartow ist seit undenklichen Zeiten zur Rechnungsablage gegen den Besitzer des
Hauses Gartow verbunden gewesen und ist es noch jetzt…“ sowie: „Diese (Guts-)Besitzer sind
Grund- und Gutsherren über die Besitzungen der Bürger, die Bürger sind Guthsleute des ersteren….“
(Januar 1813).
Infolge der französischen Fremdverwaltung gab es die bisherige Patrimonial-Gerichtsbarkeit nicht
mehr, lediglich die Gutsherrschaft bestand weiterhin. Die Bürgerrechnungslegung betraf auch
nicht alle Gemeindemitglieder sondern nur solche, die im Abhängigkeitsverhältnis zum Haus Gartow
standen. Außerdem kollidierten vorherige hannoversche Gesetze mit dem französischen Code
Napoleon, was weitere Schwierigkeiten mit sich brachte.
Das Haus Gartow übte seit jeher die alleinige Aufsicht über die Kirchengüter und alle Kirchen- und
Schulsachen aus, mit Ausnahme der Seelsorge. Die im Gartower Distrikt befindlichen Schul- und
Kirchengebäude sowie der dort erteilte Unterricht unterstand nie dem zuständigen Superintendenten.
Daher gab es auch keine Spezialvisitationen, die Kirchenrechnungen wurden von Kirchenkommissaren
des Hauses Gartow abgenommen. Diese Abmachungen gründeten sich auf den Vergleich
vom 16.8.1697. In der Franzosenzeit versuchte man, den Ortsbürgermeister von Gartow als
weltlichen Kirchenkommissar einzusetzen, was von Bernstorff gemäß alter Abmachungen jedoch
verhindern konnte. Der Graf konnte bereits zuvor Schlimmeres verhüten.
257
Wegen der horrenden Abgaben und Steuerzahlungen, die die Untertanen aufbringen mussten
und das Kurfürstentum Hannover an den Rand des Ruins brachten, blieben etliche französische
Steuerzahlungen, nunmehr für hannoversche Zwecke, in Kraft wie z.B. Grund-, Personal-, Möbel-,
Fenster- und Türensteuer. Abgeschafft wurden Abgaben auf Salz, Bier, Brannwein, Tabak, Koloniawaren
und englische Manufakturwaren sowie die Patentsteuer.
Im Zuge der Rückzugsgefechte der Franzosen kam es im Kreisgebiet zu einer einzigen Berührung
mit den nachrückenden alliierten Truppen beim Gefecht an der Göhrde am 16. September 1813.
Bald danach kamen unentwegt alliierte Truppen auch durch Gartow, z.B. der General Kreutz im
Dezember 1813 mit dem polnischen Kriegsheer von Stendal/Osterburg nach Quickborn und später
nach Boizenburg, wie auch General Graf Benningsen der nach Dannenberg und wenig später
ebenfalls nach Boizenburg abgerückt war. Auch dieser gehörte dem polnischen Heer an. 26
Der Rückzug der „Grossen Armee“
Während der Kämpfe sind in Russland für Napoleon sechs Soldaten gefallen:
Joachim Christoph Kakerbeck, Pevestorf; Joachim Christoph Bollmann, Johann Joachim Reinecke,
Johann Jürgen Schulz, alle aus Nienwalde, Johann Georg Heinrich Lamprecht, Meetschow und
Dietrich Heinrich Hartje, Holtorf. Aus Gartow war kein Soldat dabei. 27
In der Abschlußschlacht von Waterloo am 15. Juni 1815 haben jedoch, soweit zu ermitteln, vier
Gartower Bürger ihr Leben gelassen:
Soldat Albert Hoppe vom 2. Leichten Bataillon der Königl. Deutschen Legion, Soldat Friedrich Köhne
und Soldat Andreas Stahlberg, 1. Leichtes Bataillon sowie der
Korporal Daniel Müller vom 5. Linien-Bataillon. 28
258
Quellen und Literatur
1. Welck, Stephan Freiherr von: „Franzosenzeit im Hannoverschen Wendland (1803 -1813).
Eine mikro-historische Studie zum Alltagsleben auf dem Lande zwischen Besatzungslasten
und Sozialreformen“, Hannover 2008, Schriftenreihe des Heimatkundlichen Arbeitskreises
Lüchow -Dannenberg, Bd. 17
2. „Sammlung von Gesetzen,Königl.Decreten,Staatsrath-Gutachten,Ministerialschreiben und
Instructionen zur Ergänzung des Gesetzbuches Napoleons für Westphalen, Hannover 1811
3. /
4. /
5. Gartower Heimatbote von Januar, März, April 1914
Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, Lüchow 1988,
2. Aufl., S. 189 - 206
Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 61- 64
6. Keil, A./Ph. Chr. Reinhard: „Vollständiges Handbuch für Maire und Adjuncten, für Policey-
Commissare, Municipal-Räthe, Contributions-Einnehmer…“, Köln im 10. Jahr der Republik
1. Abt., 777 S.
7. Sammlung von Gesetzen, Könige, Decreten, Staatsrath-Gutachten, Ministerialschreiben und
Instructionen zur Ergänzung des Gesetzbuches Napoleons für Westphalen, Hannover 1811
8. GR 1808/09, S. 348 -349
9. GR 1809/10, S. 367
10. GR 1810/11, S. 346 und 369
11. GR 1810/11, S. 397
12. GR 1810/11, S. 348 - 359
13. GR 1810/11, S. 565
14. GR 1811/12, S. 385 - 389
15. GR 1811/12, S. 397
16. /
17. /
18. /
19. /
20. Haberland, Rudolf a.a.o., S. 202 - 203
Vgl. auch: Thimme, Friedrich: „Die inneren Zustände des Kurfürstentums Hannover unter
französischwestphälischer Herrschaft 1806 -1813“, 2 Bde., Hannover 1893 - 95;
Schwartig, Albert C.: „Die Verwaltungsorganisation in Nordwestdeutschland während der
französischen Besatzungszeit 1811-1813“, Oldenburg 1936; Ernst, Angelika: „Lüneburg in
der Franzosenzeit 1803 -1813. Schicksal einer besetzten Stadt“, Lüneburg 1991;
Stubbe da Luz, Helmut: „Franzosenzeit in Norddeutschland (1803 -1814).Napoleons Hanseatische
Departements“, Bremen 2003
21. G 4 Nr. 1a „Rechnungslegung der Gemeinde Gartow 1813“
22. GR 1813/14, S. 360 - 367
23. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 61-64
24. /
25. Puffahrt, Otto a.a.o. S. 64; Haberland, Rudolf a.a.o., S. 189 - 208
26. v. Plotho, Carl: „Der Krieg in Deutschland und Frankreich in den Jahren 1813 und 1814“,
2. Teil, Berlin 1817, S. 323, 504
27. Haberland, Rudolf a.a.o, S. 206
28. Puffahrt, Otto: „In der Schlacht von Waterloo gefallene, verwundete und vermisste Soldaten
aus der Hannoverschen Armee“, Lüneburg 2004
259
Das Gemeinwesen Gartow im Wandel der Zeit
Gartow war nie ein größeres Dorf aber auch keine Stadt, vielmehr ein Flecken mit den Prädikaten
als Markt-, Kirch- und Verwaltungsort sowie Gutssitz. Besonders der Gutssitz derer v. Bülow,
vielmehr jedoch derer v. Bernstorff bis 1850 bestimmte die Bedeutung Gartows, zumal sich verschiedene
Handwerker und die Holzindustrie neben der traditionellen Landwirtschaft ansiedelten.
Es existierte stets auch ein Gartower Ratsgremium, welches zwar nicht ganz unabhängig von den
Gutsherren fungierte aber doch die Prinzipien der Selbstverwaltung nachlebte.
In Gartow gab es anfänglich zwei Bürgermeister. Ihre Wahl und die Aufgaben sind im Jahr 1697
dokumentiert worden.
Kurz nachdem der bisherige Bürgermeister Simon Joachim Walther am 28.3.1697 verstorben war,
begannen Aktivitäten zur Wiederbesetzung der vakanten Bürgermeisterstelle. Sofort wurde Freiherr
v. Bernstorff vom Gutsverwalter Kruse informiert, daß der Bürgermeister nicht mehr lebte.
Der Gewohnheit nach wählte die Gartower Bürgerschaft einen geeigneten Bewerber und präsentierte
ihn dem Haus Gartow, also Freiherrn v. Bernstorff. „Vor alten Zeiten“ hatte es in Gartow drei
Bürgermeister zugleich gegeben, die vom Hause Gartow ernannt wurden. Ratsherren gab es damals
noch nicht. Freiherr v. Bernstorff ordnete an, daß keine Wiederwahl stattzufinden habe, ehe
er nicht in Gartow gewesen ist. Da er in Celle seinen Regierungsgeschäften nachging, kam er nicht
sogleich nach Gartow. Daher schrieb die Gartower Bürgerschaft neun Monate später einen Brief
an ihn mit der namentlichen Nennung von acht Bewerbern, die die 1. und 2. Bürgermeisterstelle
besetzen wollten.
Einen Monat später kam v. Bernstorff nach Gartow und wählte zwei Bewerber aus: Caspar Schröder
und Hans Radcken. Diese beiden neuen Bürgermeister mußten unter Eid geloben „daß sie der
Herrschaft und dem Hauße Gartow wollen getreu, hold und gehorsam seyn, dero Gerechtsam und
Bestes erhalten und befördern, Schaden und Nachtheil aber, so viel an Ihnen, abwenden helffen
auch der Bürgerschaft und dem Flecken Gartow wohl vorstehen, dasjenige was ihnen befohlen
wird, fleißig außrichten, in Eintheilung der Dienste auch Contribution, Einquartierung und was dergleichen
mehr der Bürgerschaft obliegt, eine durchgehende Gleichheit halten und darunter keine
Freund- noch Feindschafft, Nutzen und Genuß ansehen…“
Am 6.11.1697 bedankten sich die neuerwählten Bürgermeister und die Bürgerschaft beim Freiherrn
v. Bernstorff für die Ernennung. Dem Hause Gartow gegenüber waren die Bürgermeister von
Dienstleistungen befreit, außer beim Bau von Kirchen- und Schulgebäuden.
Offenbar wechselten sich die beiden Bürgermeister Jahr um Jahr als 1. und 2. Bürgermeister ab,
da der jeweils amtierende 1. Bürgermeister am letzten Tag des Jahres mit dem Gartower Siegelstempel
im Schloß erschien, wo der Stempel dem anderen Bürgermeister überreicht wurde. Als
der Gartower Bürgermeister Meyer 1753 verstarb, mußten die Angehörigen die Bürgerlade mit
brieflichen Urkunden, Bürgerrechnungen, Siegelstempel und Geldbestand abliefern.
Eine dritte Respektsperson in Gartow war der sogen. „Bürgerrichter“, der „eigentlich nur ein Gartowischer
Raths-Diener ist, der auff Befehl der Bürgermeister die Bürgerschaft zusammen fordert
und waß sonst von denen Bürgermeisters der Bürgerschafft angedeutet werden muß, solches
260
ansaget auch dabey die Bürger zu des Hauses Gartow Heumachen auffordert und bey solcher
Arbeit commandiert…“ 1
Um 1700: Flecken Gartow mit Burg nach einer Zeichnung des Ingenieuroffiziers Rallen
Verwaltung nach dem Landgemeinde-Gesetz von 1859
Da die bisherige Verwaltung der Landgemeinden mit vielen Mängeln behaftet war, mußte sie neu
organisiert werden. In 85 Paragraphen sind verbindliche Regeln aufgestellt worden, um ein funktionierendes
Gemeinwesen zu erhalten. Das zuvor geltende Gesetz über die Landgemeinden vom
4. Mai 1852 erfuhr erhebliche Änderungen und wurde durch die neuen Gesetze ersetzt. Angewendet
wurde das neue Gesetz auch auf Flecken wie Gartow.
Wichtig war das Stimmrecht bei Abstimmungen in Gemeindeangelegenheiten.
In vielen Gemeinden gab es sog. Stimmordnungen, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes
bestanden und erst abgeändert werden sollten, wenn sich Klagen dagegen zeigten. Nach dem
neuen Landgemeindegesetz waren stimmberechtigt:
„Alle, welche in der Gemeinde ein Gut, einen Hof oder ein für sich bestehendes Wohnhaus eigenthümlich
oder nießbräuchlich besitzen, 2. Alle Männer, welche in der Gemeinde wohnberechtigt
sind und in derselben einen eigenen Haushalt führen“ (§ 8). Diese Männer (Frauen hatten kein
261
Stimmrecht) mußten „selbstständig, sonst unbescholten und nicht zu schweren Strafen verurtheilt“
gewesen sein. Der Status „bescholten“ wurde in diesem Zusammenhang näher erläutert:
„ (Personen) welche wegen eines nach der öffentlichen Meinung entehrenden Verbrechens bestraft
oder zur Untersuchung gezogen sind, ohne völlig freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt
zu sein…“ Wo die Grenze der Entehrung begann, legte die Amtsvertretung fest. Auf Antrag der
Gemeinde konnten Personen, auf die ein derartiger Makel zutraf, das Stimmrecht verlieren oder
aber im Zuge ihrer Rehabilitierung erneut zurückgewinnen (§ 9).
Ein weiteres Hemmnis war der Begriff „selbstständig“. Weite Personenkreise waren nicht abstimmungsberechtigt
wie z.B. die als „unselbstständig“ klassifizierten Personen; Minderjährige (unter
25 Jahren); Personen, die unter Vormundschaft standen; Personen, die in einen Konkurs verwickelt
waren; Personen, die aus öffentlichen Mitteln Armenunterstützung erhielten und „diejenigen,
welche in Kost und Lohn stehen“, also das Gesinde wie Knechte, Melker usw. Damit war der Kreis
der Stimmberechtigten auf die grundbesitzenden Bauern bzw. Hauseigentümer, Handwerker und
Mandatsträger beschränkt (§ 10). Das Stimmrecht war also nach wie vor an das Grundeigentum
gekoppelt. Wer viel davon besaß, hatte den größten Anteil am Mitbestimmungsrecht. Dieser Personenkreis
brachte in der Regel auch den Hauptanteil der Gemeindesteuern auf. Es war erlaubt,
zu den Abstimmungen Bevollmächtigte zu schicken. Witwen dagegen mussten sich von deren
volljährigen Söhnen vertreten lassen, ebenso vertraten Väter ihre minderjährigen Söhne, falls sie
Hoferben geworden sind. Auch die Vertreter mußten „unbescholten“ sein. Auf Gartow angewendet,
bildeten die Vollbürger und die Halbbürger gemäß ihres Besitzumfanges je eine stimmberechtigte
Klasse für sich. Auf den Dörfern galt der Grundsatz: „Regelmäßig soll das Stimmgewicht derjenigen
Grundbesitzer, deren in der Gemeinde belegener Grundbesitz so groß ist, daß er zur Bewirtschaftung
zwei Pferde oder mehr erfordert, überwiegen“. Da in Gartow nicht jeder Bürger über ein
Gespann verfügte, trat als Bemessungsgrundlage der Besitzumfang auf.
Jede Gemeinde war mit einem Gemeindevorsteher und einem Beigeordneten, der ihn unterstützte
sowie als Stellvertreter fungierte, versehen. Sie waren befugt, weitere Personen auf Gemeindekosten
zur Wahrnehmung einzelner Geschäfte anzunehmen (wie z.B. Boten, Nachtwächter, Feldhüter
oder Kassenführer). Es versteht sich von selbst, daß diese Personen ebenfalls „unbescholten“
sein mußten. Gastwirte durften ein Gemeindeamt in der Regel nicht ausüben (§§ 22 - 29).
Grundsätzlich war jedes Gemeindemitglied wählbar aber ein bestimmter Personenkreis durfte
die Wahl zum Bürgermeister ablehnen: Militärangehörige im Dienst, Geistliche und Schullehrer,
Ärzte, Apotheker, Personen über 60 Jahre alt, kranke und gebrechliche Personen und Personen,
die das Bürgermeisteramt bereits innehatten. Bei Letzteren waren drei Jahre Karenzzeit bis zur
Wiederwahl möglich und Bürgermeister, die dieses Amt bereits mehrmals ausübten, konnten eine
Wiederwahl für immer ablehnen. Sowohl der Bürgermeister als auch sein Stellvertreter wurden auf
ihren Dienst vereidigt, von den Verwaltungsbehörden beaufsichtigt und haben ihren Einsatz als
Ehrenamt zu betrachten. Ferner wurden sie besoldet und standen unter der Disziplinargewalt der
Verwaltungsbehörden (§§ 31 - 40).
In den Gemeindeversammlungen sind typische Belange behandelt und abgestimmt worden, wie
z.B. Angelegenheiten des Gemeindevermögens, Kreditaufnahme, Einführung, Veränderung und
Abschaffung von Gemeindesteuern, Aufnahme neuer Gemeindemitglieder, Prozeßangelegenheiten
u.a.m. Die Mehrzahl der Beschlüsse zu diesen einzelnen Beratungsgegenständen war erst
dann gültig, wenn die Verwaltungsbehörden diese bestätigten. Dieses Vorgehen war der Vorläufer
der Kommunalaufsicht.
262
In größeren Gemeinden, wie im Flecken Gartow, bildete sich statt der Gemeindeversammlung ein
Gemeindeausschuß/Gemeinderat. Auch der Gemeinderat wurde direkt von den stimmberechtigten
Gemeindemitgliedern gewählt (§§ 51 - 59).
Zum Gemeindevermögen konnten Grundstücke (Forst, Weide, Seeflächen, Hausgrundstücke,
Straßen und Wege) und Immobilien gehören. Nicht jedoch Genossenschaftsvermögen (Realgemeinde).
Das durchlaufende Gemeindevermögen in Form von Gemeindesteuern wurde zweckentsprechend
verwaltet. Schul- und Kirchengebäude sowie deren Grundstücke waren von derartigen
Steuererhebungen befreit, nicht aber Geistliche und Lehrer gemäß dem Gesetz vom 5. Juli 1856.
Ebenfalls Gemeindesteuern entrichten mußten sogen. „Ausmärker“, also Personen, die außerhalb
der Gemeinde beheimatet waren aber Grundeigentum oder Häuser in der steuerpflichtigen
Gemeinde besaßen (§ 65).
Innerhalb der Gemarkung übte die Gemeinde die „Orts- und Feldmarkspolizei“-Gewalt aus, jedoch
unter Aufsicht der Verwaltungsbehörden. Es war gestattet, bei Vergehen gegen Gesetze und
Bestimmungen Geldstrafen bis zu 1 Thaler (für Schadenersatz bis zu 3 Thaler) zu erheben oder
Pfändungen vorzunehmen (§§ 69 - 82).
Ohnehin hatten die Gemeinden nach dem Gesetz vom 5. September 1848 (§ 20) „das Recht der
eigenen Verwaltung ihres Vermögens, der Regelung ihrer übrigen inneren Gemeindeverhältnisse
und der Wahl ihrer Beamten (Bürgermeister) nach Maßgabe der Verfassung“.
1912 schlug Bürgermeister Bardien vor, bei Gelegenheit der geplanten Umpflasterung der Gartower
Hauptstraße zugleich die Bürgersteige mit Klinkern aus Wendisch-Wehningen zu versehen.
In einer Gesetzesergänzung zum Landgemeindegesetz galten Gemeinden als juristische Personen,
waren verantwortlich gegenüber den Armen in der Gemeinde, in der Verhinderung der Bettelei,
in der Verhinderung von sich ausbreitenden Seuchen bei Mensch und Vieh, Unterhaltung von
Wegen, Brücken, Wasserläufen, Deichstrecken und zuständig für den vorbeugenden Brandschutz.
Ortsfremde Personen durften nach sechsmonatigem Aufenthalt zu den „persönlichen Gemeindelasten“
herangezogen werden. Ausgenommen davon waren Soldaten, Lehrlinge und „in der Regel
diejenigen, welche in Kost und Lohn eines Anderen stehen“. Gemäß der Städteordnung war es
möglich, auch in Flecken über den Erwerb und Verlust des Bürgerrechtes zu befinden. 2
Gartower Ratsbuch
Die Gemeinde Gartow hat seit altersher ein Protokollbuch („Ratsbuch“ () geführt, deren
ältere Ausgaben sämtlich verschollen sein dürften. Glücklicherweise hat der Heimatforscher Behne
Auszüge aus dem ältesten Ratsbuch veröffentlicht, so daß zumindest ein kleiner Ausschnitt
Gartower Angelegenheiten vorliegt:
„…Auf der ersten Seite, dem ältesten Blatt, lesen wir: „Das Rath Buch zu Gartow ist angefangen
Ao. 1648“. Die folgende Seite bringt dann ein Verzeichnis der Bürger Gartows, die Hausgeld bezahlen
müssen, wahrscheinlich aus dem Jahre 1648, es fehlt hier leider der Name des Schreibers
und auch die Jahreszahl. Von den 28 Namen waren noch folgende zu entziffern: Rathke, Eggert,
Dunker, Wolter, Schultz, Bülow, Masche. 16 Bürger bezahlten damals je 6 sh (Schillinge) und die
übrigen zwölf bezahlten nur 3 sh. (Die spätere Gliederung in Vollbürger und Halbbürger ist hier
263
schon zu erkennen aber noch nicht ausgesprochen) ….Zum Vergleich sei hier hier schon darauf
hingewiesen, daß ein Verzeichnis der Voll- und Halbbürger aus dem Jahre 1772 schon 47 Namen
nennt. 1671 ist diese Liste dann von anderer Hand ergänzt und aus den 28 Namen sind schon 29
geworden. Darunter steht die Bemerkung: „Dieses hab ich nach den Nahmen die jedtz wohnen in
Gartow aufsetzen wollen und ist solches geschehen 1671 den 16. May.“
Damals hat der Bürgermeister Heinrich Dammann in das Ratsbuch geschrieben: „Des Rades
Buch in Gartow, darinnen benachrichtigt waß passiert und zu dieser Zeit gefellig. Daß Protocoll ist
absonderlich.“ Dann setzt er von neuem an: „Anno 1673. Des Montages vor Ostern in der Bürger
Gerichtstage wardt Ich zu Endts benanter zum Bürgermeister erwehlet, welches Ampt Ich nebst
B.M. Heinrich Kleffler aufgenommen, worinne unß der liebe Gott im Friede undt Einigkeit lange beisammen
leben laßen wolle.“ Und das letzte Viertel der Seite füllt allein seine Namensunterschrift:
„Heinrich Dammann.“
Nach dieser Einleitung soll aber nun gleich die Arbeit beginnen. Er überblickt noch einmal die Titelseite,
streut vorsichtig Sand darüber; denn der dicke Balken da unter seinem Namen, der wollte
gar nicht trocken werden. Nun gilt es, erst einmal einen Überblick über die von ihm zu verwaltende
Gemeinde zu bekommen. Hat sich der Vorgänger damit begnügt, die alte Liste von 1648 durch
Nachträge zu ergänzen, er legt ein neues Einwohnerverzeichnis an:
„Folgende sein anitzo Bürger und Einwohner in Gartow. Anno 1675, den 10. Marty. Vollpflichter:
Hanß Rathke; B.M. (Bürgermeister) Heinrich Kleffler; Hanß Mauchel; Jochim Eggert; Jochim
Dehnke; Kasper Schröder; Jochim Baßar jun.; Anton Grote; Jochim Baßar sen.; Jochim Masche;
B.M. Heinrich Dammann; Heinrich Rönnberg: Köhn Tödter; Jochim Ahnsorge; Jasper Kubel; Cordt
Lütkring; Heinrich Rohr; Georg Stähr; Hanß Ernst Bülow; Johann Bülow; Vike Bülow. Halbpflichter:
Jochim Wiese; Michel Bollmann; Jochim Schultze; Franß Schultze; Johann Brecker; Jochim Pewestorf;
Peter Zerner; Steffen Schultze; Heinrich Möller; Gabrigel Hohentopf; Samuel Rieke; Vicke
Reinke; Erwin Bülow; der Lehnkrüger. Einwohners: Jürgen Wiese, ein Schuster; Cordt Brockhöft,
ein Schuster; Conradt Gigelow, ein Schuster; Jürgen Heinrich Reinke; Hanß Meyer, ein Leinweber;
Gabriel Gl…., ein Bödger, ist ausgezogen, spricht seine Bürgerschaft auf, gibt jehrlich 3,-; ferner die
Bürgerschaft gewonnen Anno 1674; Hanß Jürg Heuser, ein Schlachter; Jacob Bruhen, ein Schuster;
Mattiaß Trumpf, ein Leineweber.“
Und nun möchte Bürgermeister Dammann auch einmal einen Überblick über Einnahmen und
Ausgaben der Gemeindekasse gewinnen. Er rechnet zusammen: „Folgende sein jehrlich im Gerichtstage
so den Montag vor Ostern, schudig: Zinsegelder: Hanß Mauchel 10 sh (Schilling); Anton
Grote 20 sh; Jochim Schultze 20 sh; Garten- und Landpechte: Christoffer itzo Jochim Eggert vorn
Heidthoff 6 sh; Heinrich Rönnberg vorn Heidthoff 3 sh; Heinrich Dammann vorn Heidthoff 3 sh;
noch B.M. Dammann vorn Hoff im Elsebusch 5 sh; Jochim Eggert vor seinen Kamp beim Worth im
Elsebusch 8 sh; Noch sein vier Garten im Elsebusch, der solche hat, gibt jährlich vor jeden 3 sh.
Hanß Rohr und Jochim Schultze aus Neyendorf geben jehrlich vor Ihre Lose 8 sh. ein jeder. Noch
geben Folgende Haußgeld aufm Gerichtstage alß Hanß Rathke 3 sh.; B.M. Heinrich Kleffler 6 sh.
Wir verzichten hier auf die Wiedergabe des vollständigen Verzeichnisses, da die Namen des oben
angeführten Einwohnerverzeichnisses hier wiederkehren. Es sind 17 Vollpflichter, die je 6 sh. zahlen
und die 14 Halbpflichter je 2 sh. „Noch gibt die Bürgerschaft jehrlich auff Ihrem Gerichtstage
von jeder tragenden und melkenden Kuh…ggr. (im Originaltext war keine Summe eingetragen)
oder da die Außgaben nicht können errichtet werden, muß mehr gesamlet werden, daß 3 Rthl. 12
ggr. herauskommen.“
264
Nach dieser Zusammenstellung der Einnahmen folgt nun „die Außgaben aufm Gerichtstage alsß
N.B. der Kirchen hierselbst zu Ablohnung der Leuter 4 fl. (Gulden) 16 sh.; dem Herrn Pastor 4 fl.
16 sh.; jedem Bürgermeister 2 fl., dem Richter 2 fl., der Bürgerschaft für 1 Gulden Bier. Die oben
4 fl. 16 sh., wo N.B. beysteht, wirdt folgender Gestalt außgegeben. Erstlich der Kirchen allhier 16
sh., dem Herrn Pastor 8 sh., dem Küster oder Schulmeister 8 sh., denen, die die Glocken leuten
3 fl. 8 sh.“
Damit hat Bürgermeister Dammann seine Arbeit im Ratsbuch beendet.
Er wird kaum in einem Tage damit fertig geworden sein; denn so viel Schreibarbeit hatte er seit
langer Zeit nicht auf einmal zu erledigen. Diese Verzeichnisse haben dafür aber auch die 24 Jahre
seiner Amtszeit ausgereicht, ja sie mußten sogar noch für seinen Nachfolger genügen, der mit
etwas weniger geläufiger Feder nur einige Ergänzungen und Nachträge vornahm. Auch die zuletzt
aufgeführten Bemerkungen und dem Strich über die Verteilung der der Kirche zustehenden 4 fl.
16 sh. scheint von Caspar Schröder zu sein, der sich uns zwei Seiten weiter als neuer Bürgermeister
vorstellt:
„Anno 1697 den 25.ten October hat der wohlgeborne Herr geheimbte Rath von Börnstorff mich
und Hanß Rathken zum Bürgermeister verordnet. Gott hölfe, das wir solches Ambt drey und fleißig
außrichten, damit es Gott und den Menschen möge wohl gefallen, auch das die itzige nachgesetzte
sämptlich Bürgerschaft möge billigen Gehorsam leisten, Caspar Schrödter.“
Aus den nun folgenden Einwohnerverzeichnis stellen wir nur die Namen heraus, die gegenüber
dem Verzeichnis von 1675 neu auftreten: Vollpflichter: Adam Christian Hillbrandt; Jochim Elließ;
Friedrich Kaulitz; Cordt Dietrich Bühlau; Heinrich Buß; Heinrich Bohrmann; Jacob Werner Hönings;
Johann Meier; Heinrich Brockhöft; Ludwig Dunker; Johann Christoff Bruns; Jürgen Ernst Gerberding;
Ahrendt Barleß; Johann Behrmann; Johann Niekolauß Hillebrandt; Christian Elließ; Thomas
Minte; Christian Bethge. Halbpflichter: Adam Jauningke; Jürgen Guhl; Hanneß Bernstorf; Jochim
Suhr. Unter den Einwohnern werden genannt Schuster, ein Maurer, ein Grobschmied, ein Böttcher,
Altsitzer und Tagelöhner.
Wenn wir nun noch einmal auf diesen Auszug aus dem Ratsbuch zu Gartow zurückblicken, so
tauchen eine ganze Reihe von Fragen auf. Da wird immer wieder von einem Gerichtstage gesprochen
und von Richtern, die wir uns aus der Gemeinde gewählt denken müssen. Sie werden wohl
nicht über die schweren Verbrechen als höchste richterliche Instanz eingesetzt sein, wohl aber
hatten sie die kleinen Streitigkeiten zwischen den Bürgern Gartows zu schlichten. Sie hatten eine
ähnliche Stellung wie heute das Schiedsgericht. Auf dem Gerichtstage, der jährlich am Montag vor
Ostern stattfand, kamen alle Bürger zusammen, um die Angelegenheiten der Gemeinde zu regeln,
dort wurde auch über Tausch, Kauf und Verkauf von Grundstücken, Häusern usw. verhandelt. Dort
mußte der Bürgermeister seiner Gemeinde gegenüber Abrechnung vorlegen, dort wurde auch der
Bürgermeister von der Gemeinde zu seinem Amte erwählt. Eine Bestätigung dieser Wahl durch
den Schloßherrn dürfen wir wohl als selbstverständlich annehmen. Erst bei dem zweiten uns dem
Namen nach bekannten Bürgermeister Caspar Schrödter finden wir dann die Bemerkung, daß
er zu seinem Amte nicht von der Gemeinde erwählt, sondern von dem Geheimrat von Bernstorff
ernannt wurde…
Bürgermeister Caspar Schrödter ist nur kurze Zeit im Amt gewesen. Wir verdanken ihm aber einen
ausführlichen Bericht über eine Gerichtssitzung aus dem Jahr 1700:
265
„Anno 1700 den 27. April haben die sämtlichen Bürger nebst dem Rath allhier aufm Hauße Gartow
bei dem hochgelehrten und wohlbestallten Richter, Herr Doctor…wie auch den Herrn Verwalter
Jacobus Kruse imgleichen auch den Herrn Kornschreiber Stürben ausgebeten umb Richtigkeit
zu treffen wegen des Rechts und der Gemeinde Wohl. Die obbenannten Herren haben in Seiner
Excellentz, dem Herren geheimten Rath von Bernstorff in Gegenwart der hiesigen sämtlichen Bürgerschaft
die Scheidung des Wohls (Grenze zwischen den Baustellen) geschlichtet und abgetreten
wie itzo von der gantzen Gemeinde bestimmt ist worden, nämlich der Brunnen soll auch mitten
im Scheide (auf der Grenze) sein, da denn die Hälfte des Brunnens Johann Meier gehörig und
die andere Hälfte zu denen Rats-Wohnungen gehörig sein soll, so lange aber Johann Meier den
Brunnen allein brauchet, so muß er auch den Brunnen in Baukosten allein erhalten, wenn aber
die Wohnung wieder bebauet sein, so müssen diejenigen, die darinnen wohnen, gleich in des
Brunnen Baukosten treten wenn es nötig ist, dafür haben sie zu gleichen Theilen mit Johann Meier
oder seine Nachkommen den Brunnen zu gebrauchen. Dieses ist also gerichtlich verabschiedet
worden, daß hinfüro der gantze Wohl (Baustelle) mitsamt der Stelle mitten vom Stein dann bis in
die Scheide dem Rath und der Gemeinde hinfüro verbleiben soll, wie es von alter her gewesen und
anietzo verbleiben.“
Da haben wir ein Beispiel dafür, wie vor 200 Jahren Streitigkeiten beigelegt wurden. Es handelt
sich um die Benutzung und Erhaltung eines Brunnens, der auf der Grenze zweier Grundstücke
liegt. Das eine Grundstück wird von dem Bürger Johann Meier bewohnt, das zweite ist zur Zeit
unbebaut und gehört scheinbar der Gemeinde und steht unter Verwaltung des Rates.
Auffallend in dem Schreiben ist auch die recht weitschweifige und umständliche Satzbildung. Der
Bürgermeister Schrödter hat wohl manches Schriftstück der Kanzleischreiber seiner Zeit gelesen
aber es gelingt ihm nicht, diese Sprache nachzubilden, nur an Umständlichkeit und Unklarheit
übertrifft er seine Zeitgenossen. Das trifft auch auf ein zweites Schreiben zu, in dem er die Arbeiten
der Bürger auf den Wiesen des Hauses Gartow aus dem Jahre 1701 berichtet. Er nennt
darin einen verstorbenen Bürgermeister Simon Jochim Wolters, den wir wohl als Vorgänger Dammans
ansprechen können, da in dem Einwohnerverzeichnis von 1648 auch der Name Wolters
vorkommt.
Mit einem neuen Titelblatt und ähnlichen Worten, wie wir sie schon vom Bürgermeister Dammann
her kennen, beginnt 1703 Adam Christian Hildebrandt seine Tätigkeit als Bürgermeister. Auch er
ist von Herrn Geheimrat von Bernstorff zu seinem Amte ernannt und bittet die Bürgerschaft um
billigen Gehorsam.
Einwohnerverzeichnis und Abrechnung über die Gemeindekassen fehlen aber einige kleinere Notizen
aus seiner Zeit mögen hier folgen:
„Anno 1711 den 16ten May ist Heinrich (Name unleserlich) im Beysein des Herrn Bürgermeisters
A.Ch. Hildebrandt, Jacob Werner Hennings und Heinrich Brockhöften zum Bürger-Richter angenommen,
dabei ihm dann bedeutet, daß er sich so wohl gegen das Haus Gartow wie auch gegen
Bürgermeister und Rath und gantze Rocksmoor 6 sh; Cordt Lütkring vorn Hoff im Elsebusch 7 sh;
Johann Bülow vor seine Bürgerschaft fein bescheidentlich aufführen soll, damit desfalls keine
Klage über ihn geführt werden möge, Gartow, ut supra, Bürgermeister und Rath hierselbst.“
Ein inhaltlich gleicher Bericht nur mit anderem Namen liegt dann noch aus dem Jahr 1714 vor.
Aber eine Bemerkung über einen Haus- und Bürgerkauf wollen wir hier noch wiedergeben:
„Johann Heinrich Höfer aus Wittenberge wird allhier untergesetztem Dato in Gartow Bürger, kauft
des seel. Thomas Minten Haus, giebet auch gleich sein Bürgergeld aus, als 1 ½ Rtlr., welches also
266
1763/64: Titelblatt zur Gartowischen Bürgerrechnung
zur Nachricht, Gartow den 13. Febr 1716, Bürgermeister und Rath hierselbst.“
1719 hatte der damalige Amtmann Grävemeyer der Bürgerschaft befohlen, ihre Schafherde abzuschaffen,
darauf begibt sich eine Abordnung von acht Deputierten zu dem Grafen von Bernstorff
nach der Göhrde, werden dort sehr gnädig aufgenommen und kommt zurück mit der Nachricht,
daß sie „wenn sie dazu Lust und Beliebung hätten, ihre Schafe nach dem Wirl zu treiben, könnten
sie solche alldort in der Hut und Weyde frey sein.“
1722 hat die Bürgerschaft einen neuen Kirchhof angelegt. Da kein geeignetes Land dazu vorhanden
war, tauschte man mit Johann Nikolaus Hildebrandt ein vorn auf dem Spring gelegenes Stück
Land gegen ein der Gemeinde gehöriges Stück Land „so an Heinrich Vesterfled (Zesterfleth) und
an Jürgen Hinrich Röhrs ihre Garten belegen“ ein.
Darunter lesen wir: „ist zufrieden mit dem Tausch Johann Nikolaus Hildebrandt, Gartow den 31.
Marty Anno 1722. Adam Christian Hildebrandt, Heinrich Brockhöft, Jacob Jürgen Giegeler, Johann
Christoff Bruhn.“
Die Neuanlage des Kirchhofs wird eine Folge des großen Brandes 1721 gewesen sein. Leider
bringt das Ratsbuch über den Brand keine weiteren Bemerkungen. Nur der Nachfolger als Bürgermeister,
Hanß Hilgenfeld teilt uns mit, daß die neue Kirche am 1. Okt. 1724 eingesegnet sei
und er selber an diesem Tage zum Bürgermeister „erwählet worden“. Damit beginnt eine etwas
schreibfreudigere Zeit, über die später berichtet werden soll.
Wir stellten schon mit Bedauern fest, daß uns das Ratsbuch über den Brand Gartows 1721 leider
keine Nachrichten übermittelt.
267
Aber als Hanß Hilgenfeld 1724 Bürgermeister wird, schreibt er:
„Im Jahre 1724, den 1. Oktober, als den 17. Trinitatis, ist unsere neue Kirche eingesegnet. Also bin
ich diesen Tag auch zum Bürgermeister erwehlet“…Hanß Hilgenfeld ist dann bis 1752 Bürgermeister
gewesen. Aus seiner Zeit finden wir noch eine ganze Reihe kleiner Aufzeichnungen:
„Den 21. März Anno 1728 haben die Bürger den Richter Jakob Schulzen und Johann Hildebrandt
hingeschickt, den Schafmeister zu Rucksmoor seine Schafe zu pfänden auf der Buchhorst. Da
ist er den andern Tag gekommen und hat sie wiedergeholt und für jedes Stück gegeben 1 ggr.
Pfandgeld“.
„1712 soll H. Möller aus Mödling (Mödlich), so Pferde gestohlen, aufgehängt sein.“
„Langhans ist um Ostern 1725 in Hahnenberge nicht weit von der Bürger Höltzung Elsebusch vor
dem ersten Berg am Ende der Schinderkuhle aufgehängt.“
„Anno 1729 den 25. März haben wir die Restörper Pferde gepfändet auf der Pfingstweide, da Johann
Ziems (Siems) der Schulze, für drei Stück 2 ggr. Pfandgeld gegeben. Den 26. dito haben wir
Christofel Meiers seine 8 Stück Rinder gepfändet, da hat er vorgegeben 7 ggr.“
1727 beschweren sich die Gartower Bürger über den Gastwirt, der die gräfliche Gastwirtschaft
(gegenüber der Kirche, nahe der Brücke) gepachtet hatte. Dieser weigerte sich, die Lasten und
Abgaben, zu denen jeder Bürger verpflichtet war, zu zahlen, wollte andererseits aber den Nutzen,
der den Bürgerstellen aus Holzverkäufen usw. zufiel, auch für sich in Anspruch nehmen. In der
Klageschrift heißt es u.a.:
„….daß der jetzige Gastwirt, solange er das Gasthaus bewohnet, sich zuwider gelegt die Onera
(Lasten) abzutragen, welche von so langer Zeit her, ja noch von seinem Vorgänger jederzeit richtig
sind erleget worden: als monatlich 3 ggr. Contribution, imgleichen alljährlich den Viehschatz, welcher
ohngefehr 8 ggr. austragen möchte, wie auch das Kuhschneidegeld, welches sich gleichfalls
jährlich auf 6 ggr. beläuft, und zwar danach als von dem Gastwirt viel Vieh gehalten wird. Solches
alles ist uns nun über anderthalb Jahr von der Contribution entzogen worden, da doch selbige jederzeit
hat völlig müssen bezahlet werden….Wann aber in der gemeine Holzung gekabelt wird, so
prätendiret (beansprucht) danach der Gastwirt aus diese anderthalb (Haus-) Stellen seine völlige
Holzung, welche ihm auch jederzeit ist gereicht worden…“
Die Antwort des Grafen von Bernstorff auf diese Klage lautet:
„Wenn der Gastwirt das Commode (Bequemlichkeit, Vorzug) der Bürgerstellen, die beym Gasthofe
ist, genießet, muß er auch das Incommode und auch die auf der Stelle haftenden bürgerlichen
Onera übernehmen“.
Aus dem Jahr 1741 haben wir den ersten Bericht eines gerichtlich beglaubigten Verkaufs eines
Ackerstückes. Christian Ellies aus Gartow brauchte Geld, um das Begräbnis seiner verstorbenen
Frau bezahlen zu können. Zu diesem Zweck wollte er ein Stück Gartenland verkaufen und findet
sich mit dem Käufer Joachim Dannehl zusammen auf dem Gerichtstage ein. Dort wird der Verkauf
bestätigt. In dem Bescheid heißt es: „Weilen des Herrn Kriegs-Raths von Bernstorff Hochfreiherrliche
Gnaden den Consens (Erlaubnis) hierzu selber erteilt haben, wie dem Gerichte bekannt ist,
so wird diese Verkaufung hiermit von Gerichtswegen bestätigt und dem Käufer Joachim Dannehl
diese Gartenkabel von Rechtswegen aufgetragen.“
268
1764: Gartower Bürgerrechnung – Beständige Einnahme aus „Haus-Pächte“
269
Als Nachfolger des obengenannten Bürgermeisters Hanß Hilgenfeld, der sein Amt bis 1752 verwaltete,
sind noch zu nennen:
1752 Johann Heinrich Meyer, 1753 Johann Heinrich Barge, 1770 Ernst Leopold Ziesenitz und
1772 Johann Wilhelm Hilgenfeld, vielleicht der Sohn des 1752 verstorbenen Hanß Hilgenfeld.
Aus dem Jahr 1757 ist noch eine Bemerkung erhalten, die des Humors nicht ganz entbehrt: Der
damalige Kantor Dingelstedt wollte Hochzeit halten, glaubte aber, die Kosten nicht aus eigenen
Mitteln aufbringen zu können, auch die Braut schien nicht gewillt, die Kosten der Hochzeitsfeier
allein zu übernehmen. Daraufhin stellt der glückliche Bräutigam einen Antrag, die Gemeinde möge
ihm die Kosten des Hochzeitsmahls erstatten und, da dieses abgelehnt wurde, wendet er sich nun
an den Amtmann, der ihm dann folgende Antwort erteilt: „Weil dem hiesigen Gericht nicht bekannt
ist, daß in den gedruckten Landes-Constititutionibus (Verordnungen) wegen der Hochzeitsmahlzeiten
für die Kirchenbedienten etwas gewisses verordnet sey, maßen die Verfügung, so in der
Lüneburger Kirchenordnung von Anno 1643 Cap. XII, 20 befindlich ist….“ Leider fehlen weitere
Nachrichten über diesen Fall und wir können nicht sagen, ob es dem Kantor Dingelstedt doch
noch gelungen ist, vielleicht auf Grund einer „hergebrachten ohnstreitigen Observantz“ sich einen
recht großen und billigen Hochzeitsbraten auf seine Festtafel zu stellen.
Die erste Brandversicherung in Gartow ist unter dem zuletzt genannten Bürgermeister Johann Wilhelm
Hilgenfeld gegründet. Es wurden zu diesem Zweck die Wohnhäuser, Scheunen und Ställe der
46 Bürgerstellen Gartows ihrem Werte nach abgeschätzt. Die Wohnhäuser sind mit 150 - 1500
Rtlr. veranschlagt. Nach 20 Jahren sind diese Wertangaben aber schon durchweg verdoppelt.
Ein Zeichen für die damalige Geldentwertung, wie sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
allgemein zu erkennen ist. Das Verzeichnis der Versicherten enthält folgende Namen: Johann Wilhelm
Hilgenfeld, Johann Hinrich Meyer, Kammerdiener Meyer, Martin Niebuhr, Joachim Friedrich
Hildebrandt, Hennings, Jürgen Reinach, Gottfried Ludolf Schultz, Joachim Dietrich Schultz, Burchard
Sörgers, Johann Rode, Amtschreiber Kniep, Ludolf Kaulitz, Wiese, Hinrich Schönberg, Daniel
Cordes, Hinrich Christian Dannehl, Jürgen Hinrich Röhrs, Wilhelm Bischoff, Johann Joachim Röhls,
Hinrich Kruse, Christian Spohn, Friedrich Wilhelm Riecherts, Rönneberg, Belitz, Hans Jürgen Hasse,
Ernst Leopold Ziesenitz, Ludowig Waldau, Christoph Bormann, Andreas Gottlieb Bade, Christoph
Bente, Ebeling, Betke, Andreas Minte, Christian Schlüter, Nicolaus Lindhus, Friedrich Werner,
Cord Hinrich Meyer, Jacob Schulten, Levien Ahnsorge, Giegeler, Hartwig Hoyer, Ludwig Suhr, Christian
Pewestorff, Albrecht Hartwig, Friedrich Dräger, Gottfried Gerbers.
Eine damals bei Frauen vielfach angewandte Strafe scheint das Spinnhaus gewesen zu sein. So
wurde z.B. eine Frau aus Tobringen 15 Jahre ins Spinnhaus gebracht, weil sie ihrem Manne Gift
in den Kohl getan hat.
1772 ist der jetzige Glockenturm neben der Kirche erbaut. Nach dem Brande hatte man die Glocken
zunächst im Kirchtum untergebracht. Als nun der neue Glockenturm errichtet war, wurde mit
der Begründung, die Glocken seien jetzt schwerer zu läuten, auch die Entschädigung für die Läuter
erhöht (Oder ist vielleicht eine neue Glocke dazugekommen?). Bei dieser Gelegenheit wurden
auch die Beerdigungskosten neu festgesetzt: „…also bekamen sie nun dafür als Läuten und Kuhle
machen 12 ggr. Für eine große Leiche, so bei Tage begraben wird und groß Gefolge hat, bekommt
der Bürgerrichter, so das Bitten tun muß, 3 ggr. Bittet er nur die Träger allein, so nur 6 Pfg.
Der Bürgerrichter zapft das Folge- oder Trägerbier aus.“ Sollte damals auch in Gartow die Sitte
bestanden haben, daß man ein Begräbnis als Gelegenheit nahm, um ein Trinkgelage abzuhalten?
270
Nach der damaligen Kirchenordnung musste jeder Bürger in der Kirche seinen Kirchenstand gegen
eine jährliche Entschädigung von 3 ggr. mieten. Diese Bestimmung war aber scheinbar seit
längerer Zeit nicht mehr beachtet; denn am 8. Nov. 1790 stellt das gräfliche Gericht in Gartow fest,
daß ein großer Teil der Gartower Bürger keinen Stand gemietet hätten und mancher einen Stand
benutzte, der ihm nicht zukam. Darum wurde nun bestimmt „daß bei namhafter Strafe von Advent
dieses Jahres an: 1.) Jedermann sich einen Mietstand vom Kirchenjuraten anweisen lasse und
2.) niemand unter irgend einem Vorwand jemals einen anderen als den ihm angewiesenen Platz
betrete.“ Es folgt dann auch eine Neueinstellung der Kirchenstände und zwar am 23. November
mittags 2 Uhr, für die Einwohner Gartows und Quarnstedts, am nächsten Tage für Niendorf und
am 25. November für die Einwohner Meetschows. Es wurde bei dieser Neuverteilung auch das
Standgeld von 3 auf 6 und später sogar auf 8 ggr. erhöht, da die Nachfrage sehr groß war.
Im 17. und 18. Jahrhundert hat auch der
Amtmann als Verwaltungsbeamter große Bedeutung
für die Verwaltung Gartows und der
umliegenden Dörfer gehabt. Wir lesen seinen
Namen oft als Unterschrift und in zahlreichen
Listen oder Aufzeichnungen. Was er den Untertanen
zu verkündigen hatte, wurde auf dem
sog. Schulzentage, zu dem sich die Gemeindevorsteher
und der Bürgermeister Gartows einzufinden
hatten, bekanntgemacht. So heißt es
z.B. vom Jahre 1772: „Nachricht, was auf dem
Schulzentage von dem Herrn Amtmann ist vorgetragen
worden: 1772, d. 4 Febr. zum ersten
Mal aufm Schultzentag hingewiesen (Bemerkung
des Bürgermeisters Joh. Wilh. Hilgenfeld):
1764: Beständige Ausgabe sog. „OrdinaireRezeptur-
Gebühren“ für den Bürgermeister
01. Die Verordnung ist vorgelesen von Erneuerung der Sperlingsköpfe und Krähen, auch Hästerköpfe
wieder auf 6 Jahr (diese Vogelarten wurden als Schädlinge angesehen und für jeden
abgelieferten Kopf gab es eine Prämie).
02. Das die im vorigen Jahr im November extra ausgegebene Contribution im Monat Februar
bezahlt worden wäre (Kriegssteuer in Folge des Siebenjährigen Krieges).
03. Da die Unterthanen Holzlose zu verkaufen haben, so sollten sie die Brauhausschulden in
14 Tagen bezahlen.
04. Den 29. Febr. Carl And. Hildebrandten seine Schulden zu melden.
05. Da Leipen in Lomitz seine Güter verkauft worden, so sollen sich seine Schuldner melden.
06. Des Schäfers zu Lomitz, so allhier im Arrest sitzet, desgleichen seine Schuldner zu melden.
„1772 ist aufm Schultzentag kund gemacht: Wenn der Cantor, Küster, Schulmeister die Kinder
in der Schulstunde schreiben lassen, keine Bezahlung dafür haben sollen, sie sollen apart Stunden
dazu nehmen“. Von der Obrigkeit wurde damals nur gewünscht, daß die Kinder etwas Lesen
und Rechnen lernten. Schreibunterricht sollten nur die Kinder wohlhabenderer Eltern erhalten; sie
mussten dafür ein besonderes Schulgeld bezahlen.
Zwischen zahlreichen Aufzeichnungen über gefälltes Holz lesen wir dann noch kurze Worte über
Hochwasser, Deichbrüche und Überschwemmungen:
271
„1783 den 22. Januar ist auf dem Restorfer Damm am Binnenfelde Meyer und Steiling sein Deich
durchgebrochen vom großen Wasser 20 Ruthen lang (1 Ruthe = 4,66 m). Des abends 6 Uhr dem
Herrn Grafen sein Neudeich hinterm Quarnstedter Hof auch durchgebrochen, wovon alles vollgelaufen
auf Holtorf, Kapern, Gummern, Schnackenburger Felde. 1784 der Elbdeich zwischen Hohnstorf
und Artlenburg durchgebrochen, den 9. März der Alandsdeich bei Pollitz (gebrochen), stund
das Wasser ein Fuß (0,29 m) über unserer Brücke, den 10. März fiel es wieder.
1785 30. April war das Wasser so groß, daß es bis Schönberg sein Haus stand und diesseits die
Straßenränder von einem Ende bis zum anderen voll waren.
1786 den 20. Februar die Elbe zum zweiten Male vom Eis zugegangen, den 13. März angefangen
zu tauen und bei Grippel sich das Eis gesetzt, bis der Meetschower Graben (Seege) stund, worauf
das Wasser so plötzlich auflief, daß ich Pferde und Kühe aus dem Stall bringen mußte, um 4 Uhr
fiel es wieder, weil das Eis losgegangen und so wie es aufgelaufen, wieder weglief.“…
Zu Lebzeiten des Bürgermeisters Johann Wilhelm Hilgenfeld ist eine Feuerspritze angeschafft
worden. Im Juli 1795 hatte man nach langen Beratungen den Entschluß gefaßt, eine Spritze zu
kaufen. Eine Abordnung von drei Bürgern wurde nach Hannover geschickt und Gottfried Ludolph
Hildebrandt ist schon gleich mit vier Pferden nach Hannover unterwegs, um die Spritze abzuholen.
Nach etwa acht bis zehn Tagen kehrte die Spritzenkommission zurück, sie hatte sich in Hannover
auch gleich den Gebrauch der neuen Spritze erklären lassen. Täglich standen nun die Gartower
Schulkinder an der Straße nach Lüchow, um die Ankunft der Spritze abzuwarten. Die ganze Bürgerschaft
lief zusammen, als der Ruf erscholl:
„Die Spritze kommt, die Spritze kommt!“ An der Spitze der Bürgerschaft schreitet der alte würdige
Bürgermeister Hilgenfeld dem treuen Helfer in Feuersgefahr entgegen.
Wenige Tage später findet eine Versammlung der Bürger statt, in der festgesetzt wird, wer die
Spritze und wer die Schläuche führen soll und wer bei einem Brand an der Spritze arbeitet:
Als Spannhalter werden genannt: Gottfried Ludolf Hildebrandt, Christian Wilhelm Hasse, Christoph
Ludwig Bätche, Johann Christian Spohn, Johann Friedrich Ohnsorge und als „Arbeitsmannen
bey der Feuerspritze“: Diedrich Christoph Ludwig Waldau, Georg Anton Heinrich Meier, Christoph
Ernst Leopold Ziesenitz, Georg Friedrich Bohnke, Jürgen Heinrich Hamann, Ernst Heinrich Andreas
Schönberg, Georg Ernst Giese, Joachim Peter Schulz, Friedrich Wilhelm Hennings, Joachim
Hartwig Hoyer, Joh. Friedr. Gottl. Baade, Christian Wilh. Riechers, Jürgen Christoph Riechers, Joh.
Friedr. Bennecke, Gottl. Heinr. Christ. Sörger.
1797 bringt Bürgermeister Hilgenfeld noch eine Abschrift der gerichtlichen Entscheidung über
eine Klage der Bürgerschaft gegen den Schmiedemeister Heinrich Andreas Schönberg, der zu 1
Rtlr. Strafe verurteilt war, weil er im Bürgerholz Gras gemäht hatte. In einer zweiten Klage verlangt
die Bürgerschaft von demselben Schönberg 4 Rtlr. Weidegeld, weil er „zwei fremde ihm nicht zugehörige
Füllen auf ihre Weide (Gemeindeweide) gejagt.“
Drei Jahre später legt Bürgermeister Hilgenfeld sein Amt nieder. Seine letzte Eintragung berichtet
darüber: „1800, am 26. Juni abends 7 ½ Uhr bei dem Herrn Geheimrat von Bernstorff habe ich
von meinem Bürgermeisteramt abgedankt. N.B. wegen Alter und Schwäche halber.“
Mit dieser Bemerkung schließt ein arbeitsreiches Leben und ein wichtiger Abschnitt in der Entwicklung
Gartows ab.Nach dem Rücktritt Hilgenfelds führte sein Amt zunächst Ratsverwandter
Meimann weiter. Aber schon nach einem Jahre finden wir zum dritten Male in der Reihe der Bürgermeister
Gartows den Namen Hilgenfeld: „den 25. September 1801 bin ich in Gegenwart der
272
Bürger zum Bürgermeister erwählet und beeidigt, Carl Wilhelm Hilgenfeld. Von Johanni 1800 habe
ich den Bürgermeisterdienst verwaltet in Meimann seinem Namen, der ihm nicht vorstehen konnte
und den 25. Sept. 1801 aufgesagt hat und Meimann wieder Kirchenjurat geworden ist und ich
zum Bürgermeister beeidigt wurde. E.W. Hilgenfeld.“
Er ist mit seinen Niederschriften aber nicht weiter gekommen als zu Holzverkäufen, Verzeichnissen
usw. Ein Verzeichnis sämtlicher Bürgerstellen aus dem Jahr 1801 liegt vor:
Hans Christoph Gerber, Gottlieb Ludolph Hildebrandt, Gottlieb Sörger, Johann Peter Schultze,
Heinrich Otto Gartauer, Georg Ernst Giese, Friedrich Wilhelm Hennings, Johann Christ. Hildebrandt,
Cords, Witwe Kniep, Daniel Wiese, Carl Wilhelm Hilgenfeld, Bürgermeister; Ernst Heinrich
Schönberg, Johann Christ. Meimann, Joh. Georg Lindhuß, Joachim Christ. Sacks, Johann Heinrich
Döpner, Jürgen Heinrich Hamann, Peter Friedrich Honig, Johann Ludolph Bischoff, Friedrich
Christ. Gädke, Johann Joachim Röhl, Höger (ehemalig Pevestorf), Johann Höger, Röbers Witwe,
Jürg. Christ. Riechert, Johann Ludwig Kruß, Witwe Sauer, Spohn, Christian Wilhelm Riechert, Witwe
Niebuhr, Belitz (jetzt herrschaftlich), Johann Heinrich Giegeler, Fr. Konr. Behnke, Christian Wilh.
Haß, Johann Heinrich Ziesenitz, Busso Harbord (Apotheker), Georg Anton Heinrich Meier, Diedrich
Lud. Waldow, Lev. Chr. L. Badien, Johann Friedr. Gottl. Bade, Joh. Fr. Bente, Hildebrandt (jetzt
herrschaftlich), v. Schultzen (jetzt herrschaftlich), Hospital, Jacob Heinr. Beyer, Johann Joachim
Dröge, Joh. Wilhelm Salge, Gasthaus, Meimann, Kirchenjurat; Bade, Kirchenjurat; Christ. Wilhelm
Riechert, Bürgerrichter; Grabow, Pfandemann; Nagel, Kuhhirte; Kränau, Schweinehirte.
1810, 1815, 1838 finden wir Aufzeichnungen, daß Harbord (wahrscheinlich der 1801 genannte
Apotheker) Bürgermeister ist. 1847, 1852 und 1862 wird Bürgermeister Dröge genannt und
1875 Köhnke, aber alle Niederschriften unterbleiben jetzt. Nur 1864 unternimmt noch einmal H.
Bischoff einen Versuch, die Chronik Gartows zu vervollständigen. Er beginnt mit einer sehr umständlichen
Vorrede:
„Dieses alte Bürgerbuch ist ein Erbstück unserer Voreltern, es datiert sich von 1652, ist also über
200 Jahre alt und daher wohl wert, es auch unsern späteren Nachkommen zu überliefern. Es ist
zwar nicht regelmäßig fortgeführt worden, vielleicht eine Folge der in der damaligen Zeit noch
wenig in der Schreibkunst geübten Bürger….ich werde versuchen, die Beschreibung des großen
Brandes von Gartow von 1720 und auch den Brand von 1746, so viel ich aus alten Documenten
davon Kenntnis genommen und auch noch andere Merkwürdigkeiten, die der Nachwelt zu überliefern
wert sind, nachzutragen und dann von dem Jubeljahr 1800 die wichtigsten Merkwürdigkeiten
nach der Reihenfolge aufführen. Gartow im Juli 1864 H. Bischoff“
Das war gewiß eine lobenswerte Absicht des Schuhmachers Bischoff, von dem wir feststellen
müssen, daß er zwar kein Bürgermeister aber als Volksredner und gebildeter Mann zu seiner
Zeit bekannt war. Leider ist aber von seiner ganzen Arbeit nichts weiter geworden, er ist nicht
über die Vorrede hinausgekommen. Weshalb nicht? Wir wissen es nicht. Es folgen 78 leere
Seiten. Und wenn wir nun diese 78 leeren Seiten umgeblättert haben, dann ist unser Ratsbuch
zu Ende und wir sehen uns eigentlich einem großen Fragezeichen gegenüber. Wie viele
Fragen sind unbeantwortet geblieben, wie viele Fragen sind erst durch dieses Buch angeregt.
Es sind eigentlich alles nur kleine, scheinbar unbedeutende Tatsachen aus dem Gartow des 17.
und 18. Jahrhunderts…“ 3
273
3.11.1858: Eidesformel zur Beeidigung der Beamten in den Landgemeinden
274
Bürgermeister in Gartow ab 1673
1673 Heinrich Dammann und Heinrich Kleffler (zeitweise zusammen)
Simon Joachim Walther
25.10.1697 Caspar Schrödter und Hanß Rathken
1703 Adam Christian Hildebrandt
1.10.1724 - 1752 Hanß Hilgenfeld
1752 Johann Heinrich Meyer
1753 Johann Heinrich Barge
1770 Ernst Leopold Ziesenitz
1772 - 1800 Johann Wilhelm Hilgenfeld (evtl. Sohn von J. H. Hilgenfeld)
1800 Weiterf. durch Meine, Ratsverwandter
25.09.1801 Carl Wilhelm Hilgenfeld
1810, 1815, 1838 Harbord
1847, 1852, 1862 F. Dröge
1866 Schneidermeister Köster
1875 Köhnke oder Könke
1900 Adolf Bardien
Danach Aug. Schulz, dann Behrens dann Theodor Beyer
Bürgermeister in Gartow ab 1945
bis Mitte 1945 theodor Beyer (wurde nach Ende des Krieges vom Amt enthoben) da
nach kurzfristig Karl Heise (11.6.1945), wegen Krankheit Amtsaufgabe
ab 27.7.1945
Alfred Thier (v. Landrat ernannt)
ab Juli 1946
Paul Henning und Thier, Gemeindedirektor
1946 - 1956 (Nov.) Paul Henning
1956 - 1959 Ernst Schmidt (ab 1959 nach Wolfenbüttel), (später Schmidt-Maury)
1959 - 1972 Paul Henning
1972 - 1976 Paul Henning
1976 - 1981 Ernst Schmidt-Maury
1981 - 1986 Ernst Schmidt-Maury
1986 - 1991 Ernst Schmidt-Maury
1991 - 1996 Hans-Dietrich Schmieder
1996 - 2001 Horst Waldow
2001 - 2006 Horst Waldow
2006 - 2011 Hans-Udo Maury
2011 - Ulrich von Mirbach
Gartower Ratsprotokolle 1862 - 1866
Als der „Gartower Heimatbote“ am 8. Oktober 1970 wieder eingeführt wurde, nachdem er von
1913 - 1939 schon einmal erschienen war, gab es immer wieder auch Platz für geschichtliche
Beiträge. Bereits in der Nummer 2 ist eine Artikelserie „Vor über 100 Jahren“ erschienen. Vor allem
sind Auszüge aus dem Bürger- und Protokollbuch von Gartow ab 1862 veröffentlicht worden.
Die Kommunalverwaltung erfolgte nicht mehr in Abhängigkeit von der Gutsherrschaft, die 1850
aufgehoben wurde, sondern nach den Grundsätzen der Landgemeindeordnung vom 4. Mai 1852.
275
Das bedeutete weitgehende Selbstverwaltung. Um die damaligen Vorgänge zu veranschaulichen
und um einige Bürgernamen zu nennen, folgen (mitunter stark gekürzte) Auszüge:
16.12.1862
An der Sitzung im Gasthaus Hahn nahmen teil: Amtsrat Stölting, Amtvorsteher Schrader, Schlachtermeister
Wäge, Postverwalter Dankert, Rademacher Baark, Schuhmacher Bennecke, Zimmermeister
Könke, Gerichtsverwalter Wagener, Kaufmann W. Hahn, Buchbinder Wrede und Gastwirt
Hahn, sowie Bürgermeister F. Dröge. Amtsverwalter Schrader beantragte die Einsicht in frühere
Gemeindeabrechnungen, um festzustellen, wie hoch „das zu Gemeinde-Abgaben verwendete
Genossenschafts-Vermögen ist“. Dagegen protestierte der Bürgermeister, da bekannt sei, wofür
Ausgaben anfallen: z.B. zur Unterhaltung des früheren Hirten- und Armenhauses, Instandhaltung
von Feuerlöschgerätschaften, Besoldung des Bürgermeisters und Gemeindedieners.
2.1.1863
Bei der vorigen Sitzung war im Übrigen beschlossen worden, Ratsmitglieder, die den Sitzungen
unentschuldigt fernbleiben, für jede Unterlassung mit 5 Groschen zu bestrafen. Das so gesammelte
Geld floß der Armenkasse zu. Beraten wurde über die Aufnahme des Schneidergesellen Th.
Schulze als Bürger in Gartow. Da er aber mit 25 Jahren noch nicht volljährig war und bisher kein
Führungszeugnis vorliegt, ist sein Antrag abgelehnt worden.
31.1.1863
Zur Sitzung erschienen waren: Bürgermeister Dröge, Rathmann Waldow, Rathmann Hahn, Bürgervorsteher-Wortführer
Schrader, die Bürgervorsteher Köster, Waege, Wagener, Dankert, Bennecke,
Baark, Wrede, Leip, W. Hahn, Stölting, Könke. Seit dem 1.1.1863 war eine Trennung in Politische
Gemeinde und Interessenten-Gemeinde (Realgemeinde) erfolgt. Dann kam man zurück auf die
von Schrader geforderte Vorlage der Bürgerabrechnungen der letzten 5 Jahre, wobei das Gehalt
des Bürgermeisters von den 73 Rtlr. Gesamtausgaben 60 Rtlr. verschlungen hatte (daher die
Weigerung von Bgm. Dröge). Die Restausgaben bezogen sich auf Bürgerbotenlohn, Schreibmaterialien
und Besichtigung der Feuerstellen. In den Vorjahren kamen Ausgaben für die Anschaffung
von Feuerlöschgerätschaften hinzu (Ledereimer, Geld für Feuerwachen, Ausgaben beim Feuerlöschen).
Interessant ist für 1859 die Ausgabe zur Erneuerung der Kleidung (Rock und Hose) des
Gartower Nachtwächters. Immer wiederkehrend waren das Bürgermeistergehalt, Bürgerbotenlohn,
Schreibmaterialbeschaffung, Feuerlöschgerätschaften-Anschaffung und periodisch Ausgaben
für Wegebesserungen. Weiterhin wurde beschlossen, sich über die künftige Finanzierung des
Gemeindehirtenhauses, welches bisher als Wohnung für den Gemeindediener und Nachtwächter
diente, hinsichtlich der Bauunterhaltung zu beraten.
7.2.1863
Die Politische Gemeinde forderte nun von der Realgemeinde 20 Rtlr., die bisherige Gemeindedienerwohnung
(der Diener war zugleich als Pfänder tätig) mit Garten, das Armenhaus und das Spritzenhaus
mit Inventar. Es wurde beschlossen, der Politischen Gemeinde lediglich das Hirtenhaus
zur baulichen Unterhaltung zu überlassen.
15.2.1863
Der Amtsvogt und gleichzeitiger Bürgervorsteher hatte zwischenzeitlich eine neue Beitragsregelung
zur Finanzierung der Gemeindeausgaben erarbeitet und stellte diese vor. Sie wurde einstimmig
angenommen, weil sie „als für die Verhältnisse des hiesigen Städtchens passend“ befunden
wurde.
276
5.5.1863
Gemeinde-Vorstand und Bürgerausschuß hatten zum Verkauf „der sich im Concurs befindlichen
Giese`schen Bürgerstelle zu beraten“. Der Konkursverwalter Ludewig bei der Königl. Landdrostei
Lüneburg wollte Bürgerstelle und dazugehörige Ländereien getrennt verkaufen lassen. Der
Rat sprach sich dagegen aus und es „wünschenswerth sei, wenn ein entsprechender Theil vom
Grundbesitz bei den hiesigen Bürgerstellen verbleibe, indem auf denselben nicht unbedeutende
Deichlasten ruhten und es unter Umständen leicht möglich wäre, dass ganz eines Grundbesitzes
entblößte Stelle diese Lasten nicht tragen könnte“.
28.9.1863
Nun wurde in Bürgervorsteher Hahn und Waldow sowie die Mehrzahl in Bürgerdeputierte unterschieden,
nicht mehr Rathmann und Bürgervorsteher. Neu aufgenommen in die Gemeinde Gartow
wurden Klempnergeselle Carl Igel, gebürtig aus Berlin, Schuhmachergeselle Ludwig August
Sturm, gebürtig aus Gartow und Schneidergeselle Friedrich Franz Heinrich Behrends, gebürtig aus
Gartow. Abgelehnt dagegen ist die Aufnahme des Maurergesellen Ohnesorgen aus Lüchow „weil
kein Nachweis über deßen früheres Betragen vorgelegt werden konnte“.
Auch lieferte Schneidergeselle Behrends eine Arbeitsprobe, einen grauen Tuchrock, ab; welcher
von den Schneidermeistern Wiese und Köster für gut befunden worden ist.
25.10.1863
Drei Bürgerdeputierte waren der Sitzung ohne Begründung ferngeblieben und zahlten jeweils 5
Groschen Strafe. Beraten wurde über die Aufnahme des Dienstknechtes Heinrich Thoms aus Lanze.
Man vertagte sich „weil man bezweifelte, daß sich derselbe nach seinem bisherigen Betragen
allhier dauernd als Handarbeiter ernähren könne“. Er mußte wohl Bürgen beibringen.
9.1.1864
Die beantragte Aufnahme des Tagelöhners Friedrich Prigwitz aus Malchow/Meckl. wurde nicht
befürwortet „indem derselbe, so viel bekannt, eine auswärtige Person heirathen wolle, welche
bereits 2 außereheliche Kinder von anderen Männern habe und mit dem 3ten schwanger gehe“.
Eine Ablehnung erhielt auch der Dienstknecht Hase (wohl Hasse) „der Sohn des im hiesigen Armenhause
befindlichen Tagelöhners Hase“. Grund: „ indem der Antragsteller noch nicht 25 Jahre
alt sei, als ein durchaus nicht fleißiger Handarbeiter bekannt, überall kein Vermögen besitze, um
einen Hausstand gründen zu können und daher gerechte Bedenken getragen werden müßten,
daß er eine Familie ernähren könne“.
Der damals in Bremen tätige aber aus Gartow stammende Maurergeselle Wilhelm Wiech plante
sich in Bremen zu verheiraten. Dafür beantragte er in Gartow den sogen. Rüdeschein“, eine Art
Rückversicherung, falls er in Bremen kein Heimatrecht erwerben konnte. Dann durfte er Aufnahme
in Gartow finden.
Danach mußte man sich mit einer Beschwerde des Grafen von Bernstorff beschäftigen. Er war
der Auffassung, der Weg von Gartow über Buchhorst und Rucksmoor nach Wirl sei sein Privatweg.
Nun ist die Ansicht der Gemeinde Gartow dargelegt worden: „Von Gartow an der Landstraße bis
zum Handweiher am Hahnenberge entlang, dann links ab, den Prezeller Weg bis ans Bürgermoor,
daran vorbei, den Gorleben-Niendorfer Weg von der Buchhorst nach Rucksmoor bis zur s.g. Kartoffel-Bahn,
dann diese entlang bis in die s.g. Wirlsche Allee, wo der Weg dann in gerader Richtung
nach Wirl führt“. Dieser Weg sei ein öffentlicher und ohne Behinderung zu benutzen. Jedoch sollte
zugleich festgestellt werden, welche Wege innerhalb der Gemarkung Gartow als öffentlich zu bezeichnen
sind.
277
10.3.1864
Arbeitsmann Thoms aus Lanze hatte sich wohl bei der Amtsverwaltung über seine Ablehnung
beschwert, da ihm nun der Aufenthalt in Gartow gestattet wurde. Allerdings wirkte als Druckmittel
eine Erklärung des Verhaltens der Gartower Bürgervorsteher seitens der Amtsverwaltung. Da die
Begründung wohl schlecht ausgefallen wäre, wählte man lieber den bequemen Weg und nahm
Thoms auf. Zimmergeselle Hans Koch, Sohn des Gartower Gerichtsdieners erbat zu seiner geplanten
Heirat in Lenzen ebenfalls einen „Rüdeschein“ (wohl Rückschein), der ihm ausgestellt
worden ist.
Ferner wurde beschlossen, daß die neue Beitragsregelung zur Finanzierung der Gemeindeausgaben
auch für die An- und Abbauer in Gartow verbindlich wird. Weiterhin bestand Einvernehmen,
daß künftig der Bürgermeister und der Wortführer des Bürgerkollegiums die Sitzungsprotokolle
gemeinsam unterschreiben „um öffentlichen Glauben zu haben“.
6.10.1864
Nach gesetzlicher Vorgabe mußte ein Drittel der Gemeindeausschuß-Mitglieder ausscheiden oder
neugewählt werden. Wiedergewählt wurden: Kaufmann Hahn „als Mitglied des dreifachen Stimmrechttums“,
der Zimmermeister Könke „als Mitglied des zweifachen Stimmrechtums“ sowie neu
Schuhmachermeister Giegeler und Sattlermeister Hörnick.
3.2.1865
Der aus Gartow stammende Klempner Homann war in Harburg in Nöten: der dortige Magistrat forderte
einen Heimatrückkehrschein nach der neuen Vorschrift vom 3.4.1860, anderenfalls sollte er
nach Gartow zurückgeschickt werden. Allerdings hatte man in Gartow erfahren, daß Homann sich
in Harburg ein Haus gekauft und somit dort ein Heimatrecht erlangt habe.
7.2.1865
In dieser Sitzung ging es um die für Gartow eigentümlichen „Notgänge“, kleine Gassen bzw. Fluchtwege
bei Feuersgefahr, die beim Wiederaufbau des abgebrannten Gartow als künstliche Lücken
geschaffen wurden. Wer diese zu Privatzwecken benutzte, sollte dafür eine Gebühr bezahlen, was
man nicht einsah. Nur Drechsler Köster hatte angeboten, eine Zahlung zu leisten. Nach vorausgehender
Diskussion erging der Beschluß: „ daß Vorrichtungen getroffen, namentlich Hindernisse
eingegraben werden sollten, wodurch den Anliegern die Auffahrten auf ihre Höfe von den Nothgängen
aus unmöglich gemacht würde.“ (ausgenommen Köster). Die Notgänge befanden sich im
Eigentum der Politischen Gemeinde Gartow.
4.7.1865
Dem Tagelöhner Friedrich Nieß aus Gummern wurde ein Zuzugsrecht nach Gartow verweigert
„indem der p. Nieß wegen seiner Kurzsichtigkeit und Körperschwäche nicht die Garantie biete,
daß er als Tagelöhner für die Dauer im hiesigen Orte, wo Mangel an Arbeitern nicht vorhanden sei,
Arbeit finden werde“. Dagegen wurde Frau Dr. Westphal aus Hamburg ein zeitweiliges Wohnrecht
in Gartow erlaubt.
Die Sitzung ist vorzeitig abgebrochen worden, als Bürgervorsteher Leip der Versammlung vorhielt
„seien es Schöppenstedter Streiche, wenn das Bürgervorsteher-Collegium beschlossen habe, auf
öffentlicher Straße Pfähle schlagen zu lassen“ (die Notgänge wurden für Fuhrwerke gesperrt). Die
Versammlung fühlte sich daraufhin beleidigt, forderte Leip zum Gehen auf, was Leip verweigerte.
Daraufhin wurde die Sitzung „zur Verhütung weiterer Beleidigungen“ geschlossen. Dann entschuldigte
sich Leip.
278
20.7.1865
Die Notgänge beschäftigten das Bürgervorsteher-Kollegium weiterhin. Uhrmacher Leip wollte man
es nicht verzeihen, daß er die Bürgervorsteher beleidigt habe. Aber da war in der Zwischenzeit
noch etwas dazugekommen: Leip und Könke hatten wohl die Sperrpfähle beschädigt, wobei Könke
als Zimmermann wohl wußte, wie das anzustellen ist. Auch Ackerbürger Schaal war in diese
Angelegenheit verwickelt. Bürgervorsteher Giegeler mußte erklären, daß er mit Könke in geschäftlicher
Verbindung stehe und befangen sei. Wenig später jedoch, auf weiteres Befragen, stellte er
sich gegen Könke. Gegen Leip und Könke lagen Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung vor.
19.9.1865
Zu neuen Bürgervorstehern wurden gewählt: Kaufmann Krug (für den ausgeschiedenen Amtsrichter
Stölting), Holländereipächter Meineke aus Quarnstedt (f.d. Gerichtsvogt Wagener), Zimmermeister
Brunneß (f.d. Uhrmacher Leip) sowie Postverwalter Dankert, der wiedergewählt wurde.
2.12.1865
Das Zuzugsrecht nach Gartow erhielten Arbeitsmann Carl Hasse und der Dienstknecht Christian
Carmienke aus Jameln. Gastwirt Hahn erklärte „seinen Austritt aus dem Magistrate“, wobei seine
Begründung dafür akzeptiert worden ist. Für die ihren Posten aufgebenden Drechsler Köster und
den verstorbenen Böttcher Honig sind als neue Armenvorsteher die Bürgervorsteher Brunneß und
Waege gewählt worden. Genehmigt wurde ferner der Verkauf einer 5 Morgen großen Wiese auf der
Pfingstweide vom Halbbürger Köhnke an der Halbhufner Schulz in Nemitz.
8.1.1866
Neu gewählt als Bürgervorsteher wurde Schneidermeister Köster. Beraten wurden die künftigen
Gemeindeausgaben (Bürgermeistergehalt 60 Rtlr., Gehalt Bürgerdiener 4 Rtlr., Feuerstellenbesichtigung,
Baukosten 12 Rtlr., Wegebesserung 12 Rtlr., Nebenanlage-Beiträge 34 Rtlr., Brandkassengeld
2 Rtlr., Hebammen-Beitrag, Schreibmaterialien). Recht hoch mit 20 Rtlr. ist der Zuschuß
zur Armenkasse gewesen („wurde unter dem Vorbehalte bewilligt, daß demnach nicht mehr zugeschoßen
werden sollte, als das Bedürfnis durchaus erfordere und werde erwartet, daß hierüber
am Schlusse des Jahres näherer Nachweis geliefert würde“).
18.1.1866
Dem Maler Carl Krüger aus Rucksmoor, seinerzeit sich jedoch in Prag aufhaltend, wurde für sich
und seine Familie in Gartow ein Wohn- und Bürgerrecht bewilligt.
10.3.1866
Der Gartower Grenzaufseher Kraft bat für seinen in Hamburg als Amtsvogt tätigen, am 7.2.1838
in Hameln geborenen Sohn Carl Eduard Kraft um die Ausstellung eines Domizil- bzw. Rückkehrscheines,
weil er in Hamburg heiraten wollte. Dieser Bitte wurde entsprochen. Abgelehnt dagegen
wurden gleichartige Gesuche vom Tischler Heinrich Rückert, der in Harburg wohnte und vom Tagelöhner
Friedrich Hennings aus Restorf.
13.3.1866
Um gesetzlichen Vorgaben nachzukommen, ist für Gartow eine Stimmordnung festgelegt worden.
Gemeindemitglieder, die bei der ersten Umlage 19 ggr. und mehr beitrugen, erhielten ein vierfaches
Stimmrecht, solche von 11 - 19 ggr. ein dreifaches, solche von 5 - 11 ggr. ein zweifaches und
solche, die mindestens 5 ggr. beitrugen, ein einfaches Stimmrecht bei Abstimmungen in Gemeindeangelegenheiten.
279
11.5.1866
Erneut wurde zur Erteilung von Domizilscheinen beraten, genehmigt worden sind die Gesuche des
Gartower Färbergesellen August Albrecht und der Witwe Goedecke, ebenfalls aus Gartow. Sie wollte
sich in Kapern verheiraten, aber die dortige Gemeinde verlangte einen Schein für ihre 7jährige
Tochter, die aus 1. Ehe stammte. Nicht genehmigt wurde das Gesuch vom Gartower Tischlergesellen
Miethling, der seinerzeit in Kaierde im Braunschweigischen arbeitete. Begründung: „da der p.
Miethling noch militairpflichtig und bei den gegenwärtigen Aussichten zum Kriege leicht einbeordert
werden könne, wodurch die demnächstige Frau desselben ohne Ernährer sei und leicht dem
hiesigen Flecken zur Last fallen könnte, derselbe auch als Geselle bislang keine Garantie böte,
eine Familie nachhaltig ernähren zu können.“
28.7.1866
Zu beraten war über die Forderung der Amtsverwaltung, dem Abverkauf folgender Gartower Grundstücke
zuzustimmen: eine Wiese auf der Pfingstweide vom Tischler Louis Riechert, desgleichen
vom Tischler Lichtenberg an den Kossater v. Ahsen in Tobringen und der Meinertschen Bürgerstelle
mit ca. 20 Morgen Wiesen und Acker an den Gartower Färber August Albrecht. Es erfolgte
Zustimmung, weil „noch genügend Grundstücke bei den Stellen verbleiben werden, um die Reichslasten
davon tragen zu können.“
4.9.1866
Gewählt wurden Vertreter für die Stimmrechtsklassen, nämlich: Kaufmann Schmidt und Schuhmacher
Heinrich Bennecke (für das vierfache Stimmrecht), Gastwirt Hildebrandt und Böttchermeister
Carl Honig (dreifaches) und Arbeitsmann Greßmann (einfaches). Kaufmann Schmidt ist
ferner zum Wortführer des Bürgervorsteher-Kollegiums gewählt worden.
13.11.1866
Der Postverwalter Dankert legte sein Amt als Gemeinderechnungsführer nieder, als Nachfolger
wurde Zimmermeister Bruneß gewählt. Dienstknecht Dipner aus Ranzau, der die Tochter des
Hauswirts Jaat aus Trebel heiraten wollte und in Gartow die Thomsche Abbauerstelle käuflich erworben
hatte, erhielt keinen Domizilschein. Obwohl er 80 Rtlr. anzahlte, bot er „keine genügende
Sicherheit und durch Stellvertretungs-Contract nicht zu ersehen war, ob die Summe von 250 Rtlr.
noch vorhanden sei.“ Einen solchen erhielt jedoch der Gartower Leineweber Schulz „welcher das
Haus der verstorbenen Marie Honig gekauft und auf Versicherung des Bürgervorstehers Giegeler
eine Anzahlung von 200 Rtlr. geleistet“ hatte. Dem Antrag des Maurergesellen W. Gerber, aus
Gartow stammend aber in Harburg arbeitend, auf Ausstellung eines Trauscheines konnte nicht
entsprochen werden, da hierfür die Gemeinde nicht zuständig war.
Drechslermeister Köster war noch immer erbost über die Sperrung des Feuernotganges bei seiner
Hausstelle. Die drei Bürgervorsteher Schmidt, Dankert und Hildebrandt sollten eine Lösung
suchen. Uhrmacher Schulz erwartete eine Strafe, weil er ohne vorherige Anmeldung bei der Gemeinde
den Kutscher Pinneberg bei sich aufgenommen hatte.
20.12.1866
Dienstknecht Chr. Timm aus Holtorf gedachte sich in Gartow zu verheiraten und beantragte daher
einen Domizilschein. Als Rückversicherung verlangte jedoch die Bürgerschaft einen Rückschein
der Gemeinde Holtorf, falls aus der Heirat nichts wird. Arbeitsmann Joachim Teege aus Laasche,
der in Gartow bisher „ ungesetzlich“ gewohnt hat, wurde in Bezug auf seine Bedürftigkeit nicht in
Gartow aufgenommen.
280
Am 20. Februar 1893 erlangte das „Ortsstatut für die Gemeinde Gartow“ Gültigkeit. In 15 Paragraphen
wurden die Gemeindeverhältnisse geregelt, wobei das vorher geltende Ortsstatut vom 22.
Mai 1875 aufgehoben worden ist. Es entspricht in etwa den zuvor berichteten Bestimmungen, jedoch
in damals aktualisierter Form. Gleichzeitig wurde ein „Statut betreffend die in der Gemeinde
Gartow zu erhebende Hundesteuer“ in Kraft gesetzt. 4
Bürgergrundstücke im Flecken Gartow. Gezeichnet aus der Erinnerung von Oberförster Schmidt
281
Bürgerstellen im Flecken Gartow. Gezeichnet aus der Erinnerung von Oberförster Schmidt
282
Gemeinde-Ausschuss
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmte ein Gemeindeausschuß die Geschicke von Gartow
mit, wie die nachfolgenden Paragraphen erkennen lassen:
§ 1 Jedes Gemeindemitglied, welches im Flecken Gartow einen selbstständigen Haushalt führt,
sowie jeder auswärts wohnende Besitzer einer Bürgerstelle, eines Wohnhauses oder sonstigen
Grundstückes ist verpflichtet, zu den Gemeindelasten beizutragen.
§ 2 Die Beiträge zu den Gemeindelasten werden nach Umlagen erhoben. Bei der Ermittlung der
Umlagen wird der ganze jährliche Betrag der Grund- und Gebäudesteuer von den im Gemeindebezirk
belegenen Grundstücken und Gebäuden und die Hälfte des Betrages der Klassen- und klassifizierten
Einkommenssteuer, zu welcher Beitragspflichtige veranlagt ist, dergestalt zu Grunde
gelegt, daß von der wirklich zu entrichtenden ganzen Grund- und Gebäudesteuer mit Hinzurechnung
der Hälfte der Klassen- und klassifizierten Einkommenssteuer oder wenn weder Grund- noch
Gebäudesteuer entrichtet wird, von der Hälfte der Klassen- und klassifizierten Einkommensteuer
a) von den ersten 3 Mark und darüber 1 Mark 50 Pfg., b) von jeder vollen Mark mehr 50 Pfg. als
Beitrag gehoben werden. Überschreitende, nicht eine volle Mark ausmachende Steuerbeträge
kommen nicht in Berücksichtigung.
Besitzer von Gebäuden und Grundstücken, welche nicht im Flecken Gartow wohnen, und weniger
als 3 Mark Grund- und Gebäudesteuer für diese Grundstücke und Gebäude zu entrichten verpflichtet
sind, haben als jährlichen Beitrag zu den Gemeindelasten zu entrichten, wenn sie weniger
als 2 Mark an Grund- und Gebäudesteuer zu zahlen haben = 50 Pfg. und wenn sie 2 Mark und
darüber an Grund- und Gebäudesteuer zu zahlen haben = 1 Mark. Gemeindemitglieder, welche,
weil ihr jährliches Einkommen den Betrag von 420 Mark nicht erreicht, von der Klassensteuer
befreit sind, haben eine jährliche Abgabe von 50 Pfg. zu bezahlen.
§ 3 Die nach § 2 zu 3 Mark und weniger beschriebenen Abgabepflichtigen haben nur eine Umlage
im Kalenderjahre zu berichtigen. Von den zu mehr als 3 Mark veranlagten Abgabepflichtigen sind
so viele Umlagen zu leisten als zur Hebung des Bedürfnisses erforderlich sind. Bei Berechnung der
zweiten und jeder ferneren Umlage fällt jedoch der besondere Beitrag von 1 Mark 50 Pfg. für die
ersten 3 Mark der veranlagten Steuern hinweg und wird nur für jede Mark der veranlagten Steuern
5 Pfg. als Beitrag gehoben.
§ 4 Die Ermittlung der annehmungsfähigen Steuerkraft soll nach dem amtlichen Steuerrollen
des abgelaufenen Kalenderjahrs geschehen, unbeschadet jedoch der durch den Ab- und Zugang
Beitragspflichtiger veranlassten Veränderungen. Die Listen, in welchen die heranzuziehende Steuerkraft
eines jeden Beitragspflichtigen verzeichnet ist, sind vor Hebung der ersten Umlage 8 Tage
öffentlich auszulegen. Innerhalb dieser 8tägigen Frist können Reklamationen bei dem Bürgermeister
des Fleckens Gartow oder bei dem Kgl. Amte Lüchow angebracht werden, später erhobene
Reklamationen bleiben unberücksichtigt. Über die erhobenen Reklamationen entscheidet in
erster Instanz das Kgl. Amt Lüchow.
§ 5 Die Hebung der Umlagen geschieht in der Regel in vierteljährlichen Raten. Zur Deckung unvorhergesehener
Ausgaben können jedoch auf Beschluß des Gemeindeausschusses zu jeder Zeit
Umlagen ausgeschrieben werden.
§ 6 Die stimmberechtigten Gemeindemitglieder werden in 4 Classen geteilt. In der ersten Classe
mit 4 fachem Stimmrecht gehören diejenigen, welche zu den Gemeindelasten als erste Umlage
2 Mark 80 Pfg. und darüber beizutragen, zu der zweiten Classe mit 3 fachem Stimmrecht diejeni-
283
gen, welche 2 Mark bis exclusive 2 Mark 80 Pfg., zu der dritten Classe mit zweifachem Stimmrecht
diejenigen, welche über 1 Mark 50 Pfg. bis inclusive 2 Mark und zur vierten Classe mit 1 fachem
Stimmrecht diejenigen, welche mindestens 50 Pfg. als erste Umlage beitragen. Die Classen werden
jährlich nach den Beitragslisten berichtigt und kommen rücksichtlich der Auslegung derselben
und des Reklamationsverfahrens die Bestimmungen des § 4 zur Anwendung.
§ 7 Die Fleckensgemeinde wird vertreten durch einen Ausschuß, welcher besteht aus drei von
den Stimmberechtigten der ersten Classe, drei von denen der zweiten Classe, zwei von denen
der dritten Classe und einem von denen der vierten Classe gewählten Mitgliedern. Die Gewählten
brauchen nicht zu der Classe der Stimmberechtigten, von welchen sie gewählt sind, zugehören.
Jede Stimmrechts-Classe wählt für sich und ist daher zu den Wahlen nur die Ladung der Mitglieder
der betreffenden Classe erforderlich. Die Gemeindebeamten werden von der Gesamtheit der
stimmberechtigten Gemeindemitglieder gewählt.“ 5
Gemeinde-Finanzen
Nach altem Herkommen war die Gartower Bürgerschaft verpflichtet, Buch über Einnahmen und
Ausgaben in Gemeindeangelegenheiten zu führen sowie eine Rechnungslegung zu betreiben. Exemplarisch
wird die Bürgerrechnung von 1829 näher vorgestellt. Aus den Vorjahren war ein Überschuß
von 133 Rtlr. erwachsen. Zur Einnahme kamen jährlich von den Bürgerstellenbesitzern die
Hauspacht, der Gartenzins für Gartenbenutzung und das „Kuhschneidegeld“. Unabhängig davon,
ob Kühe gehalten wurden oder nicht, mußte es entrichtet werden. Der Betrag von 3 ggr. je Bürgerstelle
wurde unter der Bezeichnung „eiserne Kühe“ kassiert. Das zweite „Kuhschneidegeld“
wurde von denjenigen Bürgerstellen erhoben, die „milchende Kühe“ hielten. Für eine Kuh mußten
im Jahr 6 Pfg. gezahlt werden.
Eine weitere Einnahme stellte die „Gartenmiete“ dar, die von den Gärten 1 - 3 erhoben worden
ist. Die Nutzung hatten der Kuhhirte Maaß, der Schweinehirte Audorf und im Torgarten der Pfandemann
Gödecke. Sie zahlten eine reduzierte Abgabe, so lange sie ihren Dienst zum Wohl der
Gemeinde durchführten. Eine Person zahlte jährlich 3 Rtlr. für die Benutzung des „Rathswalles“.
Beim Wechsel des Bürgerstelleninhabers war es üblich, daß der Annehmende einmalig 1 Rtlr. 12
ggr. als sog. „Weinkaufsgeld“ zahlte. Erfolgte der Wechsel unter Gartower Einwohnern, mußten nur
18 ggr. bezahlt werden. Einige wenige Einwohner entrichteten ferner ein „Bullengeld“, das betraf
nur Leute, die kriegssteuerfreies Land, wie z.B. die Bürgerweide, nutzten, nämlich Kurschmied
Fischer, Pfandemann Wiech, Scharfrichter Miethling und Holzwärter Lehna.
Kurios ist die geringe Einnahme durch das Entleihen des Gemeinde-Leichentuches, das nur an
Fremde verliehen wurde. Die eine Hälfte der Gebühr erhielt der jeweilige Bürgermeister, weil er das
Tuch aufbewahrte, die andere Hälfte wurde von der Gemeinde vereinnahmt. Damit waren die Einnahmen
im Sterbefall nicht erschöpft, es sind auch „Grabstellengelder“ erhoben worden. Die Gartower
Bürger waren davon befreit, Fremde aber zahlten für ein ungetauftes Kind 1 ggr. 6 Pfg., für
ein Kind unter einem Jahr 3 ggr., für ein Kind von 1 - 6 Jahren 6 ggr., für ein Kind von 6 - 10 Jahren
12 ggr., für Kinder über 11 Jahre 16 ggr. Dieses Geld wurde auch fällig, wenn die Verstorbenen
nicht auf dem Friedhof Gartow begraben worden sind, ausschlaggebend war der Sterbeort.
Eine weitere Einnahme wurde aus Grasverkäufen erzielt, insbesondere von der Pfingstweide. Dagegen
waren die Verkäufe von der Wiese „hinter des Bürgers Spohns Hause“ und vom „alten
Kirchhofe“ unbedeutend. Auch Weidegeld konnte vereinnahmt werden. Als letzte Einnahme er-
284
scheint die „Bier-Accise“, die Biersteuer aus Gartow. Von jeder in Gartow gebrauten Tonne Bier
erhielt die Gemeinde 2 Pfg., bei jährlich 50 Tonnen ergab sich zwar keine große Summe aber es
war eine weitere Einnahme.
Von den Einnahmen erhielten Pastor und Kantor eher symbolische, sehr geringe Zuwendungen:
jährlich jeweils 6 ggr. Beide sind hauptsächlich vom Haus Gartow besoldet worden. Zwei Bälgentreter,
die für genug Luft der Kirchenorgel sorgten, bekamen jeweils 3 Rtlr. Vergütung. Für das Hüten
der Schweine des Pastors und des Kantors auf der Gemeindeweide ist der Hirtenlohn aus der
Bürgerrechnung bezahlt worden. Ebenfalls eher symbolisch, erhielt die Kirche als Institution jährlich
einen kleinen Betrag. Schließlich fielen noch Ausgaben für die Kirche an, soweit die Gemeinde
hieran zu beteiligen war: Da ist zunächst die Brandversicherungsprämie, die der Kirchenjurat
Hildebrand weiterleitete; fällig wurde auch die Haussteuer für das Hirtenhaus. Bezahlt wurden
aus der Gemeindekasse ebenfalls kleinere Reparaturen in Kirche und Schule. Kirchenvorsteher
Hildebrand war mit der Rechnungsführung betraut. Die Gemeinderechnungen sind dann von der
Gartower Amtsverwaltung überprüft worden. 6
Mit 12 Rtlr. erhielt der jeweilige Bürgermeister für seine Mühewaltung den höchsten Betrag. Der
jeweilige Bürgerrichter, der den Arbeitseinsatz der Gartower Pflichtigen leitete, erhielt eine Aufwandsentschädigung.
Da in Gartow im Rahmen des vorbeugenden Feuerschutzes regelmäßig
Visitationen, also Schauen ob Ledereimer und Feuerpatsche vorhanden waren, durchgeführt wurden,
gab es hierfür ebenfalls Geld aus der Gemeindekasse.
Einen größeren Betrag erhielt das Gartower Armenhaus zum Heiligen Geist, welcher den Bürgern
unter der Bezeichnung „Zinsen- oder Hausgelder“ abgefordert worden ist. Das Geld ist dann für
einige Jahre vom Pastor vereinnahmt worden, weil er die Armenhausrechnung führte. Auf Anordnung
der Gerichtsverwaltung ist dem Pastor dieses Geld schliesslich versagt worden.
Von den Einnahmen mußten auch Reparaturen und die Brandversicherungsprämie für das Hirtenhaus
in Gartow bezahlt werden. Nachweislich hatten Tischler Pevestorf und Glaser Benecke
geringfügige Verbesserungen vorgenommen. Nicht zu vergessen sind die Gemeindebullen, von
denen es zwei alte und einen jungen gab. Kurschmied Fischer sorgte für die „Verschneidung“ der
alten Bullen und ließ den jungen zur Ader. Die Apotheke Gartow lieferte gegen Entgelt Arzneien,
wenn die Bullen erkrankten.
Sehr gering waren die Gebühr zur gerichtlichen Anmeldung des Gemeindepfänders Gödecke aber
er erschien ebenfalls in der Rechnung.
Die Abrechnungen über die Einnahmen und Ausgaben der Gemeindekasse müssen den Neid der
heutigen Gemeinderechnungsführer erwecken. Wie einfach und übersichtlich ist das alles: zusammen
etwa 14 Gulden Einnahmen, die dann an die Kirche, die Bürgermeister und den Richter
zu verteilen waren. Daß der Pastor, der Bürgermeister und der Küster noch weitere Einkünfte in
Form von Naturallieferungen empfingen, ist bekannt. Wenn wir nun den Kaufwert dieser Geldsumme
feststellen wollen, kommen wir in Schwierigkeiten. Wohl können wir sagen, daß 24 Schilling
zu einem Gulden gehörten und der Gulden einen etwas geringeren Wert hatte als der Taler. Daß
das Geld in der Zeit nach dem 30jährigen Krieg sehr hoch im Wert stand, ist wohl selbstverständlich.
Einen Garten kaufte man damals für 8 Rtlr. und eine wüste Baustelle wurde 1716 für 6 Rtlr.
verkauft, so daß die 14 Gulden Gemeindeeinnahmen mehreren 100 Reichsmark in neuerer Zeit
entsprachen.
285
Die Gemeindeabgaben mußten von der Gesamtheit der Gartower Bürgerschaft aufgebracht werden.
Um diese zu begleichen, sind mehrmals im Jahr sogen. Umlagen, also Abschläge, erhoben
worden.
Der Gartower Bürgermeister war um 1896 zugleich Vorsitzender der Einkommensteuer-Veranlagungskommission.
Auf Grundlage der Einkommensteuer, die für Gartow 1621 Mark betrug, errechnete
sich die Gemeindesteuer. Umgelegt auf 301 Morgen Gemarkungsfläche ergaben sich
1923 Mark. Für die Gutsgemeinde Gartow sind 2746 Mark Einkommensteuer ermittelt worden,
bei 111 Morgen Gemarkungsfläche fiel wegen der höheren Einkommensteuer die Gemeindesteuer
mit 2858 Mark höher als bei der Fleckensgemeinde aus.
1898 wurde das Gesamteinkommen von Gartow auf 4094 Mark geschätzt. Als Einkommensteuer
mußten 92 Mark, an Grundsteuer 115,65 Mark und an Gebäudesteuer 53 Mark aufgebracht werden.
Insgesamt ergaben sich jedoch 1724 Mark zahlbarer Gemeindesteuer im Jahr. Schon 1910
wurde zur Aufbringung dieser Steuer ein Hebesatz von 200% festgesetzt.
Belastungen für den Gartower Gemeindehaushalt konnten sich ergeben, als die Amtsversammlung
am 7. Juli 1859 beschloß, künftig die medizinische Behandlung armer Mitbürger nicht mehr
aus der dazu vorgesehenen sogen. „Neben-Anlage“ zu bezahlen. Die Verpflegung und ärztliche
Behandlung sollte nunmehr die Gemeinde übernehmen. Lediglich für „Irrsinnige, Blinde und Taubstumme“
waren Unterstützungen aus der „Neben-Anlage“ zu erwarten.
Nach dem Stand von 1885 zahlte der Flecken jährlich 101,48 Mark Grundsteuer in die Staatskasse,
die Gutsgemeinde dagegen 4305,02 Mark. Gartow hatte damals 772 Einwohner.
Aus nicht mehr bekannten Gründen beherbergte Tischler H. Hamann den Schuhmacher Kaiser
auf vier Monate und den „alten“ Kuhhirten Nagel dauernd. Dafür erhielt Hamann aus der Gemeindekasse
Hausmiete. Auch erscheinen Ausgaben als „Erziehungskosten“ für Elisabeth Thiel, die
Joachim Jürgen Gödecke kassierte. In diesem Zusammenhang ist ferner das Schulgeld, wie auch
Geld für Schulbücher an den Kantor H.W. Krug gezahlt worden.
Eine weitere Ausgabe entstand durch die bei Hochwasser notwendigen Deichwachen und für
eventuelle Deichreparaturen. Ebenso sind Deichstrafen bei Versäumnissen gezahlt worden. Das
Herstellen von Deichverteidigungsmaterial und die Talglichter für die Deichwache sind ebenfalls
in dieser Rubrik aufgeführt. Inbegriffen war ferner die Unterhaltung einer „Küpe“ (kreuzende Rohrleitung)
auf dem Spring. In die Zuständigkeit der Bürgerschaft gehörte auch die Unterhaltung der
Weidezäune u.a. auf der Pfingstweide wie auch das Weidenkröpfen.
Grundstücksverkehr und Bürgerstellen
Im Zusammenhang mit einem Grundstücksverkauf am 20. März 1672, als die Witwe des Gartower
Bürgers und Schusters Hanß Schultze (Anna geb. Balken) an den Meister Nicolaus Helmkampf
einen Garten verkaufte, wird ein Ortssiegel erwähnt.
Vom Original-Wachssiegel sind nur noch kleine Reste vorhanden, so dass sich kein Bild des früheren
Aussehens mehr ergibt. Erst das Ortssiegel von 1684 ist gut erhalten.
286
Siegel der Gartower Verwaltung 1684/1702
Das Siegel, welches der jeweilige Bürgermeister in Verwahrung hielt, durfte lt. Anweisung von A.G.
v. Bernstorff vom 30. Juni 1700 nur nach Absprache mit dem Haus Gartow für Kauf- und Verschreibungsbriefe
benutzt werden. 7
Um 1814 existierten in Gartow 53 Bürgerstellen, einschließlich Hospital, Gasthaus, Schule, Kirche,
Pfarre und die Abdeckerei. Diese Stellen ließen insgesamt 473 Himpten Einfall(HE) oder umgerechnet
236 Morgen Acker, einschliesslich der Heidstücke, bewirtschaften. Mit 41 H.E. verfügte
die Kirche mit Abstand über das meiste Ackerland, gefolgt von Erdmann Schmidt mit 30 H.E (Stand
1847). Ein Himpten Einfall entspricht etwa einer Fläche von 12,5 a. Die Gartower Bürgerstellen
wurden in 30 Voll- und 28 Halbbürgerstellen unterschieden. 8
Zu jeder Bürgerstelle gehörten Gärten, Ackerland, Grünland, Weide- und Forstanteile („Antheil an
dem Bürgerholze, sowohl Ellern als Tannen gleich einem jeden Vollbürger in Gartow“). 9
Beispielhaft wird hier die Bürgerstelle vom Abdecker Joh. Diedrich Niebuhr, (Vorbesitzer Tischlermeister
Joachim Peter Schulze) in Gartow näher vorgestellt. Auf ihr ruhten – wie bei den übrigen
Gartower Bürgerstellen auch – folgende Reallasten (Stand 1832/33):
• Grundsteuerbeiträge für das Hausgrundstück, landwirtschaftlich genutzte Flächen und
den Anteil an der Gemeindeweide.
• Häusersteuer
Beides zahlbar als „Landesherrliche Abgaben“ an die damals in Gartow bestehende Steuerrezeptur.
Zu den „Bürgerlasten“ gehörten auch Beitragszahlungen zur Reparatur des Hirtenhauses, der
Seegebrücke, der Erhaltung von Deichen und Gräben, Bezahlung des Hirten, Nachtwächters und
Pfandemannes, Zahlungen an die Gartower „Bürgerrechnung“ sowie „Handdienste in der Bürgerschaft“
und bei vorkommenden Fällen Dienstleistungen zur Gefangenenbewachung am örtlichen
Gefängnis und Aufnahme von Militärpersonen („Einquartierung“). Für das Haus Gartow waren
Heudienst und Bauerhaltungsdienste hinsichtlich der Deiche abzuleisten, ebenso ein Wiesenzins
zu entrichten. Beiträge und Abgaben waren ferner an die örtliche Geistlichkeit zu leisten: an den
Pastor eine Wurst zu Weihnachten und 6 Eier zu Ostern. Bei Einsetzung eines neuen Pastors waren
zusätzliche Gebühren fällig (u.a. für den Antransport seines Hausrats). Der Kantor erhielt zu
Advent eine „stehende Hebung“, auf Johannis den „Hausdreier“ und zu Ostern zwei Eier. Weitere
Beiträge wurden fällig zur Bauunterhaltung des Pfarr-, Pfarrwitwen- und Schulgebäudes. Außerdem
waren für die Bürgerstelle Nr. 34 Brandversicherungsgelder zu entrichten.
Damit ergab sich eine erhebliche Abgabe- und Dienstleistungsverpflichtung für Gartower Bürgerstelleninhaber.
287
Weil J.D. Niebuhr die Bürgerstelle heimlich verlassen hatte, wurde sie 1816 vom Haus Gartow
käuflich erworben.
Zwischen der Fleckensgemeinde Gartow und der gräflichen Gutsverwaltung gab es einen regen
Grundstücksverkehr. Allein im Zeitraum von 1832 bis 1845 welchselten in neun Verkaufsaktionen
36 Grundstücke ihren Besitzer. Hierbei verkaufte Graf v. Bernstorff Liegenschaften, kaufte andererseits
andere von Gartower Bürgern auf. Einige blieben in der gräflichen Gutswirtschaft Ackerland,
andere wiederum sind aufgeforstet worden. Am 6.11.1832 kaufte v. Bernstorff vom Bürger
Schönberg drei Grundstücke, am 15.2.1835 eines vom Bürger Giese, am 1.2.1839 je eines vom
Bürger Bardien, Bürgermeister Harbord, Bürger Dröge sowie Sattler Schulz usw.
Der Scharfrichter Miethling hingegen erwarb von v. Bernstorff am 18.9.1842 zwei Grundstücke,
verkaufte jedoch ein anderes an v. Bernstorff. 10
Es ist zu beachten, daß das Gemeindegebiet des Fleckens Gartow nicht auch den Gutsbezirk Gartow
unter v. Bernstorffscher Verwaltung umfaßte. Zum Gutsbezirk gehörte die gesamte Feldmark
Quarnstedt, der Gartower Forst und weite Teile in der Seegeniederung. Daher war das Gemeindegebiet
des Fleckens Gartow flächenmäßig nicht umfangreich.
Gartow um 1700: Rechts die Wasserburg
Geburtsbescheinigung (ausgestellt vom Gartower Rat)
„Wir, Bürgermeister und Rathmänner des Städtleins Gartow im Königlich Großbritannischen und
Churfürstlich Braunschweig-Lüneburgischen belegen geben nechst Darbietung unser Respectiv
freund- und willige Dienste hierdurch jedermänniglichen zu vernehmen, daß heute dato für Unß
dem sitzenden Rath erscheinen: Heinrich Brockhoefft und Christoph Bollmann respect Rathsverwandter,
Kirchenvorsteher auch Bürger und Leinweber hieselbst und mit ausgestreckten Armen
288
und mit aufgehobenen Fingern beschworen und dargethan, daß Johann Christoph Pevestorf von
seinem Vater Hans Pevestorf, auch Bürger und Leinweber allhier und seiner Mutter Margaretha
Mahnkens in einem unbefleckten Ehe-Bette, echt und recht, ehelich und ehrlich, Teutsch und
nicht Wendischer Nation geboren und so viel ihnen wissent jeder Zeit aufgeführet, daß er in ehrlichen
Gilden und Gewerken aufgenommen zu werden, wohl würdig. Wann muß dann derselbe
gebührend ersuchet und gebethen, von dem Allem, was die Zeugen wissentlich bezeuget und
ausgesaget, ihnen darüber ein Attestatum in forma probande zu ertheilen, so haben wir ihme solches
nicht versagen können noch wollen, sondern deßen petito deferiret. Als gelangt demnach an
alle und jede Zünfte und Gewerken insonderheit aber der Löblichen Leineweber-Gilde zu Lüchow
unser respectiv freund- und dienstwilliges Bitten nicht allein unsern testimonio nativitatis vollkommen
Glauben beyzumessen, sondern auch ein solches dem Impretanten fruchtbarlich genießen
zu laßen und ihm auf sein Begehren in ihrer Zunft und Gilde auf- und anzunehmen. Wir erbieten
Unß dagegen einen Jeden nach Standes Gebühr ein solches hinwiederumb zu praestiren. Zu deßen
mehren Urkund haben wir diesen Geburts-Brief unter unserm großen Insiegel ausgefertiget.
So geschehen und gegeben Gartow auf den Tag Maria Verkündigung, war Ostern Eintausend Siebenhundert
und Zwantzigsten Jahres.“ 11
Gemeinde- und Gutsangelegenheiten
Mit der Installierung der Amtsverwaltung in Gartow war die Landesregierung vor Ort präsent. Ihre
Vertreter (Amtsvorsteher, Amtsgerichtsvorsteher und Amtsvogt) achteten sehr sorgfältig auf die
Einhaltung gesetzlicher Vorschriften – auch die Grafen von Bernstorff bekamen das zu spüren.
Die Amtsversammlung war ein Zusammenschluß der einzelnen Ortschaften in den Königlichen
Ämtern, wie z.B. das Amt Gartow-Schnackenburg. Graf von Bernstorff nahm hierbei eine Sonderstellung
ein, weil er mit seinen Gütern Gartow, Gedelitz und Gummern gemäß Pragraph 11 des
Gesetzes vom 28. April 1859 in diesem Gremium eine eigene Stimme geltend machen konnte.
Alle drei Güter waren „landtagsfähig“. 12
1849 sind Verhandlungen geführt worden, um das Haus Gartow an den Gemeindesteuern der
Fleckensgemeinde Gartow zu beteiligen. Für diesen Zweck sollten die Besitzungen des Hauses
Gartow, die verstreut lagen, an benachbarte Gemeinden angeschlossen werden. Eine Vereinigung
der gräflichen Besitzungen mit denen des Fleckens Gartow schien allerdings untunlich: „…daß
das Gut Gartow mit dem Vorwerk Quarnstedt und der Jägerei im Elbholze nebst dazu gehörigen
in einem Complex geschlossenen belegenen Ländereien selbstständig bestehen bleibe, da das
Gut seinem Umfange nach sich hierzu eignet…und die Verbindung eines Landgutes mit der städtischen
Commune Gartow, der Verschiedenartigkeit, der Verhältnisse wegen nicht zweckmäßig
erscheint …“
Am 22. Dezember 1849 verfügte die Königliche Landdrostei Lüneburg die Angliederungen der
gräflichen Güter an die Nachbargemeinden, während Quarnstedt und Gehöft Elbholz selbstständig
blieben. Dafür wurde jedoch die gräfliche Scharfrichterei auf Veranlassung der Landdrostei
vom 11. September 1849 dem Flecken Gartow zugeordnet. Dagegen sträubte sich die Bürgerschaft
und legte Beschwerde beim Innenministerium ein. Das Ministerium wünschte 1850 Aufklärung
darüber, wie die von Gartow befindlichen, im gräflichen Besitz stehenden, Häuser dem
Flecken einverleibt werden können. Dazu antwortete Graf von Bernstorff: „ Die anderen mir vor
Gartow gehörigen Gebäude, in denen meine Officianten wohnen, haben weiter gar keine Verbindung
mit der Bürgerschaft als daß sie behuf ihrer ursprünglichen Zwecke auf bürgerlichem Grund
und Boden aufgebaut und ihnen auch aus demselben Grunde wegen ihres durch ihr Geschäft mit
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der Bürgerschaft habenden Zusammenhangs ein Weiderecht zugelegt wurde aber keinerlei sonstige
bürgerliche Berechtigung, wie sie die Scharfrichterei und alle sonstigen bürgerlichen Besitzungen
genießen. Dieses Weiderecht aber und somit der letzte Verband, den sie bislang mit dem
Städtchen hatten, erlischt in zwei Jahren, wogegen die Scharfrichterei in allen ihren bürgerlichen
Berechtigungen verbleibt.“
Am 27. Juni 1850 verfügte das Innenministerium die Eingliederung sowohl der Scharfrichterei als
auch der übrigen gräflichen Hausgrundstücke in die „Stadtgemeinde Gartow“. 13
Nach einer Entscheidung des zuständigen Ministeriums war das „Städtlein Gartow“ von der Ableistung
von Hoheitsdiensten befreit. Es handelte sich hierbei um Militäreinquartierungen während
Übungen und in kriegsvorbereitenden Fällen. Nicht davon verschont blieb die Gutsgemeinde
Gartow, sie wurde der Leistung von 13 Vollhöfen gleichgesetzt (1 Vollhof mußte 12 Einquartierungstage
im Jahr erdulden) und mußte 156 Einquartierungstage zur Verfügung stellen. Später
wurde diese Verpflichtung auf 81 Tage reduziert. Allerdings ist der Flecken Gartow ab 1869 dann
doch noch zur vorübergehenden Aufnahme von Militär verpflichtet worden. 14
Am 28. Oktober 1856 beantragte Graf von Bernstorff bei der Amtsverwaltung die Ablösung folgender
Berechtigung:
„Der Bürgerschaft Gartow steht auf mehreren (dem Hause Gartow) gehörigen Wiesen in der Gegend
des Wolfsberges und Elbholzes belegen, ein Nachweide-Recht gemeinschaftlich mit den
Kühen des Vorwerks Quarnstedt vom Michaelis-Tage jeden Jahres zu.“ Nach Ansicht des Grafen
ergaben sich dadurch für ihn bzw. die Bewirtschaftung Unzuträglichkeiten. Amtsvorsteher Albers
in Gartow, zugleich Vorsitzender der Ablösungskommission, bestätigte den Posteingang. 15
Graf von Bernstorff hatte am 20. April 1857 Veranlassung, sich bei der Amtsverwaltung zu beschweren:
„Ich muß Ihnen mitteilen, daß die jugendliche Bevölkerung Gartows sich so unpassend im hiesigen
sog. Englischen Garten (Schloßpark Gartow) bey den Besuchen desselben an Sonn- und Festtagen
benimmt, daß ich mich zu den allerstrengsten Controll-Maßregeln leider veranlaßt sehen
muß…“
1857 mußten auch die Einwohner Gartows regelmäßig persönlich „zur Mutations-Beschreibung
der persönlichen directen Steuern pro 1857/58“ in der Amtsverwaltung erscheinen. Dazu bestand
eine Verpflichtung: „haben die in ihren Steuer-Verhältnissen eingetretenen Veränderungen
bei Vermeidung der gesetzlichen Nachtheile anzuzeigen, auch die vorschriftsmäßigen Declarationen
abzugeben.“ Ähnliches galt für die eventuelle Erhöhung der Feuerversicherungssumme für
Häuser.
Um die Häusersteuer-Erhebung akutell zu halten, mußten dazu Verpflichtete „vorgekommene Neubauten
der Wohnhäuser, wesentliche bauliche Veränderungen sowie Eigenthumsveränderungen“
der Amtsverwaltung mitteilen. Dasselbe galt für die neue Grundsteuerveranlagung.
Kurios ist der Brief von Heinrich Köhnke vom 3. November 1857 an den Grafen von Bernstorff, in
dem er den Grafen um Vermittlung einer Arbeitsstelle bat „da ich willens bin, Amerika zu verlassen“.
H. Köhnke lebte damals in Wolwich, Canada West, Post Office Elmira.
290
Am 21. August 1860 wandte sich der Gartower Bürgermeister F. Dröge an den Grafen von Bernstorff:
„seit einigen Tagen habe ich es gesehen und in Erfahrung gebracht, daß von den Gespannen
Euer Hochgeboren zum Behuf des Gutes Sand von den bürgerlichen Sandbergen abgefahren
wird. Da nun nach dem Übereinkommen vom Jahre 1848 das Recht der Sandabfuhr nur bis Januar
1860, auf 10 Jahre sich vom Hause Gartow reserviert ist, so ersuche ich Euer Hochgeboren
recht freundlichst, ein weiteres Abfahren von Sand nicht anordnen zu wollen.“ 16
Am 30. Dezember 1868 formulierte F. Giese aus Gartow einen Brief an den Grafen von Bernstorff,
der Einblicke in Zustände der damaligen Zeit zuläßt: „… den Herrn Grafen v. Bernstorff zu bitten,
ob Sie wohl nicht die Güte haben möchten und mich in ihre Arbeit nehmen oder ob Sie sonst eine
Stelle für mich hätten. Ich muß leider offen bekennen, daß ich nicht gerne mit vielen Menschen zusammen
arbeiten möchte, weil ich früher Besitzer eines Hauses auf dem Spring gewesen bin, und
die Leute mit denen ich dann zusammen komme, nur Spottreden über mich halten. Ich verstehe
alle Arbeiten und werde dieselben gewiß zur Zufriedenheit des Herrn Grafen vollführen. Der Herr
Graf gibt ja so vielen Leuten Arbeit, also hoffe ich auch, daß der Herr Graf mich auch nicht vergißt;
denn ich habe eine große Familie von 6 Knaben, wovon der Älteste beim Herrn Amtshauptmann
von Hugo ist. Von den anderen ist noch keiner aus der Schule und da habe ich meine große Noth
mit, und hier in Gartow ist es schlecht und nichts zu verdienen…“ 17
Im Mai 1881 sind Grenzberichtigungen erfolgt, wobei als Verhandlungsführer Bürgermeister Könke
und als Beauftragter des Grafen der Sekretär Brüggemann auftraten. Ebenfalls anwesend war
der Katasterkontrolleur Assemann, der Nachvermessungen veranlaßte. Die Grenzberichtigungen
hatten ihre Ursache in der neuen Grundsteuerveranlagung der Gemeinde Gartow. Als Grenzenanweiser
fungierte der alte Ackervogt Schaal.
Die alten Vermessungsregister stimmten mit den neuen Vermessungsergebnissen nicht mehr
überein. So umfasste die Fläche nach der Grundsteuer-Mutterrolle bis 1861 für den Flecken Gartow
184 Morgen, um 1880 jedoch 220 Morgen. Das Haus Gartow hatte seit 1861 in der Fleckensgemeinde
26 Morgen käuflich erworben, so daß diese Flächen nunmehr zur Gutsgemeinde gehörten.
Insgesamt gehörten dem Haus Gartow jedoch 156 Morgen Fläche in der Fleckensgemeinde.
Der Gesamtbesitz des Hauses Gartow war mit 23914 Morgen ermittelt. Innerhalb des Fleckens
Gartow gehörten dem Haus Gartow die Bürgerstellen Nr. 38, 39, 42, 43, 44, 64, 65, 66 und 71,
also neun Hausstellen sowie auch die Nr. 37 des Vollbürgers Friedrich Johann Meinke. Die Haus
Nr. 39 gehörte zur Stiftung Heiliger Geist. Auf Grund der Grundsteuerveranlagung mußte das Haus
Gartow für seine in der Fleckensgemeinde belegenen Flächen auch zu den Kommunalsteuern
Gartows beitragen.
Im September 1889 gab es Unstimmigkeiten zwischen der Realgemeinde Gartow, vertreten durch
den Bürgermeister Könke und den Halbbürger Heinrich Baark und dem Grafen von Bernstorff,
vertreten durch den Holzhändler C. Herbst. Es war wegen nicht erfüllter Sandlieferung seitens des
Grafen zu einem Prozess gekommen. Nun kam ein Vergleich zustande, nach dem der Graf an die
Realgemeinde einmalig 700 Mark Abfindung zahlte. Die Prozesskosten trugen beide Parteien je
zur Hälfte. 18
Grenzfestlegungen
Im Rezeß von 1595 war festgestellt worden, daß die Buchhorst als Forstort „verhauen“, also ziemlich
abgeholzt sei. Die Gartower Bürgerschaft sollte nunmehr in die Hahnenberge ausweichen
aber künftig die dortigen Holzbestände schonen. Dennoch war es ihr gestattet, dort ihr Vieh wei-
291
den zu lassen. Im benachbarten Junkernholz durfte sie Holz für die Brückenreparaturen und zu
ihren Häusern „wie bißhero und von Alters geschehen“ entnehmen.
Die Flurteile Zirach, Helk und Brudersteig sollten geschont werden, da dort Aufforstungen vorgenommen
wurden. Auch hier war eine Weidegerechtigkeit für die Gartower Bürgerschaft zugestanden
worden, jedoch durften auch die von Bülows dort mitweiden.
Stets ist der Rezeß von 1730 als Grundlage zur Beilegung von Streitigkeiten aber auch als Nachweis
von Verabredungen (Grenzen) zitiert worden. Nach dem Stand und der Ansicht der Bürgerschaft
war dieses die Hude und Weide „auf der Haide zwischen denen Hahnenbergen und den
Trebelschen Tannen und zwar der Länge nach von denen Hahnenbergen bis an die Wildbahn vor
den Trebelschen Tannen, so wie in der Breite vom Klauenberge und der Meetschower Grenze bis
an den von Gartow nach Prezelle gehenden Weg. Auch hat die Bürgerschaft den freien Haide- und
Plaggenhieb in diesem Revier…desgleichen die Huth und Weide in den Hahnenbergen, dem Helke,
dem Brudersteig und der Haid-Riethe…“ ferner: „…die Huth und Weide beim Umschwang, in der
Länge von der Tränk- oder Waßer Kuhle bis an den alten Weg von Gartow über die Buchhorst nach
Rucksmoor und in der Breite, vom Umschwang und den Wolfshahlschen Bürger-Ackerstücken bis
an die gegenüberliegenden Rucksmoorschen Koppeln und den Bürgermoor-Stücken“ und „die
Schweine-Hude (im ebengenannten) Revier desgleichen in den Hahnenberg und dem Helk…das
Recht in den Gräfl. von Bernstorffschen Holzungen ihre Bienenstöcke gegen Erlegung des gewöhnlichen
Flucht-Geldes aussetzen zu dürfen … aus den Gräflich von Bernstorffschen Forsten auf vorgängiges
Ansuchen unentgeltlich die Nothdurft an Bauholz zu Brücken und andern notwendigen
gemeinen Bauten.“
Aus Sicht des Hauses Gartow, vertreten durch Oberförster Schröter, gab es wenig Übereinstimmungen,
wie z.B. „…wird der vormalige Alte Prezeller Weg, jetzt der Lüchower Weg genannt und
ist durch Zeugen zu beweisen, daß über diesen jetzt Lüchower Weg genannten Weg seit undenklichen
Zeiten niemals das Gartower Bürgervieh gehütet worden ist…“ Schröters Ausführungen enden
mit der Feststellung: „Observanzmäßig ist seit undenklichen Zeiten nur zu der Brücke nördlich
vor dem Flecken und zu dem Hirtenhause die Nothdurft an Bauholz gegen Erlegung der Anweisungsgebühr
in den Gräflich von Bernstorffschen Forsten angewiesen und gegeben worden. Das
Fällen und Anfahren dieses Holzes muß die Bürgerschaft verrichten.“
Dann gab es noch eine Instruktion des früheren Premierminister Andreas Gottlieb von Bernstorff,
datiert vom 22. November 1723, für den damaligen Amtmann mit der Maßgabe „denen hiesigen
Bürgern soll auf keine Weise zugelassen werden, auf der Heide ihr Vieh zu hüten, es sey denn,
daß sie schriftlich mit des Bürgermeisters und vier, fünft der ältesten Bürger Unterschrift, darum
bitten, sonsten sie mit der Zeit ein Recht desfalls attribuiren würden.“ Dazu ist ein namentlich
nicht unterzeichneter Vermerk hinzugefügt worden, der zwar allgemein gehalten ist aber doch
Einsichten anderer Art gewährt:
„Wenn ein Mann wie Andreas Gottlieb von Bernstorff dieses verordnete, so wußten die Bürger
auch nicht einen Schein von Recht vor sich haben oder nur zu haben vermeinen, sonst hätte er,
der in Gartow Alles aufs Reine brachte und nicht streitig ließ, unfehlbar einen Prozeß angefangen
oder sich verglichen. Nach seinem und Georg I Tode und bei den bekannten ungünstigen Gesinnungen
des Nachfolgers auf dem Thron gegen die Erben des verstorbenen Premierministers, welche
er auf jede Weise öffentlich verfolgte (durchgestrichen: kränkte und arm machen wollte) wurden
nun freilich alle Mittel, alle Gelegenheiten benutzt, um Vorteile auf Kosten des Hauses Gartow
zu erlangen! So entstand 1727 ein Prozeß über die Weyde in der gedachten Heide, welcher (trotz
292
jener Stimmung und obgleich das Haus Gartow damals und seitdem fast alle Prozesse verloren
hat) nach Abgabe des Rezesses von 1730 dennoch in Posserorio gewonnen wurde.“
Im Oktober 1812, zur Franzosenzeit, beharrte die Gartower Bürgerschaft auf ihren Weide- und
Holzwerbungsbefugnissen besonders in der Raumenheide gemäß dem Rezeß vom 17. Oktober
1595. Der Einwand des Hauses Gartow, die Raumenheide sei nunmehr ein kultivierter Forstort,
mochten die Gartower nicht anerkennen, da diese um 1730 „ganz von Holtz entblößet gewesen“.
Das Haus Gartow selbst habe damals im Rezeß festschreiben lassen: „Land in dieser Heide auszubrechen
und urbar zu machen, auch einige Kathen für Dienstleute dahin zu bauen, deren Vieh
sodann der Mithude ebenfalls genießen sollen.“ Angeblich durfte das Haus Gartow ein Fünftel der
Raumenheide aufforsten aber nach Meinung der Gartower sei viel mehr Fläche zur Forst gezogen
worden.
Gemäß einer Aufstellung von 1814 war der Gartower Bürgerschaft die Ausübung der Weidegerechtigkeit
in der Buchhorst, im Elsebusch und auf dem Serich gestattet. Diese Abmachung beruhte
auf Festlegungen vom Rezeß von 1595 zwischen denen von Bülow und der Bürgerschaft. Damals
war den in Gartow wohnenden Bediensteten der von Bülow erlaubt, ihr Vieh mit auf die Gartower
Weide zu bringen. Dieses Recht übernahmen auch die von Bernstorffs. Aber 1814 haben deren
Bedienstete nach Ansicht der Gartower Bürgerschaft zuviel Großvieh eingetrieben (Förster, Verwalter,
Pfandemann, Schmied, Scharfrichter). Die Stückzahl schwankte zwischen 25 und 35. Dazu
kamen eine ungenannte Zahl von Schweinen und Gänsen.
Auf dem Serich war die Lage noch prekärer, denn dort trieben die 12 Quarnstedter Tagelöhner, der
Windmüller, der Pächter und der dortige Hirte zusätzlich 64 Kopf Rindvieh ein. Schließlich war es
soweit gekommen, daß etwa 155 Kopf Rindvieh, deren Halter nicht aus der Bürgerschaft stammten,
zuviel auf den Wiesen gewesen sind. Die Gartower selbst hielten etwa 120 Kopf auf der Weide.
Das übermäßige Aufkommen von Vieh aus Quarnstedt erklärt sich daraus, daß bis etwa 1808
lediglich die 12 Tagelöhnerfamilien Vieh eintrieben, danach aber auch die Familien, die zusätzlich
bei ihnen als Einlieger eingezogen waren.
Im März 1817 sind die Grenzen zwischen dem Flecken Gartow und den Besitzungen des Hauses
Gartow genau festgelegt worden. Amtmann Meier, Leutnant Lindner, Oberförster Schröter und
Pfandemann Wiech (Letztere als Vertreter des Grafen von Bernstorff) begingen mehrere Tage lang
das Revier, welches anschließend mit Nummernpfählen gekennzeichnet worden ist.
1819 kam es zu einem Prozeß wegen dieser Weideangelegenheit, ein Jahr später kam der Gedanke
auf, gemäß der Gemeinheitsteilungs-Ordnung eine Separation zu planen. Beide Parteien
sollten ihre eigenen künftigen Reviere erhalten. Hierzu war das Königl. Oberlandes-Ökonomie-
Kollegium in Hannover einzuschalten und am 6. März 1820 unter Bürgermeister Apotheker Busso
Harbord die ganz überwiegende Mehrheit hierfür gewesen ist. Die gewünschte Teilung kam jedoch
erst im Wege eines späteren Rezesses am 25. März 1848 zustande. 19
Bereits 1870/71 gab es Grenzfeststellungen mit den Nachbargemeinden Holtorf, Kapern, Gummern,
Schnackenburg und Gartow Gut. 20
Seit 1885 ist der Gutsbezirk von einem Vorsteher in gräflichen Diensten verwaltet worden, es
existierte sogar ein Amtsschild mit der Bezeichnung Gutsgemeinde Gartow. Der Gutsverwalter
war damals den Gemeindevorstehern in den Dörfern gleichgestellt und hatte deren Rechte und
293
Pflichten, z.B. das Führen des Melderegisters gemäß der Kreisordnung des Landkreises Lüchow.
Realgemeinde Gartow
Aus den Verkoppelungsverfahren im 19. Jahrhundert entstand Gemeinschaftseigentum wie z.B.
Wege, Gräben, Sand- und Tongruben aber auch Areale aus Acker- und Grünland sowie Waldflächen.
Dieses Gemeinschaftseigentum ist bis in unsere Zeit hinein erhalten geblieben und wurde
als Realgemeinde (heute Realverband) bezeichnet und verwaltet. Die Realgemeinde existiert in
Gartow bis heute.
Am 21. September 1908 gab sich die Realgemeinde ein Statut mit 13 Paragraphen, in denen der
Vorsitz, die Wahlen und die Geschäftsführung geregelt sind. Wichtig sind hier die Paragraphen
9 und 10: „Die gemeinschaftlichen Holzungen unterliegen außer den Rezeßbestimmungen hinsichtlich
des Forstbetriebes und der Benutzung der Aufsicht des Staates…“ (§ 9) sowie: „Die Realgemeinde
ist verpflichtet, die im Gemeindebezirke vorhandenen Wege, soweit sie nicht von der
politischen Gemeinde oder einzelnen Privatpersonen zu unterhalten sind, insbesondere also die
Koppelwege mit den dazu gehörigen Gräben, Sielen und Brücken sowie die Abzugsgräben nach
Maßgabe der Bestimmungen des Teilungs- und Verkoppelungsrezesses in ordnungsmäßigem Zustande
zu erhalten …“ (§ 10). Der Realgemeindeanteil war an das Eigentum der besitzenden Bürgerstellen
in Gartow gebunden. Beim Verkauf von Bürgerstellen ging der Realgemeindeanteil auf
den neuen Erwerber über.
Als das Statut 1908 errichtet wurde, waren folgende Realgemeindemitglieder bei der entscheidenden
Verhandlung, die Kreissekretär Beinhorn aus Lüchow führte, anwesend:
Holzhändler Christian Herbst, Ackerbürger Carl Schulze, Kaufmann August Schulze, Schmiedemeister
Adolf Bethge (zugleich als Vertreter der Waldowschen Erben und des Drechslermeisters
Köster), Schuhmachermeister August Meyer, Ackerbürger Adolf Bardien (zugleich als Vertreter des
Kaufmanns Dankert in Hamburg), Uhrmacher K. Horstmann, Schuhmachermeister W. Bennecke,
Zimmermann Heinrich Röhl, Stellmachermeister Heinrich Baark, Holzhändler Chr. Berdien, Ackerbürger
Karl Hahn und Schlossermeister R. Delius. W. Bennecke und H. Baark waren damals Realgemeindevorsteher.
Insgesamt 44 Bürger, je zur Hälfte Vollbürger und Halbbürger waren Mitglieder sowie Pfarre, Kantorat
und Pfarrwitwentum, auch das Hospital und Graf v. Bernstorff.
Graf v. Bernstorff (51,53 ha) und die Pfarre Gartow (43,44 ha) hielten den umfangreichsten Grundbesitz,
gefolgt von Emilie Wellmann (18,17 ha), Kaufmann August Schulze (14,37 ha) und Gastwirt
Andreas Krüger (14,28 ha).
Der Grundbesitz ist nicht zu verwechseln mit den Realgemeindeanteilen, die aus 19 Einzelflächen
mir rd. 37 ha Grundfläche bestanden, wobei das Hahnenberger Holz mit 14,12 ha die umfangreichste
Einzelfläche war. Mit mehr als jeweils 8 ha gehörten weitere Forstflächen im Hahnenberge
und das Helk-Moor dazu. Ebenso der Elsebusch, der alte Friedhof, drei Sandgruben, die Wiesen im
Seerig und Quotum, auch das Haselholz und diverse Acker- und Grünländereien.
Zu den Aufgaben der Realgemeinde gehörte die Aufsicht über den Gemeindeforst, auch die über
die zahlreichen Gräben in der Gemarkung. Im Januar 1896 wurde beschlossen, die jährliche Abgabe
von 12 Mark an die Stiftung zum Heiligen Geist ablösen zu lassen. Dafür mußte einmalig der
25fache Betrag gezahlt werden.
294
Die Realgemeinde hat „Dauernde Lasten und Einschränkungen des Eigentums“ zugunsten Dritter
eintragen lassen:
„Die obrigkeitlich bestätigte Schützengilde zu Gartow hat das Recht, auf diesen Grundstücken ihre
Versammlungen und Feste abzuhalten“. und „Dem Abdeckerei-Besitzer August Miethling steht für
seine Person und seine Besitznachfolger in der Abdeckerei das Recht zu, zu Reparaturen seiner
jetzt vorhandenen Gebäude und zum Neubau den Lehm zu benutzen. Falls er aber seine alten
Gebäude vergrößert oder die Zahl derselben vermehrt, so muß er den Mehrbedarf an Lehm von
seinen eigenen Grundstücken nehmen“.
Unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg wandte sich der Realgemeindevorstand (A. Bethge, Bennecke,
H. Baark) an den Grafen von Bernstorff, um seine Zustimmung für die Zurverfügungstellung
von Bauplätzen in Gartow zu erlangen. Damals herrschte nach Meinung der Realgemeinde „Wohnungsnot“
in Gartow. Im April 1919 war bereits bekannt, daß eine Autopostverbindung Dannenberg-Gartow
in Planung war. Für den Busfahrer sollte ein Wohnhaus und für den Omnibus eine
Halle errichtet werden. Als geeignete Stelle war das Grundstück „Unter den Eichen“ vorgesehen.
Der Graf wurde gebeten, das Grundstück zu verkaufen und die dortigen Eichen beseitigen zu lassen.
21
Auflösung des Gutsbezirkes Gartow
Schon 1919 bestand die Möglichkeit, eine Gutsgemeinde freiwillig aufzulösen. Damals wurde
protokolliert: „…Durch die in Aussicht genommene Beseitigung derjenigen Gutsbezirke, welche
die gesetzlichen Voraussetzungen zur Auflösung nach bisherigem Rechte nicht vorliegen, werden
die gesamten öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des platten Landes eine tiefgreifende Umgestaltung
erfahren, sie bedarf also vor ihrer Durchführung sorgfältiger Vorbereitung… Zu prüfen ist
bei jedem einzelnen Gutsbezirk, ob er zweckmäßig durch Umwandlung in eine Landgemeinde
als Kommunalbezirk zu erhalten ist oder aber, ob und in welcher Weise er ganz oder teilweise
mit anderen Gemeinden zu vereinigen ist. Die Interessen der Beteiligten werden dabei tunlichst
miteinander auszugleichen sein, weswegen ihnen selbstverständlich Gelegenheit zur Äußerung
zu geben ist. Die Herstellung möglichst leistungsfähiger Gemeindebezirke ist dabei überall anzustreben…“
(Berlin, 30. April 1919). Damals wies der Gutsbezirk Gartow eine Fläche von 6 250 ha
(!) mit 230 Einwohnern auf. Er verzeichnete folgende Steuereinkünfte: 11 112 Mark Einkommen-,
4 305 Mark Grund-, 189 Mark Gebäude- und 8 Mark Gewerbesteueraufkommen. Das waren 15
614 Mark Einnahmen, denen folgende Ausgaben gegenüber standen: Kreissteuern 10 000 Mark,
Schulunterhaltung 4000 Mark, Gemeindevorsteher 500 Mark, Wegebesserungen 500 Mark und
Verschiedenes 600 Mark, je Jahr.
1920: Kraftfahrlinie Gartow - Lüchow
295
Ehemalige Gemarkung von Gartow
1773: Gartow mit südwestlichen Flächen, gezeichnet von Breckenfelder
296
Erst 1927 wurden die Bestrebungen zur Auflösung der Gutsbezirke konkreter und dringlicher. Es
mußten nun statistische Nachweise zur Leistungsfähigkeit dieser kleinen Verwaltungseinheiten
beigebracht werden. Nach dem Stand vom 20. September 1928 ergab sich folgendes Bild: Gebietsumfang
= 6 455 ha, davon 393 ha Ackerland, 807 ha Wiesen und Weiden, 4 846 ha Wald
und 409 ha Sonstiges (Unland, Wege, Gräben usw.). Die Einwohnerzahl wurde mit 225 angegeben,
der Grundsteuer-Reinertrag mit 15 000 Thalern.
Vor der Auflösung des Gutsbezirkes Gartow verfügte der Flecken Gartow nur über einen geringen
Flächenumfang unmittelbar um die Ortslage herum. Da der zuvor eigenständige Gutsbezirk dem
Flecken angegliedert wurde, ergab sich anschließend eine große Ausdehnung der Gartower Gemarkungsfläche,
zu der auch die umfangreichen Quarnstedter Flächen bis zur Elbe gehörten. Im
Amtsblatt der Regierung Lüneburg vom 17. September 1929, S. 188 ist zu lesen:
„Das Preußische Staatsministerium hat mit Wirkung vom 30. September 1929 beschlossen, daß
von dem Gutsbezirk Gartow ca. 1 287 ha in die Gemeinde Gartow Flecken und ca. 15 ha in die
Gemeinde Prezelle eingegliedert werden. Der restliche Teil des Gutsbezirkes in Größe von 5 153
ha bleibt als Gutsbezirk Gartow Forst bestehen…“
Die Gutsbesitzer in Preußen waren von der Reform nicht sonderlich erbaut und lehnten diese
mehrheitlich ab. Zu Weihnachten 1927 ließ der Landesverband preußischer Waldbesitzer in Berlin
u.a. verlauten: „Nachdem es sich als nicht möglich erwiesen hatte, den Entwurf einer neuen Landgemeindeordnung
zu verabschieden, haben die Regierungsparteien als Ersatz einen „Gesetzentwurf
über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechtes“ angenommen.
Der Staatsrat hat am 15. Dezember 1927 der Vorlage zugestimmt, so daß die im Entwurf enthaltenen
Bestimmungen über die Auflösung der Gutsbezirke damit Gesetzeskraft erlangt haben….Die
jetzt vorgesehene Regelung ist eine nahezu schematische und durch politische Gesichtspunkte
maßgeblich beeinflusst….Die zuständigen Instanzen arbeiten mit Hochdruck daran, die Auflösung
so schnell irgend möglich durchzuführen. Die vorgesehenen Fristen sind außerordentlich kurz…“
Graf v. Bernstorff wies am 31. Dezember 1927 in einem Schreiben an den Lüchower Landrat auf
eine frühere Verfügung der Landdrostei Lüneburg vom 11. September 1849 hin, nach der „die
Verbindung eines Landguts mit der städtischen Commune Gartow, der Verschiedenartigkeit der
Verhältnisse wegen“ als nicht zweckmäßig erachtet wurde. Daher legte Graf v. Bernstorff am 18.
Januar 1928 „in schärfster Weise Einspruch“ ein und „beantrage die Belassung des bisherigen
Gutsbezirkes als einen Unterbezirk zur abgesonderten Anlegung und Unterhaltung von Gemeindewegen“.
Offizielles Schild
„Gutsvorsteher“
17.9.1929: Amtliche Bekanntmachung zur Eingemeindung von Teilen des
Gutsbezirkes Gartow in den Flecken Gartow und in die Gemeinde Prezelle
297
Aufgrund von Finanznöten im Deutschen Reich und zur Vereinfachung der Verwaltung ordnete die
damalige Staatsregierung mit dem „Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts“
vom 27. Dezember 1927 die Auflösung der bis dahin bestehenden 11894
Gutsbezirke an. Übrig blieben zum Stichtag 1. August 1930 nur noch 275 Gutsbezirke, die meisten
davon Forstgutsbezirke, wie z.B. der Forst Gartow. 22/23/24/25
Immer deutlicher zeichneten sich Lösungen für die neue Ordnung ab, wie im März 1928:
„… Je nach dem Grade der Dringlichkeit ist festzulegen, ob die neue Landgemeinde die Wege
innerhalb 5, 15 oder 20 Jahren nach der Bildung der neuen Landgemeinde unter Aufsicht des
Kreisausschusses auszubauen hat. Die Bäume und die Grasnutzung auf sämtlichen Gemeindewegen
verbleibt wie bisher dem Anlieger, während die neue Landgemeinde für die Unterhaltung
zu sorgen hat. Die neue Landgemeinde hat sich zu verpflichten, die Wohnhäuser sowie sonstige
Gebäude auf Anforderung an die elektrische Überlandzentrale anzuschließen … Soweit erforderlich,
Abmachungen wegen Übernahme der bisherigen Gutsschule durch die neue Landgemeinde“.
Die Forstgutsbezirke blieben jedoch erhalten.
Ein neuerlicher Protest des Grafen am 27. Februar 1928 konnte die Auflösung des Gutsbezirkes
Gartow jedoch nicht verhindern. Am 8. Oktober 1928 machte das Landratsamt Lüchow die Vereinigung
bzw. Zusammenlegung von 10 bisherigen Gutsbezirken im Kreis Lüchow öffentlich bekannt.
Der Landesverband Preußischer Waldbesitzer versuchte noch am 26. Oktober 1928 wenigstens
den Forstgutsbezirk Gartow als selbstständige Einheit zu erhalten, was dann auch gelang. Der
Gutsbezirk Gartow wurde von 1885 - 1900 vom gräfl. Privatsekretär Brüggemann, von 1900 -
1919 vom gräfl. Rechnungsführer Rudolf Kleine und von 1919 - 1928 vom gräfl. Sekretär Emanuel
Beck (gest. 9.7.1928) geleitet. 26
Der Forstgutsbezirk Gartow besteht heute noch als Gemeindefreies Gebiet, wobei die Siedlungen
Rondel, Falkenmoor und Rucksmoor zur Gemeinde Gartow und Wirl zur Gemeinde Prezelle gehören.
Die Hauptstrasse 1895, 1900 und 2009 (Hs. Nr. 22, 24)
298
Quellen und Literatur
1. D 8 Nr. 1 „Acta betr. die Bestellung des Bürgermeisters, Rathmänner und Kirchenjuraten im
Flecken Gartow … 1697 - 1753“
2. Gesetz, die Landgemeinden betreffend, von 28. April 1859 nebst Bekanntmachung des
Königl. Ministeriums des Innern,die Regelung der Verhältnisse der Landgemeinden betr.
vom 28. April 1859
3. Behne: „Aus dem Ratsbuch von Gartow“ in: Heimatbote Gartow März - Mai 1931
4. wie vor, G 8 Nr. 29
5. G 8 Nr. 29 „Statuarische Bestimmungen über die Vertheilung der Abgaben, das Stimmrecht
und die Bildung eines Gemeindeausschusses im Flecken Gartow“
6. G 8 Nr. 25 „Gartower Bürgerrechnung 1829“
7. D 8 Nr. 1 „Neben Acta betr. von dem Gebrauch des Raths-Siegels von 1672 - 1730“
8. G 18 Nr. 10 „Den mit der Gartower Bürgerschaft abgeschlossenen Rezeß wegen Aufhebung
der ihr in den Forsten des Hauses Gartow zuständig gewesenen servitutischen und sonstigen
Berechtigungen 1848 ff.“
9. Einnahme-Belege zum Geldregister 1832/33
10. G 7 Nr. 19 „Acta Grundsteuer-Verhältnisse der Gutsgemeinde Gartow 1855 - 1865“
11. D 8 Nr. 1 „ Acta betr. von dem Gebrauch des Raths-Siegels von 1672 - 1730“
12. G 8 Nr. 20 „Die Ausführung des Gesetzes über die Amtsvertretung betr. 1859“
13. G 8 Nr. 9 „Acta die Aufhebung der Exemtionen und der Anschluß der Güter an die Gemeinden
betr. 1848 - 1855“
14. G 8 Nr. 11 „Acta betr. die Heranziehung der bisher Befreiten zu den Hoheitsdiensten
1848 - 1875“
15. G 8 Nr. 18 „Diverse Gutsangelegenheiten 1856 - 1869“
16. G 8 Nr. 18 „Diverse Gutsangelegenheiten 1856 - 1869“
17. G 8 Nr. 14 „Acta betr. die Gutsgemeinde Gartow 1850 - 1874“
18. G 8 Nr. 29 „Acte betr. das Beitragsverhältnis und das Stimmrecht in der Gemeinde Gartow-
Flecken 1881 - 1923“
19. G 13 Nr. 3 „Varia betr. Streitigkeiten über Hud und Weide-Sachen in Gartow 1816 - 1818“
20. G 14 Nr. 1 „Grenzfeststellungen mit der Gemeinde Holtorf 1870, Brünkendorf 1870, Kapern,
Gummern, Schnackenburg und der Gutsfeldmark 1871“
21. G 8 Nr. 29 „Acta betr. das Beitragsverhältnis und das Stimmrecht in der Gemeinde Gartow-
Flecken 1881 - 1928“
22. /
23. /
24. /
25. Preuß.Gesetzsammlung 1927, S. 211, § 11 (1), Syndikus Steinberg: „Die Auflösung der
Gutsbezirke, ihre Auswirkungen insbesondere die Auseinandersetzung“, Landgemeindeverlag
Berlin 1928 Wagener, Frido: „Neubau der Verwaltung“, 2. Aufl., Berlin 1969, S. 99 - 113
– Schriften der Hochschule Speyer, Bd. 41
26. G 8 Nr. 36 „Auflösung des Gutsbezirks Gartow 1927 - 1933“, Conze, Eckhard: „Von deutschem
Adel. Die Grafen von Bernstorff im 20. Jahrhundert“, DVA Stuttgart/München 2000,
S. 90 - 93
299
Gartows Entwicklung von 1853 - 1971
Lokalhistorische Begebenheiten im Raum Gartow von 1853 - 1930
Elektrifizierung
Gemäß einem Beschluß des Kreises Lüchow von 1919 wurde im Kreisgebiet eine Überlandleitung
für die Stromversorgung gebaut. Das Verteilernetz und die Anlagen sind in Gemeinschaftsarbeit
von den Elektro-Großfirmen Pöge, Bergmann und Brown-Boveri hergestellt worden.
In Gartow jedoch war man dieser Entwicklung aber schon etwas voraus, wie Dipl.-Ing. Rolf Oppermann
aus Wernigerode in einem Schreiben vom September 2006 an die Samtgemeinde Gartow
mitgeteilt hat:
„Der spätere Elektromstr.-Ing. Karl Oppermann aus Nöschenrode Kreis Wernigerode hat beim Ingenieur
Otto Leopold vom 1.4.1912 bis 30.9.1915 gelernt, in Wernigerode die Fortbildungsschule
vom 18.4.1912 bis 24.3.1915 besucht und erhielt den Lehrbrief als Maschinenschlosser.
Vom 13. Oktober 1915 bis 13. Januar 1916 war er bei der Elektrofirma Ernst und Heine in der Westernstrasse
in Wernigerode tätig. Dann wechselte er zur Halberstädter Elektrizitätsgesellschaft
Schneising & Co. in deren „Bauabteilung Salzwedel“. Unter dem Ingenieur Hellmann hat er für den
Sägewerksbesitzer W. Werth in Gartow einen Dynamo eingebaut, ein Ortsnetz errichtet und mehrere
Hausinstallationen ausgeführt weil es infolge der englischen Blockade kein Petroleum mehr
gab und Strom für die Beleuchtung oder auch für das elektrische Plätteisen nötig war.
Karl Oppermann wohnte in Krügers Hotel, wo ihn Graf Bernstorff besuchte, der ganz energisch
versuchte, an das Ortsnetz angeschlossen zu werden. Es fiel schwer, dem Grafen klar zu machen,
dass bei 110 V Gleichstrom über eine 4 km lange Freileitung keine nennenswerte Leistung übertragen
werden kann. 1956 fuhr ich meinen Vater Karl nach Gartow. Er zeigte mir den Weg zum
Gutshof und ich bestätigte ihm, dass der 18-jährige Jungmonteur mehr von Elektrizität verstanden
hatte als der energische Graf.
Am 6.10.1916 wurde über das Ortsnetz das Aufmaß gefertigt und am 11.11.1916 erhielt mein
Vater über seine Firma den Stellungsbefehl und am 14.11.1916 das Zeugnis.
Am 21.1.1919 bestätigt ihm „Mit Gruß“ Ingenieur Hellmann von der Bauabteilung Salzwedel von
Schneising & Co. in einem Schreiben, dass er die Arbeit jederzeit wieder aufnehmen könne. Das
Schreiben war an den Gefreiten Carl Oppermann, Nachr. Ersatzabt. 16, 1. Demobilisierungskompanie
Kelbra-Kyffhäuser gerichtet.
Am 15.4.1919 bescheinigt ihm Herr Hellmann auf einem Briefbogen von Schneising & Co., dass
er vom 25.2.1916 bis 15.11.1919 als Elektromonteur beschäftigt, und in der Zwischenzeit im
Felde als Telegrafist in einer Fernsprechabteilung eingezogen gewesen war. Der gleiche Ingenieur
Hellmann unterschrieb dann auf einem Briefbogen der „Wendischen Elektrizitätsgesellschaft Hellmann
& Friedrich“ in Salzwedel, dass Karl Oppermann vom 21. Mai 1919 bis 1. Sept. 1919 mit
Schwachstromprojekten und Revisionszeichnungen beschäftigt worden war.
Vom 1.4.1920 bis 31.12.1923 arbeitete Karl Oppermann bei den Hirschkupferwerken in Ilsenburg.
Er war dort mit dem Um- und Ausbau des gesamten Schwachstromnetzes beschäftigt. Nach
dem Konkurs der Hirschkupferwerke war er bei der Fa. Wilhelm Bäcker, Burgstrasse 46 in Ilsenburg
mit der Projektierung und Ausführung von Licht und Kraftanlagen beauftragt. In dieser Eigen-
300
schaft hat er das Ortsnetz des Dorfes Abbenrode im Laufe des Jahres 1924 geplant und errichtet.
Anschließend besuchte er den ersten Meisterkursus für Elektroinstallationsmeister und bestand
am 15.12.1925 die erste Meisterprüfung für Elektroinstallateure der Handwerkkammer Magdeburg,
seit 1929 war er Meisterbeisitzer.
Nach 10-jähriger aktiver Meistertätigkeit wurde er 1935 vom VDI zum Ingenieur berufen. Im September
1939 einberufen wurde er bald Oberfunkmeister des Beurlaubtenstandes auf dem Truppenübungsplatz
in Altengrabow. Von dort zur Heeresnachrichtenschule in Glatz: Die Prüfung zum
Techn.Inspektor (N) kam dem Ingenieurexamen an einer staatlichen Ingenieurschule gleich. Seit
1947 wieder in Wernigerode wurde er 1965, nach 17-jähriger Mitgliedschaft in der Kammer der
Technik für seinen uneigennützigen Einsatz geehrt. Seine Beiträge zur Gestaltung von Strasse und
Ortsnetz von Wernigerode sind bei der KdT Kammer der Technik archiviert.
Er starb 1974, 2 Tage nach seinem 76. Geburtstag in Wernigerode.“
Mit dem in der Sägerei Werth produzierten Strom wurden die Werth`schen Betriebsgebäude und
ein Teil der Ortschaft Gartow beliefert.
Im Juni/Juli 1920 ist in Gartow durch die BBC mit dem Ausbau des Ortsnetzes begonnen worden,
wozu sich eine Genossenschaft zur Aufbringung der Kosten bildete. Damals sind auch die umliegenden
Ortschaften bis nach Schnackenburg mit Ortsnetzen versehen worden.
Durch die Elektrizifizierung wurden Begehrlichkeiten auch in der Altmark geweckt: Bömenzien,
Drösede, Gollenstorf, Deutsch, Kl. und Gr. Aulosen, Gut Aulosen, Wanzer sowie Dorf und Gut Pollitz
und Gut Scharpenhufe bildeten eine Genossenschaft mit dem Ziel, sich an die E-Versorgung des
Kreises Lüchow anzuschließen. Im Kreis Osterburg bildete sich die „Lichtgenossenschaft Nordaltmark
eGmbH“.
Gänzlich unbekannt war die Stromversorgung im Kreisgebiet jedoch nicht, denn in Lüchow existierte
das schon 1905 gegründete „Lüchower Elektrizitäts-Büro“ von Ing. Otto Meier in der Kalandstr.
5 in Lüchow.
Um 1920 gab es mehrere E-Installationsbetriebe, so das Ingenieurbüro Rennwanz aus Stendal,
welches in Gartow ein Baubüro unterhielt, wie die BBC ein solches in Wustrow betrieb. In Lüchow
hat die Firma C. Tribiahn, Karl-Schulz-Str. 4 und das „Technische Büro elektrischer Anlagen“ Theo
Kubiak, Drawehner Str. 5, elektrische Licht- und Kraftanlagen installiert. Ferner war das „Elektrotechnische
Installations-Büro“ Hans Rohde aus Salzwedel, Schäferstegel 49, von der Überlandzentrale
Lüchow zum Bau von Elektroanlagen konzessioniert.
In Lüchow gab es bereits vor 1920 ein städtisches Elektrizitäts-Werk. Im Februar 1920 hatte der
Kreistag wegen Errichtung einer GmbH zur Erzeugung und Abgabe von elektrischem Strom Beschlüsse
gefaßt, die auch den Verkauf des städtischen E-Werkes an der Seerauer Straße an das
Kraftwerk Lüchow GmbH. regelten. Stadt und Landkreis zahlten jeweils 100000 Mark Geschäftsanteile
und waren somit am Gewinn zu gleichen Teilen berechtigt. Die Stadt Lüchow erhielt für das
E-Werk 600000 Mark und gab es am 1. April 1920 ab. Der Kreisausschuß bestimmte ferner, daß
die Kosten für die Hausanschlüsse bei elektrischen Zuleitungen künftig von den Hausbesitzern
zu tragen sind. Die überregionale Elektrizitätsversorgung wurde 1920 auch im Kreis Dannenberg
301
fortgesetzt. Für ihren Aufbau ist eine Anleihe über 4,5 Mio. Mark zu 4,5% Zinsfuß bei der Landesbank
Hannover aufgenommen worden; eine zweite Anleihe in Höhe von 2,5 Mio. DM folgte bald.
Die Ingenieure Dr. Ludwig und Dr. Gieseking, bauten die E-Versorgung als Techn. Leiter maßgeblich
auf.
Im Vorgriff auf eine vollflächige Versorgung
hatte die Überlandzentrale Lüchow 1920 einen
günstigen Liefervertrag über 3,5 und 7,5
PS-Motoren für die Landwirtschaft abgeschlossen.
Die Motoren mit Kupferwicklung und Anlasser
sollten rechtzeitig zur Dreschperiode zur
Verfügung stehen. Im März 1920 wurde mit
dem Bau der Überlandzentrale der Kraftwerk
Lüchow GmbH neben dem bestehenden städtischen
E-Werk begonnen. Mit zwei gebrauchten
Krupp`schen Schiffsdieseln von je 800 PS
und entsprechenden Drehstromgeneratoren
kam die Eigenerzeugung mit einer Spannung
von 3000 Volt in Betrieb. Die Überlandverteilung
erfolgte mit einem Hochspannungsnetz
von 15000 Volt. Der Strombedarf für das mit
Gleichstrom betriebene Ortsnetz Lüchow wurde
durch eine Gleichrichteranlage sichergestellt.
Um 1903: Elektrische Kücheneinrichtung
Im Juli1922 waren im Kreis Lüchow etwa 230 km Hochspannungsleitungen fertiggestellt. Von den
188 Gemeinden und Gutsbezirken im Kreis Lüchow hatten 162 einen E-Anschluß. Die meisten
Ortsnetze waren soweit fertig ausgebaut, dass es notwendig wurde, Transformatorenhäuschen
errichten zu lassen. Gebaut wurden 78 gemauerte Transformatorenhäuschen, deren Mauersteine
aus der Ziegelei Güstritz stammten sowie Mast-Trafostationen mit einer Gesamt-Transformatorenleistung
von rd. 2 000 PS. Als Hausinstallationen waren 3 588 Anlagen mit 23 000 Glühlampen
und 424 E-Motoren ausgeführt. Kosten: 35 Mio. Mark .
Der Strom war damals recht teuer: Ein Kilowatt Lichtstrom kostete 4 Mark, ein Kilowatt Kraftstrom
zwei Mark. Auswärtige zahlten für beide Stromarten gemeinschaftlich drei Mark. Lichtstrom war
eigentlich ein Luxusartikel.
Als 1926 durch Überlastung der beiden Schiffsdiesel Kurbelwellenbrüche entstanden, mußte
über einen Fremdstrombezug nachgedacht werden. Man knüpfte an eine bereits bestehende
Hochspannungsleitung von 60 000 Volt vom Wasserkraftwerk Oldau bei Celle an und verlängerte
diese 1926 von Uelzen bis Lüchow.
Der lückenlose Ausbau der Niederspannungsnetze scheiterte am Kapitalmangel der Überlandzentrale
infolge der fortschreitenden Inflation. Daher schritten die Gemeinden zur Selbsthilfe, indem
sich im Kreis Lüchow Elektrizitäts-Genossenschaften bildeten.
1930 ist die Überlandzentrale Lüchow für 531 000 Reichsmark an die Hastra (Hannover-Braunschweigische
Stromversorgungs-AG) verkauft worden, wobei die Anlagen des ehem. Zweckverbandes
einen geschätzten Wert von 300 000 RM darstellten.
302
Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde kein Strom mehr über die alte, baufällig gewordene Hochspannungsleitung
Oldau-Uelzen-Lüchow geleitet. Im Sommer 1956 erfolgte der Bau einer neuen
60000 Volt-Hochspannungsleitung auf 45 km Länge von Lüneburg-Rettmer nach Dragahn. Bauherr
war die Preußen-Elektra Hannover, die Bauausführung besorgte die Starkstrom-Anlagen AG,
Bauabteilung Gifhorn.
Bereits vor dem 2. Weltkrieg kam die Stromverteilung in den Umspannwerken Lüchow und Sarchem
(1938/39) von 60 000 Volt auf 15 000 Volt zur Ausführung. In den Jahren 1949/50 wurde
die, als zweite Sicherheit, von Lüneburg kommende 30 000 Volt-Leitung vom Nordteil des Landkreises
bis nach Lüchow fortgesetzt.
21.9.1928: Bekanntmachung der Überlandzentrale Lüchow-Dannenberg zu Stromtarifen
303
1935:Kostenanschlag von Elektromeister Alfred Thier, Gartow
Gartow 1900 - 1930: Aus der Sicht von Wilhelm Tege
Eine lebendige Schilderung von Ereignissen und Vorgängen ist Wilhelm Tege aus Gartow zu verdanken,
der in einer Artikelserie im Gartower Heimatboten aus eigenem Erleben und aus seiner
Sicht viel Lokalhistorisches und somit Wissenswertes veröffentlicht hat. „Wie hat sich Gartow von
1900 bis 1970 verändert?“ „Wer waren die führenden Männer in diesen Jahren?“ „Wie war der
Verkehr?“ „Wie war die Schule?“ „Und wie lebte es sich hier bei uns?“
Ich werde versuchen dies alles in einigen Folgeberichten zu schildern.
304
I. Folge 1900 - 1905
Bürgermeister war damals Adolf Bardien, Vollbürger, Schlachtermeister und Landwirt. Die Landwirtschaft
besorgte sein Stiefvater namens Wede. Als dieser starb, gab Bardien die Schlachterei
und die Landwirtschaft auf. Er wurde Sparkassenrendant der Dannenberger Kreissparkasse in
Gartow. Bardien war ein großer, grober Mann. Er war nur zu sprechen, wenn einer Geld brachte.
Wer Geld holen wollte, den fertigte er kurzerhand oben an seiner Treppe ab. Doch hatte er auch
einen Gegner.
Es war die Spar- und Darlehnskasse, welche von einem Mann namens Scharnhorst geleitet wurde.
Das war ein sehr freundlicher Mensch und hatte dadurch einen sehr guten Zuspruch. Bürgermeister
Bardien lebte in seinem Grundstück Hauptstr. 35, dem heutigen Wendig-Huss`schen Hause
Hauptstr. Nr. 12. Die Hausbank des langbärtigen alten Bürgermeisters, auf der er in späteren
Jahren oft mit seinem bestickten Käppchen und seiner bis zur Erde reichenden Tabakspfeife zu
sehen war, überlebte noch den II. Weltkrieg.
Dann hatten wir hier eine dreiklassige Bürgerschule und daneben die Gutsschule. Die Gutsschule
hatte etwa 30 Schüler, die Bürgerschule etwa 70/75 Schüler. Lehrer der Bürgerschule war über
Jahrzehnte unser Kantor Thölke. Er betrieb nebenbei auch noch eine Landwirtschaft. An der Gutsschule
amtierte damals ein Lehrer Schulz, der jedoch wenig populär war. Unser Verkehr war auch
geregelt. Der Fuhrmann Ohnesorge fuhr jede Woche nach Lüchow, wenn es not tat auch alle 14
Tage zweimal in der Woche, und holte die Fracht ab. Zu diesen Touren fuhr er in der Morgenfrühe
zwischen 2 und 3 Uhr los und kam erst in der folgenden Nacht wieder zurück. Bei der hiesigen
Post waren damals 8 bis 9 Landzusteller beschäftigt, die alle umliegenden Dörfer zu Fuß mit
Post versorgen mußten. Bis nach Prezelle-Wirl, über die Bergdörfer und bis nach Gorleben-Laase
marschierten diese Männer täglich mit den Postsachen, ganz gleich welche Witterung herrschte.
Nach Dannenberg fuhr die „Kleinpost“ mit einem Pferd bespannt, jedoch nur bis Laase, wo dann
die Umspannung erfolgte. Diese „Kleinpost“ fuhr morgens um 07.00 Uhr hier ab, sie nahm auch
Passagiere mit. Erst abends gegen 6 Uhr kam sie hier wieder an.
Nach Lüchow fuhr die „Hauptpost“ ebenfalls gegen 7 Uhr morgens ab und kam ebenfalls abends
gegen 6 Uhr wieder an. Dann fuhr dieser Wagen aber noch weiter nach Schnackenburg und kam
von dort am nächsten Tage zu 7 Uhr früh wieder zurück. Um 10.00 Uhr kam ein Briefpostwagen
von Lüchow, spannte bei Krug (heutiges Bürgermeisteramt) aus, futterte ab und fuhr am Nachmittag
gegen 3 Uhr wieder nach Lüchow zurück.
Kaufleute hatten wir reichlich genug. An der Spitze Heinrich Schulz (heute Hecht´s Lokal). Er hatte
das größte Geschäft und belieferte auch die Krämer in den umliegenden Dörfern. Dann kam der
Färber Albrecht, der daneben auch noch eine Landwirtschaft betrieb auf dem Grundstück Hauptstraße
8 (heute Nr. 11/Dr. Neuschulz).
Beyers (heutige Brückenschänke) waren gleichzeitig Gastwirte, Bäcker, Kaufleute und dazu auch
noch Landwirte. Gastwirte damals: Heinrich Schulz (Hecht), Köhns Gasthaus, Krügers Hotel (Dt.
Haus) und Anton Krug sowie Beyers. Unsere Feuerwehr mit Brandmeister Carl Appelt an der Spitze
war sehr auf der Höhe.
Ein Jahr hatte die Hauptstraße, im anderen Jahr die Springstraße mit der Handspritze zu üben. Mit
der Handspritze waren wir noch bis 1920 tätig. Wir haben mit dieser auch noch den großen Brand
1920 im nachbarlichen Holtorf bekämpft, und auch viele andere Brände in Gartow und Umgebung
mit ihr gelöscht.
305
Gastwirtschaft Aug. Schulze/Otto Behnke
Um 1895: Blick in die Hauptstrasse
In der Umgebung gab es auch viel Neues damals. Das erste Fahrrad kam 1902 nach Prezelle.
Ein Järnecke, der in Berlin Soldat war, brachte es mit. Und auch eine Haarschneidemaschine kam
durch ihn nach Prezelle. Der erste Getreide-Selbstbinder kam 1903 nach Restorf, zu dem Bauer
Fritz Ernst (jetzt Hof Roost). Ich höre es heute noch, wie ein alter Bauer sagte: Na, Fritz, in 50
Jahren ist auch der Sack mit dran; dann ist das Korn im Sack und du brauchst ihn nur noch zuzubinden.
Den Alten deckt lange der Rasen und Korn kam schon 1940 auf den Schulenburgschen
Betrieben aus der Mähmaschine in die Säcke. Eines war besser als heute:
Es war eine ruhigere Zeit. Alle hatten Arbeit, lebten zufrieden und bescheiden, obwohl alle große
Familien hatten. Der Verdienst war nicht groß. Ein Arbeiter bekam je Tag zwei Mark bei 10/11
stündiger Arbeitszeit. Die Gesellen bekamen 2,50/2,75 Mark.
Wenn alles gut geht und gesund bleibt, lasse ich die Fortsetzung bald folgen.
II. Folge 1905 - 1910
Kirchlich wurden wir damals von Superindenten Seevers betreut. Die Gemeinde hatte mit diesem
ein sehr gutes Verhältnis. Er war ein sehr großer starker Mann, ein guter Prediger und hatte eine
sehr schöne Stimme, sein Gesang war herrlich und erfüllte die Kirche. Pastor Seevers hatte 3
Kinder. Der älteste Sohn wurde Baumeister und baute später die Heizung in die Kirche ein. Die
Tochter heiratete einen Superintendenten Meier in Lüneburg. Der jüngste Sohn Paul war als Soldat
Marine-Offizier auf einem U-Boot und wurde bei der Versenkung seines U-Bootes allein von der
ganzen Besatzung nicht gerettet.
An Schlachtereien hatten wir damals drei, die von Schramm, von Bosse und von Köhn (heute Werner
Schultz). Dazu kamen vier Bäcker: Lauxmann, Suhr, Honig und Konditor Meyer. Also ließ es
sich schon leben. Auch sonst gab es Arbeit genug. Es waren 2 Schmiedewerkstätten vorhanden:
Otto Kropp hatte 2 Gesellen und einen Lehrling in der gräfl. Schmiede am Schäferkamp. Er hatte
die sehr umfangreichen Arbeiten für das Schloß und das Gut zu verrichten.
Schmiedemeister Bethge arbeitete mit seinem Sohn August und einem Lehrling. Auch er hatte seine
volle Beschäftigung. Auch 3 Stellmacher hatten wir damals. Meister Baark arbeitete mit seinem
Sohn Heinrich. Von den Stellmachern Carl Schaal und Theodor Schaal, war Theodor gleichzeitig
noch Fleischbeschauer.
306
Wir kannten aber auch unser Vergnügen zu damaliger Zeit. Der Kriegerverein, wurde von Kaufmann
August Schulz geleitet. Dieser war ehemaliger Goslarer Jäger, was ihn mit sehr viel Stolz erfüllte.
Dazu gehörte auch der Oberförster Pabst, der Nachfolger vom Oberförster Carl Junack, ein
großer, schneidiger Mann. Als großer Patriot hielt er zu Kaisers Geburtstag und anderen Anlässen
ganz wichtige Reden. Er sprach meist vom „Erbfeind“ und „Deutschland über alles“. Wir erlebten
es dann ja auch bald.
Aber alles wurde doch durch die Schützengilde in den Schatten gestellt. Die Musik zum Schützenfest
– 12 Mann stark – kam von Arendsee. Das Fest des Jahres war immer sehr gut besucht.
Es war immer ein richtiges Volksfest, weil jung und alt mitmachte. Mitglied der Gilde konnten nur
Hausbesitzer und selbständige Handwerker werden bzw. deren über 21-jährigen unverheirateten
Söhne. Aber mit den vielen Gästen waren es immer sehr vergnügungsreiche Tage. Die Schützenkönige
von 1900 - 1914 die jährlich zu regieren hatten waren:
1900/Th. Hörnig, 1901 E. Ohnesorge, 1902/H. Baark, 1903/Wi. Schulz (Tischler), 1904/R. Delius,
1905/Ad. Bardien, 1906/H. Meyer, 1907/Kuno Johns, 1908/Karl Horstmann sen., 1909/C.F.
Behrens (Molker), 1910/W. Bennecke, 1911/J. Schenk, 1912/Ad. Bethge, 1913/W. Teege und
1914/O. Seeger. Diese deckt alle schon der Rasen.
Auch die Sedan-Feier (2.9.) wurde immer zu einem schönen Fest. Wir Kinder hatten schulfrei dazu.
Der Kriegerverein marschierte jeweils voran. Die Krieger von 70/71 mit den Orden und Gedenkmünzen
des Feldzuges (Sedan, Gravelot, Vionville usw.) an der Spitze des Zuges mit viel Musik.
Der Kommandant August Schulz hielt die Festrede, die mit einem Hoch auf den Kaiser und auf die
Verdienste der Veteranen die Feier abschloß. Wir Jungens aber waren stets um die Veteranen herum,
versuchten die Worte auf den Orden und Münzen zu entziffern und uns von den Helden etwas
erzählen zu lassen. Wir ahnten noch nicht, daß viele von uns in einigen Jahren nicht mehr leben
würden. Der Kriegerverein und die Veteranen hatten aber auch einen besonders harten Gegner.
Die Hauptstrasse im Mittelpunkt vieler Festumzüge
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Das war der Sattler Karl Spohn (Bruder von Hannes Spohn). Karl Spohn war stolzer Welfe,der mit
den Preußen nichts zu tun haben wollte, sie missachtete und sie bekämpfte, wo er es nur konnte.
Dann kam noch im Herbst der große Markt dazu, der immer sehr interessant war. Die vielen Buden
aus Salzwedel, Lüchow und anderen Orten, in denen alles mögliche angeboten wurde. Besonders
auffallend war damals das Angebot der verschiedenen Kohlarten durch die hochbeladenen Kohlwagen
aus Kolborn und den sonstigen Kohldörfern. Wer hat damals bloß den vielen Kohl gegessen?
Die Kohlbauern waren am Abend meist so sehr betrunken, daß sie kaum noch Geld übrig
hatten und die Pferde den Weg nach Hause allein finden mußten.
Aber auch die Technik meldete sich in Gartow an. Der Zimmermeister August Herbst fuhr hier das
erste Motorrad und hatte den Führerschein Nr. 1 in unserem Kreis Lüchow.
Das Geschäft von Meister Herbst war nur ein Zimmereibetrieb. Die Sägerei folgte erst später. Die
Zimmerei war aber außerordentlich umfangreich und erstreckte sich bis weit in die Altmark und
in die sonstige Umgebung von Gartow hinein. Auch Großbauten, wie die „Chemische“-Fabrik in
Salzwedel (Neukranz) und das „Waldfrieden“-Hotel wurden von der Firma Herbst erbaut. In Hitzacker
hauptsächlich baute die Firma damals in Eichenfachwerk. Das hierzu benötigte Eichenholz
kam zum größten Teil per Kahn aus Ostpreußen und z.T. auch aus Polen. Es war ein sehr gutes,
mildes Eichenholz. Den ganzen Winter hindurch wurde vorgearbeitet, damit ab März die Bauten
gerichtet werden konnten. In einer Woche wurden oftmals drei solcher Bauten von uns gerichtet.
So waren damals 35 - 40 Zimmerleute bei der Fa. August Herbst beschäftigt. Das war eine gute
Verdienstquelle für die Zimmerleute, die bei einem Stundenlohn von 30 Pfg. in 10-stündiger Arbeitszeit
gutes Geld verdienten. Mehr war auch in Lüchow und Dannenberg nicht zu verdienen.
August Herbst war ein kluger Mann. Mit seinem Grundsatzwort: „Große Männer sehen über Kleinigkeiten
hinweg“ imponierte er nicht nur seinen Leuten sondern auch vielen anderen Menschen.
Aber wo sind alle diese Zimmerleute geblieben? Von ihnen leben nur noch der damalige Geselle
Wilhelm Lämmerhardt in Nienwalde und die beiden damaligen Lehrlinge Wilhelm Tege und Hermann
Törber in Gartow. Krieg und Zeit haben ihre Ernte unter ihnen gehalten. Auf die dieser Zeit
folgenden Kriegsjahre komme ich in den Fortsetzungen noch besonders zu sprechen.
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1914: Geschäftsanzeigen von Karl Horstmann, Rudolph Delius, Ad. Höft, W. Meins
309
III. Folge 1910 - 1915
Etwa 1910 änderte sich bei der Fa. August Herbst manches. Meister August Herbst übernahm von
seinem Bruder Christian das Sägewerk. Christian Herbst, der auch in Lüchow eine Holzhandlung
hatte, zog nach Lüneburg und hatte dort einen sehr erfolgreichen Holzhandel. Jetzt hatte sich die
Firma August Herbst sehr ausgedehnt. So fanden nun etwa 80 - 85 Männer Brot und Lohn bei ihr.
Es gab genug Aufträge, so daß das Geschäft wirklich gut florierte. Es wurden neue, moderne Gatter,
auch das erste Horizontalgatter, aufgestellt, sowie die Hobelerei und Tischlerei eingerichtet.
So etwa um 1905 herum war der Zimmermeister Werth, der erst in Pevestorf wohnte, nach Quarnstedt
gezogen. Dort hatte dieser zunächst ein Gatter und eine Kreissäge aufgestellt. Auch Meister
Werth hatte recht gut zu tun, so daß bei ihm etwa 15 - 20 Männer Arbeit fanden. Damit hatten
wir alle in Gartow unsere gute Arbeit. Gesundheitlich wurden wir von Doktor Röhrs betreut. Herr
Röhrs war ein Bauernsohn aus Tripkau und ein Pferdenarr dazu. Er hatte immer mehrere Pferde.
Timmen-Vater war sein sehr gewissenhafter Kutscher. Ich sehe sie heute noch, wenn sie im Winter
in ihren großen Pelzen die Dörfer abzuckelten. In der noch heute bestehenden ROSEN-Apotheke
wurde der Apotheker la Rose von seinem Schwiegersohn Hermann Thiele abgelöst. Herr Thiele
hatte in Marburg studiert. Es war ein Glück für Gartow und seine Umgebung, daß dieser humane
Mann nach Gartow kam. Er nahm an allem teil. Er tat viel für unsere Heimat. Die Umbildung des
alten Friedhofes an der Buchhorst zum heutigen Ehrenhain war seine Idee. Das schöne Lied der
Schützengilde hat er verfaßt und sich durch jährliches Singen des Liedes beim Frühstückmorgen
der Gilde ein bleibendes Denkmal gesetzt.
Lebensmittelgeschäft Franz Alpermann
Gruss aus Gartow: Gasthaus und Warenhandlung
Ferdinand Platte
Wir hatten auch ein Krankenhaus (heutiges „altes Krankenhaus“ – Hauptstr.), welches unter Leitung
von Gräfin Emma stand. Die Gräfin hat es vorbildlich geführt. Es war zeitweilig so belegt, daß
sie noch eine Etage in Nachbar Meyer`s Haus zugepachtet hatte. Gräfin Emma hat hier viel Gutes
getan, sie konnte für Leute sorgen und hatte besonders Kinder sehr gern. Zu Weihnachten haben
wir manche schöne Stunde bei ihr erlebt. Der Hauptspaß für uns war, wenn sie anfing Weihnachtsbäume
zu verteilen. Die Familien, die viele Kinder hatten, kriegten zuerst einen Baum. Sie sagte,
es wäre für sie ihr Weihnachten, wenn sie allen eine Freude machen könne.
In der Gutsschule gab sie Handarbeitsunterricht, wozu alle Mädchen gern hingingen, auch die
bürgerlichen Kinder. Das tat sie alles auf eigene Rechnung; sie hatte auch noch Hilfe dabei.
Auch sonst war zu der Zeit an alles gedacht. So hatten wir hier auch ein Hospital (Stiftung Heiliger
Geist). Das Haus zwischen Beyer und dem Neuen Haus (Forstamt heute) ist 1945 leider abgebrannt.
Hauptsächlich wohnten in dem Hospital alte Leute vom Schloß und dem Meierhof, aber
auch Bürgerliche, die in Not geraten waren. In dem Hospital gab es ein großes Gemeinschafts-
310
zimmer. Dort hielt Pastor Seevers zu Weihnachten Bibelstunde ab; das war immer eine wirkliche
Feierstunde.
IV. Folge
Dies ist die IV. Folge bis zu Anfang des Krieges 1914/18, also das Ende der alten guten Zeit. Zu
dieser Zeit hatten wir einen Gendarm Drewing. Der hatte wegen seiner treuen Pflichterfüllung
viele Freunde, wurde aber von uns Jungen sehr gefürchtet. „Nehmt den Hut ab, geht anständig,“
so korregierte er uns. Wir gingen ihm aus dem Wege, wo es nur ging. Seine Hauptarbeit waren die
Handwerksburschen, die hier bettelnd rumvagabundierten. Auf dem Schlosshof im Pförtnerhaus
war das „Hundeloch“, das sehr oft besetzt war. Wir Jungen wußten das ganz genau. Am nächsten
Morgen brachte Drewing die Burschen zu Fuß nach Lüchow. Auch war hier damals eine Herberge
bei Vater Hildebrand, auf dem Spring, wo Willi Schu. heute wohnt. Die Herberge ging ein, als Hildebrand
starb. Von da an wurden diese Leute im Armenhaus untergebracht.
Alle Monat einmal tagte das Amtsgericht hier. Amtsrichter von Goeben war ein alter ehrwürdiger
Richter. Er kam immer jeden Donnerstag um 3.00 Uhr hier zum Dienst an, damit die Schiffer
abends hierher kommen konnten. Und freitags tagte er so lange, wie Bedarf war. Bei Krug`s wohnte
er. Das Gericht tagte bei August Schulz (heute Central-Hotel). Auch wollen wir Herrn Kronenberg,
den Schreiber, nicht vergessen. In ihrer langen Amtszeit kannten sie jeden persönlich. Doktor
Röhrs verließ leider Gartow und zog nach Hamburg. An seiner Stelle kam Dr. Fraesdorf, der Ostfriese
war. Seine Frau stammte aus dem Hause Doornkat. Er hat hier das erste Auto gefahren, einen
Wanderer. Sein Chauffeur war Fritz Schlüter, der erst vor einiger Zeit hochbetagt verstarb.
Die Jagd in der Gemeinde hatte damals der Zimmermann Heinrich Röhl gepachtet, nach ihm ein
Herr Weidemann aus Hamburg, der Gerichtsassessor war. Damals gab es wohl in unserer Jagd
auch noch mehr Wild. Vier Jäger schossen an einem Nachmittag 7 Hasen allein beim Drücken.
Meister Werth seine Pacht war abgelaufen in Quarnstedt. Baugeschäft und Sägewerk wurden
nach Hahnenberge verlegt. Das Grundstück mußte von 8 Eigentümern zusammengekauft oder
getauscht werden. Auch kaufte Meister Werth die Könke`sche Bürgerstelle (heute Johns-Sander).
Er stellte auch noch ein zweites Vollgatter auf. 1913 gab es einen frühen Winter und die ersten
Weihnachtsboten ließen sich früh sehen. Die ersten waren Johann Behls und seine Mutter aus
Nienwalde. Sie waren Zichorienbrenner. Im Armenhaus und bei Schraders wurde gebrannt, auch
in Quarnstedt brannte man Zichorie. Wir Jungens mußten dazu immer eine Karre voll Holz hinbringen,
sonst ging das Brennen nicht los.
Dann kamen die Schornsteinfeger aus Lüchow hierher. Die wohnten auf der Schornsteinfegerbude
bei Köhns. In der „schwarzen Bude“ blieben sie ungewaschen etwa 8 Tage.
Auch kam der Sämereien-Mann aus Bardowick. Ein Vater Mund war es, mit großem Vollbart. Für
uns Jungens war er besonders interessant, weil er eine Gramm-Waage hatte. Wenn offenes Wetter
war, kam Tierarzt Nitschke aus Lüchow mit seinem Fuchs in aller Ruhe angetrabt. Er wohnte
bei Krügers. Wenn hier alles in Ordnung gebracht war, fuhr er wieder in Ruhe los. Auch der alte
Mansfeld aus Lüchow kam mit seinem Planwagen nach Gartow. Er war unser Freund, kaufte Hasen-
u. Karnickel-Felle und Schweineborsten, wodurch wir uns Geld machten. Ferner kam noch
Schornsteinfegermeister Düker aus Lüchow und kontrollierte die Räucherkammern. Er freute sich
sehr, wenn alle gut geschlachtet hatten, weil er selber immer behauptete mit seinen Schweinen
Pech gehabt zu haben. Aus Mitleid gab Mutter ihm dann eine Wurst mit und die Räucherkammer
war dann auch in Ordnung.
311
1913 war das letzte Weihnachtsfest vor Kriegsausbruch, zu dem die Weihnachtslichter brannten.
Alle waren froh, keiner litt Not. Es konnte ja keiner wissen, daß die gute Zeit zu Ende war und viele
Jahre kein Weihnachtsbaum mehr brannte. Zu Ostern 1914 war in Gartow noch mal Hochbetrieb;
wie alle Jahre, wenn hier vom alten Amt Gartow die Konfirmanden geprüft wurden. Es dauerte
eine Woche. Alle Konfirmanden kamen mit Pferd u. Wagen aus den Nachbarorten. Es wurde stets
zu einem Geschäft für das ganze Gewerbe in Gartow. Ostern 1914 waren hier mehr Soldaten auf
Urlaub wie sonst. Es waren 2 neue Armeekorps aufgestellt, was auch zu merken war. Sonst ging
alles seinen Weg. Otto Seeger, Hermann Törbers Schwiegervater, wurde Schützenkönig. Er ahnte
nicht, dass er es 5 Jahre bleiben würde.
Dann kam das Attentat von Serajewo am 28. Juni 1914. Alle Welt hielt den Atem an und mancher
ließ den Kopf hängen. Auch starb in der Schweiz in einem Sanatorium der große Sozialistenführer
August Bebel. In allen Städten wurden große Gedächtnisfeiern veranstaltet in denen zu Ehren
ihres verstorbenen Führers die Sozialisten gedachten.
In Frankreich wurde Jaures, der große Sozialist und Friedenskämpfer, von Kriegstreibern auf offener
Straße erschossen. Beide Kämpfer für den Frieden erlebten das Schicksal der Welt nicht
mehr. Jetzt ging es mit Riesenschritten in das Kriegsverderben hinein. Am 2. August kam der erste
Mobilmachungstag. Der Kaiser hielt eine Rede an sein Volk, in dem er den bekannten Ausspruch
machte:
„Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur noch Deutsche“
Und dann begann das harte Ringen der Völker um Deutschland herum.
V. Folge Die Kriegsjahre 1914/18
Mit der Mobilmachung veränderte sich auch in Gartow sofort das Leben. Alle militärpflichtigen
Männer mussten sofort zu ihren Garnisonen einrücken. Aber alle hofften auf einen schnell beendeten
Feldzug. Wer die Mobilmachung in einer Garnison erlebte, hoffte zuversichtlich auf einen
raschen Sieg.
An die Waggons der zu den Grenzen rollenden Bahnzüge war groß mit weißer Kreide angeschrieben:
„Wir haben Urlaub nach Paris“ – „Zum Schweineschlachten sind wir wieder zu Hause“, – „Jeder
Schuß ein Russ, Jeder Stoß ein Franzos“ und dergleichen Mehr. Aber eine Woche später, wie
die ersten Verlustlisten herauskamen, wurde die Stimmung schon ernster. Es folgte der Einmarsch
nach Belgien hinein. Die Forts von Lüttich waren schnell genommen. Die „Dicke Berta“, das bis
dahin unbekannte 42 cm-Kaliber-Geschütz von Krupp, hatte mit einem einzigen Schuß ganze
Arbeit gemacht und die starken Forts aufgabereif geschossen. Der dann aber einsetzende Franktireurkrieg
brachte dem deutschen Heer schmerzliche Verluste bei. Zum Schweineschlachten war
noch keiner wieder da; sondern der Grabenkrieg war plötzlich da.
In Ostpreußen waren große russische Armeen eingebrochen. In der Tannenbergschlacht und der
masurischen Winterschlacht gelang es sie zurückzudrücken und z.T. auch sie zu vernichten. Der
Sieg blieb aber zunächst nur eine Hoffnung. In der Heimat war inzwischen die Zwangswirtschaft
mit den Lebensmittelkarten eingeführt. Alles wurde spürbar knapp. Auch wurden alle jungen Leute,
die bisher noch nicht militärpflichtig waren, gemustert.
Im Seekrieg hatten wir vor Helgoland Ende August die kleinen Kreuzer Köln, Ariadne und Frauenlob
verloren. Dafür hatten wir im U-Bootkrieg gute Erfolge. U 9 unter seinem Kommandanten Otto
312
Weddingen versenkte in einem Zuge 3 große englische Kreuzer. Auch im Kaperkrieg gab es gute
Erfolge. Der kleine Kreuzer Emden unter Kapitän Müller führte einen sehr erfolgreichen Handelskrieg
im indischen Ozean.
Zuhause aber wurde alles immer knapper, immer mehr Leute wurden eingezogen und die Verlustlisten
wurden immer länger. An ein schnelles Kriegsende war nicht mehr zu denken. Wir bekamen
immer mehr Feindgegner. Italien war aus dem Dreibund ausgeschieden und hatte sich auf die
Seite unserer Gegner geschlagen. Rumänien und Griechenland erklärten uns den Krieg. So kam
es schon bald zu einem Dreifrontenkrieg. Die Österreicher waren schwer angeschlagen. Die Bulgaren
waren bald ganz fertig. Aber die Türken schickten uns das 2. osmanische Korps. Das waren
gute Soldaten.
Inzwischen wurde nach dem Gold auch sonstiges Metall und Eisen eingesammelt. Die Einsammlung
und Abgabe der Kupferkessel stieß auf sehr großen Widerstand. Auch die Kirchenglocken
wurden eingesammelt und eingeschmolzen. Man konnte kaum noch etwas kaufen, nur noch tauschen.
Bislang waren noch alle Anstrengungen unserer Gegner abgewiesen worden. Aber die Zahl unserer
Soldaten wurde immer weniger. Überall wurde durchgeprüft, wo noch diensttaugliche Menschen
zu erfassen waren. Sogar die Etappendienststellen wurden durchgekämmt. Die Marine mußte
viele junge gesunde Leute an das Heer abgeben, soweit sie nicht Berufsseeleute waren, so etwa
25/30000 Mann. Es waren voll einsatzfähige junge Leute. 1916 war das große Unternehmen um
Verdun, das beiden Seiten größte Verluste kostete. Das bekannte Gebeinhaus entstammt diesen
schweren Kriegstagen. Die Flandernschlachten und das Champagneunternehmen wurden zu einem
militärischen Erfolg, nach dem der Kaiser ein Friedensangebot an die Westmächte machte.
Das Angebot stieß jedoch auf Ablehnung und hatte keinen Erfolg. Am 6.4.1917 erklärte uns auch
noch Amerika den Krieg. Ende Juli erschienen die Amis an der französischen Front. Sie brachten
uns nicht nur den Kartoffelkäfer mit, sondern waren auch sehr gut ausgerüstet. Besonders mit
weittragender Artillerie und den gefürchteten Brisanzgranaten.
Inzwischen war Rußland zusammengebrochen. Im Herbst kam jedoch nochmals die Brussilow-
Offensive, zeitlich zugleich mit dem großen Angriff der Italiener an der Isonzo-Front. In den Isonzoschlachten
mußten wir Deutschen die Österreicher vor allem sehr mit Artillerie unterstützen, um
einen Zusammenbruch zu verhindern. Die Gefahr war sehr groß, wurde aber noch mal gebannt.
Ende April wurde der Kemmel in Flandern von uns gestürmt. Das Dorf Kemmel war trotz schwersten
Beschusses nicht zu erobern. Hier am Kemmel wurde mit Gelb- und Blau-Kreuz-Gas geschossen.
Es war furchtbar! 8000 Mann wurden gefangen genommen; die Hälfte davon konnte nicht
mehr sehen. Im Sommer kam dennoch die letzte große Durchbruchoffensive bei Reims in Gang.
Sie brachte uns aber trotz großer Anfangserfolge nicht den erhofften Sieg.
Im September hielt der Kaiser seine letzte große Rede an sein Volk, vor der Belegschaft bei Krupp.
Er hoffte noch auf den Endsieg, der dem deutschen Volk die größte Freiheit bringen sollte. Im
Oktober kamen die „14 Punkte“ des amerikanischen Präsidenten Wilson heraus, nach denen die
Westmächte bereit sein wollten einen Frieden mit uns zu schließen.Mit Ausbruch der Revolution
dankte der Kaiser ab und ging nach Holland. Dann kamen die Waffenstillstandverhandlungen und
der Waffenstillstand. Was mußten wir schon jetzt alles abliefern. Nicht nur ungeheure Mengen an
Waffen auch Lokomotiven, Waggons u.a. nahm man uns weg. In den dann folgenden Friedensverhandlungen
richtete sich niemand mehr nach den „14 Punkten“ von Wilson.
313
Aber zu Weihnachten 1918 waren doch wenigstens der größte Teil der gebliebenen Soldaten wieder
in der Heimat oder auch schon zu Hause. Nach über 4 Jahren hatte der Krieg endlich ein Ende,
wenn auch ein sehr böses Ende für uns. Aber zu Weihnachten 1918 waren doch wenigstens der
größte Teil der gebliebenen Soldaten wieder in der Heimat oder auch schon zu Hause. Nach über
4 Jahren hatte der Krieg endlich ein Ende, wenn auch ein sehr böses Ende für uns. Aber alle waren
auch so kriegsmüde, daß alle über das Ende des Krieges froh waren.
Wir erinnern uns noch sehr gut an den Ausspruch des Deutschenhassers Clemenceau, der damals
sagte: „Es gibt Millionen Preußen zuviel. Bevor die nicht vernichtet sind, gibt es für Frankreich keine
Sicherheit und Ruhe.“ So sah es am Kriegsende wirklich aus.
Der erste Soldat, der 14/18 fiel, war ein bayr. Sergeant aus der Garnison Metz, der erste Offizier,
der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Bauer.
So sah ein Landser, wie ich, damals den Ablauf des Krieges 14/18 in groben Zügen.
Gefallene und Vermisste des 1. Weltkrieges aus Gartow
Gefallene
Schulz, Karl (22.10.1914), Griese, August (2.11.1914), Berdien, Otto (20.1.1915), Hahlbohm, Wilhelm
(24.3.1915), Blütling, August (1.6.1915), Philippi, Otto (17.7.1915), Griese, Ernst (1.8.1915),
Ölschläger, Heinrich (8.8.1915), Kuttnick, Robert (18.4.1916), Giese, Karl (10.6.1916), Behrens,
Hermann (21.8.1916), Schulze, Wilhelm (18.9.1916), Schulze, Karl (20.9.1916), Frahm,
Julius (18.12.1916), Schulze, August (14.2.1917), Greuel, Heinrich (7.3.1917), Baltzer, Hermann
(8.3.1917), Timme, Rudolf (23.4.1917), Frahm, Adolf (28.6.1917), Weidner, Hugo (3.7.1917),
Stroermann, H. (10.7.1917), Reinhardt, W. (14.7.1917), Lange, Wilhelm (14.7.1917), Hahn, Adolf
(29.9.1917), Dankert, Fr. (10.10.1917), Füllgraf, Arthur (6.4.1918), Saack, Friedrich (29.5.1918),
Heuer, Emil (5.6.1918), Mielau, Hermann (13.6.1918), Seevers, Paul (20.7.1918), Kleine, Fritz
(Sept. 1918), Nagel, Albert (10.9.1918) und Bohlmann, Adolf (3.11.1918).
Vermisste
Schmidt, Otto (14.10.1914), Blütling, Wilhelm (24.11.1914), Schmidt, Ernst (26.1.1916), Waldow,
Adolf (28.7.1916) und Teege, Friedrich (3.9.1916).
Infolge Kriegsbeschädigung starben
Lüders, Gustav (28.6.1916), Schumann, G. (7.1.1919), Widera, Josef (3.3.1920), Renner, Karl
(27.7.1920), Heuer, Karl (26.2.1921) und Giese, Wilhelm (7.8.1921).
314
„Übersicht über die Blutopfer unserer Gemeinden im Weltkrieg 1914/18“
315
VI. Folge 1920 - 1925
Der Krieg war zu Ende und ich dachte an meine schöne Schulzeit, in der wir vieles gelernt hatten.
Als ich in den Krieg auszog, waren alle Kisten noch voll und schwer. Als ich wiederkam war alles
leer. So ging es uns jungen Leuten damals. Aus uns waren inzwischen Männer geworden, die 4 - 6
Jahre Soldat gewesen waren und fast alle Länder in Europa gesehen hatten.
In der Heimat war schwer wieder Fuß zu fassen, denn es fehlte an allem. Aus unseren Kleidungsstücken
waren wir rausgewachsen und zu haben war zunächst kaum etwas. Es war für uns eine
schwere Zeit, aber es hat sich alles wieder eingespielt. Hier gilt der alte Satz „Gartow adeliger
Sitz“. Da auch das Bauhandwerk darniederlag, so ging alles, war arbeitsfähig war, in die Forsten
arbeiten und fand sein Brot bis sich wieder alles etwas eingespielt hatte. Sogar die Schiffer
arbeiteten in der Forst mit. Man kannte ja noch keine Arbeitslosenunterstützung usw. – „Keiner
brauchte zu hungern, aber auch keiner kann dabei Millionär werden,“ sagte Graf Günther von
Bernstorff damals. Hier hieß es ganz einfach: Bist du Gottes Sohn, dann hilf dir selbst. Aber dann
kam ein gutes Erntejahr, das die ganze Lage verbesserte. Die Fa. August Herbst war wieder recht
gut beschäftigt. Die Fa. W. Werth fing an, sich auf Feldscheunenbauten zu spezialisieren, besonders
in der Altmark. So waren wir dann auch bald wieder voll beschäftigt. Aber unsere Mark fing
an schwächer und wertloser zu werden.
Wir wurden jetzt aber auch moderner in Gartow. Wir bekamen einen Tierarzt, Dr. Ketz. Auch ein
Töpfermeister, Karl Scheel, war aus Wittenberg zugezogen. Karl Scheel behauptete immer, daß er
Dr. Ketz zum Doktortitel verholfen habe. Als er den Tierarzt einmal studierend und nachdenkend
an der Elbe getroffen habe, habe er ihm die Fortpflanzung einer Wasserfliege erklärt und dadurch
zu seiner Doktorarbeit beigetragen. Auch ein Berliner Zahnarzt, Paul Tornow, kam in der Zeit nach
dem Kriege nach Gartow, gründete eine gut gehende Praxis, die er bis heute noch hier ausübt.
Während des Krieges hatten wir auch einen neuen Superintendenten (Umland) aus Hollenstedt/
Nordheide bekommen. Der alte Bürgermeister Adolf Bardien ging jetzt in den Ruhestand. Sein
Nachfolger wurde Kfm. August Schulz, der einstimmig dazu gewählt wurde. Leider war er ein kranker
Mann; er hatte seelischen Kummer. Zwei seiner Söhne waren im Krieg gefallen und er selber
starb bald an einem Magenleiden. Dann folgte Lehrer a.D. Behrens als Bürgermeister. Der hatte
auch die Geschäftsführung der Spar- und Darlehnskasse im jetzigen Hause Hauptstr. 30 (Alpermann)
inne.
Die Jagd hatte damals Georg Meyer gepachtet. Er war Jäger mit Leib und Seele und brüstete sich
oft, bessere „Kronen“ an der Wand als der Forstmeister zu haben. Wir hatten viele Wildschadensfälle,
aber Georg hielt die Feldmark „sauber“. Obwohl er Gartower war, kannte er die Feldmarkgrenzen
nicht so genau. Sein Lieblingsbezirk waren das Binnenfeld und die Gegend um den
Wolfsberg. Der gräfl. Forstverwaltung hat er manchen Kummer bereitet. Leider ist die heutige Jagd
doch lange nicht mehr so gut und interessant wie damals zu Georg Meyer‘s Zeiten.
In den Nachkriegsjahren wurde auch hier eine Gewerkschaft gebildet. Die Leitung hatten Adolf
Järnecke und Heinrich Hoppe. Auch eine Ortsgruppe der SPD bildete sich; ihr Leiter wurde Wilhelm
Kraasmann. Die Hauptmänner waren Karl Seibt, August Schleese und Hermann Tiemann.
Inzwischen war die Geldentwertung bis zur Inflation fortgeschritten. Von den Hunderten, über die
Tausender bis schließlich in die Billionen lernten wir noch mal rechnen. Täglich, zuletzt fast stündlich,
änderten sich die Umrechnungswerte. Es war eine böse Zeit für jedermann, wie auch für
unsere Gastwirtschaft. Als schließlich die Rentenmark eingeführt wurde, fehlte es zunächst noch
316
an genügend flüssigen Zahlungsmitteln. Die gräfliche Verwaltung erhielt die Genehmigung zur
Ausgabe von „Notgeld“, um die örtlichen Schwierigkeiten einigermaßen überbrücken zu können.
So haben wir mal kurze Zeit auch „Gartower Geld“ im Umlauf gehabt.
Gegen Ende des Jahres 1923 wurden die ersten Kraftfahrzeug-Postbusse eingeführt, die nach
Lüchow und Dannenberg liefen. Unser erster Bus-Fahrer war Karl Heise. Karl Heise hatte viel Ärger
mit seinen Bussen, weil der ganze Bus-Betrieb noch zu sehr in den Kinderschuhen steckte. Wenn
er morgens mit seinem hartbereiften Bus durch die Hauptstraße über das Kopfsteinpflaster fuhr,
dann wackelte das Geschirr in den Häusern so, daß man meinte, es klingelte irgendwo. Aber Karl
erlebte später auch bessere Bus-Zeiten und wurde schließlich sogar Gartows erster Kilometer-
Millionär bei der Bundespost. Er lebt heute noch als angesehener Bürger in seinem Haus in Hahnenberge.
Die Forstverwaltung hatte nach dem Kriege einen Oberförster Köhler; er war Thüringer und ein
recht umgänglicher Herr. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Forstmeister Carl Junack sen.
ging er aber hier wieder weg. Anschließend wurde er Heilkundiger. Sein Nachfolger wurde Oberförster
Rädecke, der lange Zeit in Gartow blieb. Als Mitglied des Rates der Gemeinde Gartow hat
er viel Gutes für Gartow getan.
Um diese Zeit, eben nach der Inflation, wurde hier das elektrische Ortsnetz angelegt. Die Firmen
Werth und Herbst erzeugten selbst elektrischen Strom. Die Fa. Werth belieferte zunächst auch
noch die gräfliche Verwaltung mit Strom. Es war ein richtiges Theater um die Elektrifizierung. Sitzung
um Sitzung wurde abgehalten, mit vielen Streitigkeiten und Diskussionen, bevor man zu
Rande kam. Die Leute waren sehr mißtrauisch, bis Meister Hörning den verhandelnden Ingenieur
Dr. Giesecke fragte, ob und wo er überhaupt einmal studiert habe. Das löste große Heiterkeit aus,
trug aber sehr zur Beruhigung bei.
Dann hatten wir auch mal sehr hohen Besuch. Der Herzog von Cumberland mit seiner Gemahlin
waren hier. Das war sehr aufregend. Die Herzogin freute sich sehr, daß hier so viele Freunde und
Kinder zur Erholung aufgenommen waren. Die Kinder waren durch den Luisenbund, den die Herzogin
leitete, hierher gekommen. Stolz machte ein 10jähriges Mädchen aus Hannover, das die
Herzogin kannte, vor der erfreuten Herzogin ihren Knicks und wünschte ihr „schön`guten Tag.“
Der alte Welfe Karl Spohn rief dem Herzog zu: „Jage die Preußen raus, wir schaffen es wie bei Langensalza!“
Dazu bedankte er sich beim Herzog für das Veteranengeld, das er nach seiner Meinung
vom 2. welfischen Inf. Rgt. und nicht von den „Preußen“ erhielt. Dann bestellte er auch noch einen
schönen Gruß an seinen alten Rgt.-Kommandeur.
Die Familie Miethling gab das Privileg der Abdeckerei ab. Der Käufer war ein Herr Gehrke aus
Mecklenburg. Die Abdeckerei war in der Forst; die Ecke heißt heute noch Schinderkuhle. Da sah
es toll aus. Die Tiere wurde enthäutet; auch wurden Flechsen aus dem Fleisch der Tiere gemacht,
als Futter für die gräfl. Hundemeute. Die Kadaver der Tiere blieben liegen, als Fraß für die Füchse
und die Wildschweine. Gehrke hatte einen Prozeß mit der Forstverwaltung, weil er den Platz
eingefriedet haben wollte. Er verlor aber den Prozeß, zog nach Lüchow und übernahm dort die
Kreisabdeckerei. Fortan holte er alles mit Lastzügen zusammen. Mit den Anliegern in L. bekam
er bald wieder einen Prozeß, den er ebenfalls verlor und dadurch auch dort bald am Ende seiner
Kunst war. Schließlich führte er auch um das Privileg noch einen langen Prozeß, den er nach meiner
Erinnerung aber gewann.
317
Auch hatten wir einen Toten zu beklagen, der meilenweit bekannt war. Manchen Spaß haben wir
mit ihm gehabt. Das war Hannes Spohn, ein verkrachter Schneider. Leider ist er elendig zu Grunde
gegangen. Über diesen Mann werden wir noch einen besonderen Bericht später folgen lassen.
Dann ging auch unser ehrenwerter Kantor Thölke in den Ruhestand. Sein Ruhesitz war hier in
Gartow das Chr. Herbst`sche Haus, in dem heute Dr. Herbst seine Praxis hat. Er hatte noch eine
gute Landwirtschaft und war ein noch sehr rührig tätiger Mann.
Als Nachfolger kam der Lehrer Rudolf Haberland aus Niendorf (Nienwalde heute) zu uns als Kantor.
Er heiratete hier eine Lehrerin aus Harburg und lebte sich schnell hier bei uns ein. Er wurde
auch zum Ratsmann gewählt, als der er sich ebenfalls viel Verdienste erwarb. Wir hatten zu der
Zeit eine Schulkrise durchzumachen. Gutsschule und Bürgerschule hatte zusammen nur noch 58
Schüler, weil Prezelle die Schüler aus Wirl für sich beanspruchte.
Danach durften wir in Gartow nur 2 Lehrer haben. In einer vielstündigen Sitzung in Lüneburg
wurde schließlich durchgesetzt, daß Gartow eine 3klassige Schule und damit auch einen dritten
Lehrer behielt. Der dritte Lehrer wurde Herr Lührs, den aber die Gemeinde besolden sollte. Nur
dadurch, daß Herr Lührs gleichzeitig die Fortbildungsschule übernahm und Graf Günther v. Bernstorff
den verbleibenden Restbetrag zahlte, konnte die dritte Lehrerstelle erhalten und die Krise
überwunden werden.
Die Prezeller wollten sich immer noch nicht beruhigen. Ihre Vertreter August Hussmann und Pastor
Rauterberg forderten und setzten auch durch, daß die aus Wirl anfallenden Grundsteuern fortan
Prezelle zufielen; es waren ganze 72 Mark jährlich.
Herr Haberland war ein sehr rühriger Mann. Für den damaligen Heimatboten schrieb er sehr viele
Artikel. Seine Schüler gingen gern zu ihm in die Schule. Einmal in der Woche hielt er eine Unterrichtsstunde
mit dem Thema: „Was gibt’s Neues in Gartow?“ Das tat er, um seine Unterlagen für
die von ihm begonnene „Heimatgeschichte“ zu erweitern. Die Jungens mußten ihm helfen zu erforschen,
was noch aus alter Zeit zu erfahren möglich war.
Der Vater R. Haberland, der in Restorf Kantor gewesen war, verlebte hier in Gartow seinen Ruhestand.
Viele Gartower waren seine Schüler in Restorf gewesen. Er war ein leidenschaftlicher
Botaniker; man sah ihn fast immer mit einem Strauß in der Hand. Es freute ihn sehr, wenn jemand
sich für seine Leidenschaft mit interessierte und Verständnis dafür aufbrachte. Um 1930 haben
wir ihn zur Ruhe getragen.
Sein Sohn Rudolf ist 1968 in Dannenberg im Johanniterheim verstorben und hier in Gartow beigesetzt
worden. Mit seiner dreibändigen Heimatgeschichte hat er sich ein bleibendes Denkmal
gesetzt. Das muß hier zwar erwähnt und gewürdigt werden, aber darüber kann in diesem Rahmen
nicht berichtet werden.
VII. Folge 1925 - 1930
Inzwischen war Theo Beyer Bürgermeister geworden. Zur Hilfe stand ihm als Gemeindebote Karl
Seibt allein zur Verfügung. Beyer war ein sehr sparsamer Herr. Er hat viel für seinen Heimatort
Gartow geleistet.
Es gab hier damals viel Aufregung. In Meetschow wurde nach Öl gebohrt. Es wurde hierum viel
Wind gemacht, was aber wenig später schon im Sturm endete. Viele Leute wollten schnell reich
werden.
318
Sogar eine Leitung zur Elbe war vorgesehen. Ein Herr Streithoff sah den Himmel offen. Bald aber
gab es große Enttäuschungen. Alle Aktien, die sehr zahlreich verkauft waren, wurden völlig wertlos.
Hier gilt das Sprichwort: „Wer Wind säet, der wird Sturm ernten.“
Auch die Molkerei wurde von einer sich bildenden Genossenschaft Herrn Streithoff für 16000
Mark abgekauft. Herr Streithoff wollte für Oerenburg Maschinen kaufen, die täglich 80 fm Holz
verarbeiten sollten. Es blieb aber nur bei einem frommen Wunsch.
Bei der Firma August Herbst hatte der Sohn Walter sein Studium abgeschlossen und trat als Diplom-Ingenieur
in das Geschäft ein. Das machte sich sehr bald bemerkbar. Das Baugeschäft bekam
einen recht guten Aufschwung. Er verstand es besonders, seine Mitarbeiter klug einzusetzen.
1925 hatten wir auch das große Schützenfest mit dem 75-jährigen Jubiläum der Schützengilde.
Auch das Kinderschützenfest wurde in diesem Jahr gegründet, bei dem Herr Schulenburg der
Leiter war. Alle Kinder aus Gartow und seiner Umgegend machten freudig mit. König konnte aber
nur ein Junge aus Gartow werden, der sich seine Königin wählen durfte. Es war wirklich sehr gut
durchdacht von Meister Schulenburg; als Fest für die Kinder aufgezogen. Der erste Kinderkönig
war 1925 Kurt Fraesdorf, es folgten ihm 1926 André Thorey, 1927 Werner Grothe, 1928 Karl
Schaal, 1929 Ernst Gauster.
Auch wurde 1925 die Joppen-Kompanie ins Leben gerufen. Der Jubiläums-König wurde nach hartem
Kampf Harry Schulenburg. Diesem folgten in den nächsten Jahren Arnold Schramm, Wilhelm
Füllgraf, August Bethge und Karl Schaal sen.
Zum Schützenfest hatten wir sehr großen Zuspruch aus Arendsee, Lüchow, Schnackenburg und
allen umliegenden Orten. – Der alte Mai war immer sehr erbost, daß die Schützengäste aus den
Nachbarorten nicht in Uniform erschienen, sondern nur Schützenhüte aufhatten. Zu unserem
Schrecken war Vater Mai auch immer Tanzordner. Wenn es auf dem Saal dann nicht so ging, wie
er es haben wollte, dann wurde er saugrob. Die Musik kam seinerzeit aus Trebel. Kurzèn Papa, wie
wir ihn nannten, war ihr Kapellmeister. Er war uns allen sehr zugetan und spielte für die Jugend,
was sie sich wünschte. – Gern wurde damals gespielt: „Das haben die Weiber so gerne“ oder
„Wenn das der Petrus wüßte“. Wenn ich dieses so schreibe, dann möchte ich noch mal 60 Jahre
jünger sein. Die Jugendzeit ist doch das Beste, was es gibt.
1926 war ein böses Jahr. Von Juni bis August stand das Wasser von Deich zu Deich. Der Buchhorstdamm
brach und das Wasser schoß in die Feldmark. Alles Vieh mußte weggebracht werden.
Alle Wiesen und Weiden standen, wie auch die halbe Feldmark, unter langanhaltendem Wasser.
Man versuchte das Wasser von der Feldmark
abzupumpen. Es war vergebliche Liebesmüh
und hatte keinen Erfolg. Im August folgt noch
eine große Hitze. Die Seegewiesen lagen voll toter
Fische, bis hoch an die Deich ran. Es stank
fürchterlich. Ein früher Winter folgte diesem
traurigen Sommer. 1927 war es ein bitteres
Jahr, durch die Folgen des Hochwasservorjahres.
Die vielen Leberegel brachten verlustreiche
Krankheiten beim Vieh. Diese Verluste
Sommerhochwasser 1926
319
trafen besonders die kleinen Viehbesitzer sehr hart. Obschon Dr. Ketz sein Bestes tat, waren die
Verluste nicht zu verhindern.
Die Kuhkasse, ein Verein auf Gegenseitigkeit im Kirchspiel Gartow hatte 152 Mitglieder. Der Verlust
für die Kuhkasse betrug in diesem Jahr über 7000 Mark und konnte kaum aufgebracht werden.
Aber es wurde geschafft. Die ehrlichen und tüchtigen Männer des Vorstandes, Adolf Blütling-Nienwalde
und Adolf Fintelmann-Meetschow haben uns das hierzu notwendige Geld damals
persönlich besorgt und dafür gerade gestanden. Dabei müssen wir auch an Vater August Herbst
denken, der uns dabei sehr geholfen hat. Zu allem Überfluß kam auch noch eine Lungenseuche
beim Rindvieh hinzu. – „Aber der Herrgott schickt nicht mehr Kälte, als die Leute Schuhwerk haben“.
– So sind wir auch damit zu Ende gekommen.
Es kamen auch wieder gute Jahre, in denen wir bei der Kasse nur 72 Mark Umlage zu heben
brauchten.1928 ging es uns schon wieder besser. Leider verließ uns Dr. Ketz, was wir alle sehr
bedauerten. Er hat uns immer gut vertreten, besonders beim Kreistierarzt, mit dem wir immer viel
Krach hatten. Das war kein guter Mensch.
Auf den Nachfolger von Dr. Ketz waren wir sehr gespannt. Es kam ein junger Mann, der sich als
Tierarzt vorstellte und den wir heute noch hier haben. – Nachdem die ersten Bedenken überwunden
waren, kamen wir gut mit ihm aus. Wir sind froh, daß wir unseren Paul Henning heute noch
haben. Leider wird auch er älter. Wir werden in einer späteren Folge über das Zusammenleben mit
ihm noch näher berichten. – Meister Werth hatte jetzt Kummer. Sein ältester Sohn Wilhelm wurde
zu Grabe getragen. In Niendorf kaufte er zu der Zeit 147 ha Wald vom Krügerschen Hof. Vorher
hatte er vom Niemannschen Hof in Niendorf 72 ha und später von Gehrke 42 ha Wald gekauft. Da
machten die Niendorfer sich Sorgen, daß er eine eigene Jagd haben wollte. Aber die Grundstücke
lagen nicht zusammen, so daß das nicht ohne weiteres ging.
In Gartow wurden die neuen Bürgervorsteher
gewählt. Hier ging es schon etwas parteimäßig
zu. Zum ersten Mal errang die SPD eine Mehrheit
in der Gemeindevertretung. Aber Theo Beyer
blieb Bürgermeister. Unter ihm wurde weiterhin
sehr sparsam gewirtschaftet. Damit wurde
den Leuten, die sich Gedanken machten, der
Wind aus den Segeln genommen.
um 1935: Kreuzung Hahnenberger Str./Springstr./
Otto-Telschow-Str. (Hauptstraße)
Vor 1900: Die Hauptstrasse , links Kaufmann Johns
um 1920: Die Springstraße
320
Gartow im Dritten Reich
Gartow 1930 - 1945: Aus der Sicht von Wilhelm Tege
VIII. Folge 1930 - 1939
Von 1930 an ging es uns allen in Gartow recht gut. Die Betriebe hatten durch viele Aufträge recht
gut zu tun und wir damit unser gutes Auskommen.
Die Fa. Werth hatte in Wittenberge einen Großauftrag erhalten; nämlich die Viehmarkthalle zu
bauen. Allein schon damit war sie lange voll ausgelastet. Dazu kamen weiterhin ihre Scheunenbauten.
Auch die Fa. Aug. Herbst war außerordentlich gut beschäftigt. Sie hatte sehr viele Aufträge in der
Altmark, daneben mehrere Schulbauten in dem hiesigen Kreis. In Dannenberg wurde von ihr die
Genossenschaftsbank gebaut; ein Bau, der große Anforderungen an Meister und Gesellen stellte
und ihnen durch seine Eigenschaften oft Kopfzerbrechen und Kummer machte.
Die Regierung Papen betrieb die Zusammenlegung von Landkreisen. Das betraf auch uns hier, da
hierbei die Frage, ob Lüchow oder Dannenberg Kreissitz werden sollte, entschieden werden mußte.
Beide Städte machten große Reklame im Kampf um die Stimmen für den Kreissitz. Viele, viele
Sitzungen und leidenschaftlichste Debatten gab es darum. Gartow war zum Zünglein an der Waage
dabei geworden, da das Amt Gartow erst in den neunziger Jahren zum Kreis Lüchow gekommen
war. Historisch gehörten wir nach Dannenberg hin. Es gab aber auch noch andere Vorschläge zur
Kreisbildung. Eine Gruppe mit Herrn Werth an der Spitze, wollte einen „Elbekreis“ bilden, der von
Werben bis Neudarchau reichen sollte. Auch der alte Forstmeister Junack teilte diese Ansicht und
unterstützte sie.
Die Lüchower schickten eine Kommission nach der anderen zur Regierung und sammelten Unterschriften
für den von ihnen geforderten Kreissitz. Die Dannenberger, mit ihrem Bürgermeister
Dr. Dr. Nörtelmann an der Spitze, verteidigten ihre Forderung nach dem Kreissitz sehr geschickt
und auch hartnäckig. Sie setzten alles in Bewegung, um ihn zu erhalten und erreichten schließlich
auch einen Stimmungsumschwung für Dannenberg. Lüchow erhielt damals sehr viel Grundsteuern
aus der Gartower Forst. Sonst hatten sie nur noch ihre Domäne Königshorst, die aber nichts
einbrachte und für sie ein Zuschußbetrieb war. Dannenberg aber hatte die Forsten Landwehr, die
Lucie und die Göhrde, die lukrativer waren.
Um uns bei diesem Streit etwas rauszuhalten, haben wir dann Graf Günter von Bernstorff zu einer
Sitzung eingeladen, um seine Meinung zu hören. Der Graf entschied sich für Dannenberg. So
wurde dann auch Dannenberg zur Kreisstadt des neuen Kreises Dannenberg, dem der bisherige
Kreis Lüchow angeschlossen wurde.
Zu dieser Zeit schied Gräfin Eleonore von uns. Große Trauer gab es im ganzen Ort und seiner
Umgebung. Bei allen sehr beliebt, war sie eine mehr als bescheidene Frau gewesen. Vor allem
war sie sehr kinderlieb gewesen und hatte alle Kinder genau gekannt. – Im Hospital hatte sie eine
Nähschule eingerichtet, jede Woche 4 Stunden, in der sie 2 Schneiderinnen beschäftigte, die den
Mädchen das Nähen beibrachten. Sie hatte eine große und sehr würdige Beerdigung. Pastor Rauterberg
aus Prezelle hielt die Trauerrede mit dem Text Jesajas 54/1 „Die Einsame hat mehr Kinder,
als die einen Mann hat.“ Der Spruch war gut und zutreffend für die Gräfin gewählt. Sie war eine
Frau, die jedem eine Freude machen wollte und ihn am liebsten auch noch beschenkte.
321
Für sie galt wirklich: Matthäus 6 Vers 3: „Laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut“.
Trotz ihrer angeborenen Bescheidenheit lebte sie uns dieses Wort wirklich vor. Ihre Bescheidenheit
ging so weit, daß sie als „Gräfin-Mutter“ noch viele Jahre nach dem I. Weltkrieg in Holzschuhen
durch den Ort ging. Fuhr sie wirklich mal irgendwo hin mit der Eisenbahn, dann nur in der IV.
Klasse. Gottlob hat sie die gottlose Zeit nicht mehr erlebt. Bei der Fa. Herbst erlebten wir leider
einen schweren Betriebsunfall, der unserem Mitarbeiter Louis Bauch das Leben kostete. Er hinterließ
eine Witwe mit 2 Kindern. Der Fall ging uns allen sehr nahe, war er doch ein sehr bescheidener,
ruhiger Mann.
Als die Herbst`sche Mühle überholt wurde,
dankte der alte Müller Berdin ab. Sein Nachfolger
kam aus Mecklenburg. Es war Gustav
Wolter, der die Mühle in Schwung hatte und beachtlich
erfolgreich wirkte.
Die Fa. Werth schloß dem Sägewerk ein Holzpflasterwerk
mit zahlreichen Maschinen, sowie
einer Imprägnierungs- und auch einer neuzeitlichen
Trocknungs-Anlage für das Holz an. Wie
der Sohn Christian Werth als Bauingenieur in
die Firma eintrat, wurde diese als offene Handelsgesellschaft
W. Werth & Sohn eingetragen.
Dazu wurden einige Lastzüge angeschafft und
moderne Trecker gekauft.
Die Fa. Aug. Herbst stellt sich ebenfalls um.
Hatte sie so lange das Holz mit eigenen Elbschiffen
nach Hamburg verfrachtet, stellte sie
sich auch auf Schnellverkehr um und kaufte
dazu ebenfalls Lastzüge und Trecker, die die
Lücke schlossen.
Leider wurde unser Superintendent Vater Umland
krank und gab seinen Dienst auf. Er zog
nach Lüneburg mit seiner Frau wo er später
verstarb. Als Nachfolger kam Pastor Hoffmann
hierher. Noch zu Umlands Zeiten hatten wir hier
ein großes Missionsfest, das sehr gut besucht
war, worüber sich Herr Umland noch sehr freute.
Die Bockwindmühle an der Springstr.
(1907 abgebrochen)
Aber nun machte sich die neue Zeit auch bei uns bemerkbar. Zuerst kam ein Trupp junger Leute,
die bei Hechts einquartiert waren. Diese nannten sich Jungdeutscher Orden. Auch begann es mit
der NSDAP, die Propaganda machte.
Desgleichen fingen die Kommunisten an wach zu werden. Diese kamen aus Salzwedel. Alle wollten
sie das Beste für uns. Aber wir stellten uns taub. Namentlich der Kommunismus lag uns nicht.
Hier muß ich an ein Wort von Stalin erinnern, der einmal sagte: „Für die Deutschen paßt der Kommunismus,
wie für die Kuh der Sattel!“
322
Uns wurde von allen eine gute Zukunft versprochen; es sollte alles besser werden. Aber die Vernunft
sagte uns: es kann nicht gehen, was sie alles versprechen. Die Leute wollten über ihren
eigenen Schatten springen. Leider aber machten doch viele Bürger und angesehene Leute mit
ihnen mit, was wir in unseren Kreisen sehr bedauerten.
IX. Folge
Jetzt wurde aus dem Jungdeutschen Orden der freiwillige Arbeitsdienst gebildet. Durch den großen
Bankkrach in New York kam es zu dem „schwarzen Freitag“, bei dem die DANAT-Bank krachen ging
und ein großes Durcheinander an den Börsen entstand. Dr. Brüning war zu der Zeit unser Reichskanzler.
Die Folgen waren verheerend. Das Geld wurde sehr, sehr knapp und die Arbeitslosigkeit
stieg so an, wie es sich vorher keiner hätte vorstellen können. Die Gemeinde konnte die obdachlosen
Arbeitslosen, die jeden Tag ankamen, kaum noch unterbringen.
Zu dieser Zeit wurde in Gartow ein Zweckverband gebildet. Es ging um den Arbeitsdienst. Alle Orte
des Amtes waren dabei, auch Laase und weiter abliegende Orte. Es wurde dafür und dagegen gesprochen.
Man konnte aber keine Einigung zustande bringen. Schließlich sollte Landrat v. Tettau
dazu gehört werden. Dieser war kein Freund davon, warnte uns und machte uns auf die möglichen
Folgen aufmerksam. Hauptgegener waren Bgm. Hennings, Vietze und Otto Barge, Laase. Aber die
Mehrzahl der Gemeindevertreter wollte nun mal bauen und zwar das auch sofort. Träger für den
Aufbau eines Arbeitsdienstlagers wurde so der Bodenkultur-Zweckverband mit Bgm. Beyer als
Vorsitzenden. Die alte Sandkuhle an der Chaussee nach Lüchow machte der Arbeitsdienst baureif.
Von den 4 Baracken bauten die Firmen Herbst und Werth je zwei Stück. Die übrigen Arbeiten
wurden so vergeben, daß jeder ansässige Handwerker ein Los bekam.
So um 1933/34 wurde der Reichsarbeitsdienst durch Gesetz gebildet. Nach Gartow kam die Abteilung
180/5. Hugo Neumeister war der Abteilungsführer; später wurde er aber wieder Soldat.
Der Staat zahlte seine Miete für das Lager an den Zweckverband. Der Zweckverband war sehr
großzügig und lieferte von sich aus noch Fahrräder und Spaten an den Arbeitsdienst. Die erste
größere Arbeit führte der Arbeitsdienst an der Elbe und zwar am „Bösen Ort“ durch.
Zu dieser Zeit brannte das Kesselhaus auf dem Sägewerk Herbst ab, so daß die Sägerei einige Zeit
ausfiel, die Zimmerei aber trotzdem noch leidlich weiterarbeiten konnte.
Als dann Reichspräsident Hindenburg verstarb, wurde Hitler auch noch Reichspräsident. Jetzt war
der Weg frei, der uns ins Verderben führte. Mit der Arbeit wurde es sogar noch besser. Die Firma
Werth war mit der Holzpflasterei sehr beschäftigt und auch die Zimmereien hatten voll zu tun. Die
Fa. Aug. Herbst arbeitete zeitweilig in 2 Schichten, weil in der Zimmerei so viel vorlag. Das Viehhaus
in Quarnstedt erhielt ein neues Dach, was lange Zeit dauerte.
Auch wurde ein alter Pferdestall zum Schweinestall umgebaut. Auch das Herbst`sche Hobelwerk
lief auf vollen Touren, so daß neue Maschinen gekauft und aufgestellt werden mußten. Herr Werth
kaufte damals 35 ha Elbwiesen in der Garbe. 1936 wurde das Rheinland wieder von uns besetzt.
Hitler verkündete die Wehrfreiheit und Wehrpflicht, was mit gemischten Gefühlen aufgenommen
wurde. In Berlin fanden die Olympischen Spiele statt, während gleichzeitig in Spanien der Bürgerkrieg
entflammt war. Auch war in diesem Jahr der Einmarsch in Österreich, das befreit werden
sollte, erfolgt. Jetzt gingen auch die Judenverfolgungen los. Die SA tat sich dabei besonders hervor.
Die Ermordung des Diplomaten Rath in Paris gab den ersehnten Vorwand dazu. Es war ein
furchtbares Kapitel.
323
1937 starb Graf Günter von Bernstorff. Sein Tod wurde allgemein sehr bedauert, hatte er doch
für Gartow-Flecken immer eine offene Hand gehabt. Besonders das Schulwesen lag ihm immer
sehr am Herzen. Sein Nachfolger war sein Bruder Graf Gottlieb von Bernstorff, der Großvater des
jetzigen Grafen Andreas von Bernstorff. Graf Gottlieb hat hier wohl die schwerste Zeit mit durchgemacht,
die je ein Bernstorffer in Gartow durchmachen mußte. Seine Landwirtschaft in Quarnstedt
wurde unter Aufsicht gestellt (Schwerdtfeger), was den alten Herrn sehr kränkte. Auch blieben
Schikanen mancherlei Art nicht aus. Der Graf mußte sich sagen lassen, weil er kein NSDAP-Mann
sei, wäre er auch kein Deutscher. Das hat er nur mit einem inneren mitleidigen Lächeln beantwortet.
Auch alle Mitglieder des Gemeindeausschusses, die rot angehaucht waren, mußten ihre Posten
aufgeben, weil sie dem 1000jährigen Reich einen unermeßlichen Schaden zugefügt hätten.
So sagte man uns das jedenfalls.
Hitler hatte inzwischen eine starke Wehrmacht aufgestellt und fiel nach dem Münchener Abkommen
mit Chamberlain usw. über die Tschechoslowakei her. Natürlich wollte er sie „befreien“; namentlich
das Sudetenland. Jetzt lief die Propaganda auf Hochtouren. Die Judenverfolgungen wurden
immer gottloser. Ihre Synagogen wurden abgebrannt, ihre Geschäfte geplündert. Tausende
von ihnen wurden umgebracht. Es ist heute noch beschämend, was damals stattfand. Auch hatte
sich Hitler eine Leibgarde aufgestellt; das war die SS, in schwarzer Uniform. Beim Röhm-Putsch
1933 hatte sie schon die SA in Schach gehalten. – Das Memelland wurde auch wieder besetzt.
Währenddessen ging es uns in Gartow gar nicht schlecht. Es gab überall Arbeit genug. Auch die
Forstverwaltung unter Oberförster Rädecke war sehr gut beschäftigt.
Die Fa. Aug. Herbst baute große Hallen in Salzwedel und bei Postdam einen Autobahn-Bauhof,
der aus mehreren Großbauten bestand. Bei Bremen wurden sogar Fliegerhallen von ihr erstellt.
Es war alles ganz schön, wenn nur die Diktatur nicht gewesen wäre. Wir „alten Kämpfer“ auf der
„verkehrten“ Seite wurden immer beobachtet und bewacht. Aber hier gilt das alte Bibelwort: „Kann
ein Mohr seine Haut ändern oder ein Panther seine Flecken?“
1939 warfen große Ereignisse ihre Schatten voraus. Alle Handwerker wurden zum Bau des Westwalles
geholt, was sich hier schnell auswirkte. Die Fa. Herbst hatte ihre großen Bauten noch nicht
abgeschlossen, weil sie immer wieder vergrößert wurden.
Im Herbst 1939 war es dann soweit, daß die Herren am Ziel ihrer Wünsche waren. Der Krieg mit
Polen war da.
Not war noch nicht bei uns, aber das Unglück nahm seinen Lauf.
Gartow wurde nun zu einer kleinen Garnison. Das Arbeitsdienstlager wurde doppelt belegt. Alle
Säle und großen Räume wurden beschlagnahmt und durch aufgestellte Bauformationen usw. belegt.
So viele Männer hatte Gartow überhaupt noch nicht gesehen und beherbergt. Wir hatten nun
aber auch eine restlose Diktatur.
Im Gemeinderat wurde jetzt die braune Farbe vollends Trumpf. Die Bürgersteuer war schon eingeführt,
viele andere Schikanen, die mir im einzelnen entfallen sind, folgten zu unserem Leidwesen
bald. Wir gingen bösen Zeiten entgegen.
324
X. Folge
Im August 1939 kamen nachts die ersten Gestellungsbefehle für Soldaten von Salzwedel in Gartow
an. 80 Mann aus Gartow und 22 aus Nienwalde wurden einberufen. 20 Offiziere und auch
Mannschaften quartierte man im Schloß ein. Alle machten sehr ernste Gesichter; alles ging sehr
lautlos zu. Die Springstraße glich einem Heerlager. Auch wurden Lebensmittelkarten und Bezugscheine
ausgegeben.
Am 1. September, morgens um 5.00 Uhr, hatte der Krieg mit Polen begonnen. Um 10.00 Uhr
vormittags hielt der Führer seine Reichstagsrede in Berlin und erklärte: „Wir sind in Polen überall
auf dem Vormarsch.“ Alles stand Kopf und die Welt hielt den Atem an. Wir mußten alle zu Luftschutzübungen,
auch mußte ab sofort alles strengstens verdunkelt werden. Schule war nicht mehr
und fiel lange Zeit aus. In Gartow war schnell Vieles ausverkauft. Aber in Berlin war das wohl nicht
so schlimm. Der Reichsmarschall Hermann Göring sagte: „Wenn ein feindlicher Flieger bis nach
Berlin durchkommt, dann will ich Meyer heißen.“ Er hatte sich aber doch mächtig geirrt. Es kam
nicht nur einer, sondern unzählige aus Berlin. Im Frühjahr 1940 hatten wir als Folge des kalten
und sehr schneereichen Winters sehr mit dem Hochwasser zu tun und unter ihm zu leiden. Dabei
wirkte sich auch das Qualmwasser sehr aus. Auf dem Schloßhof und dem Meierhof mußte mit
Kähnen gefahren werden. Holzmieten schwammen weg und viele sonstige Schäden traten ein. Am
10. April kam die Nachricht, daß deutsche Truppen in Dänemark einmarschiert und in Norwegen
gelandet seien. Jetzt wurden auch die Arbeitskräfte empfindlich knapp. Auf dem Meierhof und den
Sägewerken arbeiteten viele Polen, später dann auch Russen. Ein großer Sturm im November ließ
40000 fm Holz zu seinem Opfer werden. Ein Trupp von 20/25 Polen, der in Rucksmoor in einer
Baracke untergebracht war, arbeitete den Windbruch auf. Durch viele Rüstungsaufträge gab es
in Gartow richtigen Hochbetrieb. Die Firma Herbst mußte sich auf ein Spezialhallenbau für die
„Weserflug“-Gesellschaft einstellen. Das war ganz schwer zu bewältigen, weil einfach zu wenig
Fachkräfte da waren. Anläßlich des 70. Geburtstages von Herrn Werth wurde auch das 50-jährige
Bestehen des Unternehmens gefeiert. Es war trotz des Krieges sehr großzügig aufgezogen und
Herr Werth ließ es an nichts fehlen. Das Fest begann schon um 7.00 Uhr morgens mit Musik.
Aber im November traf die Firma Werth ein schweres Unglück. Ein Großfeuer vernichtete mit allem
Inhalt die Säge- und Hobel-Halle, die Tischlerei, die Getreidemühle und auch das Kesselhaus. Die
Ursache des Brandes wurde nie richtig festgestellt. Die Wiederanschaffung der verbrannten Maschinen
war natürlich sehr schwer und zum Teil gar nicht zu machen.
Wir hatten aber auch ein frohes Ereignis. Auf dem Schloß waren zwei junge Grafen angekommen.
Alle Gartower freuten sich mit der Familie von Bernstorff darüber. Als ich dem Großvater, Graf Gottlieb,
zum Familiennachwuchs gratulierte, sagte er: „Ja nun hat die Bernstorff`sche Eiche wieder
neue Zweige.“ Leider haben die beiden jungen Grafen ihren Vater kaum richtig kennengelernt.
Hierbei muß erwähnt werden, daß die mustergültig geführte gräfliche Forst doch das A und O für
Gartow war und wohl auch bleiben wird. Dann hatten wir hier in Gartow mit Andreas Thorey den
ersten Ritterkreuzträger unseres Kreises, das er für seine Tapferkeit bei der Eroberung von Krasnodar
erhalten hatte. In seinem letzten Urlaub hat er uns seine Erlebnisse hierbei noch persönlich
erzählt. Leider ist er später auch noch gefallen. Die Molkerei hatte inzwischen das Höper`sche
Haus neben der Molkerei gekauft und ließ es abbrechen, um die Molkerei danach erweitern und
modernisieren zu können.
Im Juni 1943 verunglückte der Platzmeister der Firma Werth – Carl Ahrendt – tödlich. Carl Ahrendt
war so etwa 50 Jahre die rechte Hand von Herrn Werth gewesen und hatte dessen unbeschränktes
Vertrauen besessen. Sein Tod wurde allgemein sehr bedauert, weil er immer ein hilfsbereiter
u. dabei bescheidener Mann gewesen war.
325
Er wurde von der Kundschaft und seinen Mitarbeitern noch geschätzt. Das Holzpflasterwerk der
Firma Werth lief jetzt auf Hochtouren, so daß zeitweilig 124 Mann bei der Firma beschäftigt wurden.
An einem Sonntagmorgen im Juni kam die Nachricht, daß der Krieg nun auch mit Rußland begonnen
hätte. Wieder hielt alles den Atem an, hatten doch alle gedacht und gehofft, es wäre zu
einer wirklichen Verständigung mit Rußland gekommen. Es war ein Trugschluß, der bittere Folgen
brachte.
Nun gab es immer weniger Zuteilungen auf die Lebensmittelkarten und die Bezugscheine. Auch
wurde immer mehr eingesammelt, Wollsachen, Flaschen und noch mancherlei mehr. Die große
Läuteglocke wurde aus der Kirche geholt. Durch einen Bautrupp wurde die Kupferleitung des
Ortsnetzes und der Überlandleitungen abgenommen und durch Eisenleitungen ersetzt. Die 1925
gegründete Privatschule wurde aufgehoben. Das Arbeitsdienstlager wurde der Hitlerjugend als
Wehrertüchtigungslager zur Verfügung gestellt. Dann gab es auch wieder etwas mehr auf die Lebensmittelkarten.
Aus Rußland wurden große Kesselschlachten gemeldet. Es gab aber auch mehr
und mehr Rückschläge. So in Afrika und bei Stalingrad, dabei stand im Westen die Invasionslandung
bevor. Auch in Italien ging es zurück. Unsere Lage war sehr ernst – aber nicht hoffnungslos,
wie Goebbels es sah und sagte. Die Bombenangriffe wurden immer zahlreicher und heftiger. Hamburg
hatte als eine der ersten Städte darunter sehr gelitten. Man mag es gar nicht schildern, wie
die Leute oft hier ankamen, fast nichts am Leibe. Viel Leid kam über das ganze Volk. 1944 ging es
mit dem „totalen Krieg“ trotz verzweifelter Anstrengungen immer weiter bergab. Im Winter 44/45
brachen die Gegner in unser eigenes Land ein. Viele Flüchtlinge kamen auch zu uns nach Gartow.
Alle mußten zusammengepfercht untergebracht werden. Die Not wurde immer größer. Im April
waren die Russen dann bis zur Elbe heran. Vom Westen kamen die Amerikaner. In und um Gartow
herum gab es Schiessereien und Verluste. Ein Teil des Schloßhofes und die großen Scheunen
auf dem Meierhof brannten ab, desgleichen Ställe und Scheunen an der Hauptstraße, sowie das
Hospital, Beyers und die Gebäude vor der Seegebrücke. Das Schützenhaus wurde von der letzten
kleinen Gruppe deutscher Soldaten in die Luft gesprengt. Das war sogar noch ein Segen für die
Bevölkerung, weil der dort gelagerte Schnaps nur noch mehr Unglück über uns gebracht hätte.
Schließlich wurden auch noch unsere Seegebrücke und die Schleuse bei Restorf gesprengt. Das
war völlig sinnloser Wahn. Im Mai kam dann das endgültige Ende des Krieges, aber damit auch die
Ungewißheit, was nun werden und über uns kommen sollte.
1945: Nach Sprengung zerstörte Seegebrücke. Zeichung von
K.H. Schwerdtfeger
326
Lebensmittelmarken im 2. Weltkrieg: Bezugsausweis für Speisekartoffeln
Kriegszeit 1942 - 1945
Der um die Heimatgeschichtsforschung so verdienstvolle Lehrer Rudolf Haberland aus Gartow hat
vorausschauenderweise zahlreiche Notizen zur nationalsozialistischen Zeit in Gartow niedergelegt.
Sie beginnen im Dezember 1942 und werden hier auszugsweise wiedergegeben.
Mit zunehmender Kriegsdauer stieg die Zahl der gefallenen Soldaten. Das Ehepaar Hermann und
Auguste Waldow, Gartow, erhielt am 19. Dezember 1942, also kurz vor Weihnachten, die traurige
Nachricht aus dem Osten:
„Sehr geehrter Herr Waldow!
Wie Ihnen der Truppenteil wohl schon mitgeteilt hat, wurde Ihr Sohn, der Gefreite Hermann Waldow,
am 16.12.1942 bei den schweren Kämpfen im Osten durch Kopfschuß schwer verwundet. Er
kam am 17.12.1942 mit ausgezeichneter Wundversorgung in unser Kriegslazarett. Schon bei der
Aufnahme wurde festgestellt, daß es sich um eine unmittelbar lebensbedrohende Verwundung
handelte. Trotz großer Bemühungen mehrerer fachkundiger Ärzte konnte unser mit allen Kräften
erstrebtes Ziel, das Leben Ihres Sohnes zu erhalten, nicht mehr erreicht werden und er ist am
18.12.1942 um 12.30 Uhr ohne Schmerzen sanft entschlafen. Die Beisetzung findet auf dem
Heldenfriedhof in Smolensk bei der Narwa-Kaserne mit militärischen Ehren statt. Mit aufrichtigem
Mitgefühl (Vorgesetzter, Unterschrift).“
Rudolf Haberland, der den Gefallenen von der Schule her kannte, notierte hierzu:
„Die Trauerfeier fand am 10. Januar 1943 in der Kirche zu Gartow statt. Hermann Waldow wurde
am 6.4.1922 in Gartow geboren. Er besuchte von Ostern 1928 bis Ostern 1936 die hiesige Volks-
327
schule und erlernte das Zimmermannshandwerk bei W. Werth in Gartow. Am 2.10.1941 wurde
er zum Wehrdienst in ein Pionierkorps in Magdeburg eingezogen. Am 30.3.1942 trat er die Fahrt
nach Rußland an.“
Einige Tage zuvor erschien in der Zeitung folgende Todesanzeige:
„Gartow, den 4. Januar 1943. Wir erhielten die tieftraurige Nachricht, daß unser inniggeliebter
Sohn, Bruder, Großsohn, Neffe und Vetter, der Gefreite Hermann Waldow am 18.12.42 sein junges
Leben im Alter von 20 Jahren für Führer, Volk und Vaterland hingab. Er wurde auf einem Heldenfriedhof
im Osten mit militärischen Ehren beigesetzt. In tiefer, stiller Trauer: Hermann Waldow
und Frau Auguste geb. Appelt nebst Kindern und allen Verwandten. Die Trauerfeier findet am 10.
Januar 1943, um 10 Uhr in der geheizten Kirche statt.“
Am 8. Januar 1943 erhielt das Ehepaar Otto und Elisabeth Beneke aus Gartow ebenfalls eine
Todesmeldung ihres Sohnes Walter von dessen Vorgesetzten:
„Bei einem Angriff auf einen wichtigen Abschnitt wurde das Fahrzeug, in dem Walter als Funker
Dienst machte, von einem russischen Panzer beschossen. Ein Geschoß durchschlug das Fahrzeug
und tötete Walter sofort. Zwei weitere Funker desselben Fahrzeugs wurden schwer verwundet. Am
18.12.1942 nachmittags wurde Walter in Tennowyj, 30 km nordöstlich Kotelnikow an der Eisenbahn,
südwestlich Stalingrad unter militärischen Ehren beigesetzt.“ (Vorgesetzter, Unterschrift).
Am 18.1.1943 erschien die Todesanzeige mit folgendem Wortlaut:
„Wir erhielten die traurige, immer noch unfaßbare Nachricht, daß unser einziger, lieber Sohn,
guter Bruder und Enkel, der Oberfunker Walter Beneke im Alter von 21 Jahren am 17. Dezember
1942 den Heldentod im Osten starb. Er gab sein junges, blühendes Leben, wir unser Teuerstes
fürs Vaterland. In tiefer Trauer: Otto Beneke und Frau Elisabeth geb. Schulze, seine liebe Schwestetr
Elisabeth und Großmutter und alle seine Lieben, die um ihn trauern. Mit den Angehörigen
trauern wir um einen tüchtigen, treuen Mitarbeiter. Betriebsführer und Gefolgschaft der Firma
August Herbst, Gartow. Die Trauerfeier findet am Sonntag, den 24. Januar, vorm. 10 Uhr, in der
geheizten Kirche zu Gartow statt.“
Fast zeitgleich kam die nächste Gefallenennachricht in Gartow an. Empfängerin war Elsbeth
Warnecke in Kapern, sie formulierte folgende Todesanzeige:
„Gartow, Kapern, 16. Januar 1943. Hart und schwer traf uns die traurige, unfaßbare Nachricht,
daß mein inniggeliebter, unvergeßlicher Mann, meiner zwei kleinen Kinder herzensguter Papi,
unser lieber Schwiegersohn, Bruder, Schwager, und Onkel, der Oberschütze Walter Warnecke bei
den schweren Kämpfen in Afrika im 34. Lebensjahre am 24. November 1942 fürs Vaterland den
Heldentod fand. In tiefem Schmerz: Elsbeth Warnecke geb. Bäthke, Elsa und Friedel Warnecke
nebst Eltern und Geschwistern. Trauerfeier am Sonntag, den 31. Januar um 13 Uhr in der Kirche
zu Gartow.“
Lehrer Haberland ergänzte:
„Walter Warnecke wurde am 13. April 1942 zur Wehrmacht eingezogen und ist am 24. November
in den Rückzugskämpfen bei Agedabia in Libyen gefallen. Er war Zimmermann bei der Firma August
Herbst und wurde nicht nur von seinen Arbeitskameraden sondern auch von seinem Arbeitgeber
hoch geschätzt. Mit seiner jungen Frau trauern auch 2 Töchter im Alter von 3 und 7 Jahren
um den Tod des Vaters.“
Es folgen weitere ausgewählte Notizen von Rudolf Haberland:
328
„Am Abend des 16. und 17. Januar (1943) überflogen feindliche Flieger unsere Gegend zu Angriffen
auf Berlin. Am 16. wurden zwei, am 27. fünfundzwanzig feindliche Bomber abgeschossen.
Auch deutsche Flugzeuge mit roten, gelben und grünen Lichtern überqueren jetzt häufig des
Nachts unser Heimatgebiet.“
„Am 30. Januar (1943) fand um 15 Uhr anläßlich des 10. Jahrestages der Machtübernahme im
Krügerschen Saale eine Kundgebung der Partei statt. Der stellvertretende Kreisleiter Krome aus
Wustrow und der Kreispropagandaredner Landwirtschaftsrat Keller aus Lüchow wiesen auf die
Bedeutung des Tages und den Ernst der Lage hin. Wir hätten in Afrika und Russland Rückschläge
erlitten, müßten aber auch solche mit starkem Herzen hinnehmen. Der bisherige stellvertretende
Ortsgruppenleiter Adolf Schulz aus Holtorf wurde wegen Arbeitsüberlastung von seinem Amt entbunden.
An seine Stelle trat Parteigenosse (Pg) Otto Schwerdtfeger aus Quarnstedt. Ortsgruppenleiter
Emil Könecke ist Soldat in Afrika.“
„…Sehr unangenehm bemerkbar macht es sich auch, daß seit dem 4.7.1941 Dentist Tornow und
seit dem 1.10.1941 auch Zahnarzt Dr. Köster wieder zur Wehrmacht eingezogen worden sind.“
21.3.1943
„Heute gedachten wir wie überall im Reich der gefallenen Helden (Heldensonntag). Die kirchliche
Feier fand um 9 ½ Uhr in der Kirche statt, die Feier der Partei um 15 Uhr am Ehrenmal. Kreispropagandaleiter
Keller aus Lüchow hielt die Gedenkrede. Ein Kriegsappell der Partei im Krügerschen
Saal schloß sich an. Auch in dieser Versammlung sprach Pg. Keller, Lüchow. Er zeigte in seinen
Ausführungen die Notwendigkeit der totalen Mobilmachung und wies auf den Ernst der Lage hin.
Nicht nur im Osten hätten wir schwere Abwehrkämpfe zu bestehen, es drohe auch im Westen eine
feindliche Invasion.“
25.3.1943
„Heute wird bekannt, daß der Arbeiter Joachim Schulz verhaftet worden ist und gestern morgen
durch den Landjäger Schmidt nach Lüneburg abgeführt wurde. Es soll sich um politische Vergehen
handeln. Am 3.4. wurde Schulz, wie man sagt, wegen mangelnder Beweise wieder freigelassen.“
„ (März 1943) In den letzten Nächten hörten wir wieder öfters das Brummen von Flugzeugen, besonders
stark gestern abend zwischen 10 und 11 Uhr. Wie aus dem heutigen Wehrmachtsbericht
hervorgeht, sind es gestern abend wohl wieder feindliche Flieger gewesen, die einen Angriff auf
Berlin unternommen haben. Im Laufe des Februar und März haben wieder Luftschutzübungen
stattgefunden.“
30.3.1943
„Gestern abend zwischen 11 und 12 Uhr hörte man wieder das tiefe Motorengebrumme schwerer
feindlicher Bomber und heute Mittag brachte der Wehrmachtsbericht die Meldung, daß Berlin und
Orte in Westdeutschland angegriffen wurden. Doch erlebten die Anglo-Amerikaner dieses Mal eine
schwere Abfuhr. 27 Bomber wurden abgeschossen, nach einer amtlichen englischen Meldung
sind sogar 33 Flugzeuge nicht wieder nach England zurückgekehrt. Heute morgen wurde die Landwacht
alarmiert. Bei Marleben sollte ein feindlicher Fallschirmspringer abgesprungen sein. Doch
stellte sich das später als ein Irrtum heraus: ein losgerissener Fesselballon hatte seinen Weg über
Marleben genommen und man hatte diesen für einen Fallschirm gehalten. Zahlreiche feindliche
Flugblätter sind über Nienwalde, Schnackenburg und anderen Orten abgeworfen worden und bei
den hiesigen Landjägern, wie es Vorschrift ist, abgeliefert worden.“
329
8. April 1943
„Gestern ist gegen 14 Uhr auf den Serigwiesen, etwa ½ km von der Laascher Ziegelei entfernt,
ein deutsches Flugzeug, eine Heinkel 111, notgelandet. Es mußte eine Bruchlandung vornehmen,
da einer der beiden Motoren aussetzte. Wie mir von den heute aus Salzwedel eingetroffenen Flugplatzmonteuren
erzählt wurde, kam das Flugzeug aus dem Osten und ist in Stalingrad zur Bergung
von Kranken und Verwundeten eingesetzt gewesen. Von den 8 Mann der Besatzung (4 Mann
Besatzung, 4 Urlauber) ist niemand verletzt worden. Die Beschädigungen am Flugzeug sind nicht
erheblich. Nur die Propeller waren stark verbogen. Da das Flugzeug sich in ostwestlicher Richtung
über einen Graben (1 m breit) gelegt hat, der Boden sehr naß ist und ein unangenehmer kalter
Nordwind bläst, ist das Abmontieren des Flugzeugs eine recht unangenehme Arbeit. Am 8. und
9. April wurden die beiden Flügel von Monteuren aus Salzwedel und Perleberg abmontiert, am 9.
abends wurde der Rumpf abgeschleppt.“
10.4.1943
„Auch ein Zeichen der Zeit! Das Auto der Gaufilmstelle, die in Abständen von 14 Tagen bis 3 Wochen
auch in Gartow im Krügerschen Saale stark besuchte Filmvorführungen veranstaltet, wird
wegen Mangel an Benzin von einem Pferdegespann von Ort zu Ort gezogen.“
„Am Sonntag, den 11.4.1943 wurde im Krügerschen Saale das 10 jährige Bestehen der Ortsfrauenschaft
Gartow gefeiert. Zeitungsausschnitt: „Zu einer schlichten Feierstunde aus Anlaß der
Wiederkehr des 10 jährigen Gründungstages der Ortsfrauenschaft Gartow hatten sich zahlreiche
Frauen am letzten Sonntag aus allen Zellen der Ortsgruppe sowie Vertreter der Partei im festlich
gerichteten Krügerschen Saale eingefunden. Nach der Begrüßung sprach der Stellv. Ortsgruppenleiter
Schwerdtfeger zu den Frauen und wies besonders auf die notwendige innere Haltung
hin, die die Einsatzbereitschaft der deutschen Frau jetzt im Kriege unter Beweis zu stellen hat.
Es geht nicht an, heute noch lange zu überlegen, ob der Arbeitseinsatz für die eine oder andere
Frau in Frage kommt, sondern es ist selbstverständlich, daß gearbeitet wird, wo es nottut. Die
Ortsfrauenschaftsleiterin Hennings appellierte in ihren Ausführungen erneut an die Tatkraft der
deutschen Frau, die im Kriege auch die Kampfgefährtin des Mannes ist. Sie dankte den langjährigen
Mitarbeiterinnen, besonders der Leiterin Johns, für die geleistete treue Arbeit in Gartow. Einen
umfassenden Rückblick über die Entwicklung der Ortsfrauenschaft gab anschließend die Parteigenossin
Johns. So viel auch in den Jahren für den Aufbau geleistet wurde, desto mehr verpflichtet
uns die Gegenwart, weiterhin mit allen Kräften alles zu tun, was der Führer von uns fordert.
Größer als alle Not ist die Treue und alles Große in der Welt ist nur durch Treue geworden! Ein
Musikstück, Prolog und gemeinsam gesungene Lieder umrahmten die erste Hälfte der Feierstunde,
die mit den Liedern der Nation endete. Mit frischen Liedern und netten Volkstänzen des BDM
(Bund Deutscher Mädchen), einigen fröhlichen kleinen Vorträgen und Gesangsstücken wurden
die Frauen bei der anschließenden Kaffeetafel erfreut. Es war ein schöner Nachmittag, der ein
Auftakt zu weiterer gemeinsamer Arbeit in der NS-Frauenschaft sein soll.“ 1
„Am 20.4.1943 fand im Krügerschen Saale eine schlichte Feier anläßlich des 54. Geburtstages
des Führers statt, an der auch die hiesige Arbeitsdienstabteilung teilnahm.“
„Am Vormittag wurden im Köhnschen Gasthause 101 Gasmasken für Männer und Frauen verkauft.
Die ersten Gasmasken wurden vor etwa einem Jahr verkauft.“
330
„Heute, am 2. Ostertag, war in Gartow kein Gottesdienst. Ob das wohl schon einmal vorgekommen
ist, so lange die Kirche steht?“
„Die Jugendherberge Gartow hat aufgehört zu bestehen. Heute Vormittag (am 2. Ostertag!) wurden
die 20 Betten und das übrige Inventar von Lastwagen aus Lanze abgeholt, um dort zur Einrichtung
eines neuen Landdienstlagers verwendet zu werden. Die Überführung geschah auf Anordnung der
Gebietsführung der Hitler-Jugend in Lüneburg, der seit dem 1. November 1942 sämtliche Jugendherbergen
und Landdienstlager des Gebietes unterstehen. Die Jugendherberge wurde 1925 (?)
von dem Deutschen Jugendherbergsverband, Gau Nordmark (Altona) eingerichtet. Sie sollte jugendlichen
Wanderern für billiges Geld ein Unterkommen bieten. Es zahlten seit 1933 Schüler und
Mitglieder von Hitler-Jugend-Gruppen 20 Pfennig, Inhaber von „Bleibenausweisen“ 30 Pfg., alle
anderen 50 Pfg. Die Herberge wurde nie stark besucht (1929 = 55 Übernachtungen, 1931 = 88,
1932= 127, 1933 = 89, 1934 = 125, 1935 = 180, 1936 = 126, 1937 = 117, 1938 = 118, 1939
= 33, 1940 = 23, 1941 = 4, 1942 = 0), aber gerade deswegen fühlten sich die jugendlichen und
erst recht die älteren Wanderer in unserer Herberge sehr wohl. Der Herbergsvater, Herr C. Dorsch,
hat manches Dankschreiben erhalten. Herbergsleiter war der Unterzeichnete (Rudolf Haberland).
1930 wurde die Jugendherberge dem Landesverband Hannover des Reichsverbandes für Deutsche
Jugendherbergen unterstellt, dann dem Landesverband Nordsee (Oldenburg) unterstellt. Mit
dem 31. Dezember 1941 hörten die Landesverbände des Deutschen Jugendherbergswerks auf zu
bestehen. Die NSDAP nahm die Deutschen Jugendherbergen in ihre Obhut.“
1. Mai 1943
„Auf Anordnung des Reichsministers für Propaganda und Volksaufklärung herrschte am heutigen
Nationalen Feiertag des deutschen Volkes Arbeitsruhe wie an Sonntagen. Veranstaltungen fanden
nicht statt. Der Tag sollte ausschließlich der Entspannung der schaffenden Bevölkerung dienen.“
„Am Dienstag ,11. Mai, fanden in Dannenberg wieder Musterungen älterer Jahrgänge (1897,
1898, 1899) statt. Auch verschiedene Gartower wurden kriegsverwendungsfähig befunden und
rechnen mit ihrer baldigen Einziehung.“
5. Juni 1943
„Seit gestern Abend stehen wieder Posten der Landwacht, verstärkt durch sonstige Männer aus
dem Orte, an der Straßengabelung bei der Alten Post. 67 englische Offiziere sind aus dem Gefangenenlager
Eichstätt bei Nürnberg entwichen. Wie jetzt bekannt wird, sind gelegentlich der großen
Fahndung im März dieses Jahres im Reich über 13900 Personen (Kriegsgefangene, Fahnenflüchtige,
steckbrieflich Verfolgte usw.) festgenommen worden.“
„Zum Militärdienst eingezogen wurde Alfred Schulz, am 25. Juni Otto Pewestorf, Adolf Schleese,
Johann Niemann. Am 28. Juni fand auf dem Schützenplatz wieder eine Pferdemusterung statt.“
Juli 1943
„Gelegentlich einer Dienstversammlung der Bürgermeister in Lüchow am 13. Juli, zu der auch die
Gendarmen und Vertreter des Reichsluftschutzbundes eingeladen waren, ordnete der Landrat als
örtlicher Luftschutzleiter an, daß in allen Orten des Kreises, die nicht ausreichend Luftschutzraum
zur Verfügung haben, Deckungsgräben zum Schutz der Bevölkerung gegen Luftangriffe in kürzester
Zeit anzulegen seien. Da auch in Gartow nicht genügend Luftschutzkeller vorhanden sind, muß
auch hier der Bau von Deckungsgräben in Angriff genommen werden.“
331
„Am 20. Juli hatte der Ortsbauernführer Gastwirt und Landwirt Adolf Krüger die Landwirte und
Bauern Gartow zu einer Versammlung eingeladen. Es wurde bekanntgegeben, daß die Ortsbauernschaft
in diesem Jahre 7530 Doppelzentner Kartoffeln abzuliefern hat (3000 dz wurden im
vergangenen Jahr geliefert). Es sind also für den Morgen Land bei einer Anbaufläche von 250
Morgen 65 Zentner abzuliefern von den Betrieben, die über 1 Morgen anbauen. Das ist viel, da
voraussichtlich die Ernte nicht so gut ausfallen wird, wie im vergangenen Jahre. Es wurden auch
Meldungen über Schweinemastverträge entgegen genommen (1 Schwein = 3 Zentner Korn, 3
Zentner Zuckerschnitzel).“
„Am 22. Juli früh von 4 bis 8 Uhr fand eine Fahndung der Landwacht, des Gartower Arbeitsdienstlagers,
der Polizei und der Förster nach entwichenen Kriegsgefangenen usw. statt. Im Walde bei
Rucksmoor wurde ein Ballon gefunden, bei Vietze zwei entwichene ukrainische Arbeiter festgenommen.“
„Am 26. Juli 1943. Wie eine Bombe schlug heute morgen die Rundfunknachricht vom Rücktritt
Mussolinis ein. Überall ein erregtes Fragen: Was bedeutet das?, welche Folgen hat das? Und
manchmal hört man auch den schicksalschweren Satz: Das ist der Anfang vom Ende: 2.) Erschütternd
sind auch die Nachrichten, die aus Hamburg kommen. In der Nacht vom 24.7. zum 25.7. ist
Hamburg bombardiert worden. Die ersten Flüchtlinge aus Hamburg sind in Gartow eingetroffen
(Verwandte von Gastwirt Köhn). Wer Verwandte in Hamburg hat, kann weder telephonisch noch
telegraphisch Verbindung mit ihnen bekommen. Heute soll Hannover bombardiert worden sein.“
30. Juli 1943
„Hamburg ist seit dem 25.7. wiederholt bei Nacht und am Tage bombardiert worden, auch in letzter
Nacht wieder und wieder meldete der Wehrmachtsbericht von heute Mittag schwere Verwüstungen
und hohe Menschenverluste. Die stolze Hansestadt Hamburg ist nur noch ein Schutt- und
Ruinenfeld. Zahlreiche Flüchtlinge trafen auch in Gartow auf Lastwagen ein und wurden hier untergebracht,
meist bei Verwandten und Bekannten. Fast alle haben nur das nackte Leben gerettet
und das Zeug, was sie trugen. Einzelne Frauen kamen im Nachthemd, ohne Schuhe und Strümpfe
hier an. Überall sieht man verweinte und vergrämte Gesichter. Die ungeheuerliche Katastrophe
von Hamburg hat nur das Gute zur Folge, daß man jetzt mit größerem Eifer als bisher an den Ausbau
von Luftschutzkellern und Deckungsgräben geht. Heute und morgen vormittag sind 50 Mann
vom Reichsarbeitsdienst für die Ausschachtung von Deckungsgräben eingesetzt.“
1.August 1943
„Bei der Alten Post steht wieder ein Posten der Landwacht, um nach den zahlreichen Kriegsgefangenen
zu fahnden, die aus Hamburg entwichen sind…“
„Am 18. August fand im Parteilokal wieder ein Kriegsappell der Partei statt, an dem auch der neue
Kreisleiter Hermann teilnahm. Nach kurzen Begrüßungsworten des Ortsgruppenleiters Schwerdtfeger
hielt derselbe einen ausführlichen Vortrag über die allgemeine Lage. Er brachte zum Ausdruck,
daß wir zur Zeit noch in einem Wellental stünden, daß es aber wieder aufwärts gehen würde,
daß umfangreiche Vorbereitungen zu einem Schlag gegen England getroffen wurden und das
der Krieg erst zu Ende sei, wenn der Sieg errungen wäre.“
„Sonnabend, den 21. August. Der Zustrom der Flüchtlinge aus Hamburg, Hannover und Berlin
ebbt allmählich ab. Die ungeheure Erregung, in der sich die Bevölkerung zu Anfang des Monats
befand, hat sich gelegt. 180 Flüchtlinge aus Hamburg waren zeitweise in Gartow untergebracht,
332
einzelne sind schon wieder nach Hamburg zurückgekehrt, dafür sind andere aus Hamburg, Berlin
und Hannover gekommen. In den letzten Nächten hörte man häufig starkes Motorengebrumme
von Flugzeugen, auch wohl mal das Schießen der Flak, irgendwo weit in der Ferne. Jedesmal
glaubte man, es müßten wohl englische und amerikanische Bomber gewesen sein, die zu einem
Großangriff auf Berlin unsere Gegend überflogen hätten. Man erwartet doch nun nach Hamburg
auch einen Angriff auf Berlin. Der Wehrmachtsbericht hat jedoch noch nichts von einem Angriff
auf Berlin gemeldet. Feindliche Flugzeuge haben in letzter Nacht auf Wiesen, Weiden und Feldern
mit 3 cm breiten Stanniolstreifen überklebte, 8 cm breite und etwa 30 cm lange Papierstreifen abgeworfen.
Die Papierstreifen sollen vergiftet sein. 4 Deckungsgräben sind fertig. Die übrigen sind
wohl ausgehoben worden, aber die Verschalung und Überdeckung fehlt noch.“
2. September 1943
„Nun endlich ist in den Schulbetrieb etwas Ruhe gekommen. Der Zustrom der Schüler aus luftbedrohten
Orten scheint aufgehört zu haben. Heute wird unsere Schule besucht von:
14 Schüler aus Hamburg, 2 aus Wesermünde, 3 aus Hannover, 4 aus Berlin, 2 aus Celle, 1 aus
Düsseldorf, 2 aus Magdeburg, 2 aus Köln, zusammen 30 Schüler. Dazu kommen 129 Schüler
aus Gartow und 22 Schüler der Oberstufe aus Nienwalde, so daß jetzt in den 4 neugebildeten
Klassen 181 Kinder zu unterrichten sind…. Heute um 11 Uhr hielt der Oberst-Feldmeister und
Abteilungsleiter des hiesigen Arbeitsdienstlagers für die Jungen des 7. und 8. Schuljahres einen
Aufklärungsvortrag über die Aufgaben des Arbeitsdienstes….“
Erntedankfest 3. Oktober 1943
1.) Gut besuchte kirchliche Feier (Pastor Hoffmann),
2.) Um 3 Uhr Feier der Partei im Krügerschen Saale (Ansprachen des Ortsbauernführers, des Bezirksbauernführers
Schulz, Holtorf, des Arbeitsdienst-Lagerführers Oberstfeldmeister Kleinhammer
und des Ortsgruppenführers Schwerdtfeger, Lieder eines Jungmädchenchors, vierhändiges
Klavierspiel, Gedichtvorträge). Weitere Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse: Seit dem 1.
Oktober fährt am Sonntag und Dienstag jeder Woche überhaupt kein Postauto mehr. Auch das
Auto Bömenzien-Seehausen, das auch kräftig von Gartowern benutzt wurde, und sogar jeden Tag
fuhr, verkehrt bis auf Weiteres nicht mehr. Der Andrang zu den großen Postautos am Montag, Mittwoch
und Sonnabend ist so groß, daß häufig bis zu 15 Personen zurückbleiben.“
„Flugzeugunglück bei Wirl am 5. Oktober 1943. Am 5.10. 12.15 Uhr mußte auf einer Moorwiese
bei Wirl eine Heinkel 177 (4 Motoren, 2 Propeller) notlanden. Sie war um 10.30 Uhr vom Lechfeld
abgehoben und befand sich auf dem Wege nach Kopenhagen. Sie mußte notlanden, weil zwei
Motoren versagten und ein Motor in Brand geriet. Die Maschine hatte bei der Landung noch eine
Geschwindigkeit von 170 km/Std., streifte mit dem linken Flügel einen Eichbaum, geriet in einen
tiefen Graben und brannte vollkommen aus. Von der 8 Mann starken Besatzung waren drei sofort
tot und ein Mann wurde schwerverletzt geborgen. Otto Schulz, Springstr., vermißt 9.10.1943.“
20.10.1943
„Große Aufregung in Gartow heute abend. Von 19 ½ bis 21 ½ Uhr brummten unaufhörlich Flugzeuge
über den Wolken. Es regnete, trotzdem viele Leute auf der Straße. Aufgeregtes Rufen, wenn
sich irgendwo ein Lichtschein in den Fenstern zeigte. Hin und wieder ein Aufblitzen am Himmel,
besonders im Süden. Um 21 ¼ Uhr plötzlich ein leichter Explosionsknall, dann wurde es taghell. In
Richtung Wittenberge ein heller Feuerschein, der erst jetzt (22 Uhr) erloschen ist. Was hatte das
Ganze zu bedeuten? Ein Angriff auf Berlin oder auf Wittenberge?“
333
23.10.1943
„Der Einflug feindlicher Flugzeuge am Abend des 20.10. war doch kein Angriff auf Berlin. Eine
ganze Reihe von Orten, darunter auch Landgemeinden, wurden nach dem Wehrmachtsbericht mit
Bomben belegt. Auch südlich von Gummern ist am sogenannten Roten Peek eine Sprengbombe
zum Abwurf gelangt, hat jedoch nur eine Starkstromleitung durch ihre Splitter etwas beschädigt.
Von den etwa 100 südlich Gummern und Stresow abgeworfenen Brandbomben, meist Stabbrandbomben,
hat eine eine Strohdieme bei Gummern in Brand gesetzt, daher der helle Feuerschein.
Am Morgen des 21.10. fand man überall abgeworfene Silberpapierstreifen, die die deutschen
elektrischen Meßgeräte stören sollen.“
„Am 9. November Heldengedenkfeier der Partei im Parteiheim, am 14. November öffentliche Feier
bei Krüger. Es sprach der Kreispropagandaleiter Landwirtschaftsrat Keller aus Lüchow. Er sprach
sehr zuversichtlich aber doch nicht überzeugend. „Wir haben uns in Rußland nicht aus Schwäche
zurückgezogen, wir wollten die Russen nur hinter uns her locken“. Dabei mußte er allerdings zugeben,
daß die Lage in Rußland nicht gerade rosig sei. Die Russen waren ja auf dem Vormarsch
nach Shitomir. Auch von einem vernichtenden, ja kriegsentscheidenden Schlag gegen England
sprach er wieder.“
20. Dezember 1943
„Eine heftige Detonation erschreckte heute 11.20 Uhr die Einwohnerschaft Gartows. Fenster und
Türen sprangen auf, es sollen sogar Blumentöpfe von den Fensterbänken gestürzt sein. Bis jetzt
ist nicht bekannt, was es gewesen ist – Es soll eine Explosion in Dömitz gewesen sein, 6 Tote soll
es gegeben haben.“
„Seit dem 1. Januar 1944 ist nun Gartow auch Sitz der größten Angestellten-Krankenkasse
Deutschlands geworden. Die Barmer Ersatzkasse ist vom dauernd luftbedrohten Bremen nach
Gartow übergesiedelt und hat in den oberen Räumen des Rathauses Büroräume eingerichtet für
17 Angestellte (jeweils Mädchen und Kriegerfrauen). Die jungen Damen haben Wohnungen im
Schloß erhalten.“
„Kriegsappell am 26. Januar 1944 im Köhnschen Gasthause, geleitet von dem stellvertretenden
Ortsgruppenleiter Schwerdtfeger. Es wurde bekannt gegeben, daß in Gartow 10 sogenannte Behelfsheime
errichtet werden sollen für Bombengeschädigte, in
Gorleben zwei. Der Jahrestag der Machtübernahme (30. Januar) soll in Lüchow durch eine große
Kundgebung am 29. Januar begangen werden. An dieser Kundgebung zum „Tag des ewigen deutschen
Reiches“ sollen auch aus Gartow Hoheitsträger und Mitglieder der Partei teilnehmen.“
„Manöver auf dem Höhbeck, 23. - 25. Februar 1944. Am 23., 24. und 25. Februar 1944 war der
Höhbeck Schauplatz einer größeren Manöverübung. Am Vormittag des 23.2. durchzogen Grenadierabteilungen,
von Salzwedel kommend, Gartow. Mittags erfolgten „feindliche“ Fliegerangriffe
u.a. auf Trupps, die sich am Westausgang von Quarnstedt und in Restorf „festgesetzt“ hatten. Dabei
wurde von einem tieffliegenden Flugzug zur Markierung eines Bombenabwurfs versehentlich
eine Patrone auf das Dach des letzten Hauses in Quarnstedt geworfen. Im Nu stand das Strohdach
im Brand. Da keine langen Leitern zur Hand waren, war ein Löschen unmöglich. Das Dach und
die Dachgeschoßräume brannten nieder. Der untere Teil des Hauses blieb erhalten, auch konnte
sämtliches Mobiliar der Bewohner des Hauses gerettet werden. Es wohnten in dem Hause die
Familie des Gutsarbeiters Kruppa, des Gutsarbeiters Gartz und Patora.“
334
„Bombenabwurf bei Holtorf am 4.3.1944 etwa 4 Uhr morgens. Vier Bomben, darunter ein Blindgänger,
wurden abgeworfen. Zwei Bomben explodierten auf einer Wiese zwischen dem Westausgang
des Dorfes und dem Elbdeich, eine 100 m nördlich des Gasthauses in Holtorf. Etliche Fensterscheiben
wurden zertrümmert. Sprengstücke wurden wohl auf den Höfen gefunden, richteten
aber keinen Schaden an.“
25.3.1944
„Seit einigen Tagen bringt der Rundfunk stündlich eine Meldung über die Luftlage. Gestern abend
wieder Flugzeug-Gebrumme. Terrorangriff auf Berlin.“
1. April 1944
„Seit dem 1. April ist in Gartow endlich wieder eine Zahnbehandlung möglich. Der staatlich geprüfte
Dentist Karl Heinz Jezek hält in der Praxis des Dentisten Tornow Sprechstunden ab. So
haben die Bemühungen des Bürgermeisters und der Leiter von größeren Betrieben endlich Erfolg
gehabt. Auch Tierarzt Hennings ist Ende März aus dem Militärdienst entlassen worden und übt
seine Praxis wieder aus.“
19. April 1944
„Der gestrige Dienstag wird zu den Tagen gehören, die man in Gartow nicht vergessen wird. Von
etwa 13 ½ bis 16 Uhr überflogen weit über 1000 feindliche Flugzeuge Gartow und Umgebung
meist in westöstlicher Richtung. Förster Harms hat 21 Pulks gezählt und mit dem Fernglas beobachtet.
Zu jedem Pulk gehörten 24 viermotorige Bomber und 48 Jäger. Die Flugzeuge flogen meist
in großer Höhe, die Jäger oft so hoch, daß sie mit dem bloßen Auge kaum erkannt werden konnten.
Es war ein schauerlich-schöner Anblick… Zum ersten Male gab gestern gegen 2 ¼ Uhr die auf
dem Rathaus angebrachte Alarmsirene durch ein dreimaliges Aufheulen „Voralarm“ und gegen 4
Uhr durch ein langandauerndes gleichmäßiges Heulen das Signal „Entwarnung.“
Etwas nach 4 Uhr konnte man in Richtung Wittenberge das Aufsteigen von mächtigen Rauchpilzen
beobachten und bald zeigte eine breitgelagerte Rauchwolkenbank das Aufkommen von Großbränden
in Wittenberge an. Bis nachts um 2 Uhr war der rot leuchtende Himmel noch von der Seegebrücke
aus zu beobachten. Bei Wirl wurden von den feindlichen Flugzeugen Brandbomben abgeworfen,
die einen größeren Waldbrand hervorriefen. Bei Prezelle soll ein amerikanisches Flugzeug
abgestürzt sein. Die Bevölkerung war von diesem Einflug einer so großen Zahl von Flugzeugen tief
beeindruckt, zumal deutsche Jäger kaum in Erscheinung traten. Man ist allgemein der Meinung,
daß bald etwas Durchgreifendes geschehen muß, wenn nicht unsere gesamte Rüstungsindustrie
lahmgelegt werden soll.
Im Wehrmachtsbericht hieß es heute über diesen Angriff: In den Mittagsstunden des 18. April
drangen starke nordamerikanische Bomberverbände unter Jagdschutz bis in den Raum von Berlin
vor. In verschiedenen Orten, besonders in Rathenow, entstanden Schäden und Verluste unter der
Bevölkerung. Trotz schwerer Abwehrbedingungen wurden 44 Flugzeuge, darunter 40 Viermotorige
Bomber, abgeschossen. Also von 500 Bombern 40 = 8%. Das ist nicht viel. Die Perleberger Jäger,
so erzählt Pötter Scheel, waren über Berlin zum Schutz der Reichshauptstadt eingesetzt. Flugplatz
in Perleberg wurde bombardiert.“
Auch Rudolf Haberland mußte einen herben Verlust hinnehmen:
„4. Mai 1944. Und gestern, am Vortage meines Geburtstages, erhielt ich die Nachricht, daß mein
lieber, guter, einziger Junge, Rudolf Haberland für seine geliebte Heimat gefallen ist. Wozu lebt nun
man noch auf dieser Welt?“
335
8.5.1944
„Nun auch Wilhelm Kraasmann und der Mann von Elsa Winter vermißt. Eine Hiobsbotschaft jagt
die andere. Seit Januar hat auch Robert Schrader nicht mehr geschrieben…“
27.6.1944
„Am letzten Sonntag (24.6.44) hatten wir zwei Heldengedenkfeiern in Gartow, am Nachmittag um
14 Uhr eine kirchliche für Rudolf Born aus Nienwalde, am Vormittag 10 ½ Uhr eine von der Partei
veranstaltete für den Zellenleiter Fritz Scheffler aus Meißen (Schwiegersohn von Kaufmann Kuno
Johns). Die letztere fand im Krügerschen Saale statt in Gegenwart des Kreisleiters. Die Gedenkrede
brachte der Hauptgemeinschaftsleiter Martin Wulf aus Hitzacker zur Verlesung. Wie groß sind
doch noch die weltanschaulichen Gegensätze in unserem Volke, daß nicht einheitlich gestaltete
Feiern gehalten werden können!...“
„Am 15. Juli 1944 waren 127 Evakuierte in Gartow untergebracht, davon 54 aus Hamburg, 28 aus
Berlin, 11 aus Hannover.“
24. Juli 1944
„Versammlung der Luftschutzhauswarte am 18.7. Verteilung auf Deckungsgräben und Keller
durchgesprochen. Alarmordnung neu festgesetzt. Damit die Arbeit auf dem Felde und in den Sägewerken
möglichst wenig gestört wird, soll auch bei Vollalarm die Arbeit weiter gehen und der
Verkehr auf der Straße nicht unterbrochen werden. Nähern sich aber feindliche Flieger während
des Alarms, so hat sich jedermann in Deckung zu begeben. Eisengitter vor den Fenstern der Luftschutzräume
sind zu entfernen.“
1.8.1944
„Typisch für die Deutsche Kriegsberichterstattung jetzt: die deutschen Truppen hielten den feindlichen
Angriffen stand, setzten sich dann aber einige Kilometer ab.“
2. August 1944
„19 Evakuierte (Frauen und Kinder) trafen heute wieder aus Hamburg ein und wurden in Gartow
untergebracht. Der letzte Angriff auf Hamburg am 28. Juli hat manche Mutter doch geneigter gemacht,
Hamburg zu verlassen.“
28.9.1944
„In der Nacht vom 25. zum 26. September morgens zwischen 3 und 4 Uhr wurden viele Einwohner
Gartows aufgeschreckt durch ein starkes Schießen. Wie sich herausstellte, fand südlich und
westlich von Gartow, zum Teil auch in den Straßen Gartows eine Übung von Luftlandetruppen aus
Salzwedel statt.“
„Gestern abend (27. Sept. 1944) große Kundgebung im Krügerschen Saale. Der Kreisleiter Pg.
Hermann sprach. Ausgehend von dem Verrat Finnlands, Rumäniens und Bulgariens und der dort
beginnenden Schreckensherrschaft des Bolschewismus, zeichnete er ein Bild von den Zuständen,
die uns bevorstehen, falls es den Feinden gelingen sollte, Deutschland zu überwältigen. Der Feind
stehe an den Grenzen des Landes und die schnelle Inbesitznahme Frankreichs und Belgiens
durch die Anglo-Amerikaner habe uns alle überrascht. Aber damit wäre der Krieg doch noch nicht
verloren. Neue Divisionen, neue Waffen und die unerschütterte Moral des Deutschen verbürgten
den Endsieg.“
336
7. Oktober 1944
„Seit Montag, den 25. September besteht im ehemaligen Zierauschen Ladenraum eine Nähstube!
Durchschnittlich 15 Frauen sind dort täglich beschäftigt die Seidenhüllen erbeuteter Fallschirme
trennen und zu Meterbahnen zusammen zu nähen. Es sollen Blusen daraus hergestellt werden.
6 Jungmänner der Hitler-Jugend mußten am 5. Oktober sich zu Schanzarbeiten in Dannenberg
stellen…“
10.10.1944
„Am 30. September wurde das ehemalige Arbeitsdienstlager mit etwa 70 Kindern der Deutschen
Schule in Utrecht (Holland) belegt. Sie mußten bei der Annäherung der feindlichen Armeen fluchtartig
Holland verlassen, da auch die Möglichkeit bestand, daß durch Luftlandetruppen den Deutschen
und den deutsch gesinnten Holländern die Flucht ins Reich versperrt werden konnte.“
„Am Donnerstag, den 2. November, waren gegen 20 Uhr einige sehr starke Detonationen hörbar.
Fenster und Türen zitterten. Wie jetzt bekannt wird, sind über Arendsee Bomben abgeworfen
worden, ohne jedoch Schaden anzurichten. Am Montag, dem 30. Oktober, wurden volkssturmpflichtige
Männer aus Gartow zu Schanzarbeiten in die Gegend von Cuxhaven befördert. Die in der
Notiz vom 7. Oktober genannten Jungmänner der Hitlerjugend sind nach 26 tägigem Einsatz nach
Gartow zurückgekehrt. Sie haben in der Gegend von Cuxhaven und bei Seemoor (Stade) Schützengräben
und Geschützstellungen ausgehoben…“
5.11.1944
„Am Sonntag, den 29.10., 9 Uhr trat der Volkssturm der Ortsgruppe Gartow auf Anordnung des
Kreisleiters Hermann im Krügerschen Saale zwecks Erfassung aller männlichen Deutschen der
Jahrgänge 1926 bis 1884 zu einem Appell an ….“
9.11.1944
„Heute Nachmittag wurde der für die Gefallenen dieses Krieges geschaffene Heldenhain und das
Ehrenmal eingeweiht: Um 15 Uhr stellte sich der Festzug am alten Kriegerdenkmal bei der Kirche
auf. Dann erfolgte der Abmarsch. Es war ein langer Zug, der sich über die Buchhorst zum
Ehrenmal bewegte, voran die Fahnen der Partei und der Organisationen. Die Weiherede hielt Pg.
Apotheker Thiele, der sich um die Herrichtung des Ehrenhains besonders verdient gemacht hat.
Nachdem auch noch der stellvertretende Ortsgruppenleiter Schwerdtfeger und der Kreisleiter Hermann
gesprochen hatten, wurde die Feier mit dem Absingen der Nationalhymne geschlossen.“
„Am 12. November 1944 fand auf dem Schützenplatz die Vereidigung des Volkssturmbataillons
Gartow statt. Im Holtorfer Achterbusch ist ein Blindgänger entdeckt worden. Wahrscheinlich ist er
am 2. November zum Abwurf gelangt….“
22.12.1944
„Großes Aufsehen erregte es, daß in der vorletzten Woche nun auch zwei junge Mädchen aus
Gartow als Flakhelferinnen eingezogen worden sind: Frieda Franke und Adeline Mahnke. Auch
die marschfähigen Volkssturmmannschaften haben Sonntags mit ihren Übungen begonnen… Am
8.11.1944 ist in Süd-Ungarn der Unterscharführer in der Waffen-SS Otto Tege gefallen. Wieder der
einzige Sohn der Eltern …“
337
1. Januar 1945
„Ein deutsches Jagdflugzeug mußte wegen eines Motorschadens auf den Seerichwiesen östlich
der Seegebrücke notlanden. Fahrgestell und Propeller büßte es ein aber der Flugzeugführer blieb
unverletzt. Scharen von Männern, Frauen und Kindern begaben sich heute Nachmittag zur Unfallstelle,
die jedoch durch Posten der Landwacht in einem Umkreis von 50 m abgesperrt worden war
(Focke-Wulf-Maschine vom Flugplatz Gardelegen. In 4.500 m Höhe Panne, ohne Feindberührung
gehabt zu haben. Bruchlandung).“
3. 1. 1945
„Axel von Zimmermann, Sohn des Arztes Dr. von Zimmermann, tödlich mit dem Flugzeug abgestürzt
am 24. Dezember; Unteroffizier und Flugzeugführer…“
6.1.1945
„Am 5. und 6. gelinder Frost. Gestern drei Mal Alarm, gegen 9 Uhr abends starkes Schießen im
Südwesten. Seit dem 1. Dezember wieder Strippenzieher (Anm. Fernmeldesoldaten) im Ort einquartiert
(1 Monteur, 2 deutsche und 10 litauische Soldaten). Starkstromleitungen in der Nähe
des Ortes wurden begradigt und statt der Kupferdrähte Eisendrähte angebracht.“
22.1.1945
„Der erste Volkssturmmann aus Gartow (Otto Benecke) muß sich morgen in Lüneburg stellen.
Jeden zweiten Sonntag vormittags und nachmittags übt der Volkssturm. An den Abenden finden
dann Führerbesprechungen statt….Seit Wochen bleibt aus Ersparnisgründen der elektrische
Strom öfters aus. Nun sind auf Anordnung der Reichsstelle für Elektrizitätswirtschaft für das Versorgungsgebiet
der Stromversorgung Lüchow Stromsperrstunden auf jeden Mittwoch von 7.50 bis
11.30 Uhr und an jedem Sonnabend von 16.30 bis 18.30 Uhr.“
28.1.1945
„Die ersten Flüchtlinge aus den bedrohten Ostgebieten sind in Gartow eingetroffen (Lisa Große,
Verwandte von Hollnagels). 10000 Flüchtlinge sollen in den nächsten Tagen im Kreise untergebracht
werden, so wird erzählt. Die Bevölkerung ist in banger Sorge… Die Lage im Osten wirkt sich
auch auf die Verkehrsverhältnisse aus. Eil- und Schnellzüge fuhren in der vergangenen Woche für
den öffentlichen Verkehr überhaupt nicht. Vor allem aber war eine vollständige Briefsperre für alle
Briefe außerhalb der Kreise Dannenberg und Salzwedel wirksam…“
30.1.1945
„Heute, am Tage der Machtübernahme, stehen die Russen westlich Driesen, 150 km von Berlin.
Eine schlichte Feier der Partei im Köhnschen Gasthause wies auf den Ernst der Stunde hin.
Drei Parteigenossen, die sich besonders verdient gemacht haben im Dienste der Partei wurden
mit dem Kriegsverdienstkreuz II. Klasse ausgezeichnet: die Frauenschaftsleiterin von Gartow Pg.
Johns, der Pg. Paul Harms (Förster) und Zellenleiter Kunstmaler Adolf Schlawing in Vietze. Außerdem
erhielt noch eine ganze Reihe von Volksgenossen, die im November v. Js. an Schanzarbeiten
beteiligt waren, das Schutzwallabzeichen.“
11.2.1945
„Immer mehr Flüchtlinge kommen aus dem Osten. Seit Tagen werden auch in Gartow 250 - 300
erwartet. Immer neue Räume müssen beschlagnahmt werden. Das Umlagesoll für Evakuierte und
Bombengeschädigte ist für Gartow vom Landrat auf 614 festgesetzt worden. Bisher waren in Gartow
etwa 300 untergebracht. Heizmaterial wird für die vielen Zurückgeführten nicht genügend
338
beschafft werden können. Seit Wochen schon sammeln Frauen und Kinder mit Genehmigung der
Forstverwaltung Holz im Walde aber die Ausbeute ist naturgemäß nur gering und das Holz ist auch
naß. Seit einigen Tagen sind die Elbfähren mit Militärposten besetzt, die den Übersetzverkehr
überwachen sollen. Man spricht von Auflösungserscheinungen an der Front. Seit gestern befindet
sich die 1. Kompanie des Volkssturmbataillons Gartow in Alarmbereitschaft. Bis zum 14. muß
gemeldet werden, wie viel Gewehre, Koppeln usw. in der Kompanie vorhanden sind. Eine Uniformierung
ist z. Zt. nicht möglich. Die Kompanie soll sich zum Einsatz in der Heimat bereit halten,
ist doch eine Revolte der hier untergebrachten Polen und anderen Ausländer nicht unmöglich.
Verschiedentlich sind schon Gewehre, Revolver usw. aus Jagdhütten (z.B. Nienwalde) gestohlen
worden…“
20. Februar 1945
„Am Sonntag, dem 18.2. sind nun viele, viele Flüchtlinge aus dem Osten nach Gartow gekommen,
so viel, daß sie nicht alle in den bereit gestellten Quartieren untergebracht werden konnten. 50
erhielten im Lager ein Notquartier. Im alten Schulraum Telschowstr. 5 ist eine Frau mit 13 Kindern
einquartiert worden. Ein Kind ist an Erschöpfung gestorben. Nach allem, was die Geflüchteten
erzählen, haben sich erschütternde Tragödien im Osten abgespielt.“
16. März 1945
„Zu den seit 14 Tagen bei Hechts einquartierten 36 Mannschaften einer Luftwaffenabteilung, die
am Plattensee/Ungarn in Stellung lagen, sind nun seit gestern 106 Mann Panzertruppen in ihren
schwarzen Uniformen im Krügerschen Saal einquartiert. Sie sind aus Elbing nach schweren Kämpfen
entkommen und sollen sich nun hier erholen. Noch immer treffen einzelne Flüchtlinge aus dem
Osten hier ein, auch Wagen von Trecks durchfahren dann und wann noch den Ort. Es werden wohl
etwa 900 Bombengeschädigte, Evakuierte und Flüchtlinge jetzt in Gartow untergebracht sein. Die
Flüchtlinge aus dem Osten bringen in der Regel fast nichts mit. Es fehlt vor allem an Betten. Auch
die Verpflegung bereitet große Schwierigkeiten. Es ist aber eine Gemeinschaftsküche eingerichtet
worden in einem Raum des alten Krankenhauses, die Mittags ein warmes Essen liefert…“
20.3.1945
„Gestern abend veranstalteten die hier einquartierten Soldaten in Gemeinschaft mit der Frauenschaft
und dem BDM einen Bunten Abend im Krügerschen Saale. Es gab Kartoffelsalat und
Eier, belegte Brote, Eier-Kognak, Vorführungen und Tanz, während im Osten und Westen unsere
Soldaten verbluten …“
24.3.1945
„Heute Nachmittag 15 Uhr fand im Krügerschen Saale die feierliche Verpflichtung der 14 jährigen
Jungen und Mädel und ihre Übernahme in die Hitler-Jugend und den Bund Deutscher Mädel statt.
Sie war zugleich die Schulentlassungsfeier der Partei. Die Verabschiedung der Schulentlassenen
geschah durch Lehrer Haberland“.
Am 25.3.1945 waren hier in Gartow 1 056 Flüchtlinge, Ausgebombte und Evakuierte untergebracht.“
2
Kämpfe in und um Gartow
Eine vom Militärhistoriker Karl-Heinz Schwerdtfeger, Escheburg, vorangestellte Übersicht zur militärischen
Lage in den letzten Kriegstagen im April 1945 verdeutlicht die Situation genauer als die
Tagebucheinträge von Rudolf Haberland.
339
Er hat die militärischen Ereignisse in und um Gartow bereits in der von ihm 1955 veröffentlichten
„Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“ geschildert. Darum erscheint hier nur
eine eingeschränkte, lediglich auf Gartow bezogene Berichterstattung von Karl-Heinz Schwerdtfeger.
Kampfgeschehen in und um Gartow. Vorausgehende Geschehnisse:
„Am Mittwoch, dem 11. April 1945, waren mit einem „Kübelwagen“ ein deutscher Oberst gemeinsam
mit seinem Adjutanten und Fahrer aufgetaucht. Dieser Oberst besuchte im Eiltempo einzeln
alle Bürgermeister oder Ortsverantwortlichen zwischen Schnackenburg und Gorleben und teilte
denen zu deren Schrecken knallhart mit, daß das Gebiet um den Höhbeck von Schnackenburg
bis Gorleben als sogenannter Brückenkopf Lenzen zum Kampfgebiet bestimmt worden sei. Allen
Anweisungen des Militärs sei widerspruchslos und unverzüglich Folge zu leisten.
Der absolute Höhepunkt war jedoch die Forderung des Oberst, daß sämtliche ausländischen Einwohner
aus dem vorgesehenen Kampfgebiet innerhalb von 24 Stunden über die Elbe nach Norden
abzuschieben seien! Dann wollte er von jedem Ortsverantwortlichen dessen Unterschrift als
Empfangsbestätigung unter den auf einem Blatt geschriebenen Befehlen haben.
Ob irgendeiner der Bürgermeister seine Unterschrift gegeben hat, ist fraglich. Denn vermutlich
jeder gab zu bedenken, daß in der kurzen Zeit von 24 Stunden eine Evakuierung der vielen ausländischen
Einwohner des betreffenden Ortes nicht durchführbar sei. Daraufhin wurde jeder Bürgermeister
vom Oberst einzeln und persönlich verantwortlich gemacht für das Wohlverhalten seiner
im Dorf befindlichen Ausländer. Er soll wörtlich gesagt haben:
„Sie persönlich haften mit Ihrem Kopf, falls Ihre Ausländer dummes Zeug veranstalten sollten!“
Es betraf die 14 Orte Schnackenburg, Gummern, Kapern, Holtorf, Nienwalde, Quarnstedt, Gartow,
Restorf, Pevestorf, Brünkendorf, Laasche, Meetschow, Vietze und Gorleben.
Bald danach, beginnend noch am gleichen Tag, fand eine Rundum-Beratung der betreffenden
Bürgermeister statt. Als Ergebnis dieser Beratung einigte man sich auf folgende Verhaltensweise:
01. Die Bevölkerung nicht ausdrücklich über bevorstehende Kampfhandlungen im vorgesehenen
Gebiet informieren, um jede Panik zu vermeiden, Geheimhaltung sei aber nicht nötig.
02. Ausländer in den Orten unter keinen Umständen über die Elbe oder sonst wohin abschieben,
aber zu Wohlverhalten ermahnen und auf die angedrohte Todesstrafe bei Zuwiderhandlungen
hinweisen.
03. Weisungen des deutschen Militärs nicht widersprechen, Anordnungen der Besatzungsmacht,
wenn dann der Feind das Gebiet eingenommen hätte, sofort erfüllen.
Alle Beteiligten der Beratung waren überzeugt, daß bevorstehende Kämpfe höchstens einen Tag
dauern würden, und sie hofften, daß alles ohne Zerstörungen der Dörfer abliefe.
Außer den direkt beteiligten Ortsverantwortlichen haben nur wenige andere Einwohner des nordöstlichen
Kreisgebietes Lüchow-Dannenberg von diesen Vorgängen erfahren. Zu Panikzuständen
in der Bevölkerung ist es nicht gekommen und die vielen Ausländer wurden nicht über die Elbe
nach Norden abgeschoben. Mit zwei Ausnahmen:
Die in Meetschow lebenden Polen (Anzahl unbekannt) wurden nach dem 17. April 1945 über die
Elbe abgeschoben, nachdem drei von ihnen, von den im Forsthaus Wirl befindlichen Amerikanern
nach Meetschow zurückkommend, am Waldrand von deutschen Soldaten aufgegriffen, als be-
340
waffnete Spione erkannt und anschließend „auf der Flucht“ erschossen wurden. (Nach diesem
Vorfall befand sich der Meetschower Bürgermeister in großer Gefahr, ebenfalls erschossen zu
werden. Denn er hatte ja das Wohlverhalten seiner im Dorfe lebenden Ausländer garantieren müssen!)
Und am 21. April 1945 sollen auf Verlangen deutscher Soldaten die in Holtorf befindlichen
Polen (Anzahl unbekannt) in großer Eile über die Elbe abgeschoben worden sein.
Die Militärische Lage am 17. April 1945 (Karte: Karl.Heinz Schwerdtfeger)
Die in Kapern auf den Bauernhöfen arbeitenden französischen Kriegsgefangenen hatten keine
Bewachung und entschieden sich erst am 19. April 1945 in geschlossener Gruppe in ihr Stammlager
nach Arendsee zurückzumarschieren. Was ihnen dann auch problemlos gelang. Hingegen
sind (nach amerikanischen Berichten) in Nienwalde und in Bömenzien einige russische Kriegsgefangene,
die bei den Bauern als Landarbeiter beschäftigt waren, im Dorf zurückgeblieben, die sich
dann am 15. April 1945 sofort den Amerikanern als ortskundige Pfadfinder zur Verfügung gestellt
haben. (Ein Verstoß gegen die Regeln der Genfer Konvention).
341
Zur verständlichen Schilderung des teilweise verwirrenden Ablaufs der Kämpfe bei der Besetzung
des Wendlandes durch die Amerikaner ist folgende Erläuterung vorauszuschicken:
Die nördliche Altmark als das zum Wendland angrenzende Gebiet muß für die militär-historische
Betrachtung der Vorgänge mit einbezogen werden, da von dort aus die Vorstöße der Amerikaner
ab 20. April 1945 nach Nordwesten zur Einnahme des Kreises Lüchow-Dannenberg erfolgten.
Aber auch geschichtliche Ursachen für die militärischen Ereignisse sind in die Betrachtung mit einzubeziehen,
da sonst die einzelnen Geschehnisse, isoliert betrachtet, kaum Verständnis finden.
Geschichtliche Daten
Im Hauptquartier der Westalliierten in Reims fand am 13. April 1945 (ein Tag nach dem Tod von
Präsident Roosevelt) ein Treffen aller Armee-Befehlshaber der Westalliierten (Amerikaner, Briten
und Franzosen) statt. Dort teilte der Oberfehlshaber der Westalliierten, General Eisenhower, seinen
Armee-Kommandeuren mit, daß er bereits Ende März per Fernschreiben Stalin (eigenmächtig
und insgeheim) zugesichert hatte, seine Truppen nur bis zur Elbe vorstoßen und dort an der
Elbe auf das Heranrücken der Roten Armee warten zu lassen. Die bis dahin geltende Planung zur
Eroberung der Reichshauptstadt Berlin wurde damit zum großen Ärger der Briten (Churchill und
Feldmarschall Montgomery) aufgegeben.
Auch der Dreisterne-General Simpson, Befehlshaber der 9. US-Armee, mußte enttäuscht seinen
Befehl an die bereits in höchster Alarmbereitschaft für den Sturmangriff auf Berlin an der Elbe
befindlichen Truppen abblasen.
Geplant war für das XIII. US-Korps der Brückenschlag über die Elbe bei Sandau/Wulkau am 14. April
1945 mit drei Ponton-Brücken für Infanterie und Panzerfahrzeuge. Auf Weisung von Eisenhower
und folglich auf Befehl des Kommandeurs vom XIII. US-Korps, General Gillem, mußte Brückenschlag
und Angriff in Richtung Berlin am 15. April 1945, um 2 Uhr nachts, letztendlich abgeblasen
werden.
Feldmarschall Montgomery wurde von Eisenhower angewiesen, mit seiner 2. Britischen Armee
nach Norden einzuschwenken, und eine Front gegen die Rote Armee an der Linie Dömitz-Ludwigslust-Schwerin-Wismar
zu bilden. Wegen akuten Personalmangels erhielt Montgomery von Eisenhower
die 8. US-Luftlande-Division zugeteilt, die später dann auf Montgomerys rechter Flanke
eingesetzt wurde.*
Bis zum 13. April 1945 war geplant, die Reichshauptstadt Berlin in einer Zangenbewegung von
Norden und Süden her einzunehmen. Feldmarschall Montgomery sollte mit der 2. Britischen Armee
von Norden her über Mecklenburg und Brandenburg ins Zentrum von Berlin vorstoßen. Die
9. US-Armee sollte mit dem XIX. Korps von Magdeburg her in den Süden Berlins vorrücken, und
mit dem XIII. Korps über Brandenburg a.d. Havel und Potsdam die westlichen Bezirke von Berlin
erobern. Der sowjetische Großangriff an der Oder begann erst am 16. April 1945!
Das Kreisgebiet Lüchow-Dannenberg (Wendland) war ab Anfang April und blieb bis zum 19. April
1945 als Kampfgebiet der 5. britischen Infanterie-Division (VIII. Korps, 2. Armeegruppe, Feldmarschall
Montgomery) zugeteilt. Die Abgrenzung zur 9. US-Armee verlief ungefähr entlang der Grenze
zwischen der Altmark und dem Wendland bis Schnackenburg/Elbe.
* Das war die 8. US-Infanterie-Luftlandedivision, die mit Lastenseglern zur Landung hinter den feindlichen Linien
ausgebildet, aber seit der „Operation Market-Garden“ nicht mehr eingesetzt, nun aufgefrischt als Reserve zur
Verfügung stand. Das waren keine Fallschirmspringer, obwohl diese Einheit als „Airborne Corps“ bezeichnet wurde!
342
Die 2. britische Armee wurde jedoch ab der Weser, an der Aller und später vor Uelzen in schwere,
verlustreiche Kämpfe verwickelt und wurde dadurch im Vormarsch beträchtlich aufgehalten.
Die Amerikaner überrannten in einem Gewaltmarsch hingegen an Montgomerys rechter Flanke
mit der 5. US-Panzerdivision, beiderseits Braunschweig durchstoßend, die nördliche Altmark in
nur zwei Tagen (11. und 12. April 1945) in einem Rutsch.
Da nun die 5. US-Panzerdivision (Combat Command R) parallel zur südlichen Kreisgrenze des
Wendlandes am 12. April 1945 über Seehausen bis zur Wittenberger Elbbrücke und Werben vorgeprescht
war, befand sich deren linke Flanke nun etwa ein bis zwei Tage lang völlig ungedeckt
gegen eventuelle deutsche Angriffe. Denn die britischen Truppen lagen zu diesem Zeitpunkt noch
weit zurück und die zur Begleitung der 5. US-PD vorgesehene 84. US-Infanteriedivision befand sich
da erst teilweise im Raum Braunschweig und mit ihrer Masse in der Stadt Hannover.
Zur Abschirmung (screening) und Sicherung
dieser für die 5. US-Panzerdivision ungedeckten
langen linken Flanke wurde nun in großer
Eile das gepanzerte Aufklärungsregiment, 11th
US-Cavalry Group, mit dessen zwei Bataillonen,
36th Squadron und 44th Squadron, eingesetzt.
Aber deren eilige Verlegung in die vorgesehenen
Flanken-Sicherungspositionen für den neuen
Auftrag dauerte wenigstens zwei Tage. Durch
diese neue Situation, daß nämlich die britischen
Truppen nach Norden abschwenkten,
blieb das Kreisgebiet Lüchow-Dannenberg für
einige Tage noch von der Besetzung verschont.
Erst am 19. April 1945 erhielt deshalb das XIII.
US-Korps, mit den drei Divisionen (5. Panzer,
29. und 84. Infanterie) das Dreiecksgebiet des
Kreises Lüchow-Dannenberg (Wendland) ungefähr
von Dähre, über Zernien bis Neu Darchau/
Elbe einerseits, und von Dähre über Salzwedel
und Arendsee bis Schnackenburg/Elbe andererseits,
als Gefechtsstreifen zugeteilt.
Die Militärische Lage am 21. April 1945
Auf Seiten der deutschen Verteidiger hatte man dem Ansturm der Amerikaner nur wenig entgegenzusetzen.
Spätestens nach dem Zusammenbruch der Weserfront gab es auf deutscher Seite keinen
durchgehenden Frontverlauf mehr. Die Verteidigung beschränkte sich auf einzelne Ortschaften
und auf wichtige Verkehrsknotenpunkte. Oftmals ließen sich örtliche Kommandeure mit ihren
Einheiten von den Amerikanern in der Absicht willig einkesseln, sobald sie abgeschnitten waren
und somit nicht mehr von Militärgerichten belangt werden konnten, sich und ihre Einheit den Amis
kampf- und formlos zu ergeben. Denn nach den Katastrophenerlassen („Panikbefehlen“) der letzten
Kriegsmonate war es den deutschen Befehlshabern bei Todesstrafe verboten, zu kapitulieren.
Deutsche Trümmer-Einheiten, die in verzögernden Rückzugsgefechten gegen die angreifenden
Amerikaner Widerstand leisteten, wurden meistens überrannt und lösten sich danach rasch auf.
Alles strebte zur Elbe, um der drohenden Gefangennahme zu entgehen. Es war eine geschlagene
343
Armee auf der Flucht. Da es keine Frontlinie mehr gab, und da keine Funk- oder Fernsprechverbindungen
zu den verschiedenen Widerstandsnestern untereinander existierten, handelten die
einzelnen Kommandeure der zusammengeschmolzenen Einheiten meistens nach eigenem Gutdünken.
Anfang April wurde die sogenannte ZV-Division mit ihren beiden Artillerie-Regimentern
z.b.V.901 und z.b.V.902 für den Infanterie-Einsatz umgebildet.*
Während das Art.Rgt.z.b.V.901 aus der Eifel mit seinen acht Batterien personell nahezu vollzählig
in ihr vorgesehenes Sammelgebiet kommen konnte, gelang nur den Mannschaften von zwei Batterien
des Art.Rgt.z.b.V.902 beim Rückzug aus Holland das Durchkommen. Diese umfunktionierte
ZV-Division war planmäßig für die Elbefront-Verteidigung zwischen Gaarz (südöstlich von Dömitz)
und Lütkenwisch vorgesehen, einschließlich Brückenkopf Lenzen.
Am 3. Mai 1945 hielten sich an der Elbe bei Gorleben Soldaten der 29. US-Infanterie-Division auf,
die auf ihre Ablösung durch die 84. US-Infanterie-Division warteten. Zuvor hatte sie die deutsche
ZV-Division, Soldaten einer V2-Raketen-Einheit, bei Wootz in Gefangenschaft gebracht, nachdem
diese deutsche Einheit sich angesichts des verlorenen Krieges ergeben hat. Sie wurde in das provisorische
Gefangenenlager Gorleben verbracht, wo dann rd. 11 000 deutsche Soldaten kampierten.
Am späten Nachmittag des 3. Mai kam eine Abordnung der russischen Streitkräfte vermutlich
an der Fährstelle Lenzen vom Ostufer der Elbe zu den Amerikanern, um die örtliche Kapitulation
zu feiern.
Dazu die Geschichte der 29. US-Infanterie-Division, 29 LET`S GO!, auf Seite 259:
...Am Abend überquerten Generalmajor Chapurkin, Kommandeur der 5. Garde-Kavallerie-Division,
ein Chef des Divisionsstabes, und ein Kriegsberichterstatter der „Pravda“ den Fluß, um das Treffen
formal und offiziell zu begehen. Sie wurden begrüßt durch Brigade-General William H. Sands.**
Das Treffen fand statt in einem Herrenhaus des 15. Jahrhunderts, dem Gefechtsstand des Blauen
Bataillons vom 175. Regiment. (Schloß Gartow)
Unvermeidliche Toasts auf den Präsidenten, den früheren F.D. Roosevelt, und auf die immerwährende
Freundschaft der Alliierten wurden getrunken. General Sands beschenkte den genannten
russischen General mit den Sternen seines Ranges. Im Namen der 9. Armee eine Armee-Pistole
Kaliber 0.45, und von General Gerhardt, der nicht an diesem wichtigen Treffen teilnehmen konnte,
weil er zum Hauptquartier der 9. Armee zu einer dringenden Besprechung abberufen worden
war, wurde eine „tommy gun“, dekoriert mit dem Divisions-Symbol und der Beschriftung „Elbefluß
1945“, überreicht. …“ 3
Kein Deutscher ist am Nachmittag des 3. Mai 1945 Augenzeuge dieser Zusammenkunft der alliierten
Sieger im Schloß Gartow gewesen. Denn die gesamte Zivilbevölkerung war ja ausnahmslos
nach Trebel, Prezelle, Lomitz und anderen Orten zwangsevakuiert worden. Ein fünf Kilometer breiter
Streifen entlang des westlichen Elbufers war auf Befehl von General Gillem (Kommandeur des
XIII. US-Korps) von allen Zivilisten geräumt worden. Diese Zwangsevakuierung erstreckte sich von
Tangermünde flussabwärts bis Neu Darchau. Erst am 7. Mai 1945 durften die Zwangsevakuierten
in ihre Dörfer zurückkehren.
* ZV-Division ist besser bekannt als die V2-Division, die aus mobilen Stellungen in der Eifel und in Holland bis Ende
März 1945 die V2-Überschallraketen abgefeuert hatten.
** Anmerkung des Verfassers: Befehlshabender Offizier der Divisions-Artillerie im Namen von General Gerhardt.
344
Einige Stunden später stattete Brigade-General Sands mit ein paar Offizieren den Russen in Lenzen
einen Gegenbesuch ab. Erst in der Nacht kehrte er mit Anhang von dort zurück. Die Amerikaner
waren in Eile, da der Abmarsch der Truppe nach Bremen unmittelbar bevorstand. Aber
ist durchaus nachvollziehbar, daß die Amis nicht ohne diese vorgezogene Siegesfeier mit ihren
sowjetischen „Waffenbrüdern“ von der Elbefront abziehen wollten. 4
Rudolf Haberland berichtet in seinem Tagebuch:
3. April 1945
„Ein Offizier der Organisation Scheer war gestern und heute in Gartow, um Quartiere vorzubereiten
für den Stab einer Abteilung die hier arbeiten soll. Auch die beiden Schulräume hier im Schulhaus
wurden beschlagnahmt. Gestern Mittag wurde eine Kompanie des Volkssturms alarmiert, weil
man einen feindlichen Fesselballon gesichtet zu haben glaubte. Es war jedoch ein deutscher, der
in geringer Höhe die Wälder und Felder überflog und mit seinem nachschleifenden Halteseil die
Starkstrom- und Telegraphenleitungen zwischen Gartow und Nienwalde zerriß.“
Donnerstag, den 12. April 1945
„Am 1. April wurde von der Partei der „Werwolf“ aufgerufen. Ferner wurde angeordnet, daß Hakenkreuzfahnen,
Hitler-Bilder usw. „sicherzustellen“ seien. – Seit Gestern durchfahren, aus der
Altmark kommend, Wehrmachtsautos mit deutschen Soldaten in endlosen Kolonnen Gartow in
Richtung Dömitz, nur selten ist die Straße davon frei. Amerikanische Panzer sollen in Salzwedel
eingedrungen sein. Widerliche Szenen spielten sich auf dem Schützenplatz ab. Seit etwa einem
Jahr lagern dort im Schützenhause Zehntausende von Flaschen mit Likören. Wem sie gehören,
weiß niemand mit Sicherheit zu sagen. Gestern und heute nun wurden die riesigen Vorräte, um sie
dem anrückenden Feind nicht in die Hände fallen zu lassen, flaschenweise, auch kistenweise an
die Bevölkerung verteilt, ohne jegliche Kontrolle, auch an Russen und Polen. Zeitweise gab es ein
wüstes Gedränge, auch zu Prügeleien kam es. Schließlich wurde das Schützenhaus, in dem immer
noch einige hundert Kisten lagerten, auf Befehl eines Hauptmanns vom Streifendienst durch
Handgranaten in Brand gesetzt. Es brannte bis auf die Grundmauern nieder.“
Freitag, den 13. April 1945
„Heute früh wurde das Maschinenhaus des Sägewerks A. Herbst von Tieffliegern beschossen. Es
gab nur leichte Beschädigungen am Dach. Ein kleiner Brand konnte schnell gelöscht werden. – In
den noch rauchenden Trümmern des Schützenhauses wühlen Männer, Frauen, selbst Kinder nach
heilgebliebenen Flaschen mit „Genever“ und anderen Likören. Daneben steht weinend der 70jährige
Schlossermeister Schubart aus Hamburg, der in einem Nebenraum des Schützenhauses eine
Notwohnung erhalten hatte und nun wieder alles verloren hat, da man ihm keine Zeit ließ, noch
vor der Sprengung die wenigen mühsam zusammengebrachten Möbelstücke aus seiner Wohnung
zu holen. – Kolonnen von russischen Kriegsgefangenen werden zur Lenzener Fähre geführt. Über
den „Spring“ und den Seerig trotten ältere deutsche Soldaten in größeren und kleineren Haufen
ohne Führung, ohne Waffen ebenfalls der Elbe zu.“
Sonnabend, den 14. April 1945
„In letzter Nacht zwischen 24 und 1 Uhr Geschützdonner in Richtung Wittenberge.
Der Volkssturm hat den Befehl erhalten, unnützes Blutvergießen zu vermeiden, da nicht genügend
Waffen und Verbandszeug vorhanden seien. Die Panzersperre Bömenzien ist von der Wehrmacht
übernommen worden. Um 14 Uhr trifft die „amtliche Nachricht“ ein, daß Salzwedel vom Feinde
eingenommen wurde und feindliche Panzer auf Lüchow vorstoßen. In Gartow ist die Kompanie
345
Lehmann abgelöst worden durch einen Zug der 8. Kompanie des Füsilier-Bataillons z.b.V.901 unter
der Führung des Leutnants Fuchs.
Gefechtsstand war das Sägewerk Werth. Das Bataillon 901 war eine Einheit, die in Lenzen und
Salzwedel aus versprengten Soldaten aller Waffengattungen zusammengestellt worden war, vorwiegend
aus Soldaten der Fallschirmjägerabteilung Gardelegen und des Panzerbekämpfungskommandos
Stendal. Die Züge der 8. Kompanie waren verteilt auf Gartow und die Höhbeckdörfer.
Kompanieführer war ein Oberleutnant Bader. Sein Gefechtsstand war die Gastwirtschaft Voß in
Brünkendorf. Bataillonsführer war Hauptmann Nabenhauer.
Drei Gartower Einwohner Hermann Junack, Christel Junack, Walter Herbst, die am 11. und 12. April
von der Gestapo verhaftet und nach Lüneburg gebracht worden waren, wurden gestern wieder
freigelassen.“
Sonntag 15. April 1945
„Am Sonntag erschienen gleich nach Mittag feindliche Panzerwagen aus südlicher und östlicher
Richtung und konnten trotz Gegenwehr in den Ort eindringen. Der gräflich-Bernstorffsche Meierhof
war zuvor in Brand geschossen worden. Es brannten dort 4 große Scheunen nieder, mehrere
Stallungen und außerdem das am Elbholzdamm gelegene Vierfamilienhaus mit den Nebengebäuden.
Die alte Hauptstraße wurde stark beschossen, es wurden viele Gebäude leicht beschädigt
und außerdem fielen der Beschießung zwei Menschenleben zum Opfer.
Der Feind zog sich wieder zurück und ein stärkeres deutsches Kommando besetzte den Ort wieder.
Die Bevölkerung hatte größtenteils den Ort verlassen und floh in die Wälder. Hier wurden in
aller Eile Bunker gebaut und die zum Leben notwendigen Dinge hinausgeschafft. H. Schulenburg,
Einheit Lehmann, wurde hier abgelöst und in Restorf eingesetzt. In Gartow eine örtliche Sicherung
in Stärke eines Zuges, die den Auftrag hatte, schwächeren Feind abzuwehren und zu sichern nach
Nienwalde und der Buchhorst. Um ½ 12 Uhr wurde ein leichter amerikanischer Geländewagen
beobachtet an der Buchhorst. Feuerbefehl für ein Maschinengewehr von einem Hauptmann gegeben
(Kommandant aus dem Brückenkopf Lenzen). Zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags nähern
sich ein Spähwagen und leichte Panzer mit 7,5 cm-Kanonen Gartow. Die deutschen Soldaten
zogen sich zurück, Panzer bis zum Meierhof (Quarnstedt) gefahren. Hahne, Bataillonsführer der
Volkssturmkompanie Gartow.“
„Nach ruhiger Nacht und stillen Morgenstunden treffen Nachrichten ein, daß amerikanische Panzer
Bömenzien erreicht haben. – Zwischen 14 und 15 Uhr nähern sich zwei leichte Panzer und
ein Spähwagen von Rucksmoor her auf dem Buchhorster Wege Gartow. In der Gartower Kirche ist
gerade Gottesdienst. Eben hat Pastor Lieberg aus Trebel die Predigt begonnen, da hört man plötzlich
heftiges Maschinengewehrfeuer, das aber bald wieder abbricht. Der Gottesdienst wird geschlossen.
Große Erregung überall. Wird es zu einem Kampf um Gartow kommen? Der Volkssturm
kann und will Gartow nicht verteidigen. Leutnant Fuchs aber hat den Befehl, mit seinem Zuge den
Gegner in Gartow aufzuhalten, damit Zeit gewonnen wird, hinter der Elbe eine neue Widerstandslinie
aufzubauen, so sagt man. Die feindlichen Panzer haben sich zwar wieder zurückgezogen.
Werden sie mit Verstärkung wiederkommen? Etwa eine Stunde vergeht in banger Erwartung. Da
setzt plötzlich südwärts Gartow eine heftige Schießerei ein. Was nun? es ist nicht mehr möglich,
in den Wald zu flüchten, wie viele es sich vorgenommen hatten. Schnell werden einige mit den
notwendigsten Sachen gefüllte Koffer ergriffen, und dann geht es in die Luftschutzkeller. Erwartungsvolles,
ängstliches Schweigen. Dann und wann wird die Stille unterbrochen durch Schüsse
eines Panzergeschützes. Ein Panzer rollt durch die Hauptstraße. Die Häuser zittern. Wieder einige
346
Schüsse. Der Panzer kommt zurück. Und dann wird es allmählich still. Alle verlassen die Keller. Der
Meierhof brennt und das Eishaus auf dem Schloßhof. Dicke Rauchwolken wälzen sich, vom leichten
Ostwind getrieben, von den brennenden Ställen und Scheunen des Meierhofes auf das Dorf
Quarnstedt zu. Auch das erste Arbeiterwohnhaus in Quarnstedt und einige kleine Ställe geraten in
Brand. Am Abend liegen auf dem Meierhof drei Scheunen, ein Pferde- und ein Schweinestall, ein
Schafstall und die Stellmacherei und Schmiede in Schutt und Asche. 250 Schafe, 200 Schweine
und zwei Pferde haben in den Flammen den Tod gefunden.“
In der Hauptstraße (von 1933 bis 1945 Telschowstraße genannt) hat eine Granate eine dicke
Linde vor dem Hause Nr. 12 (Wendig) zerschmettert, ein paar Häuser weiter hat eine andere
einen Starkstrommast durchschlagen. Ein Gewirr von Drähten liegt am Boden, zahlreiche Fensterscheiben
sind zertrümmert, das gräfliche Haus Springstraße 2 hat einen Volltreffer erhalten.
Im Wendigschen Hause Nr. 12 ist eine 81jährige Frau Brandt durch einen Granatsplitter schwer
verwundet worden, ebenso im Hause Nr. 28 (Delius) die zu Besuch weilende älteste Tochter des
Schlossermeisters Delius, Frau Jochmann. Beide sind ein paar Tage später gestorben.
2009: Ehem. v. Bernstorffsches „Neues Haus vor Gartow“, Springstr. 4
Die feindlichen Panzer haben nach dem kurzen Angriff den Ort wieder verlassen, und ein stärkeres
deutsches Kommando hat Gartow wieder besetzt. Gegen Abend werden Vorbereitungen
zur Sprengung der Seegebrücke getroffen. Frauen, Männer, Kinder mit schwer bepackten Handwagen,
Fahrrädern und Kinderwagen verlassen fluchtartig den Ort, um die Nacht im Walde zu
verbringen. Man fürchtet einen neuen Panzerangriff auf Gartow oder gar ein Luftbombardement.
– Um 19.45 Uhr zerreißt eine ohrenbetäubende Detonation die Abendstille, die Seegebrücke ist
allen Gegenvorstellungen zum Trotz gesprengt worden. Es folgt eine sternenklare, kalte Nacht.
Über dem Meierhof liegt noch immer die Feuerlohe der brennenden Scheunentrümmer. Dann
und wann Flugzeuggebrumme, jenseits der Elbe Leuchtraketen, „Weihnachtsbäume“, blutigroter
Feuerschein. Um 2 Uhr Stille.“
347
Montag, den 16. April 1945
„Seit gestern sind in Nienwalde amerikanische Panzer stationiert. Feindliche Spähwagen zeigen
sich wiederholt süd- und ostwärts Gartow. Einige wagen sich sogar bis zur gesprengten Seegebrücke
und zur gleichfalls zerstörten „Eisernen Brücke“ oberhalb des Schlosses vor. Um 9.30 Uhr
nähert sich von Kapern her ein amerikanischer Spähwagen dem Meierhof. Soldaten einer Maschinengewehrstellung
vor dem Quarnstedter Transformator versuchen zu flüchten. Der Spähwagen
stoppt. Ein Amerikaner springt heraus. Der Füsilier Fritz Lindemeyer, geb. am 19.9.1927 aus Nürnberg,
wird niedergeschossen. Am Transformator wurde ihm eine vorläufige Ruhestätte bereitet.“
Dienstag, den 17. April 1945
„Ein nebeliger Morgen, dann warmer Sonnenschein. Um 10 Uhr eine heftige Kanonade aus Richtung
Wittenberge. Kurz nach 12 Uhr stoßen feindliche Panzer von Nienwalde her auf Gartow vor.
Von der hinteren Straße aus nehmen sie die Hauptstraße unter Feuer. Der Kirchturm und die Kirchenuhr
werden getroffen. Die Zeiger der Uhr bleiben um 12.35 Uhr stehen. Bald brennen die vier
Scheunen von Hauptstraße 17 (Giese), 19 (Schaal), 21 (Bergschlossbrauerei), 23 (Krüger) und
die Bäckerei H. Schneider (Hahnenberge 1). Dem tatkräftigen Eingreifen einer Löschmannschaft
gelingt es, ein Übergreifen des Feuers auf die Wohngebäude der Hauptstraße zu verhindern.
Ein amerikanischer Panzer und zwei Panzerspähwagen dringen von der „Alten Post“ her in die
Hauptstraße ein, gefolgt von einem starken Trupp Infanterie. Die Häuser werden nach deutschen
Soldaten und Waffen durchsucht. Russische Kriegsgefangene helfen dabei. Besonders ein Kriegsgefangener
aus Nienwalde, der als Milchfahrer Gartow gut kennengelernt hat, tut sich dabei hervor.
Er bezeichnet überall die Häuser, deren Bewohner „gutes oder schlechtes Mensch“ gewesen
sind, und dementsprechend werden Bewohner und Häuser von den Amerikanern behandelt.
Um 16 Uhr wird der Ort von Bürgermeister Beyer dem Feinde übergeben. Die Bevölkerung wird
aufgefordert, weiße Fahnen zu zeigen, alle Waffen abzuliefern und sich den Anordnungen der
Besatzungstruppen zu unterwerfen.
Gegen Abend jedoch ziehen sich die Amerikaner wieder aus Gartow zurück. Deutsche Soldaten
besetzen wieder den Ort, und die weißen Fahnen werden wieder eingezogen.
Nachtrag: Bürgermeister Beyer geriet an diesem Dienstag in größte Gefahr, erschossen zu werden.
Man machte ihm den Vorwurf, voreilig Gartow den Amerikanern übergeben zu haben. Es gelang
ihm jedoch zu entkommen und sich in den nächsten Tagen bis zur endgültigen Besetzung Gartows
durch die Amerikaner im Wald und in den Waldorten verborgen zu halten. So entging er dem
Schicksal Bürgermeisters Bäthges in Kapern, der am 20. April dort erschossen wurde. – Auch der
Buchhalter Heinz Gutjahr vom Sägewerk Werth, der angesichts der brennenden Scheune zwei
deutschen Unteroffizieren gegenüber die Bemerkung machte, daß doch jeder Widerstand nutzlos
sei, entging nur mit knapper Not dem Tod durch Erschießen.
Gefallen sind während der Kampfhandlungen am Dienstag von deutschen Soldaten der Kraftfahrobermaat
Friedrich Häcker aus Mettmann am Rhein und der Kraftfahrobergefreite Siegfried
Thiele (Ort unbekannt). Beide gehörten der Marineeinheit „Puma“ an, die in Gorleben stationiert
war, und waren in den Vormittagstunden dieses Tages an einem Vorstoß dieser Kampfgruppe
gegen Nienwalde beteiligt. Sie fanden im „Wolfssahl“ den Tod, höchstwahrscheinlich durch den
Beschuß amerikanischer Panzer.“
348
Mittwoch, den 18. April 1945
„Ein Tag ohne besondere Ereignisse. Gartow wie ausgestorben. Um 13 Uhr schlagen einzelne Granaten
auf den Seerigwiesen ein. Deutsche Artillerie von jenseits der Elbe schießt sich ein, so meint
man. In den späten Nachmittagstunden steigen mächtige Rauchwolken hinter dem Höhbeck auf.
Sind es brennende Dörfer? Um 20 Uhr kein Deutschlandsender zu hören, aber der Werwolf-Sender
gibt Stimmungsberichte und Stimmungsmusik („Lever dot as Slav!“, „Kein schöner Land“). Und
dann nächtliche Stille, dann und wann nur unterbrochen von dem Gebrumm einzelner Flugzeuge.“
Donnerstag, den 19. April 1945
„Ein schwaches Kommando deutscher Soldaten hält noch immer Gartow besetzt. Am Abend verbreitet
der Deutschlandsender zum Geburtstag des Führers (20. April) eine Ansprache des Propagandaministers
Dr. Goebbels, in der er ausführt, daß die Situation ohne Vergleich und Beispiel sei.
Das deutsche Volk setze aber sein Vertrauen auf die eigene Kraft und Gottes Hilfe. Die „perverse
Koalition“ der Feinde werde zerbrechen, und Gott werde Luzifer in den Abgrund schleudern. Nach
dem Kriege werde Deutschland herrlicher denn je wieder aufblühen.“
Freitag, den 20. April 1945
„Die meisten Bewohner Gartows halten sich noch immer in den Wäldern und in Falkenmoor und
Rucksmoor auf. In Falkenmoor ist eine Gemeinschaftsküche für die Geflüchteten eingerichtet worden.
In Gartow sind stundenweise eine Schlachterei (Schramm) und eine Bäckerei (Dotschko)
geöffnet.
Gegen 13 Uhr überfliegt ein starkes feindliches, von Jagdflugzeugen begleitetes Bombengeschwader
Gartow. In den Nachmittagsstunden werden von deutschen Soldaten auf dem Buchhorster
Damm und dem Nienwalder Weg Minen gelegt. Der Straßenausgang nach Hahnenberge wird bei
der sogenannten „Bullenwiese“ durch gefällte Bäume gegen Panzer gesperrt.“
Sonnabend, den 21. April 1945
„Schon in den frühen Morgenstunden dieses trüben, nebeligen und regnerischen Tages mehren
sich die Anzeichen, daß ein neuer Angriff auf Gartow bevorsteht. Starkes Motorengeräusch im
Walde bei Rucksmoor und Falkenmoor zeigt, daß er wieder aus dieser Richtung erfolgen wird.
Eine schwache deutsche Vorpostengruppe am Englischen Garten sichert den Weg nach Nienwalde
und nach der Buchhorst. Das Wachlokal dieser Gruppe ist die sogenannte Frühstücksstube
im gräflichen Pferdestall auf dem Schloßhof. Eine zweite Vorpostengruppe benutzt das gräfliche
Forsthaus (Wohnung des prakt. Arztes Dr. v. Zimmermann) am Ortsausgang nach Hahnenberge
als Wachraum. Unmittelbar am Transformator, dem Arzthause gegenüber, befindet sich ein Maschinengewehrposten.
– Zwischen 10 und 11 Uhr nähert sich amerikanische Infanterie von der
Buchhorst und von Falkenmoor her dem Ortsrande. Die deutsche Vorpostengruppe am Englischen
Garten (Führung Unteroffizier Ruppenthal aus Wiebelskirchen an der Saar) sieht plötzlich die Amerikaner
in Schützenreihe auf kurze Entfernung vor sich. Nur wenige Schüsse kann sie abgeben,
dann muß sie sich unter dem Feuer amerikanischer Schnellfeuerwaffen durch den Schloßpark
auf das Gut Quarnstedt zurückziehen. Das Schloß wird vom Feinde besetzt. Ein Gegenstoß einer
kleinen Gruppe deutscher Soldaten (etwa 10 Mann) von Quarnstedt aus unter Führung von Unteroffizier
Ruppenthal über die Trümmer der Seegebrücke hinweg erreicht nur den Hofraum der
gräflichen Scheune gegenüber der Kirche. Hier wird Unteroffizier Ruppenthal durch Maschinengewehrfeuer
des Feindes aus den Fenstern des Oberförsterhauses am Westrande des Schloßhofes
schwer verwundet und von seinen Kameraden, die zum Teil auch schon verwundet waren und die
Stellung nicht mehr halten konnten, durch das Wasser der Seege ins Gutshaus von Quarnstedt
349
getragen, wo er mit anderen Verwundeten von der Frau des Gutsverwalters Schwerdtfeger betreut
und verpflegt wurde.
Gefallen sind in diesen Kämpfen, soweit es sicher festzustellen war, drei deutsche Soldaten, nämlich
der Fallschirmjäger-Feldwebel Esser, Obergefreiter Karl Roslawski aus Duisburg und ein unbekannter
Soldat. Feldwebel Ernst (?) Esser wurde durch Kopfschuß getötet bei dem Versuch, der
hart bedrängten Gruppe Ruppenthals am Englischen Garten zu Hilfe zu eilen. Karl Roslawski fiel
auf der Rasenfläche südlich der ehemaligen Registerkasse. Nur wenige Schritte davon entfernt
ereilte der Tod den Kameraden und guten Freund Roslawskis, den unbekannten Soldaten. Wie
anderswo, z.B. bei Restorf, so wurden auch hier die Gefallenen auf Lastkraftwagen von den Amerikanern
fortgeschafft; es wurde jedoch nicht gestattet, denselben die Erkennungsmarken und
Soldbücher abzunehmen. Roslawski fand seine letzte Ruhestätte auf dem von den Amerikanern
angelegten Ehrenfriedhof Senne I bei Bielefeld. Schwer verwundet durch Oberschenkelschuß wurde
auf dem Schloßhof Leutnant Fuchs. Er wurde in ein Lazarett nach Lenzen gebracht.
In blutigen, verlustreichen Kämpfen wurde am 21. April um den Besitz des Schlosses und des
Schloßgebietes gerungen. Ohne Kämpfe dagegen geriet der Ortsteil Hahnenberge in die Gewalt
des Feindes.
Zwischen 10 und 11 Uhr drangen amerikanische Infanteristen von Falkenmoor her in Hahnenberge
ein, durchsuchten einzelne Häuser nach deutschen Soldaten und „Nazis“ und besetzten,
vorsichtig an Hecken und Häusern entlangschleichend oder von Baum zu Baum springend, die
Sägewerke. Kurze Zeit darauf folgten Panzer. In den ersten Nachmittagstunden wurde das „Forsthaus“
durch einen feindlichen Panzer in Brand geschossen. Es wagte niemand zu löschen, da im
Hause große Mengen von Tellerminen und Panzerfäusten lagerten.
21.4.1945: Die Häuser in der Hauptstraße 2 brannten später ab
350
Erst als die Amerikaner sich in Gartow festgesetzt hatten, begann die deutsche Artillerie zu feuern.
Die amerikanische Artillerie bei Rucksmoor und auf der Buchhorst blieb die Antwort nicht schuldig.
Hochauf spritzte das Wasser der Seege von den einschlagenden Geschossen der deutschen
Artillerie. Einige Gebäude in Gartow (Gemeindehaus, Sparkasse) erhielten Treffer, und bald brannte
die gräfliche Scheune gegenüber der Kirche. Da nicht gelöscht werden durfte, griff der Brand
auch auf die gräflichen Häuser (Wedekind, Hasse und Griese), auf das Haus Nr. 2 (Beyer, Strahmann)
und das gräfliche Hospital über. Amerikanische Soldaten warfen noch Handgranaten in
das brennende Beyersche Gebäude und in das Hospital. Nur mit Aufbietung aller Kräfte gelang es
beherzten Männern und Frauen, das sogenannte „Neue Haus“ (Nr. 6), zu retten, zunächst immer
noch stark von den Amerikanern am Löschen gehindert. Während noch der Brand in den eben
genannten Häusern wütete, entstand ein neuer Brandherd in den Häusern, die den Schloßhof
nach Westen hin abgrenzten. Auch hier durfte nicht gelöscht werden, und sämtliche hier befindlichen
Gebäude wurden ein Opfer des Feuers: das Oberförsterhaus, eine Autogarage, ein Stall- und
Scheunengebäude, die Registerkasse (Wohnung des Försters Hosp) und auch das sogenannte
Reitbahngebäude.
Als die Nacht einbrach, hatten starke amerikanische Verbände Gartow besetzt. Im Ort und um
denselben wurde Artillerie zusammengezogen. Durch die Nacht bellten die Abschüsse amerikanischer
Batterien. Feuerschein leuchtete von Brünkendorf her. Der Kampf um den Höhbeck hatte
begonnen.“
Sonntag, den 22. April 1945
„In den frühen Morgenstunden geriet der Pferdestall auf dem Schloßhofe in Brand. Die Gartower
Feuerwehr durfte löschen, so daß das Feuer auf den Brandherd beschränkt blieb.
Der Ort Gartow glich einem Heerlager; fast in jedem Hause hatten sich amerikanische Soldaten
einquartiert. Im Arbeitsdienstlager war ein Lazarett eingerichtet worden. In den Vormittagsstunden
kam der Befehl, daß Gartow bis zum Abend von der noch im Orte gebliebenen Zivilbevölkerung
geräumt werden müßte. Der Räumungstermin wurde jedoch später noch etwas hinausgeschoben.
– Inzwischen hatte der Kampf um den Höhbeck seinen Fortgang genommen. Den ganzen Tag über
tobte ein erbittertes Artillerieduell. Geschosse der deutschen Artillerie schlugen bald hier, bald
da ein, zum Glück meist ohne große Zerstörungen anzurichten. Die Westwand der Kirche wurde
getroffen. Viele Hunderte der kleinen Fensterscheiben zersprangen. Auch die Orgel erlitt durch
Sprengstücke leichte Beschädigungen. – Vom Höhbeck wurden die ersten deutschen Gefangenen
eingebracht, verdreckt, bleich, zu Tode erschöpft. In der Nacht zum Montag trafen fortwährend
amerikanische Panzer und Infanterie zur Verstärkung der Höhbeck-Angriffstruppen ein. Blutigroter
Feuerschein stand über brennenden Wohnstätten in Pevestorf, Brünkendorf und Restorf.“
Montag, den 23. April 1945
„Wieder treffen deutsche Kriegsgefangene, etwa 30, körperlich und seelisch in traurigster Verfassung,
in Gartow ein. – In den Vormittagsstunden wird bekannt, daß Gartow, die Forstorte und die
Waldlager der Geflüchteten bis abends 18 Uhr zu räumen sind, und bald bewegt sich ein unendlich
langer, trauriger Zug von Männern, Frauen und Kindern über Falkenmoor und Rondel auf Wagen
oder zu Fuß, mit schwer bepackten Handwagen, Kinderwagen, Schiebkarren und Fahrrädern
durch die Wälder nach den den Evakuierten zugewiesenen Dörfern Prezelle und Lomitz. Dort fanden
die von Entbehrungen, Aufregungen und den Strapazen des langen Fußmarsches erschöpften
Flüchtlinge in Scheunen, Ställen, Waschküchen und Schuppen notdürftig ein Unterkommen. Kranken
und Verletzten war der gleichfalls geflüchtete Gartower Arzt Dr. von Zimmermann, der durch
351
5.5.1945: Zurückflutende deutsche Soldaten
den Brand seines Hauses alles verloren hatte, ein liebevoller, nimmermüder Helfer.
Der Kampf um Gartow war zu Ende. Unendliches Elend und Leid hat er gebracht. Acht Wohnhäuser
(Bäcker Schneider, Bürgermeister Beyer, sechs gräfliche Häuser), elf große Scheunen und
Viehställe, viele kleine Ställe und andere Baulichkeiten sanken in Schutt und Asche. Große Vorräte
aller Art gingen verloren. Zwei Frauen (siehe 15. April) starben nach schwerer Verwundung. An den
Folgen der Entbehrungen und Strapazen in den Waldlagern und auf der Flucht starben nach kurzer
Krankheit der Schlachtermeister Köhn, Frau Johanna Appelt und Frau Schubart aus Hamburg.
Wieviel deutsche Soldaten in den Kämpfen den Tod fanden, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt
werden. – Tapfer haben unsere Soldaten gekämpft, und nicht leicht haben sie dem Feinde
den Sieg gemacht. Das mag folgender Bericht einer amerikanischen Armeezeitung vom 25. April
über die Einnahme Gartows am 21. April zeigen:
„The Third Battalion met ist heaviest opposition at Gartow, where roads blocks covered by small
arms fire made house to house fighting necessary. By night fall, however, the town was leared,
along with Niendorf, Kapern and Holtorf. The First Battalion cleared Tobringen, Gr. Trebel, Kl. Trebel,
Clautze, Marlauben, Gedelitz, Laase, Gerleben, Vietze and Meetschow.”
In deutscher Übersetzung:
“Das 3. Bataillon stieß auf heftigsten Widerstand in Gartow, wo die versperrte Straße, gedeckt
durch das Feuer leichter Waffen, es nötig machte, Haus für Haus zu nehmen. Trotzdem war der
Ort bei Einbruch der Nacht gesäubert, ebenso Niendorf, Kapern und Holtorf. Das 1. Bataillon säuberte
Tobringen, Gr. Trebel, Kl. Trebel, Clautze, Marleben, Gedelitz, Laase, Gorleben, Vietze und
Meetschow.“ 5
Von Karl-Heinz Schwerdtfeger liegt eine Schilderung eigener Erlebnisse zum Kriegende vor. Er
wohnte im April 1945 auf dem Gut Quarnstedt. Die Bediensteten des Gutes und die Bewohner von
Quarnstedt flüchteten beim Feindbeschuß zum Wolfsberg, ein Wäldchen etwa 1,5 km nördlich von
352
Quarnstedt:
„Auf dem Wolfsberg befinden sich ungefähr 65 Personen. Mehrheitlich Frauen und Kleinkinder.
Nur wenige Männer. Zum Beispiel hat die noch 15 Köpfe betragende Resthausgemeinschaft des
Gutshauses lediglich drei männliche Personen: Mein Vater, mein zweijähriger Bruder und ich
selbst, der ich als Zwölfjähriger nicht mehr zu den Kindern zähle, aber von den Erwachsenen auch
noch nicht für voll angesehen werde.
Ungefähr 75 Quarnstedter sind in der Elbholzsiedlung untergekommen. Sie sind am Sonntag nach
dem großen Brand einfach weitergezogen. Ursprünglich sollten nur die Melker im Elbholz Quartier
nehmen, weil die Viehherde des Gutes östlich der Allee auf die Koppel vor dem Wald getrieben
worden ist. Somit haben die Melker einen kurzen Weg zur Herde. Alle übrigen Quarnstedter sollten
auf dem Wolfsberg die weiteren Kriegshandlungen abwarten. So war es ursprünglich geplant.
Denn man muß damit rechnen, daß aus militärischen Erwägungen die Elbdeiche von unseren
Truppen gesprengt werden. Zwar befindet sich der Elbwasserpegel in diesen Apriltagen auf mittlerer
Höhe. Doch ist nicht auszuschließen, daß kurzfristig eine Hochwasserwelle von der Oberelbe
kommt. Dann wären sämtliche Niederungen zwischen Quarnstedt und Elbe überschwemmt und
unpassierbar. Der bewaldete Sandhügel des Wolfsbergs mit der Höhe von 20m über Normal-Null
hingegen bliebe dann hochwasserfrei, weil er ungefähr die Höhe der Elbdeiche aufweist. Übrigens
wäre bei Hochwasser die Elbholzsiedlung auch nicht überflutet worden.
Schon zu Beginn des Großbrandes am Sonntag sind einige Quarnstedter über die Elbholzallee
nach Norden geflüchtet. Die Alten und Gebrechlichen sind vermutlich gleich zum Elbholz gezogen.
Wahrscheinlich wurden alle diejenigen, die bei Lösch- und Rettungsarbeiten nicht helfen konnten,
von den besonnenen Männern vorsorglich aus der Gefahrenzone weggeschickt. Wie die 75 Leute
im Elbholz untergebracht sind, ist mir nicht genau bekannt. Jedenfalls soll niemand unter freiem
Himmel sein Nachtlager haben. Jeder Schuppen, jeder Stall und jede Stelle auf den Dachböden
der drei Häuser ist für Schlafplätze hergerichtet.
15. 4. 1945: Feuersturm Gut Quarnstedt (Rekonstruktionsversuch von Karl-Heinz Schwerdtfeger)
353
Im Forsthaus Wiencke befindet sich der Kompanie-Gefechtsstand. Dort nächtigen einige Soldaten.
Also werden keine Quarnstedter Flüchtlinge in diesem Haus untergebracht sein. Ich bin zwar häufig
im Elbholz, doch außer Sichtkontakt habe ich dort kaum ein Gespräch mit Quarnstedtern. Über
das Leben der Elbholzer kann ich also nicht berichten.
Nun zum Wolfsberg-Flüchtlingslager:
Sehr wahrscheinlich ist die polnische Familie Bialecki zu Beginn des Brandes ihrer Unterkunft ohne
Löschversuche nach Norden geflüchtet. Sie haben sich als erste auf dem Wolfsberg gleich vorn
am Waldrand unter den alten Buchen niedergelassen. Aus Tannenzweigen haben sie sich eine Art
niedrige Hütte errichtet und diese ringsum lückenlos mit einem Geflecht aus Tannen umgeben.
Das sind acht Bialeckis und seit Dienstag ist Czechas Freund Josef (bei Schlachtermeister Arnold
Schramm beschäftigt) hinzugekommen. Als am Sonntag gegen Abend die anderen Quarnstedter
den Wolfsberg erreichten, sollen die Fuhrleute den Bialeckis gesagt haben, daß der Lagerplatz
weiter hinten im Walde zwischen den Sandhügeln vorgesehen war. Doch die Bialeckis hätten nicht
mehr umziehen wollen. Aus unerfindlichen Gründen haben die Quarnstedter dann nur 100 Meter
weiter das Hauptlager aufgeschlagen. Weiter westlich im Hügelgelände des Wolfsberges wäre
weitaus besserer, weil natürlicher, Schutz gegeben. Pferde und Wagen sind in einer Bodensenke
abgestellt, inmitten der drei Hauptgruppen. Nicht eng beisammen, sondern weiträumig auseinander
haben Familien, Gemeinschaften und Gruppen ihre Lager eingerichtet. Die Deutschen sind
mit den Italienern in einer großen Gruppe zusammen. Die Volksdeutschen aus Besserabien und
Wolhynien sowie die Slowaken und Kroaten lagern davon etwa 60 Schritte entfernt in größerer
Gemeinschaft. Teilweise schlafen sie unter den abgestellten Ackerwagen. Kontakte zueinander
bestehen nur zwischen der deutsch-italienischen und der volksdeutsch-slowakisch-kroatischen
Gruppe. Die polnische Familie Bialecki sondert sich ab.
Trinkwassermangel ist auf dem Wolfsberg ein großes Problem. Fehlendes Trinkwasser wird mit
Milch ausgeglichen. Die Elbholzer schneiden in dieser Hinsicht viel besser ab, denn dort gibt
es Trinkwasser aus dem Brunnen. Täglich wird auf dem Wolfsberg davor gewarnt, Wasser der
Schaugräben zu trinken. Die Brühe könnte auch abgekocht Seuchen wie Typhus oder Ruhr verursachen.
Und eine Seuche ist das Allerletzte, was man im Waldlager haben möchte. Kruppa holt
Wasser im Eimer aus dem südlichen Schaugraben, die Frauen hingegen gehen zum nördlichen
Waldrand und schöpfen Wasser aus dem Abflußgraben, weil sie offenbar Angst haben, in Richtung
Quarnstedt zu gehen. Mehrfach wird dieses Wasser dann durch Tücher gefiltert, bevor es zum
Waschen oder vielleicht auch zum Kartoffelnkochen verwendet wird.
Wie gesagt ist Milch in ausreichender Menge vorhanden. Jede Arbeiterfamilie hat das Recht, zwei
eigene Kühe zu halten. Die große Quarnstedter Koppel steht für das private Milchvieh uneingeschränkt
zur Verfügung. Nicht alle Familien besitzen zwei Kühe. Die slowakische Familie Slastan
hat zum Beispiel nur eine Kuh und die polnische Familie Bialecki hat gar keine. Keine Ahnung,
weshalb sie keine eigene Kuh haben wollen.
Sehr schlecht wäre es sowohl den Wolfsbergern als auch den Elbholzern ergangen, wenn nicht
einige für den nötigsten Nachschub an erforderlicher Verpflegung sorgen würden. Die wenigen
Helfer bleiben unauffällig, aber es sind immer dieselben.
Während manche Flüchtlinge die Mangelperiode klaglos ertragen, glauben andere bereits am
Verhungern zu sein, sobald sie zwei Tage lang nichts Festes in den Magen bekommen haben.
Möglicherweise tun sie nur so, um bei den anderen Mitleid zu erwecken. In Notzeiten verhalten
sich Menschen eben sehr unterschiedlich.
354
Täglich tauchen im Waldlager Wolfsberg deutsche Soldaten auf. Sie durchstreifen meistens zu
zweit das weite Gebiet zwischen Höhbeck, Elbe und Quarnstedt. Vermutlich kommen sie wegen
der Frauen ins Lager. Sie erhalten dann Milch oder auch Milchsuppe. Dann schäkern sie eine Weile
harmlos mit den Frauen herum. Manche machen einen mehr verwegenen als unerschrockenen
Eindruck. Manchmal erscheinen auch angetrunkene Soldaten. Die reden dann besonders albern
mit den jüngeren Frauen herum. Man hat diese unbekümmert erscheinenden Burschen allgemein
gern. Da ich selbst tagsüber selten im Lager bin, bekomme ich von diesen Besuchen nur wenig
mit.
Wie die ansehnliche Zahl der Kinder und Halbwüchsigen im Waldlager die Zeit totschlägt, kann ich
nicht beantworten. Weiß ich nicht, weil ich zu viel unterwegs bin. Möglicherweise sind Spielereien
der Kinder längst vorüber, wenn ich erscheine. Doch da scheint es kein fröhliches Kinderlachen
im Lager zu geben.
„…Ungeachtet des Gefechtslärms in Gartow kocht Antonia die übliche Milchsuppe mit Haferflockeneinlagen.
Auch ungeachtet des jammernden Geschreis einer ängstlichen Evakuierten, man
solle das Feuer löschen, weil der Rauch den Amis unser Waldlager verraten könne. Antonia kann
rauchloses Feuer unterhalten und Umberto treibt jeden Tag trockenes Feuerholz auf. Die Arbeiterfrauen
bestimmen, das Feuer werde nicht gelöscht. Es sei doch klar zu erkennen, daß der aufsteigende
geringe Rauch des Lagerfeuers schon in den Baumkronen so verteilt wird, daß er von
weitem nicht entdeckt werden kann.
Ich gehe zum Waldrand. Drüben in Gorleben brennt es, dort steigen Rauchwolken auf. Über Gartow
ist jedoch keine Rauchfahne zu sehen. Bis hierher zum Wolfsberg fliegen anscheinend keine
verirrten Kugeln. Da sind doch nur die Vorposten in Gartow, wie der Sani gesagt hat. Der in Lenzen
aus Versprengten neu aufgestellte Zug. Können höchstens 22 Mann sein. Ob die Quarnstedter
vielleicht auch nach Gartow vorgerückt sind? Zur Verstärkung oder so?
Nun kann es ja durchaus möglich sein, daß Artilleriefeuer bereits vorher eingesetzt hat. Möglicherweise
ist das wegen der anderen Knallerei nicht besonders aufgefallen. Jedenfalls beginnt feindliches
Ari-Feuer. Mindestens zwei Batterien feuern abwechselnd Salven. Weil sich die Abschüsse
überdecken, kann man nicht mit letzter Gewissheit heraushören, ob die Batterie aus vier oder aus
sechs Geschützen besteht.
Die Stellung der einen Batterie liegt unzweifelhaft in der Gegend von Nienwalde. Die andere muß
sich in der Gegend um Forsthaus Rucksmoor befinden. Wir können nur nach der Richtung des
Schalls vermuten, wo die feindliche Ari steckt. Die Einschläge liegen zwischen Gartow und Quarnstedt
in der Seege-Niederung. Wir haben freie Sicht auf Gut Quarnstedt, doch die Einschläge
der Granaten sehen wir nicht.
Zuerst sind die Abschüsse zu hören. Laut und dumpf: Wumwum, wum. Sie überlagern sich. Bevor
das Echo von Waldrändern zurückgeworfen wird – nach ungefähr einer halben Sekunde relativer
Ruhe –, beginnt ein gurgelndes Pfeifen, das schnell lauter wird und zu einem Orgeln anwächst.
Dann folgen prasselnd die Detonationen der Einschläge. Obwohl diese Einschläge gute 1000 Meter
entfernt liegen, machen sie gewaltigen Krach.Neben mir der Unteroffizier beobachtet ständig
mit seinem Feldstecher das Gutsgelände. Hat die Arme winklig aufgestützt, murmelt von Zeit zu
Zeit etwas vor sich hin. Er müsste wegen des Lärms laut schreien, wenn wir anderen etwas verstehen
sollen.
355
Weil ich überhaupt keine Ahnung habe, wie es nun weitergehen wird, ist er meine Bezugsperson,
nach deren Verhalten eigene Handlungen angepaßt werden. So störe ich ihn nicht mit lästigen Fragen,
sondern beobachte ihn und hänge demzufolge an seinen Lippen. Mehr erratend als verstehend
deute ich seine Selbstgespräche. Da dürften mehr als zwei Batterien beteiligt sein. Feldhaubitzen,
mittleres Kaliber. So langsam müßten die mal anfangen, das Feld zu räumen. Ich glaube,
er meint damit die Vorposten in Gartow. Im Getöse der Ari geht die Knallerei von Handfeuerwaffen
unter. Soweit man das Gutsgelände überblicken kann, ist dort keinerlei Bewegung festzustellen.
Es sind keine Dreck- oder Wasserfontänen zu sehen. Alles ist so aufregend. Von Langeweile kann
wahrhaftig nicht die Rede sein. In Gartow, wenige hundert Meter vor uns, toben Kämpfe. Aber man
kann davon nichts – überhaupt nichts – sehen. Man befindet sich am Rande des Geschehens und
lauscht dem gewaltigen Lärm.
Ich glaube fest, daß die feindliche Artillerie irgendwann wegen Munitionsmangels eine Feuerpause
einlegen muß. Denn das gibt`s doch gar nicht, daß die Amis stundenlang ohne Pause weiterfeuern
können. Solche Mengen an Munition werden sie sicherlich nicht zur Verfügung haben! So
lauere ich auf eine Feuerpause. Will dann sofort nach vorn zum Gutshof rennen, aus dem Splitterschutzbunker
die restlichen Konserven holen und damit schnell zum Wolfsberg laufen. Werde
mich nicht davon abhalten lassen.
Eine Feuerpause legen die Amis jedoch nicht ein. Nach etwa einer Stunde untätigen Herumliegens
verliere ich die Geduld und laufe zum Wolfsberg zurück. Erleichtert nehmen die drei mein freiwilliges
Weggehen zur Kenntnis. Wie es scheint, haben sich dort auf den Wolfsberg die meisten inzwischen
an die Knallerei gewöhnt. Jedenfalls hocken sie nicht mehr verängstigt in ihren Erdlöchern.
Das Lagerfeuer hat nur noch schwache Glut. Weil ich vom langen Liegen auf dem nassen Waldboden
fröstele, will ich ein paar trockene Zweige auflegen.
Entsetztes Geschrei unserer evakuierten Frauen: „Kein Feuer! Um Gotteswillen kein Feuer!“ Verblüfft
denke ich, naja, dann läßt man das eben! Kann man nichts machen! Die Arbeiterfrauen wie
alle anderen im Waldlager auch haben das Angstgeschrei gehört und schütteln verächtlich die
Köpfe über soviel Angst der Stadtfrauen. Das sind die Frauen Kruppa, Garz, Weber und Ode, die
ihre Köpfe zusammenstecken, flüstern. Und ich warte sehnlichst auf eine Feuerpause der feindlichen
Artillerie…“ 5
Erneut liegen auch für diese Zeit Tagebuchaufzeichnungen von Rudolf Haberland vor. Sie erlauben
es, sich in die damalige Situation hineinzuversetzen:
Mittwoch, den 20. Juni 1945
„Heute Vormittag wieder große Aufregung. Die Russen sollen nun wirklich die Altmark besetzen.
In Salzwedel sollen sie schon sein. Gestern ist schon das Vieh vom Gut Scharpenhufe zum Meierhof
Quarnstedt gebracht worden. Einzelne Flüchtlinge durchfuhren auf Wagen Gartow. Auf dem
Schloßhof halten Wagen mit Möbeln. Russen erscheinen nicht mehr in unseren Elbdörfern. Die
Engländer, die seit einigen Wochen die Wacht an der Elbe übernommen haben, überwachen besser
die Elbübergänge. Bei Gorleben und an der ehemaligen Lenzener Fähre wurde sogar des
Nachts mit Scheinwerfern der Elbstrom beleuchtet. Auch Polen und anderen Ausländern gestattet
man nicht mehr Übergriffe, wie das Entwenden von Fahrrädern usw. Von den 12 Engländern, die
seit dem 4. Juni im Schloß einquartiert sind, sieht man nur abends einige im Orte. Am Tage haben
sie ihren Dienst in Gorleben (Anm.: Gefangenenlager mit deutschen Soldaten) zu versehen. Sie
sind sehr zurückhaltend im Gegensatz zu den Amerikanern und erlauben sich keinerlei Übergriffe.
356
Bürgermeister Beyer ist seines Amtes vom Landrat enthoben worden, weil er Nazi war. An seine
Stelle ist der Postauto-Chauffeur Karl Heise getreten. Auch Kaufmann Johns, der auf dem Bürgermeisteramt
als Hilfskraft tätig war, mußte schon vor Wochen aus demselben Grunde seinen
Posten aufgeben. Nur Fräulein Suhr und Frau Eggert sind geblieben, neu hinzugekommen sind als
Hilfsarbeiterinnen Fräulein Wilhelm (Flüchtling aus Berlin) und Fräulein Gisela Thier.
Als Hilfspolizisten fungieren in der Gemeinde der Arbeiter Gustav Wolter und Studienrat Lüders
(Flüchtling aus Berlin, Beinamputierter), kenntlich an einer weißen Armbinde mit dem Aufdruck
MG. Sie haben für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Daneben ist nun aber schon wieder die ordentliche
Polizei in ihren ehemaligen Dienstbezirken tätig (Herr Wedekind und ein Polizei-Oberleutnant),
allerdings noch ohne Waffen. Auch an der Spitze der Kreisverwaltung stehen jetzt neue Männer.
Schon in den ersten Tagen der Besetzung hat die amerikanische Militärregierung für den Landkreis
ein Komitee eingesetzt, das die Geschäfte des früheren Landrats zu führen hat. Landrat ist
Bürgermeister a.D. Scheer aus Dannenberg.“
Donnerstag, den 14. Juni 1945
„Noch immer kennzeichnet das Wort Unsicherheit am besten die Lage. Noch immer ist nicht entschieden,
wie die Grenzen der Besatzungszonen verlaufen werden. Wilde Gerüchte liefen in den
letzten Tagen wieder um, genährt durch schlecht abgefaßte oder falsch verstandene Rundfunkmeldungen,
andere Nachrichten erhalten wir fast gar nicht. Amerikanische Militärzeitungen bekommt
man sehr selten zu Gesicht. Noch immer wollen die Gerüchte nicht verstummen, wonach
unser osthannoverscher Zipfel von Russen besetzt wird. Nun allerdings haben sich die Gemüter
wieder etwas beruhigt. Unsicher sind auch immer noch unsere Landstraßen. Wer mit dem Rad
fährt, läuft Gefahr, daß ihm sein Rad von Polen weggenommen wird. Auch in Nienwalde erschienen
noch verschiedentlich morgens früh schon Polen, um nach Schnaps zu suchen und gelegentlich
auch andere Sachen mitzunehmen. Erst als etliche von ihnen sich eine gehörige Tracht Prügel
von den Niendorfern geholt haben, hat die Drangsalierung der Niendorfer aufgehört.
Die Schule ist noch nicht wieder eröffnet worden. Auf Anordnung der Militärregierung werden die
10 - 14jährigen Schulkinder jetzt mit Arbeiten beschäftigt, die für die Allgemeinheit von Nutzen
sind. In Gartow haben die Schüler seit dem 9. Juni auf dem Meierhof Quarnstedt verschiedene
Haferfelder vom Hederich gesäubert und die beiden Schulklassen, die während des Seegebrücken-Baues
mit Amerikanern belegt waren, gründlich gereinigt. Jetzt sind wir dabei, auf dem Weg,
der über die Seerigwiesen führt, die Löcher die die Amerikaner für ein Geschütz dort ausgehoben
hatten, wieder einzuebnen (Knaben) und das Gewirr von Telephondrähten, das sich noch immer
am Kirchplatz befand, zu beseitigen. Auch Einebnung von Splittergräben auf der Ziegenweide.“
Donnerstag, den 21. Juni 1945
„Heute Vormittag 9 Uhr sind die in Gartow noch wohnhaften Holländer, Belgier und Luxemburger
mit einem englischen Lastauto heimbefördert worden. Heute in englischer und deutscher Sprache
ein Plakatanschlag an der Post, daß vom 20. Juni ab ein beschränkter Brief- und Postkartenverkehr
durchgeführt wird. Zugelassen sind Briefe bis zu 20g im Verkehr mit Verwaltungsbehörden,
Industrie, Handel und Gewerbe. Der Postverkehr ist allgemein zugelassen. Es dürfen jedoch nur
Briefe und Postkarten für Orte in den Oberpostdirektionen Hannover und Braunschweig (Postgau
20) versandt werden…“
357
Freitag, den 29. Juni 1945
„Fast kein Tag vergeht ohne eine Beunruhigung oder Aufregung. Vor ein paar Tagen sollten die
Russen schon ihren Einzug in Salzwedel gehalten haben, es war nichts
davon wahr, noch immer sind die Grenzen der Besatzungszonen nicht bekannt. Heute nun erfahren
wir, daß 200 Engländer mit 25 Offizieren in Gartow morgen oder übermorgen einquartiert
werden sollen. Da bleibt für uns wohl nur noch die Waschküche oder die Scheunendiele als Wohnplatz.
Und heute endlich hat auch die östliche Hälfte der Hauptstraße elektrisches Licht erhalten!
…Solange das Gefangenenlager in Gorleben besteht, erscheinen bettelnde (deutsche) Soldaten
in unseren Dörfern, um zur Ergänzung der kärglichen Lagerbeköstigung Kartoffeln oder Brot zu
erhalten. Auch die Häuser der Springstraße und der Hahnenberger Straße wurden oft von ihnen
aufgesucht, so viele wie in den letzten Tagen sind aber noch nie da gewesen. In manchen Häusern
der Springstraße waren gestern wohl 10 Soldaten, um um Brot, Kartoffeln, Mittagbrot usw. zu bitten.
Armes Deutschland, das das Schauspiel bettelnder Soldaten erleben muß!
Täglich trifft man auf den Straßen Soldaten, meist schwer bepackt, mit Rucksäcken oder anderen
Tragevorrichtungen, die in die Heimat zurückkehren wollen. In Gartow erhalten sie in der Gemeinschaftsküche
ein warmes Mittagessen, anderswo sind sie auf die Mildtätigkeit der Dorfbewohner
angewiesen. Vielen aber ist die Rückkehr in die Heimat verschlossen, da sie von Russen besetzt
ist und niemand weiß, was ihnen da geschehen wird.“
Sonntag, den 1. Juli 1945
„Ein Tag großer Entscheidungen für unsere Heimat! Heute nacht 12 Uhr hat der Russe die Altmark
besetzt! Das ist nun wohl wahr. Ganz unwahrscheinlich aber erscheint es doch, daß Nienwalde
nach einer beim hiesigen Kommandanten vorliegenden Karte zum russischen Gebiet geschlagen
sein soll. Der Amtsvorsteher Baarck ist nach Dannenberg gefahren, um dort darüber Erkundigungen
einzuziehen. Bei Reske liegen schon die großen Grenzschilder mit der Aufschrift: Britisches
Gebiet oder Russische Zone. Heute nacht zwischen 3 und 5 Uhr morgens ist nun auch ein Teil
der angekündigten englischen Einquartierung eingetroffen. Die Häuser Nr. 76 (Schröder) und das
kleine Häuschen am Eingang zum Schloßhof (Schweizer) mußten binnen einer halben Stunde
geräumt sein. Die armen Leute! Und wen es wohl noch im Lauf des Tages trifft? Viele Leute haben
schon die notwendigsten Sachen gepackt, um schnell ausziehen zu können. 22 Uhr – Die Spannung
hat sich ein wenig gelöst. Nienwalde ist – britisches Besetzungsgebiet, ebenso Gummern,
das ebenfalls irrtümlicherweise den Russen zur Besetzung freigegeben war. Die Nienwalder, die
schon nach Gartow geflüchtet waren, sind wieder zurückgekehrt, und morgen werden die Grenzschilder,
die schon auf dem Weg zwischen Gartow und Nienwalde, bei Neu Rucksmoor, am alten
Dorf und anderswo gesetzt waren, wieder beseitigt werden und auf der alten Grenzlinie zwischen
Hannover und der Altmark aufgestellt werden. Auch der englische Posten, der am Buchhorster
Damm den Weg nach Nienwalde sperrte, ist wieder eingezogen worden. Statt Gartow hat nun Nienwalde
Einquartierung erhalten und wir dürfen hoffen, vor allzu starker Einquartierung verschont
zu bleiben.“
Dienstag, den 3. Juli 1945
„…Russen in Stresow (100 Mann) und in Bömenzien! Am Sonntag ist der Pastor Behrens aus
Schnackenburg und zwei andere Schnackenburger, die mit zwei Engländern über die Elbe gefahren
waren, um für die Engländer unter englischem Schutz einen Kahn zurückzubringen, von den
Russen festgenommen worden und bis jetzt noch nicht zurück. Die Engländer kehrten zurück…“
358
Sonnabend, den 14. Juli 1945
„Wieder Tage schrecklicher Unruhe und Sorge. Gestern kam die Nachricht aus Gorleben, daß
innerhalb einer Zeit von 8 bis 14 Tagen das Kriegsgefangenenlager aufgehoben werden soll. Daraus
schließt man, daß unser Zipfel doch den Russen übergeben werden soll. Manch einer, der
hier nicht viel oder nichts zu verlieren hat, denkt an Flucht. Wer meint, aus irgendeinem Grund
hier bleiben zu müssen, denkt mit Schrecken an die Zukunft. Nur wenige scheinen die Besetzung
unseres Heimatgebietes durch die Russen herbeizusehnen.
Seit dem 9.7. haben wir eine ziemlich starke englische Besatzung in Gartow. Das ganze Schloß
mußte geräumt werden und für 56 Personen mußten neue Unterkunftsräume gesucht werden,
ebenso auch für die Forstkasse und die Registerkasse (Anm. der gräflichen Verwaltung). Nur der
Herr Graf selber mit seiner Familie durfte in der Wohnung des Försters Harms weiter wohnen.
Es sollen etwa 100 Engländer im Schloß und im Haus des Malermeisters Schröder (Springstr.)
einquartiert sein. In den Gasträumen des Gastwirts Köhn ist eine Kantine für die Engländer eingerichtet
worden. Dort gibt es auch Bier aber nur für Engländer. „The Royal George“ nennt sich, wie
ein großes Schild ausweist, die Gaststätte für die Herren Engländer.“
Montag, den 16. Juli 1945
„Die Lage hat sich etwas beruhigt. Über den Schweizer Rundfunksender Beromünster will man
gehört haben, daß die Russen unseren Zipfel verlangt, die Engländer aber abgelehnt haben. Und
auch hier spricht alles dafür, daß die Engländer nicht gewillt sind, unser Heimatgebiet den Russen
zu überlassen. Zwischen Bömenzien und Kapern ist eine Panzersperre errichtet worden, auch im
Nienwalder Grenzgebiet wird die Grenze befestigt (Stacheldraht). Nach Trebel sollen 200 Engländer
gekommen sein und nach Lüchow sogar eine Panzer-Division. Das Gorleben-Lager soll wegen
seiner ungünstigen Lage und seiner schlechten sanitären Verhältnisse aufgegeben werden aber
nur zum Teil. Das Lager A an der Elbe soll als SS-Lager bleiben. Dies alles spricht dafür, daß wir
britisch bleiben und dafür wollen wir dankbar sein…
…Pastor Behrens aus Schnackenburg ist nun wieder zurück. 11 Tage ist er von den Russen festgehalten
worden. Vor dem GPU-Richter hat er gestanden, ist mit Eisenstangen geschlagen worden,
um ihn zu einem Geständnis zu bringen; daß er ein englischer Spion sei und ist dann endlich
freigelassen worden. Nach Schnackenburg aber durfte er nicht wieder zurückkehren. Es ist ihm
jedoch gelungen, bei Lütkenwisch das Ufer der Elbe zu erreichen und schwimmend an das diesseitige
Ufer zu gelangen. Aus allem geht hervor, daß zwischen Engländern und Russen durchaus
keine Freundschaft herrscht und ein neuer Krieg durchaus im Bereich der Möglichkeit liegt. Gott
gebe, daß unser Heimatgebiet dann nicht Kriegsschauplatz wird.
Die Sperrzeit, innerhalb derer niemand die Straße betreten darf, ist verlängert worden. Sie beginnt
jetzt schon um 10 Uhr abends und endet um 4.45 Uhr morgens. Aber die englischen Soldaten
dürfen jetzt auch mit Erwachsenen sprechen! Bisher war es ihnen nur erlaubt, mit Kindern zu
sprechen und zu spielen…“
Dienstag, den 17. Juli 1945
„Nach und nach kehren unsere Soldaten zurück, meist nach wochenlanger, entbehrungsreicher
Gefangenschaft, in zerschlissenen Uniformen, abgemagert, ein Bild des Jammers…Aber viele unserer
Soldaten kehrten noch nicht zurück, manche haben auch noch kein Lebenszeichen gegeben
und Eltern, Frauen und Kinder sorgen sich und manche Träne fließt …“
359
Freitag, den 27. Juli 1945
„Von Zeit zu Zeit geht immer wieder die Schreckenskunde durch Gartow: Der Russe kommt! Als am
19.7. die englischen Grenzposten bei Nienwalde zurückgezogen wurden und ein deutscher Polizist
dort eingesetzt wurde, da war nach Meinung der Leute daran nicht zu zweifeln. Als vorgestern
Hamburger Kinder sich bereithalten mußten, innerhalb 1 Stunde nach Hamburg zurückgebracht
zu werden, da war es gewiß. Und nun, so weiß man zu erzählen, ziehen die Engländer schon die
Privatautos aus dem Verkehr, damit sie vor den Russen gerettet werden können. So tauchen immer
wieder neue Gerüchte auf und die Leute kommen aus der Unruhe nicht heraus…“
20. August 1945
„Die Brennholzknappheit macht vielen Leuten Sorge und Kohlen gibt es gar nicht. Täglich begeben
sich Männer, Frauen und Kinder zu Fuß oder mit Fahrrädern in den Wald bis nahe an die Königsbrücke
bei Wirl, um dort das Brandholz zu fällen und zu entasten, welches der große Waldbrand
vom 17.5. zurückgelassen hat … denn die Brot-, Fleisch-, Fett- und Zuckerrationen sind gering, nur
die Kartoffeln können etwas reichlicher zugemessen werden. Es gibt zur Zeit wöchentlich nur 125
g Fleisch, 125 g Fett und Brot. Zucker gab es im vorigen Monat 1000 g, in diesem Monat nur 750 g
für den Normalverbraucher. Raucherkarten (Anm. Tabak) erhalten jetzt nur noch die Männer aber
meistens verfallen sie, da die Kaufleute keine Rauchwaren haben. So herrscht Mangel an allen
Ecken und Enden und es sieht nicht so aus, als ob es bald besser wird. Noch immer fehlen viele
hundert Scheiben Fensterglas und nur wenige Brandplätze sind aufgeräumt…“
31. August 1945
„…Am Dienstag (28.8.) veranstaltete die englische Besatzung einen Tanzabend, zu dem Vertreter
der Gemeinde sowie junge Mädchen und Frauen eingeladen waren. Auf den Kriegsbrandstätten
Gartows ist nunmehr das erste Haus gerichtet worden. Es ist das Haus des ehemaligen Bürgermeisters
Theodor Beyer…“
12. September 1945
„Heute Nachmittag haben die Engländer auf einer Wiese am alten Jungfernstieg unserer Schuljugend
ein Sportfest veranstaltet, das von der Schule und den Engländern gemeinsam vorbereitet
war ... der 10. September brachte eine erhebliche und darum mit Freuden begrüßte Verbesserung
unseres Verkehrswesens. Vom 10. Sept. ab fährt regelmäßig jeden Morgen um 7 Uhr ein großer
Omnibus nach Dannenberg und kehrt in den Nachmittags- oder Abendstunden nach Gartow zurück.
Da der Andrang sehr groß ist, ist zunächst noch für jede Fahrt eine Zulassungsbescheinigung
des Bürgermeisters erforderlich. Seit einiger Zeit verkehrt auch schon ein Zug zwischen Dannenberg
und Uelzen, so daß nun schon von Dannenberg nach Hannover mit dem Zug gefahren werden
kann. Der Zugverkehr zwischen Dannenberg und Lüneburg ruht noch immer, da die Jeetzelbrücke
noch nicht wieder hergestellt ist… Auch die Streichhölzer sind so knapp, daß die Kaufleute, wenn
sie einmal welche haben, immer nur 5 Stück verkaufen.“
6. Oktober 1945
„Heute neue englische Besatzung gekommen. Wieder das Schloß und das Haus von Malermeister
Schröder („Alte Post“) belegt. Am späten Nachmittag ein Anschlag am Schwarzen Brett der
Bürgermeisterei, daß sämtliche Evakuierte und Flüchtlinge sich auf Befehl der Militärregierung
zum Abtransport bereithalten. Nur diejenigen Personen, die in Gartow eine wichtige Beschäftigung
gefunden haben, brauchen nicht fort. Große Aufregung. Wirklich ein sehr harter Befehl! Manch
einer hat wochenlang im Walde Brandholz geschlagen, um im Winter eine warme Stube zu haben.
Andere haben fleißig für den Winter Obst und Gemüse eingeweckt, Saft gekocht, Obst gedörrt,
360
Kartoffeln gesammelt usw. Und nun sollen die Armen das Alles zurück lassen, da nur 15 kg Gepäck
mitgenommen werden darf? Wie verlautet, soll zunächst das ehemalige Arbeitsdienstlager
geräumt werden, um als Auffanglager für Zwangsumgesiedelte (Schlesier?) aus dem Osten hergerichtet
zu werden.“
10. Oktober 1945
„Gestern sind etwa 250 Evakuierte und Flüchtlinge durch englische Autos abtransportiert worden.
Es war ein schweres Abschiednehmen für manche. Wohin sie gebracht worden sind, ist noch nicht
bekannt. Das ehemalige Arbeitsdienstlager ist vollständig geräumt worden zur Aufnahme von 300
Personen…“
Mittwoch, den 17. Oktober 1945
„… Das ehemalige Arbeitsdienstlager ist zu einem Auffanglager für Ost-Flüchtlinge geworden, die
aus dem russischen ins britische Besatzungsgebiet überführt werden sollen. Bis jetzt sind aber
erst 24 Flüchtlinge eingetroffen, die ohne Genehmigung der russischen Behörden heimlich über
die Grenze gegangen sind …“
29. Oktober 1945
„Die neue britische Besatzung hat im Laufe der letzten 14 Tage weitere Räume beschlagnahmt:
eine Schulklasse, die beiden Frühstücksräume bei Werth und Herbst, die 1. Etage im Dotkoschen
und Schröderschen Hause. Der Grenzverkehr ist immer noch sehr stark…“
26. November 1945
„Seit 2 ½ Wochen ist die Grenze zwischen der russischen und britischen Besatzungszone zeitweise
(meist nur einige Stunden) geöffnet für Evakuierte aus dem Westen, die in der russischen Zone
untergebracht waren und nun zurückkehren dürfen. 2 850 Personen sind bis heute durch das
Gartower Auffanglager gegangen…“
Gefallene und Vermisste des 2. Weltkrieges aus Gartow
Gefallene
Selchorn, Wilhelm (10.9.1939), Jaerneke, Martin (6.11.1939), Wendig, Ernst (7.12.1939), Sydow
von, Joachim (22.5.1940), Mencke, Alfred (25.6.1941), Baark, Wilhelm (6.7.1941), Junack,
Werner (20.7.1941), Malinowski, Ewald (31.10.1941), Malinowski, Richard (1941), Lindemann,
Horst (11.11.1941), Voss, Alfred (25.11.1941), Koppermann, Paul (19.1.1942), Klemm, Kurt
(10.2.1942), Junack, Karl (24.2.1942), Koppermann, Karl (5.3.1942), Thorey, Edgar (8.3.1942),
Köhn, Friedrich (19.3.1942), Krüger, Adolf (29.3.1942), Flüchter, Stephan (31.5.1942), Jagow, Erich
(29.8.1942), Warnecke, Walter (22.11.1942), Beneke, Walter (17.12.1942), Waldow, Hermann
(18.12.1942), Eggers, Hans-Joachim (20.1.1943), Matern, Friedrich-Wilhelm (13.2.1943), Schrader,
Werner (7.3.1943), Schramm, Albert (21.4.1943), Greibke, Walter (12.7.1943), Prinz, Erich
(11.8.1943), Schulz, Otto (11.9.1943), Bütow, Heinz (23.9.1943), Hermann, Rudolf (5.11.1943),
Junack sen., Carl (22.11.1943 in Berlin), Scheffler, Fritz (21.1.1944), Mahnke, Ernst (29.2.1944),
Jahn, Willi (5.4.1944), Haberland, Rudolf jun. (15.4.1944), Schrader, Friedrich (21.6.1944), Schulze,
Adolf (26.6.1944), Bütow, Erich (20.8.1944), Ellerhausen, Otto (21.8.1944), Schmidt, Hans-
Jürgen (26.8.1944), Tege, Otto (8.11.1944), Jahn, Karl (16.12.1944), Zimmermann von, Axel
(24.12.1944), Fricke, Kurt (23.1.1945), Kruyk, Kurt (29.1.1945), Bahls, Hermann (30.1.1945),
Bahls, Erika (30.1.1945), Zilensky, Karl sen. (Febr. 1945), Langer, Heinrich (24.2.1945), Stegemann,
Willi (26.2.1945), Stroermann, Karl (18.3.1945), Frahm, Friedrich (März 1945), Stroermann,
Friedrich (16.4.1945), Jochmann, Lieschen (17.4.1945), Schröder, Hermann jun. (20.4.1945),
361
Köhn, Günther (20.4.1945), Uetzmann, Ernst (20.4.1945), Sandmann, Alfred (24.4.1945), Sydow
von, Heinrich (April 1945), Köhn, Erich (7.5.1945), Schmidt, Erich (3.11.1945), Schäfer, Walter
(Dez. 1945), Bernstorff von, Joachim (9.1.1946), Schröder, Hermann sen. (15.4.1946), Zilensky,
Karl jun. (12.4.1947), Rau, Erwin (18.4.1948), Eggert, Friedrich (29.7.1948), Grau, Reinhold
(30.1.1952) und Meyer, Georg (ohne Angabe). Laut Inschriften auf zwei Steinquadern auf dem
Alten Friedhof/Kriegsgräbergedenkstätte Gartow-Buchhorst, Stand 3.3.2009.
Von einigen Gefallenen sind nähere Umstände ihres Todes bekannt:
Mencke, Alfred: gef. bei Gorki-Baark, Wilhelm: gef. bei Botawo an der Stalinlinie – Waldow, Hermann:
gef. bei den schweren Kämpfen im Osten bei Orel – Beneke, Walter: gef. bei einem Angriff
der Russen in der Nähe von Stalingrad – Warnecke, Walter: gef. im Afrika-Korps Rommel – Schrader,
Werner: gef. im Verlauf der Abwehrkämpfe in Mossoroff Beirak südlich des Donez durch Brustschuß
– Mahnke, Ernst: gef. durch MG-Garbe im Brückenkopf Nettuno/Italien – Haberland, Rudolf
jun.: gef. durch Panzerabwehr-Kanonentreffer in Galizien, beerdigt in Sciamka – Schaal, Friedrich:
gef. bei einem Fliegerangriff in Belgien – Thorey, Andreas: gef. im Osten bei Abwehr eines feindlichen
Panzerangriffs durch Kopfschuss – Ellerhausen, Otto: gef. bei Zambrow/Südostpreußen
–Stoermann, Friedrich: gef. in Ketschendorf bei Fürstenwalde durch Fliegerangriff – Köhn, Erich:
gef. durch Kopfschuß bei Ober-Colmnitz/Dresden – Köhn, Günter: gef. bei Eversen/Rotenburg
durch Brustschuß – Schröder, Hermann gest. als Kriegsgefangener in Brest-Litowsk – Ützmann,
Ernst: gef. in Varos/Jugoslawien – Schöller, Olga Sophie: gest. 21.12.1947, aus dem Warthegau
„Sie starb vor Freude über die Rückkehr ihres Gatten aus der Gefangenschaft in Russland“ – Jochmann,
Lieschen geb. Delius: gest. 17.4.1945 „Die Verstorbene war zu ihrem Vater nach Gartow
geflüchtet, wurde hier am 14. April schwer verwundet und starb am 17. April 1945“ – Brandt,
Marie geb. Wendig: gest. 20.4.1945 „Die Verstorbene wurde bei den Kampfhandlungen in Gartow
schwer verwundet und starb alsbald…“
Bei den Kämpfen in den letzten Kriegstagen sind folgende auswärtige Soldaten gefallen und
ebenfalls auf dem Ehrenhain beigesetzt worden:
Lindemeyer, Fritz, Panzergrenadier, geb. 19.9.1927 in Altenspeckfeld, gef. 16.4.1945 in Gartow,
2. Unbekannter Soldat, 3. Hempel, Georg, Reiter, geb. 18.3.1927 in Sproitz/OS, gef. 24.4.1945 in
Damnatz, 4. Bender, Herbert, Reiter, geb. 2.3.1927 in Guckheim/Westerwald, gef. 22.4.1945 in
Damnatz, 5. Jendryscyk, Franz, Matrosen-Obergefreiter, geb. 14.2.1923 in Bottrop, gef. 25.4.1945
in Damnatz, 6. Löffelbein, Gerhard, Leutnant, geb. 9.10.1911 in Tanner, Kr. Thorn, gef. 6.5.1945
in Damnatz, 7. Riegler, Karl, Oberkanonier, geb. 7.10.1924 in Mönichwald, gef. 22.4.1945 in
Damnatz, 8. Geil, Otto, Unteroffizier, geb. 3.9.1916 in Mannheim, gef. 24.4.1945 in Damnatz, 9.
Schaube, Kurt, Gefreiter, geb. 13.9.1912 in Öls/Schlesien, gef. 24.4.1945 in Damnatz, 10. Pongratz,
Alois, Soldat, geb. 19.2.1927 in Grabitz, gef. 24.4.1945 in Damnatz, 11. Blödorn, Max Alexander,
Grenadier, geb. 5.8.1928 in Wahrlang, Kr. Ueckermünde, gef. 22.4.1945 in Damnatz, 12.
Connert, Fritz, Untersturmführer, geb. 16.12.1912 in Hermannstadt/Rumänien, gest. 26.5.1945
in Damnatz, 13. Hampe, Erich-Karl, Oberschütze, geb. 8.11.1922 in Ascherleben, gest. 27.6.1945
in Gorleben, 14. Neher, Willi, Füsilier, geb. 3.1.1925 in Mannheim, gest. 16.7.1945 in Gorleben,
15. Wallnöfer, Engelbert, Obergefreiter, geb. 17.6.1913 in Prad/Tirol, gest. 14.7.1945 in Gorleben,
16. Schumacher, Karl, Flieger, geb. 26.4.1903 in Leipzig, gest. 13.5.1945 in Gorleben, 17
Reimer, Bruno, Wehrmachtsbeamter, geb. 8.9.1899 in Danzig, gest. 26.7.1945 in Gorleben, 18.
Fingerhut, Hugo, Obergefreiter, geb. 2.8.1911 in Letmathe, Kr. Hagen, gest. 16.5.1945 in Gorleben,
19. Kanitz, Hermann, Gefreiter, geb. 16.3.1892 in Berlin, gest. 3.6.1945 in Gorleben, 20.
Volke, Josef, Grenadier, geb. 20.2.1911 in Kunzendorf, Kr. Glatz, gest. 29.7.1945 in Gorleben, 21.
362
Sill, Walter, Wachtmeister, geb. 25.3.1917 in Mangschütz, Kr. Brieg, gest. 22.4.1945 in Prabstorf,
22. Krede, Hermann, Obergefreiter, geb. 12.1.1907 in Dortmund, gef. 25.4.1945 in Prabstorf,
23. Unbekannter Soldat, gef. 22.4.1945 in Zadrau, 24. Unbekannter Soldat, gef. 22.4.1945 in
Kl. Heide, 25. Röder, Walter, Obergefreiter, geb. 25.10.1909 in Stedten, gef. 22.4.1945 in Kl.
Heide, 26. Wilkens, Heinrich, Soldat, geb. 7.1.1927 in Drostendamm, gef. 22.4.1945 in Zadrau,
27. Unbekannter Soldat, 28. Durchgestrichen! : Wittenberg, Georg, geb. 17.6.1927 in Heise, gef.
22.4.1945 in Zadrau, 29. Walter, Hans, Grenadier, geb. 14.3.1927 in Grohn b. Vegesack, gef.
22.4.1945 in Zadrau, 30. Fleige, Konrad, Schütze, geb. 19.11.1909 in Hildesheim, gef. 24.4.1945
in Langendorf, 31. Werner, Ernst, Soldat, geb. 17.4.1905 in Traben-Trarbach, gef. 22.4.1945 in
Langendorf, 32. Unbekannter Soldat, gef. April 1945 in Langendorf, 33. Dammayr, Johann, Gefreiter,
geb. 28.6.1924 in Schwertberg/Österreich, gef. 23.4.1945 in Kaltenhof, 34. Thiele, Karl
Siegfried, Obergefreiter, geb. 17.5.1922 in Rittersberg/Erzgebirge, gef. 17.4.1945 bei Nienwalde,
35. Bonkatz, Fritz, Soldat, geb. 21.5.1912 in Berlin-Steglitz, gest. 7.9.1945 in Grippel, 36. Unbekannter
Soldat, gef. April 1945 in Langendorf, 37. Riha, Johann, geb. 7.1.1903 in Wien, gest.
22.5.1945 in Laase, 38. Bickert, Erich, Hauptmann der Luftwaffe, geb. 9.7.1912, gef. 28.4.1945
in Holtorf, 39. Sureck, Hans, Leutnant der Luftwaffe, geb. 20.3.1915 in Posen, gef. 28.4.1945 in
Holtorf, 39 a. Landgraf, Arnold, Unteroffizier, geb. 22.2.1918 in Berlin, gef. 23. oder 24.4.1945
bei Holtorf, 40. Grünert, Martin, Leutnant, geb. 10.2.1913 in Chemnitz, gest. August 1945 bei
Holtorf, 41. Lichtenthäler, Karl, Gefreiter, geb. 1.5.1921 in Leutzert, gef. April 1945 bei Pevestorf,
42. Janke, Erich, Gefreiter, geb. 8.2.1907 in Berlin-Neukölln, gef. 23.4.1945 in Restorf, 43. Dietze,
Heinz, Soldat, geb. 1926, gef. im Mai 1945 bei Kapern, 44. Ziegelmeier,. Johann, Soldat, geb.
4.9.1919 in Rudenshofen, gef. 1.5.1945 in Holtorf, 45. Hoffend, Josef, Soldat, geb. 25.4.1904
in Urmitz, gef. 1.5.1945 in Holtorf, 46. Stüpp, Hans, Obergefreiter, geb. 26.6.1919 in Immigrath,
gest. 19.5.1945 bei Holtorf, 47. Paul, Albert, geb. 26.12.1909 in Langula, gef. April 1945 in Vietze,
48. Meyer, Hinrich, Soldat, geb. 19.7.1912 in Neuenkirchen, Kr. Ortelsburg, gest. 21.6.1945
bei Vietze, 49. Haase, Georg, geb. 28.10.1921 in Grenzen/Ratibor, gef. 22.4.1945 in Tramm,
50. Strunck, Gotthard, Obergefreiter, geb. 20.7.1900 in Lübeck, gef. 22.4.1945 in Penkefitz, 51.
Unbekannter Soldat. Ferner auf dem Gemeindefriedhof: Schmidt, Edgar, Kriegsgefangener, geb.
20.3.1920 in Lipire, gest. 12.5.1943 in Gartow; Tadschimraton, Kutlierasch, Kriegsgefangener,
gest. 22.12.1942 in Gartow und van Deyk, Jenny, Tochter des Fremdarbeiters Franz van Deyk, geb.
27.5.1943 in Mecheln, gest. 2.12.1944 in Gartow; gemäß der Gräberliste Gartow vom 18.1.1971.
Die bei den Kämpfen gefallenen amerikanischen Soldaten sind nicht in deutscher Erde bestattet
worden. Gemäß eines hohen Befehls wurden sie auf Militärfriedhöfen außerhalb Deutschlands
zur letzten Ruhe gebettet.
Vermisste
1942: Rückborn, Wilhelm, 1943: Reske, Friedrich; Baark, Heinrich; Timme, Heinrich;
Giese, Günter; Wilzki, Walter; Pfeil, Herbert; Schulz, Otto; 1944: Kraasmann, Wilhelm;
Abbas, Hans-Jürgen; Thissel, Willi; Mahnke, Adolf; Schrader, Friedrich; Mencke, August; Wiswedel,
Wilhelm, 1945: Martens, Waldemar; Sassenhagen, Hartwig; Thoms, Hermann; Mahnke, Hermann;
Mencke, Adolf; Bach, Johann; Griese, Gerhard; Luckner, Karl; Hahlbohm, Friedrich; Stegemann,
Willi; Tiemann, Werner; Urban, Otto; Pfand, Fritz; Jensen, Günter; Frahm, Friedrich; Timme,
Wilhelm; Besenbiel, Otto; Holz, Erich; Marek, Egon; Niemann, Hermann; v. Sydow, Heinrich; Schulenburg,
Erich und Järnecke, Hans-Herbert.
Die Zeitpunkte der Vermisstenmeldung sind laut Ehrentafel in der Kirche Gartow nicht angegeben.
363
Inschrift am Ehrenmal Alter Friedhof/Kriegsgräbergedenkstätte Buchhorst:
„Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßet für seine Freunde…“
Es gehört offenbar zu den Unglücken in der Menschheitsgeschichte, in Kriege verwickelt zu werden,
die viele Menschen mit dem Tod bezahlen müssen. Die Gefallenen und Vermissten des 1.
Weltkrieges 1914 - 1918 sind auf einem Gedenkstein von 12 Tonnen Gewicht, genannt. Das Ehrenmal
wurde 1922 am Kirchhof in Gartow errichtet und im Sommer 2003 zum Friedhof Buchhorst
versetzt. Der 1949 angelegte Friedhof Buchhorst wurde 1955 zum schönsten Ehrenfriedhof
Norddeutschlands erklärt.
Quellen und Literatur
1. Zeitungsbericht vom 15.4.1943
2. Notizen vonRudolf Haberland, Auszüge
s.a. derselbe: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“,
Lüchow 1988 2. Aufl. S. 307 - 344
3. Dokument: „29 LET`S GO!“ Genehmigung zur auszugsweisen Veröffentlichung in dieser
regionalgeschichtlichen Abhandlung erteilt durch „The Battery Press“, Nashville Tennessee,
sowie persönlich durch den Autor Joseph H. Ewing. Rodegast, Günter: „Das Treffen an der
Elbe. Amerikaner und Sowjets begrüßten sich 1945 in Wittenberge und Gartow“. (3)Prignitzer
Heimat Nr. 48 (2. Halbjahr 2010), S. 16 - 17
4. Schwerdtfeger, Karl-Heinz: „Kriegsende im Wendland. Gefangenenlager Gorleben.
Entstehung des Lagers bis zum Abzug der 29. US-Infanterie-Division und Übergabe der
Lagerverwaltung an das 333. US-Infanterie-Regiment (84. US-Division) sowie die Notwendigkeit
zur Erweiterung des Lagers 26. April bis 4. Mai 1945“, Escheburg 2007/2010,
S. 30 - 31, Verlag Books on Demand, Norderstedt Bd. I „Kriegsende im Wendland. Erlebte
Geschichte. Eine zeitgeschichtliche Momentaufnahme“, 343 S., Bd. II „Kriegsende im
Wendland. Brückenkopf Lenzen. Die militärgeschichtlichen Ereignisse, detailliert von der
Bildung bis zur Aufgabe des deutschen Brückenkopfes 12. April bis 24. April 1945“, 179
S., Bd. III „Kriegsende im Wendland. Vorstoß der 5. US-Panzerdivision. Brückenkopf Dömitz.
Die militärgeschichtlichen Ereignisse über die Einnahme des Kreises Lüchow-Dannenberg
durch die 5. US-Panzerdivision und die 29. US-Infanteriedivision im mittleren Abschnitt des
Dreiecksgebietes Wendland von Salzwedel ausgehend bis nach Neu Darchau/Elbe. 20.
April bis 26. April 1945“, 136 S., Bd. IV „Kriegsende im Wendland. Gefangenenlager Gorleben
Entstehung des Lagers bis zum Abzug der 29. US-Infanterie-Division und Übergabe der
Lagerverwaltung an das 333. US-Infanterie-Regiment (84. US-Division) sowie die Notwendigkeit
zur Erweiterung des Lagers. 26. April bis 7. Mai 1945.“
5. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“,
2. Aufl., Lüchow 1988, S. 318 - 26
364
Das neue Bundesland Niedersachsen
Unmittelbare Nachkriegszeit und Wohnungsnot
Die in den letzten Kriegsmonaten einsetzende Flüchtlingsbewegung aus den deutschen Ostgebieten
klammerte auch Gartow nicht aus. In Gartow herrschte bereits drangvolle Enge in den
Wohnhäusern und mit zunehmender Anzahl der Flüchtlinge wurden bereits Abstellkammern, Flure,
Dachböden und sogar Stallungen mehr schlecht als recht zu Aufenthaltsräumen hergerichtet.
Graf Gottlieb v. Bernstorff, der in Gartow und Umgebung mehrere Wohnhäuser für sein Personal
besaß, wurde nun zunehmend mehr in die Pflicht zur Unterbringung von Flüchtlingen genommen.
Das, obwohl durch Feindbeschuß einige gräfliche Gebäude in Gartow und Quarnstedt zerstört
worden sind. Allerdings waren dem Grafen selbst Grenzen gesetzt, da einige Gebäude zur Aufrechterhaltung
des Gutsbetriebes benötigt wurden. Das war u.a. die Gutsschmiede, die nach Verzicht
des Schlossermeisters Otto Entler aus Brünkendorf im August 1945 der Gartower Kollege
Bertold Schulz übernahm. Im Schmiedewohnhaus lebte noch die Witwe des 1940 verstorbenen
Gutschmieds Kropp, Dorothee geb. Reinecke. Sie konnte sich nicht entschließen, in ihr Haus in
Tobringen zurückzukehren, weil sie „den Widerstand der in ihrem Gebäude untergebrachten Evakuierten
fürchte“ und auf die Rückkehr ihrer beiden in Kriegsgefangenschaft geratenen Söhne
wartete.
Zunächst mußte der Graf an sich selbst denken, da er mit der Rückkehr ehemaliger Arbeitskräfte
aus dem Kriegsdienst rechnete. Daher wandte er sich im Herbst 1945 an die örtliche Wohnungskommission,
deren Vorstand der damalige Bürgermeister gewesen ist. Er bat um Ausquartierung
einiger seiner Mieter, zumal im April sechs seiner Häuser mit zusammen 12 Werkwohnungen
zerstört worden sind. Darunter auch der Post-Kraftwagenunterstellungsraum.
Räumen sollte das Ehepaar Fey mit sechs Kindern, untergebracht im Verwalterhaus Nr. 65; die
Witwe Frahm, deren verstorbener Mann Handwerker in Gartow gewesen ist; Witwe Gauster ohne
Kinder, deren Mann Ferdinand ebenfalls verstorben und früher beim Grafen beschäftigt war; dort
zog nun Familie Krüger aus Rucksmoor ein. Dann gab es noch ein im Auftrag des Grafen errichtetes
Behelfsheim im Ortsteil Hahnenberge, wo die Familie Fetzer mit drei Kindern, die Familie
Mankel mit fünf Kindern und die Familie Stegewald mit zwei Kindern weichen sollten. Neu zog Frau
Tiessel mit zwei Kindern ein. Auch Gottlieb v. Bernstorff war sozusagen zum Flüchtling geworden:
sein Schloß und die Büroräume seines Gutsbetriebes hatte die englische Besatzungstruppe beschlagnahmt,
die seit Juli 1945 dort residierte. Die Truppe benutzte 15 Wohn- und 28 Schlafräume,
vier Küchen, zwei Badezimmer und drei Vorratsräume.
Im Oktober 1945 trafen sich Bürgermeister Thier, Kantor Haberland und Schulvorstandsmitglied
Appelt sowie der Graf und vereinbarten den Bau einer vorläufigen Baracke auf dem Schloßhof.
Zur Herstellung einer Fäkaliengrube sind die vier obersten Steinschichten einer ehem. Scheune
und einer Splitterwand des 1943 errichteten Bunkers für die gräfliche Familie und des Personals
benutzt worden.
Als sich der Landrat in Dannenberg – der schon Sorgen genug hatte – sich auf das Gesuch des
Grafen nicht meldete, erneuerte er dieses wenig später und zeigte an, wie sehr er bereits hilfreich
tätig gewesen ist. „…Ich habe während des Krieges durch mietfreie Aufnahme von Evakuierten,
Ausgebombten und Flüchtlingen in großer Zahl sowie durch den Bau von vier Behelfsheimwoh-
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nungen das Möglichste zur Linderung der Wohnraumnot beigetragen. Ich bin vom Kriegsschluß
durch Zerstörung von 22 Großgebäuden mit u.a. 12 Werkwohnungen und Beschlagnahme von
Wohnraum durch die Besatzungsmacht selbst in größte Betriebs- und Raumnot geraten…“.
Der ehemalige Bürgermeister Beyer, der im gräflichen Haus Nr. 14 in Gartow wohnte, zog bald
darauf in sein neues Haus um. Das Haus Nr. 14 war in Gartow das ehem. gräfliche Krankenhaus.
Am 16. Februar 1946 beantragte Gottlieb v. Bernstorff bei der Kreisverwaltung in Dannenberg
Entschädigungszahlungen für die rd. 2000 qm beschlagnahmten Wohnraum. Vom 5. Juni bis 5.
Juli 1945 war im Schloß die „Britische Entlassungs-Kommission für das Lager Gorleben“ untergebracht,
wobei noch die Namen Major Belsher und Capitain Mac Garth erinnerlich sind. Als das Ehepaar
Emil und Margarete Bezjak in zwei notdürftig ausgebaute Bodenstuben in der Gutsschmiede
einzog, verpflichtete es sich „die Bodenstuben in völlig unbeschädigtem Zustand zu unterhalten
und Herd oder Ofen selbst zu stellen. Außer Abort auf dem Hof gehören weder Nebenräume noch
Stallungen und Garten zur Wohnung. Treppe und kleiner Vorraum muß mit dem Mitbewohner
Schwinge gereinigt werden…“
Die gräfliche Familie wohnte seit einiger Zeit wieder im Schloß. Seit Ende April 1947 war das gesamte
Obergeschoss des Haupthauses zum Kreisaltersheim umfunktioniert worden und entsprechend
belegt. Wiederum mußte Graf Gottlieb v. Bernstorff seine Räumlichkeiten zur Verfügung
stellen.
Gottlieb v. Bernstorff erfuhr im November 1947 vom beabsichtigten Auszug von Frau Köberle
aus einer Wohnung im ehemaligen Krankenhaus. Dort sollte nunmehr der Tischler Kurt Wiedebusch
einziehen, der für den Gutsbetrieb tätig war. Der Gemeindedirektor Thier konnte jedoch
dem Wunsch des Grafen nicht nachkommen „ da jeglicher Wohnraum den Bestimmungen des
Kontrollratgesetz Nr. 18 (Wohnungsgesetz) unterliegt.“
Im September 1948 wurde Karla Järnecke, Mutter von zwei Kindern aufgefordert, die Wohnung
im ehemaligen Brauhaus zu räumen. Dafür sollte der gräfl. Forstsekretär Robert Sander, der im
Elbholz wohnte, dort einziehen. Sie weigerte sich jedoch auszuziehen.
Das Kreiswohnungsamt in Dannenberg verfügte im November 1948 die Einweisung der Familie
Mielke in das Haus der Gutsschmiede, Schäferkamp 2. Dort wohnten aber bereits die Familien
Dittmer und Schubert. Der Gesetzgeber hatte mit der Verordnung vom 8.10.1948 Zuzüge in Gemeinden
von Zuzugsgenehmigungen abhängig gemacht, um eine Entspannung auf dem knappen
Wohnungsmarkt zu erreichen.
Der Graf musste einen Raum für die gewerbliche Berufsschule Gartow zur Verfügung stellen, um
den Kreisberufschuldirektor Albin aus Lüchow zufrieden zu stellen. Und im Dezember 1948 war
immer noch das Haus Gartow Nr. 66 (Alter Forsthof) von den Engländern beschlagnahmt. Zudem
weigerte sich Frau Järnecke weiterhin, ihre Wohnung aufzugeben, ebenso verhielt sich die Familie
Hosp. Im Haus Gartow Nr. 64 wohnten die Witwe Lüders und der Postschaffner a.D. Warnecke,
auch sie sollten ausziehen. Sobald die Engländer im August 1949 das Haus Gartow Nr. 66 freigegeben
hatten, zog Forstmeister Hermann Junack mit seiner Familie ein. Im Haus Hauptstrasse Nr.
38 wohnte seit 1945 die Familie Maslo.
Im November 1949 wohnten im Schloß Gartow auch die Familie v. Oppen mit vier Kindern und der
Hausangestellten Liselotte Urban sowie die Grafenfamilie selbst, dazu Thora v. Bernstorff, Ursula
366
v. Loesch sowie Sophie v. Walter und Irmgard Pritzlaff, die beiden Hausangestellten. Hinzu kamen
Fräulein v. Mickwitz, Frau Sickel und 83 Insassen des Kreisaltersheimes, so daß rd. 100 Personen
auf dem Schloßhof wohnten.
Im Dezember 1949 waren die Wohnungen im Haus Nr. 64 nach dem Ableben der Witwe Berdien
von Fräulein Meta Werner und ihrem kranken Onkel und Frau Taruttis belegt.
1949 wurde der Erweiterungsbau des gräfl. Behelfsheimes am Prezeller Weg fertig. 1
Gartow 1945 - 1950: Aus der Sicht von Wilhelm Tege
XI. Folge
Ich muß erst noch mal von den letzten Kriegstagen sprechen. – Der Krieg war nun bis in unsere
engere Heimat getragen worden. Das brachte uns viel Kummer und Leid. – Im November 1944
war noch unser Ehrenhain durch Herrn Apotheker Thiele in feierlicher Ruhe eingeweiht worden.
Aber schnell kamen von da an immer mehr Sorgen auf uns zu. Im Januar 1945 brach die Ostfront
zusammen. Schnell waren die Russen bis an die Oder heran. Hier bei uns kamen Hunderte von
Flüchtlingen an, bei bitterer Kälte. Dabei hatten wir große Kohlen- und Feuerungs-Not. Auch Strom
musste sehr gespart werden; oft wurde er stundenlang abgesperrt. Der Volkssturm wurde gebildet
und in Gartow bald in Alarmbereitschaft gelegt. Immer mehr Flüchtlinge kamen an. An eine
Unterbringung war bald nicht mehr zu denken. Das Arbeitsdienstlager wurde mit ihnen belegt.
Jetzt kamen auch die Feindflieger zu uns hierher; warfen auch einige Bomben, aber meistens ins
Gelände. Dannenberg traf es am schwersten: 87 Dannenberger fielen durch die Bomben und rd.
30 Häuser wurden dort total zerstört. Auch einen Flüchtlingstreck aus Ostpreußen traf es dort
grausam. Dann wurde der „Werwolf“ als letzter Kriegsersatz aufgerufen. Hakenkreuzfahnen und
Hitlerbilder sollten aber sichergestellt werden. Am 13. April 1945 wurde das Kesselhaus der Fa.
Aug. Herbst aus der Luft beschossen. Der entstehende Brand war unerheblich und konnte schnell
gelöscht werden. Walter Herbst, Forstmeister Junack und seine Schwester Christel wurden von
der Gestapo verhaftet, weil man sie verdächtigte, etwas gegen das Regime getan zu haben. Man
brachte sie in den Waldemarturm in Dannenberg und das Gefängnis in Lüneburg. Nach 3 Tagen
waren sie aber wieder zurück. Dann kamen die Ami-Panzer und schossen den Meierhof, den
Schlosshof, sowie ein Haus in Quarnstedt und die Nebengebäude an der Hauptstraße in Brand.
An Löschen war nicht zu denken; die Amis ließen es auch nicht zu. Durch den Beschuß wurden
hier 2 Frauen getötet und zwar Frau Brand im Bardien`schen Hause Hauptstraße 12 und Frau
Jochmann, eine Schwester von Fräulein Rosa Delius, im Delius`schen Hause Hauptstraße 28. –
Bürgermeister Beyer wurde schließlich unter Feinddruck gezwungen, unter Bedingungen, die man
ihm auferlegte, die Übergabe von Gartow zu erklären. Dadurch geriet er noch in die große Gefahr
erschossen zu werden. Es gelang ihm aber, rechtzeitig in den Wald zu entkommen und sich dort
versteckt zu halten. Die übrige Zivilbevölkerung hatte Gartow fast restlos verlassen, hauste z.T.
im Wald oder war in die Dörfer „hinter dem Wald“ geflüchtet. Aus dem Radio kamen immer noch
große Töne: „Deutschland wird nicht untergehen, sondern aufblühen“ usw. Jetzt redete Goebbels
plötzlich von Gotteshilfe, was bei ihm sonst doch nur Volksverdummung gewesen war. Auch sagte
er noch am 19. April im Radio: „Berlin ist deutsch und Wien wird wieder deutsch“. Dabei wurde
doch überall um uns herum so geschossen, daß es furchtbar war es zu erleben. Dann wurde ein
größerer Trupp Deutscher als Kriegsgefangene durch Gartow gebracht, die an Leib und Seele am
Ende ihrer Kräfte waren; wir konnten ihnen ja aber auch nicht helfen. Auch die Amis hatten viele
Verluste; ihre Gefallenen fuhren sie alle weg. Die Schießerei von der anderen Seite der Elbe her
machte uns fix und fertig. Es war ein widerliches Streufeuer, das den Amis auch sehr lästig war und
ihnen immer wieder Verluste brachte.
367
Als die Kämpfe in und um Gartow zu Ende waren, durften wir wieder zurück. Es war ein trauriges
Wiedersehen mit unserem Heimatort, das nicht alle überstanden. Schlachtermeister Köhn, Frau
Johanna Appelt und Frau Schubert aus Hamburg, haben es nicht überlebt. Nun fing es aber auch
an wieder freundlicher zu werden. Im Mai wurde mit Hilfe eines amerikanischen Pionierzuges
durch die Fa. Aug. Herbst eine stabile Holzbrücke über die Seege gebaut. Das Arbeitsdienstlager
wurde im Oktober als Flüchtlingsdurchgangslager eingerichtet. Wilhelm Junack, Paul Adamek und
Dr. Herbst schleusten dort mit ihren Helferinnen täglich bis zu 1000 Flüchtlinge und mehr durch,
bis die Engländer das Lager im Februar 1946 wieder besetzten. – Die Restorfer Schleuse war
inzwischen wieder hergestellt. Auf Lebensmittelkarten und Bezugsscheine gab es nur noch sehr
wenig; alles wurde kompensiert. Selbst die Streichhölzer wurden abgezählt. Die wirtschaftliche
Not war noch sehr groß. Kein Hemd, keine Hose waren zu kriegen. Dazu eine grenzenlose Wohnungsnot,
die immer wieder viel Ärger bringende Wohnungsbeschlagnahmungen zur Folge hatten.
Jedes Loch mußte ausgenutzt werden. Die Engländer waren auch nicht blöde. Sie hausten böse
in der gräfl. Forst und holzten mehrere hundert Hektar herunter. Das Holz verluden sie nach England.
Aber ein Unglück kommt meist nicht allein; so damals. Die Raupen fraßen zur gleichen Zeit
wohl über 1000 Hektar des gräflichen und auch des angrenzenden bäuerlichen Waldes kahl. Ein
schreckliches Bild, das sich damals zwischen Rucksmoor-Prezelle-Rondel für unsere Augen bot.
Aber wer sieht heute noch etwas, wenn er es nicht miterlebt hat, merkt er es gar nicht mehr. Dem
Raupenfraß folgte ein sehr, sehr trockener Sommer, der zu der Katastrophe sein übriges tat.
XII. Folge
Das politische Leben hatte auch wieder begonnen. Erst setzte die Militärregierung Karl Heise
als Bürgermeister ein. Dann ernannte sie einen Gemeinderat mit Alfred Thier als Bürgermeister
und Gemeindedirektor, den wir hier bisher überhaupt nicht kannten. Alles ging nach englischen
Vorschriften. Im September 1946 gab es dann die ersten freien Wahlen nach dem Kriegsende.
Danach wurde Tierarzt Paul Henning zum Bürgermeister gewählt und Alfred Thier blieb Gemeindedirektor.
Während der ernannte Gemeinderat 14 Ratsherren stark war, wurde bei der ersten Wahl
nur noch 12 gewählt. Von hier kamen P. Henning, H. Baark und W. Kraasmann in den Kreistag
herein. Nachdem die Engländer das Gartower Schloß freigaben, wurde im Schloß ein Altersheim
durch die Betheler Anstalten eingerichtet. Fräulein von Bodelschwingh war die erste Leiterin des
Heimes, aus dem später dann das Kreisaltersheim Gartow wurde.
Inzwischen hatte es im Winter 1946/47 beim Hochwasser eine schwere Eisstauung in der Elbe
gegeben. Das Wasser stieg in der einsetzenden Nacht so schnell und gefährlich an, daß die Bevölkerung
von Hauptstraße und Spring ihr Vieh nach Hahnenberge in Sicherheit bringen mußte.
Bei Uhrmacher Horstmann und in Quarnstedt lief das Wasser über die Straße. Das Haus von Otto
Järnecke bekam das Wasser in die unteren Wohnräume. Der Meierhof geriet in große Gefahr und
rüstete zur Flucht auf den Höhbeck. Von Restorf her rasten die riesigen Eisschollen die Seege herauf
und prallten wuchtig gegen die hölzerne Seegebrücke. Nachts gegen 1 Uhr wurde die Brücke
dann unter großem Getöse fortgerissen. So gab es etwas Luft, das Wasser konnte sich nun frei in
die Garte (Seegeniederung) ergießen. Zwei Stunden später fiel das Wasser dann wieder so schnell
wie es gestiegen war. Die Eisstauung in der Elbe war wohl durch die Engländer gesprengt worden
und damit die große Gefahr beseitigt worden. Aber einen so schnellen Wasseranstieg hatte noch
keiner der Lebenden erlebt.
Mit der Währungsreform im Juni 1948 änderte sich plötzlich vieles; es war wie ein Wunder. Rätselhaft
wie es kam, aber plötzlich war alles zu haben, alle Läden waren wieder voll von Ware. Die
Lebensmittelkarten und Bezugscheine hatten ausgedient.
368
Man konnte und durfte auch wieder frei seine Schweine schlachten.
Wie lange hatte es das alles nicht gegeben und wo kam das alles mit einem Mal überhaupt her? –
Der Kummer allein war noch, daß Tausende und Tausende von deutschen Soldaten immer noch in
Rußland als Kriegsgefangene festgehalten wurden. Aber auch das mußte ja mal ein Ende haben;
aber es dauerte doch noch sehr lange, bis der Russe sie frei ließ.
Die Fa. Werth baute jetzt auch wieder ein festes Dach auf ihr Sägewerk und dazu noch eine große
Bretterhalle. 1948 wurde der Sohn Heinrich Werth (Dipl.Ing.) als Mitinhaber in die Fa. W. Werth
& Sohn aufgenommen. Unter seiner Leitung hatte die Zimmerei sehr gut zu tun. In Hamburg-
Wandsbek richtete sein Bruder Christian einen großen Holzplatz, mit Auslieferungslager und moderner
Holzhandlung ein. Herr Heinrich Werth war ein sehr großer Baumfreund. Im Helk legte er
eine große Baumschule an. Viele heutige Pappeln in Gartow und Umgebung stammen aus seiner
Baumschule. Überall sorgte er dafür, daß Pappeln und andere Bäume angepflanzt wurden, so
auch längs des Springweges bis zum Schützenplatz. Das, und vielerorts sonst noch, war sein Werk
und sein Handeln.
Am 25. November 1950 verstarb Herr Wilhelm Werth, der Begründer und Seniorchef der Firma
Werth & Sohn. Es war sein Wunsch, in der Sägehalle aufgebahrt und von dort aus zur letzten Ruhe
gebracht zu werden. Unter großer Beteiligung und Anteilnahme der ganzen Bevölkerung fand seine
würdige Beisetzung am 29. November 1950 statt.
Mit Herrn Wilhelm Werth ging damals ein Mann von uns, der für viele Leute immer wieder Arbeit
und Brot geschaffen hatte. In seiner Berufszeit hat er über 60 Lehrlinge ausgebildet, von denen es
viele bis zum Meister und Unternehmer gebracht haben. Mit seinem Handwerk hat Herr Werth für
Gartow viel Segensreiches getan und sich immer ganz besonders für das Wohl seiner Mitarbeiter
eingesetzt.
Er war ein humaner Geschäftsmann, er wußte aber auch seinen Vorteil im Handel zu wahren. Von
allen Menschen mit denen er es zu tun hatte, ob arm oder reich, wurde er sehr hoch geschätzt.“
Gartows Entwicklung 1947 - 1948
Am Beispiel derJahre 1947/48 wird versucht, das öffentliche Leben im neu geschaffenen Bundesland
Niedersachsen anhand verschiedener Anweisungen der britischen Besatzungsmacht zu
verdeutlichen:
Die öffentliche Verwaltung lag in den Händen der Militäradministration, wobei deutsche Verwaltungsangestellte
die eigentliche Arbeit unter Aufsicht der Briten verrichteten. Als damalige Verantwortliche
erscheinen H.C. Cleaver, Lt. Col. for Regional Economic Officer HQ Military Government
Land Niedersachsen, J. Vaugham Read for Regional Labour Controller Manpower Branch
in Hannover sowie das Zentralamt für Wirtschaft in der britischen Zone als Weisungsbefugte der
verschiedenen niedersächsischen Ministerien.
Die eingesetzten Entnazifizierungsausschüsse im Land führten für jeden erwachsenen Deutschen
Überprüfungen durch, ob jemand durch das NS-System wenig bis stark belastet war. War die überprüfte
Person allzu sehr in vorherige NS-Organisationen eingebunden, erhielt sie keinen öffentlichen
Dienstposten und wurde nicht in leitende Tätigkeiten übernommen.
Es war für den ersten Oberkreisdirektor Scheer in Dannenberg mit seiner kleinen Verwaltung sehr
schwierig, das öffentliche Leben im mit Flüchtlingen überfüllten Landkreis voranzubringen.
369
Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Mangel an Lebensmitteln, Bewirtschaftung von Lebens- und Bedarfsgütern,
Aufbau der Wirtschaft und das Funktionieren der Verwaltung verlangten großen Einsatz.
Dazu kamen die Regelungen der Militärregierung, die anfangs eine wirtschaftliche Weiterentwicklung
hemmten. Auch hier ist es nur beschränkt möglich, einen Eindruck der damaligen
Verhältnisse zu vermitteln.
Infolge haltloser Zeiten hatten sich Geschlechtskrankheiten übermäßig ausgebreitet. In der Instruction
Nr. 62 der Kontrollkommission für Deutschland wurde am 12.12.1946 bestimmt, daß das
deutsche Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 18.2.1927 sowie die Verordnung
zur Änderung des Gesetzes vom 21.10.1940 fortgelten. Geschlechtskranke waren verpflichtet,
sich zu melden (der Name blieb anonym) und behandeln zu lassen. Dazu mußte jedoch die
Wohnungsanschrift genannt werden („Jeder Versuch des Patienten, den Arzt über seine Persönlichkeit
zu täuschen, ist strafbar.“). Gemeldet werden musste vom behandelnden Arzt an das zuständige
Gesundheitsamt jeder Fall von Gonorrhoe, Lues und Ulcus molle. Penicillin als Impfstoff
war nur bei Dr. Erwin Wolf, Ausweichkrankenhaus Meudelfitz, zu erhalten. Wegen des Mangels
nahm die ansteckende Tuberkulose (Tbc) enorm zu und zwar um 400% seit 1945.
Aber es gab weiteres Wichtiges zu tun:
z. B. die Koordinierung des Wiederaufbaues, wofür der Nds. Minister für Aufbau und Arbeit am
8.11.1946 einen Erlaß zur Aufstellung von Ortsplanungen, insbesondere Flächennutzungs-, Bebauungs-
und Aufbaupläne veröffentlichte. Bis dahin ist noch nach den Fluchtlinienplänen von
1875 verfahren worden. Mit Installierung der Abteilung Städtebau, Wohnungs- und Siedlungswesen
in Hannover erfolgte ein gezielter, geordneter Aufbau kriegszerstörter Gebiete.
Zum 1.1.1947 ist die wirtschaftliche Vereinigung der britischen und amerikanischen Besatzungszone
als erster Schritt „zur Erzielung der wirtschaftlichen Einheit ganz Deutschlands“ wirksam
geworden, die am 2.12.1946 in New York vereinbart wurde. Unter Hinzuziehung deutscher Dienststellen
sollte die Selbstständigkeit beider Zonen hinsichtlich der Wirtschaft bis Ende 1949 vollzogen
sein. Als Koordinierungsstelle wurde eine von Deutschen eingerichtete Außenhandelsstelle
geschaffen, um die Einfuhren lebenswichtiger Güter und von anderem Wirtschaftsgut zu ermöglichen.
Die Ausstattung mit Finanzmitteln war gesichert: 29,3 Mio. Dollar zahlten die Briten, weitere
14,5 Mio.Dollar entstanden aus den Einnahmen der Ausfuhren. Auch die Amerikaner beteiligten
sich an der Finanzierung. Gleichzeitig wurden die Handelsbeschränkungen mit dem Ziel gelockert:
„die Ausweitung der deutschen Ausfuhr zu erleichtern“ ferner „Zum gleichen Zweck sollte sobald
wie durchführbar ein Wechselkurs für die Mark festgesetzt werden, eine Finanzreform sollte in
Deutschland in nächster Zeit durchgeführt werden und der Austausch aller Technik und geschäftlicher
Mitteilungen zwischen Deutschland und anderen Ländern sobald wie möglich erleichtert
werden….“
Ein großes Problem waren die vielen Flüchtlinge in Niedersachsen, die Staatskommissarin für das
Flüchtlingswesen, Martha Fuchs, meinte dazu: „…Zu den Opfern dieser Notzeit gehören in erster
Linie die Flüchtlinge, Vertriebenen, die Ausgebombten und die Evakuierten. Wir wollen sie nicht zu
Hoffnungslosen ohne Heimat werden lassen. Sie sind unsere Brüder und Schwestern! Das über
uns hereingebrochene Unglück ist von einem solchen Ausmaß, daß kein Beispiel aus der vergleichenden
Völkergeschichte herangezogen werden kann, um ihm zu begegnen…“
Am 20.4.1947 erfolgte in Niedersachsen die Landtagswahl mit folgendem Ergebnis: SPD = 65
Abgeordnetensitze (von insgesamt 149), CDU = 30, NLP = 27, FDP = 13, KPD = 8, Zentrumpartei
= 6, DRP = 0.
370
Die Ernährungsfrage überlagerte damals alle anderen Überlegungen, ohne deren Lösung war
ein wirtschaftliches Wachstum schlechterdings möglich. In ländlichen Gegenden war der Hunger
durch Schwarzschlachten usw. nicht so ausgeprägt aber dafür mehr in den Städten. Der sogen.
„Schwarze Markt“, eine illegale Tauschbörse, lieferte Fleisch- und Molkereiprodukte für hungrige
Städter; jedoch nur gegen viel Geld, Wertsachen und Tauschobjekte. Wer sich das leisten konnte,
hob seine Kalorienzufuhr bis zu 300 über die üblichen Rationssätze zusätzlich an. Der Hunger im
Land war noch gegenwärtig und nicht nur in Deutschland, die enormen Kriegskosten und Zerstörungen
in anderen Ländern hatten die Weltversorgungslage empfindlich getroffen. Daher war es
lediglich möglich, den täglichen Kalorienbedarf für Menschen im Durchschnitt auf nur 1550 Kalorien
zu halten, eine Verbesserung auf 1880 Kalorien (Normalverbraucherwert) wurde angestrebt.
Zur Sicherstellung einer ausreichenden Kartoffelversorgung wurde die Kartoffelernte 1947 bis auf
die Pflanzkartoffeln beschlagnahmt und zur Verteilung gebracht. Die Bauern als Erzeuger durften
bis 300 kg je Kopf und Jahr einbehalten. Die Verbraucher durften davon nur 2,5 kg pro Kopf und
Woche bevorraten, sowie 100 kg je Kopf im Jahr einkellern. Auf den Feldern galt ein Betretungsverbot,
um Diebstählen vorzubeugen, es sind daher Sperrgebiete ausgewiesen worden (z.B. Kehdinger
Land). Auch die Preise für Kartoffeln waren festgesetzt: 50 kg weißfleischige Sorten sind mit
2,75 RM, gelbfleischige mit 3,05 RM vergütet worden. Die Sorten „Sieglinde“ und „Viola“ kosteten
bis zu 1 RM mehr. Die Kartoffelernte war 1947 so gut, daß in Niedersachsen 818000 t abgeliefert
werden konnten. Das waren 140000 t mehr als 1946, so daß nunmehr auch Berlin-West beliefert
werden konnte.
In den Amtlichen Bekanntmachungen der
Kreisverwaltung Dannenberg heißt es weiter:
„Am 1.7.1947 wurde die Verordnung Nr. 16
der Militärregierung betr. das Wohnungswechselverbot
aufgehoben. „Zum Wohnungstausch
nach Burg auf Fehmarn wird eine Familie mit
3 Personen gesucht. Interessenten werden gebeten,
umgehend auf dem Kreiswohnungsamt
(Zimmer 9) vorzusprechen.“
„Die Seifenkartenabschnitte der 106. Zuteilungsperiode
sind zur Belieferung freigegeben
worden. Die Gültigkeit der Abschnitte wird bis
zum 9.11.1947 lt. Wirtschaftsamt 6.11.1947
befristet.“
6.11.1947
„Schutz der Jugend. Es besteht Veranlassung,
die Polizeiverordnung zum Schutze der Jugend
vom 10.6.1943 in Erinnerung zu bringen. Besonders
wird auf § 5 dieser Verordnung hingewiesen,
nachdem der Aufenthalt in Räume, in denen
öffentliche Tanzlustbarkeiten stattfinden und die
Teilnahme an öffentlichen Tanzlustbarkeiten
371
in Räumen und im Freien Minderjährigen unter 16 Jahren verboten und Minderjährigen im Alter
von 16 bis 18 Jahren nur in Begleitung des Erziehungsberechtigten oder seines Beauftragten bis
23 Uhr gestattet. Der sogenannte Kindertanz ist grundsätzlich verboten. Von der Vorlage von Anträgen
auf Genehmigung solcher Veranstaltungen ist daher abzusehen.“
17.11.1947
„Stromeinschränkung für das Winterhalbjahr 1947/48:
Der Herr Nieders. Minister für Wirtschaft und Verkehr hat im Einvernehmen mit dem Hauptlastverteiler
für das Land Niedersachsen folgende Anordnung erlassen: 1. Für die gesamten Industriebetriebe,
Handwerksbetriebe, Handel und Gewerbebetriebe ist eine Stromentnahme täglich
in der Zeit von 16.30 Uhr bis 20.30 Uhr verboten. 2. Sämtliche Geschäfte, Büros und Behörden
dürfen täglich ab 16.30 Uhr eine Stromentnahme nicht vornehmen. 3. Ausnahmebestimmungen:
Nur in den dringendsten Fällen darf bei Anlegung eines strengen Maßstabes den unter Ziffer 1
genannten Stromabnehmern in der Sperrzeit ein Minimum von Notstrom zugestanden werden.
Diese Anordnung tritt ab Montag, den 3.11.1947 in Kraft und ist unverzüglich allen beteiligten
Stellen bekannt zu geben.“
17.11.1947
„Verkaufszeiten. Für die Zeit vom 3.11.1947 bis einschließlich 14.2.1948 hat der Herr Regierungspräsident
in Lüneburg folgende Einheitsverkaufszeiten festgesetzt: a) für alle Lebensmittelgeschäfte
und Friseure: 8 - 16 Uhr durchgehend, b) für alle anderen Geschäfte: 9 - 15 Uhr durchgehend.
Die wöchentlichen verkaufsfreien Nachmittage werden beibehalten.“
20.11.1947
„Hoover-Schulspeisung. Der Herr Nieders. Kulturminister hat mitgeteilt, daß die Hoover-Spende
mengenmäßig nicht ausreicht, um allen notleidenden Schülern zu helfen. Die Schulen der kleineren
Städte und ländlichen Gebiete können daher vorerst noch nicht in die Hoover-Speisung
eingeschlossen werden.“
11.12.1947
„Kiefernzapfengewinnung. Für die Wiederaufforstung der riesigen Kahlschläge
(Anm.: durch die Besatzungsmacht) werden große Mengen Kiefernsamen benötigt. Die Forstverwaltung
legt daher Wert auf die Hilfe der Bevölkerung beim Einsammeln der Kiefernzapfen und
gewährt den Sammlern eine Brennholzprämie von 1 Raummeter Holz für 6 Zentner abgelieferte
einwandfreie Zapfen. Die Sammler setzen sich am besten vor Beginn des Sammelns mit dem zuständigen
Revierförster in Verbindung.“
11.12.1947
„Weißbrot auf Krankenmarken. Im Einvernehmen mit dem Landesernährungsamt Hannover ist an
folgende Bäckereien kanadisches Mehl für die Herstellung von Krankenbrot für die Belieferung
der Krankenzusatzmarken geliefert worden: Schneider, Gartow; Osterwald, Clenze; Rath, Lüchow;
Schulz, Hitzacker; Dettmers, Dannenberg ...“
11.12.1947
„Bewirtschaftung von Zündhölzern. In der 109. Zuteilungsperiode (8.12.1947 bis 4.1.1948) ist an
alle Versorgungsberechtigten ohne Altersbegrenzung eine Schachtel Zündhölzer abzugeben ...“
372
16.12.1947
„Einschränkungen im Straßenverkehr. Der Herr Nieders. Minister für Wirtschaft und Verkehr hat
durch Verordnung vom 6.11.1947 bestimmt, daß
01. die Beschränkungen im Straßenverkehr, angeordnet durch die Erlasse vom 21. und 22.
August 1947, bis auf weiteres nicht gelockert werden können,
02. Fernverkehrsgenehmigungen für Klein- und Kleinstfahrzeuge bis zu 1 Tonne Laderaum
nicht mehr erteilt werden dürfen, auch nicht für den Werkverkehr,
03. der Verkehr von LKW mit einer Tragfähigkeit bis zu 2 Tonnen während der Sperrstunden
(Sonnabend ab 18 Uhr bis Montag 4 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen) künftig nur
mit einer besonderen Befreiungsbescheinigung zulässig ist, die nur beim Nachweis eines
volkswirtschaftlichen Bedürfnisses erteilt werden darf,
04. jede Fernfahrt schriftlich zu beantragen und gleichzeitig das Fahrtenbuch vorzulegen ist.“
Damals unterlag der Kraftfahrzeugverkehr ebenfalls Einschränkungen (Mangel an Reifen, Ersatzteilen,
Kraftstoffe), es durften nur Fahrzeuge verkehren, deren Führer eine Benutzungsberechtigung
hatten. Zudem galt: …Zu allen Fahrten über Entfernungen von mehr als 80 km und in der Zeit
von sonnabends 18.00 Uhr bis montags 4.00 Uhr muß eine Befreiungsbescheinigung des für den
Standort des Fahrzeuges zuständigen Straßenverkehrs-Hauptamtes eingeholt und auf der Fahrt
mitgeführt werden…
Kostbar war elektrischer Strom, der wie viele andere Produkte, bewirtschaftet wurde. Bahnte sich
in den Kraftwerken eine Überlastung an, kam es zu Stromsperren, die Stunden aber auch Tage
anhalten konnten. Darunter litten nicht nur Privathaushalte sondern vielmehr Industrie- und Gewerbebetriebe.
Die Stromlieferungseinschränkungen endeten im April 1947, dennoch war der
Verbrauch „nur unter Anwendung größter Sparsamkeit zulässig … Um wirtschaftliche Fortschritte
zu erkennen und lenkend eingreifen zu können, waren Industriebetriebe mit mehr als 10 Beschäftigten
gehalten, Produktionsmeldungen abzugeben.
Ab Januar 1948 wurde Oberkreisdirektor Oskar Lübbert mit der Führung des Landkreises Dannenberg
betraut.
26.1.1948
„Ausgabe von Braunkohlenbriketts. An den nachstehend aufgeführten Personenkreis gelangt ab
sofort je 1 Zentner Briketts zur Verteilung: Familien mit Kinder bis zu 1 Jahr auf den Abschnitt 7
der Brennstoffkarte und Vorlage der Kennkarte des Kindes. Kriegsversehrte der Stufen II, III und
IV … Kranke mit amtsärztlichem oder vom Amtsarzt gegengezeichnetem Attest …“
20.2.1948
„Die Firma Hartwig Lensch in Wursterheide, Kr. Wesermünde, errichtet auf dem früheren Flugplatz
Nordholz eine Kachelbrennerei mit angeschlossener Fabrikation transportabler Kachelöfen und
Kachelherde. Genannte Firma sucht Töpfer, Brenner, Kachelformer und Schlosser. Zuzug und Werkunterkunft,
auch für Verheiratete, ist möglich. Meldungen sind schriftlich an die obengenannte
Firma zu richten …“
24.3.1948
„Wohnungstausch. Zum Wohnungstausch nach Nemitz wird eine in Dannenberg-Stadt oder nächster
Umgebung wohnhafte vier- bis siebenköpfige Familie besucht. Nemitz liegt in einer Waldgegend
im Amtsbezirk Trebel. Es sind gute Arbeitsmöglichkeiten für Forst- und Waldarbeiter vor-
373
handen. Die Gegend bietet die Möglichkeit zum Sammeln von Waldbeeren und Pilzen. Dort steht
eine Wohnung, bestehend aus eigener Küche, heizbarem Wohnzimmer (10 qm) und heizbarem
Schlafzimmer (20 qm) sowie Nebengelaß zur Verfügung…“
„Auf Anordnung des Landeswirtschaftsamtes Niedersachsen in Hannover dürfen die bisher in der
britischen Zone gültigen Bezugsmarken für Schule und Schuhreparaturmaterial der Serie A 446
vom Handel bis zum 31.3.1948 angenommen und beliefert werden …“
21.4.1948
„Die Führer der Freiwilligen Feuerwehren als Leiter auf der Brandstelle sind nach § 303 c des
Reichsstrafgesetzbuches befugt, wenn es notwendig erscheint, auch Zivilisten zur Brandbekämpfung
heranzuziehen…“
Die Überfüllung der Gemeinden in Niedersachsen mit Flüchtlingen, die unzureichenden hygienischen
Zustände und das Fehlen von ursprünglich benutzten Hilfsmitteln, begünstigten die Seuchengefahr.
Daher wurden 1947 Schutzimpfungen gegen Bauch- und Paratyphus durchgeführt,
wobei für Personen von 3 - 60 Jahren eine Pflicht dazu bestand. Als Krankheitsüberträger waren
Ratten bekannt, die in der Zeit vom 1.10.1947 bis 30.4.1948 landesweit bekämpft worden sind.
5.5.1948
„Geschützte Naturdenkmale. u.a.: „23. Kroneneichen, Graf Bernstorff, Gartow, am Wege nach
Nienwalde“.
12.5.1948
„Mit dem Viehauftrieb und den schlechten Aussichten in der Fleischversorgung ist mit einem verstärkten
Anreiz zu Viehdiebstählen und Viehabschlachtungen auf Weiden zu rechnen. Die Polizeibeamten
des Kreises sind angewiesen, bei Streifen und Dienstmärschen zu jeder Tages- und
Nachtzeit ihr besonderes Augenmerk dem Weidevieh zu schenken…“
19.5.1948
„Fliegenbekämpfung. Wie im vorigen Jahr findet
auch im Sommer 1948 eine allgemeine
Fliegenbekämpfung statt. Die Durchführung
der Fliegenbekämpfung habe ich übertragen
a) für die Städte Lüchow und Hitzacker und die
Amtsbezirke Gartow, Trebel, Schmarsau, Gusborn,
Lüchow und Hitzacker der Firma Christlieb
in Hamburg …“ 1
27.10.1949: Vom Landkreis genehmigte Mietpreiserhöhung
der Wohnung H. Warnecke, Gartow
374
Aufbauzeit 1950 - 1954
Zeitungsmeldungen in gekürzter Form, die Gartow betreffen. Aus ihnen ergibt sich eine Übersicht
der wichtigsten Ereignisse, die damals als erwähnenswert galten. Es fehlen jedoch kommunalpolitische
Angelegenheiten, Sport- und Kulturnachrichten.
29.4.1950
Der British Resident Mr. Willcocks besuchte die Mittelschule und unterhielt sich mit den Schülern
in englischer Sprache.
9.6.1950
Einen Betriebsausflug unternahmen 75 Betriebsangehörige der Sägewerksfirma Werth nach Hamburg
(Hafenrundfahrt, Tierpark Hagenbeck, Fischmarkt).
13.6.1950
Die Gartower Schützengilde feierte ihr 100 jähriges Bestehen. Die älteste Urkunde ist die Schießliste
vom 1. Schützenfest am 18. August 1850. 1925 wurde vom Malermeister Schulenburg das
Kinderschützenfest ins Leben gerufen.
4.7.1950
Die Zahl der Gartower Mittelschüler war vom 1.5.1946 bis Ostern 1950 von 45 auf 166 angestiegen.
Schulleiter war Studienrat Lüders. Die Trägerschaft hatte der am 1.10.1949 gegründete
Schulzweckverein.
10.7.1950
Da eine Badeanstalt an der Seege wegen der in diesem Wasserlauf reichlich vorhandenen Sinkstoffe
als unzweckmäßig erachtet wurde, ist die Errichtung der Anlage am Nienwalder Weg in
Aussicht genommen worden.
27.7.1950
Etwa 80 Forstbeamte und Waldbesitzer aus dem Kreis Gifhorn weilten zu einer Lehrwanderung
im Bereich des Gräfl. v. Bernstorffschen Forstamtes in Gartow (Leitung Forstmeister Hermann
Junack).
8.8.1950
Die Gartower Mittelschule wurde von 167 Schülern (98 Jungen, 69 Mädchen) besucht. Sattlermeister
Willi Müller übernahm vom Sattlermeister Friedrich Frahm, Springstr. 81 das Sattler- und
Polstergeschäft.
11.9.1950
Im Elbholz wurde ein Luftballon gefunden, der anläßlich einer Ausstellung in London aufgelassen
wurde.
18.9.1950
Vom Zollgrenzdienst im Bezirk Gartow wurden zwei Ostzoneneinwohner aus Wahrenberg aufgegriffen,
die eine 10 Zentner schwere Kuh über die Grenze gebracht hatten und gegen Westgeld
verkaufen wollten. Die beiden Wahrenberger Einwohner sind dem Amtsgericht Lüchow übergeben
worden. In letzter Zeit sind mehrere Fälle von Viehschmuggel aus der Altmark in den Kreis
Dannenberg festgestellt worden.
375
27.9.1950
Das Kaufhaus Korte in Gartow veranstaltete im festlich geschmückten Saal der Gastwirtschaft
Krüger eine wohlgelungene Modenschau, bei der von Gartower Mannequins Mäntel und Herbstkleider
vorgeführt wurden, zu denen die Firmen Horstmann und Könnecke, beide Gartow, passenden
Schmuck bzw. Lederwaren gestellt hatten.
2.10.1950
Apotheker Hermann Thiele feierte sein 50 jähriges Berufsjubiläum (Inhaber der Rosen-Apotheke).
14.10.1950
Wiedereröffnet wird die seit 1941 stillgelegene Gastwirtschaft Otto Benecke, die im Jahre 1875
von A. Schulze gegründet wurde. Neuer Pächter ist Franz Grunwitz aus Hitzacker.
25.10.1950
Seit 30 Jahren befuhr Busfahrer Karl Heise aus Gartow Buslinien im Kreisgebiet, seit einigen Jahren
auch die Strecke Lüchow-Gartow. Mit dem Postomnibus fuhr er sechs Mal die letztgenannte
Strecke. Die Jungfernfahrt Gartow-Lüchow vor 30 Jahren absolvierte Heise ebenfalls, als er mit 28
km/h von Lüchow nach Gartow fuhr.
3.11.1950
Die höchste Auszeichnung für alle Uhrmacherlehrlinge des Bundesgebietes erhielt der Gartower
Lehrling Erhard Flöter, der beim Uhrmachermeister Karl Horstmann im 2. Lehrjahr stand. Auch der
zweite Lehrling in diesem Betrieb, Roland Rudat, errang einen Spitzenplatz.
16.11.1950
Am 17.11. fand beim Gastwirt Krüger ein Gerichtstag des Amtsgerichtes Lüchow statt.
2009: Haupstraße 21, Ehem. Gasthaus Krüger, links
376
25.11.1950
Sägewerksbesitzer Wilhelm Werth verstarb im Alter von 80 Jahren.
1.12.1950
Das letzte von acht seit 1945 erbauten Häusern am Gedelitzer Weg wurde gerichtet (Sägewerksarbeiter
Niemann).
2.12.1950
In Gartow wurde Sägewerksbesitzer und Zimmermeister Wilhelm Werth unter großer Anteilnahme
der Bevölkerung auf dem Gartower Friedhof beigesetzt. Wilhelm Werth wurde 1871 als Sohn des
Zimmerers Christian Werth in Pevestorf geboren. Mit 19 Jahren war er bereits in Pevestorf selbstständiger
Bauunternehmer. Im Jahre 1902 siedelte er nach Quarnstedt und 1913 nach Gartow-
Hahnenberge um. Als Seniorchef der Firma Werth & Sohn besaß er in ganz besonderem Maße das
Vertrauen der Belegschaft und nahm bis zuletzt regen Anteil an der Entwicklung des Werkes, das
durch seinen Sohn Christian ein neues Unternehmen in Hamburg entstehen ließ.
2.1.1951
35 Interessenten aus Gartow und Umgebung schafften sich eine Kartoffeldämpfanlage Marke
Oekonom mit einer Tagesleistung von 180 Zentnern an.
20.1.1951
Der Pferdezuchtverein Gartow feierte sein 75 jähriges Bestehen. Am gleichen Tag beging der Reitund
Fahrverein Gartow sein 30 jähriges Jubiläum.
2.2.1951
Wegen des Grenzgängerverkehrs hat die Wechselstube Lüchow in Gartow eine Annahmestelle für
Ostmark zum Umtausch in Westmark eingerichtet.
5.2.1951
Das im Gartower Schloß untergebrachte Altersheim kündigte das Mietverhältnis mit Graf von Bernstorff
zum 1.4.1951.
13.2.1951
Geschlossen wurde das Einzelhandelsgeschäft Törber und dessen Zweigniederlassung in Hahnenberge.
Wenige Tage später eröffnete die Firma Korte in Hahnenberge eine neue Verkaufsstelle.
15.2.1951
In Gartow wurde ein Forstverband gegründet, 1. Vorsitzender war Heinrich Meyer, Meetschow.
7.3.1951
Für 100 Kinder der Volksschule und 55 Kinder der Mittelschule hat die Milchspeisung begonnen.
12.3.1951
Der Forstverband Gartow (1500 ha Bauernwald) stellte einen eigenen Förster ein.
28.4.1951
Zum neuen Deichhauptmann des Gartower Deich- und Wasserverbandes wurde Bauer Fritz Thiede
aus Holtorf gewählt.
377
5.5.1951
Von den 178 Gartower Mittelschülern stammten 51% aus Flüchtlingsfamilien.
21.5.1951
Zur Behebung der wirtschaftlichen Erschwernisse wurde der Bau einer Eisenbahnlinie nach Gartow
gefordert.
2.7.1951
In Gartow gab es noch 29 Wohnungssuchende. Über die Seege führte immer noch eine englische
Notbrücke, der Neubau einer massiven Brücke war geplant.
3.7.1951
In Gartow existierte eine Jugendbücherei.
Auf Antrag der Kreisverwaltung und der Regierung in Lüneburg wurden der Raum Gartow-Schnackenburg
und Wustrow-Teplingen als Notstandsgebiet anerkannt.
10.8.1951
Auf der Strecke Lüchow-Gartow-Vietze setzte die Post einen neuen Mercedes-Omnibus ein.
31.8.1951
Die Besiedlung bzw.Bebauung des Puttloser Moores wurde erneut aufgegriffen.
14.9.1951
Die Freiwillige Feuerwehr veranstaltete einen Werbeabend.
24.10.1951
Auf einer Versammlung der Kuhhalter von Gartow wurde die Gründung einer Stierhaltungsgenossenschaft
Gartow beschlossen.
21.11.1951
Die Gartower Volksschule wurde als Neubau eingeweiht.
4.12.1951
Elektromeister Paul Pfeiffer richtete einen Verkaufsladen für elektrische Geräte ein.
10.12.1951
Bei Gastwirt Krüger in Gartow veranstaltete die Oberpostdirektion Hannover für die Beteiligten
des neu erbauten zweiten Funkturmes auf dem Höhbeck ein Richtfest. Der 150 m hohe Stahlgittermast
ist in der kurzen Zeit von fünf Wochen von einer Berliner Spezialfirma errichtet worden.
21.12.1951
Bürgermeister Hennings, der seit 1946 dieses Amt innehatte, wurde wiedergewählt,
ebenso sein Stellvertreter Architekt Otto.
4.3.1952
Dem Forstverband Gartow gehörten 74 Mitglieder mit einer Gesamtfläche von 1400 ha an. Er
verfügte über 100 ha Neukulturen und 36 ha Nachbesserungen.
378
26.3.1952
Der Pferdezucht-Verein Gartow und Umgebung bestand 76 Jahre. 1951 wurden auf der Gartower
Station 71 Stuten gedeckt.
17.4.1952
Flüchtlinge arbeiteten im Stundenlohn bei Forstkulturarbeiten in den Revieren Trebel, Rucksmoor,
Falkenmoor und Gorleben.
24.4.1952
Malermeister Heinrich Schulenburg war verstorben. Er begründete 27 Jahre zuvor das Gartower
Kinder-Schützenfest, welches seither immer begangen wurde.
Es wurde eine Ortsgruppe des Heimkehrerverbandes gegründet, die alle Ortschaften der Umgebung
einschließlich Schnackenburg umfaßte. 1. Vorsitzender wurde Lehrer König, Gartow.
11.6.1952
Die Bauarbeiten für ein 35 m langes und 15 m breites Schwimmbad wurden begonnen. Initiator
war Bürgermeister Hennings. Die Arbeiten erfolgten in Eigenleistung durch Gemeinschaftsarbeit.
12.8.1952
Seinen 74. Geburtstag feierte der Gendarmeriewachtmeister a.D. Fritz Wedekind. Er wurde 1914
von Wilhelmsburg nach Gartow versetzt und versah seitdem den Dienst im Bezirk Gartow-Schnackenburg.
13.8.1952
Zur bereits vorhandenen TS 8 erhielt die Freiwillige Feuerwehr ein LF 8 mit Vorbaupumpe.
Bei Ausschachtungsarbeiten für das Schwimmbad wurden ein Handmahlstein und ein Stück Bernstein
gefunden, die dem Museum Vietze übergeben wurden.
15.8.1952
Der Arzt Dr. Jürgen Wolf verstarb am 12.8. an einer Herzthrombose. Er hatte die Praxis von Dr. v.
Zimmermann weitergeführt.
20.8.1952
Der Leiter des Gartower Polizeireviers, Inspektor Höpfner, wurde nach Celle versetzt.
26.8.1952
27 Personen wurden als Wohnungssuchende in Gartow registiert.
4.9.1952
Am 1.9.1952 wurde Polizeimeister Brunke in den Ruhestand versetzt, Dienstbezirk Gartow-Pevestorf-Nienwalde.
6.9.1952
Der 27 Jahre lang als Leiter der Gräfl. v. Bernstorffschen Gärtnerei beschäftigte Obergärtner Paul
Renner wurde 85 Jahre alt.
379
13.9.1952
Die durch den Tod von Dr. med. Jürgen Wolf ruhende Praxis wird am 15. September wieder eröffnet.
Die kommissarische Vertretung übernimmt Dr. med. Neuschulz.
16.9.1952
Die Gartower Kirche wurde gründlich renoviert.
19.9.1952
Die Bauarbeiten am Schwimmbad wurden saisonbedingt vorläufig eingestellt.
23.9.1952
Der Heimkehrerverband Gartow (1. Vors. König) hielt eine Versammlung ab. Der Verband half
Heimkehrern u.a. bei der Existenzgründung.
15.10.1952
Durch die Initiative von Bürgermeister Hennings wurde eine Gemeinde-Bücherei eröffnet.
14.1.1953
Am 12.1. brach im Barackenlager Hahnenbergen in den Räumen der dort untergebrachten Mittelschule
ein Feuer aus. Dabei wurden 4 Klassenräume und das Lehrerzimmer funktionslos. Drei
Familien sind obdachlos geworden.
20.2.1953
Die Zollbeamten des Kommissariats Gartow (Zollkommissar Sonnenberg) feierten ein Kappenfest.
21.2.1953
Der Forstverband Gartow hatte 83 Mitglieder bei 1400 ha Waldfläche. 1952 hatte der Verband 61
ha aufgeforstet (263 000 einjährige Kiefern, 61 kg Saat, 230 Pappeln).
14.3.1953
Der Zweigstellenleiter der Kreissparkasse, Willy Stahlberg, war 30 Jahre lang bei der KSK tätig. Vor
55 Jahren in Tolstefanz geboren, trat er nach 1918 in Lüchow in die Kasse ein, war dort bis 1926
tätig und wurde Zweigstellenleiter in Gartow.
24.3.1953
Die am 1.5.1946 wiedergegründete Mittelschule wurde als öffentliche Mittelschule anerkannt.
22.4.1953
Nach der Wiederherrichtung der früheren Bäckerei Giese in der Hauptstraße eröffnet der heimatvertriebene
Bäckermeister Herbert Mücke aus Oberschlesien eine Bäckerei und Konditorei mit
einem Café.
12.5.1953
Schmiedemeister August Bethge beging sein 40 jähriges Geschäftsjubiläum.
26.5.1953
Die Gemeinde Gartow übernahm die Patenschaft für das neu in Dienst gestellte Zollgrenzboot
„Gartow“.
380
8.6.1953
Durch die Initiative von Bürgermeister Henning wurde die Badeanstalt gebaut und erlebte ihre
erste Saison. Bademeister war Heinrich Höper aus Gartow.
18.6.1953
Der Schuhmachermeister Wilhelm Appelt beging sein 30 jähriges Meisterjubiläum.
3.7.1953
Vorbereitende Arbeiten für den Bau einer modernen Brücke über die Seege sind jetzt eingeleitet
worden. In der Nacht zum 21. März 1947 wurde die alte Brücke durch Hochwasser und Druck
der Eisschollen zerstört. Eine englische Pioniereinheit errichtete bald nach der Katastrophe die
heutige Behelfsbrücke…
23.7.1953
Die Einwohnerzahl nahm stetig ab. Stand am 1.7.1953: 1627 Einwohner.
25.7.1953
Schlossermeister Rudolf Delius wurde 85 Jahre alt. Er stammte aus der Gegend von Magdeburg
und pachtete 1897 in Gartow eine Schlosserei und erwarb sie später.
16.9.1953
Der Milchkontrollverein Gartow und Umgebung (Vorsitzender: v. Sydow, Gut Quarnstedt) hatte als
Mitglieder 94 Betriebe mit 517 Kühen, darunter 10 Betriebe mit 75 Herdbuch-Tieren. Die Molkereigenossenschaft
Gartow und Umgebung hatte 365 Mitglieder, es wurden 1952 insgesamt 2,6
Mio. kg Milch angeliefert. Der Durchschnitts-Milchfettgehalt stieg von 3,13 auf 3,21%.
29.9.1953
In Gartow tätig: Schlosser Willi Schulz, Tischler Ernst Schmidt, Zimmermeister Walter Herbst.
2.10.1953
Im Jahre 1949 erreichte die Flüchtlingszahl in Gartow mit 853 Personen ihren Höhepunkt.
6.10.1953
Bäckermeister Alfred Dotschko feierte sein 25 jähriges Geschäftsjubiläum.
8.10.1953
Rosine Schlüter eröffnete eine Steppdeckennäherei. Sie war über 25 Jahre in diesem Beruf tätig,
auch die Eltern und Großeltern unterhielten in Süddeutschland eine Steppdeckennäherei.
15.10.1953
Am 24.9. wurde für Gartow und Umgebung eine Marinekameradschaft gegründet (vorläufiger Vorsitzender
Walter Klemz).
21.10.1953
Die Molkerei-Genossenschaft Gartow hatte Ende 1952 genau 365 Mitglieder mit 804 Geschäftsanteilen.
381
28.11.1953
Als Einfriedigung für die Badeanstalt wurden 500 Hainbuchen gepflanzt.
30.11.1953
Das 1953 in Dienst gestellte Zollboot „Gartow“ erhielt das Gartower Wappen am Bug (Entwurf:
Adolf Schlawing, Vietze).
6.12.1953
Aus gesundheitlichen Gründen wurde Volksschullehrer Johann Hermann in den Ruhestand versetzt.
Vor 1945 war er Lehrer in Polen und wurde am 4.6.1894 in Franzdorf, Kr. Garwolin geboren.
5.1.1954
Der Gasthof Louis Köhn, Springstraße wurde
an Fr. Sackheim verpachtet. Außerdem war
eine Zunahme an Masernerkrankungen zu beobachten.
8.1.1954
Das frühere Kaufhaus Strahmann, Hauptstraße
4, ist von G. Hildebrand übernommen und
neu eröffnet worden.
19.1.1954
1. Vorsitzender des Pferdezuchtvereins Gartow
war Bauer Warnecke aus Holtorf. Die Zahl der
Vorstandsmitglieder wurde von 6 auf 3 verringert.
2009: Springstr. 31 ehem. Gasthaus Köhn
23.1.1954
Otto Reinecke war Bezirksleiter der Landwirtsch.
Brandkasse Hannover. Sein Vorgänger,
Meister der Gendarmerie i.R. Fritz Wedekind,
stellte seinen Posten wegen hohen Alters zur
Verfügung.
26.1.1954
Der gemischte Chor Gartow unter Leitung seines
Dirigenten, Kreischormeister Hermann Flamant,
veranstaltete im Hotel „Deutsches Haus“
einen Lieder- und Singspielabend.
2009: Springstr. 33 ehem. Molkerei
16.2.1954
Wilhelm Susemihl beging im Kreisaltersheim Gartow seinen 91. Geburtstag.
Er war früher ein bekannter Artist.
11.3.1954
Der Forstverband Gartow und Umgebung (Vors. Hofbesitzer Heinrich Meyer aus Meetschow), der
vom Geschäftsführer Hans Jürgens aus Nienwalde geleitet wurde, hatte 1953 rd. 72 ha neu in
382
Waldkultur gebracht und 14 ha Bauernwald nachgebessert. Verbands-Revierförster war Herr
Klamka aus Gartow.
Der Friseur Friedrich Guhl aus Gartow verstarb am 9.3. im Alter von 81 Jahren.
15.3.1954
Für die neue Tankstelle an der Springstraße wurde mit den Bauarbeiten begonnen.
16.3.1954
Hinweis auf den Bäckermeister H. Mücke. Das Konfektionsgeschäft Kurt Strey aus Bergen/D.
verkaufte Ware im Gasthaus Köhn, Gartow.
17.3.1954
Bei der Generalversammlung des Reit- und Fahrvereins gedachte man der verstorbenen Mitglieder
Kowalewski, Stahlberg und Bresemann. Inzwischen fand ein Teil der Jugend zum Reitsport.
Hinweis auf die Matratzenfabrikation von Emil Köhnke.
26.3.1954
Der Bezirksschornsteinfegermeister Georg Mett übernahm ab 1.4. einen neuen Bezirk im Kreis
Braunschweig.
29.3.1954
Die Gemeinde-Rechnungsführerin Fräulein Elisabeth Suhr schied nach 25 jähriger Tätigkeit wegen
Invalidität aus dem Dienst.
8.4.1954
Die Umlegung der Fernsprechleitung durch ein Erdkabel im Ortsnetz wurde durchgeführt.
13.4.1954
Der in Gartow praktizierende Dr. med. v. Zimmermann ist mit seiner Familie nach Bremen verzogen.
20.4.1954
Wesentliche Veränderungen am Gebäudekomplex der Mittelschule werden jetzt durchgeführt. Moderne
Schulmöbel werden die bisherigen Behelfsgegenstände ersetzen.
Zum neuen Gemeinderechnungsführer wurde Postinspektor a.D. Heinrich Höpert gewählt.
10.5.1954
Die 1200 Pfeifen, die über 200 Jahre alt waren und sich in der St. Georgskirche befanden, sind zur
Renovierung nach Göttingen geschickt worden.
14.5.1954
Die alte, eiserne Seegebrücke sollte von der britischen Verwaltung abgekauft und anstelle der
maroden Holzbrücke neu aufgebaut werden.
17.5.1954
Der Sommerweg der Hahnenberger Straße wurde asphaltiert.
383
26.5.1954
Architekt und Fachlehrer Gustav Otto feierte sein 25 jähriges Meisterjubiläum im Tischlerhandwerk.
Seit 1950 war er als Fachlehrer in der Kreisberufsschule tätig.
29.5.1954
Das Gartower Schwimmbad begann seine Saison am 1. Juni.
1.6.1954
Ab 1.1.1953 existierte die Handlung mit Eisenwaren, Forstgeräten und Landmaschinen von Wilhelm
Junack. Kaufmann Herbert Wöhl aus Damnatz war Gesellschafter.
18.6.1954
Ein Beringer der Vogelwarte Helgoland hielt sich in Gartow auf, um Vögel zu registrieren. Beringer
Wedelind, der bereits 1953 in Gartow war, beringte etwa 300 Vögel aus dem Gartower Forst. Er
verwendete diverse Fanggeräte hierzu.
21.6.1954
Der Ortsverband der SPD führte eine Versammlung im Schützenhaus durch, um dem Aufstand am
17.6. in der Sowjetzone zu gedenken.
8.7.1954
Die Orgel in der Barockkirche St. Georg war vom Holzwurm befallen. Orgelbauer Ott aus Göttingen
war mit der Restaurierung beauftragt und mußte 1300 Pfeifen ausbauen.
12.7.1954
Neue Anschlagtafeln wurden von einer süddeutschen Reklamefirma an verschiedenen Stellen des
Ortes errichtet.
Die Wohnbaracke der Gemeinde an der Ziegenwiese wurde an der Hahnenberger Straße (Lager)
neu aufgestellt.
21.7.1954
Die Ausschachtungsarbeiten für den Neubau der Kreissparkasse auf der „Ziegelweide“ hatten
begonnen. Dadurch ging der frühere Kinderspielplatz verloren. Baufirmen waren Franzke aus Lüchow
und Hünecke aus Brünkendorf.
26.7.1954
Am Restorfer Damm „Im Binnenfeld“ wurde für den Neusiedler Landwirt Fritz Wortmann ein Gebäude
erbaut.
Die Molkereigenossenschaft Gartow ließ eine moderne Kartoffeldämpfanlage errichten.
29.7.1954
Entsprechend der in der Station vorhandenen Transformatorenleistung steht für Gartow dauernd
eine Dreschleistung von 50 PS zur Verfügung.
31.7.1954
Am 2.8. eröffnete Wilhelm Wehrend ein Schuhgeschäft.
384
3.8.1954
Bei Ausschachtungsarbeiten für den Neubau der Kreissparkasse stieß man auf menschliche Gebeine,
auch Sargnägel und Griffe. Vor 1811 existierte dort ein Friedhof, die Gebeine sind auf den
heutigen umgebettet worden.
6.8.1954
Bei der Pilzernte ernteten gute Sammler bis zu 20 Pfund täglich.
10.8.1954
Hinweis auf den Zollgrenzkommissar H. Sonnenberg. Fischermeister Becker beklagte ein größeres
Fischsterben in der Elbe (viele Weißfische, auch Aale und Hechte).
18.8.1954
Ratsherr Adameck wurde beauftragt, die Umbezeichnung der Hausnummern in einer ordentlichen
Reihenfolge anhand des Orts- und Bebauungsplanes auszuarbeiten.
14.9.1954
Die 5. Lehrerstelle der Volksschule, die seit zwei Jahren verwaist war, wurde mit Lehrerin Käte
Goldnau besetzt. Fräulein Goldnau ist gebürtige Gartowerin und unterrichtete bisher in Langendorf
und Bussau. Lehrer König wurde zum Hauptlehrer ernannt.
18.9.1954
Mit dem Einbau einer Kartoffeldämpfanlage für die Molkereigenossenschaft wurde begonnen.
24.9.1954
Bäckermeister Helmut Schneider modernisierte seine Bäckerei.
1.10.1954
Schlachtermeister Willy Necker verzog nach Perleberg, wo er seine einstige Schlachterei wieder
übernehmen wollte.
5.10.1954
Hinweis auf die Hebamme Nimser.
6.10.1954
Die Firma Raddatz, Gorleben, richtete in der Gastwirtschaft Strahmann eine Fernsehstube ein.
11.10.1954
Auf den Äckern und Wiesen von Quarnstedt versammelten sich die seltenen Kraniche, um nach
sieben Monaten Anwesenheit den Winterzug nach Süden anzutreten. Ebenso sammelten sich die
Kraniche im Lemgow.
15.10.1954
Die Bundesbahn hegte Pläne, die Stückgutlinie Dannenberg-Gartow wegen unzureichenden Güteraufkommens
einzustellen.
385
26.10.1954
Für den Neubau der Kreissparkasse wurde Richtfest gefeiert. Für das neue Zollhaus wurde mit
Ausschachtungsarbeiten begonnen (nahe der neuen Volksschule). In diesem Jahr wurden 10
neue Gebäude erbaut.
8.12.1954
Studienrat Schüßler, Rektor der Mittelschule, folgte am 1.1.1955 einem Ruf an ein Gymnasium in
Westfalen. 2
Gartow 1950 - 1955: Aus der Sicht von Wilhelm Tege
XIII. Folge
In dieser Zeit von 1950 - 1955 wehte wieder ein anderer Wind; es trug sich vieles zu, was auf
neuen Lebensmut unserer Bevölkerung schließen lässt. 1949 wurde erstmalig nach dem Kriege
wieder unser Schützenfest gefeiert. Trotz allerlei Bedenken der Besatzungsmacht, die zu dem Fest
auch noch Anordnungen gab, wurde die Genehmigung schließlich erwirkt. Das Fest mußte aber
im Ort gefeiert werden, weil wir noch kein Schützenhaus wieder hatten. Beim Ummarsch mußten
die Musikanten auf einem Plattenwagen gefahren werden, weil noch nicht wieder hinter einem
Musikzug marschiert werden durfte. Den Engländern war das noch zu „gefährlich“. Das alles tat
dem Fest aber keinen Abbruch. Im Gegenteil, alle freuten sich schon vorher auf dieses Fest sehr,
weil ja 10 Jahre unser Schützenfest ausgefallen war.
Der alte König von 1939 – Ludwig Bahlke – mußte das Fest wieder in Marsch setzen. Aber es
fehlte doch noch manches. So war auch die Fahne der Gilde in dem Wirrwarr von 1945 verloren
gegangen, und ist wahrscheinlich irgendwohin als Souvenir in die Welt gewandert. Der neue König
wurde mit einem Luftgewehr im Notgang neben Bethge`s ausgeschossen. Willi Appelt war der
mutige Mann, der sich zum König schoß.
Er hatte das Glück, als erster König in das 1950 noch rechtzeitig erbaute neue Schützenhaus einzuziehen.
Inzwischen hatten 5 Frauen (Frau E. Appelt – E. Bosse – Hi. Schramm – E. und Tr. Bethge)
eine neue Gildefahne gestickt, die ein Meisterwerk geworden war. Die Fahne wurde bei der
Einweihung des neuen Schützenhauses und zum 100jährigen Jubiläum der Gilde dem ersten Fahnenträger
nach dem Kriege – Willi Bökamp – nach feierlicher Weihe durch den Gilde-Kommandeur
Arnold Schramm übergeben. In diesem Jubiläumsjahr 1950 wurde Walter Herbst Schützenkönig.
Zur Freude aller hatte die Realgemeinde unter seiner Bauleitung das Schützenhaus wieder aufbauen
lassen und alle waren froh, daß das Schützenfest wieder auf dem schönen Schützenplatz
gefeiert werden konnte. Wirt im Schützenhaus war damals Otto Hecht, der das Jubiläumsfest sehr
ordentlich gestaltete. Es darf aber nicht vergessen werden, daß auch der alte Tambourmajor den
Krieg überstanden hatte. Sehr bewußt nahm Hermann Mai sein Amt wieder auf, nobel mit weißen
Handschuhen, den Tambourstab auf Hochglanz poliert, leitete er die Musik wie in früheren
Tagen. Auch bei der Polonäse am Königsballabend sorgte er für Ordnung und Ablauf, wie er alles
was er tat, sehr gewissenhaft ausführte. Kommandeur der Gilde war und blieb viele Jahre Arnold
Schramm, erst als Schützen-Hauptmann, dann als Major.
Wie früher hatten die Schützenfeste wieder viele Gäste nach Gartow kommen lassen. August Mai
war auch wieder aus Berlin, wie alljährlich, herbeigeeilt; darüber freuten sich viele ganz besonders.
Als ein englischer Offizier 1949 die Musik auf dem Wagen fahren sah, sagte er: „Die Deutschen
sind zu gerissen.“ Als die Musik dann „Lustige Hannoveraner“ spielte, freute er sich aber doch
über das fröhliche Treiben mit uns mit. Schützenkönige von 1950 - 1955 waren: W. Herbst – Franz
Alpermann – Friedrich Wehrend – Erwin Tege und Karl Horstmann. Auch das Kinderschützenfest
386
wurde nun wieder unter sehr großer Beteiligung gefeiert. Für unsere Kinder war das Schützenfest
sowieso schon immer das größte Fest des Jahres. Harry Schulenburg hatte es wieder großartig
organisiert, und es war eine große Freude für den ganzen Ort, den langen, bunten Festzug der Kinder
wieder erleben zu dürfen. Auf dem Schützenplatz hatte er für allerlei Belustigungen gesorgt,
an denen sich die Kinder in Scharen beteiligten. Nach den Kinderkönigen von 1930 - 1939, Walter
Niebuhr, Edgar Thorey, Walter Bauer, Albert Schramm, Julius Frahm, Otto Tege, Adolf Schulz, Otto
Schulz, Hermann Schröder und Heinz Philippi, wurden nun 1949 - 1955 Kinderkönige: Walter
von Zimmermann, Hermann Korte, Rainer Bökamp, Karsten Stahlberg, Wolfgang Schütte, Wolf-
Rüdiger Junker und Hartmut Schäfer. Der geschichtlichen Richtigkeit halber muß aus der letzten
Folge zunächst berichtigt werden, daß die ersten Kinderschützenfeste nicht mehr von Harry
Schulenburg durchgeführt wurden. 1947 war der heute bereits im Ruhestand lebende Konrektor
Werner Pinkes nach Gartow gekommen und trat 1949 das Erbe des Kinderschützenfestvaters
Schulenburg an. Harry Schulenburg erlebte die Fest erfreut vom Kutschwagen aus mit, bevor er
uns 1952 ganz verließ.
Im Februar 1952 verstarb Meister August Herbst, der Chef seiner Firma, 81 Jahre alt. Sein Tod
machte uns allen das Herz schwer, hatten wir doch jahrzehntelang immer ein gutes Verhältnis
mit ihm gehabt und uns gegenseitig Arbeit und Brot gegeben. Die Trauerfeier in seinem Hause
war sehr würdevoll. Sein Neffe, der Landessuperintendent Dornblüth aus Lüneburg, hielt die
Trauerandacht nach einem Spruch aus den Römerbriefen. Der Text ist mir leider entfallen. Sehr
viele Freunde des Hauses Herbst waren zu der Beisetzung gekommen, um ihm die letzte Ehre zu
erweisen. Seine Gesellen trugen ihn zu Grabe und widmeten ihrem alten Meister einen besonders
herzlichen Nachruf.
In Gartow wehte nach der Währungsreform auch geschäftlich ein frischer Wind auf. So baute Herr
Warkerow aus ganz kleinen Anfängen im Järneckeschen Haus, Springstr., heraus das Textilgeschäft
auf, das Herr Wibbeler, heute in der Hauptstr., betreibt. Ebenso begannen Herr Max Pape
und seine Frau mit einem Papier- und Buchgeschäft im Hause Bosse ganz klein; das Geschäft
übernahm später Herr Streitz und verlegte es später ebenfalls in die Hauptstraße. Herr Ducke
kaufte nach dem Tode von Dr. Jürgen Wolf das Hollnagelsche Grundstück gegenüber der Molkerei
auf dem Spring. Dort baute er eine Maschinenhalle und Werkstatt für Landmaschinen auf. Sein
Landmaschinenhandel mit der Reparaturwerkstatt war den Landwirten sehr erwünscht, da so
etwas in Gartow noch fehlte. Da Herr Ducke ein kluger und humaner Mann war, ging sein Geschäft
sehr gut.
Die Tischlerei vom alten Meister Willy Schulz übernahm Tischlermeister Ernst Schmidt. Er baute
die alte Werkstatt völlig um, schaffte beste moderne Maschinen an und beschäftigte bald mehrere
Gesellen und Lehrlinge. In kurzer Zeit hatte er einen guten Kundenstamm und bekam reichlich
Aufträge. Als die alte Werkstatt nicht mehr ausreichte, erbaute er seine heutige, große und moderne
Werkhalle. Jetzt hat er seiner Firma noch ein in Gartow fast konkurrenzloses Bestattungsinstitut
angefügt.
Herr Schmidt hat auch immer ein großes Interesse für Gemeindeangelegenheiten gehabt, ist jahrelanger
Ratsherr und zwischendurch auch einmal Bürgermeister gewesen.
1953 errichtete die Molkerei eine große Kartoffeldämpfanlage, was von der Allgemeinheit sehr
mißtrauisch aufgenommen wurde. Es gab lange und heftige Debatten darum; aber gebaut wurde
doch. Es ist auch sehr zum Segen der Landwirtschaft geworden. In nassen Jahren, wenn die
Kartoffeln zu faulen drohten, war es eine Rettung und schützte die Bauern vor großen Verlusten.
387
In einem Jahr wurden mal 96000 Ztr. gedämpft, die immerhin 46000 Mark für die Molkerei einbrachten
und auch nach Abzug von Arbeitslohn und Heizung noch eine nette Summe für die Genossen
der Molkerei erbrachten. Die Männer des Vorstandes haben damals doch recht gehandelt,
wofür ihnen heute noch Dank gebührt. Die Kurzsichtigen von damals mögen das heute noch zur
Kenntnis nehmen.
XIV. Folge
Wir wollen aber auch unseren alten Barbier „Fitti“ Guhl nicht vergessen, der uns viele Jahre lang
verschönert hatte. Er war ein sehr vielseitiger Mann, der neben seinem Friseurberuf viele Dinge
ausführte. So betätigte er sich zugleich als 1. Lotterieeinnehmer, 2. Versicherungsagent, 3. Auktionator,
4. Gemeinde-Rechnungsführer, 5. Brandkassenkassierer und 6. Fleischbeschauer.
Auch hatte er noch einen gut gehenden Hutladen daneben und konnte auch stets mit einer guten
Zigarre dienen. Daneben zog er auch kranke Zähne, wenn auch ohne Betäubung. Außerdem
kannte er sich in der Tierkunde gut aus, war auch hierin stets hilfsbereit und wußte für jeden Fall
einen Rat zu geben. Er hat noch nach dem zweiten Weltkrieg gewirkt und ist im Frühjahr 1954
über 80jährig verstorben.
Sieben Jahre später verstarb auch sein Berufskollege Willi Leibholz, der aus der Altmark stammte
und sich nach 1945 im Hause des Benecke‘schen Gasthauses (heutiges Centralhotel) als selbständiger
Friseur niedergelassen hatte.
Inzwischen hatte unser heutiger Friseurmeister Rudolf Hinrichs auf dem Spring, neben dem Gasthaus
Hecht, einen modernen Herren- und Damen-Friseursalon – klein, aber fein – erbaut. Das Geschäft
ging immer gut. Mit der Zeit war sein Sohn Peter herangewachsen, erlernte das Handwerk
seines Vaters und wurde bald auch Meister. Als dann die nachfolgende Friseurfamilie Guhl sich in
Gorleben etablierte, übernahm Familie Hinrichs auch das Guhlsche Geschäft in der Hauptstraße,
das der Sohn heute führt. Auch dieses wurde modernisiert, so daß alle Wünsche der Kundschaft
erfüllt werden können. Da Vater wie Sohn im Ort recht beliebt sind, haben sich beide einen zufriedenen
Kundenstamm schaffen können und können gut von ihrem Handwerk leben.
Auch haben wir jetzt einen sehr modernen Steinmetzbetrieb. Herr Lehmann, der lange Jahre unser
Standesbeamter war und viel Interesse für unser Gartow zeigt, hat ihn seit dem Tode seines
Schwiegervaters August Bauer übernommen und weiter ausgebaut. Er hat den Betrieb mit neuzeitlichen
Maschinen ausgerüstet und führt das Geschäft vorbildlich weiter. Sein Kundenkreis ist
sehr umfangreich und erstreckt sich weit in die Lande. An Aufträgen fehlt es ihm nicht, weil er ein
Auge dafür hat, um zu sehen, wo Brot zu verdienen ist. In Hahnenberge erbaute Erich Schmidt
1956 mit der Waldschänke ein neues Lokal, das mit der Zeit eine gut besuchte Gaststätte wurde.
Die von ihm übernommene Toto- und Lotto-Stelle sicherte ihm einen zusätzlichen, festen Kundenstamm.
Durch die spätere Erweiterung des Gebäudes können dort auch größere Versammlungen
und Gesellschaften stattfinden.
Jetzt war hier in Gartow der Fremdenverkehr auch im Kommen. Im November 1955 übernahm
Herr Wolfgang Ackermann die Benecke´sche Gastwirtschaft; damals mit 2 Hotelbetten. Herr
Ackermann modernisierte zunächst die Räume des Hauses und vermehrte die Bettenzahl auf 25.
Dann baute er in den letzten Jahren das Hintergebäude zu einem hochmodernen Hotelzug aus.
Die dabei entstandenen Fremdenzimmer sind mit allem erdenklichen Komfort versehen. Das Hotel
besitzt nunmehr 45 Betten, die von zahlreichen Gästen gern in Anspruch genommen werden.
388
Seit 1960 hält das Haus, das sich auch „Reiterhotel“ nennt, Reitpferde zum Verleih. Diese werden
von den Urlaubern gern in Anspruch genommen. Der Pferdebestand wurde inzwischen auf 8 Stück
erhöht. Den Reitgästen steht auch ein Reitlehrer zur Verfügung, der auch Reitunterricht erteilt. Für
Gäste, die eigene Pferde mitbringen, ist durch gute Stallungen bestens gesorgt.
Auch die Gastwirtschaft Hecht stellte sich auf
den Fremdenverkehr ein und gab ihre Landwirtschaft
zum größten Teil auf, um für die Gäste
ganz zur Verfügung stehen zu können. Ein
modernes Wirtschaftsgebäude wurde gebaut
und im Hauptgebäude vieles geändert und modernisiert.
So stehen auch hier Einzel- u. Doppelzimmer,
mit 25 Betten für die Gäste bereit,
die mit allem modernen Komfort eingerichtet
sind. So war Hecht‘s Gasthaus im Jahr 1970
auch gut besucht und wir hoffen, daß es sich
weiterhin gut fortentwickeln wird. Die Fremdenverkehrsvereinigung
und die Gemeinde tun,
was sie können, um den Fremdenverkehr zu
fördern. Unsere schöne Landschaft, mit ihren
herrlichen Wanderwegen, wird von unseren
Gästen durch ihren Besuch anerkennend gewürdigt.
Wir hoffen sehr auf einen schönen,
sonnenreichen Sommer und viele zufriedene
Gäste.
Aber auch sonst war man auf dem Spring nicht
müßig. Die schönen alten Kastanien u. Eichen
auf der Ziegenweide mußten 1954 weichen
und die Kinder vom Spring verloren ihren geliebten
Spielplatz. Die Gemeinde baute ein
Haus mit 6 Wohnungen darauf. Außerdem entstand
daneben der große Bau der Kreissparkasse
mit weiteren 2 Wohnungen, neben den
großzügig angelegten Geschäftsräumen. Der
leider zu früh verstorbene Erich Winterhoff war
der erste Kassenleiter in diesem Hause; heute
regiert dort Rudi Goldnau, der ja Gartower
Kind ist. Dicht neben der Post liegend, ist die
Kasse zum gewichtigen Mittelpunkt von Gartow
geworden.
Mit der Ziegenweide ist aber auch einer der
schönsten Punkte unseres Ortes damals dafür
geopfert worden! – Beim nächsten Mal geht‘s
auf dem Spring noch weiter.
1973: Anzeige zum Schlachtefest in Hecht`s
Gasthaus
389
XVI. Folge
Und nun geht`s auf dem Spring weiter. – Elektromeister Paul Pfeifer, in Dömitz enteignet, war
schon seit den dreißiger Jahren viel bei der Fa. Werth in Gartow tätig gewesen. Zunächst begann
er sich geschäftlich in einer der Baracken im ehem. RAD-Lager einzurichten. Als er dort bald den
Engländern weichen musste, wich er in den Saal des Hessischen Gasthauses aus. Von dort zog
die Firma zur „Alten Post“ und richtete im Schröderischen Stallgebäude das heutige Geschäft ein.
Nach dem 1951 erfolgten Tod seines Vaters übernahm Karl Heinz Pfeifer das Geschäft und führte
es bis heute fort. Inzwischen kaufte er 1956, die 1895 von der Fa. Aug. Herbst gebaute „Alte Post“
von der Familie Schröder. 1961 baute er dann das heutige moderne Geschäftshaus zwischen der
Kreissparkasse und der „Alten Post“, in die dann auch bald wieder unser heutiges Postamt verlegt
wurde.
Ebenso zentral wie die Post, die Fa. Pfeifer und die Kreissparkasse, liegt die Tankstelle von Ernst
Walter, Springstraße 6/8. – Ernst Walter, Waldenburger Kind, war zunächst bei der Fa. Aug. Herbst
tätig. Im Herbst 1953 kaufte er den tiefliegenden „Schulgarten“, füllte ihn auf Strassenhöhe auf
und baute im Frühjahr dieTankstelle auf, aus der ab April 1954 Benzin gezapft werden konnte. Der
Tankstelle wurden schnell das Wohnhaus und die erste kleine Pflegehalle angefügt. Bald zeigte
sich, daß die Gesamtanlage zu klein war. Aber erst 1966 bot sich die Gelegenheit das Suhr´sche
Nachbargrundstück Springstraße 8 anzukaufen. Nach schnellem Abbruch dieses Hauses und seiner
Nebengebäude, errichtete Ernst Walter eine große moderne Pflegehalle und fügte dieser bald
auch eine Automatik-Waschanlage an. Der mit Verbundpflaster befestigte Hof und Parkplatz vor
der großen Halle und die moderne technische Einrichtung gestatten heute die TÜV-Abnahmen
für PKW`s in Gartow durchführen zu lassen. Hierfür sind Ernst Walter viele PKW-Eigentümer aus
Gartow und Umgebung dankbar.
Wenn von der Tankstelle gesprochen wird, darf auch die am „Hahnenberger Damm“ entstandene
Tankstelle von Horst Törber nicht vergessen werden. Sie darf schon deshalb nicht unerwähnt bleiben,
weil Horst Törber der erste Mann war, der den Mut hatte, zwischen dem alten Ortskern von
Gartow und Hahnenberge in dem tiefgründigen Überschwemmungsgelände am Hahnenberger
Damm, nach Auffüllung einiger tausend Kubikmeter Sand, einen Bau aufzuziehen.
1961 hatte er seine Meisterprüfung gemacht, 1963 kaufte er das Gebäude von der Realgemeinde.
Ende 1964 konnte bereits bei ihm getankt werden. Unter seinen Wohnräumen entstand die
Werkstatt und neben dem Wohnhaus seine Pflegehalle. Viel Arbeit und Mühe hat dieser Aufbau
gemacht, wenn man nicht gar von Quälerei sprechen will. Aber nicht nur für die Autofahrer ist
dieser Betrieb durch Tankstelle und Werkstatt, sondern auch für die Treckerbesitzer zu einem
gewichtigen Stützpunkt geworden.
Im Ortsteil Hahnenberge entstand auch ein weiterer neuer Betrieb. Richard Stüben, der Schwiegersohn
des alten Zimmerpoliers Heinrich Hoppe machte sich 1960 selbständig als Zimmermeister
und Architekt. Am Ortfeld baute er seinen „Platz“ auf. Der Betrieb war bald recht gut beschäftigt
und hat etwa 6 - 8 beschäftigte Mitarbeiter. Bei genügend reichlichen Aufträgen floriert das
Geschäft gut und hat heute einen guten Kundenkreis hinter sich. Dazu trägt auch die Übernahme
von Planungsarbeiten durch das Büro bei.
Von einem Musterbetrieb, den wir in Gartow haben und der in sehr weitem Umfang um Gartow
herum bekannt ist, muß auch noch gesprochen werden. Im November 1899 gründete der Gärtnermeister
August Horstmann sen. eine Gärtnerei im Ortsteil Hahnenberge. Als er 1976 verstarb war
390
es schon ein recht beachtlicher Betrieb, der durch seine Spezialitäten längst über den Rahmen
einer normalen Gärtnerei hinausgewachsen war. (Kiefern- und Rhododendron-Aufzucht). Als dann
sein Sohn August Horstmann jun. 1948 aus der Gefangenschaft heimkehrte und den solange von
seiner Mutter aufrechterhaltenen Betrieb übernahm, spezialisierte er ihn noch weiter. Nachdem er
die nicht mehr lohnende Kieferaufzucht und vor allem die Rhododendron-Züchtung seines Vaters
aufgegeben hatte, stellte er sich ganz auf die Anzucht von Azaleen-, Erika- und Alpenveilchen-
Pflanzen ein. Mit einem Spezialfahrzeug werden diese in einem Umkreis von einigen hundert
Kilometern an die Großabnehmer ausgeliefert. Hierzu waren aber wesentliche Voraussetzungen
notwendig. So mussten ab 1950 neue moderne Gewächshäuser erbaut werden. Rund 2500 qm
wurden von ihm unter Glas gestellt. Mit automatischer Wassersprenganlage und Heizung sind
diese Häuser hochmodern eingerichtet und bieten den Pflanzen frostsichere Unterkunft. In dritter
Generation ist seit 1969 auch schon der Enkel des Begründers – Gustel Horstmann – nach seiner
auswärtigen Ausbildungszeit im Betrieb tätig. Da er, wie seine Vorfahren, ein fleißiger Mann ist, der
ein großes Interesse für Neu-Züchtungen zeigt, dürfte der Fortbestand dieses Familienbetriebes
als gesichert anzusehen sein.
Großmutter Horstmann ist inzwischen auf „Altenteil“
gegangen, mit ihr wirkten zeitweilig 3
Generationen in diesem Betrieb harmonisch zusammen.
Dabei darf nicht unerwähnt bleiben,
daß sie in den Nachkriegsjahren, zusammen
mit ihrer damals noch zukünftigen Schwiegertochter,
den Betrieb aufrechterhielt bis ihr Sohn
wieder heimkehrte und ihr diese Last abnehmen
konnte. Eine tapfere Frau, die couragiert
ihren „Mann“ stand. Mögen dieser heute fast
80-jährigen Mitbewohnerin noch ruhige Jahre
an ihrem Lebensabend vergönnt sein!
Gartow, Gartenbaubetrieb Horstmann 1932
XVII. Folge
Nochmal zum Spring. – Im Jahre 1896 war der Schuhmachergeselle Karl Appelt nach Gartow gekommen.
Er entstammte einer alten – heute etwa 200 jährigen Schuhmacherfamilie aus Dahme
in der Mark. Von dort war er zu Fuß hierher auf der „Walze“ gelangt. Hier machte er bald seinen
Meister. Zunächst wohnte er zur Miete. Als Kirchendiener war er nebenher tätig. Seinen Lohn hieraus
legte er auf die hohe Kante und sparte sich damit das Geld für einen Hauskauf zusammen.
Dann kaufte er 1907 die frühere Kropp´sche Schmiede für 1700 Taler, die in der Springstraße
war, wo heute Artur Tschink seine Kfz-Werkstatt hat. Bis 1928 hat er dort sein Handwerk betrieben.
Karl Appelt war nicht nur ein fleißiger Mann und lange Jahre Kirchendiener, er war auch Bürgervorsteher
und betrieb dazu auch noch eine Landwirtschaft. Außerdem war er ein begeisterter
Turner, der als Vorturner neben seinen Mitturnern Karl und August Järnecke dafür sorgte, daß der
Turnverein Gartow im Turngau hohes Ansehen und Anerkennung fand. 1961 ist er einen Monat vor
Vollendung seines 90. Lebensjahres verstorben.
Inzwischen hatte sein Sohn Wilhelm 1923 seine Meisterprüfung gemacht und das Geschäft nach
seiner Verheiratung in die Hauptstraße verlegt. Hier arbeitete „Opa“ Appelt auch noch jahrelang
kräftig mit, wenn er nicht bei seinen täglichen Spaziergängen die Gartower Gemarkung inspizierte.
Willi Appelt betrieb Handwerk, Geschäft und Landwirtschaft dazu, bis er durch Horst Wirth einen
Schwiegersohn ins Haus bekam, der sein handwerklicher und geschäftlicher Nachfolger wurde.
391
Horst Wirth machte 1957 seine Meisterprüfung, übernahm den Betrieb modernisierte ihn räumlich
und warenmäßig so, daß das Geschäft den heutigen Anforderungen voll gerecht wird. Das
Appelt-Wirth´sche Geschäft gehört zu den ältesten Betrieben in Gartow. Wie seine Vorgänger Karl
und Willi Appelt ist auch Horst Wirth eifriges Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und seit Jahren
Gemeindebrandmeister. Als solchem untersteht ihm die schlagkräftig und modern ausgerüstete
beste Wehr im Ostteil unseres Landkreises. Er versteht seine Wehr zu führen und zu leiten.
Auf dem früheren Kropp´schen dann
Appelt´schen Grundstück, Springstraße Nr. 25
betreibt heute Artur Tschink seine Kfz-Werkstatt.
Im Juli 1945 kam er aus der Gefangenschaft
hierher, da er in seinen Heimatort Kolzig
(Schlesien) nicht zurückkehren konnte. Nachdem
er zunächst bei dem Deutz-Spezialisten
Berthold Schulz in der alten Gutsschmiede am
Schäferkamp ausgeholfen hatte, machte er
sich 1948 selbständig. Bei Dr. Herbst fand er
Unterkunft, wechselte aber bald zur Ziegenweide
in die ehemalige Kindergartenbaracke über.
Als dort das heutige Wohnhaus Springstraße 7
und die Kreissparkasse in Bauplanung kamen,
mußte er weichen. Von Opa Appelt kaufte er
1952 das heutige Grundstück Springstraße
25 und baute sich eine Werkstatt auf, in der er
heute noch seinen Einmannbetrieb hat.
Artur Tschink ist ein stets hilfsbereiter Mann,
der sich auch nachts nicht scheut einem Kfz-
Fahrer in der Not aus der Patsche zu helfen.
Immer emsig, oft verschmitzt lächelnd, macht
er still sein Geschäft. Besonders für die klein
gewordene Zahl der Motorradfahrer und die dafür
immer noch zunehmende Zahl der Mopedjünglinge
ist er zum zentralisierten Stützpunkt
des Gartower Raumes geworden.
Auf dem Spring hat ein weiterer Gartower Handwerksbetrieb
seinen Ursprung; der Malereibetrieb
von Heinz Zilenski. Im August 1945 kam
auch er aus Gefangenschaft hierher; trotzdem
er geborener Berliner ist blieb er bis heute Gartow
treu. Zunächst arbeitete er noch als Geselle
beim alten Meister Harry Schulenburg mit.
1947 machte er seine Meisterprüfung. Nachdem
er sich selbständig gemacht hatte, ging er
vom Spring aus erst beim alten Tischlermeister
Willi Schulz, dann bei Dotschko`s unterge-
Schuhhaus Appelt Inh. Horst Wirth
Um 1926: Schumacherfamilie Schenk
(v.l.n.r. Emma, Joachim, Johanna, Else)
392
kommen, fleißig und vorwärtsstrebend seinem Handwerk nach. 1962 verlegte er seinen Betrieb in
das Dankert´sche Haus Hauptstraße 20, wo er heute noch wohnt und von wo aus er einen recht
angewachsenen Kundenkreis bedient. Meister Zilenski ist als solider Handwerker bekannt, auf
den sich seine Kundschaft verlassen kann.
Gartows Entwicklung 1956 - 1957
Jede Zeitperiode hat ihre eigenen Probleme, die gelöst werden müssen. Sie unterscheiden sich
von denen, die Jahrzehnte zuvor auftraten. Etwa zehn Jahre nach dem 2. Weltkrieg waren es die
nachfolgend geschilderten, die jedoch nur einen kleinen Ausschnitt präsentieren.
Erinnert werden muß auch an die aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entlassenen ehemaligen
deutschen Soldaten, die „Spätheimkehrer“. Als der letzte aus Gartow von ihnen im Januar
1956 in seiner Heimatgemeinde begrüßt wurde, stand in der Zeitung:
„Ganz Gartow nahm freudigen Anteil an der Mitteilung, daß nun auch der letzte Heimkehrer Wilhelm
Jahnke, welcher früher mit Zurückgekehrten in einem Lager in Sibirien gewesen war, zurückkehrte.
In einer Feierstunde am Mahnmal wurde der Heimkehrer empfangen. Nach dem Bürgermeister
sprach sein Lagerkamerad Geigenmüller, der erst vor einigen Wochen zurückkehrte,
ergreifende Begrüßungsworte. Wilhelm Jahnke, der Polizeibeamter ist, geriet bei der Kapitulation
im Raume Danzig mit einem Polizeiregiment in Gefangenschaft. Schon zwei Tage später begann
eine nicht endenwollende Fahrt in das Lager Perwo-Uralsk, 2000 km östlich von Moskau entfernt
und 1 ½ km von der Europa-Asien-Grenze gelegen. Dort lebte Jahnke elf Jahre hinter Stacheldraht.
In den letzten zwei Jahren versah er Sanitätsdienst im Lager. Bei der Abfahrt, es war der letzte
Transport aus diesem Lager, blieben noch 23 Mann zurück. Erst wenn diese den russischen Entlassungsbehörden
einen deutschen Staatsangehörigkeitsnachweis beibringen, werden auch sie
entlassen. Der Transport wurde nachts durch die sogenannte DDR geschleust. Über den Stop der
Heimkehrertransporte berichtet Heimkehrer Jahnke, daß die Russen immer erklärt hätten, ihrer
Regierung gefiele nicht der laute Empfang der ersten Transportwelle in Friedland und beim zweiten
Stop erklärten die Russen, es hänge mit der Errichtung der russischen Botschaft in Bonn zusammen.
Als besonderes Erinnerungsstück brachte der Heimkehrer aus der Gefangenschaft eine aus
russischer Birke selbstgebaute Konzertgitarre für seinen Sohn mit.“ 3
Ratssitzung
„Gartow. Auf der Ratssitzung im Gemeindesaal begrüßte Bürgermeister Hennings besonders
die anwesenden Heimkehrer Geigenmüller und Jahnke und überreichte ihnen im Namen des
Gemeinderates das Heimatbuch von Rudolf Haberland „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-
Schnackenburg“. Der Rat genehmigte die vorliegende Abrechnung des Haushaltsplanes für 1954.
Haushaltsplan und Haushaltssatzung für 1955 wurden nach eingehender Erläuterung durch Gemeindedirektor
Junack angenommen. Die Hebesätze bleiben auch für das folgende Geschäftsjahr
unverändert. Eine Entschädigung für die Hochwasserbekämpfung ist bisher noch nicht eingegangen.
Dem Wunsche der Kreissparkasse auf Verkauf von 41 qm Zwischengelände wurde stattgegeben.
Der Kostenvoranschlag für die Kanalisation in der Springstraße liegt vor. Die Höhe der Kosten
gestatten es aber noch nicht, dieses dringende Vorhaben sofort in Angriff zu nehmen. Durch eine
finanzielle Beteiligung der Molkerei und der Anlieger dieses Straßenzuges sowie durch verbilligte
Arbeitskosten durch Einsatz der Gemeindearbeiter würde man einer Lösung dieses Problems
schon näher kommen. Das Projekt wird nicht fallen gelassen.
393
Die Trockenlegung des Prezeller Weges ist dringend geworden. Die Kosten betragen rund 3800
DM. Eine Packlage aus einer Kiesgrube würde billiger sein. Sie würde unzureichend bleiben und
ist für schwere Fahrzeuge nicht geeignet. Dieses Problem bleibt bestehen. Die Rattenbekämpfung
soll wie im Vorjahr durch die Gemeindearbeiter durchgeführt werden. Die Kosten betragen 1,- DM
je Grundstück. Gut bewährt hat sich nach Beobachtung der letzten zwei Jahre das Aufstellen von
Fangkisten mit vergiftetem Köder an ruhigen Stellen des Grundstücks. Die Hauptsatzung nach § 7
der Niedersächsischen Gemeindeordnung wurde vom Rat nach eingehender Beratung beschlossen.
Sie bedarf noch der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Der Verwaltungsausschuß gab einen
Antrag des Vorsitzenden der Stierhaltungsvereinigung bekannt, in dem um Erhöhung des
Jahreszuschusses auf 300 DM gebeten wird. Um sich einen Ueberblick über die finanzielle Lage
machen zu können, soll der Vorstand um Vorlage der Abrechnung über Ein- und Ausgaben für die
Geschäftsjahre 1954/55 gebeten werden. Zu der Beschlussfassung im Verwaltungsausschuß soll
der Vorstand eingeladen werden. Der Rat beschloß, dem Wunsche der Mittelschule entgegenzukommen
und die nächste Ratssitzung so zu legen, daß die Schule teilnehmen kann. Der Vorschlag
des Ratsvorsitzenden Hennings, die nächste Sitzung mit anschließender Bürgerversammlung auf
einen Sonnabendnachmittag zu legen, wurde angenommen. Schaden an Gebäuden, die durch die
Messungen der Erdölversuche entstanden sind, müssen beim Meßtrupp in Gorleben umgehend
gemeldet werden. Verschiedene Schäden sind bereits festgestellt worden. Eine sehr dringende Angelegenheit
ist die Seegeregulierung. 40 bis 50 Morgen Wiesen stehen schon bei geringem Regen
unter Wasser. Verschiedene Eingaben bei der Seegegenossenschaft blieben unbeantwortet. Die
Grundsteuer muß bezahlt werden.
Der Rat beschloß, nunmehr das Ordnungsamt anzurufen. Die Straßenverwaltung soll aufgefordert
werden, einen Stubben auf dem Fußsteig der Springstraße entfernen zu lassen, da dieser bereits
einen Personenschaden verursacht hat.“ 4
Die neu erbaute Brücke aus Stahlbeton über die Seege war für den Verkehr freigegeben worden.
Bald eine Bürgerversammlung in Gartow
In nichtöffentlicher Ratssitzung, vom stellv. Bürgermeister Alpermann eröffnet und mit Adameck
als Schriftführer, wurden der Aufsichtsbehörde für das Amt des Standesbeamten und für die Leitung
des Schiedsamtsbezirks Gartow Hermann Korte und Lothar Lehmann vorgeschlagen. Über
den Antrag der Stierhaltungsvereinigung auf Erhöhung des Jahreszuschusses wurde noch nicht
entschieden, es soll noch eine Rücksprache stattfinden. In der Beratung über die Unterhaltung
und Verkehrssicherheit der Bürgersteige wurde eine Plattenlegung auf dem Fußsteig von der alten
Post bis zur Molkerei für dringend notwendig erachtet. Die gegenüberliegende Seite kann erst
berücksichtigt werden, wenn die Kanalisation erfolgt ist. Durch einen Kreiszuschuß im Rahmen
des „Grünen Planes“ wurde der Beginn der dringend notwendigen Arbeiten am Schulweg Molkerei-Schützenplatz
möglich. Der Rat beschloß die Abhaltung einer Bürgerversammlung für Anfang
August im Hotel Deutsches Haus. Mittel- und Volksschule sollen dazu eingeladen werden.“ 5
Ratssitzung
Bürgermeister Hennings würdigte die gute Zusammenarbeit des Gemeinderates in den ablaufenden
vier Jahren. Nach einem Hinweis auf die in diesen vier Jahren geleistete Aufbauarbeit, die
nach außen durch den weiteren Ausbau der Badeanstalt, die Fertigstellung des Nienwalder Weges
und den Bau eines Sechsfamilien-Wohnhauses sichtbar wurde, erteilte er dem Ratsherrn und
Gemeindedirektor Junack das Wort für einen ausführlichen Bericht. Dieser vermittelte der jungen
Zuhörerschaft einen Ueberblick über die mannigfachen Aufgaben.
394
Besondere Anerkennung zollte Gemeindedirektor Junack dem seit dem 14. Juli 1946 ohne Unterbrechung
im Amt befindlichen Bürgermeister Hennings, der in diesen zehn Jahren durch Tatkraft,
Arbeitseifer und Idealismus erfolgreiche Arbeit in der Nachkriegs- und Reichsmarkzeit wie nach
der Währungsreform geleistet hat.
Zugleich mit der Haushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1955 wurde der Bericht des Kommunalprüfungsamtes
Lüchow für die Jahre 1954 und 1955 beraten, die geringen Haushaltsüberschreitungen
wurden einstimmig genehmigt und gemäß dem Vorschlag im Prüfungsbericht der
Verwaltungsausschuß und der Gemeindedirektor entlastet. Der 1955 erstmalig seit 1945 auftauchende
Fehlbetrag von knapp 8000 DM konnte auch im Haushalt für 1956 nicht gedeckt werden,
der wiederum mit einem Fehlbetrag abschließt. Aus den Unterlagen ist die Ursache des jetzigen
Defizits ersichtlich: Es sind die gesteigerten Ausgaben, mit denen die Einnahmen nicht Schritt
gehalten haben. Nicht unbeträchtlichen Anteil an den Fehlbeträgen der beiden Jahre hat auch die
Kreisumlage, die sich von 47 Prozent im Jahre 1950 auf 61 Prozent seit 1954 gesteigert hat. Auch
die Aufwendungen für das Schulwesen haben sich erhöht, obwohl die Uebernahme der persönlichen
Kosten durch das Land eine fühlbare Senkung dieser Ausgaben bringen sollte. Nicht Schritt
gehalten mit den steigenden Ausgaben haben die Einnahmen an Steuern, im Gegenteil ist bei der
Gewerbesteuer seit 1952 ein jährlicher Rückgang zu verzeichnen. Dieser Rückgang wird auch
erklärlich bei dem Vergleich der Einwohnerzahlen: am 1. September 1950 rund 1930, am 31.
März 1956 nur noch 1517. Alle seit Kriegsende unternommenen Versuche, für die vorübergehend
auf das Doppelte gewachsene Bevölkerung Dauerarbeitsplätze zu schaffen, sind gescheitert, da
weder nennenswerte Industrie vorhanden war noch neue Industrien herangeholt werden konnten.
Daß dabei die unmittelbare Nähe der Zonengrenze mitspricht, steht außer Zweifel.
„Enttäuschung bereitet die sich verschlechternde finanzielle Lage den Gewerbe treibenden, die
eine Herabsetzung der Gewerbesteuer erhofft hatten. Bürgermeister Hennings bezeichnete es
aber auch als einen ungangbaren Weg, etwa durch Steuererhöhung das Defizit auszugleichen.
Eine weitere Belastung durch erhöhte Steuern würde eine weitere Verschlechterung und Verkleinerung
der Kapitaldecke aller Betriebe bedeuten, die dann in finanzielle Schwierigkeiten geraten
würden und mit ihnen die Gemeinde. Der einstimmige Beschluß lautete auf Beibehaltung der
bisherigen Hebesätze (Grundsteuer A = 210 Prozent, „B“ ist 250 Prozent, Gewerbesteuer 250
Prozent).“ 6
Gemeinderatswahl
„Von knapp 1000 Wahlberechtigten beteiligten sich 81% an der Wahl. Die Gemeindewahlliste mit
41 Kandidaten erbrachte auf 799 Stimmzetteln 2231 Stimmen, und zwar für die SPD 918, für die
CDU (die Bewerber waren ohne Ausnahme parteilos) 608, für die DP 486, für den BHE 147 und
für die FDP 72.
Auf die Wahlvorschlagsverbindung CDU, DP und BHE entfielen 6 Sitze und zwar je 3 auf die CDU
und DP. Der GB/BHE ist im neuen Gemeinderat nicht wieder vertreten. Die SPD konnte 5 Sitze
erringen. Es wurden gewählt: SPD = Wilhelm Kraasmann (292), August Tiemann (105), Hermann
Ölschläger (100), Hermann Tiemann (94), Wilhelm Tege (75); CDU = Wilhelm Junack (168), Dr.
v. Oppen (133), Ernst Schmidt (122); DP = Paul Hennings (202), Franz Alpermann (77), Heinrich
Baark (60).“ 7
395
Ratssitzung
„Die Ratssitzung im März diente hauptsächlich der Bekanntgabe der in der Februar-Sitzung … gefaßten
Beschlüsse. An erster Stelle wurden Personalangelegenheiten behandelt wie die einstimmige
Wahl des seit März 1946 in der Gemeindeverwaltung beschäftigten Angestellten Sabel zum
hauptamtlichen Gemeindedirektor ab 1.April 1957 auf die Dauer von 6 Jahren, die Einstellung des
ehem. RAD-Amtswalters Rosenberg als Kassenangestellter an Stelle des freiwillig zur Bundeswehr
gegangenen Angestellten Reinecke und die Einstellung eines weiblichen Lehrlings zum 1. April.
Weiterhin berichtete Bürgermeister Schmidt über die Ablehnung eines Kaufangebotes für das
Wohngrundstück Hahnenberger Str. 26. Die Mehrzahl der Ratsherren vertrat den Standpunkt,
daß bei den wenigen Liegenschaften, die sich noch im Besitz der politischen Gemeinde befinden,
weitere Veräußerungen nicht vorgenommen werden dürfen. Ratsherr Henning beantragte die
dringende Räumung zweier besonders wichtiger Gräben in der Flur 6 (Hahnenberge). Auch dieser
Antrag fand einstimmige Annahme …“ 8
„…In den beratenden Ausschuß der Lüneburger Entschädigungsbehörde für die Opfer nationalsozialistischer
Verfolgung wurden in der Kreistagssitzung aus unserem Kreis für ein weiteres Jahr
als Beisitzer Frau Käthe Henning aus Gartow und Maschinenarbeiter Richard Kelm aus Gartow
gewählt, die bereits seit 1952 dieses Beisitzeramt infolge ständiger Wiederwahl innehaben.“ 9
„Eine bemerkenswerte Erleichterung wird am Rentennachzahlungstag, am 13. April, den beteiligten
Rentnern durch das Postamt Gartow insofern gewährt, als durch die Teilung der Auszahlungszeit
in die Vor- und Nachmittagsstunden der bisherige starke Andrang vermieden werden
soll. Die erst vor wenigen Jahren erfolgte Erweiterung der Räume für die Publikumsabfertigung ist
inzwischen vollkommen unzulänglich geworden. Die Schließfachbesitzer und Fernsprechzellenbenutzer
müssen sich um die wartenden Rentner herum durchdrängen und auch der allgemeine
Abfertigungsschalter ist genau so schwer zugänglich. Nun soll dieser Zustand dadurch vermieden
werden, dass die in der Haupt- und Springstraße wohnhaften Rentenempfänger vormittags zwischen
10 - 12 Uhr und alle übrigen nachmittags von 15 - 16.30 Uhr ihre Rente in Empfang nehmen
können …“ 10
„Nachdem die Amtszeit der im Jahre 1951 zum ersten Mal gewählten Vertreter der Gemeinden
zum Steuerausschuß beim Finanzamt abgelaufen ist, waren mit Wirkung ab 1. April neue Gemeindevertreter
und deren Stellvertreter zu wählen … Es werden für die nächsten 6 Jahre im Steuerausschuß
die Gemeinde vertreten: Gemeindedirektor Erich Sabel und als Stellvertreter Kaufmann
und Landwirt Wilhelm Junack.“ 11
Mit Beginn des Jahres 1958 kam es in Gartow zur Einführung neuer Hausnummern. 12
5.12.1957: Geschäftseröffnung Kurt Raddatz
1956: Anzeige Walter Ducke: Bindemäher
396
6.6.1956: Einladung zur Generalversammlung der
Molkereigenossenschaft Gartow
4.5.1956: Anzeige der Wendländischen Lichtspiele
26.1.1957: Anzeige zu einem dreitägigen kostenlosen
Nähkurs
19.1.1957: Anzeige W. Junack: Dreschmaschinen
Anzeige Kurt Raddatz zur Olympiade 1972
397
1971: Gesicherte innerdeutsche Grenze
Quellen und Literatur
1. Amtliche Bekanntmachungen der Kreisverwaltung Dannenberg 1947/48
2. Puffahrt, Otto: „Ausgewählte Nachrichten der Neuen Jeetzel-Zeitung Jahrgänge
1950 - 54“, Lüneburg 2008
3. Neue Jeetzel-Zeitung vom 21.1.1956
4. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 3.2.1956
5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 2.8.1956
6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 22.10.1956
7. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 31.10.1956
8. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 27.3.1957
9. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 2.4.1957
10. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 10.4.1957
11. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 25.4.1957
12. Amtsblatt für die Regierung Lüneburg 1958, S. 104 Nr. 321
398
Grenzprobleme
Nach dem am 8. Mai 1945 beendeten 2. Weltkrieg entstanden zwei unterschiedliche und gegeneinander
gerichtete Machtblöcke: die Staatengemeinschaft des Westens mit der Leitnation
Vereinigte Staaten von Amerika und die des Ostens mit der Leitnation Sowjetunion. Die politischen
Gegensätze führten recht schnell zur Teilung Deutschlands in West- und Mitteldeutschland mit
einer zunächst noch relativ durchlässigen, später jedoch hermetisch abgeriegelten Grenze. Noch
nie in der Geschichte hatte es eine so perfekt durchdachte Grenzanlage gegeben, die von 1945
bis 1990 zur deutschen Schicksalsgrenze wurde.
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg war aufgrund der historischen Landesgrenze schlagartig in
eine prekäre Abseitslage geraten, von drei Seiten von der deutsch-deutschen Grenze umgeben;
wobei im Norden die Elbe zusätzlich eine natürliche Barriere bildete. Diese Grenze wurde landläufig
als Zonengrenze, im Schriftverkehr als Demarkationslinie zur Sowjetzone bezeichnet. Sie
war 1381 km lang und trennte 57 Millionen Menschen in der Bundesrepublik von 17 Millionen in
der Sowjetzone, der späteren Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Sie forderte insgesamt
1135 Opfer, die bei Fluchtversuchen von Ost nach West ums Leben kamen.
Die innerdeutsche Grenze war bei noch laufenden Kriegshandlungen am 12. September 1944 im
sogen. Londoner Protokoll von den Alliierten festgelegt worden und wurde vom 1. Juli 1945 offizielle
Staatsgrenze. Für den Gartower Raum brach eine Zeit der wirtschaftlichen Stagnation, später
eines Rückganges an, der nur durch Gelder aus dem Zonenrandprogramm der Bundesrepublik einigermaßen
aufgefangen werden konnte. In den ersten Nachkriegswochen gab es Gerüchte, den
Gartower Zipfel oder sogar den gesamten Landkreis der Sowjetzone unter russischer Verwaltung
anzugliedern.
Die Bewachung der Grenze oblag zunächst russischen Militärstreifen, die ab Dezember 1946
von ostdeutschen Grenzpolizisten unterstützt wurden. Durch die Kontrollratsdirektionen vom 29.
Oktober 1946 und 23. April 1947 wurde für den Interzonenverkehr ein Interzonenpaß mit einer
Geltungsdauer von 30 Tagen je Besuch eingeführt. Die Passregelung ist im November 1953 aufgehoben
worden. Reisen mußten bei den jeweiligen Staatsbehörden beantragt werden.
Im DDR-Paßgesetz vom 11. Dezember 1957 wurde das Verlassen des DDR-Gebietes ohne Genehmigung
scharf bestraft. Ohnehin waren inzwischen Tatsachen geschaffen worden:
Gemäß einer DDR-Verordnung vom 26. Mai 1952 war die Grenze auf DDR-Seite mit einem
10 m-Kontrollstreifen, einem 500 m-Schutzstreifen und einer 5 km-Sperrzone undurchlässiger
geworden. Die Zeiten von 1945/46, als es in Gartow ein provisorisches Notaufnahmelager für
Grenzübergänger aus dem Osten gab, sich ganze Familien durch kundige Führer illegal vom Osten
in den Westen bringen ließen oder auch selbst ihr Glück versuchten und noch ein florierender
Interzonenverkehr mit Handels-, Tausch- und Schmuggelware existierte, waren endgültig vorbei.
Trotz allem wurde immer wieder versucht, die Grenze zu überwinden, sei es an der Elbe oder auch
weniger oft an der Landgrenze.
Zur Unterbindung des Schmuggels, bald darauf aber nur noch zur Grenzsicherung, hat die britische
Administration auf westdeutscher Seite deutsche Hilfspolizei eingesetzt, anfangs noch ohne
Bewaffnung. Ab April 1949 kamen dann als Ablösung die (bewaffneten) Zollbeamten als Zollgrenzschutz,
später als Zollgrenzdienst bezeichnet. In Gartow wurde ein Zollkommissariat eingerichtet,
399
zudem entstand eine besondere Reiterstaffel, um die ausgedehnten Waldgebiete des Gartower
Forstes entlang der Grenze beaufsichtigen zu können. 1
Die Perfektionierung der Grenzanlagen ist von DDR-Seite planmäßig vorangetrieben worden: Vom
1. Dezember 1955 an wurde die „Staatsgrenze West“ ausschließlich von der ostdeutschen Grenzpolizei
bewacht, russische Streifen gab es nicht mehr. Am 15. September 1961 wurde die militärisch
organisierte ostdeutsche Grenzpolizei mit etwa 50000 Mann als „Kommando Grenze“ in
die Nationale Volksarmee eingegliedert. Gräben, Stolperdrähte, Minenfelder, Hundelaufanlagen,
optische und elektrische Alarmanlagen, Unterstände, Wachtürme, Drahthindernisse, Erdbunker
und schließlich der Metallgitterzaun mit Selbstschussanlagen waren eigentlich unüberwindlich. In
zähen Verhandlungen zwischen beiden deutschen Staaten, wobei später reichlich Geld von West
nach Ost floß, wurden Reiseerleichterungen besonders für Westdeutsche erreicht: 1971 Transit-
Abkommen, 1972 Verkehrsvertrag, Grundlagenvertrag usw., wobei 1983 dann der Abbau der
Selbstschußanlagen am Grenzzaun erreicht werden konnte.
Nach sechsjährigen Verhandlungen einigte sich 1978 eine Grenzkommission auf den genauen,
zuvor in vielen Abschnitten strittigen Grenzverlauf mit Ausnahme der Grenze an der Elbe. Die Elbe
wurde beiderseits mit Wasserfahrzeugen kontrolliert, auf ostdeutscher Seite mit Schnellbooten
der Nationalen Volksarmee und auf westdeutscher Seite mit Motorbooten des Zollgrenzschutzes
und der Wasserschutzpolizei. Um bei der Ausrüstung gegenüber den DDR-Schnellbooten gleichzuziehen,
erhielt der bundesdeutsche „Wasserzoll“ ab 1978 zwischen Schnackenburg und Lauenburg
ebenfalls moderne Schnellboote der „Coronet“-Klasse mit Seefunk- und Radarausrüstung.
In Schnackenburg existierte eine Zollschiffsstation, die auch am dortigen Kontrollpunkt Binnenschiffe
abfertigte.
Ab 1951 kam zur Grenzsicherung auf westdeutschem Gebiet noch zum Zollgrenzdienst der Bundesgrenzschutz,
im Gartower Raum war das Grenzschutzkommando Nord zuständig. Es war in
Neu Tramm stationiert. 2
Eine schlimme Situation entstand beim Elbehochwasser Dezember 1974/Januar 1975, als Bauern
aus Kapern angeschwemmte Kunststoff-Tretminen von der DDR-Grenze auf ihren Feldern fanden.
Entlang des Grenzabschnittes Gartow-Schnackenburg sind 10000 Minen verlegt worden.
An der Seegebrücke in Gartow wurde eine Auffangvorrichtung installiert, um Minen bergen zu
können. Wie durch ein Wunder gab es durch die angeschwemmten Minen kein Unglück.
Um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Landkreis Lüchow-Dannenberg bzw. im Grenzbereich
zu mildern, verabschiedete die Bundesregierung 1971 das sogen. Zonenrandförderungsgesetz,
wobei z.B. im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
Gelder von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt wurden. Allein die nur im Zonenrandgebiet
möglichen erhöhten Sonderabschreibungen und steuerfreien Rücklagen für betriebliche
Investitionen brachten Steuerersparnisse in Milliardenhöhe. Nicht nur die Wirtschaftskraft wurde
auf diese Weise gefördert sondern auch eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse und Erhöhung
des Wohn- und Freizeitwertes einschließlich „des Ausbaues sozialer und kultureller Einrichtungen“
wurde angestrebt.
1956 wurde festgestellt:
„Der Kreis als Standort für Gewerbebetriebe: die Nachteile des Kreises sind ganz offensichtlich
gegeben.“ In den relativ weiten Entfernungen der Wirtschaftszentren der Bundesrepublik, in der
400
psychologisch abschreckenden Wirkung der Nähe zur Zonengrenze, in der auch persönlich unbequemen
Randlage des Kreises, die eine Bewegungsfreiheit nur nach einer Richtung (Westen) hin
zuläßt.
Die Vorteile: Der einzige wirkliche Vorteil für Gewerbeansiedlungen, den der Raum bietet, liegt in
seinem Arbeitskräftepotential.“ 3
Auch die Landwirtschaft war in Mitleidenschaft gezogen: „Der Landkreis ist ein ausgesprochener
Agrarkreis mit mittleren, kleinen und kleinsten Betriebsformen (insgesamt 6350 landwirtschaftliche
Betriebe), die in der Regel kaum die Größe von 20 - 25 ha überschreiten und im Durchschnitt
annähernd gleichmäßig auf Ackerbau und Grün-Landwirtschaft eingestellt sind…“ Hinzu kamen
die unzeitigen Überschwemmungen der Elbe in der Aland- und Seegeniederung sowie im Elbvorland
und die binnendeichs auftretenden Schäden infolge Qualmwasser. 4
Die wirtschaftlichen Zustände verschlimmerten sich immer mehr, obwohl die Bundesregierung
dem damaligen Bundesernährungsminister Lübke allein im Jahr 1956 rd. 292 Mio. DM zur Verfügung
stellte. Dieses Geld war für die Flurbereinigung, zur Seuchenbekämpfung (Rindertuberkulose),
für ländliche Siedlungen und wasserwirtschaftliche Maßnahmen vorgesehen. Das Nieders.
Landvolk wies 1956 auf die schlechte Einkommensentwicklung der Bauern hin: „…Berücksichtigt
man diese Tatsache, so ergibt sich, daß die Bauern und ihre ständigen mitarbeitenden Familienangehörigen,
in Vollarbeitskräfte umgerechnet, nur ein Durchschnitts-Jahreseinkommen von 1300
DM haben. Damit liegt die Landwirtschaft mit Abstand unter sämtlichen anderen Wirtschaftszweigen;
betrug doch im gleichen Zeitraum der Jahres-Durchschnittsverdienst der angelernten
gewerblichen Arbeiter 4850 DM …“ 5
Damals forderte Bauer Erwin Jürgens aus Holtorf, Vorsitzender des Landvolk-Bezirksverbandes
Gartow: Trinkmilchpreis-Erhöhung, Fortfall des Dieselzolls und der Umsatzsteuer aber auch die
Lösung der „Sozialprobleme im bäuerlichen Lebensbereich in der Mehrzahl unserer Betriebe, in
denen mit 20 bis 80 Morgen Größe (Arbeitszeit, Lohn, Frauen- und Kinder-Arbeitsschutz, Urlaub,
Sozialversicherung usw.) …“ 6
Die missliche Lage nicht nur in der Landwirtschaft sondern allgemein bewog Hans Borchardt aus
Kapern, sich für Verbesserungen einzusetzen, was er zeit seines Lebens später als Samtgemeinde-Direktor
von Gartow mit großem Erfolg erreicht hat. Im April 1956 schilderte er u.a. die Situation
wie folgt:
„…Wenngleich in diesem Bezirk (Zonenrandgebiet) in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch
die Einwohnerzahlen anstiegen, einmal durch den Zustrom von Flüchtlingen aus den Ostgebieten,
von Evakuierten und Ausgebombten, zum anderen durch den ständigen unmittelbaren
Grenzübertritt von Flüchtlingen aus der Sowjetzone… so ist seit 1950 eine immer stärker werdende
rückläufige Tendenz festzustellen, die sich auf das Wirtschaftsleben der Gemeinden, die
unmittelbar an der Zonengrenze liegen, immer spürbarer auswirkt…Diese Entwicklung läßt die ungünstigen
Bedingungen, die durch die Zonengrenzziehung entstanden sind, für die unmittelbar an
der Zonengrenze liegenden Gemeinden immer deutlicher werden. Zusammenfassend die hauptsächlichsten:
Landverlust – Fehlen des Hinterlandes – Fehlen von Industrieanlagen – Ungünstige
Verkehrsbedingungen – Überhöhte Fahrt- und Frachtkosten…“ 7
Der damalige Bürgermeister Hans Borchardt aus Kapern ließ den Worten Taten folgen. Er scharte
die Bürgermeister im Bezirk Gartow-Schnackenburg um sich, deren Gemeinden alle unter den
401
schwierigen Verhältnissen lebten und im Dezember 1956 einen „Zonenrandausschuß“ bildeten,
dessen Sprecher er ebenfalls wurde. Dieser Ausschuß setzte sich energisch und mit Erfolg bei
den Landes- und Bundesbehörden für Verbesserungen der Wirtschaftskraft des Gartow-Schnackenburger
Raumes ein. Die Stadt Schnackenburg verdeutlicht die Abwanderung: 1945 zählte die
Stadt noch 1000 Einwohner, 1956 nur noch 699.
Als die Printmedien das Thema vom vergessenen Teil Westdeutschlands bundesweit bekannt
machten, regte sich auch die Politik. Die Liste der Gemeindewünsche erstreckte sich von Ausnahmeregelungen
bezüglich des Tourismus besonders in Gartow, der Frachtgebühren von Bahn
und Straße (Beihilfen), Ausbau der Straßen, Bau einer massiven Alandbrücke in Schnackenburg,
Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse, Befreiung von der Kreisumlage usw. Oberkreisdirektor
Lübbert erklärte öffentlich, daß „die übliche Zonenrandhilfe hier nicht reiche, sondern
daß umfangreiche und baldige Sondermaßnahmen nötig wären …“ 8
Die Klagen der dem Zonenrandausschuß angehörenden 13 Gemeinden blieben nicht ungehört.
Bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 flossen so viele Finanzmittel in den Landkreis Lüchow-
Dannenberg wie, mit Ausnahme des Emslandes, in keinen anderen Teil der Bundesrepublik. Bis
zum Jahr 2004 sind nur im Sektor Wasserwirtschaft zwischen Meetschow und Schnackenburg
mehr als 50 Mio. DM (rd. 25 Mio. Euro) investiert worden. Der Ausbau der Binnenentwässerung im
Gartower Deich- und Wasserverband von 1953 - 1959 kostete 2 Mio. DM. Würde man die anderen
Bereiche wie den Ausbau der Infrastruktur, Wirtschaftsförderung und Steuererleichterungen und
die Investitionen in das Brennelemente-Endlager Gorleben mit allein rd. 1,3 Mrd. DM zusammenrechnen,
ergäbe sich eine beispiellose Summe für ein relativ kleines Gebiet. Trotz Finanzierung
eines „Lüchow-Planes“ konnte die Landwirtschaft nur mit Mühe einigermaßen stabilisiert werden,
zumal überstaatliche Reglementierungen und allgemeine Veränderungen in der westdeutschen
Wirtschaft deren Lage nicht verbesserten. 9
Indessen gäbe es zur Grenze und Grenzsituation noch viel mehr zu berichten aber das berührt
Gartow nicht unmittelbar. Nach dem Stand von 1978 waren auf DDR-Seite 191 km Grenze mit
29120 Selbstschußanlagen, 433 km mit rd. 1,1 Mio. Minen, 343 Hundelaufanlagen, 320 km
Lichtsperren, 455 Beobachtungstürme aus Beton dazu 121 Türme aus Holz und 991 Erdbunker
vorhanden. Das war welteinmalig. Dieser Umstand führte dazu, entlang der Grenze sogen. Grenzinformationspunkte
zu schaffen, wo die Trennung Deutschlands besonders sichtbar gewesen ist.
Informationstafeln, Führungen, Aussichtstürme, Broschüren, Handzettel sowie ein Informationszentrum
im ehem. Amtshaus in Schnackenburg, später das Museum im benachbarten „Fischerhaus“
brachte Besuchern die unselige Situation näher. Fast alle führenden Politiker der Bundesrepublik
und hochrangigen Vertreter aus dem Ausland besahen sich die Grenzsituation vor Ort.
So z.B. Bundeskanzler Helmut Schmidt am 4. April 1981, wobei er auch in Gartow weilte. Noch im
März 1989, wenige Monate vor der Beseitigung aller Grenzanlagen, wurde bei Nienwalde mit dem
Abbau „der vorderen Reihe des doppelreihigen, über 2 m hohen Metallgitterzaunes… begonnen…
Moderne Elektronik tritt an die Stelle der augenfälligen Sperren…“ 10
Von 1973 an war es dann möglich, in Tagesausflügen im sogen. grenznahen Bereich von der
Bundesrepublik aus in DDR-Grenzkreise zu reisen. Als nächstliegender Grenzübergang diente
Bergen/D., wo jährlich von 1977 bis 1979 zwischen 28 000 und 32 000 Personen ein- und ausreisten.
Als sich im November 1989 die deutsche Wiedervereinigung abzeichnete, wurden bis zur
faktischen Wiedervereinigung ein Jahr später, Grenzübergänge südlich von Kapern bei Bömenzien
für die Landgrenze und bei der Fähre Pevestorf für die Elbegrenze eingerichtet.
402
Zollkommissariat Gartow
Infolge der deutsch-deutschen Teilung seit 1945 wurde die Überwachung der neuen Grenze auf
westdeutschem Gebiet notwendig. Diese Aufgabe übernahmen zunächst Zollbeamte. In Gartow
mit seinem weiten, waldreichen Hinterland und der schwer zu überwachenden Landesgrenze entstand
ein besonderer Zollstützpunkt: Es wurde – einzigartig im Bundesgebiet – bis zur Wiedervereinigung
eine Zollreiterei eingerichtet. Bis 1990 taten hier zahlreiche Beamte ihren Dienst als
berittene Zollbeamte.
27.5.1955: Schreiben an Zollass. Hans Guss, Kapern
22.4.1949: Gesetz über die Zolleitstelle und den Zollgrenzdienst vom 11.4.1949
403
Die geschichtliche Entwicklung dieser einmaligen Institution wurde bis Anfang 1972 aufgezeichnet:
„Im Frühjahr 1949 wurde die Überwachung der Demarkationslinie zur DDR (im Volksmund Zonengrenze
genannt) von dem damaligen Wirtschaftsrat des vereinigten Wirtschaftsgebietes dem
Zollgrenzdienst übertragen.
Von der Kapitulation im Mai 1945 an bis zu diesem Zeitpunkt überwachten britische Soldaten und
die niedersächsische Landespolizei die Zonengrenze in Niedersachsen.
So kamen 1949 auch in den Gartower Raum und nach Gartow die ersten Zöllner. Sie richteten
in Gartow – wegen der günstigen zentralen Lage – das erste Zollkommissariat im früheren Haus
Tramms am Gedelitzer Weg 11 ein. Als dieses Haus später als Wohnung für den Leiter des Kommissariats
benötigt wurde, fand eine Verlegung desselben dann in Köhns Gasthaus statt. Dort verblieb
das Kommissariat bis zur Errichtung des heutigen Dienstgebäudes Hahnenbergerstr. 52/54
im Jahre 1960.
Die ersten Zöllner versahen ihren Dienst überwiegend zu Fuß oder auf Fahrrädern. Dabei zeigte
sich schon bald, daß in dem ausgedehnten Waldgebiet von Wirl bis Kapern mit den vielen unbefestigten
Wegen, die zum Teil sehr eng, zum andern sehr sandig, auch morastig waren, recht gut
Pferde im Grenzaufsichtsdienst einzusetzen wären.
Im Herbst 1953 bekam der damalige Zollkommissar Sonnenberg von der Oberfinanzdirektion
Hannover den Auftrag, alle Vorbereitungen für die Errichtung einer berittenen Grenzaufsichtsstelle
in Gartow zu treffen. Gedacht war an eine kleine Grenzaufsichtsstelle, die von 4 Zollbeamten mit
ihren Pferden besetzt werden sollte.
Sonnenberg, selbst Pferdefreund und Reiter, kam dieser Aufgabe nur zu gerne mit großem Eifer
nach. Er fand in seinem eigenen Gartower Bezirk drei junge Zöllner, westpreussische Bauernsöhne,
die aus Pferdezuchtgebieten stammten und gerne mitmachen wollten.
Um die Leitung dieser kleinen berittenen Abteilung bewarb sich ein älterer Zöllner aus dem Hessischen,
der ein eigenes, sehr edles Reitpferd besaß und zudem als Reitlehrer fungieren wollte.
Er wurde bald nach Gartow versetzt, leitete die Abteilung „schwungvoll“ viele Jahre und lebt noch
heute auf seinem Anwesen inmitten seiner Pferde an der Buchhorst.
Die Reitpferde wurden in Lanze (W. Schepmann), in Schletau (Fr. Schultz) und in Prezelle (B. Burmeister)
auf Abruf gekauft. Bei der Suche nach geeigneten Stallungen fiel die Wahl auf die Pferdeställe
auf dem Grundstück von Dr. Herbst in Hahnenberge. Mit dem damaligen Eigentümer, Herrn
Christian Herbst – Lüneburg, wurde schon bald ein Pachtvertrag abgeschlossen. Der Einrichtung
von vier Pferdeboxen stand nun nichts mehr im Wege. Holz gab es zumVorzugspreis im Sägewerk
August Herbst, wo Platzmeister Hermann Schultz nicht müde wurde, so lange zu suchen, bis die
passenden Stücke gefunden wurden.
Die Beschläge für die Boxentüren usw. sowie das Stallgerät lieferten die Firmen Junack und „Rosa
Delius“ auch zu sehr annehmbaren Preisen. Die Bauarbeiten „führten“ die Zöllner selbst durch.
Einer unter ihnen wurde dabei zu einem nahezu perfekten Zimmermann. So entstanden in verhältnismäßig
kurzer Zeit und ohne nennenswerte Unkosten für die Zollverwaltung schöne, geräumige
Pferdeboxen, eine Sattelkammer, eine Häckselkammer und ein kleiner Dienstraum.
Am 1. Februar 1954 zogen die vier Zöllner mit ihren Pferden auf das Dr. Herbst‘sche Grundstück in
Hahnenberge und richteten sich dort ein. Es sollte für Reiter und Pferde eine schöne Zeit werden,
für die heute noch ein „Dankeschön“ an Herrn Dr. Herbst und seine Gattin gesagt sei.
404
Die recht jungen, bislang ungerittenen Pferde, mußten langsam zugeritten – und an das herrliche
Gelände gewöhnt werden. Die Zöllner nahmen jede Gelegenheit wahr, um Land + Leute und das
Gelände kennenzulernen und auch auszukundschaften. Der Ausbilder, ein echter Württemberger
mit den wohl dazugehörenden „Fach- und Kraftausdrücken“ brachte Pferde und Reiter in relativ
kurzer Zeit auf einen recht guten Ausbildungsstand, sodaß der reguläre Grenzaufsichtsdienst bald
aufgenommen werden konnte.
In dieser Zeit wurde auch mit freundlicher Genehmigung des Herrn Gottlieb Graf v. Bernstorff, der
ja bis in sein hohes Alter ein Herz für Pferde hatte, unweit des „schwarzen“ Hecks ein Reitplatz
in idyllischer Lage eingerichtet. Mit seiner baumumstandenen Abgrenzung und seinen bunt gestrichenen
Hindernissen wurde er zu einem reiterlichen Schmuckplätzchen, das wohl heute noch
vorhanden ist und sicherlich weiterhin gern benutzt wird.
Für Reiter und Pferde brach nun eine schöne Zeit an und es dauerte gar nicht lange, bis ihnen
fast alle Wege und Stege im Raum Wirl-Nienwalde-Kapern genauestens bekannt waren. Zu jeder
Tageszeit, insbesondere in den frühen Morgenstunden, aber auch den anbrechenden Abendstunden
durch den ausgedehnten, hervorragend gepflegten gräflichen Forst zu reiten, war nicht nur
eine angenehme dienstliche Angelegenheit, sondern eine ausgesprochene Freude! Mit den gräflichen
Forstbeamten und den Waldarbeitern standen die „Zollreiter“ in einem sehr guten Verhältnis,
so daß es auf den Streifenritten nebenbei sehr viel Schönes zu beobachten und zu erleben gab.
Unvergeßlich bleiben davon die Zeiten der Damwildbrunft im Wirler Revier. Revierförster Waak
hatte dabei meistens auch noch Zeit für ein kurzes Gespräch mit Erklärungen über Forst und Wild.
Für das Pferdefutter hatten die Reiter selbst zu sorgen, Heu wurde damals von jedem selbst geerntet.
Besonderen Spaß machten deshalb auch die alljährlichen Grasauktionen im Elbholz und
am Wolfsberg, wo es Stücke zu pachten gab, die im Gartower Volksmund „Hals und Genick“ und
ähnlich genannt wurden. Förster Paul Harms war den Reitern bei den Grasauktionen immer gut
gesonnen und sorgte auf seine Weise dafür, daß sie gutes Heuland bekamen, das bei der Versteigerung
von ihnen auch bezahlt werden konnte. – Ihm, der später als Pensionär in Ratzeburg lebte,
gebührt heute noch ein nachträglicher Dank. – Mit und neben einem Erwin Teege auf „Hals und
Gnick“, wie er es sagte, die Heuernte mitzumachen, brachte viel Spaß und Freude mit sich und
bleibt eine unvergeßliche Erinnerung für die, die es erlebten.
Im Sommer wurden die Pferde außerhalb der Dienstzeit mit zum Baden in das Elbholz genommen,
wo ein etwas versteckt gelegenes Brack, das sich bestens als Pferdeschwemme eignete,
gefunden wurde. Hier konnten die Reiter mit ihren Pferden nach Herzenslust schwimmen. Es war
immer wieder ein Erlebnis, auf prustendem Pferd – sich an der Mähne festhaltend – um die Wette
zu schwimmen. Wegen der damit verbundenen Gefahr ist es allerdings evtl. Nacheiferern nicht
unbedingt zu empfehlen!
Ferner gab es damals noch Gelegenheit an den kleinen ländlichen Turnieren der Reitervereine in
Gartow u. Umgebung teilzunehmen, wo es nicht absolut nur um hohe Leistungen und Erfolge ging,
sondern vielmehr um das gemütliche Zusammentreffen mit der ländlichen Reiterjugend und ihren
Pferden. In jedem Herbst lud Herr Walter Herbst auch noch zu kleinen Reitjagden ein, an denen
sich die Zollreiter nur zu gern beteiligten und der Einladung dankbar nachkamen.
Im Sommer 1963 wurden die Prezeller berittenen Zollbeamten mit ihren Pferden aus organisatorischen
und dienstlichen Gründen auch nach Gartow verlegt. Seitdem stehen dort die Dienstpferde,
die im Zollgrenzdienst eingesetzt sind, in einem behördlich errichteten Pferdestall in der Wald-
405
strasse und den alten Stallungen auf dem Dr. Herbst‘schen Grundstück. Den Zollreitern kann nur
empfohlen bleiben, die Zeit ihrer dienstlichen Tätigkeit offenen Augen sinnvoll zu nutzen. Für die
Zollverwaltung ist zu hoffen, daß sie trotz mancher – wohl mehr haushaltsrechtlicher – Bedenken
die Pferdehaltung in Gartow, als übrigens einzig berittene Zollgrenzabteilung im Bundesgebiet,
beibehalten kann. So lange die Zollkommissare in Gartow selbst Pferdefreunde und Reiter sind
(wie z. Zt. wohl auch) und ihre Dienstvorgesetzten in Lüneburg, Hannover, Bonn, Interesse an der
Pferdehaltung und dem Einsatz der letzten Pferde der Bundeszollverwaltung im Zollgrenzdienst
haben, wird der berittene Zollbeamte wohl weiterhin zum täglichen Bild von Gartow und seiner
Umgebung gehören. Möge dieses lebendige Tagesbild für Gartow recht lange erhalten bleiben
können – sofern der Zollgrenzdienst vonnöten bleibt!
So gibt es sehr viel schöne Erlebnisse aus der Zeit vor nunmehr schon fast 20 Jahren, an die sich
die ersten berittenen Gartower Zöllner noch heute an ihren Schreibtischen in Hannover, Helmstedt
und Essen gern – vielleicht manchmal sogar mit etwas Wehmut im Herzen – erinnern. Ob es den
nachfolgenden Jahrgängen der Reiterkollegen auch so ergangen ist bzw. ergeht? K.B.“ 11
Die Zollreiter hatten neben ihrer dienstlichen Aufgabe auch ein wachsames Auge auf andere Vorgänge
gerichtet und waren dabei erfolgreich, wie die folgenden Berichte zeigen:
Zwei Lebensrettungen
„Wie erst jetzt bekannt wurde, rettete die Besatzung des Zollbootes „Gartow“ (ZOSchf. Imming u.
Ahke, ZOBM Dreyer u. ZOMM Harms) am 31.3. ds.Js. einen Meetschower Einwohner, der mit seinem
Schlauchboot auf der Elbe gekentert war, vor dem Tode des Ertrinkens bewahrt.
Am 19. April ds.Js. kam es zu einer weiteren Lebensrettung durch die Gartower Zollbeamten ZOAS
z.A. Ziegeler, Küver u. ZOA Janssen, GAST (mot) Gartow am Laascher See, als dort ein achtjähriges
Mädchen aus Vietze bereits seit rd. einer halben Stunde bis zur Brust im Wasser stehend
sich nicht mehr aus dem schlammigen Untergrund befreien konnte. Die Beamten waren durch
den Gartower PKW-Fahrer KHz. Maihack darauf hingewiesen worden, daß sich im Laascher See
offensichtlich ein Kind in Not befände. Da die Beamten von ihrem Standort aus nicht direkt und
sofort zu dem hilferufenden Kind wegen der morastigen Überschwemmungsflächen vordringen
konnten, umfuhren sie mit dem PKW schnell die Seefläche, um so günstiger in den Unfallbereich
zu gelangen. Unter gegenseitiger Absicherung durch ein Seil konnte das Kind dann schnell durch
die Beamten geborgen, trocken gerieben u. zunächst notdürftig bekleidet werden. Durch den inzwischen
über Funk verständigten Dr. N. konnte das stark unterkühlte Kind nach kurzer Zeit auch
ärztlich versorgt werden.
Was war geschehen? Mit 2 Spielfreundinnen hatte die Verunglückte gegen 13 Uhr ihren Heimatort
Vietze verlassen, um auf dem Laascher See Kahn zu fahren und angeblich zu angeln. Hierbei ist
Susanne L. gegen 16.00 Uhr über Bord gefallen. Als ihre Kameradinnen sie nicht wieder in den
Kahn ziehen und auch sonst aus dem schlammigen Untergrund nicht herausbekommen konnten,
entfernten sie sich um Hilfe zu holen. Inzwischen erfolgte die Bergung durch die Zollbeamten. Da
die beiden Freundinnen nicht nach Vietze zurückgekehrt waren, suchte man anschließend auch
nach ihnen und fand sie am Waldrand des Sees, wo sie sich ängstlich versteckt hatten.
Wenn auch in beiden Fällen keine Lebensgefahr für die Retter eintrat, so muß das Verhalten und
das umsichtig schnelle Handeln, dankend anerkannt und gewürdigt werden. Herzlichen Dank deshalb
an alle Beteiligten!
406
Beide Vorfälle zeigen uns aber auch wieder, daß nicht nur die Elbe, sondern auch unsere kleine
Seege und der so harmlos erscheinende Laascher See nach wie vor Gefahrenpunkte für unsere
heranwachsenden Kinder sind!“ 12
Der Staat ließ in Gartow, Schnackenburg und Kapern Wohnhäuser für die Beamten des Zollgrenzschutzes
bauen. In der Waldstrasse in Gartow fanden einige Beamte auch ihre zweite oder endgültige
Heimat.
April-Mai 1949: Abwesenheitsliste Grenzkommissariat Prezelle, GASt Nienwalde
407
Quellen und Literatur
1. Borchardt, Hans: „Und am Ende stand die Teilung Deutschlands…“, Lüneburg, 2004,
S. 146 - 213
2. Die Geschichte des Grenzschutzkommandos Nord, Hannover 1991, S. 311
3. Akademie für Raumforschung und Landesplanung: „Gutachtliche Äußerung zur Frage der
Entwicklung des Landkreises Lüchow-Dannenberg“, Hannover 1956, S. 29
4. Landkreis Lüchow-Dannenberg: „Zonengrenzlandfahrt im Landkreis Lüchow-Dannenberg,
Juni 1955“, S. 3
5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.1.1956
6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 26.1..1956
7. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 21.4.1956
8. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 25.1.1957
9. Seminar „Modellvorhaben Lüchow-Dannenberg – eine konkrete Hilfe für die Landwirtschaft?“
vom 22. - 24.11.1974
10. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.3.1989
11. Gartower Heimatbote vom 18. und 25.2.1972 „Fast zwanzig Jahre berittene Zollbeamte in
Gartow. Erinnerungen eines früheren Reiters.“
12. 12. Gartower Heimatbote vom 28.4. und 5.5.1972
408
Gartows weitere Entwicklung 1961 - 1972
Gemeindereform und Bildung der Samtgemeinde Gartow
1961 schuf der Gesetzgeber Voraussetzungen zur freiwilligen Bildung von Samtgemeinden und
belohnte Zusammenschlüsse mit zusätzlichen Finanzzuweisungen. In 14 Paragraphen der Samtgemeindeordnung
vom 19.4.1961 und ersetzt am 27.6.1963, sind Verfassungs- und Verwaltungsfragen
geregelt worden. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg schlossen sich daraufhin 222 vorher
selbstständige Gemeinden zu 20 Samtgemeinden zusammen. Nur 11 Gemeinden blieben weiterhin
selbstständig. Auf Grund des Gesetzes zur „Neugliederung der Gemeinden vom 10. Mai 1972“
kam die Gemeindereform zur Ausführung. Im Kreis Lüchow-Dannenberg wurden daraufhin fünf
Samtgemeinden gebildet. 1/2
Gerade für das Gebiet Gartow-Schnackenburg, verkehrlich und wirtschaftlich vom übrigen Bundesgebiet
abgehängt, war es wichtig, auch verwaltungsmäßig größere Einheiten zu bilden. Damit
war eine bessere Bündelung der Forderungen nach mehr finanzielle Unterstützung sichergestellt.
Auf freiwilliger Basis hat sich 1962 die Samtgemeinde Gartow mit den Gliedgemeinden: Gartow
(1123 Einw.), Brünkendorf (194), Gorleben (406), Gummern (46), Holtorf (188), Kapern (182),
Laasche (22), Lomitz (232), Meetschow (147), Nienwalde (220), Pevestorf (122), Prezelle (336),
Restorf (111) und Vietze (317 Einwohner nach dem Stand vom 30.6.1967) gebildet. Diese Verwaltungseinheit
umfaßte 167 qkm mit 3764 Einwohnern und arbeitete auf Grundlage der Samtgemeinde-Ordnung
vom 27. Juni 1963. Der Zusammenschluß wurde von der Landesregierung mit
Finanzbeihilfen honoriert.
Um die Verhältnisse in Gartow vor der Samtgemeinde-Reform besser zu verstehen, wird hier ein
Beitrag von Herrn Dr. Konrad von Oppen MdL von 1959 - 1970 veröffentlicht. Dr. von Oppen (†
30.04.1987) wohnte in Gartow und war mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut:
„Dem Besucher präsentiert sich der Ort Gartow mit dem Barock-Schloß und -Kirche, umgeben auf
der einen Seite von Kiefernwaldungen, auf der anderen Seite von der Elbeniederung, auch mit
einigen schönen alten Häusern im Ortsbild, immer sehr reizvoll; aber hinter diesem malerischen
Bild verbirgt sich eine unglückliche Wirtschaftslage. Die Zonengrenze ist im Norden, Osten und
Süden nur wenige Kilometer entfernt und schließt nach diesen Himmelsrichtungen den Verkehr
hermetisch ab. Der Verkehr fließt nur auf zwei mäßigen Kreisstraßen nach Westen. Die Kreisstadt
Lüchow mit Amtsgericht und Finanzamt ist 25 Kilometer entfernt, eine Kleinbahnstation 17
Kilometer, die nächste Vollbahnstation (Dannenberg-Ost) 27 Kilometer, die nächste Zuckerfabrik,
auch D-Zug-Station, in Uelzen sogar 68 Kilometer. Der öffentliche Personenverkehr nach den
Städten Lüchow und Dannenberg wird durch Postbusse bedient (Fahrzeit 40 bzw. 50 Minuten).
Die Busse verkehren werktags von 5 bzw. 6 Uhr täglich fünfmal; die letzte Fahrtmöglichkeit aus
Gartow heraus um 15.45 Uhr!), während der Frachtverkehr ab Dannenberg einer Speditionsfirma
obliegt. Einen Durchgangsverkehr gibt es überhaupt nicht. Es leuchtet ein, daß für alle einkommenden
und herausgehenden Güter eine erhebliche frachtmäßige Belastung eintritt. Man hat
ausgerechnet, daß diese zusätzliche Belastung z.B. gegenüber Dannenberg etwa 0,50 DM je 50
Kilogramm beträgt. Der Ort Gartow bildet zwar innerhalb dieses östlichsten Zonenrandgipfels von
Niedersachsen für etwa 10 Dörfer einen gewissen Mittelpunkt, aber wie bescheiden diese Mittelpunktrolle
ist, ergibt sich aus folgendem: Die Einwohnerzahl betrug 1939 1135 Einwohner, stieg
im Jahre 1947 auf 1753 Einwohner und sank dann laufend bis 1961 auf 1460 Einwohner, von
denen etwa 70 Zollbeamte und deren Familienangehörige sind. Infolge der Abwanderung sind
die Erwerbslosen allerdings verschwunden. Im Orte befindet sich außer einer allgemeinbildenden
Schule mit ungefähr 120 Schülern eine Kreismittelschule mit ungefähr 130 Schülern. Je zwei
409
Ärzte und Zahnärzte, ein Tierarzt sowie eine Apotheke, gelegentliche Sprechtage des Amtsgerichtes
und der Kreisverwaltung ziehen einige Besucher von auswärts an. Außer vier Bäckern, zwei
Fleischern, einigen Kolonialwarenhändlern, fünf Gastwirtschaften gibt es zwei Sägewerke (davon
eins mit Baugeschäft) und eine Genossenschaftsmolkerei mit Kartoffeldämpfanlage. Seit etwa
zwei Jahren arbeitet in ermieteten Räumen eine Nähwerkstatt, die 40 weibliche Kräfte beschäftigt.
Das Kreisaltersheim, auch in gemieteten Räumen, mit etwa 60 Insassen tätigt seine Einkäufe
im Ort. Ein Kulturverein veranstaltet im Winter Vorträge und dergleichen. Eine gute Bücherei der
Gemeinde wird viel benutzt.
Die Finanzgebarung der Gemeinde ist sparsam. Die Hebesätze der Kommunalsteuern betragen
bei der Grundsteuer A 280 Prozent, bei der Grundsteuer B 275 Prozent und bei der Gewerbesteuer
295 Prozent. Auf Grund des Steueränderungsgesetzes 1961 werden von bisher etwa 50000 DM
Gewerbesteuer mindestens 90 Prozent wegfallen. Die Grundsteuerbelastung erscheint auf den
ersten Blick nicht besonders hoch, es muß aber beachtet werden, daß von der Gemarkung des
Ortes von insgesamt 1753 Hektar mehr als die Hälfte innerhalb eines Deichverbandes liegen,
der jetzt nach Ausbau der Entwässerung etwa 30 DM je Hektar jährlich an Beiträgen erheben
muß. Weitere etwa 100 Hektar der Ortsgemarkung liegen im Rückstaugebiet der Elbe, was zu
sehr üblen Schäden in den letzten Jahren geführt hat. Zur Abrundung des Bildes noch dieses:
1960 betrug die Zahl der Übernachtungen 2425. Es handelt sich dabei nur zum kleinen Teil um
Erholungsuchende. An schönen Sommer-Sonntagen fahren zwar viele Kraftfahrzeuge durch den
Ort aber Geld bleibt dadurch im nennenswerten Umfange im Ort nicht hängen. Der einzige Tankstelleninhaber
im Ort, der davon etwas spüren müßte, verneint wesentliche Mehreinnahmen an
solchen Tagen. Völlig unwichtig für den Verkehr des Ortes ist die dicht vorbeifließende Elbe, die
auch für den Fischer wegen ständig zunehmender Verschmutzung und üblen Geruch der Fische
(Aale) immer uninteressanter wird. Der Schiffsverkehr auf der Elbe geht am Ort vorbei.
Die Zahl der Wohnhausneubauten seit der Währungsreform
1948 (trotz acht total kriegszerstörten Wohnhäusern)
beträgt nur 24, wovon drei Häuser Wohnungen für
Zollbedienstete enthalten. Für die Wasserwirtschaft ist
innerhalb des Deichverbandes durch Entwässerungsmaßnahmen,
Neubau eines Schöpfwerkes und durch
den Wirtschaftswegebau seit 1954 eine ganze Menge
getan worden. Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die
Wirtschaft des Ortes lassen sich bisher nicht ermitteln.
Das hängt damit zusammen, daß gerade die umliegenden
Bauerndörfer, die den Vorteil dieser Maßnahmen haben,
wegen starken Grünlandanteils von der ungünstigen
Lage der Landwirtschaft besonders betroffen werden.
Hier wirkt sich natürlich auch, ebenso wie beim Holzverkauf,
die oben geschilderte schlechte Verkehrslage aus.
1961: Die Hauptstrasse in Höhe Schuhhaus
Appelt
Was dieses Bild mit der Zonengrenze zu tun habe, könnte man fragen. Gegenüber dem Bundesdurchschnitt
in der Entwicklung zurückgebliebene Landgemeinden gibt es auch in anderen Gegenden.
Natürlich kann niemand genau beweisen, wie es wäre, wenn die Zonengrenze nicht wäre,
ob dann z.B. gegen die Hochwasser der Elbe mehr gemacht würde. Aber eins ist doch sicher: Der
Ort ist durch die Zonengrenze außerhalb der Verkehrswege Nord-Süd geraten. Die früher außer-
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dem bestehenden Verkehrswege Ost-West existieren einfach nicht mehr. Aus einer Mittelpunktlage
im Dreieck Hamburg-Berlin-Hannover ist eine Randlage geworden. Welcher Gewerbe- oder Industriebetrieb
wird sich 25 Kilometer ab von der nächsten Vollbahnstation in eine dünn besiedelte
Gegend setzen? Welcher Pensionär nutzt die günstigen Bodenpreise zum Bau eines Häuschens
aus, wenn Kanalisation, Wegebau usw. fehlen? Die Randlage führt zu einer wirtschaftlichen Stagnation.
Daraus wieder folgt eine ungesunde Ruhe im kommunalen Leben; nur das Notdürftigste
wird gemacht. Das wieder lähmt das Wirtschaftsleben usw. Der Etat der Gemeinde konnte nur mit
großen Bedarfszuweisungen bisher ausgeglichen werden; wie das jetzt nach Wegfall von über 90
Prozent der Gewerbesteuer werden soll, ist ganz unklar. (Nebenbei gesagt wirkt sich das Verbleiben
der Gewerbesteuerlast bei zwei oder drei Gewerbetreibenden dahin aus, daß die Mehrzahl
der kleinen Kaufleute usw. am Gemeindeleben uninteressiert wird).
Kanalisation und öffentliche Wasserversorgung müßten geschaffen werden. Wege müßten befestigt
werden. Wer soll das bezahlen? Der Ort wird zum „Kaff“, wenn nicht grundlegend Abhilfe
geschaffen wird. Es handelt sich hier nicht nur um die Ansprüche des Bürgers auf die „zivilisatorische
Grundausstattung der Gemeinden“ (so völlig richtig der Landgemeindetag), sondern an der
Zonengrenze darüber hinaus um die Notwendigkeit, die Abwanderung abzustoppen und ein Bild
gesunden Lebens an der Zonengrenze in Niedersachsen zu zeigen. Oder sollen wir uns an der
Zonengrenze gegenseitig den Rücken zuwenden? Von den Machthabern in der Zone werden die
Dörfer an der Zonengrenze bekanntlich durch Gewaltmaßnahmen entvölkert.“ 3
Die Reaktionen auf die geplante Bildung von Samtgemeinden waren gespalten, was sich in einer
kurzen Abhandlung widerspiegelt:
„Bei der kommenden Neugliederung im Zuge der Gemeindereform im Raum Gartow geht es bekanntlich
darum, ob die Form einer Samtgemeinde auf der Basis freiwilliger Zusammenschlüsse
kleinerer Gemeinden zu solchen mit mindestens 400 Einwohnern als zukünftige Mitgliedsgemeinden
der „Neuen“ Samtgemeinde gewählt oder ob eine Einheitsgemeinde auf gesetzlicher Grundlage
für den Gesamtraum Gartow zwangsläufig gebildet wird.
Der Rat der Gemeinde Gartow hat sich in seinem Beschluß vom 10. März d.J. ganz klar und einstimmig
wegen der ungewöhnlichen Ausdehnung des Raumgebietes und wegen der ebenfalls
recht ungewöhnlichen Verschiedenartigkeit der für die Zusammenfassung in Frage kommenden
Gemeinden für das Modell einer Samtgemeinde entschieden.
Dabei hat der Rat ausdrücklich festgelegt, daß er es den Gartow benachbarten Gemeinden (Nienwalde,
Laasche, Holtorf, Restorf) vollkommen allein überlasse zu entscheiden, ob sie sich Gartow
freiwillig anschließen oder den notwendigen Anschluß bei einer ihrerseits anderen Nachbargemeinde
anstreben wollen.
In einer Sitzung am 23. März 1971 hat der Samtgemeinde-Ausschuß, d.h. die Bürgermeister bzw.
ihre Vertreter, der bisherigen Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde Gartow sowie die Vertreter
der Stadt Schnackenburg, die zukünftig der neu zu bildenden kommenden Gliederung eingefügt
wird, versucht, die Vorstellungen der einzelnen Gemeinden zu den zu bildenden zukünftigen „Mitgliedsgemeinden“
der „Neuen“ Samtgemeinde Gartow zu koordinieren und beschlußfähig vorzubereiten.
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Vorweg müßte dazu noch gesagt und festgehalten werden, daß sich die Gemeindevertreter – wie
vorher der Rat von Gartow – für die Bildung einer „Neuen“ Samtgemeinde und nicht einer einzigen
„Einheitsgemeinde“ ausgesprochen hatten (auch Schnackenburgs Vertreter). Der Rat einigte sich
an diesem Abend auf die Anstrebung folgender Mitgliedsgemeinden der zu bildenden „Neuen“
Samtgemeinde Gartow:
01. Schnackenburg
02. Gummern, Kapern, Holtorf, wobei offen blieb, ob diese sich evtl. Schnackenburg
anschließen.
03. Gartow, evtl. mit Ausschluß der Gemeinde Nienwalde und Laasche
04. Restorf, Pevestorf, Brünkendorf und Vietze als Gemeinde „Höhbeck“
05. Meetschow, Gorleben; bei evtl. weiterem Ausschluß von Laase-Grippel und auch Gedelitz
06. Prezelle und Lomitz
Diese sechs Mitgliedsgemeinden sollten das zukünftige Gerippe der „Neuen“ Samtgemeinde Gartow
darstellen. Inzwischen sollten die Ratsbeschlüsse der einzelnen Gemeinden die Voraussetzungen
für die Zusammenschlüsse, wie oben aufgeführt, schaffen.
Bis heute, 8.4.1971, liegen solche Anschlußbeschlüsse bei der Gemeinde Gartow, weder von Nienwalde
und Laasche, noch anderer Gemeinden vor, obwohl der Meldetermin des Kreises herankommt.
Vorsorglich ist der Gemeinderat Gartow zum 14.4.1971 einberufen, um evtl. noch eingehende
Anschlußbeschlüsse vor Terminschluß durch einen eigenen Beschluß fristgerecht zum Zuge kommen
lassen zu können.
Was sich die Vertreter der Gemeinden Nienwalde und Laasche mit der Verzögerung ihrer Beschlüsse
eigentlich vorstellen, ist weder erklärlich noch erkennbar. Wenn sie keinen Anschluß an Gartow
wünschen, dann müssen sie mit anderen Gemeinden zu einem Zusammenschluß kommen. Bei
den gegebenen Einwohnerzahlen von Nienwalde und Laasche gibt es keine andere Wahl, als die
des Anschlusses. Nur über eines müssen sich die Vertreter dieser Gemeinden aber auch klar sein:
Fällt eine einzige Gemeinde des Raumes bei dem Bestreben der Neubildung der Samtgemeinde
durch gegenteiligen Beschluß oder gegenteiliges Verhalten aus – dann wird von der Landesregierung
verfügt, was zu bilden und was zu geschehen hat! Und das wollen diese Gemeinden doch
wohl nicht riskieren oder gar auf sich nehmen?
Abschließend sei noch mitgeteilt, daß die Gemeinden Gummern-Kapern und Holtorf den Beschluß
zur Bildung einer selbständigen Mitgliedsgemeinde gefaßt haben, sich also Schnackenburg nicht
anschließen wollen. Die vier Höhbeckgemeinden Restorf-Pevestorf-Brünkendorf und Vietze haben
ebenfalls den Zusammenschluß zu einer Mitgliedsgemeinde „Höhbeck“ beschlossen. Gorleben
hat beschlußmäßig die Bereitwilligkeit zum Zusammenschluß mit Meetschow erklärt. Aus Meetschow
steht der entsprechende Gegenbeschluß noch aus; aber auch dieser ist zu erwarten. Lomitz
und Prezelle, die beide Mitglied der Samtgemeinde Gartow bleiben wollen, haben sich grundsätzlich
für den Zusammenschluß erklärt und haben ihn auch beschlossen. Nur über das spätere
„Wie“ sind sie sich noch nicht ganz einig, wollen sich aber nach eigenen Erklärungen „zusammenraufen“.
Wenn nun also Nienwalde und besonders die „Großgemeinde“ Laasche nicht durch eine
Unklarheit noch die Bildung der „Neuen“ Samtgemeinde Gartow verhindern, dann dürfte für diese
das erwartete „Grün“ gegeben sein.
412
Wir meinen, daß damit unter den nun mal obwaltenden „Zwangsverhältnissen“ die sich entwickelnde
Lösung durch die 6 Mitgliedsgemeinden auch die günstigste Lösung ist. Eine ganz andere
Frage ist, ob der Zeitpunkt der gesamten Gemeindereform bei den gegebenen finanziellen Verhältnissen
des Landes Niedersachsen richtig ist. Das erscheint auch von Gartow aus gesehen doch
sehr, sehr fraglich!“ 4
Zu damaliger Zeit wurde das Subjekt „Samtgemeinde“ wie folgt beschrieben:
„Bei der Samtgemeinde bleiben die einzelnen Gemeinden weiterhin bestehen wie bisher. Die Räte
haben wie bisher zu entscheiden über ihren Haushalt und insbesondere auch über die Steuerhebesätze.
Die alte und wieder sehr moderne Forderung der Mitarbeit des Bürgers am Staat wird hier
zu einer Wirklichkeit, wie sie sonst kaum anzutreffen ist. Deshalb ist die Idee der Samtgemeinde,
nämlich der intensivierten Mitarbeit des Bürgers gegen die bürgerfernen großen Zentralverwaltungen
plötzlich wieder ganz aktuell geworden in den Bemühungen um das Institut der sogen.
Regionalstadt, um dessen organisatorische Bewältigung die beiden großen Partien z.B. in und um
Hannover intensiv ringen …“ 5
Am 10. März 1971 entschied sich der Rat des
Fleckens Gartow einstimmig für die Bildung
einer Samtgemeinde, der als Mitgliedsgemeinden
Gorleben (mit Meetschow), Höhbeck (mit
Brünkendorf, Pevestorf, Restorf, Vietze), Laasche,
Gartow (mit Falkenmoor), Nienwalde,
Quarnstedt, Rondel, Rucksmoor, Stadt Schnackenburg
(mit Gummern, Holtorf, Kapern,) und
Prezelle (mit Lanze, Lomitz, Siedlung Prezelle,
Wirl) angehören. Der Gartower Forst (v. Bernstorff)
ist gemeindefreies Gebiet ...
Wappen der
Samtgemeinde Gartow
Die Bildung von Gemeindezusammenschlüssen war nicht freiwillig, die niedersächsische Landesregierung
verordnete diese Gemeindereform per Gesetz.
Nach den Vorgaben durften die Samtgemeinden ab 1972 nicht mehr als 12 Mitgliedsgemeinden
umfassen, von denen jede mindestens 400 Einwohner haben muß. Die Entscheidungen der einzelnen
Gemeinden, mit welcher Nachbargemeinde sie sich zur Erreichung dieser Einwohnerzahl
zusammenschließen wollten, mußte bis zum 19. April 1971 beim Landkreis in Lüchow vorliegen,
andernfalls drohte die Bildung einer Einheitsgemeinde.
Bis 1972 bildeten die Hauptsatzung vom 2. März 1965 und die Geschäftsordnung vom 8. Mai
1969 die Arbeitsgrundlagen der Samtgemeinde Gartow. Erstmals wurden hauptamtliche Verwaltungskräfte
eingesetzt:
Samtgemeinde-Direktor Hans Borchardt aus Kapern, unterstützt vom Kassenverwalter Bökamp
und den Angestellten Bellach, Reinecke und Stelte. 6/7/8
Der Samtgemeinderat bildete in seinen Reihen verschiedene Ausschüsse wie z.B. Freibad-, Bau-
Feuerschutz-, Kultur-Ausschuss. Zur Finanzierung der unvermeidlichen Ausgaben wurde bei Bedarf
eine Samtgemeinde-Umlage erhoben und zwar von den Mitgliedsgemeinden je zur Hälfte
nach der Einwohnerzahl und nach den Bemessungsgrundlagen der Kreisumlage. Da dieses Geld
nicht ausreichte, erhielt die Samtgemeinde Gartow vom Land Niedersachsen zusätzlich jedes Jahr
sogen. Schlüsselzuweisungen und Bedarfszuweisungen.
413
Vor dem Neubau der Samtgemeindeverwaltung
am heutigen Standort befand sich die
Gemeindeverwaltung bis 1983 im Gebäude
des ehem. Hotel Krug, in dem sich früher neben
Fremdenzimmern, Saal im Obergeschoß
und einem Kramladen im Erdgeschoß auch
Pferdestallungen befanden („Ausspann“). Am
3.6.1938 verkaufte Christian Herbst aus Lüneburg
das Gebäude an den Kaufmann Theodor
Beyer, der es sofort an die Politische Gemeinde
Gartow veräußerte um dann der Gemeindeverwaltung
oder dem Bürgermeisteramt, wie es
vorher hieß, als „Rathaus“ zu dienen.
2009: Springstr. 14: Samtgemeindeverwaltung
Gartow
3.5.1972: Gebietsänderungsvertrag zwischen den
Gemeinden des Flecken Gartow, Laasche und
Nienwalde
Die Samtgemeinden im LK Lüchow-Dannenberg und ihre Gemeinden nach 1972
414
Der Samtgemeinderat Gartow musste sich in der Vergangenheit erheblich mehr und mit komplizierteren
Problemlösungen befassen als gemeinhin üblich. Der Aufbau eines Touristikzentrums,
die Schwierigkeiten der Zonengrenzlage, die Marktferne, fehlende Arbeitsstätten und besonders
der Bau eines atomaren Zwischenlagers und des Erkundungsbergwerkes bei Gorleben haben den
jeweiligen Ratsmitgliedern viel abgefordert. Ein gewaltiges Arbeitspensum mußte bewältigt werden!
Im Vergleich dazu war die herkömmliche Verwaltungsarbeit reine Routineangelegenheit. Dies
zeigte sich z.B. im Inkrafttreten verschiedener Satzungen oder Verordnungen:
• Satzung der Samtgemeinde Gartow über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für
die Entwässerungsanlagen (Kanalisation) vom 1.1.1979.
• Die Vorgängersatzung vom 7.10.1974 trat außer Kraft.
• Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Friedhöfe, Leichenhallen und Friedhofskapellen
der Samtgemeinde Gartow vom 27. Dezember 1979.
• Satzung für die Freiwillige Feuerwehr in der Samtgemeinde Gartow vom 12. Juni 1980.
• Verordnung über Art und Umfang der Reinigung öffentlicher Straßen in der Samtgemeinde
Gartow vom 1. Januar 1990.
Die Vorgänger-Verordnung vom 29.12.1970 trat außer Kraft.
Die Entwicklung Gartows als Mittelpunkt, ja als Zentralgemeinde des Gebietes der Samtgemeinde
Gartow, ist ständig fortgeschritten.
Nicht unwichtig für die Mittelpunktsbetrachtung ist auch, dass die ehemalige Volksschule Gartow
zur Mittelpunktschule und die Mittelschule zur Kreis-Realschule wurden. Beide Schulen, die Mittelpunktschule
baulich sehr stark erweitert und modernisiert, die Kreis-Realschule neu erbaut,
haben heute verdreifachte bzw. verdoppelte Schülerzahlen gegenüber 1961. Mit Schulbussen
werden die auswärtigen Schüler vom Höhbeck, von Schnackenburg, von Gedelitz-Gorleben und
von Lomitz-Prezelle her, zu den Schulen gefahren. Auch dieser tägliche Schulbusverkehr ist typisch
für das zum echten „Mittelpunkt“ gewachsene Gartow.
Die absinkende Tendenz der Einwohnerzahlen hat weiter angehalten. Langsam aber sicher sank
die Einwohnerzahl von 1961 mit 1460 auf 1220 Einwohner bei der Volkszählung 1970. Nach der
Landesstatistik haben wir per 31.12.70 sogar nur noch 1100 Einwohner. Den natürlichen Abgängen
der Gemeindebewohner stehen fast keine durch das Erwerbsleben angezogene Zugänge
gegenüber!
Auch die Verteilung der Einwohner auf die Berufe hat sich verändert. Gartow hat heute einen
praktizierenden Zahnarzt sowie seit 2012 einen Allgemeinarzt, es hat nur noch einen Bäcker, keinen
Fleischer, zwei Supermärkte. Von den beiden Sägewerken arbeitet nur noch eines. Dagegen
sind aus fünf Gastwirtschaften sieben geworden. Die Nähwerkstatt Schmitz mit ehemals fast 40
weiblichen Kräften ist nach Suhlendorf abgewandert. Die Gerichtstage wurden aufgehoben, die
Sprechtage der Kreisverwaltung eingestellt. Diese Entwicklung zeigt eine gewisse Tendenz, sowohl
bei den einzelnen Berufsarten, wie bei der Einstellung der oberen Behörden auf. „Es lohnt sich
nicht mehr“ in Gartow tätig zu sein. – Darin liegt für die Gemeinde eine große Gefahr ihrer zukünftigen
Entwicklung. Jedes Herausbrechen auch noch so kleiner Steine aus dem Gemäuer des kommunalen
Zusammenlebens bedeutet eine Schwächung, der weitgehend begegnet werden muss.
Ob die Aufhebung des Kirchenkreises, der Gerichtstage, der Sprechtage, ob der Ausfall von Post-
Bussen an einzelnen Wochentagen: Maßnahmen die im täglichen Leben dem einzelnen Bürger
415
kaum auffallen, die das Leben in der Flecken-Gemeinde aber mindern. Die berufliche Betätigung
der Einwohner ist nicht nur durch das Absinken der Beschäftigung auf den beiden Sägewerken,
sowie in der Land- und Forstwirtschaft gekennzeichnet. Völlige Gegenpole zogen in den letzten
Jahren die Kräfte aus Gartow heraus. Die Fabriken der SKF (Schwedische Kugellager Fabriken,
Stammsitz Schweinfurt) in Lüchow und der CONTI (Continental) in Dannenberg, aber auch andere
industrielle und handwerkliche Betriebe des Kreisgebietes, sogen sie förmlich auf. Auch in diesem
Kräftekreis steht leider, wenn auch verständlich, die Devise „es lohnt sich nicht mehr in Gartow“
oben an.
Das Finanzgebaren der Gemeinde hat sich glücklicherweise trotz aller negativen Befürchtungen
doch anders entwickelt, als man es 1961 annehmen mußte. Bei den gebliebenen Steuerhebesätzen
von 1961 stiegen die Einkünfte aus den Grundsteuern zwar nur ganz unwesentlich an.
Dagegen trat der befürchtete Ausfall bei der Gewerbesteuer nicht ein. Im Gegenteil, die Einkünfte
hieraus stiegen von Jahr zu Jahr so an, daß schließlich 1970 rd. 55% mehr einkamen als im Jahr
1961. Wenn die Gemeinde von der Gewerbesteuer ab 1.1.70 auch über 40% des Aufkommens abgeben
muss, so ist der seither dafür erhaltene Anteil aus der Einkommensteuer ein über doppelt
so hoher und recht guter „Ersatz“-Betrag.
So ist die Gemeinde, nach vielen Jahren der Zuschußbettelei, endlich auch wieder in der Lage,
nicht nur ihren Haushalt zu balancieren, sondern auch aus eigener Kraft kleinere Vorhaben durchzuführen.
Wenn der Ausbau des Straßennetzes im Ort und seiner Gemarkung zunächst noch beim Prezeller
Weg, dem Wirtschaftsweg bis zum schwarzen Heck – dem Ehrenhainweg –, dem Wegteil von der
Realschule bis zum Freibadeingang, dem ersten Teil des Mittelweges und der Schulstraße noch
erhebliche Darlehnsaufnahmen erforderten, konnten danach der lange Restteil des alten Dannenberger
Postweges, vom Freibad bis zur L 256 (Dannenberger Chaussee) ohne weitere Schuldenaufnahme
und der zweite Teil des Mittelweges, der Gedelitzer Weg, sowie der Bürgermeisterweg
(Verbindungsweg zwischen Prezeller Weg und Hahnenbergerstraße) mit einem geringen
Spitzenausgleich mittels eines kleinen Darlehns, also fast aus eigenen Mitteln, erstellt werden.
Natürlich mußten bei allen diesen Straßenbauten erreichbare Zuschüsse von Bund, Land und
Kreis in Anspruch genommen werden. Dabei muß erwähnt werden, daß die Finanzierung der längs
dieser Wege geschaffenen Gehsteige – als gemeindeeigene Sache – stets der schwierigste Teil
des Straßenausbaues ist, weil sie nur bedingt zuschußfähig sind und im Verhältnis zu den Fahrbahnflächen
teurer als diese werden.
Auch die zur Entschärfung der „Forstmeister“-Kurve am Hahnenberger Damm 1970 und 1971
außerhalb der Lindenreihen angeschütteten breiten Gehsteige, vom Nienwalder Weg bis zum Altenheim
und von der Post bis zur Tankstelle, konnten ohne Kreditmittelaufnahme erstellt werden.
Zur Arrondierung des inneren Straßennetzes verbleibt für die nächsten Jahre zunächst noch die
Befestigung des Weges „Am Reiterplatz“. In weiterer Zukunft werden dann nur noch die Befestigungen
der in den Bebauungsplänen festgelegten Straßenzüge übrig bleiben.
Im Zuge der Straßenbauten erfolgte die Aufschüttung des Parkplatzes am Hahnenberger Damm
vor dem Altersheim bereits 1966. Wieviel Hohn, Spott und Aufregung – auch sonst kluger Mitmenschen
– gab es um die Aufschüttung!
Heute ist dieser Platz völlig unentbehrlich geworden! So viel zu den Investitionen der Gemeinde im
letzten Jahrzehnt in den „unrentierlichen“ Ausbau ihres Straßennetzes.
416
Gartow 1955 - 1961: Aus der Sicht von Wilhelm Tege
XIX. Folge
Über unsere Wege und Straßen muß auch etwas gesagt werden. Schon allein deshalb, weil die
heutigen Passanten unserer Wege meinen, daß es ganz selbstverständlich sein müßte gummibereift
auf ihnen dahinrollen zu können. Sie ahnen oft gar nicht mehr, wie es früher um unsere
Wege bestellt war. Hunderte von Jahren gehörte z.B. der Weg nach Niendorf (heute Nienwalde)
zum Gutsbezirk. Erst als 1927 die Gutsbezirke aufgelöst wurden und zu den Gemeinden kamen,
wurden auch diese Wege von der Gemeinde übernommen.
Sofort nach der Übernahme des Weges durch die Gemeinde wurde der Zustand desselben auch
von allen Seiten beanstandet. Gartow wollte den Weg ausbauen, wenn Niendorf es dabei unterstützte.
Aber was gab es darüber für böse Debatten. Die Niendorfer lehnten den geplanten Wegeausbau
aus vielerlei, heute völlig unverständlichen Gründen, einfach ab. Vater Reinecke sagte,
dann können wir uns vor Handwerksburschen nicht mehr retten. Fritz Schulz meinte: dann kommen
wir von der Schmiede überhaupt nicht mehr weg, die Pferde müssen dann ständig beschlagen
werden und die Wagen gehen uns auf der festen Straße laufend zu Bruch. Schatzmeister Beussel
aber stöhnte: „Wer soll das bezahlen.“ Fritz Beussel behauptete sogar: „Die Garttow`schen“ suchen
bloß Dumme.“ Das Ende vom Lied war, daß es bei dem jammervollen Zustand des Weges
so blieb wie es war. Die Straße der Römer in der französischen Normandie konnte um Christi
Geburt gebaut werden, den Weg nach Niendorf bekam man 2000 Jahre später nicht fertig. Aber
gut Ding will Weile haben. Erst nach dem II. Weltkrieg, anfangs der 50-er Jahre war die Frage des
Wegeausbaus von Gartow nach Nienwalde durch den unerträglich gewordenen Zustand des Weges
für Kraftfahrzeuge endlich so dringend geworden, daß eine Lösung gefunden werden mußte.
Wie schwer war die Durchfahrt für den Milchwagen geworden, wie oft mußte damals der Arzt, Dr.
Wolf, seinen PKW auf dem Weg stehen lassen und in Nienwalde erst Pferde holen, um ihn wieder
heraus zu schleppen. Aber, obwohl dieser unmöglich gewordene Wegezustand die Nienwalder am
meisten betraf, noch immer wehrten sie sich eine „teure“, feste Straße zu bauen und mitzufinanzieren.
Der damalige Bürgermeister von Nienwalde, Hans Jürgens meinte, daß es nicht vertretbar
sei, des Weges wegen die Gemeinde Nienwalde Schulden machen zu lassen. „30 Jahre bin ich
Bürgermeister und 30 Jahre hat Nienwalde keine Schulden zu machen brauchen und jetzt sollen
wir Schulden aufnehmen. Nein, das kommt nicht in Frage“, waren seine Worte bei einer der ersten
Verhandlungen. Nach seiner Meinung sollte mit heranzuholenden Hamburger Trümmersteinen
eine genügende Festigkeit des Weges „billiger“ und ohne Schuldenaufnahme erreicht werden.
Dem energischen Drängen von Bürgermeister Hennings und dem Gartower Rat gaben die Nienwalder
und ihr Rat aber schließlich doch nach. In gemeinsamer Finanzierung, mit nicht zu vermeidender
Schuldenaufnahme beider Gemeinden, wurde dann die segensreiche, feste Straße gebaut
und 1953 dem Verkehr übergeben. Erst knapp ein Jahr rollte der nun völlig unbehelligt ablaufende
Verkehr über die neue Straße, als das böse Sommerhochwasser 1954 sie wochenlang überschwemmte,
und dem normalen Verkehr wieder entzog. Von diesen Tagen her, wissen die Nienwalder
den Wert dieser Straße einzuschätzen und kämpfen daher mit Gartow zusammen darum, daß
durch eine Abdeichung der Seege für eine Hochwasserabsicherung der Nienwalder Straße Sorge
getragen wird. – Es war aber nicht nur der Nienwalder Weg der uns früher Kummer machte. Der
Alte Dannenberger Postweg, der Prezeller Weg und auch der Weg zum Ehrenhain, sie alle waren
reine, tiefe Sandwege, die uns und unseren Pferden das Leben oft schwer machten. Eine große
und sehr kostenreiche Belastung ist daneben immer der, 1927 ebenfalls vom Gutsbezirk übernommene,
„Holtorfer Damm“ für Gartow gewesen. Alle Wege, in unserer Gemeinde, zeigen sich
heute den Benutzern in einem ganz anderen Zustand. Neben den genannten Wegen sind auch der
417
Mittelweg, der Gedelitzer Weg, der Bürgermeisterweg, die Schulstraße und der Kirchgartenweg zu
festen Straßen ausgebaut. Vom Kopfsteinpflaster der Hauptstraße und dem „Hühneraugenpflaster“
seiner Bürgersteige sieht und merkt man heute nur noch sehr wenig. Auch das an sich gute
Kleinpflaster der Springstraße hat seinen Asphaltüberzug bekommen. Unsere Straßen und Wege
haben sich in den letzten Jahren doch wirklich gut, zu unserer aller Vorteil, verändert. Auch das
macht für das allgemeine Bild unseres Ortes viel aus und beeindruckt auch unsere gern hierher
kommenden Besucher und Urlauber.“ 9
Und nun zu den rentierlichen, also vermögensbildenden Investitionen der Gemeinde und damit
überhaupt zu den Neubauten seit 1961:
Nachdem die Gemeinde schon Mitte der fünfziger Jahre im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus
das Haus Springstr. 7 mit seinen sechs Wohnungen erbaut hatte, sah sie sich 10 Jahre später
gezwungen, diesmal im Rahmen des Barackenräumungsprogrammes, zwei weitere Häuser am
Mittelweg mit acht Wohnungseinheiten zu erstellen, um die geforderte Räumung des ehemaligen
RAD-Lagers durchzuführen. Trotz aller Vergünstigungen im Rahmen des Räumungsprogramms
waren hierzu erhebliche Darlehnsaufnahmen unumgänglich. Aber auch hierdurch wurde ein sich
allmählich rentierendes Vermögen für die Gemeinde geschaffen. Nach Fertigstellung dieser Häuser
und ihrem Bezug durch die die Baracken räumenden Bewohner sowie der Umsiedlung der
ebenfalls in den Baracken bis dahin untergebrachten Mittelschule in die neu erbaute Kreis-Realschule,
entstand das große Problem der bestmöglichen Verwertung der verlassenen Baracke.
Nach mißglückten Versuchen einer gewerblichen Nutzung kam plötzlich der Gedanke eines Umbaus
der Baracken zu Ferienwohnungen auf. Eine Gemeinschaft der Gartower Handwerker bildete
sich und war entschlossen, aus dem alten „Lager“ ein Feriendorf entstehen zu lassen. Dabei
tauchten naturgemäß viele und schwere Probleme auf. Die Rechtsform der Gemeinschaft, die
Eigentumsfrage der Fläche, die Beteiligungsanteile der mitwirkenden Handwerker und vor allem
die Finanzierung des ganzen Vorhabens. Berge von Schwierigkeiten taten sich auf, die nicht zu bewältigen
waren. Bald wurde der Ausbaugedanke verworfen. Die Baracken sollten völlig abgerissen,
die geplanten Ferienhäuser neu erbaut werden. Nach vielem Hin und Her sollte die Gemeinde, vor
allem als möglicher Träger der Finanzierung, das Vorhaben übernehmen und durchführen. Unter
schweren Bedenken einiger verantwortungsbewußter Ratsmitglieder beschloß der Rat aber doch
schließlich im März 1968, nach einem Entwurf der Architekten Damman-Hein-Dannenberg., das
heutige Feriendorf der Gemeinde zu bauen. Zunächst mußte zwar noch die Fläche des ehemaligen
„Lagers“ von der Realgemeinde als der damaligen Eigentümerin übernommen werden. Gegen
Übernahme der Wege- und Gräbenunterhaltung, die bis dahin der Realgemeinde oblag, wurde die
Fläche in das Eigentum der politischen Gemeinde gebracht. Dann erfolgte der mühevolle Abbruch
der in ihrem Holz noch recht gut erhaltenen Baracken. Eine Arbeit, die sich wochenlang hinzog
und die mit dem Herausbrechen der Fundamente sogar Monate erforderte. Daneben liefen die
Verhandlungen um die Finanzierung des immerhin 400000,- DM überschreitenden Vorhabens
einschl. aller Inneneinrichtungen. Kreis, Land, Bund mußten eingeschaltet werden, die Gemeinde
darüber hinaus für Darlehnsbewilligungen sorgen. Die bekannte ERP-Mittel-Spritze zur Ankurbelung
der Wirtschaft durch die damaligen Minister Strauß und Schiller kam im richtigen Moment
und konnte durch das „baureif“ anstehende Vorhaben mit rd. zwei Drittel der Finanzierungssumme
weitgehend genutzt werden. So konnte der Bau, bei dem der vorhandene Laubbaumbestand,
bis auf die sowieso störenden starken Pappeln, erhalten werden konnte, bald beginnen. Trotzdem
machte der frühe Wintereinfall, der vor Beendigung der Rohbauten eintrat, den beabsichtigten
Fertigstellungstermin (zu Mitte Mai 1969) noch fast zunichte. Erst mit Ende des Monats März
konnten die Bauarbeiten nach dem schneereichen Winter im Frühjahr 1969 wieder voll aufgenom-
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men werden. Eisern wurde auf den Termin hin geschafft und gearbeitet, so daß die Einweihung
und Übergabe an das Hamburger Familien-Hilfswerk am 17.5.1969 doch noch erfolgen konnte.
Seither ist das Feriendorf, das für 10 Jahre zunächst an das Hbg. Fam. Hilfswerk vermietet wurde,
von diesem in den Sommermonaten Mai bis September mit Urlaubern belegt worden. Durch diese
Vermietung werden die der Gemeinde aus der Finanzierung entstehenden Zins- und Tilgungslasten
voll gedeckt; desgleichen die laufenden Unterhaltungs- und Bewirtschaftungskosten. Nach
Ablauf von 15 Jahren werden der Gemeinde schon recht erhebliche Beträge verbleiben, die normalerweise
zur Abdeckung bzw. schnelleren Tilgung verbleibender Belastungen dienen können.
Für das Feriendorf kann somit festgestellt werden, daß die großen Sorgen und Bedenken sich gut
lösten.
Neben dem Feriendorf-Bau trat die Gemeinde 1968/69 bei der Erbauung des Informationszentrums
als Träger des Vorhabens und Bauherr auf. Wenngleich man bei diesem Zweckbau nicht von
einem rentierlichen Vorhaben sprechen kann, so ist mit ihm doch eine Vermögensvermehrung zu
Gunsten der Gemeinde Gartow erfolgt.
Die Gemeinde wurde mit der Gestellung des Grundstückes und der Übernahme der Trägerschaft
gleichzeitig Eigentümer dieser gesamten Zweckeinrichtung. Die Kosten des Hausbaues, wie auch
der Einrichtung, wurden durch öffentliche Zuschüsse gedeckt. Die Gemeinde hatte lediglich das
Baugrundstück anzukaufen und die notwendigen Anschlüsse an die Versorgungsleitungen zu erstellen.
Das im „Infozet“ gleichzeitig miteingebaute Verkehrsbüro wurde von der Fremdenverkehrsvereinigung
eingerichtet, seither von dieser auch besetzt und unterhalten. Wenn die eingehenden
Mieten und Benutzungsgebühren die Unterhaltung des „Infozets“ auch nicht decken, so ist für
die Gemeinde doch ein Vermögenswert geschaffen worden, der indirekt zur Belebung von Handel
und Wandel in der Gemeinde beiträgt. Das Verkehrsbüro und die Ferienfahrschule sind zu nicht
mehr missenden Einrichtungen für den Fremdenverkehr geworden. Soweit die Baulichkeiten der
politischen Gemeinde im Jahrzehnt 1961/71.
Nun zur übrigen Bautätigkeit im gleichen Zeitraum:
Obwohl das Bundesbaugesetz von 1960/61 sich mit seinen oft recht engstirnigen Forderungen,
gerade für Gartow, mehr hindernd als fördernd auswirkte und in Gartow fast 5 Jahre privaten Baubedarf
zum Erliegen brachte, so brachte das Jahrzehnt insgesamt doch eine wesentlich verstärktere
Bautätigkeit, als die Jahre vorher vom Ende des Krieges her. Nicht nur, daß die Realschule
vom Kreis völlig neu – und modern – und unsere 1950 erbaute Volksschule auf eine 10-klassige
Mittelpunktschule baulich zweimal erweitert und modernisiert wurde, auch die Zollverwaltung
wurde baulich sehr tätig bei uns.
Nach dem Zollkommissariat mit drei Wohnungen (Hahnenbergerstr. 52/54) und dem Vier-Familienhaus
Hahnenbergerstr. 67, entstand 1963 die Zoll-Wohnsiedlung Waldstraße mit 22 Wohneinheiten
und einem Pferdestall. – Diese mit ihren Gärten nett angelegte Siedlung wurde später ganz
ungewollt zu einem schönen Pendant des Feriendorfes der Gemeinde. Von Lüchow her gesehen
am Ortseingang liegend, machen beide Anlagen auf jeden auswärtigen Besucher unseres Dorfes
einen ersten nachhaltig guten Eindruck. Das wird uns immer wieder von den Besuchern auch
freimütig gesagt.
In der Hahnenberger Gegend bleibend wurde die Bausiedlung am Reiterplatzweg durch die Bauten
der Familien Bittner, Lindner, Langer, Schwetasch, Wiech, Schrader, Sander fortgesetzt und
mit der Nebenerwerbssiedlung von G. Bögelsack zum Abschluß gebracht. So entstanden weitere
neun Wohneinheiten. Danebenliegend, am Prezeller Weg, bauten sich H. und U. Järnecke ihr neu-
419
es Wohnhaus. Am Ortfeld erbaute Sgfr. Kunzog ebenfalls ein Wohnhaus und auf dem Hof von V.
Kunzog entstanden ausgebaute und modern eingerichtete Wohnräume für Gäste zum Urlaub „Auf
dem Bauernhof“. Ferner entstand am Ortfeld der schöne Wochenendsitz unseres Jagdpächters O.
Wulff. Am Gedelitzer Weg hinderte die Streichung der von der Realgemeinde schon lange vorgesehenen
Bauflächen im Bebauungsplan eine weitere Fortentwicklung. Aber auch hier werden in
Kürze weitere Bauten entstehen.
Am Mittelweg folgten den beiden bereits genannten Häusern der Gemeinde, die HASTRA mit drei
Wohneinheiten, sowie einem Betriebsgebäude und W. Wehrend mit seinem Familienhaus.
Vor dem Eingang zum Waldbad, am Schützenplatz, siedelten sich W. Frank, J. Fichtel und W. Martens
mit 5 Wohnungseinheiten an. Am Quotum erbaute H. Wibbeler seinen Wohnsitz und schaffte
dabei zugleich zusätzlich Urlauberräume. Auf dem Spring erstellte E. Schmidt-Maury sein neues,
großes Werkstattgebäude mit darüber liegenden drei Wohnungen. Dazu baute er weiteren Wohnraum
im Altbau aus. Seine Nachbarin, Frau B. Hecht, zog im Anschluß an ihre Gastwirtschaft einen
massiven Wohnbauflügel hoch. – R. Hinrichs erweiterte das Haus Spring 32 um eine Wohneinheit
und Sgfr. Mencke baute an sein Wohnhaus Springstr. 52 einen weiteren Wohnungsflügel an. Auch
K.H. Maihak fügte dem Haus Springstr. 42 einen vollen Wohnflügel hinzu.
Am Nienwalder Weg, neben der Schlossgärtnerei, erstellte Dr. von Oppen sein schön gelegenes
Wohngrundstück.
Nicht zuletzt aber müssen H. Törber mit seinem Wohnbau, der Werkstatt und Tankstelle, sowie das
Altenheim am Hahnenberger Damm, anerkennend genannt werden. H. Törber vollbrachte in dem
tiefgründigen überschwemmungsgefährdeten Gelände zwischen dem alten Ortskern von Gartow
und dem Ortsteil Hahnenberg 3 eine regelrechte Pionierarbeit. Er bewies damit nicht nur Mut und
Tatkraft, sondern den immer kritischen Behörden, daß auch diese Flächen durchaus bebaubar
sind.
Der Landkreis folgte später mit der Erbauung des Altenheimes, auf fast gleichartigem Gelände,
dem Beispiel von H. Törber. Dadurch erhielten über 60 alte Menschen moderne Unterkünfte, während
daneben noch weitere Wohneinheiten entstanden, die von der Heimleitung und ihren Mithelfern
genutzt werden. Damit sind aus der Hand rund 65 neu erstellte Wohneinheiten aufgezählt.
Mit der Aufzählung der neuerstellten Wohneinheiten ist die Reihe der Neubauten jedoch noch
nicht ganz abgeschlossen. Ohne damit neue Wohneinheiten zu schaffen, wurden in den nächsten
Jahren ferner erstellt:
Am Lenzener Weg (vor der Seegefurth) das neue Feuerwehrgebäude, das die Samtgemeinde
erbauen ließ. Dieses war dringend notwendig geworden, um den zentral für das Samtgemeindegebiet
übernommenen Feuerschutz voll einsatzfähig gestalten zu können. In der Hauptstraße
erbaute der Gastwirt Ackermann auf dem Gelände seines ehemaligen Scheunengebäudes einen
Hotelzug mit höchst komfortabel eingerichteten Gästezimmern. Diese Gästezimmer sind inzwischen
weit über die Grenzen Gartows hinweg bekannt und begehrt geworden. Dabei spielt die
Pferdehaltung und die Möglichkeit zur Unterbringung eigener Pferde der Gäste in diesem „Reiterhotel“
ebenfalls eine große Rolle. Das „Reiterhotel“ ist damit zu einem bahnbrechenden Gaststättenunternehmen
geworden.
Am Bürgermeisterweg erstellte Rüdiger Timme zwei Ferienhausbungalows, die trotz des naheliegenden
Feriendorfes der Gemeinde ihre laufenden Benutzer gefunden haben. Auch Ri. Stüben
baute seine Scheune zu sehr gemütlichen Urlauber-Gasträumen aus.
420
Außerdem entstanden durch die Initiative ihrer Erbauer – Pfeifer/Ützmann + Pfeifer/Guckes sowie
der Gemeinschaft „Ferien am Helk“ – dank des verständnisvollen Entgegenkommens des Herrn
Regierungspräsidenten in Lüneburg, der hierzu erforderlichen Ausnahmegenehmigungen bereitwillig
erteilte, die dem Gemeinde-Feriendorf nachfolgenden Feriendörfer I + II + III am Helk. Mit
den Feriendörfern I und II entstanden zehn + vierzehn Ferienhäuser, die reetgedeckt besonders
prädestiniert in unsere Landschaft am Helk passen. Beim Feriendorf IV entstanden zunächst 16
(später 19) Bungalows mit Flachdächern, die von Grün umrandet eine kleine Ferienstadt bilden,
die ihr Entstehen einer wirklichen Gemeinschaftsarbeit verdankt. Mit diesen weiteren Feriendörfern
erfolgte die erste bemerkenswerte räumliche Ausdehnung unseres Ortes.
2009: Bebauung „Am Helk“, Dorf 1-10
Diese, wie auch alle zukünftigen, Bau-Ausweitungen des Ortes werden natürlich auch erhebliche
Erweiterungen aller Versorgungsanlagen nach sich ziehen. Diese können und werden zukünftig
nicht mehr allein von der Gemeinde getragen werden. Darüber müssen sich alle Beteiligten klar
sein oder werden. Abschließend und abrundend muß noch der Bau des Waldbades mit seinem
Campingplatz und der anschließenden Sportplatzanlage in den Jahren 1965/66 genannt werden.
– Die gesamte Gemeinde Gartow, aber auch die umliegenden Gemeinden, können dem damaligen
Samtgemeinderat heute nur dankbar sein, daß er sich dem Drängen und Wirken von Samtgemeindedirektor
Borchardt nicht verschloß, diese so bedeutungsvoll gewordene Erbauung dieser
Anlagen durchzuführen. Bürgermeister Hennings und die übrigen Gartower Vertreter im Samtgemeinderat
müssen in diesen Dank mit eingeschlossen werden, da sie von vornherein und stets für
diese grundlegenden Bauten einer zukünftigen Entwicklung Gartows voll eintraten.
421
Die skeptischen Vertreter aus Nachbargemeinden werden heute schon zugeben müssen, daß der
damalige Samtgemeinderat doch richtig handelte. Gewiß hat die Gemeinde Gartow durch Geändeankauf
und besonders auch die von ihr durchgeführten Straßenbauten zum Waldbad und
später darüber hinaus bis zur Dannenberger Chaussee ein weitaus größeres Scherflein als alle
anderen Gemeinden zusammen hierzu beigetragen. Ebenso gewiß und täglich bestätigt sich aber
auch, daß das Waldbad zu DEM Anziehungspunkt unserer Gemeinde geworden ist. Und dafür ist
ebenfalls allen an der Schaffung Beteiligten ein Dankeswort zu sagen.
Zum Schluß noch kurz etwas zu gewerblichen Baulichkeiten:
Einmal wurde die Gärtnerei Horstmann um drei je ca. 300 qm große Gewächshäuser und eine
ca. 1000 qm überspannende Schattenhalle im Freigelände erweitert, zum anderen entstand
anschließend an den Gutshof Quarnstedt eine moderne Kartoffel-Brennerei sowie daneben ein
großer Mastviehstall. – Nicht vergessen sein sollen auch die das Ortsbild verändernden Ladenausbauten
der Drogerie Buck, der Bäckerei Krause, der Gemischtwarengeschäfte Olschewski und
Hildebrandt, des Textilgeschäftes Wibbeler und des Papierwarengeschäftes Streitz. Diese Ausund
Umbauten haben samt und sonders zur Verschönerung des Straßenbildes eindrucksvoll beigetragen.
An sich müßte zur Vervollständigung auch noch über die Fortentwicklung des Fremdenverkehrs,
als einem der wichtigsten und bemerkenswertesten Entwicklungsfaktoren berichtet werden. Dieses
Thema würde jedoch den Rahmen dieses Vergleichsberichtes sprengen. Der Vorsitzende der
Fremdenverkehrsvereinigung Höhbeck, die in ihrem Wirken ja weit über Gartow hinausgeht, wird
sicher gern die Gelegenheit zu einem ausführlichen Bericht wahrnehmen. – Jedenfalls bitten wir
ihn hiermit darum.
Wir schließen den Bericht 1961/1971 mit der Feststellung, daß 1961 berechtigt erscheinende
Befürchtungen nicht sonderlich eintrafen, daß mancher Schritt vorwärts in der Entwicklung unseres
Ortes im vergangenen Jahrzehnt getan wurde, daß aber auch mit der Wasserregulierung
unserer Gemarkung und der Entwässerungsanlage des Ortes gewichtige Maßnahmen noch ihrer
Durchführung bedürfen.
Dabei bleiben beide Maßnahmen erste Voraussetzung für das Groß-Vorhaben zur Schaffung des
„Gartower See“! 10/11/12/13
Weitere Bebauung und neue Bebauungspläne
Noch um das Jahr 1880 erstreckte sich die Bebauung von Gartow hauptsächlich entlang der
Durchgangsstraßen „Springstraße“ und „Hauptstraße“. Am Nienwalder Weg befand sich nur die
Schmiede Bethge, an der Hahnenberger Straße das Schützenhaus, der Friedhof, die Abdeckerei
und das Sägewerk. Im Außenbereich lagen ferner das Schloß, der Gutshof Quarnstedt sowie die
dazugehörige Arbeitersiedlung. Da es linksseitig der Seege im Bereich der Ortslage Gartow noch
keinen Deich gab, waren erwünschten Siedlungsausdehnungen natürliche Grenzen gesetzt. Lediglich
in Richtung Hahnenberger Straße gab es hochwasserfreie Bauplätze. Zuletzt beim Hochwasser
1974/75 war Gartow im Norden, Osten und Süden vom Elbehochwasser umgeben. Mit der
Fertigstellung der Deichlinie im Ortsbereich Gartow entfielen die bisherigen Überflutungen, so daß
hochwassersicheres Bauland gewonnen werden konnte.
Wurden die Einwohnerzahlen in Betrachtung gezogen, so ergab sich für die angestammte Bevölkerung
kein zusätzlicher Bedarf an Baugrundstücken, ebenso nicht für Gewerbeansiedlungen. Um
1880 existierten in Gartow rd. 100 Häuser, 1873 gab es 176 Haushaltungen. Die Einwohnerstatistik
(ab 1929 mit Quarnstedt) ergibt folgendes Bild:
422
1821 = 918 Einw., 1871 = 1067, 1880 = 771, 1890 = 741, 1905 = 939, 1939 = 1135, 1946 =
1748 (mit Flüchtlingen), 1956 = 1409, 1971 = 1102, 1977 = 1065, 1989 = 1171, 1995 = 1386 14
Als sich nach dem 2. Weltkrieg infolge der Abseitslage des Gartow-Schnackenburger Raumes und
fehlender Industrie- und Gewerbebetriebe herausstellte, daß nur noch der Tourismus einträglich
sein könnte, sind entsprechende planerische und bauliche Schritte zur Ausweisung von Gebieten,
die dem Tourismus dienen, erfolgt. Hierbei mußten bestehende Vorschriften beachtet, Verfahren
in Gang gesetzt und Vorarbeiten geleistet werden.
Seit 1969 bearbeitete die Gesellschaft für Landeskultur, Bremen,einen Bebauungsplan, der die
„Dorferneuerung im Nahbereich Gartow“, welcher 14 Gemeinden mit rd. 175 qkm Fläche und
rd. 4500 Einwohner erfaßte. Neu zu bearbeiten waren u.a. die Flächennutzungspläne von Gartow,
ein Landschaftspflegeplan für Gartow und die Seegeniederung sowie Bebauungspläne für
Gartow. Letztere dienten „zur Deckung des Wohnungsbedarfs und zur städtebaulichen Neuordnung
der Ortskerne sowie in allen Fremdenverkehrsgemeinden zur Schaffung der erforderlichen
Sonderbauflächen (Wochenendhausgebiete, Ferienhausgebiete usw.)…“ Dazu gehörten ferner
Untersuchungen für wichtige Verkehrslösungen, die Abwasser- und Müllbeseitigung. Gartow (mit
Quarnstedt) verfügte über eine Gemarkungsfläche von 1733 ha, der gemeindefreie Forst Gartow
über 5087 ha.
Die Entwicklung Gartows zum Langzeiterholungszentrum sollte unbedingt gefördert werden, wobei
allgemeinwirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten mit besonderer Betonung des Fremdenverkehrs
aufgezeigt und Vorschläge für den Ausbau der Grundausrüstung und städtebauliche Planung
unabdingbar waren.
Am 18. September 1970 erteilte der Gartower Rat den Auftrag zur Erstellung eines Planungsauftrages
„Studium- und Modell-Vorhaben für den Samtgemeindebereich Gartow“. Mit diesem Plan
erfolgte eine Zusammenfassung und Koordinierung aller noch anstehenden Planungen zur Verbesserung
der Infrastruktur/Tourismusvorhaben unter Einbeziehung der Flächennutzungspläne
und der Bauleitplanung.
In der Gemeinderatssitzung vom 28. September 1970 ist über den Plan der Gesellschaft für Landeskultur
(GfL) eingehend beraten worden, wobei Defizite sichtbar wurden:
„In der sich anschließenden Diskussion zeigte sich, daß dem Rat in der augenblicklichen Situation
des Fehlens von greifbaren, bebauungsfähigen Flächen die Aufstellung von Bebauungsplänen
vordringlich erscheint. Der Rat beschloß demzufolge, zunächst keinen Festlegungsbeschluß zum
Flächennutzungsplan zu fassen, sondern den im August 1969 an den Kreis erteilten Auftrag zur
Aufstellung des Flächennutzungsplanes und der Bebauungspläne zurückzuziehen.
Sodann soll die GfL für beide Planaufstellungen den direkten Auftrag erteilt erhalten. Dabei soll
die Aufstellung eines oder mehrerer Bebauungspläne vorrangig erfolgen, um möglichst weitere
Zeitverluste zu vermeiden. Hierzu soll durch die Verwaltung der GfL in einem Lageplan skizziert
angegeben werden, welche Flächen die Verwaltung schon jetzt lagemäßig als baureif ansieht.“ 15
Im Februar 1971 lief das Raumordnungsverfahren zur Erarbeitung des Landespflegerischen Rahmenprogramms
für die Samtgemeinde Gartow. 1969 betrug die Zahl der Übernachtungen durch
Urlaubsgäste 52 000 und 1970 bereits 54 000. Meistens waren es Besucher des Campingplat-
423
zes. Die Ortsplanerin Frau Dipl.Ing. Rauchbach aus Hildesheim wies darauf hin, daß zur Wohnbevölkerung
etwa 2 700 Bewohner der Wochenend- und Zweitwohnhäuser hinzugerechnet werden
müssen. Es wurde gefordert, Gartow den Status eines Grundzentrums zu belassen („Gartow sei so
deutlich von den Bereichen Dannenberg und Lüchow abgegrenzt, daß die Ausweisung als Nebenzentrum
der Lage und Aufgabe Gartows nicht gerecht werde…“).
Gemäß Auftrag vom 3. März 1971 erhielt die Gesellschaft für Landeskultur, Bremen, die Vorgabe,
einen Flächennutzungsplan für die Gemeinde Gartow zu erarbeiten, wobei die Untersuchungen ab
November 1971 auf den Samtgemeindebereich ausgedehnt wurden. Vorrangig waren in Gartow
die Bebauungspläne „Auf den Kämpen-Helk“ und „Prezeller Weg“ zu bearbeiten. Besondere Entwicklungsaufgaben
für Gartow waren „Wohnen“ –„Gewerbliche Wirtschaft“ – „Ferien/Erholung“.
Das Schwergewicht hierbei lag bei der Schaffung von Erholungseinrichtungen, zumal die Aussage
getroffen wurde: „In Gartow sind für diese Entwicklung günstige Voraussetzungen für Erschließung
und Versorgung mit Dienstleistungen gegeben.“
Der Gartower Rat, insbesondere der Samtgemeindedirektor Hans Borchardt aber auch Bürgermeister
Paul Hennings, bewältigten seither über Jahre hinweg ein großes Arbeitspensum. In der
Ratssitzung vom 26. Juli 1971 erläuterte ein Vertreter der Gesellschaft für Landeskultur die geplante
Bebauung, zunächst das Gebiet „Auf den Kämpen“ am Ortsausgang Richtung Dannenberg:
„Dieses gesamte Gebiet sollte nach dem Entwurf allein der Wochenend- und Ferienhaus-Bebauung
vorbehalten bleiben. Mindestens vier Ferienhaussiedlungen (Feriendorf I - IV) waren in der
Planung, für die Platz benötigt wurde. Abgesehen von fraglich bleibenden Grabenverlegungen und
Linienführungen, der für die Erschließung notwendigen Straßenzüge, war der Rat durchaus nicht
damit einverstanden, daß in diesem Gebiet nicht auch Wohnbauten, besonders der einheimischen
Bevölkerung, möglich sein sollen“.
Der Rat forderte daher, daß für die Springgärten und den Flächenstreifen vom Sägewerk Werth bis
zum Sportplatzende zwischen Neulandweg und Dannenberger Postweg unbedingt die Möglichkeit
einer „freien“ Wohnbebauung eingeplant werden müsse.
Ferner verlangte der Rat in Übereinstimmung mit der erhobenen Forderung des Samtgemeindedirektors,
daß die ausgewiesenen Wochenend- und Ferienhaus-Flächen noch beträchtlich erweitert
werden müßten, wenn man dem laufenden Bedarf Rechnung tragen wollte.
Hierfür wurden zur Einplanung festgelegt:
Im Gebiet „Am Helk“ die in Fortsetzung des Feriendorfes IV gelegenen Flächen, links des Dannenberger
Postweges, bis zur Gemarkungsgrenze an der grfl. Forst. (Sogenannte Laascher Stücken).
Im Anschluß an den Bebauungsplan „Mittelweg“ bis auf einen genügenden Grünstreifen längs des
Waldbadzaunes die baureifen und bereiten Flächen der Werth`schen Obstplantage, sowie für die
Zukunft, die den Werth`schen Flächen anschließenden Herbst`schen Flächen parallel der Sportanlage
südich des Helk-Vorfluters. Evt. auch die südlich des verlängerten Mittelweges liegenden
Weideflächen der Realgemeinde (heute Pony-Koppeln).
Außerdem traten die Ratsherren dafür ein, dass im Anschluß an die Grundstücke Gedelitzer Weg
Nr. 17/19 noch weitere fünf Wohnbauplätze längs des Gedelitzer Weges als kleine Bauparzellen
in den Bebauungs-Plan Mittelweg hineingenommen werden sollten.
424
Örtliche Festlegungen sowohl im Plangebiet „Auf den Kämpen“ wie auch am „Prezeller Weg“ waren
erforderlich. Es wurde festgelegt, dass noch vor Ende September ein Flurbegang erfolgen
müsse.
Bei dem Bebauungsplangebiet „Prezeller Weg“– rechts und links des Weges –, das nach dem Entwurf
ein reines Wohngebiet werden sollte, verlangte der Rat, dass das im Entwurf nicht enthaltene
Waldstück der Realgemeinde (im Anschluß an die Zollsiedlung „Waldstraße“ und zwischen dem
Reiterplatzweg und der Lüchower Chaussee (B 493) gelegen), unbedingt in das Plangebiet aufgenommen
werden solle. Hierzu legte die Verwaltung einen früheren Planungsentwurf als Unterlage
vor, der 32 Bauparzellen vorsah. 16
Ab 1. August 1971 ist dieses Vorhaben gemäß Städtebauförderungsgesetz in die Planungen des
Landes Niedersachsen übergegangen. Der Nieders. Sozialminister bewilligte am 24. Juni 1971
Kostenzuschüsse.
Am 21. Oktober 1971 erfolgte eine Ortsbegehung zur Festlegung von Straßen-, Wege- und Grabenlinienführungen
sowie der geplanten Bauflächen. Hierbei wurde ein Weg mit jungen Eichen zwischen
Neulandweg und Freibadweg Am Helk miteinbezogen. Am Prezeller Weg wurde festgestellt,
daß die dort sehr spitz auslaufenden Grundstücke eine sofortige weitere Bebauung ausschlossen
(„Hier muß vor jeder zukünftigen Baufreigabe – auch nach Erstellung des Bebauungsplanes – zunächst
eine Umlegung erfolgen“).
Der für Gartow aufgestellte Flächennutzungsplan wurde begrenzt im Norden vom Deich Restorf-
Quarnstedt, im Osten vom Quarnstedter Damm, im Süden vom Graben Falkenmoor-Schäferkampbrücke
und im Westen mit der Linie Gemarkungsgrenze Prezeller Weg über die Bundesstraße 493
hinweg bis zum Helk an der Straße Gartow-Dannenberg. Insgesamt 10 Planungsgebiete waren zu
beplanen und zu entwickeln:
01. /
02. Der alte Ortskern, vom Spring bis einschl. Schlossgebiet
03. Ein Gewerbegebiet – um die Sägewerke herum, vom Quotum bis Ortfeld
04. Ein Wohngebiet – Ortfeld, Prezeller Weg, Reiterplatz, Gedelitzer Weg, über Mittelweg bis zur
Schützenplatzspitze
05. Ein Schulgebiet – am Schützenplatz; ein Gebiet, das bis auf den Turnhallen- und evtl. Erweiterungsbau
für die Mittelpunktschule, als fast abgeschlossen gelten kann.
06. Ein Grünflächengebiet – das sich vom Mittelweg über Freibad, Camping- und Sportplatz bis
zum Schützenplatz und Eiskellerberg erstreckt.
07. Ein Gebiet für allgemeine Einrichtungen wie Heime, der Verwaltungen und des Fremdenverkehrs.
08. Das Schäferkampgebiet, zwischen Hahnenberger Damm und Vorfluter Altes Bad – Schäferkampbrücke,
vom Sommerdeich Altes Bad – Nienwalder Weg.
09. Die „Seezone“ (Gartower See) – von der Seegebrücke bis zum Seerigsteig, zwischen der
Dannenberger Chaussee und dem Restorfer Deich.
10. Das Gebiet für Zweitwohnungen (Ferienwohnungen) – vom Quotum, um Springweg und
Neulandweg herum, zwischen Schützenplatz und dem Spring.
11. Gebiete für Ferien- und Wochenend-Wohnungen – im Helk und auf den Kämpen, also vom
Freibadweg, südlich des Galgenberges über die Kämpen bis zur Dannenberger Chaussee
heran.
425
Wilhelm Junack aus Gartow, ein engagierter und interessierter Bürger, warnte bei den vielen Planungen
davor, aus Sicht der Bürger aufmerksam zu bleiben: „…Noch steht dem Gartower Rat ein
Bürgermeister vor, der mit seinen Ratsherren den Mut hat dafür einzutreten, daß die zukünftige
Entwicklung unseres Ortes nicht einfach „von oben her“ ohne Rücksicht auf die Gartower Einwohnerschaft
bestimmt wird. Noch ist in dieser Beziehung nichts festgelegt aber die Gefahr hierfür ist
groß. Die Gefahr, von Meinungen und Ansichten überspült zu werden, die den ureigensten Interessen
der Gartower entgegenstehen bzw. sie unberücksichtigt lassen. Die Männer des Gartower
Rates müssen hellwach sein und dafür sorgen, daß wir noch bestimmen, was in Gartow werden
soll und was zu unterbleiben hat. Die Mitbürger vermögen wenig Einfluß auf den Ablauf der Dinge
zu nehmen. Der § 2 des Bundesbaugesetzes sagt ganz klar: Jeder Bürger kann im Rahmen der
öffentlichen Auslegung Anregungen und Bedenken vorbringen – Einsprüche oder Widersprüche
sind dagegen rechtlich nicht möglich… Dabei mögen ihm (dem Rat) zwei Dinge Richtschnur für die
Zukunftsentscheidungen sein: 1. die Interessen der einheimischen Bevölkerung, im Rahmen eines
gemeindlichen Lebens vorrangig zu sehen, 2. den Charakter unseres Ortsbildes – auch nicht
durch etwaige überspannte Forderungen aus der eigenen Bevölkerung heraus – auf keinen Fall
verloren gehen zu lassen. Alle anderen Forderungen, ganz gleich ob von auswärtigen Geschäftemachern
oder sonstigen Nutzern, ob von Planern oder von Behörden kommend, müssen nachrangig
behandelt werden! Nur dann können und werden wir unser Gartow als „Gartow“ erhalten
sehen!“ 17
Eine weitere kritische Stimme war im Februar 1973 anonym zu vernehmen: „…Angesichts der
eingeleiteten Maßnahmen zur Förderung des Fremdenverkehrs, der ja nicht nur den Gartower
See oder die Schaffung von etwa 500 Ferienhäusern in Gartow beinhaltet, erscheint es uns angebracht,
bei den einzelnen Interessenten aber vornehmlich bei den verschiedenen Interessengruppen
mehr Aktivität und Initiative anzuregen… Es sind wirklich wenige Initiativen zu spüren,
wenn man von den Bemühungen einiger weniger Gartower absieht, die hier die Gründung der
See-Betriebsgesellschaft forcieren oder der Naturfreunde, die jetzt mehr denn je aktiv werden
wollen… Klagen über unzureichende Versorgung beim Handel, ungenügende Gastronomie in einzelnen
Bereichen unserer Samtgemeinde, Fehlen eines ansprechenden Cafes in Gartow, wenig
Freizeitangebote für Urlauber, Feriengäste und hiesige Bevölkerung, schlechte Verkehrsverbindungen
u.a.m. liegen doch vor und hier sollte zunächst einmal begonnen werden. Auch Vorstellungen
der Regierung, wonach man hier lediglich noch vermietbare Ferienhäuser zulassen werde, die
dann das Geld bringen werden, sind doch ein Trugschluß! Die bisherigen Erfahrungen haben doch
gezeigt, daß das nicht so ist! Erfolgreiche Werbung muß auch die Wintersaison einbeziehen…“ 18
Dr. Hartmann von der Landkreisverwaltung meldete sich ebenfalls zu Wort: „…Nach dem Raumordnungsprogramm
für den Regierungsbezirk Lüneburg sind Orte mit zentralen Funktionen festgelegt
worden. Im östlichen Bereich des Kreises gilt Gartow als Nebenzentrum. Innerhalb dieser
allgemeinen Bestimmungen soll Gartow folgende Funktionen erhalten: Gezielte Entwicklung von
Wohngebieten für den Zuzug von außen, gezielte Entwicklung von Gewerbe- und Industriegebieten
für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Sicherung und Entwicklung von Anlagen und Einrichtungen
für die Erholung. Gartow wird danach als Schwerpunkt des östlichen Kreisgebietes bevorzugt
entwickelt werden. Diese Herausstellung geschieht zurecht, denn nur ein vielfältiges Angebot
höherwertiger Versorgungseinrichtungen auf überschaubarem Raum sichert eine wirtschaftliche
Ausnutzung…“ 19
Auch August Quis, ebenfalls von der Landkreisverwaltung, hatte sich seine Gedanken gemacht:
„…Soweit ich die Dinge übersehe, sollte man auch dem Architekten Ranke von der Firma Plötner
426
dankbar sein, daß er so viele gute Ideen kostenlos beigesteuert hat. Sicher interpretiert man das
Land Niedersachsen und die Regierung völlig falsch, wenn man ihr vorwirft, sie wolle die Großkapitalisten
fördern. Was sie nicht will, ist, daß sich reiche Großstädter die schönsten Plätze für ihre
Wochenend- und Feriendomizile heraussuchen…“ 20
Als Eigentümer umfangreicher Ländereien beteiligten sich die Grafen-Zwillinge Andreas und Cornelius
v. Bernstorff ebenfalls an den Planungen zum Bau von Ferienhaus-Siedlungen insbesondere
Am Schäferkamp sowie beiderseits des Gutes Quarnstedt sowie in Richtung Elbholzdamm. Diese
Projekte sind dann jedoch nicht realisiert worden. Ohnehin erfolgte späterhin eine Reduzierung
der zunächst angedachten Projekte.
Fast alle Ferienhausplanungen waren baulich nicht umzusetzen, bevor umfangreiche Geländeaufhöhungen
am Nordufer des neu entstandenen Gartower Sees und der Flurteile Auf den Kämpen,
Helk, Schäferkamp ausgeführt waren. Letztere sind dann mit dem Seeaushub auf NN + 18,50 m
aufgespült bzw. erhöht worden, um Stauwasser auf den Flächen zu vermeiden. Gleichzeitig wurde
dort die Binnenentwässerung neu geordnet.
Der Flächennutzungsplan wie auch das Landespflegerische Rahmenprogramm vom September
1973 überzeugten den Samtgemeinderat Gartow nicht gänzlich: „…Die größere Ausweisung von
Bauflächen an sich kann also selbst nicht im Gegensatz zu den Zielen und Raumordnungen zur
Landesplanung stehen. Umso größere Bedeutung kommt jedoch konkreten Zielen zu, wie Verhinderung
der Zersiedelung der freien Landschaft und Beeinträchtigung des charakteristischen Ortsbildes.
Größtes Augenmerk muß auf die wirtschaftliche Auslastung vorhandener bzw. notwendiger
Ver- und Entsorgungsanlagen gerichtet werden. Die Vorgabe eines Planungsvolumens von 250
bis 350 Wohneinheiten einschl. Zweitwohnungen muß bezweifelt werden. Nach den vorliegenden
Statistiken sind in den Jahren 1969 - 1975 448 Wohneinheiten genehmigt worden. Trotzdem trat
im gleichen Zeitraum eine Bevölkerungsabnahme von 3,5% ein. Eine weitere Beschränkung des
Wohnungsbaues würde mit Sicherheit zu einer noch stärkeren unerwünschten Bevölkerungsabnahme
führen….“ 22
Im Bebauungsgebiet Schäferkamp, wo sich
1977 schon das Altersheim, der Kindergarten,
die Gemeindeverwaltung – heute hat die Tourist-
Information hier ihren Sitz – und die Post befanden,
war der Bau von 40 - 50 Wohneinheiten in
1 - 2 geschossiger Ausführung vorgesehen sowie
Kurpark, Kinderspielplatz, Reithalle, Reitgelände
mit Straßen, Gehwegen und Grünzonen.
Seit 1973 war das Architekturbüro „medium“
aus Hamburg mit entsprechenden Planungen
betraut. Der Bebauungsplan Am Schäferkamp
lag im April 1975 öffentlich aus. Das Gebiet war
in die drei Flächen A, B und C unterteilt: A = Gelände
am Altersheim, B = Reithalle/-platz, C =
südöstlich vom Altersheim. Am 14. Juni 1973
war ein Vertrag wegen dieser Flächen zwischen
Andreas Graf v. Bernstorff und der Politischen
Gemeinde Gartow zustandegekommen.
2009: Bebauung „Schäferkamp“ (unten rechts)
427
Der Graf übertrug der Politischen Gemeinde das Gelände A als Ausgleich für das Gelände C, welches
die Politische Gemeinde aufhöhen ließ. Das Gelände B wurde ihr späterhin übertragen, während
Gelände C im Besitz des Grafen verblieb. Die Geländeflächen ergaben insgesamt eine Größe
von 15,3 ha, im Oktober 1975 war die Aufhöhung dieses Areals abgeschlossen. Rund 32000
cbm Spülboden sind verbaut worden. Das Gebiet Schäferkamp ist wenig später als Neubaugebiet
besiedelt worden.
Damals ist von der Bundesregierung ein Investitionsprogramm verabschiedet worden, wozu die
Samtgemeinde Gartow u.a. den Anschluß des Bebauungsgebietes Auf den Kämpen an die Kanalisation
anmeldete. Direkt oder indirekt waren bis April 1977 rd. 23 Mio. DM zur Förderung des
Fremdenverkehrs in die Samtgemeinde geflossen.
Zu den bereits genannten Bebauungsplänen kam derjenige mit der Bezeichnung „Prezeller Weg“
hinzu, der neu aufgestellt und im Oktober 1977 öffentlich auslag. Währenddessen überarbeitete
der Landkreis den Flächennutzungsplan Samtgemeinde Gartow, wobei die Baufläche am Prezeller
Weg verkleinert wurde, wie auch ohnehin Bauflächen und -tiefen verringert wurden: die Gesellschaft
für Landeskultur hatte im 1. Entwurf 1054 Bauflächen ausgewiesen, nach der Überarbeitung
durch den Landkreis blieben nur noch ca. 580 davon übrig. 21
Nicht nur für Urlauber wurde Gartow attraktiver sondern auch für Zuzügler mit Wohnsitz in Gartow.
So hatten am Stichtag 20. Dezember 1977 genau 1 065 Einwohner in Gartow ihren Haupt- und
261 ihren Nebenwohnsitz.
Erst 1978 ist der Flächennutzungsplan für die Samtgemeinde Gartow fertiggestellt worden, den
der Samtgemeinderat am 19.1./5.6.1978 anerkannte. Und erst am 20. April 1979 genehmigte die
Bezirksregierung Lüneburg den Bebauungsplan Auf den Kämpen. Dort wollte die Baugesellschaft
„Juwel-Bau KG“ mit einem Kostenaufwand von rd. 17 Mio. DM 144 Ferienhäuser errichten, was
dann auch erfolgte. In der 1. Änderung dieses Planes vom 6. April 1981 wurde festgelegt: „Die
maximal zulässige Grundfläche je Haus im Sondergebiet Wochenendhäuser wird von 60 auf 70
qm heraufgesetzt. Es handelt sich um das einzige Sondergebiet Wochenendhäuser im Geltungsbereich
des Bebauungsplanes und liegt unmittelbar nördlich der Straße Am Schützenplatz.“
1980 war der Landschaftsrahmenplan, den der Landkreis erst im Januar 1980 als Auftrag vergeben
hatte, noch immer nicht fertiggestellt.
Am 22. August 1980 kam es zum Abschluß eines Vertrages zwischen der Gemeinde und Samtgemeinde
Gartow und der Juwel-Baugesellschaft, Hamburg, zur Erschließung und Bebauung des
Baugebietes Auf den Kämpen, wonach die Gemeide/Samtgemeinde für Straßen-, Wege-, Wasserversorgungs-
und Kanalistion-Bauten verantwortlich ist und die Juwel-Bau KG Ferienhäuser
errichten ließ. Es war beabsichtigt, 158 Ferienhäuser zu erstellen. Mit 184 Ferienhäusern der
Baugesellschaft „Juwel-Bau“ Auf den Kämpen und 66 auf dem Helk ist eine vorläufige Auslastung
hinsichtlich von Ferienhäusern in Gartow erreicht.
Neben diesem Bebauungsgebiet wurde ein weiteres unter der Bezeichnung „Elsebusch“ ausgewiesen,
1981 ist nahe des Hamburger Feriendorfes ein Gewerbegebiet Hahnenberge dazugekommen.
Später sind die Bebauungsgebiete Helk, Auf den Kämpen, Elsebusch und das Gewerbegebiet
Hahnenberge aus dem mit Verordnung vom 1. August 1974 festgesetzten Landschaftsschutzgebiet
„Höhbeck-Gartow“ entlassen worden.
428
2009: Bebauung „Elsebusch“ (rechts)
Der am 12. August 1981 aufgehobene Bebauungsplan Schäferkamp von 1976 ist durch eine am
2. November 1981 genehmigte Neufassung ersetzt worden. Ferner kam es am 1. Dezember 1981
zur Genehmigung des Bebauungsplanes Prezeller Weg Süd und Teilaufhebung des Bebauungsplanes
Prezeller Weg.
Im Flächennutzungsplan waren für das Samtgemeindegebiet insgesamt 39,2 ha Bauland (ohne
Wochenendhaussiedlungen) ausgewiesen, davon für Gartow 19,1 ha. Bis 1985 wollte die Bezirksregierung
Lüneburg nur die Bebauung von 250 Bauplätzen zulassen. Hinzu kamen in Gartow 33
Baulücken (von insgesamt 200). Die zur Bebauung mit Ferienhäusern vorgesehene Quarnstedter
Koppel (5,25 ha) blieb zunächst im Bebauungsplan enthalten (Juli 1977).
In den neuen Bebauungsgebieten sind ausreichend Grüngebiete und Kinderspielplätze realisiert
worden. Noch vor rd. 50 Jahren sind Bedürfnisse wie ein Spielplatz in privater Initiative umgesetzt
worden. So hat Gottlieb Graf v. Bernstorff 1952 der Gemeinde Gelände zur Verfügung gestellt, auf
dem ein Badebecken (1100 cbm Aushub), eine Liegewiese und ein Spielplatz eingerichtet wurden.
Ein Jahr später überließ der Graf „das Gelände längs der Alten Allee am Nienwalder Weg von der
Brücke über den Bürgergraben bis zur ehem. Kroppschen Schmiede“ als Kinderspielplatz. Die
Osthälfte diente Ballspielen, die Westhälfte hatte zwei große Sandkisten und eine Wippe. Damit
waren besonders Kleinkinder den Gefahren des zunehmenden Fahrzeugverkehrs entzogen.
Relativ lange hat es gedauert, bis das ebenfalls mit dem Seeaushub aufgespülte Baugebiet zwischen
Auf den Kämpen und Quotum aufgesiedelt war. Gartow hat seine Siedlungsfläche nach dem
2. Weltkrieg etwa vervierfacht. Das Baugebiet Helk – Am Birkenweg ist inzwischen fast aufgesiedelt,
ebenso das Baugebiet Prezeller Weg, lediglich im Baugebiet Elsebusch sind noch Grundstücke
zu erwerben und zu bebauen.
429
2009: Die Hauptstrasse
2009: Die Hauptstrasse 26
2009: Die Hauptstrasse 8
2009: Die Hauptstrasse 12, 14, 16
2009: Die Springstrasse 48, 50
2009: Die Springstrasse 58
2009: Die Hahnenberger Strasse 57
2009: Die „Hahnenberger Bierstube“ am Schützenplatz
430
Ein weiteres 8 Hektar umfassendes Baugebiet steht am Buchhorst-Garten (ehem. v. Bernstorffscher
Gutsgarten) zur Verfügung, wo in den kommenden Jahren eine naturnahe Wohnanlage entstehen
wird. 23
Zur Vorgeschichte dieses letzteren Bebauungsplanes wurde berichtet:
„Erstmals wurde im Rat der Gemeinde Gartow am 12.5.1997 über das Projekt Wohnanlage Buchhorst
berichtet. Zur Verwirklichung des Vorhabens sei zunächst der Flächennutzungsplan zu ändern.
In der Ratssitzung am 3.12.1998 teilt der Gemeindedirektor mit, dass die Interessengemeinschaft
Buchhorst-Gartow die Planungskosten für den Bebauungsplan übernehmen wird. Der Rat
der Gemeinde Gartow hat dann in seiner Sitzung am 18. März 1999 beschlossen, dass ein städtebaulicher
Vertrag zur Kostenübernahme zu schließen ist. Der erforderliche Flächennutzungsplan
ist im Jahre 2002 genehmigt und bekannt gemacht worden. Ein städtebaulicher Vertrag gemäß §
11 Baugesetzbuch ist gefertigt und von den Vertragsparteien unterschrieben worden. Im Vertrag
ist geregelt, dass der Investor für die technische Ausarbeitung des Bebauungsplanes einschließlich
gegebenenfalls erforderlicher Gutachten, Verträglichkeitsprüfungen, Grünordnungsplan sowie
Ausgleichsmaßnahmen und hieraus entstehender Folgelasten Auftraggeber und Kostenpflichtiger
ist. Der Investor beauftragt das Planungsbüro Witt mit den erwähnten Planungsarbeiten. Die Planungshoheit
der Gemeinde Gartow bleibt hiervon unberührt. Der Rat der Gemeinde Gartow hat
auf seiner Sitzung am 16. März 2005 beschlossen, das Planverfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes
Buchhorst einzuleiten (Aufstellungsbeschluss).“ 24
Nicht realisiert wurde die geplante Ferienhausanlage in der Quarnstedter Koppel. Ursprünglich
war der Bau von 250 Ferienhäusern von der Planungsgruppe medium, Hamburg, vorgesehen, wurde
jedoch auf rd. 100 Einheiten reduziert. Je Ferienhaus war ein Grundstück von 300 - 400 qm zugeordnet,
ferner war die Anlage von Gemeinschaftsflächen geplant. Damals erschien die Aussage:
„…liegt nördlich des Gartower Sees mit einer durchschnittlichen Entfernung von 100 m zum Seeufer.
Da eine Begehung der Uferpromenade für alle Besucher möglich sein soll, wird eine Bebauung
des Ufers selbst mit Ferienhäusern nicht genehmigt. Die dem Feriengebiet vorgelagerten
niedersächsischen Fachwerkhäuser sollen stehen bleiben und dem Fremdenverkehr nutzbar gemacht
werden. In diesen Häusern sollen Spezialitätenrestaurants, Ausstellungsräume für Handwerker
und Künstler, Clubräume für Tennisspieler und Segler eingerichtet werden…“
Ehemaliges v. Bernstorffsches Försterhaus
Hahnenberger Strasse 4
2009: Die Hahnenberger Strasse 56, 58
431
Gartow vor 1970 und im Zustand von 1994
432
Die Entwicklung des Ortsteiles Hahnenberge schilderte jüngst der dort aufgewachsene, inzwischen
97jährige Zimmermann August Kraasmann aus seiner Sicht:
„Die um 1920/30 lebenden Einwohner waren sämtlich „kleine Leute“, also Arbeiter mit geringem
Einkommen, die fast ausschließlich bei den Sägewerken Herbst und Werth beschäftigt waren.
Zweidrittel der Beschäftigten arbeiteten in der Firma Herbst, ein Drittel der Hahnenberger Einwohner
bei der gegenüberliegenden Firma Werth. Die allmähliche Wohlstandsentwicklung verdeutlicht
Kraasmann daran, daß sich die Arbeiter lediglich 1 - 2 Ziegen, die „Kuh des kleinen Mannes“
leisten konnten, weshalb es auch einen Ziegenzuchtverein Hahnenberge gab. Späterhin schafften
sich die Einwohner 1 - 2 Kühe an und noch später ein Pferd. Da die Hahnenberger mehrheitlich
über keinen Grundbesitz verfügten, pachteten die Arbeiter von den Gartower Bauern kleine Landstücke
und betrieben eine sogen. Feierabendlandwirtschaft. Als sie nach und nach zu mehr Geld
kamen, erwarben sie auch Grundstücke. Mindestens 14 Wohnhäuser gehörten der Firma Herbst,
worin Beschäftigte dieser Firma gegen Mietzahlung wohnten. Andere wiederum bauten sich eigene
Häuser, zumal sie handwerklich versiert waren und sich gegenseitig halfen.
Bis auf wenige Ausnahmen waren die Hahnenberger abhängig von der Arbeit in beiden Sägewerken.
Solange sie florierten, gab es keine Arbeitslosigkeit. Und das war bis etwa 1970 der Fall. Da
das Sägewerk schon frühzeitig eigenen Strom erzeugte, waren die Hahnenberger mit die Ersten,
die im Landkreis über elektrisches Licht verfügten, eine Weile lang war sogar die Straßenbeleuchtung
mit angeschlossen. Eine zentrale Wasserversorgung gab es noch nicht, jede Hausstelle verfügte
über einen Brunnen, etwa 6 m tief, wobei die Schwengelpumpe nach Möglichkeit im frostfreien
Innern des Hauses untergebracht war. Es gab eine Gemeinschaftspumpe für Notfälle, die bei
Frost einen Strohmantel gegen Einfrieren erhielt. Wegen des nahe liegenden ehemaligen Moores
mußte der Brunnen tief genug abgeteuft werden, um moorigen Beigeschmack zu vermeiden. Der
räumlichen Ausdehnung in Hahnenberge waren natürliche Grenzen insofern gesetzt, als hohe
Hochwasser Flächen überfluteten oder sich das lästige Qualmwasser bemerkbar machte. Stand
das Hochwasser in der Vegetationszeit länger, waren die Hahnenberger gezwungen, ihr Vieh auf
den wenig breiten Grünstreifen hochwasserfreier Wege zu hüten“. 25
Gartow-Hahnenberge, Betriebshof der Firma Werth
433
434
Die Jahre 1970 - 1972 im Überblick
16.3.1970
Am 1.4.1970 trat die aus 15 Paragraphen bestehende „Ortssatzung über die Müllabfuhr in der
Gemeinde Gartow“ in Kraft.
Am 20.8.1970 wurde die Gebührenordnung des Wasserbeschaffungsverbandes Höhbeck zur Satzung
über den Anschluß der Grundstücke an die öffentliche Wasserleitung erlassen.
Okt./Nov.1970
Ein seismischer Messtrupp der Gewerkschaften Brigitta und Elwerath, Hannover, führten Flachbohrungen
und Sprengungen zur Untersuchung des Untergrundes in der Gemarkung Gartow
durch.
Nov. 1970
Die auch für Gartow tätige Gemeindeschwester war Grete Hünecke in Vietze.
19.11.1970
Malermeister Wilhelm Reinhardt, Gartow, Hahnenberger Str. 66, beging sein 25 jähriges Geschäftsjubiläum.
Am 25.11.1945 eröffnete er seinen Malereibetrieb.
Dez. 1970
Im Auftrage des Gemeinderats waren unter der Leitung von Bürgermeister Hennings am
12.12.1970 die Bediensteten der Gemeinde- und Samtgemeindeverwaltung sowie die Besatzung
des Zollbootes „Gartow“ aus Schnackenburg bei einer Adventsfeier zusammen. Solche Feiern gab
es auch im Altenheim und beim Gartower Ortslehrerverein (1. Vors. Konrektor Burchards).
17.12.1970
Die Gartower Feuerwehr rückte zu einer Suchaktion an der Elbe in der Nähe des Kalksandsteinwerkes
Tießau zu nächtlicher Stunde aus.
Mit einem Boot wurde schließlich ein 14jähriger Flüchtling, der die Elbe durchschwamm, geborgen;
wenig später ein weiterer 15jähriger Junge, der jedoch im Krankenhaus verstarb.
Jan. 1971
Am 4.1.1971 verstarb Heinrich Doormann (72 J.), der rd. 50 Jahre bei der Sägerei Werth tätig war,
ferner starb am gleichen Tag der langjährige Gartower Polizeibeamte Johannes Steinborn (73 J.).
Die Firma W. Ducke gab am 9.1.1971 bekannt, daß sie ihren Landmaschinenbetrieb an die Landwirtschaftliche
Bezugs- und Absatzgenossenschaft Lüchow abgetreten hat.
15.1.1971
In der Hauptstraße ereignete sich ein Wasserrohrbruch, der mit Hilfe der örtlichen Feuerwehr
repariert werden konnte.
Rund 60 Autos sind in der Werkstatt von Ernst Walter durch den Techn. Überwachungsverein auf
Fahrsicherheit geprüft worden.
435
21.1.1971
Viehzählungsergebnisse Gartow 1962 - 1970 (Auswahl):
Pferde: 1962 und 1963 = 61, 1964 = 70, 1965 = 59, 1966 = 58, 1967 = 60, 1968 = 55, 1969
= 49, 1970 = 47.
Rindvieh: 1962 = 518, 1963 = 545, 1964 = 562, 1965 = 522, 1966 = 515, 1967 = 571, 1968 =
677, 1969 = 762, 1970 = 672.
Schweine: 1962 = 563, 1963 = 613, 1964 = 694, 1965 = 794, 1966 = 551, 1967 = 638, 1968
= 632, 1969 = 573, 1970 = 290.
Hühner: 1962 =2037, 1963 = 2031, 1964 = 1857, 1965 = 1603, 1966 = 1443, 1967 = 1281,
1968 = 1138, 1969 = 957, 1970 = 767.
Der Bestand an Schafen schwankte zwischen 4 (1966) und 23 (1968),
der an Ziegen zwischen 0 (1970) und 8 (1967).
Die Zahl der Bienenvölker sank von 86 im Jahr 1962 auf 33 im Jahr 1970.
26.1.1971
Polizeibeamter i.R. Ernst Pevestorf (78 J.) verstarb.
Regierungspräsident Dr. Rainer Frede aus Lüneburg war erstmalig zu Besuch in Gartow (betr. Modellvorhaben
Dorferneuerung Gartow).
1.2.1971
P. Matull aus Lüchow übernahm die Geschäftsführung des Gartower Verkehrsbüros und der Bücherei
im Informationszentrum Gartow.
Veröffentlichung der neuen Satzung des Realverbandes (früher Realgemeinde) Gartow.
11.2.1971
Prof. Kulke aus Braunschweig weilte mit seinen Studenten, die Architektur studieren,
in Gartow.
20.2.1971
Heinrich Baark, der viele Jahre als Ratsherr für Gartow wirkte und auch als Kreistagsabgeordneter
tätig war, wurde beerdigt (84 J.).
3.3.1971
Die Gutsverwaltung Quarnstedt (v. Bernstorff) erhielt sechs neue Traktoren der Marke Deutz zu
70,85 und 100 PS.
6.3.1971
Tagung des Unterhaltungsverbandes Seege betr. Aufstufungen von Gewässern
III. Ordnung in Gewässer II. Ordnung sowie erhöhte Beitragszahlungen.
März 1971
Es gab zwei Eheschließungen zwischen Frauen aus Gartow mit Angehörigen der britischen/amerikanischen
Streitkräfte, die auf der Höhbeck-Abhörstation stationiert sind.
10.3.1971
Der Gartower Gemeinderat stimmte für die Modellform „Samtgemeinde“ bei der künftigen Gemeindereform
ab 1.7.1972.
436
Gemeinderatssitzung: Der Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1971 erreichte eine bisher noch
nie da gewesene Höhe mit 466.887 DM in der Einnahme und Ausgabe. Die Gesamtverschuldung
der Gemeinde verminderte sich im Jahre 1970 von 819.701 DM auf 800.263 DM, wodurch auch
die Belastungshöhe je Kopf der Gemeinde, trotz weiterhin verminderter Einwohnerzahl von 739
DM auf 727 DM sank. Von der genannten Schuldenlast sind 78% rentierliche und 22% unrentierliche
Schulden.
11.3.1971
Erster Anschluß des Grundstückes Springstr. 84 an die neu geschaffene zentrale Wasserversorgung.
25.3.1971
Konzert des Musikkorps des Grenzschutzkommandos Nord, Hannover, in Gartow zugunsten des
Deutschen Roten Kreuzes.
Zur Unterbringung von ledigen Zollanwärtern suchte die Gemeinde für das Gartower Zollgrenzkommissariat
möblierte Zimmer zum Anmieten.
Ein spielender Junge fand in einem Gebäude an der Hauptstraße eine amerikanische Eierhandgranate
von 1945.
27.3.1971
Cornelius Graf von Bernstorff vermählte sich mit Andrea Freiin v. Falkenhausen.
6.4.1971
Günter Buck hatte seine Drogerie ausgebaut, so daß auch Farben und Tapeten verkauft werden
konnten.
10.4.1971
Die Hauptstraße ist in den Vormittagsstunden voll beparkt mit 70 - 80 Pkws von der Kirche bis zum
Geschäft Horstmann. Davon über 40 Pkws, etwa 60% Auswärtige, die noch schnell vor den Festtagen
einkaufen. Durch die beiden 10 Uhr-Busse wird der laufende Verkehr zeitweilig lahmgelegt. Ab
Mittag völlige Oster-Ruhe im ganzen Ort. Walter Ducke verpachtete seinen Betrieb und arbeitete
als Mitarbeiter der Bausparkasse.
Heinz-Dieter Grau und Herbert Wiechert wurden zu Polizeibeamten ernannt.
11.4.1971
Lebhafter Fremdenverkehr in Gartow mit Gästen aus der ganzen Bundesrepublik: Darunter war
auch ein Bus mit 59 Berliner Urlaubern.
19.4.1971
Infolge von Minensprengungen an der Grenze durch DDR-Organe kam es zu kleineren Waldbränden
im Gebiet Wirl/Lanze. Die Gartower Feuerwehr war im Einsatz.
Die Sprengungen erstreckten sich bis zum 23. April.
22.4.1971
Von der Gesellschaft für Landeskultur, Bremen, wurde der Landschaftsplan Seegeniederung fertiggestellt.
26.4.1971
19 Ferienhäuser am Helk waren gerichtet (Feriendorf IV).
437
28.4.1971
Wiederum Minensprengungen und Waldbrandgefahr auf westdeutscher Seite.
29.4.1971
Karl Pelz, ehem. gräflicher Chauffeur, wurde für 40jähriges unfallfreies Fahren ausgezeichnet.
1970 wurden in Gartow rd. 55000 Übernachtungen registriert.
1.5.1971
Beim Tanz in den Mai haben 20 Beamte der motorisierten und berittenen Grenzaufsichtsstelle
Gartow 233 DM für soziale Zwecke gespendet.
Die Ferienhausgemeinschaft Am Helk (Feriendorf IV) beging ihr Richtfest mit anschließendem
Spanferkelessen.
5.5.1971
Die Gartower Polizeibeamten H. Jeleniewski und J. Wroblewski wurden zu Polizeiobermeistern befördert.
7.5.1971
Die erste Belegung für das kürzlich fertiggestellte Feriendorf Am Helk erfolgte.
11.5.1971
Die Staatl. Hauptkörung 1971 für Bullen, Eber und Schafböcke im Raum der Samtgemeinde Gartow
erfolgte um 16.30 Uhr auf dem Gutshof Quarnstedt und zuvor um 14.45 Uhr in Lomitz bei
Bauer W. Heisecke.
Mai 1971
DDR-Grenzorgane löschten Feuer auf ihrem Gebiet und gingen dabei sehr vorsichtig um, weil
eventuell Minen explodieren können. Auf westdeutscher Seite blieben Feuerwehren im Wald in
Bereitschaft.
22.5.1971
Das Zweite Deutsche Fernsehen fertigte im Rahmen der Sendung Länderspiegel an zwei Tagen
Fernsehaufnahmen in Gartow.
26.5.1971
Der Friedhof Gartow erhielt Anschluß an die zentrale Wasserversorgung.
3.6.1971
Straßen- bzw. Gehwegbau in der Kurve Forsthaus Junack, Hahnenbergerstraße durch die Firma
Hahlbohm, Lüchow.
15.6.1971
Die Bauarbeiten zur neuen Turnhalle haben begonnen.
28.6.1971
Der Landwirtschaftliche Verein Gartow bestand nunmehr 100 Jahre lang, der niedersächsische
Landwirtschaftsminister Bruns hielt im Gartower Schützenhaus die Festrede.
438
3.7.1971
Einweihung des Gemeinschaftsraumes (ehem. Kindergartenbaracke) im Feriendorf durch das Familienhilfswerk.
5.7.1971
Feuerwehr Gartow rückte zum Löschen eines Brandes im Sägewerk Gauster in Gorleben aus.
23.7.1971
Zur Inspektion der Abhöranlage auf dem Höhbeck landete ein US-General im Hubschrauber des
Bundesgrenzschutzes auf dem Sportplatz.
17.7.1971
Heiterer Heimatabend unter Mitwirkung der gemischten Chöre Gartow und Restorf unter Chorleiter:
Albert Ziegenhorn.
27.7.1971
Anbringung einer Pegellatte an der Seegebrücke, sehr niedriger Wasserstand in der Seege.
2.8.1971
Laufende Einzelminensprengungen im Bereich Nienwalde-Kapermoor-Wirl.
Ebenso am 10.8.
12.8.1971
Der Direktor des Naturparkes Lüneburger Heide, Alfred Töpfer, bereiste zusammen mit dem Oberkreisdirektor
Paasche den Gartower Forst.
16.8.1971
Weitere Minensprengungen, der Bau des Grenzzaunes auf DDR-Seite bei Nienwalde schreitet voran.
Wieder war die Feuerwehr Gartow in Alarmbereitschaft, Kettensprengung von 36 Minen.
19.8.1971
Die gräflich v. Bernstorffsche Gutsverwaltung Quarnstedt feierte ihr internes Erntedankfest.
22.8.1971
Die Gemeindevertretung aus Quickborn/Holstein besichtigte in Gartow Feriendorf und Fremdenverkehrseinrichtungen.
23.8.1971
Durch Minensprengungen erneut Feuer bei Nienwalde, Forstamt und Bundesgrenzschutz schufen
einen 4 m-Brandschutzstreifen längs der Grenze auf westdeutschem Gebiet.
26.8.1971
Im Verlauf der letzten 10 Tage hatten vier Flüchtlinge den niedrigen Wasserstand in der Elbe genutzt,
um unverletzt auf bundesdeutsches Gebiet zu gelangen.
Eine BGS-Hundertschaft stand in Bereitschaft, falls es neue Waldbrände durch Minensprengungen
gibt.
439
2.9.1971
Die Hauptstraße in Gartow erhielt einen Asphaltbelag.
4.9.1971
Erneute Minensprengungen an der DDR-Grenze.
Ein Mühlstein aus der Lanzer Mühle wurde in der Mitte des Parkplatzes an der Bundesstraße 493
gesetzt.
15.9.1971
Prof. Dr. Smit von der niederländischen Universität Nijmegen, Geographisches Institut, nahm mit
Studenten Quartier in Gartow. Sie untersuchten Probleme des Zonenrandgebietes.
6.9.1971
In der Hauptstraße wurden die ersten Hauswasseranschlüsse für die zentrale Wasserversorgung
installiert.
8.9.1971
Samtgemeinde-Kassenverwalter Willi Bökamp verstarb mit 65 Jahren.
10.9.1971
Bei der Shell-Tankstelle (Springstr. 8, ehem. Suhrsche Hausstelle) wurde ein 30 000 Liter-Benzintank
eingesenkt.
17.9.1971
In der kältesten Frostnacht seit 1864 (minus 8 Grad) erfroren rd. 30000 Azaleen bei der Gärtnerei
Horstmann.
22.9.1971
Ein Gartower Kapitalhirsch (Erleger Hermann Junack) erhielt bei der Weltjagdausstellung in Budapest
die Goldmedaille.
1.10.1971
Schließen der Baulücke durch die Familie Breitenreiter zwischen alter Schmiede und Hausstelle
G. Wolf (ehem. Mausolf).
2.10.1971
Carl Heise verstarb 81jährig. Er war der erste Fahrer, der die Busverbindung Dannenberg-Gartow
ab 1926 regelmäßig bediente.
3.10.1971
Der Kulturverein Gartow besteht 25 Jahre. Vorsitzender ist der Gartower Schulleiter Alfred Pudelko.
4.10.1971
Baubeginn für die neue Bushaltestelle gegenüber der Kirche.
440
21.10.1971
Die ehemalige Bushaltestelle und der ehem. Briefkastenstandort in der Hauptstraße wurden zur
neuen Bushaltestelle gegenüber der Kirche verlegt.
Damit endete ein regelmäßiges Verkehrschaos in der Hauptstraße.
18.11.1971
Die Agrarsoziale Gesellschaft Göttingen tagte im Gartower Central-Hotel bis zum 20.11.1971.
19.11.1971
Oberforstmeister Hermann Junack aus Gartow, gräfl. v. Bernstorffscher Förster, wurde 1971 von
der Universität Freiburg i. Breisgau mit dem Wilhelm Leopold-Pfeil-Preis als Auszeichnung für seine
Verdienste um die deutsche Forstwirtschaft, geehrt.
22.11.1971
Mehrstündiger Stromausfall infolge Schneeverwehungen.
23.11.1971
Eine englische Militärkapelle gab vor dem Feuerwehrhaus ein Konzert aus Anlaß des 25jährigen
Bestehens des Bundeslandes Niedersachsen.
8.12.1971
Der niedersächsische Wirtschaftsminister Greulich informierte sich zusammen mit dem Regierungspräsidenten
und Oberkreisdirektor über den Bau des Gartower Sees und seiner Nebenanlagen.
29.12.1971
Ein 800 Kübel fassendes Müllfahrzeug bediente erstmalig Gartow.
Die Wasserversorgungsgemeinschaft Gartow-Hauptstraße beschließt ihre Auflösung, da die Mitglieder
inzwischen an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen worden sind.
11.1.1972
Die Gesellschaft für Landeskultur, Bremen, führte Befragungen und Erhebungen zur Lage der
Gartower Landwirtschaft durch.
Landrat Willi Koops, Dannenberg, verstarb auf dem Rückweg nach Hause, nachdem er Gartow
einen Besuch abgestattet hatte.
13.11.1972
Die Landkreisverwaltung hielt im Deutschen Haus eine Besprechung mit Vertretern Gartows und
umliegender Gemeinde wegen der geplanten Gemeindereform ab.
18.1.1972
Behördenvertreter und Planer führten am Gartower See eine Ortsbegehung zur Festlegung des
Seerundweges durch.
1.2.1972
Als neuer Gemeindebrandmeister wurde Herr Pöhland bestätigt.
Das Landesplanerische Raumordnungsprogramm (u.a. auch für Gartow) liegt öffentlich aus.
441
12.2.1972
Bürgerversammlung in Gartow betr. Ausbau und Gestaltung des neuen Gartower Sees, Kanalisation,
Wasserversorgung, Bebauungsgebiete, Ferienanlagen.
20.2.1972
Wasserstand der Seege so niedrig, daß der Wasserlauf oberhalb der Brücke in Gummistiefeln
durchwatet werden konnte.
2.3.1972
Anhörungstermin durch die Gesellschaft für Landeskultur, Bremen, betr. Bebauungspläne „Auf
den Kämpen/Helk“ und „Prezeller Weg“ in Gartow.
13.3.1972
Wiesenflächenbrand: Pfingstweide, Pfingstwiese, Laascher Wiesen, Laascher Damm, Schwarzer
See.
15.3.1972
Die Haushaltungen A. Schmidt und Joh. Mielke am Prezeller Weg erhielten Stromanschluß.
11.4.1972
Funkübung des Bundesgrenzschutzes am Schützenhaus.
16.4.1972
Erste Kirschblüte.
19.4.1972
Baufluchtlinie für den Gehweg Hahnenberger Damm festgelegt.
Erbauung des Fußgängersteges über die Seege bei Nienwalde.
3.5.1972
Abschluß des Gebietsänderungsvertrages zwischen Gartow, Nienwalde und Laasche.
5.5.1972
Gemeindevertreter aus Gr. Eilsdorf besichtigten das Gartower Feriendorf.
8.5.1972
Der Frauenverein Schnega besichtigte in Gartow Ferienhausanlagen.
Erste Fliederblüte.
14.5.1972
Am Ortseingang Gartow-Springstraße kam das Auto eines US-Soldaten ins Schleudern, prallte gegen
einen Baum. Der Fahrer ist tödlich verletzt worden.
17.5.1972
Gemeindevertreter aus Amelinghausen zu einem Informationsbesuch in Gartow.
442
25.5.1972
Hausfrauen aus Hamburg besichtigten die Feriendörfer in Gartow.
4.6.1972
Der Gemeinderat Brome besuchte mit 40 Personen den Ort Gartow.
8.6.1972
Prof. Kulke von der Techn. Universität Braunschweig besuchte zu Lehrzwecken über die Rundlingsforschung
mit 30 Studenten Gartow und Umgebung.
16.6.1972
Das Haus des Schlachtermeisters W. Schultz in Gartow brannte z.T. nieder.
19.6.1972
Öffentliche Auslegung des Flächennutzungsplanes und der Bebauungspläne
„Auf den Kämpen/Helk“ und „Prezeller Weg“.
20.6.1972
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg erklärte seine Beteiligung am Gartower See-Ausbau.
24.6.1972
Letzte Gartower Ratssitzung mit dem bestehenden Gremium.
Die Kreissparkasse stellte für die Erweiterung des Spielplatzes am Waldbad eine namhafte Summe
zur Verfügung.
Der Schulzweckverband Gartow wurde aufgelöst (aus Gartow gingen 103 Jugendliche und Kinder
zur Schule).
Enthüllung der Gedenktafel am Hotel Krug zu Karl May: „Hier weilte Karl May 1842, 1912 und
1898“.
26.6.1972
Gasthof „Gartower Hof“ außer Betrieb, neue geplante Nutzung als Filiale der Genossenschaftsbank.
30.6.1972
Volkshochschule Barendorf mit 20 italienischen Gästen in Gartow.
1.7.1972
Die Gemeinde Lanze wird der Samtgemeinde Gartow zugeordnet. Damit war die Angliederung an
die SG Lüchow gegenstandslos geworden.
Bildung der SG Gartow mit 16 Gemeinden und 4200 Einwohnern. Aus bisher 231 Einzelgemeinden
im Landkreis Lüchow-Dannenberg entstanden 5 Samtgemeinden. Nienwalde und Laasche
sind als Ortsteile der Gemeinde Gartow eingegliedert.
3.7.1972
Der bisherige langjährige Bürgermeister Hennings ist wiedergewählt worden.
443
5.7.1972
Besprechung mit Vertretern der Kreisverwaltung betr. die Mitgliedsgemeinden im „Deutschen
Haus“ in Gartow.
7.7.1972
Für die SG Gartow wurde eine Hauptsatzung erlassen.
Mitglieder: Gartow, Schnackenburg, Gorleben, Höhbeck und Prezelle.
16.7.1972
Kreismissionsfest auf dem Schloßhof in Gartow mit Posaunenchören, Musikgruppen und Laienspielergruppen.
19.7.1972
Gartows Bürgermeister Paul Hennings erhielt als Auszeichnung für seine Vordienste das Bundesverdienstkreuz
am Bande. Hennings war von 1946 - Nov. 1956 und von Juli 1959 bis zu seiner
Wiederwahl am 21.7.1972 Bürgermeister.
24.7.1972
Sägewerksbesitzer Walter Herbst ist verstorben.
31.7.1972
Der Gartower Jagdpächter O. Wulff verstirbt nach einem Herzanfall.
2.8.1972
Überarbeitung des Bebauungsplanes „Auf den Kämpen/Helk“.
Ausbau des Gartower Sees, 1. Bauabschnitt, hat begonnen.
11.8.1972
Fackelzug anläßlich des 50 jährigen Bestehens der Freiwilligen Feuerwehr Gartow.
Partnerschaften
Im Sinne aufgeschlossener Begegnungen mit anderen auswärtigen Gruppierungen kam es auch
in Gartow zu Partnerschaften:
Bundeswehr
Die erste und am längsten andauernde Partnerschaft besteht seit 1969 mit der 4. Kompanie des
Panzeraufklärungslehrbataillons 3 in Lüneburg.
Seither gab es zahlreiche Begegnungen, Biwaks und Vergleichsschießen mit der Gartower Schützengilde.
„Hiermit erklären die Soldaten der 2. Kompanie des Lüneburger Panzeraufklärungs-Bataillons 3,
stets die freundschaftlichen Bande zur Gemeinde Gartow, deren hochlöblichen Bürgern und Räten
aufrecht zu erhalten, zu fördern und zu erweitern.“ (1)
Gartow, den 30.8.1969 Hauptmann und Kompanie-Chef. 26
444
Patenkompanie verlegte Ende August nach Gartow.
„Sieben Monate nach ihrer Rückkehr vom Einsatz in Bosnien-Herzegowina führten Kompaniechef
Hauptmann Marc Bienstiel, Stabsfeldwebel Heinrich Theis und der stellvertretende Kompanietruppführer
Hauptfeldwebel Edel erstmals wieder ausführliche Gespräche in der Gartower Samtgemeindeverwaltung.
Hauptthema war die Vorbereitung des mehrtägigen Übungsaufenthaltes der
Panzeraufklärer in ihrer Patengemeinde. Detailliert erläuterten die Lüneburger Kompanievertreter
dem Samtgemeindebürgermeister Friedrich-Wilhelm Schröder, Bürgermeister Horst Waldow und
dem Gildevorsitzenden Werner Poeck das für die letzte Augustwoche geplante Übungsvorhaben.
Etwa 90 Rekruten haben mit ihren Ausbildern im Rahmen einer Durchschlageübung Gartow in
den Abendstunden des 25. August erreicht und auf dem Schützenplatz Quartier gemacht. In der
darauf folgenden Nacht fand ein Orientierungsmarsch statt, an dem auch erstmals interessierte
Gartower als „Sondergruppe“ teilgenommen haben. Auch der Gartower See wurde in das Übungsgeschehen
mit einbezogen. Am Mittwoch wurde mit den Rekruten, darunter auch erstmals zwei
weibliche Offiziersanwärter, „Stationsausbildung“ betrieben. Dieser Ausbildungsabschnitt dauerte
nur bis zum Spätnachmittag, da sich die Kompanie dann auf einen Grillabend mit ihren Gartower
Gastgebern vorbereitet hat. Der Rücktransport der Übungsteilnehmer in die Lüneburger Theodor-
Körner-Kaserne ist für den 28. August vorgesehen. Ob die Heeresflieger mit ihren großräumigen
CH-53 Hubschraubern diesen Transport übernommen haben, stand bei Redaktionsschluss noch
nicht fest. Schließlich wird auch bei der Truppe mit spitzem Bleistift gerechnet“. 27
35-jährige Patenschaft mit der 4. Kompanie des Panzeraufklärungslehrbataillons 3:
„Die Patenschaft zwischen der Gemeinde Gartow und der 4. Kompanie des Panzeraufklärungslehrbataillons
3 in Lüneburg besteht in diesem Jahr 35 Jahre. Im August 1969 wurde die Patenschaftsurkunde
unterzeichnet. Aus diesem Grunde wird die Patenkompanie mit Soldaten aus der
Führungsebene am 13. und 14. August Gartow einen Besuch abstatten. Das Programm sieht für
Freitag, 13. August, um 18 Uhr die Begrüßung durch den Rat der Gemeinde, der Schützengilde
sowie den Vorsitzenden der weiteren Vereine und der Feuerwehr vor. Am Sonnabend, 14. August,
ist ab 14.30 Uhr ein Vergleichswettkampf mit Mannschaften aus Gartower Vereinen in Form eines
„Spiels ohne Grenzen“ auf dem Schützenplatz vorgesehen. Hier werden Mannschaften aus je vier
Personen an mehreren Stationen um Punkte ringen. Gleichzeitig wird für die Mannschaften und
für die Zuschauer, welche zahlreich erwartet werden, ein kostengünstiges Kuchenbuffet zur Verfügung
stehen. Ab 20 Uhr ist im Schützenhaus ein geselliger Abend mit Musik und Siegerehrung aus
dem Vergleichswettkampf angesetzt. Bei freiem Eintritt bietet der Schützenhaus-Wirt Essen und
Getränke zu günstigen Preisen. Damit der Sonnabend für alle in guter Erinnerung bleibt, bittet die
Patenkompanie und die Gemeinde Gartow um rege Teilnahme der Bevölkerung und auch der hier
weilenden Feriengäste.“ 28
445
Prats-de-Mollo-la-Preste - Gartow
„Nach gegenseitigen Besuchen hat der Gemeinderat Gartow einstimmig den Beschluß gefasst,
mit Prats-de-Mollo-la-Preste, Frankreich, ein Patenschaftsverhältnis einzugehen. Damit sollen die
eingeleiteten freundschaftlichen Beziehungen vertieft werden. Dies bekunden wir, die gesetzlichen
und in freier Wahl unserer Mitbürger gewählten Vertreter des Flecken Gartow, Bundesrepublik
Deutschland durch unsere Unterschrift.
In der Gewissheit, dem Willen und Wohl der Bürger zu entsprechen, geht der Flecken Gartow
damit eine feierliche Verpflichtung ein. Bestehende Verbindungen aufrechterhalten und pflegen
und durch neue Begegnungen der Bürger und vor allem der Jugend ergänzen und fördern, das ist
unser Wunsch.
Damit wollen wir einen Beitrag zur deutsch-französischen Verständigung leisten. Möge sich durch
besseres gegenseitiges Verstehen auch auf dieser Ebene das Bewusstsein europäischer Verbundenheit
noch stärker und unmittelbarer entwickeln!“
(Text entsprechend in französischer Sprache). 29
Gartow, den 4. Juli 1982
Der Bürgermeister L.S.
gez. Schmidt-Maury
Der Gemeindedirektor
gez. Borchardt
446
Sokolow Podlaski - Gartow
„Seit 1995 bestehen freundschaftliche Beziehungen zwischen der polnischen Gemeinde
Sokolow Podlaski sowie dem Wasserbeschaffungsverband Höhbeck und der Samtgemeinde Gartow.
Am 18. September 1999 wurde die Urkunde über eine Partnerschaft zwischen der Samtgemeinde
Gartow und der polnischen Gemeinde Sokolow Podlaski durch Samtgemeindedirektor
Lawin und Samtgemeindebürgermeister Flöter sowie den Ratsvorsitzenden Zelazowski und Bürgermeister
Domanski im Rahmen eines Festaktes im Rathaus von Sokolow Podlaski unterzeichnet.
Vorausgegangen war ein Beschluss des Samtgemeinderates vom 22. Juni 1999, die Partnerschaft
einzugehen. Die Gemeinde Sokolow Podlaski gehört zum gleichnamigen Landkreis. Dieser Landkreis
ist im Osten der Wojewodschaft Mazowieckie, in deren Zentrum die polnische Hauptstadt
Warschau liegt, angesiedelt und grenzt an Weißrussland.“ 30
„Die deutsch-polnische Partnerschaft zwischen der polnischen Gemeinde Sokolow Podlaski und
der Samtgemeinde Gartow besteht am 18. September 2009 bereits seit 10 Jahren. Dieses Jubiläum
soll in Gartow angemessen gefeiert werden – natürlich mit einer Delegation aus Sokolow
Podlask“.
Die Partnerschaft sollte lt. Gemeindebeschluss mit Themen zu Organisation der Verwaltungen,
Touristik und Sport, Umweltschutz, Jugendaustausch und sozialer Fürsorge ausgefüllt werden.
Am 16. Februar 2001 ist ein entsprechender Förderungsverein in Kapern gegründet und am 16.
März 2001 in das Vereinsregister des Amtsgerichtes Dannenberg eingetragen worden. Zu den
Gründungsmitgliedern gehören Ulrich Flöter, Hans-Joachim Schenk, Hans-Joachim Lawin, Wulf
Szegedi, Karsten Pollmeier, Matthias Steinbiß und Uwe Robohm. Der Verein kümmert sich um
die Organisation des Besuchs junger Landwirte aus Polen und Reisevorbereitungen gegenseitiger
Besuche. Der Verein trägt die Bezeichnung: „Verein zur Förderung der Partnerschaft zwischen
der Gemeinde Sokolow Podlaski in Polen und der Samtgemeinde Gartow in der Bundesrepublik
Deutschland von 2001 e.V.“
Samtgemeinde Gartow
Gemeinde Sokolow Podlaski
gez. Lawin gez. Flöter gez. Domanski gez. Zelazowski
Samtgemeinde- Samtgemeinde- Bürgermeister Ratsvorsitzender
direktor
bürgermeister
447
Quellen und Literatur
1. /
2. Nieders. Gesetz- und Verordnungsblatt 1961, Nr. 11, S. 118 - 119 und 1963, Nr. 21,
S. 306 - 308 sowie Gebietsänderungsvertrag vom 28.6.1972 im Amtsblatt für den Regierungsbezirk
Lüneburg vom 30.6.1972, S. 938 - 940
3. Gartower Heimatbote vom 11. und 17.6.1971 „Eine kleine Gemeinde im Zonenrandgebiet.
Dargestellt am Beispiel der Gemeinde Gartow im Kreise Lüchow-Dannenberg.“
4. Gartower Heimatbote vom 15.4.1971 „Zur Gemeindereform. Die derzeitige Situation
im Gartower Raum bei der Bildung der neuen Samtgemeinde Gartow.“
5. Gartower Heimatbote vom 23.7.1971
6. /
7. /
8. Verwaltungs- und Gebietsreform in Niedersachsen
Bd. 1: Gutachten der Sachverständigenkommission für die Verwaltungs- u. Gebietsreform,
Hannover 1969, S. 375
Bd. 2: Gutachten der Sachverständigenkommission für die Verwaltungs- und Gebietsreform.
Vorschläge zur Aufgabenverteilung, Hannover 1969, S. 291 Spörlein, Helmut: „Die Samtgemeinden
in Niedersachsen. Ein Beitrag zum Recht der engeren Gemeindeverbände“,
Göttingen 1965, S. 278 (Dissertation)
9. Gartower Heimatbote Dezember 1970 - Juni 1971
10. /
11. /
12. /
13. Gartower Heimatbote vom 1.7., 9.7., 16.7., 30.7.1971
14. Waldeck, Winfried: „Die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Lüchow-Dannenberg nach
der innerdeutschen Grenzöffnung 1989 - 1994“ in: 15. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises
Lüchow-Dannenberg, Lüchow 2001, S. 315 - 324
15. Gartower Heimatbote vom 16.10.1970
16. Gartower Heimatbote vom 24.9.1971
17. Gartower Heimatbote vom 23.7.1971
18. Gartower Heimatbote vom 8.2.1973
19. Gartower Rundschau vom 1.2.1973
20. Gartower Rundschau vom 1.3.1973
21. Sitzung Samtgemeindeausschuss vom 17.1.1977
22. Sitzung Samtgemeinderat vom 13.6.1977
23. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 24.4.2007
24. Samtgemeinde-Bote Gartow April 2005
25. Befragung A. Kraasmann am 5.3.2007
26. Aushang in der Samtgemeindeverwaltung Gartow
27. Samtgemeinde-Bote Gartow von August 2003
28. Samtgemeinde-Bote Gartow von August 2004
29. Aushangtafel in der Samtgemeinde Gartow
30. Samtgemeinde-Bote Gartow Januar 2009
448
Wirtschaftsleben
Die wirtschaftliche Situation im Raum Gartow
Das Wirtschaftsleben einer Ackerbausiedlung wie Gartow war in der Vergangenheit von den damals
vorherrschenden Handwerksbetrieben und den Handel Treibenden geprägt. Der Haupterwerb
lag jedoch in der Landwirtschaft mit ihren Knechten, Mägden und Tagelöhnern. Von ihnen
lebten Handwerker und Händler. Typische Berufe:
Böttcher, Dachdecker, Drechsler, Färber, Glaser, Leineweber, Maurer, Mühlenbauer, Ofensetzer,
Sattler, Schlosser, Schmied, Schneider, Schuster, Seiler, Stellmacher, Tischler, Töpfer, Zimmermann.
Zeitweise gab es auch weitere Spezialberufe: Buchbinder, Brauer, Nädler, Parchenmacher
und Perückenmacher. Die Existenz der ausgedehnten v. Bernstorffschen Gutswirtschaften sicherte
den Handwerkern das Auskommen.
Zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen Produkten für den täglichen Bedarf
arbeiteten Kaufleute, Bäcker oder Schlachter. Von der Bevölkerung lebten ferner stets Arzt,
Apotheker und Barbier.
Nur der Handel seitens der Gartower Bürgerschaft war kaum ausgeprägt, er wurde überlagert
von den Aktivitäten der Gutsherrschaft. Getreide- und Viehhandel sowie der Handel mit landwirtschaftlichen
Produkten überhaupt, standen im Vordergrund. Lediglich der Holzhandel erreichte
eine gewisse Ausdehnung, war jedoch stets von der Gutswirtschaft abhängig.
Großbetriebe im heutigen Sinn gab es nicht. Nach damaligem Verständnis waren es die Guts-
(land)wirtschaften und die Windmühlen, vielleicht auch noch die Brauerei und die Branntweinbrennerei
auf dem Schloßhof. Neben der Landwirtschaft blühte bald auch die v. Bernstorffsche
Forstwirtschaft auf, die vielen Menschen eine Lebensgrundlage bot. Im Gefolge der technischen
Revolution und gesellschaftlicher Änderungen entstanden neue Tätigkeitsfelder mit speziellen
Ausrichtungen und neuen Berufsbildern. Dennoch blieb die Landwirtschaft bis in die jüngste Zeit
hinein die tragende Säule des Wirtschaftslebens in Gartow. Zu fast jeder Bürgerstelle gehörten
Ländereien und eine Hofwirtschaft. Bis in die 1960iger Jahre hinein, dann jedoch schon reduziert,
haben Gartower Bürger ihr Auskommen in landwirtschaftlicher Tätigkeit gefunden.
Etwa 250 Jahre lang war es die ausgedehnte v. Bernstorffsche Gutswirtschaft, die in diesem
Zeitraum beständig Arbeitsplätze bot und Aufträge vergab. Durch die Existenz der Gutswirtschaft
fanden diverse Handwerker eine sichere wirtschaftliche Grundlage, von der auch die weitere örtliche
Bevölkerung profitierte. Als einzige Großbetriebe existierten damals die beiden Windmühlen
bei Quarnstedt und eine Rossmühle auf dem Gutshof Quarnstedt sowie die Brauerei/Brennerei
auf dem Schlosshof. Sie waren der Gutswirtschaft angeschlossen.
Es dürfte kaum bekannt sein, dass aufgrund der Entlegenheit Gartows zu Bahnlinien, der Transport
auf dem Wasserweg zwangsläufig bevorzugt wurde. So endete die Holzabfuhrbahn vom Gartower
Forst über Gartow an der Elbe am heutigen „Bahn“-Brack, wo sich eine einfache Schiffsverladestelle
befand. Waren die Wasserstände günstig, erfolgten Transporte mit flachgehenden
Kähnen auch über die Seege von und nach Gartow.
Wie sehr eine vor Ort liegende Transportmöglichkeit fehlte, wird an der Gründung eines „Vereins
für den Bau eines Seege-Hafens“ am 19. Dezember 1919 deutlich. Als Hafenstandort war der
Laascher See, zum Hafen aufgeweitet, vorgesehen.
449
Überschlägige Berechnungen prognostizierten folgende Umschlagzahlen:
„…Das Gut Gartow/Quarnstedt (v. Bernstorff) könnte über den Hafen 100 000 Zentner Holz und 2
000 Zentner Heu/Stroh ausführen und 2 000 Zentner Kohle, 3 000 Zentner Kunstdünger und 2
000 Zentner andere Produkte einführen.
Die Grundbesitzer der beteiligten Gemeinden rechneten mit abzusetzenden Produkten über den
Hafen von 8 000 Zentner Heu/Stroh, 15 000 Zentner Holz, dagegen liessen sich voraussichtlich
17 000 Zentner Kohle, 10 000 Zentner Kunstdünger und 16 000 Zentner sonstige Güter einführen.
Das Sägewerk Herbst rechnete mit einem Absatz von 3 500 cbm Schnittholz = 42 000
Zentner über den Hafen und mit einer Einfuhr von 1 500 fm Rundholz = 18000 Zentner. Das
Sägewerk Werth rechnete jedoch nur mit 1000 cbm Schnittholz = 12 000 Zentner, die den den
Hafen verlassen sollten und mit 500 cbm Rundholz = 6 000 Zentner, die zur Einfuhr über den
Hafen vorgesehen waren…“
Das Projekt scheiterte letztlich 1925, der Verein existierte bis zu seiner Löschung am 7. November
1951. Nach dem 2. Weltkrieg ist in Schnackenburg ein Hafen ausgebaut worden, der 1964 in
Betrieb ging und auch der örtlichen Wirtschaft diente. 1/2
Aufgrund seiner ungünstigen geographischen Lage (Sowjetisch besetzte Zone/Deutsche Demokratische
Republik), war der Landkreis Lüchow-Dannenberg von drei Seiten infolge restriktiver
Abschottung durch die „Zonengrenze“ von allen Verbindungen abgeschnitten. Es kam zur Abwanderung
von Bevölkerungsteilen. Verstärkt wurde dieser Vorgang durch die Umwälzungen in der
Landwirtschaft. Der gesamte Landkreis war ein Problemgebiet, aber die Gründe waren auch historisch
bedingt.
Die mangelnde wirtschaftliche Struktur ergab folgendes Bild:
• Hauptberuflich geführte Landwirtschaftsbetriebe nahmen rascher ab als im übrigen Bundesgebiet.
• Verbleibende Betriebe bewirtschafteten eine ständig zunehmende landwirtschaftliche Fläche.
• Die Gebäudeausstattung konnte hierfür nicht rechtzeitig genug umgestellt werden.
• Ausgeschiedene Arbeitskräfte fanden kaum eine andere Erwerbstätigkeit.
• Im Kreisgebiet gab es kaum industrielle Produktion.
• Abwanderung von Arbeitskräften und dadurch Schwächung der Wirtschafts- und Sozialstruktur.
Viele Jahrzehnte waren die Gutsbetriebe, die Holzwirtschaft der Betriebe Herbst und Werth sowie
die Molkerei Hauptarbeitgeber in Gartow. Eine industrieähnliche Produktion erfolgte lediglich in
der Holzverarbeitung, bis auch diese um 1975 weitgehend endete. Eine industrielle Produktion ist
in Gartow nicht zustande gekommen, die Strumpf-Fabrik Einsiedel arbeitete nur kurze Zeit.
Die Beschäftigungsbilanz im Landkreis zeigte für den Zeitraum 1961 - 1970 „den beachtlichen Zuwachs
im warenproduzierenden Gewerbe, die völlige Stagnation des privaten Dienstleistungsbereiches
und eine Zunahme des öffentlichen Sektors“. Eine bescheidene industrielle Entwicklung
mit einem Continentalwerk in Dannenberg und dem SKF-Werk in Lüchow begann um 1958/60 mit
zunächst 900 Beschäftigten, deren Zahl sich um 1970 auf 3 000 steigerte.
Die über 50 Jahre währende Grenzlage und die Marktferne sowie fehlende Industrieansiedlungen
haben Spuren hinterlassen, Arbeitsplätze blieben rar. Das machte eine Umorientierung auf den
450
Tourismus erforderlich, der dann zügig und mit hohen Investitionen realisiert wurde. Allerdings
sind dadurch nur verhältnismäßig wenig Arbeitsplätze entstanden.
Handel, Handwerk und Gewerbe
Als lokaler Wirtschaftsmittelpunkt, zu dem sich der Flecken Gartow langsam entwickelt hatte, bot
er einigen damals typischen Handwerkern eine auskömmliche Existenz.
Im Zeitraum 1697 - 1701 gingen folgende Handwerker ihrer Arbeit in Gartow nach:
Bäcker... Ellies, Christian Loeck; Böttcher Asmus Weichmann, Johann Ulrich Jahnecke; Drechsler...
Gerberding, Johann Behrmann; Färber Johann Christoph Brun; Glaser Jochen David Schröder;
Grobschmied Erich Hose; Kleinschmied Arend Barles,... Piper; Maurer Gottfried Gerber;
Seiler Dietrich Weißweber; Tischler J. Hilmer Meyer; Jürgen Hinrich Reinecke, ...Radken, Jürgen
Baltzer;Töpfer Jürgen Hohentopf; Parchenmacher Jobst Lüthmann; Schlachter Henrich Wiese;
Schneider Henrich Bornemann; Schuster Conrad Gigeler; Zimmermeister Carsten Witthoeft sowie
ein Krämer Cord Dietrich Bülow.
Im Jahr 1715 hielten sich in Gartow einige Personen auf, die kein Bürgerrecht erlangt hatten. Diese
Einwohner, Häuslinge genannt, wohnten mit in den Bürgerhäusern bzw. in Nebengebäuden. Die
meisten von ihnen zahlten an das Haus Gartow ein Häuslings-Schutz- und Dienstgeld. Unter ihnen
befanden sich auch einige Handwerker wie z.B.: der alte Böttcher ...Wichmann, die Hutmacher
Jobst Köppe, Jacob Schulte, Margaretha Schauer; Schuster Christoph Harnisch; Tischler Johann
Hilmer Meyer; die „Bademutter“ (Hebamme) Apollonia Brockhöfft sowie Jürgen Henrich Barbe,
Johann Henrich Radcke, Johann Schulte, Franz Bolsin, Johann Henrich Lehn, Jochim Rönneberg
und Barbara Radchen.
Um 1740 erscheinen weitere Handwerksberufe:
Buchbinder Jürgen Friedrich Cords; Nädler Andreas Gottlieb Rohr; Rademacher Johann
Hinrich Dannenberg; Sattler Ernst Leopold Ziesenitz; Friedrich Cords. Als Handwerker im weitesten
Sinn ist auch der Scharfrichter und Abdecker Valentin Kannenberg anzusehen. 3
Etwa 100 Jahre später, um 1855, gab es in Gartow folgende Handwerker:
Böttcher ...Honig; Drechsler ...Köster; Färber ...Glimmann; Glaser ...Hammer; Klempner ...Hamann;
Maler ...Gerber; Maurer ...Gerber, Basse Thies aus Laasche; Rademacher ...Bark; Schmied ...Bethge,...
Schönberg; Schlosser ...Waldow; Tischler ...Hoop jun. aus Pevestorf und Schuhmacher...
Köhn.
Und um 1888 lassen sich in Gartow weitere Handwerker nachweisen:
Abdecker Aug. Christoph Wilh. Miethling; Bäcker Friedrich August Honig; Johann Heinrich Lauxmann;
Böttcher Friedrich Karl Honig; Dachdecker Karl Nagel; Drechsler Friedrich Köster; Färber
Friedr. Wilh. Theodor Aug. Albrecht; Klempner Ludwig Jage; Maler Karl Gerber; Witwe des Maurermeisters
Gerber; Maurer Wilhelm Hamann, Friedrich Nagel; Schmiedemeister Wilhelm Bruns; Seiler
Heinrich Wilhelm Alfeis; Stellmacher Heinrich Baark, Johann Kröger, Theodor Heinrich Schaal;
Schlachter Albert Schramm, Christian Julius Wellmann; Schmiedemeister Hermann Kropp; Schneider
Heinrich Blankenburg, Heinrich Kaiser, August Wiese; Witwe des Uhrmachers Ernst August
Schulz; Weber Johann Heinrich Schulz; Zimmermeister Friedrich Heinrich Könke, Friedrich Daniel
Köster; Zimmermann Heinrich Wilhelm Bahlke, Heinrich Kaiser, Friedrich Röhl, Heinrich Schramp,
Karl Wendt; Witwe des Zimmermannes Kammlah. 4
451
Neben den klassischen Handwerksberufen erscheinen Anfang des 20. Jhds. neue Berufe:
Agent Karl Uetzmann; Bankbeamter Willi Stahlberg; Barbier Friedrich Guhl; Bierfahrer August Weber;
Bildhauer August Bauer, Paul Hollnagel; Buchhalter Hans Dankert, Moritz Goldnau; Chauffeur
Karl Heise; Diplomingenieur Walther Herbst; Elektromeister Alfred Thier; Fuhrmann Joachim
Järnecke; Gärtner Alfred Rümkorf; Heizer Friedrich Tiemann; Hotelbesitzer Adolf Krüger; Ingenieur
Rudolf Wendig; Landstraßenwärter Heinrich Stroehrmann; Musiklehrer Schwarz; Pantinenmacher
Wilhelm Köttelhörn; Rechtskonsulent Gustav Leibholz; Schiffer Adolf Schulz; Steinmetz Albert Hollnagel;
Techniker August Langenhan; Zahnarzt Albert Mewes; Zimmerpolier Otto Schulz.
Von 1949 - 1970 werden u.a. als Handwerker bzw. Gewerbetreibende genannt: Malermeister
Templin, Malermeister Heinz Zilensky; Erich Drossel (Saaten, Sämereien, Obstbaumspritzen);
August Herbst (Sägewerk, Baugeschäft, Holzhandlung); Wilhelm Junack (Bedarfsartikel für die
Holz-/Forstwirtschaft); Schmiedemeister Günter Bethge. Sein Sohn August Wilhelm („Auwi“) hat
die Schmiede weitergeführt und den Betrieb 2013 in eine neue, wesentlich größere Betriebsstätte
nach Gorleben verlagert; Ofensetzermeister Theodor Patsch; Elektromeister Alfred Thier (Installationsgeschäft,
elektrische Licht- und Kraftanlagen, Rundfunk, Elektromotoren, Heiz- und Beleuchtungskörper).
Ab 1951 Elektromeister Paul Pfeifer (Motoren, Rundfunk, Schwachstromanlagen,
Haus- und Wasserversorgung, Propangas); Schlossermeister Willy Schulz; Malermeister Wilhelm
Reinhardt (Maler-, Glaser-, Tapezierarbeiten); Albert Richelt (Schlosserei, Brunnenbau, Fahrradhandel)
und Tischlermeister Ernst Schmidt (Möbel, Särge). Am 5. Dezember 1957 eröffnete Kurt
Raddatz aus Gorleben in Gartow, Hauptstr. 26 gegenüber dem Hotel Krüger, ein Elektro-, Radiound
Fernsehfachgeschäft.
In den 1960iger Jahren verstarben die letzten alteingesessenen Handwerker:
Friseur Friedrich Wilhelm Leibholz (25.5.1961), Schuhmacher Wilhelm Karl Appelt (29.11.1962),
Schlosser August Haller (11.2.1962), Schneider Otto August Wilhelm Schaal (3.3.1962), Uhrmacher
Karl Horstmann (26.4.1962), Schlosser Rudolf Delius (29.11.1962), Tischler Ernst Schmidt
(18.3.1964), Zimmermann Heinrich Hoppe (1.1.1965), Schneider August Bethge (6.1.1965),
Friseur Otto Arends (18.4.1965), Elektromeister Alfred Max Erich Thier (31.5.1965), Ofensetzer
Theodor Patsch (17.1.1967), Fleischer Oswald Klemm (5.4.1967), die Malermeister Hermann
Emil Koscheike und Friedrich Müller (6.12.1967), Maurermeister Wilhelm Friedrich Schneidereit
(2.4.1968), Sattlermeister Karl Könecke (21.5.1969) und Schlachter Hermann Waldow (6.7.1969).
Nach 1970 änderte sich die Situation grundlegend:
In Gartow hat es nicht nur Handwerker mit Geschäften gegeben sondern auch Händler mit eigenen
Geschäftsräumen wie z.B. Edeka-Lebensmittelmarkt Gisela Hildebrandt, Kaufladen Heinz Stecher
(früher Gardinenwirkerei Petzold), Drogerie Günter Buck, Elektroartikel/Einbauküchen Heike
Schultze, Elektriker Karl-Heinz Pfeifer, Elektrohaus Raddatz (Inh. Karl-Heinz Waltje), Friseure Rudolf
und Peter Hinrichs, Maler Heinz Zilensky, Maler Wilhelm Reinhardt.
2013 hat der „Schütte-Werkmarkt“, Lüchow, eine Filiale mit Artikeln rund um Haus und Garten in
der Springstraße 31 eröffnet. Fahrten zu den Baumärkten in Lüchow oder Dannenberg werden
weitgehend überflüssig.
Einer näheren Vorstellung bedarf jedoch der Lebensmittelmarkt Volker Hildebrandt, der in der
Springstraße 33 unter der Bezeichnung „Edeka aktiv markt Hildebrandt“ seinen Standort hat sowie
die Filiale „Basar“ in der Hauptstraße 7, wo sich einst das Altgeschäft befand (vormals Textilwaren
Hermann Korte). Über viele Jahre dominierte das einzige Lebensmittelgeschäft in Gartow
452
mit einem großen Einzugsgebiet die Geschäftstätigkeit in dieser Sparte. Entsprechend ausgeweitet
war das Verkaufsangebot, wie auch auf spezielle Bedürfnisse der Landbevölkerung im Produktangebot
eingegangen wurde. Insofern ergänzten sich der Lebensmittelmarkt in der Springstraße
und der Basar in der Hauptstraße. Ferner sind in Schnackenburg und Prezelle noch jeweils kleine
Dorfläden betrieben worden, für die Volker Hildebrandt Artikel lieferte und seiner Leitung unterstanden.
Nicht nur das Angebot, auch die Verkaufsfläche ist erweitert worden. Ein größerer Parkplatz
am Lebensmittelmarkt erleichterte die An- und Abfuhr. Inhaber Volker Hildebrandt musste
sich ab 2003 mit dem Gedanken beschäftigen, Konkurrenz in Form einer Filiale einer bedeutenden
deutschen Marktkette zu erhalten.
Die Kölner REWE-Gruppe, die in Deutschland 2.400 Filialen betreibt, ließ ab Juli 2009 in Nachbarschaft
zum Lebensmittelmarkt Hildebrandt einen „Penny“-Markt mit großem Parkplatz bauen
(65 Plätze), der rd. 800 qm Verkaufsfläche aufweist. Das Richtfest erfolgte Mitte August 2009, die
Eröffnung am 14. Oktober 2009. Der rd. 1 Mio. Euro teure „Penny“-Markt lockt mit Öffnungszeiten
von 8 bis 21 Uhr und einem 1.400 Artikel umfassenden Angebot. Dennoch behielt der Lebensmittelmarkt
Hildebrandt einen großen Kundenstamm.
Dann kam die Nacht vom 16. auf den 17. August 2012, als der Markt Hildebrandt in Flammen
aufging, wobei Brandstiftung nicht ausgeschlossen wird. Der Markt musste wegen Totalschaden
aufgegeben werden.
Seit Anfang 2013 ist zunächst das Wohnhaus renoviert worden und die Wiederaufbauarbeiten des
Supermarktes haben 2013 Anfang August begonnen. Die Eröffnung war am 13. Februar 2014. Die
modern gestaltete Einrichtung verbunden mit einem erweiterten Warensortiment ziehen alte und
neue Kunden aus der gesamten Region nach Gartow.
2009: Gartow, Lebensmittelmarkt Hildebrandt vor dem Neubau
453
Biogasanlage Gut Quarnstedt
Mit Einsatz von Fördergeldern ist auf dem Gutshof Quarnstedt eine Biogasanlage realisiert worden,
die Elektrizität und Wärme produziert. Am 1. März 2005 nahm die Biogas Gartow Verwaltungs
GmbH mit ihrem Geschäftsführer Andreas Diehle ihre Tätigkeit auf. Schon seit August 2004
wird mit Hilfe einer Photovoltaikanlage auf dem Scheunendach des Gutes Sonnenenergie in elektrischen
Strom umgewandelt, der 8 Haushalte versorgt.
Um die Biogasanlage errichten zu können, war der Bebauungsplan „Neudeichs Koppeln“ mit 3,7
ha Größe aufzustellen. Im März 2005 wurde mitgeteilt: „…Für die Erzeugung von Strom aus Biogas
habe sich bereits eine Gesellschaft, die „Biogas Gartow GmbH & Co. KG“ gegründet….Die Gesellschaft
plane in Zusammenarbeit mit mehreren Landwirten als Kommandantisten den Bau und Betrieb
einer Biogasanlage mit einer Ausbeute von täglich etwa 8 800 cbm sowie die anschließende
Verbrennung in einem Blockheizkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von rd. 1 Megawatt im
Endausbau….“ Erzeugt wird das Gas aus nachwachsenden landwirtschaftlichen Rohstoffen sowie
aus Abfallprodukten wie Mist, Gülle und Schlempe aus der Schnapsbrennerei. 5
Im Mai 2005 erfolgte der erste Spatenstich zum Bau. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass
die Anlage nicht ein sondern nur 0,75 Megawatt leisten würde, weil gesetzliche Vorgaben zu berücksichtigen
waren. Die Kosten beliefen sich auf 1,8 Mio. Euro, gleichzeitig kam es zu Planungen
für den Transport in Fernwärmeleitungen. Mit der Anlage entstand die zweitgrößte im Landkreis.
Seit dem 22. November 2005 arbeitet die Anlage hauptsächlich mit Vergärung von Mais und
erbrachte seitdem ihre Nennleistung von 500 Kilowatt. Im Oktober 2006 begann der Bau des
Fernwärmenetzes mit Unterdükerung des Kleinen Gartower Sees zur Versorgung der Immobilien
des Grafen Andreas v. Bernstorff und des Senioren- und Pflegeheimes. 6
2007: Biogasanlage in Quarnstedt
454
Nach dem Stand von März 2007 war aus der Presse hierzu zu entnehmen:
„Die Versorgung mit Fernwärme aus der Gartower Biogasanlage in Quarnstedt, die seit dem 19.
Januar schrittweise in Betrieb genommen wird, funktioniert noch nicht so, wie es sich die Betreiber
vorgestellt haben. Das Seniorenheim des DRK wird seit 22. Januar zu 100 Prozent mit Fernwärme
versorgt. „Das haben wir eingehalten“, unterstreicht Andreas Diehle, Geschäftsführer der Biogas
Gartow GmbH & Co. KG, zugleich Leiter der Gräflich Bernstorffschen Gutsverwaltung. Die Biogas-
Firma gehört zur Hälfte Andreas Graf von Bernstorff sowie zum anderen Teil sieben Anteilseignern,
allesamt Landwirte aus der Region.
Das aktuelle Problem: Die Wärmeauskoppelung aus den Blockheizkraftwerken (BHKW) funktioniert
nicht so, wie es die Installationsfirma angekündigt hatte. „Das BHKW verrußt viel schneller
als erwartet und muss bislang nach 300 Betriebsstunden gereinigt werden, um auf die benötigte
Wärmeleistung zu kommen. Und selbst danach ergibt sich ein neuerliches Verrußen derart
schnell, dass nunmehr erheblicher Nachbesserungsbedarf besteht“, berichtet Geschäftsführer
Diehle. Zudem will er eine in Gartow kursierende Falschmeldung klarstellen: „Wir sind niemals
angetreten, dass ein zu versorgendes Gebäude ohne zusätzliche Kesselanlage auskommt.“ Die
Versorgung zu 100 Prozent mit Fernwärme sei ein langfristiges Ziel, dem dadurch Rechnung getragen
wurde, dass die Leitungsdurchmesser der Wärmeleitungen deutlich größer dimensioniert
wurden, als für die zunächst vorgesehenen Objekte. Insgesamt ist die Leitung 3,5 Kilometer lang.
Die Kosten der Verlegung einschließlich der Übergabestationen und der Steuerungstechnik belaufen
sich auf rund 1,1 Mio. Euro.
Nach dem DRK-Heim wurde als nächstes das von Bernstorffsche Schloss nach und nach mit der
Fernwärme aus der nahen Biogasanlage versorgt, berichtet der Geschäftsführer. Die Restwärme,
die derzeit produziert wird, geht an den Schulkomplex, der dadurch seine Holzhackschnitzelheizung
entlasten kann. Die Wendlandtherme soll dann im Sommer mit Biogas-Fernwärme versorgt
werden. Das sei von vorn herein so geplant gewesen. Dass die so genannten Leitungsverluste eine
Versorgung der Wendlandtherme unwirtschaftlich werden lassen, sieht Diehle als unbegründet
an. Im Gegenteil. Derzeit werde nur Wärme von 400 bis 500 kW durch die Leitungen an die Abnehmer
geschickt. Die Wärmeleitungen seien aber auf 1 500 bis 2 000 kW ausgelegt. „Wir haben also
noch Potenzial, weitere Gebäude mit Wärme zu versorgen“, wirbt Diehle für heimische Heizwärme
mit Blick auf steigende Energiepreise.“ 7
Weitere Informationen nach dem Stand von Juli 2008 präzisieren die Biogasanlage Gartow:
„Die Biogasanlage… wird von acht Landwirten aus der Region betrieben. Seit Ende 2005 ist die
Biogasanlage in Betrieb. Auf ca. 280 ha Fläche rund um Gartow wird hauptsächlich Mais aber
auch Grünroggen angebaut, der neben Rinder- und Schweinegülle als Rohstoff in der Biogasanlage
eingesetzt wird. In den Fermentern werden die Rohstoffe unter Luftabschluß von Bakterien zu
Biogas verarbeitet. Das Biogas wird in Blockheizkraftwerken zu Strom und Wärme umgewandelt.
Die Blockheizkraftwerke liefern 750 Kilowatt elektrische Leistung und 810 Kilowatt thermische
Leistung pro Stunde. Der Eigenbedarf der Biogasanlage liegt bei 75 Kilowatt elektrisch und 150
Kilowatt thermisch…. Die an das 3,3 km lange Netz angeschlossenen Kunden sind das Schloss
Gartow, das DRK-Senioren- und Pflegeheim Gartow, die Grundschule und die Elbtalschule sowie
die Wendland-Therme. Die angeschlossenen Kunden versammeln eine Gesamtleistung von 1 500
Kilowatt thermisch….In den ersten 9 Monaten wurden 2,1 Mio. Kilowatt Wärme verkauft, davon
kamen 1,8 Mio. Kilowatt aus Biogas und knapp 300 000 aus Holz….“ 8
455
Holzwirtschaft
In einer nordwestlich-südöstlichen Ausdehnung von rd. 18 km erstreckt sich der Gartower Forst,
begrenzt von Gorleben, Gartow und Nienwalde, Wirler Spitze, Lomitz, Prezelle, Nemitz, Trebel und
Gedelitz. Der größte Teil dieses Areals wird besitzmäßig mit 5800 ha vom gräflich von Bernstorffschen
Forst eingenommen, der Rest besteht aus Bauernwaldungen. Einst überwiegend aus Heide
und kleinteiligen Anflugwäldchen bestehend, ist der gräfliche Forst planmäßig aufgeforstet worden,
was mehr als 200 Jahre in Anspruch genommen hat. 1775 bestand dieses Gebiet aus 50%
Wald, 13% Acker und zu 37% aus Heide, Ödland und Moor. Als Holzarten sind Kiefer, Eiche, Erle,
Birke, Fichte (ab 1860), Douglasien (ab 1877) und Schwarzpappel (ab 1911) vorhanden. Das Vorkommen
der Kiefer mit 92% (4922 ha) überwiegt bei weitem. Bis 1875 sind dicht ausgebrachte
Zapfen- und Klengsaaten eingebracht worden, von 1875 bis 1895 erfolgten „Pflanzungen auf
Vollumbruch mit schlechtrassigem Anteil.“ Seit 1897 wird eine gute Forstpflege durchgeführt.
2009: Hauptstr. 6, Verwaltung Gräflich von Bernstorffsche Betriebe
Infolge von Kalamitäten sind bis 1958 rd. 1736 ha Kahlhiebe vorgekommen:
Sturm vom 14.11.1940 = 176 ha, Waldbrände 1942 - 1947= 284 ha, Spinnerfraß 1946/49 = 947
ha, Holzeinschlag durch die Besatzungsmacht und für den Export = 329 ha. 9/10
Der sich bald nach den Aufforstungen im 18. und 19. Jahrhundert einstellende Holzreichtum,
insbesondere im gräflichen Forst, brachte nicht nur vielen Menschen auskömmliche Arbeit sondern
auch für den Besitzer laufenden Gewinn. Allerdings sind über viele Jahrzehnte nur Ausgaben
angefallen, die Aufforstung amortisierte sich erst spät.
456
„Über allen Wipfeln ist Ruh“.
Neben der traditionellen Nutzung des Waldes als Holzlieferant gibt es seit 2007 (gewidmet 12.
Mai 2007) in einem Areal am Rand des Forstortes „Elbholz“ einen Ruheforst. Urnen Verstorbener
werden unter den Bäumen beigesetzt. In würdiger, friedvoller Umgebung ist eine Anlage entstanden,
die inzwischen weit über Gartows Grenzen hinaus bekannt geworden ist.
Etwa 100 Jahre lang sicherte allein der gräfliche Forst die Existenz von drei Sägewerken (Wiegrefe
in Gorleben, Herbst und Werth in Gartow), wo Arbeitskräfte aus Gartow und Umgebung eine dauernde
Beschäftigung fanden. Als Rohstofflieferant erfüllte er eine wichtige wirtschaftliche Funktion.
Rudolf Haberland hat auch die beiden Pioniere Herbst und Werth beschrieben.
Sägewerk Herbst:
„…Mit der Hand gesägt oder nur mit dem Breitbeil behauen waren die Ständer, Riegel, Sparren
und Balken unserer alten niederdeutschen Bauernhäuser. Als aber der Mensch die Kraft des
Dampfes in seinen Dienst gezwungen hatte, begann er auch gar bald die Baumstämme des Waldes
mit Maschinenkraft zu zersägen, und im Jahre 1865 erblickte man in einer Waldparzelle bei
Rucksmoor bei uns zum ersten Male das fauchende, funkensprühende Ungetüm einer mit zehn
Pferdekräften arbeitenden Lokomobile, die Bechtold Graf Bernstorff dort hatte aufstellen lassen,
die mächtigen Kiefernstämme zu Kantholz, Bohlen und Brettern zu zersägen. Wie mag man dieses
Wunderwerk menschlichen Denkens und Schaffens damals angestaunt haben!
1868 erwarb Johann Christian Georg Herbst, Holzhändler aus Prezelle, geb. 19.9.1837, die Dampfmaschine
und errichtete im Ortsteil Hahnenberge auf dem Platz des noch heute dort bestehenden
Betriebes ein Sägewerk mit einem Vollgatter und einer Kreissäge. Johann Christian Herbsts
Vater, Heinrich Daniel Herbst, geb. am 23.12.1794 in Lauenburg bei Einbeck (Hann.), war 1824
als Zolleinnehmer nach Prezelle gekommen, hatte dort 1835 mit dem Holzhandel begonnen und
damals bereits mit der Hand Holz im Walde zu Brettern aufsägen lassen. Diese Schneidegruben
sind heute noch im Prezeller Forst zu finden. 1871 zog Johann Christian Herbst mit seiner Familie
nach Gartow in das Haus an der Lüchower Chaussee, heute Nr. 16.
Johann Christian Herbst war ein energischer und zielstrebiger Mann, der auch im öffentlichen
Leben eine Rolle spielte. Er gehörte schon damals dem Kreistage an. Sägewerk und Holzhandlung
hat er mit gutem Erfolg weiterentwickelt und damit eine Arbeitsmöglichkeit für immer mehr Menschen
geschaffen. Seiner Initiative war es auch zu verdanken, daß im Gräflich Bernstorffschen
Forst eine Waldbahn zum Transport des Rundholzes angelegt wurde. Die Schienen führten direkt
ins Sägewerk, während ein weiterer Schienenstrang an die Elbe lief. Dort wurde das Schnittholz mit
eigenem Schiff nach Hamburg verladen. 1888 trat sein ältester Sohn Christian († 1956) als Kaufmann
in den Betrieb ein und 1892 der zweite Sohn August (1870 - 1951) als Baugewerksmeister.
Es wurde ein Baugeschäft angegliedert, welches heute noch besteht. Um die Jahrhundertwende
wurden bereits 100 bis 120 Leute beschäftigt. Auch in Ostpreußen kaufte die Firma größere Mengen
Rundholz, welche dort eingeschnitten wurden. Hinter Wirl, in Hockenheide, stand ein fliegendes
Sägewerk, um die in der Altmark gekauften Hölzer einschneiden zu können. 1908 wurde in
Lüchow eine Holzhandlung eröffnet und 1912 eine weitere in Lüneburg. Diese Holzhandlungen
sind auch heute noch im Besitz der Familie Herbst. 1908 bis 1912 übernahm Christian Herbst die
Holzhandlungen, während August Herbst Sägewerk und Baugeschäft in Gartow weiterführte. Er
erweiterte und erneuerte den Gartower Bereich, so daß ferner vier Gatter und ein Horizontalgatter
liefen. August Herbst baute auch mehrere Arbeiterhäuser mit geräumigen Wohnungen für seine
457
Leute. Eine besondere Neuerung war aber die
Errichtung einer elektrischen Licht- und Kraftanlage,
welche die Werkwohnungen und einen
Teil der Häuser in Hahnenberge mit Licht
versorgte. Bis zum 1. Weltkrieg führte die Firma
große Bauvorhaben in Salzwedel aus. Von
1914 bis 1918 wurde der Betrieb mit Frauen
und Kriegsgefangenen weitergeführt. 1927
trat dann der Sohn Walter Herbst (geb. 1903)
nach Absolvierung seines Diplom-Ingenieur-
Examens in die Firma ein. Er führte mit seinem
Vater August Herbst bis zu dessen Tod 1951
die Firma gemeinsam weiter und ist heute alleiniger
Inhaber.
In den Jahren von 1927 bis zum Beginn des
2. Weltkrieges wurde der Betrieb wieder technisch
modernisiert. Der Holztransport wurde
auf Traktoren umgestellt, und für die Schnittholzverladung
wurden Lastzüge angeschafft.
August Herbst
Die Firma konnte auch über den 2. Weltkrieg hinaus weiter bestehen, obwohl nach 1945 durch die
Zonengrenze erhebliche Einschränkungen im Rundholzkauf und Baugeschäft eintraten. Die maschinentechnische
Umstellung, welche vor dem Krieg eingeleitet worden war, konnte erfolgreich
fortgesetzt werden. Als Nebenbetriebe werden weitergeführt eine Mahlmühle (seit 1885) und ein
größerer landwirtschaftlicher Betrieb. Die Firma Herbst gehört zu den ältesten und größten Sägewerksbetrieben
des Landes Niedersachsen.“ 11
Der Holzanfall war so erheblich, daß es sich
lohnte, eine sogen. Waldbahn von insgesamt
13,1 km von Wirl bis zum Elbholz erbauen zu
lassen, die durch Gartow führte und selbstverständlich
Anschluß an das Sägewerk Herbst
hatte. Das gefällte Holz wurde vor Ort auch
auf schnell zu verlegende Nebengleise abseits
der eigentlichen Hauptbahn auf Fuhrwerke
geladen, wobei unter diese auf sogen. Trucks
geschoben wurden. Die Trucks selbst sind von
Pferden nach Gartow bzw. zum Elbholz gezogen
worden. Forstassessor Carl Junack beschrieb
die Anlage wie folgt: „Die erste Anlage der Bahn
geschah im Jahre 1884, um einem abgelegenen
Revierteil (Wirl) Anschluß an die Chaussee
Gartow-Lüchow zu verschaffen….Die Spurweite
beträgt 1000 mm. Eine geringere Spurweite
würde die Kosten verbilligen …“ aber „sie ist
abhängig von der Breite der Ackerwagen….Als
beste Trucks haben sich bisher die
Lageplan des Sägewerks Herbst
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mit gebogenem eisernen Rahmen bewährt. Wir müssen darunter die Untergestelle von Loren verstehen,
wie sie einst bei großflächigen Erd- und Planierungsarbeiten (Ton-, Sand- und Torfabbau)
eingesetzt wurden …“ und weiter: „Der Anlage von 1884 folgte eine zweite im Jahr 1889 von
Gartow nach dem Elbufer in einer Länge von 3,5 km und im Jahre 1893 und folgende Jahre eine
Verlängerung der Strecke Gartow-Wirl nach Capermoor zu, die jetzt 3,6 km beträgt …“
Aufstellungsplan einer „Lanz-Lokomobile“ im Betrieb A. Herbst
Initiator des Waldbahnprojekts war nicht Graf v. Bernstorff, wie man annehmen mag, sondern Sägewerksbesitzer
Herbst. Bis 1901 pachtete Herbst die Bahn, danach zahlte er Transportgebühren
an den Grafen. Dieser hatte jedoch aus den Einnahmen die Bauunterhaltung zu bestreiten. Um
1949/50 war das Ende der Waldbahn gekommen, die Schienen und Schwellen wurden demontiert
und verkauft. Der Holztransport erfolgte bereits während des 2. Weltkrieges vermehrt mit
Lastkraftwagen. 12/13/14
August Kraasmann (6.6.1911 - 22.3.2010), Gartow-Hahnenberge, sein Arbeitsleben lang bei der
Firma Herbst tätig, erinnert sich:
„Die Sägewerke, insbesondere das von Herbst, waren die bedeutendsten im Kreisgebiet und hatten
ständig zu tun. Die Firma Herbst kaufte im gräflichen Forst hiebreife Baumbestände, ließ diese
mit eigenem Personal fällen, entasten und per Waldbahn mit Pferdekraft in das Werk bringen.
Jeder Holztransport fasste 3 Raummeter, wobei ein Transport von Wirl bis Gartow etwa 1 ½ Stunde
unterwegs war. Jeden Morgen eines Werktages fuhren die Pferdegespanne zunächst Richtung
Wirl, um Ladung abzuholen.
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Im Sägewerk wurde das Stammholz zu Brettern oder Kanthölzern zurechtgesägt je nach Auftrag.
Dies erfolgte mit vier Sägegattern, die früher mit einer Dampf-Lokomotive angetrieben wurden. Da
die Waldbahn an den Sägewerken vorläufig endete, wurde das bearbeitete Holz auf Pferdefuhrwerke
verladen, durch Gartow gefahren bis Quarnstedt, wo die Waldbahn bis zur Verladestelle an
der Elbe (Bahnbrack) weiterführte. Das Sägewerk Herbst lieferte fast ausschließlich Bauholz per
Schiff nach Hamburg, wobei hiesige Schiffseigner den Transport übernahmen. Die verarbeiteten
Hölzer sind per Hand auf-, ab- und eingeladen worden. Lediglich zum Einladen des Stammholzes
bei Wirl ist ein kranähnliches Gerät eingesetzt worden. Als im 2. Weltkrieg der Wassertransport unsicherer
wurde, kamen erstmals Lastkraftwagen auf. Nach 1945 wurde die Waldbahn nicht mehr
benutzt. Etwa 1940/41 erhielt die Firma Herbst von der Militärverwaltung den Auftrag zum Bau
von drei großen Lagerhallen in Bremen, wo ein Teil der Zimmerleute für ein Jahr lang arbeitete.
Sowohl bei Herbst als auch bei Werth waren in der Kriegszeit Franzosen, Polen und Russen, die in
Kriegsgefangenschaft gerieten, in den Sägewerken eingesetzt.
Das Sägewerk Werth hatte sein traditionelles Absatzgebiet in der Altmark bzw. in der östlichen
Nachbarschaft. Beide Sägewerke haben aber nicht nur die Holzbearbeitung betrieben sondern
auch einen Stamm Zimmerleute auf auswärtige Hausbaustellen geschickt. Es war selbstverständlich
für die Arbeiter, mit dem Fahrrad und Arbeitsgerät auch über längere Distanzen zu fahren.
Obwohl die Arbeiter von den Betriebsinhabern nicht schlecht behandelt wurden, waren sie fast
alle Sozialdemokraten“.
August Kraasmann, dem wir diese Schilderungen verdanken, trat schon als junger Mann der sozialdemokratischen
Partei(SPD) bei. Mit 82 Jahren Parteizugehörigkeit war er wohl Deutschlands
ältestes Parteimitglied. In der Vergangenheit haben die Parteiführer Willy Brandt, Helmut Schmidt
und Franz Müntefering an August Kraasmann Ehrungen vorgenommen. Auf diese Weise besuchten
prominente Bundespolitiker den Ort Gartow. Sie haben aber nicht den wirtschaftlichen Niedergang
der Sägewerke aufhalten können. Von den etwa 150 - 160 Arbeitskräften, die zusammen in
beiden Sägewerken Beschäftigung fanden, haben sich des besseren Verdienstes halber viele von
ihnen bei den schwedischen Kugellager Fabriken in Lüchow und bei dem Continentalwerk in Dannenberg
einstellen lassen. Ohnehin war der Nachholbedarf beim Wiederaufbau Hamburgs gesättigt
und die Marktferne tat ein Übriges, die Holzindustrie in Gartow entscheidend zu schwächen.
Ein Bruder von August Herbst etablierte sich mit einem Holzhandel schon frühzeitig in Lüneburg,
dessen Betrieb von seinen Nachfahren bis heute weitergeführt wird.
Nach einem Jahr intensiver Planung und Vorbereitung wurde am 30. Juni 1920 die Firma C. Herbst
Holzhandlung in Lüneburg, Auf der Hude 54, eröffnet. Das stetige Wachsen des Unternehmens
machte eine Teilung der Firmenleitung erforderlich, Großvater Christian Herbst übernahm die Führung
der Firma in Lüneburg, während dessen Bruder August, der Großonkel, für die Betriebe in
Gartow und Lüchow zuständig war. Bedingt durch den Krieg und dessen Folgen verzögerte sich
der vorgesehene Generationswechsel. Am 2. Juni 1950 übergab der damals 74jährige Großvater
die Leitung der Firma an den Vater Christian Herbst. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters übernahm
Helmbrecht Herbst als 19jähriger die Verantwortung für die Firma und expandierte weiter,
der 1986 zur Verlegung von Teilbereichen in das Lüneburger Industriegebiet Goseburg führte. Seit
Juni 1996 hat die Firma ihren Sitz in der Goseburgstr. 51. 15
Die Holzhandlung Herbst expandierte und gründete 1904 eine Filiale in Lüchow. Seit 145 Jahren
existiert in Lüchow die Holzhandlung Herbst, wobei der dortige Gleisanschluss ausschlaggebend
für die Firmengründung war. Zum 140jährigen Jubiläum war zu erfahren:
460
„…Waren in den Anfangsjahren der Firma Herbst 30 verschiedene Produkte im Sortiment, so kann
der Kunde heute unter mehr als 3500 lagerhaltenden Produkten wählen… Die Firma besitzt eine
Grundstücksfläche von rd. 35000 qm, davon sind ca. 30000 qm genutzte Lagerfläche. Mit vier
großen Lagerhallen verfügt sie über rd. 7000 qm überdachte Lagerfläche, davon sind ca. 1500
qm Ausstellungs- und Fachmarktfläche. Es sorgen heute 26 Mitarbeiter für eine gute Fachberatung
und Abwicklung….Die Ware wird mit vier eigenen Lastkraftwagen im Umkreis von rd. 200 km
möglichst schnell und sorgfältig ausgeliefert…“ Geschäftsführender Gesellschafter ist Dr. med.
vet. Matthias Herbst, Gartow. 16
Sägewerk Werth:
Das zweite Sägewerk in Gartow, schräg gegenüber dem Sägewerk Herbst im Ortsteil Hahnenberge
gelegen, war das Sägewerk Werth. Aus den 1941 und 1951 erschienenen Firmenchroniken sind
Einzelheiten zu entnehmen:„Aus uralten Bauerngeschlechtern entstammt die Sippe Werth. Die
Urahnen bebauten fruchtbarste Böden im niederländischen, später im niedersächsischen Raum,
die dem Meere abgerungen warden, bis Peter Werth geb. 1612 im Alten Lande, in Seedorf an der
Löcknitz (Lenzener Wische) um 1645 seinen Freisassenhof errichtet. Ihm folgen der Freisasse
Jürgen Werth (geb. 1650, gest. 1726), Kirchenvorsteher in Seedorf und der Freisasse Jochim
Christopher Werth (geb. 1697, gest. 1753), dessen 3. Sohn Joachim Friedrich Wilhelm Werth (geb.
1746, gest. 1815) um 1771 Müllermeister in Gummern bei Schnackenburg wird und im Jahre
1775 die Gummersche Windmühle erbaut. Sein kränklicher Sohn, der Müllermeister Ludewig Henning
Joachim Conrad Werth (geb. 1790, gest. 1840), verpachtet die Mühle, die der Sippe dann
bald verloren geht, so daß Johann Friedrich Christian Heinrich Werth (geb. 1828, gest. 1895) das
Zimmerhandwerk erlernt. Er heiratet im Jahre 1862 Anna Maria Sophie Elisabeth Warnecke, baut
sich um 1870 in Pevestorf ein Haus, in welchem am 16. April 1871 der jetzige Zimmermeister und
Sägewerksbesitzer Wilhelm Werth geboren wird…“ 17
Den weiteren Verlauf der Betriebsgeschichte
hat Rudolf Haberland veröffentlicht:
„Aus einem kleinen handwerklichen Betrieb
hat sich das jetzige Säge- und Holzpflasterwerk
Werth & Sohn in Gartow entwickelt. Der Begründer
desselben war der am 25. November
1950 zu Gartow verstorbene Zimmermeister,
Sägewerksbesitzer, Land- und Forstwirt Wilhelm
Werth.
Als viertes Kind des Zimmermanns Christian
Werth wurde derselbe am 16. April 1871
in Pevestorf geboren. Nach einer harten und
an Entbehrungen reichen Kindheit erlernte er
in dreijähriger Lehrzeit von 1886 an bei dem
Zimmermeister Wilhelm Schmidt in Kapern das
Handwerk seines Vaters. Nachdem er noch ein
Jahr als Zimmergeselle bei seinem Lehrmeister
tätig gewesen war, begann er 1890 mit kleinen
selbständigen Arbeiten in Pevestorf. Auf Betreiben
des Hofbesitzers Kakerbeck in Pevestorf,
der damals Kreisdeputierter war, machte der
Friedrich Theodor Wilhelm Werth
461
Zwanzigjährige im April 1891 sich selbständig. Anfangs arbeitete er nur mit seinem Vater zusammen,
konnte aber in den Jahren 1892 bis 1902 den Betrieb so erweitern, daß er bald bis zu 10 Gesellen
beschäftigte. Alles Bauholz wurde zunächst noch mit der Hand gesägt oder behauen, erst
im Jahre 1900 wurde die erste Bauholzkreissäge aufgestellt, die durch eine geliehene Lokomobile
angetrieben wurde. Die ungünstige Geschäftslage in Pevestorf zwang 1902 zu einer Verlegung
des Unternehmens nach Quarnstedt bei Gartow, aber bereits 1903 brannte das unversicherte
Werk infolge Selbstentzündung völlig nieder. Es wurde jedoch unverzüglich wieder aufgebaut und
sogar noch wesentlich erweitert. Als im Jahre 1913 die Pacht für das Werkgelände in Quarnstedt
ablief, wurde eine nochmalige Verlegung des Betriebes notwendig. Es entstand in Gartow-Hahnenberge
auf eigenem, 1912 von neun verschiedenen Besitzern erworbenem Boden ein neues,
abermals vergrößertes Sägewerk mit Zimmerei, welches das Fundament bildete für den noch heute
bestehenden Betrieb. 1915 wandte sich Meister Wilhelm Werth auch dem Schnittholzhandel
zu. 1919 erfolgte die Gründung eines Sägewerkes in Oerenburg. 1920 wurde dem Gartower Werk
eine Tischlerei, eine Stellmacherei, eine Schmiede und eine Getreidemühle angegliedert. Selbst
noch in den Krisenjahren 1929 bis 1932 konnte die Bautätigkeit bis nach Wittenberge (Großviehhalle
1930) und in die Gegend von Seehausen, Werben und Osterburg ausgedehnt werden.
Von besonders einschneidender Bedeutung für das Gartower Unternehmen aber wurde das Jahr
1937 durch den Bau eines Holzpflasterwerkes mit den erforderlichen Spezialmaschinen, Imprägniereinrichtungen
und Trockenkammern. Nun wurde auch Wilhelm Werths Sohn und langjähriger
Mitarbeiter, der Bauingenieur Christian Werth, Mitinhaber und Gesellschafter der handelsgerichtlich
eingetragenen offenen Handelsgesellschaft Werth & Sohn. Für zahlreiche Fabrikanlagen und
Behörden hat das Pflasterwerk seitdem Fußböden geliefert und gelegt. 1938 beschäftigte der
Gartower Betrieb etwa 120 männliche und 5 weibliche Arbeitskräfte. Ein Großfeuer, das in der
Nacht vom 30. November zum 1. Dezember 1941 die Säge- und Hobelhalle, das Kessel- und
Dampfmaschinenhaus, die Tischlerei und die Getreidemühle vernichtete und dessen Ursache unaufgeklärt
blieb, war ein böser Schlag für die Firma, da die Beschaffung neuer Maschinen auf
schier unüberwindliche Schwierigkeiten stieß. Nur behelfsmäßig konnten die Schäden, die der
Brand verursacht hatte, beseitigt werden.
Der Ausgang des zweiten Weltkrieges brachte durch den Verlust der Altmark und die verminderten
Holzeinschlagsmöglichkeiten Einschränkungen der Bautätigkeit und des Sägewerksbetriebes mit
sich. Trotzdem konnten 1946 und 1948 die Säge- und die Hobelhalle, das Kesselhaus und die
Tischlerei neu aufgebaut werden. 1949 wurde durch die Einrichtung einer modernen Holzhandlung
auf einem eigenen Grundstück in Hamburg-Wandsbek die Grundlage für die Entwicklung
eines neuen Zweigunternehmens geschaffen, das seitdem unter der Leitung Christian Werths, geboren
1901, den Betrieb in Gartow an Bedeutung weit überflügelt hat. Doch Wilhelm Werth hat die
Schwerpunktsverlagerung seines Lebenswerkes nicht mehr erlebt. Nach langer, schwerer Krankheit
setzte der Tod seinem rastlosen, von zäher Energie getragenen Schaffen am 25. November
1950 ein Ende. Seit dem frühen Tode seines Sohnes, des Diplom-Ingenieurs Heinrich Werth
(+ 24.12.1955), der 1948 schon Mitinhaber geworden war und dann auch Leiter des Gartower
Sägewerks, ist Christian Werth alleiniger Leiter und Inhaber des Unternehmens.“ 18
1954 war das Sägewerk Werth + Sohn in Gartow einer der ältesten Handwerksbetriebe im Landkreis.
Der Betrieb beging 1941 sein 50 jähriges Bestehen. Zur Geschichte sind folgende Sätze
überliefert: „…Der im November 1950 verstorbene Wilhelm Werth, Sohn eines Pevestorfer Zimmermannes,
hatte das Zimmererhandwerk in Kapern erlernt und gründete als Zwanzigjähriger
mit der Gewerbeanmeldung sein Unternehmen. Als Lehrling hatte er auch am Bau des Graf Bernstorffschen
Fachwerk-Herrenhauses in Junker Wehningen samt der hohen hölzernen Turmspitze
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Anteil gehabt. Im Jahre 1900 wurde die bis dahin ausschließliche Handarbeit durch Aufstellung
einer Bauholz-Kreissäge erleichtert.
In den weiteren Jahren wurde das Unternehmen ständig modernisiert, wobei allerdings ein Schadenfeuer
1903 einen erheblichen Rückschlag brachte. 1938, um einen Ausschnitt aus der Entwicklung
zu geben, beschäftigte der Betrieb etwa 120 Männer und 5 Frauen, eingerechnet die
Holzpflasterverleger; damals lieferten Werth + Sohn allein an das Volkswagenwerk 50 000 qm
Holzpflasterboden und verlegten ihn. Im Kriegsjahr 1941 … brachte abermals ein Schadenfeuer
einen großen Rückschlag in den betrieblichen Anlagen. Schäden, die zum Teil erst 1948 wieder
durch Neubauten ersetzt werden konnten, um die hohe Leistungsfähigkeit wieder herzustellen.“ 19
1972 beabsichtigte Bauingenieur Günter Werth das Sägewerk an Graf Andreas v. Bernstorff zu
verpachten, wozu es dann aber nicht kam. Damals existierten im Werk zwei Sägegatter, die jeweils
mindestens 11 Festmeter, maximal 14 Festmeter pro Tag an Leistung erbrachten. Außer dem
Sägewerksbetrieb sollte die Klotzholzproduktion zur Herstellung von Industrieholzböden wieder
aufgenommen werden. Auch diese Planung zerschlug sich. Hinzu kamen im Oktober 1976 zwei
Brände innerhalb von vier Wochen, die das Sägewerk Werth so sehr zerstörten, dass ein Wiederaufbau
nicht mehr in Aussicht genommen wurde. 20
Kalthaus-Genossenschaft
Die herkömmliche ländliche Konservierung von Lebensmitteln ist bekannt: Pökeln, Räuchern, Dörren,
Einwecken und Einkochen. Kurzzeitigeres Aufbewahren von bestimmten Lebensmitteln war
ferner im Keller in Tongefässen, bei kühler Temperatur, möglich. Das Lagern von Produkten in
sogen. Eiskellern gehörte ebenfalls dazu. Diese Art der Dauerkonservierung wurde vorzugsweise
von Brauereien betrieben und setzte größeren Raumbedarf voraus.
Selbstverständlich gab es bereits vor dem 2. Weltkrieg Kühlschränke und Tiefkühltruhen, die sich
aber fast ausschließlich in den Städten in wohlhabenden Haushalten befanden. Leicht verderbliche
Lebensmittel können im Kühlschrank, je nach Art und Frischezustand, etwa 14 Tage lang aufgehoben
werden. Wird jedoch eine langfristige Vorratshaltung von bis zu 12 Monaten gewünscht,
ist die Gefrierlagerung die effektivste. In den Dörfern etablierte sich der Betrieb von Kalthäusern
– vornehmlich als Gemeinschaftsgefrieranlagen. Im ländlichen Raum zu damaliger Zeit, als fast
noch auf jedem Hof selbst geschlachtet wurde und mancher Bauer auch der Jagd frönte und erlegtes
Wild nach Hause brachte, bot sich die Gefrierlagerung geradezu an. Die Mengen aus der
Selbstschlachtung konnten kaum in Tiefkühltruhen oder Kühlschränken untergebracht werden.
Durch Propagierung der Vorzüge einer Gefrierlagerung, auch im gesundheitlichen Interesse, veranlasst
von landwirtschaftlichen Institutionen; entstand in Deutschland ein lawinenartiges Interesse
an Kalthäusern. Bevor jedoch ein Kalthaus betrieben werden konnte, waren zahlreiche Hürden zu
nehmen , die am günstigsten im Rahmen einer Genossenschaft zu überwinden waren. Zunächst
mussten genügend Interessenten gefunden werden, die sich zur Zahlung eines Baukostenzuschusses
sowie der laufenden Betriebskosten verpflichteten. Nach Bildung der Genossenschaft
mit allen erforderlichen Regularien gehörte zum erster Beschluss oft der Bau eines massiven Kalthauses
mit seinem technischen Zubehör. Den Bau führten meistens örtliche Handwerker durch;
ohne Kreditaufnahmen war ein Kalthaus kaum fertigzustellen, daher begannen viele Genossenschaften
ihren Weg mit hohen Schulden.
463
Der Aufbau eines Kalthauses entsprach seinen Erfordernissen und war fast stereotyp: Verarbeitungsraum
zum Zurichten und Verpacken der Lebensmittel, Kühlraum zum Abhängen des
Fleisches, Vorgefrierabteil zur Abkühlung der Lebensmittel auf die Lagertemperatur, Raum mit
Lagerfächern zur Aufbewahrung der gefrorenen Lebensmittel und die Kältemaschine in einem
separaten Raum.
Herzstück des Kalthauses aber ist der Kaltraum, in dem beständig eine Temperatur von -18 bis
20° C gehalten wird. Dieser Raum ist an allen Seiten stark isoliert, um Energieabfluss zu verhindern.
Die Isolierung besteht aus mehreren Schichten (Stampfbeton, U-förmige Betonträger für
eine durchlaufende Belüftung, Zementverputz, Bitumenpappe, und Zementverputz. Im Kaltraum
befinden sich nummerierte, abschließbare Holzfächer unterschiedlichen Fassungsvermögens,
durch die die Kaltluft zirkuliert. Ein Gang gewährleistet die Beschickung der Fächer. Der Nutzraum
der einzelnen Fächer liegt zwischen 100 und 300 Liter, die meisten Kalthausanlagen verfügen jedoch
mehrheitlich über 200 Liter-Fächer. Die Kapazität der Kalthäuser liegt bei 20 bis 80 Fächern
mit 200 Litern, also 5 bis 15 cbm Gefrierlagerraum.
Bevor sich die Kalthaus-Genossenschaft Gartow offiziell gründete, gab es die „Kalthausinteressentengemeinschaft
Gartow“. Eine erste Mitgliederversammlung fand am 23. Oktober 1958 statt.
An ihr nahmen 16 Mitglieder teil. Bereits am 3. Oktober 1958 hatte das Bergedorfer Eisenwerk
ein Angebot vorgelegt, aber die Interessengemeinschaft war noch unentschlossen, wie viel Fächer
benötigt wurden. Im Januar 1959 waren zunächst 44 Fächer, dann 50 - 60 geplant.
In der Versammlung am 13. Februar 1959 wurde der Firma Astra Bergedorfer Eisenwerk schließlich
der Auftrag erteilt, das Kalthaus Gartow für 13 320 DM zu errichten. Bei Barzahlung räumte
die Firma 3% Skonto ein oder aber stundete 4 000 DM maximal auf ein Jahr. Am 30. November
1959 fand dann die Gründungsversammlung mit 20 Mitgliedern in Gartow statt.
Zum Vorsitzenden der Genossenschaft wurde Dipl. Ing. Walter Herbst und zu seinem Stellvertreter
Dr. med. Gerhard Neuschulz gewählt. Bevor die Kalthaus-Genossenschaft Gartow gegründet wurde,
fungierten als 1. bis 5. Vorsitzender:
Dipl. Ing. W. Herbst, Herr Frieseke, H.O. Hecht, W. Reinhardt und Dr. med. Neuschulz. Geschäftsführer
war Richard Stüben. Als weitere Mitglieder der „ersten Stunde“ erscheinen:
Rud. Schmidt, ...Wortmann, Hans Schmidt, Otto Järnecke, E. Walter, H. Schulz, Erich Schmidt,
Reinhardt, Pfeifer, Hildebrandt, Wilh. Müter, König, Lehmann, Fritz Paetz, Milau, Schramm, Zilensky,
Willy Wehrend, v. Bernstorff, v. Sydow, Junack, P. Henning, ...Wiechers, ...Hagedorn, R. Herbst.
Im Kalthaus standen 74 Stück 100 Liter-Gefrierfächer zur Verfügung, davon waren 42 Stück vergeben
aber für 29 weitere lagen bereits Voranmeldungen vor. Es wurde beschlossen, eine Reserve
von 6 Fächern zu belassen, um flexibel zu bleiben. Bis zum 20. November 1959 mußten die Mitglieder
je Anteil einen verlorenen Baukostenzuschuß in Höhe von 270 DM zahlen. Die bisherigen
20 Mitglieder hielten 22 Anteile. Die Anleihehöchstgrenze wurde auf 8 000 DM festgesetzt.
Von der Zahl der künftigen Fächer hing die benötigte umbaute Fläche ab. Am 24. März 1959 wurde
ein Liefervertrag zwischen der Kalthausgemeinschaft Gartow und dem Bergedorfer Eisenwerk
für die Installierung „1Astra-Kalthausanlage 37 Fach mit stiller Kälte“ zum Preis von 9 470 DM
unterzeichnet. Der Vertrag konnte zunächst nicht wirksam werden, weil die Eigentumsrechte am
Kalthaus-Grundstück noch geklärt werden mußten. Um das Grundstück zu erwerben,
464
war Konrad v. Oppen aus Gartow eingeschaltet worden. Am 1. September 1959 wurde mit Mathilde
Gräfin v. Bernstorff geb. Freiin v. Dincklage in Gartow und der Kalthausgenossenschaft Gartow
ein Erbbaurecht auf die Dauer von 90 Jahren vereinbart. Sie, bzw. ihre Rechtsnachfolger, blieb
weiterhin Eigentümerin des Grundstückes. Der Erbbauzins war mit 10 DM im Jahr sehr moderat.
Das Kalthaus wurde auf der Parzelle 162, Gemarkung Gartow, Flur 4 errichtet. Der dort zuvor
stehende Altbau wurde beseitigt. Das Haus selbst wurde insgesamt von Mitarbeitern der Firma
Herbst in Gartow errichtet. Bis zum Jahresende 1959 war das Kalthaus fertiggestellt und betriebsbereit.
Als das Kalthaus Gartow 1959 ausgerüstet wurde, kam „ein Maschinensatz FL 572 mit Drehstrommotor
1,1 kW “ zum Einbau. Die Gefrieranlage ist bis heute in Betrieb. Die Einweihung des
Kalthauses erfolgte am 5. Januar 1960. Die Betreuung des Kalthauses übernahmen gegen eine
Aufwandsentschädigung zunächst das Ehepaar Grote, später Karl Frieseke, Wilhelm Wehrendt
und ab 22. Februar 1989 Uwe Robohm, sämtlich aus Gartow. Als „Frosterzeiten“ wurde Dienstag
und Freitag bis abends 19 Uhr festgesetzt. Alle vier Wochen wird der Vorfroster abgetaut, um zu
dicke Eisbildung zu vermeiden. Jedes Kalthaus hat aus Sicherheitsgründen ein an der Außenwand
angebrachtes Signalhorn, falls sich eine Person im Innern des Kalthauses versehentlich aussperrt.
Mit einem Kippschalter kann es betätigt werden, so dass schnelle Hilfe möglich wird.
Am 7. Januar 1960 fand die erste Mitgliederversammlung nach Fertigstellung des Kalthauses
statt. Es waren 27 Mitglieder erschienen, die Leitung hatte der Vorsitzende des Aufsichtsrates,
Dipl. Ing. Walter Herbst. Bei dieser Versammlung wurden die Fächer an die Genossen vergeben.
Gab es darum Uneinigkeit, entschied das Los. Gleichzeitig wurden die Fachschlüssel gegen Quittung
ausgehändigt.
Es waren Kosten von rd. 19 000 DM angefallen, davon konnten 13 500 DM bar bezahlt werden, 5
500 DM mußten als Kredit aufgenommen werden. Die Summe sollte auf einmal bezahlt werden,
um in den Genuß von 3% Skonto zu kommen. Nach einem Kostenvoranschlag von November
1962 lag das Beitragsaufkommen im Jahr bei 1 440 DM, die Unkosten erreichten 1 442 DM –
aufgeschlüsselt in:
• Stromgeld = 540 DM
• Wartung einschl. Revision = 620 DM
• Versicherungen, Grundsteuer, Pacht = 166 DM
• Prüfungsarbeiten =70 DM
• Verbandsbeitrag = 6 DM
• Geschäftsführung = 40 DM
Mit dem Bergedorfer Eisenwerk „Astra“ war am 15. Juli 1961 ein Wartungsvertrag für das Kalthaus
Gartow abgeschlossen worden, im Turnus fanden sogenannte „Revisionen“ also Überprüfungen
der Kälteanlage statt. Gegen eine Jahresgebühr kam ein Monteur und überprüfte die Funktionen,
nahm auch kleinere Reparaturen vor. Ab 1970, die Firma hieß nun: „Stal-Astra GmbH. Kälteanlagen“,
wurde der Wartungsvertrag gekündigt, da je Wartung ein Betrag von 75 DM gefordert wurde.
1983 waren die Stromkosten bei jährlich 1 400 DM, die Wartungs- und Verwaltungskosten bei je 1
200 DM angekommen. Auch die übrigen Kosten hatten sich erhöht. Die Stromkosten werden zwar
durch die größere Anzahl der Nutzer gesenkt aber ihr Anteil an den Kosten steigt jährlich und liegt
z. Zt. bei ca.80 Euro im Monat. Ein 100-Liter-Fach kostet im Jahr 50 Euro.
465
In einer Zeit, in der inzwischen auch Kühltruhen erschwinglich sind, stellt sich die Frage, warum
das Kalthaus überhaupt noch betrieben wird. Dazu gibt es mehrere Antworten: Einige ältere Leute
haben sich an diese Art der Konservierung gewöhnt und nehmen den Fußweg zum Kalthaus in
Kauf. Ein weiteres Argument ist, dass eine Kühltruhe in einer Wohnung zu viel Platz einnimmt.
Ferner nutzen Großbauern, Jäger und Gaststätten das Kalthaus immer noch gerne. Von 37 zur
Verfügung stehenden Fächern sind derzeitig 32 vermietet bzw. belegt.
2003 löste sich die Genossenschaft auf. An ihre Stelle trat ab Dezember 2003 ein Verein, der das
Kalthaus betreibt. Das hat den Vorteil, von zahlreichen gesetzlichen und genossenschaftlichen
Pflichten befreit zu sein, besonders auch in finanzieller Hinsicht.
Märkte
Handel insbesondere mit landwirtschaftlichen Produkten wurde immer getrieben, so auch in
Gartow, wobei der Vieh- und Getreidehandel an erster Stelle stand. Seit altersher bestanden in
Gartow Viehmärkte. Die Gartower Bürgerschaft bat am 4. November 1694 beim Celler Herzog
Georg Wilhelm um Einführung der ehemals im Jahr abgehaltenen zwei Pferde- und Viehmärkte.
Bisher fanden in Gartow nur drei Kram-Märkte statt (nach Ostern, auf Laurentis, nach Gallustag)
aber keine Viehmärkte. Vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618 - 48) wurden zwei Viehmärkte (nach
Ostern, nach Gallus) abgehalten, die jedoch bei Kriegsbeginn eingingen. Mit Datum vom 30. Juli
1695 genehmigte der Herzog zwei Viehmärkte (Dienstag nach dem Sonntag Jubilate, Dienstag
vor Simon juda), wofür sich die Bürgerschaft am 20. August 1695 bedankte. Neue Markttermine
traten jedoch zum 1. November 1704 in Kraft. Kombiniert als Vieh- und Krammärkte sind diese
seither gleichzeitig an einem Tag zu drei Terminen veranstaltet worden: Ende April/Anfang Mai
(veränderlich), Ende August und im Oktober. Derartige Märkte sind mehr als 250 Jahre lang in
Gartow Tradition gewesen aber nach dem 2. Weltkrieg neigte sich diese Ära dem Ende zu. Drei
Meldungen sollen diese Entwicklung verdeutlichen:
„Der Michaelis-Markt am Mittwoch in Gartow
war trotz des günstigen sonnigen und warmen
Wetters der seit Jahren am schwächsten besuchte.
Das betraf sowohl die Anzahl der Verkaufsstände
als auch die der Käufer. Auf dem
Ferkelmarkt war das Geschäft bei einem Auftrieb
von nur 16 Tieren sehr lustlos. Sehr bedauert
wurde von jungen und alten Besuchern,
daß Karussell und Luftschaukel erstmals fehlten.
Neben der schon seit Jahren bestehenden
Schwierigkeit mit dem Standplatz für diese
Unternehmen dürfte aber am geringen Marktbetrieb
auch die Tatsache schuld sein, daß am
Tage zuvor Markt in Bergen/D. und am 3. Oktober
Markt im benachbarten Trebel stattfand.
Es erscheint verwunderlich, daß bei Aufstellung
der Markttermine in Lüneburg auf diese
Überschneidungen nicht geachtet worden ist.
Zu hoffen ist nur, daß sich derartige Pannen in
kommenden Jahren nicht wiederholen. Denn
es kann niemand auf zwei Märkten tanzen.“ 21
1.11.1704: Markt-Tage zu Gartow
466
„Der Frühjahrsmarkt 1957 war vom Wetter begünstigt, das aber wiederum der Landbevölkerung
willkommenen Anlaß bot, ihrer Arbeit nachzugehen, so daß der Besuch zu wünschen übrig ließ.
Auch die Zahl der Verkaufsbuden war gering. Erfreulich für die Kleinen war, daß sie nach einem
Jahr wieder einmal Gelegenheit hatten, Karussell zu fahren. Auch die ortsansässigen Geschäftsleute
konnten bei weitem nicht den Marktumsatz der Vorjahre erzielen. Die Romantik der Märkte
stirbt mehr und mehr aus und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann diese jahrhunderte alte
Einrichtung, die früher ein Höhepunkt im Leben von Stadt und Land war, gänzlich der Vergangenheit
angehören wird.“ 22
„Nach dem Marktverzeichnis des Regierungsbezirkes Lüneburg für 1958 sind folgende Termine
für die beiden Gartower Kram- und Ferkelmärkte festgesetzt worden: Frühjahrsmarkt am Mittwoch,
dem 23. April, Herbstmarkt am Mittwoch, dem 15. Oktober. Damit sind die traditionellen
Markttage verschwunden und auch die vieljährigen Bemühungen, die Termine kurz nach dem
Monatsende anzusetzen, erfolglos geblieben.
Wie andernorts wird auch hier die Frage akut, ob sich der Kostenaufwand der Gemeinde hierfür
noch lohnt. Eine Rückschau auf den Herbstmarkt am 23. Oktober 1957 dieses Jahres unterstützt
die Ansicht, daß die in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten nützlichen und notwendigen
Markttage heute überholt sind. Der Ursachen gibt es mehrere, sie sind aber nicht zu beseitigen.
Wenn ein Ferkelmarkt mit 20 Tieren beschickt und davon nur die Hälfte verkauft wird, wenn ganze
10 Verkaufsstände, davon zwei aus dem Ort, ein „Marktleben“ herbeizaubern wollen, so muß
dieser Versuch scheitern. Nicht einmal unter schlechtem Wetter hatte dieser Markt zu leiden. Was
ihm fehlte, waren Karussell, Luftschaukel und weitere übliche Belustigungsmöglichkeiten für und
groß und klein. Es fehlte der „akustische Lärm“, ohne den ein Markt eine zu ruhige Angelegenheit
wird. Mit den still werdenden Krammärkten geht wieder eine Illusion verloren, die manchem glückliche
Kindheitserinnerungen bedeutet.“ 23
Eine Neubelebung marktähnlicher Veranstaltungen erfolgte in Gartow mit den Sommermärkten,
Flohmärkten am Gartower See und den seit Anfang der 1990iger Jahre auf dem Schlosshof Gartow
stattfindenden Weihnachtsmärkten. Letzterer wird von der Unabhängigen Wählergemeinschaft
(UWG) Gartow und der Familie v. Bernstorff organisiert. Diese erfolgreiche Veranstaltung
zieht jedes Jahr tausende Besucher in ihren Bann. Unter dem Motto: „Unser weihnachtliches Gartow“
wurde vom Weihnachtsmarkt 2006 berichtet:
„Natürlich war Nikolaus nach Gartow gekommen, um seine vielen Anhänger mit Naschwerk zu beschenken
und das tat er auch, nachdem er den Balkon mittels einer Leiter verlassen hatte. Auch
das ist längst Brauch auf dem Weihnachtsmarkt in Gartow: Er wird stets von Posaunenbläsern
und -bläserinnen aus Gartow und Trebel stimmungsvoll eröffnet. Danach ist Bummeln, Schauen
und Kaufen angesagt. Wer am Sonnabend auf dem Schlosshof nach einem Weihnachtsgeschenk
Ausschau hielt, hatte die Qual der Wahl: Konnte man doch an knapp 80 Ständen – Essen und
Getränkeanbieter inbegriffen – fündig werden. Und wer sich stärken wollte, war unter anderem im
Landfrauen-Cafe gut aufgehoben. Und zum Gelingen trugen überdies Gaukler „Rebasius Funkenflug“
und eine Märchenerzählerin bei.“ Rund 6 000 Besucher besuchten diesen Markt. 24
In den 1980iger Jahren ist in Gartow der Sommermarkt initiiert worden, der ebenfalls tausende
Besucher anlockte. Die Hauptstraße wurde im Juli dann zur Marktmeile, wobei etwa 100 Marktbeschicker
ihre Angebote offerierten aber auch Aktionen vorführten, wie z.B. regionale Handwerker
ihre Arbeitsweisen zur Schau stellten. Auf dem „Bäuerinnenmarkt“ verwöhnten Landfrauen die
467
Gäste mit Kaffee, Kuchen, Butter, Brot und Schmalz. Der Gartower Spielmannszug sorgte für die
musikalische Begleitung dieser Veranstaltung, ebenso für die jungen Leute eine Freiluft-Diskothek
u.a.m.
In den Sommern 2005 und 2006 war der Markt ausgesetzt, weil die neu geschaffene „Gartower
Holzmesse“ eine vorübergehende Unterbrechung des Sommermarktes bedingte. Während des
Monats September findet die Gartower Holzmesse auf dem Gutshof Quarnstedt statt. Zur 4. Messe
am 15./16. September 2007 mit 30 Ausstellern wurde u.a. mitgeteilt:
„…Mit dieser regionalen Messe wird diesmal das spezielle Augenmerk auf den Wald in seiner
ursprünglichen Bedeutung im Vordergrund. Nicht nur als Wirtschaftsfaktor und Rohstofflieferant
von Produkten sondern auch als Sauerstoffspender und Wasserspeicher, die als Grundlage des
menschlichen Daseins gelten. Die Palette von Erzeugnissen und Dienstleistungen der Aussteller
reicht auch diesmal vom mobilen Sägewerk, über Holzbearbeitsmaschinen bis hin zum Baustoff
Holz. Informationen und eine repräsentative Bandbreite an Anschauungsobjekten zum Thema
„Heizen mit Holz“, „Holz als Dämmstoff“ sowie „Holz zur Herstellung von Möbeln aller Art“ bis
zur „Kunst aus Holz lassen wohl kaum eine Frage unbeantwortet….“ Nicht nur der Gutshof, auch
Räumlichkeiten des historischen Kornspeichers wurden als Ausstellungsfläche genutzt.
Auch ein kulinarisches Angebot stand zur Verfügung. 25
Im Juli 2007 wurde der Sommermarkt von der „Gewerbe und Touristik Gartow Elbtalaue“ (G.U.T.)
unterstützt. Damals boten 50 Stände ihre Erzeugnisse und Artikel an, außerdem waren sämtliche
Geschäfte in der Hauptstraße geöffnet. Beide Märkte werden inzwischen nicht mehr durchgeführt.
Flohmarkt am Gartower See 2011
468
Flohmarkt
Als 1986 der erste Flohmarkt in Gartow am See veranstaltet wurde, kamen gerade 10 Aussteller.
Keiner hat es damals für möglich gehalten, dass sich diese Veranstaltung zu einer der schönsten
und größten seiner Art in Norddeutschland entwickeln würde. In über 20 Jahren hat sich der Gartower
Flohmarkt als echter „Renner“ erwiesen. Inzwischen kommen auf das Wiesengelände am
nördlichen Seeufer zu jedem Flohmarkt zahlreiche Aussteller aus Norddeutschland.
30.7.1695: Herzogliche Genehmigung für den Viehmarkt in Gartow
469
Landwirtschaft
Neuordnung der Flur
Es ist hier nicht der Platz, die interessante und wechselvolle Geschichte der Landwirtschaft darzustellen,
viel mehr werden ortsrelevante Informationen mitgeteilt. Dazu gehört die erste Flurneuordnung
in der Gemarkung Gartow, das Verfahren „über die Spezialtheilung der Gemeinheiten des
Städtchens Gartow“ vom 17. Juni 1854. Unter Gemeinheiten werden Areale verstanden, die von
der Bürgerschaft gemeinschaftlich benutzt worden sind. Infolge veränderter Bewirtschaftungsmethoden
und Privatisierung von Grundbesitz sind die vorherigen Gemeinheiten fast ganz entbehrlich
geworden. Dafür sind neue Strukturen geschaffen worden, die zeitgemäßer waren und nun in
Bestimmungen verankert wurden. Die neue Aufteilung des Grundbesitzes endete in Rechtssicherheit
als Privateigentum. Aufgehoben wurden sämtliche bisherige Nutzungen, bis auf diejenigen,
die weiterhin zum Gemeingebrauch benötigt worden sind: Wege und Plätze. Bestehen blieb ferner
das „dem Grafen von Bernstorff (zustehende) Fischerei-Recht auf den bürgerlichen Grundstücken,
wie solches bislang dem Hause Gartow zugestanden hat.“
Unentbehrliche Wege wurden nunmehr festgeschrieben, so der Weg von Gartow nach Restorf,
nach Meetschow, Trebel, Marleben, Prezelle und Lomitz. Der Weg nach Restorf führte damals
nicht über Quarnstedt (gehörte dem Haus Gartow) sondern über die Seegeniederung (Seerig) und
war eigentlich nur bei gutem Wetter passierbar. Während der Hochwasserzeit war er auf unbestimmte
Zeit unterbrochen. Der Weg nach Meetschow wurde auch als Dannenberger Postweg
bezeichnet und führte durch den Elsebusch und den Helk. Ihrer Bedeutung wegen sind die Wege
nach Meetschow und Trebel in einer Breite von 48 Fuß (13,97 m) ausgewiesen worden, die übrigen
Wege dagegen mit 40 Fuß (11,64 m). Infolge der schwierigen Verhältnisse in der Seegeniederung
durfte der Weg nach Restorf in seiner Breite ebenfalls bis zu 48 Fuß schwanken. Nicht
aufgeführt ist der überaus wichtige Weg über die Seegebrücke nach Quarnstedt und von dort aus
weiter nach Holtorf, Kapern. Es verstand sich wohl von selbst, diesen so zu belassen, wie er war.
Ein gänzlich neuer Weg entstand am Umschwang östlich des neuen Buchhorster Abzugsgrabens
beim Prezeller Weg mit einer Breite von 32 Fuß (9,31 m). Ebenfalls festgeschrieben wurden die
Flächen des Gartower Gemeindeforstes, sie bestanden aus Elsebusch (14 Morgen), Helk (31 Morgen),
einem Teil der Hahnenberge (53 Morgen), dem anderen Teil der Hahnenberge (33 Morgen)
und dem Umschwang (6 Morgen). Zusammen 133 Morgen Forstfläche, bei der Berechnung nach
dem Verteilungsregister jedoch 138 Morgen. Diesen Forst durften die Bürger, die Kirche, das v.
Bernstorffsche Gasthaus und das Hospital nutzen, nicht jedoch der gräfliche Scharfrichter Miethling.
Es war notwendig, Gemeinschaftsplätze auch künftig vorzuhalten. Damals war eine Lehmentnahmestelle
auf dem Seerig wichtig, um bindiges Material zur Ausbesserung von Deichschäden und
Ausbesserung von Hauswänden und Tennenböden gewinnen zu können. Die Entnahme hatte eine
Größe von sieben Morgen.
Weiter sind vier Sandgruben ausgewiesen worden:
In den Hahnenbergen, im Elsebusch und zwei oberhalb der Heidriethe mit zusammen vier Morgen
Größe. Ein weiterer Platz zur Sandgewinnung war auf dem Seerig vorgesehen. Der Sand wurde
überwiegend zur Wegeausbesserung gebraucht aber die Bürgerschaft durfte ihn auch für private
Zwecke verwenden. Fehlen durfte auch der einen Morgen große Friedhof nicht. Weiterhin sind fünf
unter einem Morgen grosse „Gemeindeplätze“, ausgewiesen worden. Darunter ein sogen. „Gemeindebauplatz“
in den Hahnenbergen. Bis zu ihrer tatsächlichen Nutzung sollten diese Plätze
zunächst verpachtet werden, damit Geld in die Gemeindekasse fliessen konnte.
470
Eine Sonderbestimmung galt nur für den Scharfrichter Miethling: „ Der Scharfrichter Miethling hat
aber das Recht, den Lehm und Sand in den gemeinschaftlichen Gruben zur Reparatur und zum
Neubau seiner jetzt vorhandenen Gebäude zu benutzen, falls derselbe aber seine alten Gebäude
vergrößert oder die Zahl derselben vermehrt, so muß er den Mehrbedarf an Lehm und Sand von
seinen eigenen Grundstücken nehmen.“
Damals war es üblich, die Gemarkungsgrenzen sichtbar zu machen. Das geschah in der Weise,
daß ein Graben von 6 - 8 Fuß Breite (1,74 - 2,33 m) angelegt worden ist. Um Niederschlagswasser
besser von den Wegen abzuführen, erhielten sie Wegeseitengräben. In der Regel erhielten Wege
von mehr als 24 Fuß Breite (6,98 m) Seitengräben. Es war jedoch erlaubt, auch bei schmaleren
Wegen Gräben anzulegen, „doch müßen sie (die Anlieger) das Terrain zu den Gräben ganz von
den eigenen Grundstücken nehmen und die Kosten der Anlage und Unterhaltung allein tragen.“
Gräben, die der Landentwässerung dienten, durften nicht eingefriedigt werden, diese erhielten auf
dem Seerig eine Breitenabmessung von mindestens einem Fuß (0,29 m), sonst 3 Fuß (0,87m).
Waren diese zur Entwässerung wichtig, erhielten sie Breiten von 6 bis 8 Fuß (1,74 - 2,33 m) und
mehr. Dann gab es noch Begrenzungsgräben zwischen einzelnen Koppelbesitzern. Wasserführende
Gräben konnten aber auch Ersatz für Zäune aus „Planken, Stakette, Wellerwände, Zäune oder
Berickungen“ sein.
Der Grabenaushub durfte nicht einfach irgendwo abgelagert werden. Bei den Gemarkungsgrenzgräben
kam dieser auf die Koppeln, ebenfalls bei den Wegeseitengräben, sofern er nicht zur Wegebesserung
selbst verwendet wurde. Bei Koppelgräben ist er gerecht auf beide Seiten verteilt worden.
Statt tote Zäune zu errichten, war es gestattet, lebendige Hecken anzupflanzen. Sie durften nur
auf der Grenzlinie wachsen und es war festgelegt: „Jeder Koppelnachbar ist befugt, an seiner Seite
die Seitenzweige der Hecke auf einen Fuß (0,29 m) vom Hauptstamme und die oberen Zweige
auf sieben Fuß (2,04 m) Höhe und auf gewiße durch Übereinkunft zu bestimmende Längen der
Hecke abzunehmen und für sich zu benutzen.“ Ferner war bestimmt, daß lebendige Hecken erst
in zwei Fuß (0,58 m) Entfernung vom Wegeseitengraben stehen durften, tote Zäune dagegen am
Grabenrand. Handelte es sich hierbei um wichtige Entwässerungsgräben, mußten sowohl tote als
lebendige Zäune grundsätzlich zwei Fuß vom Grabenrand entfernt stehen. Neu für die Privatnutzer
der Grundstücke war die Verhütung von Schaden durch eigenes Vieh zu Lasten Anderer. Daher
waren sie verpflichtet, Zäune zu errichten und entstandene Schäden zu ersetzen.
Wichtige Wege, Brücken und Siele waren von der gesamten Bürgerschaft Gartows zu unterhalten
und ggf. zu erneuern. Dies erfolgte nach dem Beitragsverhältnis der einzelnen Bürger auf Grundlage
der Grundsteuerveranlagung. Lediglich nur privat benutzte Brücken und Siele waren von der
gemeinschaftlichen Unterhaltung ausgenommen. Reichten die vorhandenen Sandgewinnungsstellen
nicht aus, durfte die Gemeinde bzw. die Wegebaubehörde Sand von privaten Grundstücken
entnehmen. Da die neuen Wege relativ breit gewesen sind, konnten die Wegeseitenstreifen
beweidet werden, der Pachterlös floss der Gemeindekasse zu. Auch war es eingeschränkt erlaubt,
die Seitenstreifen zu „beackern“.
War der Weg über 32 Fuß (9,31 m) breit, war die Anpflanzung von zwei Reihen Straßenbäumen
durch die Anlieger Pflicht und sollte vier Jahre nach Rezessbeschluß abgeschlossen sein. Die
471
Anlieger mußten auf eigene Kosten geeignete Baumarten besorgen „werden zu diesen Anpflanzungen
nur solche Holzarten genommen, die keine großen Kronen treiben oder gekröpft werden
können“, nämlich Pappeln, Birken, Vogelbeeren, Weiden oder Linden. Nur ausnahmsweise waren
Eichen erlaubt. Sinnvoll war es ferner, an einem Weg nur eine Baumart zu pflanzen und nicht alle
Arten durcheinander. Ziemlich genau nahm man es mit dem Pflanzabstand:
„Die Bäume müssen 2 Fuß (0,58 m) von der inneren Weggrabenkante und in einer Entfernung
von 32 Werkfuß (9,31 m) von einander gepflanzt werden …“ Detailliert wurde gefordert: „Die Entfernungen
werden vom Ende des Weges, welcher der Stadt Gartow zunächst belegen ist oder bei
den Nebenwegen von dem Ende an, welches zunächst dem Hauptwege liegt und zwar in der Art
abgemeßen, daß der Standort des ersten Baumes an der einen Seite auf 32 Fuß, an der anderen
Seite aber auf 48 Fuß (13,96 m) vom Anfange des Weges bestimmt wird.“ Derartige Bestimmungen
galten nicht nur für Straßen- und Wegebäume sondern auch für die Bepflanzung von Koppel-
und Gemarkungsbegrenzungen. Verwendet werden durften Birken, Hainbuchen, Erlen, nicht
jedoch Berberitzen und es sollten keine dauerhaften Bäume entstehen. Hatte sich die Laubkrone
in Stammhöhe von 16 Fuß (4,65 m) gebildet, war der Baum schlagreif bzw. musste zurückgestutzt
werden. Selbstverständlich mußten auch hier gewisse Abstände eingehalten werden. Mit 7 Fuß
(2,04 m) waren alle Hecken höhenmäßig begrenzt. Baumanpflanzungen auf den Koppeln selbst
unterlagen Beschränkungen: Obstbäume durften mit 16 Fuß (4,65 m) Abstand zur Nachbarkoppel
gepflanzt werden, bei anderen Baumarten war die doppelte Distanz einzuhalten. Noch näher (8
Fuß = 2,33 m) durften Bäume generell an Wegrändern angeordnet werden. Bäume, die auf noch
zuzuteilenden Flächen standen und nicht mehr dem früheren Nutzer gehörten, sollten innerhalb
eines Jahres gerodet werden oder aber fielen dem neuen Besitzer zu.
Von Entwässerungsgräben war bereits die Rede aber bei der Spezialteilung sind wichtige Gräben
in ihrem vorhandenen und künftigen Verlauf mit Breitenabmessungen festgeschrieben worden.
Neun Hauptgräben wurden bestimmt. Die Erstanlage und die Unterhaltung führte die Bürgerschaft
Gartows durch. Mit erfaßt waren die der Gemeinschaft dienenden Brücken und Siele. Geduldet
werden mußte die Anlage weiterer Gräben, sofern sich zeigen sollte, dass mehr Gräben notwendig
sind und geduldet ferner der hemmungsfreie Abfluß: „…wie denn auch überall die Besitzer von
unterhalb gelegenen Grundstücken verpflichtet sind, die Durchleitung des ihren Koppeln durch
künstliche Anlagen zugeführten Wassers zu dulden und nur das Recht haben, sich gegen das
ihren Koppeln wild zulaufende Wasser durch Dammanlagen zu schützen, wenn den Grundstücken
anderer Interessenten dadurch kein Nachtheil geschieht.“ Die Gräben sind auf Länge der dazu
verpflichteten Anlieger im Frühjahr und im Herbst zu reinigen, damit der Abfluß gewährleistet blieb.
Es war ferner darauf zu achten, daß die Wegeseitenränder zu den Gräben hingeneigt waren.
Die Kosten aller Erstanlagen (Wege, Gräben, Brücken und Siele) mußte die Bürgerschaft gemeinsam
aufbringen, wie auch anteilig die erheblichen Kosten des Verfahrens selbst. Als Richtschnur
galten die neu ausgewiesenen Anteile bei der Spezialteilung wie die Pfarre (17), das Pfarrwitwentum
(9), das Kantorat (11), die Vollbürger mit jeweils 14 Anteilen Dietrich Schmidt, Heinrich Meyer,
Friedrich Hildebrandt, Ludwig Giese, Anton Krug, Wilhelm Lanz, Wilhelm Schönberg, Eduard Krüger,
Daniel Honigs Erben, Wilhelm Albrecht, Friedrich Schulz, Heinrich Waldow, Christoph Berdins
Erben, Friedrich Bade, Gottlieb Bennecke, Friedrich Dröge, Heinrich Beier und Heinrich Gerbers Erben.
Es folgen die Halbbürger mit jeweils 9 Anteilen: Theodor Wolter, Eduard Hohenstein, Friedrich
Wiese, Gottlieb Hildebrand, Christian Honig, Hermann Bischoff, Friedrich Riege, Christian Spohn,
Heinrich Riechert, Christian Riechart, Mathes Hahn (2x), Christoph Lichtenberg, Wilhelm Köhnke,
Wilhelm Köster, Wilhelm Bark, Heinrich Glimmann, Heinrich Kubel, Wilhelm Schulz und Homanns
Erben. Mit dazu gehörten ferner das von Bernstorffsche Gasthaus und das Hospital mit je 14
472
Anteilen sowie die frühere gräfliche Scharfrichterei mit sieben Anteilen, woraus sich 504 Gesamtanteile
ergaben. Es verstand sich von selbst, dass benachbarten Grundstücken kein Schaden
zugefügt werden durfte, war das dennoch der Fall, musste Schadenersatz geleistet werden. Weil
die neu zugewiesenen Grundstücke erstmalig Privateigentum wurden, unterlag dieser Status nun
besonderem Schutz.
Im Rezess war festgelegt, daß alle neu geschaffenen Anlagen auch künftig zu er- und unterhalten
sind, wofür der jeweils amtierende Bürgermeister verantwortlich zeichnete. Der Rezess selbst diente
als Entscheidungsgrundlage bei etwaigen Streitigkeiten, die Festlegungen darin waren verbindlich.
Die Unterzeichner (Bürgerschaft) unterwarfen sich den im Rezess genannten Bestimmungen.
Alle Voll- und Halbbürger und der Bevollmächtigte des Grafen H.C. Schmidt, unterzeichneten den
Rezess mit eigenhändiger Unterschrift. Lediglich der Schuhmacher Friedrich Köhnke als Vormund
der Hamannschen Erben war des Schreibens nicht kundig und machte die bekannten drei Kreuze.
Ferner unterschrieben die Mitglieder der Teilungskommission, Amtmann L. Kuckuck und die Gartower
Bürger Waldow und Honig. Mit der Anerkennung durch die Königliche Landdrostei Lüneburg
am 24. Juni 1854 erhielt der Rezess Rechtskraft.
Eine Ausfertigung erhielt die Bürgerschaft Gartow. Zum Rezess gehört ein detailliertes Verzeichnis
der Mitbeteiligten gemäß genauem Vermessungsregister. Mit der Spezialteilung endete auch in
Gartow die viele Jahrhunderte ausgeübte Praxis der gemeinschaftlichen Nutzung des Gemeineigentums.
26
Bodennutzung im 20. Jahrhundert
Wie sich die Landwirtschaft in Gartow in der Vergangenheit darstellte, ist unzureichend bekannt.
Nach Haberland mag die sogen. Dreifelderwirtschaft nicht so verbreitet gewesen sein und er nahm
an, daß stattdessen „ewiger Roggenbau“ betrieben wurde:“…denn nach einem protokollarischen
Bericht der Königlichen Landwirtschaftsgesellschaft vom Jahre 1879 gehörte das Amt Gartow zu
den Gebieten mit Einfelderwirtschaft, in denen ohne Wechsel jedes Jahr Roggen mit jedesmaliger
Plaggendüngung angebaut wurde…“ 27
Beim Pflügen, Ölgemälde von Carl Henning
473
Wie in anderen Gegenden auch, wurde in Gartow am 28. Juni 1871 mit 120 Mitgliedern ein Landwirtschaftlicher
Verein gegründet, der eine rege Tätigkeit entfaltete:
„Der Verein hat durch Versammlungen seiner Mitglieder, durch Veranstaltung von Tierschauen
(1873, 1877, 1882, 1889, 1892, 1896, 1901), Produktionsausstellungen (1875, 1880, 1885)
und Exkursionen (1903 z.B. 40 Wagen und 150 Personen), durch Gründung eines Pferdezuchtvereins
1876, durch Errichtung einer Vorschußkasse 1883 und eine Spar- und Darlehnskasse
1887 sehr zur Hebung der Landwirtschaft in unserem Bezirk beigetragen, so daß Gottlieb Graf
Bernstorff 1930 in dem Jubiläumsbericht des Provinzialvereins feststellen konnte: Grünkultur und
Viehzucht sowie die hannoversche Warmblutzucht standen in der Vorkriegszeit auf der unter den
örtlich gegebenen Verhältnissen erreichbaren Höhe bzw. strebten ihr zu …“ 28
Die Gebiete Höhbeck, Gartow-Nienwalde, Kapern-Gummern, sowie die Elbe- und Seegeniederung
wegen der häufigen Überschwemmungen galten als schlechte Standorte mit erheblichen Nachteilen
(u.a. aufgrund fehlender Entwässerung, mangelhafter Betriebsgrößenstruktur u.a.m.).
Zudem wurde die Landwirtschaft in Gartow selbst stark zurückgedrängt, Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe
gaben nach und nach auf. Gemäß der Landwirtschaftszählung von 1933 gab es in
Gartow (mit Quarnstedt) 66 bäuerliche Betriebe, davon
• 27 mit einer Betriebsgröße von 0,5 - 2 ha
• 24 mit 2 - 5 ha
• 4 mit 10 - 20 ha
• 1 mit 50 - 100 ha
• 2 mit mehr als 200 ha.
Seit altersher gehörte der Landkreis zu den stark landwirtschaftlich geprägten Gebieten, wobei
um 1950 etwa 75% der Einwohner in der Landwirtschaft tätig gewesen sind und um 1970 immerhin
noch rd. 30% (höchste Agrarquote von Niedersachsen).
Der Landwirtschaftsbetrieb Gut Quarnstedt wie auch der Forstbetrieb gaben vielen Menschen vor
dem 2. Weltkrieg eine sichere Existenzgrundlage aber auch hier bewirkten Strukturänderungen
Schrumpfungsprozesse. Hinsichtlich der Qualität jedoch errang das Gut Quarnstedt 1957 den 1.
Preis bei der Züchtung von Braugerste in der Bundesrepublik Deutschland und stach das Bundesland
Bayern aus. 29
Nach dem Stand vom 31.12.1971 umfaßte die
Gemarkungsfläche der Gemeinde Gartow 1
753 ha, davon 391 ha Wald. In Gartow lebten
damals 1 123 Einwohner. Landwirtschaftlich
genutzt wurden 710 ha. Gemäß Zielplanungen
wurde damit gerechnet, dass künftig rd. 110
ha landwirtschaftliche Nutzfläche ausfallen
und nur noch 600 ha LF benötigt werden. Ende
1971 gab es in Gartow nur noch vier landwirtschaftliche
Haupterwerbsbetriebe (davon einer
das Gut Quarnstedt) sowie fünf Nebenerwerbsbetriebe.
Die Zahl der hauptberuflich in der
Landwirtschaft tätigen Personen betrug 17, davon
neun beim Gut Quarnstedt. 30
2009: Landschaft im Flurteil „Umschwang“
474
Infolge Kriegswirkungen und Flüchtlingszuzug sind bei der Zählung im Jahr 1949 115 bäuerliche
Betriebe in Gartow registriert worden, 1960 reduzierte sich der Bestand auf 63 und 1970 auf 23.
Heute gibt es keinen bäuerlichen Betrieb mehr in Gartow, abgesehen von der Landwirtschaft auf
dem Gut Quarnstedt.
Die Ergebnisse der sozioökonomischen Strukturanalyse der Landwirtschaftskammer Hannover
(LWK) in der Erhebung 1974 zeigen die Unterschiede in den einzelnen Gemeinden auf:
• 726 ha = 30 v.H. der Gründlandflächen sind durchschnittliche Grünlandstandorte
(Ertragsklasse II)
• 707 ha = 30 v.H. der Gründlandflächen sind gute Grünlandstandorte (Ertragsklasse III).
Bei der Einstufung der Ertragsklassen des Ackerlandes grenzte die LWK die einzelnen Stufen wie
folgt ab:
• 919 ha = 46 v.H. der Aufnahmefläche (Ertragsklasse I).
Leichter Boden, unter 25 Bodenpunkte mit folgenden Durchschnittserträgen:
Winterroggen etwa 24 dt/ha,
Sommergerste etwa 25 dt/ha,
Kartoffeln etwa 260 dt/ha.
Kein Zuckerrübenanbau möglich.
• 531 ha = 27 v.H. der Aufnahmefläche (Ertragsklasse II).
Sandboden, 25 bis 30 Bodenpunkte mit folgenden Durchschnittserträgen
ohne Beregnung:
Winterroggen etwa 28 dt/ha,
Sommergerste etwa 30 dt/ha,
Kartoffeln etwa 300 dt/ha.
Kein Zuckerrübenanbau.
Mit Beregnung sind folgende Durchschnittserträge zu erzielen:
Winterroggen etwa 36 dt/ha,
Sommergerste etwa 38 dt/ha,
Kartoffeln 30 dt/ha,
Zuckerrüben etwa 400 dt/ha.
• 511 ha = 26 v.H. der Aufnahmefläche (Ertragsklasse III).
Lehmiger Sandboden, 30 bis 40 Bodenpunkte mit folgenden Durchschnittserträgen
ohne Beregnung:
Winterweizen 36 dt/ha,
Wintergerste 36 dt/ha,
Kartoffeln 360 dt/ha,
Zuckerrüben 380 dt/ha.
Mit Beregnung lassen sich folgende Durchschnittserträge zu erzielen:
Winterweizen 39 dt/ha,
Wintergerste 39 dt/ha,
Kartoffeln 380 dt/ha,
Zuckerrüben 440 dt/ha.
475
Für die Gemarkung Gartow mit insgesamt 420 ha Grünland fielen 33% in die Ertragsklasse I und
67% in die Ertragsklasse III. Von 310 ha Ackerland fielen 25% in die Ertragsklasse I und 75% als
Ertragsklasse II.
Aufgrund der natürlichen Boden- und Wasserverhältnisse sowie der gegebenen Betriebsgrößenstruktur
haben sich im Planungsraum folgende Betriebssysteme entwickelt (Strukturanalyse
Landwirtschaftskammer 1975):
Futterbaubetriebe = 87(68,0%)
Gemischtbetriebe = 24(18,8%)
Marktfruchtbetriebe = 14(10,9%)
Veredlungsbetriebe = 3 (2,3%)
Die Landwirtschaftskammer hat in ihrer Untersuchung festgestellt, dass die Futterbaubetriebe,
die im Planungsraum überwiegen, vor allem in der Gruppe der Übergangsbetriebe anzutreffen
sind. Da Futterbaubetriebe im allgemeinen schlechtere Betriebsergebnisse erzielen als andere
Betriebssysteme mit gleicher Faktorausstattung, wird die Grünlandnutzung zu recht aus betriebswirtschaftlichen
und betriebsstrukturellen Gründen in Zukunft weiteren Änderungen unterworfen
sein werden wie z.B.:
• Umwandlung von Grünland in Acker (rund 370 ha nach Melioration bis 1980)
• Ausscheiden aus der landwirtschaftlichen Nutzung.
Bereits in den vergangenen Jahren sind infolge der lang anhaltenden Trockenperiode erhebliche
Grünlandflächen (geschätzt: 120 ha) umgebrochen worden. Wie die LWK in ihrer Flächenprognose
aufgrund der betrieblichen Erfordernisse feststellt, wird die mögliche Aufgabe landwirtschaftlicher
Nutzung zu großen Teilen bei den ertragsarmen Ackerstandorten liegen, die neben Bereichen am
Höhbeck auch in Gebieten mit Talsand vorhanden sind.
Andererseits wird die Aufgabe der Grünlandnutzung insgesamt nicht sehr umfangreich sein. Aufgrund
der betrieblichen Erfordernisse prognostizierte die LWK für 1980 in den Gemeinden Gorleben
und Schnackenburg sogar einen gewissen Fehlbedarf an Grünland. Aus strukturellen Gründen
muss trotzdem in den stark qualmwassergefährdeten Flächen und den niedrig liegenden,
feuchten Außendeichsflächen von Elbe und Seege langfristig mit der Aufgabe der Grünlandnutzung
gerechnet werden.
Fazit:
„Grundsätzlich sind Maßnahmen der Landwirtschaft und insbesondere die der Forstwirtschaft auf
eine langfristige, pflegliche Behandlung des Bodens ausgerichtet mit dem Ziel, die Fruchtbarkeit
der Produktionsgrundlage zu erhalten oder sogar zu verbessern. Die im Rahmen der strukturellen
Verbesserung der Landwirtschaft notwendigen bzw. zwangsläufig sich ergebenden Veränderungen
des Kulturflächenverhältnisses stellen allerdings einen wesentlichen, in seinen Konsequenzen
endgültig nicht erfaßbaren Eingriff in das vorhandene natürliche Gleichgewicht dar, der über
den Rahmen landwirtschaftlicher Interessenlage zum Teil weit hinausgeht.
Veränderungen des Kulturflächenverhältnisses werden sich im Planungsraum durch
• Aufforstung landwirtschaftlicher Grenzertragsflächen und
• Grünlandumbruch
ergeben.“ 31
476
Bis zum Jahr 1977 hat es für den Gartower Raum keine weitere einheitliche Untersuchung zu landwirtschaftlichen
Strukturen mehr gegeben. Lediglich sehr spezielle und nur Teilgebiete und -aspekte
betreffende Aussagen liegen vor. Im Zusammenhang mit der Aufstellung des Landschaftsrahmenplanes
Gartow sind vor 1977 Erhebungen zur landwirtschaftlichen Situation – jedoch nicht
explizit für die Gemarkung Gartow allein – durchgeführt worden. Vielmehr beziehen sich die nachfolgenden
Aussagen auf das Elbmarschgebiet zwischen Schnackenburg und Gorleben, begrenzt
vom Gartower Forst, der Elbe und der Landesgrenze im Osten. Dieses Gebiet umfasst 7500 ha
Fläche mit rd. 3600 Einwohnern in Schnackenburg, Gummern, Kapern, Holtorf, Nienwalde, Gartow,
Quarnstedt, Laasche, Gorleben, Meetschow, Vietze, Brünkendorf, Pevestorf und Restorf. Auf
Grundlage einer Erhebung vom 24. Juli 1974 ergaben sich damals folgende Flächennutzungen:
Wald = 1 200 ha (16%), Ackerland = 2 000 ha (27%), Grünland = 2 900 ha (39%), Wasserflächen
= 600 ha (8%), Unland und Moor = 100 ha (1%), Sonstiges = 700 ha (9%).
Nach Einschätzung der vorliegenden Ergebnisse gab es für diesen Raum folgende Aussagen:
„Fast zwei Drittel des Planungsraumes sind landwirtschaftliche Nutzflächen. Die Bodennutzungserhebungen
der letzten Jahre zeigen allerdings, daß die kaum oder nur sehr extensiv genutzten
Flächen (Streuwiesen, Hutung, nicht genütztes Grünland) ständig erweitert wurden und 1975 mit
fast 600 ha etwa 20 v.H. der Gründlandflächen einnahmen. Die Grenzen der landwirtschaftlichen
Nutzfläche zum Unland sind in diesem Bereich der „Halbkulturen“ fließend. Daneben wird eine
andere Tendenz deutlich. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wird insbesondere, unterstützt
durch die sehr trockenen letzten Jahre, das ackerfähige Grünland umgebrochen.
Das Acker-Grünlandverhältnis verändert sich danach laufend in gewissen Grenzen. 1975 betrug
es 1 : 1,4. Zwischenzeitlich sind, so vor allem auf dem Alandswerder, Grünlandflächen umgebrochen
und in Ackernutzung genommen worden“.
Flurbereinigung und künftige Entwicklung
Bei einer Tagung im November 1974, in der auch über die künftige Entwicklung der Landwirtschaft
im Raum Gartow gesprochen wurde, ist als Zwischenergebnis festgehalten worden:
„Bei den jetzt bestehenden landwirtschaftlichen Betrieben ist die Hofnachfolge wenig gesichert.
Daraus läßt sich ableiten, daß nur sehr wenige Betriebe in den einzelnen Ortschaften innerhalb
der nächsten 10 bis 20 Jahre übrig bleiben werden. Man kann davon ausgehen, daß etwa 25 bis
30 Betriebe im Raum Gartow als Vollerwerbsbetriebe übrig bleiben werden. Damit die freiwerdenden
Flächen von den verbleibenden Betrieben aufgenommen werden können, sind strukturelle
Verbesserungen erforderlich (Flurbereinigung, Wasserwirtschaft, Wegebau). Sollten Flurbereinigungen
erst ab 1980 wirksam werden, ist nach unserer Auffassung mit Sicherheit mit dem
Ausscheiden von etwa 1000 ha aus der landwirtschaftlichen Produktion (Grenzertragsböden) zu
rechnen.
Dadurch würde sich die landwirtschaftliche Nutzfläche auf etwa 4000 ha verringern (Raum Gartow).
U.E. würden dann nach diesem Zeitraum von 10 bis 20 Jahren, außer einem Vollerwerbsbetrieb
von 500 ha noch etwa weitere 25 bis 30 Vollerwerbsbetriebe mit durchschnittlich 100 bis
150 ha und etwa 25 bis 30 Nebenerwerbsbetriebe, oder Zuerwerbsbetriebe mit etwa 20 bis 30
ha übrig bleiben. Für die Sicherung der Existenz der Nebenerwerbsbetriebe ist unbedingt ein weiteres
Angebot an Arbeitsplätzen erforderlich. Bezogen auf den Kreis Lüchow-Dannenberg würde
dieses bedeuten, daß etwa 2000 Industriearbeitsplätze neu geschaffen werden müssen. Ferner
müßten verkehrstechnische Voraussetzungen geschaffen werden, die eine schnelle Überbrückung
des großen Raumes ermöglichen (Ausbau der Autobahn Berlin-Hamburg durch den Kreis
477
Lüchow-Dannenberg). Zu bedenken wäre aber die schlechte Eigenkapitalversorgung der Betriebe,
die eine weitere Belastung in Form von Folgekosten der Flurbereinigung oder andere strukturverbessernde
Maßnahmen nicht möglich macht.“ Allein im Raum Gartow würden 150 noch arbeitsfähige
Menschen, die vorher in der Landwirtschaft ihre Beschäftigung fanden, in andere Berufe
und zudem ortsnah unterzubringen sein. Dabei handelte es sich um ältere Arbeitskräfte „die nur
schwer in anderen Gewerbebetrieben unterzubringen sind“. In der Annahme, der Fremdenverkehr
in Gartow würde erheblich ausgebaut werden, kämen je 10 Arbeitskräfte im geplanten Regenerations-Gesundheitszentrum
und in der geplanten Bildungs- und Tagungsstätte zum Einsatz sowie
5 in der ebenfalls geplanten Seebetriebsgesellschaft. Der große Rest sollte in den Schweinfurter
Kugellager-Fabriken Lüchow Arbeit finden. Große Hoffnungen wurden auf den „Lüchow-Plan“ der
niedersächsischen Landesregierung gelegt, der die Schaffung von 1800 Arbeitsplätzen im Landkreis
Lüchow-Dannenberg vorsah aber nicht zur Verwirklichung kam.
Von Skepsis begleitet war das Vorhaben, im Raum Gartow Flurbereinigungen durchführen zu lassen:
„…als von einer starken Reduzierung der vorhandenen Betriebe im Falle einer Flurbereinigung
ausgegangen werden muß. Allerdings sind für den Erfolg einer Flurbereinigung die Folgekosten
für die einzelnen Landwirte von entscheidender Bedeutung. Die Folgekosten der Flurbereinigung
müssen differenziert nach Standort, Leistungsfähigkeit der Böden und Entfernung zum Markt ermittelt
werden. Aus diesem Grunde ist die Belastungsgrenze der hiesigen Betriebe anders einzusetzen,
als in marktnahen Gebieten. Dieses Argument findet seine Unterstützung durch den
Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Die Betriebe im Raum Gartow sind bereits durch Wasser-
und Deichlasten in Höhe von ca. DM 50,- je ha vorbelastet.
Die Gruppe schlägt vor, die Deichlasten, ähnlich wie in den Schleswig-Holsteinischen Küstengebieten,
ganz dem Land zu übergeben. Der Deichschutz dient nicht nur den unmittelbar betroffenen
Landwirten, sondern der gesamten Bevölkerung. Außerdem bedeutet der Kapitaldienst für den
Ausbau der Gräben eine schwerwiegende Last für die Landwirte. Der Kapitaldienst für diese Darlehen
müßte schon jetzt aus Mitteln des Entwicklungsvorhabens Lüchow-Dannenberg aufgebracht
werden, um die positiven Folgen einer Flurbereinigung, die sich erst im Verlauf eines Jahrzehnt
einstellen werden, nicht von Anfang infrage zu stellen.
Im folgenden wurden die vielschichtigen Probleme, die sich zwischen der Flurbereinigung und
Landschaftspflege, sowie Fremdenverkehr und Infrastruktur ergeben, ausführlich untersucht. Die
betroffenen Landwirte waren sich darüber einig, daß Gesichtspunkte der Landwirtschaft vor denen
der Landschaftspflege Vorrang haben müssen. Im Falle von auftretenden Interessenkollisionen
zwischen Flurbereinigung und Landschaftsschutz sind folgende Kompromißvorschläge zu
machen:
a) Herausnahme von Grenzertragsböden und landschaftlich besonders wertvollen Gebieten aus
der Produktion.
b) Wahlweise Verpflichtung zur Übernahme der Öffentlichen Hand der Flächen, oder auf Wunsch
des Besitzers, Einführung des Nulltarifs für diese Flächen, d.h. die Landwirte würden Besitzer dieser
Flächen bleiben und sich verpflichten, sie weiter zu pflegen.
c) Im Falle der Aufforstung sind günstige Beihilfen zu gewähren.“
478
Gemäß der Flächenerhebung nach dem Stand von 1979 haben damals in der Gemarkung Gartow
folgende Nutzungen bei 2 826,82 ha Gesamtfläche bestanden:
1 598 ha Landwirtschaftsfläche (davon 1,86 ha Moor und 12,29 ha Heide); 886,91 ha Wald;
136,69 ha Wasserflächen; 25,46 ha andere Nutzungen (davon 2,35 ha Unland). Gebäude- und
Freiflächen nehmen 76,59 ha ein (davon Wohnen 47,64 ha und Gewerbe/Industrie 11,59 ha).
Straßen, Wege und Plätze nahmen 81,48 ha Fläche in Anspruch. 32
Als Ergebnis der Untersuchungen wird festgestellt:
„…Zu diesen Verbesserungsmaßnahmen zählt in erster Linie die Flurbereinigung, die bereits in
der Gemeinde Prezelle und in Teilen der Gemeinde Gorleben eingeleitet worden ist. Als flurbereinigungsbedürftig
werden die Gemeinden Schnackenburg, Gartow und Höhbeck angesehen. In
der Samtgemeinde Gartow liegt kein Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischen Begleitplan
vor. Es wurden auch keine Grundstücke neu verteilt. Die Konflikte Naturschutz/Landwirtschaft
führen nur zu einem sehr zögernden Verlauf der Flurbereinigungsmaßnahmen, was von der
Raumordnungsbehörde nicht gerade positiv beurteilt wird …“ 33
Von 1971 bis 1979 erfolgte eine Ausweitung der Ackerfläche in der Gemeinde Gartow: 1971 = 520
ha, 1979 = 678 ha, 1983 = 670 ha (1979/1989 etwa die Hälfte der Betriebsfläche). Das geschah
zu ungunsten des Grünlandes. 1979 sind 549 ha bewirtschaftet worden, 1983 nur noch 524
ha.Die landwirtschaftlich genutzte Fläche im Gebiet der Samtgemeinde Gartow nahm von 1979
zu 1983 leicht ab:
5927 ha im Jahr 1979 und 5837 ha im Jahr 1983. Ebenso in der Gemeinde Gartow, wo 1979
insgesamt 1233 ha und 1983 insgesamt 1201 ha landwirtschaftlich genutzt wurden, davon 670
ha Ackerfläche, die mit 478 ha (71%) mit Getreide, 83 ha (13%) mit Hackfrüchten und 63 ha (9%)
mit Feldfutter bebaut worden. Im Gebiet der Gemeinde Gartow herrschte 1983 der „Marktfrucht –
Futterbau“ mit einem Fruchtanteil von 50 - 70% sowie einem Futterbauanteil, als zweitstärkstem
Produktionszweig, vor.
Nach einer Erhebung von 1989, die jedoch nicht die Verhältnisse der Gemarkung sondern des
Samtgemeindegebietes Gartow widerspiegelt, dennoch aber als Trendsichtbarmachung geeignet
ist, hat es 1971/1983 in den Gemeinden Gartow, Gorleben, Höhbeck, Prezelle und Schnackenburg
279 bzw. 178 landwirtschaftliche Betriebe gegeben. Der Rückgang betrug 36%. Im gleichen
Zeitraum 1971/1983 verringerte sich die Anzahl der Betriebe in der Gemeinde Gartow von 47 auf
32. Übertragen auf die Betriebsgröße ergibt sich nachfolgendes Bild: Betriebsgröße 0 - 10 ha = 27
Betriebe 1971/14 Betriebe 1983; 10 - 30 ha = 9 Betriebe 1971/7 Betriebe 1983; 30 - 50 ha = 8
Betriebe 1971/5 Betriebe 1983; 50 - 100 ha = 3 Betriebe 1971/4 Betriebe 1983; über 100 ha =
2 Betriebe 1979/1 Betrieb 1983 (Gemeinde Gartow).
Die gegenwärtig 1735 ha umfassende Gemarkungsfläche wird nach dem Stand von 2008 wie
folgt genutzt: Ackerland 284 ha, Grünland 586 ha, Garten 8,8 ha, Heide 1,3 ha, Laubwald 328 ha,
Nadelwald 81,6 ha, Mischwald 55 ha, Gebäude- und Betriebsflächen 105 ha, Grünanlagen 19,8
ha, Sportfläche 2,5 ha, Campingplatz 9,8 ha, Straßenflächen 35 ha, Wegeflächen 13,4 ha, Seefläche
54 ha, Wasserflächen: Fluss 48 ha, Gräben 21 ha, Altwasser 3 ha, Sumpf 35,6 ha, Friedhof
1,7 ha und Schutzflächen 35,6 ha.
Interessant und als Ergänzung hierzu sind einige Termine zur Landwirtschaft:
(jeweils für die Zeitperiode 1936 - 1945)
• Mittlerer Beginn der Haferaussaat: 31. März.
479
• Mittlerer Beginn der Winterroggen-Aussaat: 27. September - 7. Oktober.
• Mittlerer Beginn des Kartoffelaufganges: 20. Mai.
• Mittlerer Beginn der Winterroggen-Blüte 30. Mai - 4. Juni.
• Mittlerer Beginn der Haferernte: 3. - 8. August.
Terra Preta in Gartow
In die Gartower Land- und Forstwirtschaft wurde immer wieder mit neuen Ideen experimentiert –
erst ungewöhnlich, dann zum Allgemeingut geworden.
Hinter dem Schlagwort „Terra Preta“ verbirgt sich eine Schwarzerde, die eine hohe Konzentration
an stabiler organischer Masse in Form von Pflanzenkohle aufweist. Archäologische Funde weisen
darauf hin, dass präkolumbianische Zivilisationen bereits 5 000 v.Chr. mit dieser Methode die
kargen Böden im Amazonas Regenwald in fruchtbare Waldgärten verwandelt haben.
Aber nicht nur damals im weit entfernten Amazonas-Gebiet hatten die Menschen sich dieses Wissen
angeeignet, sondern auch hier im Wendland lassen sich historische Schwarzerden-Flächen
finden. Und 2010 hat der Verein Wendepunktzukunft e.V. (WPZ) damit angefangen, dieses Wissen
wieder zurück ins Gedächtnis zu holen. Nach einer Workshop-Reihe für HobbygärtnerInnen und
LandwirtInnen folgte 2012 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte
Forschungsprojekt „ClimaCarbo“, bei dem das Umsetzen dieser Bodenaufwertungsmethode
von 2012 - 2015 auf einer landwirtschaftlichen Fläche der Gräflich Bernstorff`sche Betriebe in
Gartow angewendet und untersucht wird.
Seit 2011 wird der Kirchgarten mit Pflanzenkohle-Kompost bewirtschaftet. Im neuesten Projekt,
dem Waldgarten, kommen zusätzlich zum Pflanzenkohle-Kompost selbst erzeugte Indigene Mikroorganismen
(IMOs) zum Einsatz.
Viehbestand
1873:
• 36 Pferde
• 116 Kühe
• 177 Schweine
• 122 Ziegen und 6 Schafe
1892:
• 47 Pferde
• 144 Rinder
• 286 Schweine
• 162 Ziegen und 23 Schafe 34
Seitliche Ansicht einer Milchkuh
Hinsichtlich des Viehbestandes ergaben sich mitunter beträchtliche Verschiebungen, wie bereits
der kurze Betrachtungszeitraum 1962 - 1970 verdeutlicht:
1962 gab es in Gartow noch 61 Pferde (bei 14 Haltern), 1964 wieder 70 Pferde (20 Halter), 1967
nur noch 60 Pferde (17 Halter), 1970 dann nur noch 47 Pferde (19 Halter). Bei Rindvieh sind 1962
insgesamt 518 Stück (49 Halter), 1964 dann 562 Stück (40 Halter), 1969 sogar 762 Stück (22
Halter) und 1970 nur noch 672 (17 Halter) gezählt worden. Im Jahre 1962 gab es in Gartow 563
Schweine (50 Halter), 1965 schon 794 Schweine (51 Halter), 1968 nur noch 632 Schweine (39
Halter) und 1970 sogar nur noch 290 Schweine (24 Halter). Bei den Schafen hat man 1962 nur 14
Stück (7 Halter) gezählt, 1966 nur noch 4 Stück (3 Halter) und 1970 wieder 14 Stück (5 Halter).
480
1967 gab es in Gartow mit 17 Stück (8 Halter) die meisten Ziegen, 1970 keine mehr.
Bei den Hühnern ergaben sich bedeutende Abnahmen: 1962 sind 2 037 Stück (148 Halter), 1967
nur noch 1 281 Stück (115 Halter) und 1970 nur noch 767 Stück (74 Halter) gezählt worden. Die
Anzahl der Bienenvölker sank von 86 im Jahr 1962 auf 33 im Jahr 1970.
Quellen und Literatur
1. /
2. Puffahrt, Otto: „Das Projekt eines Hafens in der Seegemündung bei Vietze 1919 - 1925“,
Lüneburg 2005
Puffahrt, Otto: „Planung des Schutz- und Sicherheitshafens Schnackenburg 1964“, Lüneburg
2006
3. Geldregister 1715/16, S. 136 - 137
4. Puffahrt, Otto: „Verzeichnisse der grundbesitzenden Bevölkerung im Landkreis Lüchow-Dannenberg,
Zeitraum 1882 - 1893, Grundbuchamt“, Lüneburg 2007, S. 186 - 189, 193 - 196
5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 22.3.2005
6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 16.10.2006
7. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 7.3.2007
8. Samtgemeinde-Bote Gartow Juli - September 2008
9. /
10. Führer zum Waldausflug durch das Gräflich von Bernstorffsche Forstamt Gartow am
4.9.1958 mit dem Deutschen Forstverein
Junack, Hermann: „Die Vorstufen einer Waldwirtschaft in Gartow bis zum Beginn einer geregelten
Forstwirtschaft von 1687 bis 1840 “, Göttingen 1989
11. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, 2. Aufl., Lüchow
1988, S. 255 - 257
12. /
13. /
14. Hentschel, Hans: „Waldbahn zur Holzabfuhr in der Gartower Forst um 1900“, Hannover
2000, 25 S.
Duske, Detlev: „Die Gartower Waldbahn“, Gartow 1989
Puffahrt, Otto: „Die Holzabfuhrbahn im Gartower Forst 1884 - 1945 (Die Gartower Waldbahn)“,
Lüneburg 2002, 46 S.
15. Lüneburger Landeszeitung vom 17.3.1990 und 22.6.1996
16. Generalanzeiger Lüchow-Dannenberg vom 9.3.2005
17. Chronik Sägewerk Wilhelm Werth vom 16. April 1941
18. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, 2. Aufl., Lüchow
1988, S. 255 - 257
19. 100 Jahre Lüchower Heimatzeitung 1854 - 1954, Elbe-Jeetzel-Zeitung,
Sonderbeilage, S. 22
20. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 19.10.1976
21. Neue Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.10.1956
22. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 29.4.1957
23. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.11.1957
24. Kiebitz vom 13.12.2006
481
25. Kiebitz vom 14.9.2007
26. N.N. „Recess über die Spezialtheilung der Gemeinheiten des Städtchens Gartow – Amts
Gartow“ in: Gartower Heimatbote vom 31.3., 7.4., 14.4., 21.4., 28.4., 5.5., 12.5., 19.5.,
26.5.1972
27. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 228
28. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 232
29. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 1.7.1957
30. Gesellschaft für Landeskultur, Bremen: „Forschungsvorhaben Lüchow-Dannenberg.
Land Niedersachsen“, Bremen 1972, S. 74a
31. Nieders. Landesentwicklungsgesellschaft Hannover: „Landschaftsrahmenplan Gartow.
Landkreis Lüchow-Dannenberg“, Hannover 1977, S. 10 - 15, 62
32. Nutzungsarten der Bodenflächen. Ergebnisse der Flächenerhebung 1979. Statistik Niedersachsen
– Bd. 328, Herausgegeben vom Nieders. Landesverwaltungsamt-Statistik, Hannover
1980, S. 26 - 27
33. Mittwollen, Eilert: „Die Landwirtschaft“ in: Geländepraktikum Bleckede (1988), Gartow
(1989). Institut für Geographie Arbeitsbereich Physische Geographie Universität Hamburg
1993, S. 54
34. Königl. Statistisches Büro: „Viehstandslexikon für den preußischen Staat. IX. Provinz Hannover“,
Berlin 1894, S. 50
482
Tourismus
Die Anfänge im Landkreis Lüchow-Dannenberg
Eine landschaftlich reizvolle Umgebung im Übergangsbereich Flussmarsch/Geest, Gewässer,
Grünland und Wald in unmittelbarer Nähe des Fleckens sind ideale Voraussetzungen für die Erholung.
Der künstlich angelegte Gartower See erhöht den Tourismuswert von Gartow nicht unwesentlich.
Der Weg zum Tourismuszentrum im Ostteil des Landkreises Lüchow-Dannenberg war nicht
leicht und erforderte erhebliche Anstrengungen sowie umfangreiche Finanzmittel.
Aussage im Februar 1969:
„….Gerade die Gartower Gastronomie habe im Bezug auf den Fremdenverkehr am meisten versagt.
Von selbst komme kein Geld. Im übrigen sollte man nicht nur von den Gartower Gastwirten
sprechen. Auch die Gastwirte in Gorleben , Vietze usw. sind in der gleichen Lage…. müsse aber
heute feststellen, daß sich die Fremdenverkehrsvereinigung seit 4 Jahren um eine gute und regelmäßige
Versorgung der Feriengäste, besonders hinsichtlich des Mittagstisches bemüht hat.
Bis heute könne man zwar in Vietze ein gutes Mittagsbrot bekommen, nicht immer jedoch in Gartow…“
Die Gartower Gastronomiebetriebe wehrten sich damals gegen das Vorhaben, im Waldbad
eine „Erfrischungshalle“, wo man eine Kleinigkeit essen und trinken konnte, eröffnen zu lassen. 1
Noch um 1970 sah es in dieser aufstrebenden Branche relativ düster aus, wie ein damaliger Kritiker
die Situation im Kreisgebiet aufzeigte:
„Armenhaus der Bundesrepublik“ nennt Oberkreisdirektor Wilhelm Paasche von der Kreisverwaltung
Lüchow-Dannenberg ohne alle Umschweife das von ihm verwaltete Gebiet… Wer durch dieses
Gebiet reist – der Reiseveranstalter Hummel gab kürzlich einer Anzahl von Reisejournalisten
dazu die Gelegenheit – wird eine Landschaft von ungewöhnlichem Charme erleben. Sie bildet,
sagen die Fachleute, den westlichen Ausläufer jener typischen brandenburgischen Landschaft mit
östlichem Charakter, wie sie jeder Berliner von einst kennt und liebt. An der Landschaft liegt es
also nicht, wenn der Fremdenverkehr, den Hummel dankenswerterweise beleben will (als einziger
Reiseveranstalter von Bedeutung in diesem Gebiet), hier nur langsam aufblüht.
Hauptproblem ist vielmehr – man darf es nicht verschweigen – der noch immer bescheidene
Stand der Gastbetriebe. Trotz aller schönen Worte von der Förderung des Zonenrandgebietes war
man hier allzu lange auf sich selbst angewiesen. Zimmer mit Dusche und WC wie sie jetzt in
Gartow das Hotel Ackermann anbietet, haben Seltenheitswert… Das ist keine negative Kritik an
diesen Betrieben. Sie leiden einfach an mangelnder Förderung, mangelnder Betreuung, mangelnder
Initiative. Immerhin ist ein Wandel zum Besseren schon eingeleitet: auf Veranlassung der
Kreisverwaltung fuhren kürzlich 50 Gastwirte aus diesem Raum per Bus in den Bayrischen Wald
und nach Neuweier (Baden-Baden), um sich an Ort und Stelle zu überzeugen, wie man andernorts
den Fremdenverkehr aufzieht, was man dort für die Gäste tut. Hoffentlich haben die Eindrücke
gezündet. Denn so geht es gewiß nicht weiter, wenn man wirklich mehr Fremde heranlocken will.
Es ist kein Zufall, wenn der VARTA-Führer nirgends in diesem Bereich ein Haus mit „lobenswerter
Küche“ verzeichnet. Man lebt hier noch auf dem Stand von 1950 und weiß nicht, dass gerade eine
gepflegte Küche Gäste anzieht und festhält.
483
2009: Hauptstr. 32 ehem. „Centralhotel Ackermann“
Der Zustand ist nicht ganz unbegreiflich, denn dieses Gebiet ist weitgehend an drei Seiten von
der Zone eingeschlossen. Man kann sich nur nach einer Richtung hin bewegen. Der Durchgangsbetrieb
fehlt. Was das bedeutet, erkennt man überall. So ist es auch nicht verwunderlich, daß
mancher ländliche Gasthof sich kurzerhand weigert, einen Mittagstisch für Urlauber einzurichten.
Lieber bestellt man den zum Gasthof gehörigen Acker. Das ist eine sichere Einnahme, glaubt man
dort. Das wiederum erschwert alle Bemühungen, den Fremdenverkehr anzukurbeln. Hier dreht
sich eben alles im Kreise. Und die paar rührigen Leute haben es nicht leicht… Um die Aktivität
anzuspornen, plant man im Kreis Lüchow-Dannenberg – vielleicht schon für 1971 – einen Gaststättenwettbewerb…
Alle Gastbetriebe haben es schwer hier. Daß sie noch nicht so viel erreicht
haben, wie sich mancher fast wünschen möchte, liegt meist an den widrigen Umständen. Das
bereits erwähnte Hotel Ackermann mit seinem Neubau leidet beispielsweise darunter, daß der
Nachbar es nicht für nötig hält, seinen Unrat aus dem Blick der Hotelgäste zu entfernen. Nicht
hinter dem Berge lebt man hier sondern im toten Winkel… In zwei Richtungen sollte künftig der
Anstoß gehen: mehr Mittel zum Ausbau der Gastbetriebe aller Art müßten künftig in dieses Land
an der Zonengrenze fließen. Die Bundesrepublik kann gerade hier kein Armenhaus brauchen…
Das Zweite aber: der Fremdenverkehr muß hier gefördert werden. Hummel hat bereits viel bewirkt.
Jeder Urlauber oder Ausflügler, der hierher kommt, tut nicht nur sich selbst etwas Gutes sondern
auch dieser Landschaft.“ 2
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg führte dann ab 1971 im Rhythmus von zwei Jahren den Wettbewerb:
„Schönes Hotel, schönes Gasthaus, schöne Pension“ durch, wofür gewisse Richtlinien
zur Prämierung erfüllt sein mußten. Die Bewertungsskala reichte von 0 (äußerst schlecht) bis 12
(vorzüglich).
Die zusammenfassende Werbung für das Kreisgebiet ist dem Verein Naturpark übertragen, dem
neben Kreis und den beteiligten Gemeinden auch die Städte Lüchow und Dannenberg angehören.
484
Er umfasst die für den Fremdenverkehr entwicklungsfähigsten Teile des Kreisgebietes. Der Fremdenverkehrsverband
Lüneburger Heide e.V. betreibt u.a. auch für den Kreis Lüchow-Dannenberg
entsprechende überregionale. Werbung. Möglichkeiten werden in der Gründung von Beratungsringen
und Tagungen (z.B. Landfrauenverein) gesehen. Abschließend wies Regierungsvizepräsident
Müller-Heidelberg darauf hin, daß die Bemühungen des Landkreises Lüchow-Dannenberg seitens
der Regierung weiterhin intensiv unterstützt würden, wobei Regierungsdirektor Dr. Krieger die Koordinierung
der gesamten Förderungsmaßnahmen übertragen werde, Oberregierungsrat Heller
das Projekt der Drawehn-Straße und Diplomgärtner Stodte die Weiterentwicklung des Naturparks
zu betreuen hätten.“
Erste Überlegungen im Raum Gartow
Der Aufschwung im Tourismus ist untrennbar mit der Fremden-Verkehrsvereinigung Höhbeck/Elbe
und mit der Kur- und See GmbH Gartow sowie dem langjährigen Samtgemeinde-Bürgermeister
Hans Borchardt verbunden.
Zunächst bildete sich in einer Versammlung am 18. November 1957 im Hotel „Deutsches Haus“
in Gartow eine „Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Fremdenverkehrs Gartow-Höhbeck und
Umgebung“. Hierzu hatten Wilhelm Junack und Erich Sabel, beide aus Gartow, eingeladen. Einig
waren sich die Versammelten darin, daß konkrete Schritte notwendig wären, damit der Raum Gartow
nicht vollends von der sich andernorts besser entwickelnden Wirtschaft abgekoppelt wird. Mit
Skepsis aber auch dem Willen, die Situation zu verbessern, wagten vorausschauende Einwohner
den Anfang zum kaum bekannten und mit Risiken behafteten „Unternehmen Fremdenverkehr“.
Im Raum Gartow gab es im Vergleich zum Landkreis eine geringfügig gegenläufige Entwicklung der
Beschäftigungszahlen:
Im warenproduzierenden Gewerbe erfolgte eine Abnahme von 74 Beschäftigten seit 1961 (= 249
Beschäftigte). Zugenommen hatte das Dienstleistungsgewerbe mit 63 Beschäftigten auf nunmehr
551. Um diesen Trend weiterzuführen, bot sich als einzige Alternative der Ausbau des Fremdenverkehrs
bzw. der Naherholung an. Auf den Raum Gartow bezogen, sollte als Ferienform die „Kurzerholung
in der Ferienerholung“ bevorzugt zur Anwendung kommen, zumal eine intakte, vielfältig
gegliederte Landschaft Erholungsreize bot. Auch die „Ferien auf dem Bauernhof“ haben einen
gewissen Anfangserfolg gehabt aber der Ausstattungsstandard der Quartiere blieb hinter den Erwartungen
zurück, außerdem war die Saison begrenzt, so dass die erwarteten Umsätze nicht
erreicht werden konnten.
Zusätzlich zu den Maßnahmen im Agrarbereich (Verbesserung der Betriebsstrukturen, Flurbereinigung,
Entwässerung) ist der Ausbau von Fremdenverkehrseinrichtungen im Landkreis Lüchow-
Dannenberg vordringlich gefordert worden. Bei einer Besprechung am 1. Juli 1969 mit Regierungsvizepräsident
Müller-Heidelberg und Oberkreisdirektor Paasche sowie Fachdezernenten
sowohl des Landkreises als auch der Regierung in Lüneburg wurde festgehalten:
„Der Fremdenverkehr ist nach Angaben des Landkreises wie folgt organisiert:
a. Lokale Vereine haben sich für die Bereiche Gartow-Höhbeck, Hitzacker, Clenze und Elbufer
gebildet.
b. Darüber hinaus haben die Samtgemeinden Bergen und Waddeweitz diese Aufgaben für
ihren Bereich übernommen.
Auf dieser Ebene wurden zum Teil bereits gute Ergebnisse erzielt, eine weitere günstige Entwicklung
ist zu erwarten“.
485
1966-86: Bettenzahl und Übernachtungen in der SG Gartow
Gemäß dem Landesplanerischen Rahmenprogramm von Dezember 1971 erfüllte Gartow eine
Funktion als sog. „Nebenzentrum“, das nach damaligen Prognosen lediglich eine Bevölkerungszunahme
von nur rd. 300 Einwohnern zu erwarten hatte:
„Eine stärkere Bevölkerungszunahme ist raumordnerisch wünschenswert….Dies kann nur über
einen Ausbau des Fremdenverkehrs … erreicht werden.“ 3
Um die vorbereitende Bauleitplanung voranzubringen, mussten neue Flächennutzungspläne erstellt
werden, da sie nach der Gemeindereform vom 1.7.1972 nicht mehr gültig waren. Ein neuer
Plan war für Gartow gerade in Bearbeitung:
„Für den Raum Gartow ist seit 1971 ein Erneuerungsvorhaben in Vorbereitung. Es dient sowohl
der städtebaulichen Entwicklung im Sinne der Umstrukturierung zu einem Fremdenverkehrsgebiet
als auch der späteren Erneuerung des Ortskernes Gartow; ob hierfür das Städtebau-Förderungsgesetz
angewandt wird, kann noch nicht gesagt werden. Die Unwägbarkeiten auf diesem Gebiet
liegen in der offenen Frage begründet, ob Bund, Land, Kommunen und Sanierungsbetroffene die
Maßnahme finanziell darstellen können …“ 4
Folgende Zielzahlen sind für den Zeitraum 1971 bis 1985/90 (Zeitraum 1971 bis 2000 in Klammern)
für Gartow prognostiziert worden:
• Hotels und Pensionen 8 000 (16 000) Übernachtungen pro Jahr
• Ferienhäuser 19 000 (31 000) Übernachtungen pro Jahr
• Campingplätze 14 000 (28 000) Übernachtungen pro Jahr
• Die Zahl der Zweitwohnungen sollte von 350 auf 500 steigen. (10)
486
Dem Landkreis erscheint es notwendig, insbesondere die Einwirkung auf die landwirtschaftliche
Bevölkerung im Sinne einer Beratung für den Ausbau des Fremdenverkehrs zu verstärken. Mit
Stand 1972 waren für Gartow waren folgende Einrichtungen vorgesehen:
• Bootsverleih
• Rasenspielanlagen
• Haus des Kurgastes
• Reithalle
• Hallenbad
• Tennis- und Golfplatz
• Tagungsstätte
• Jugendherberge, -heim und Zeltplatz
• Campingplatz
• 80 weitere Betten in Hotels und Privatpensionen
• 65 Ferienhäuser
• Neu- und Ausbau von Restaurants
• zusätzliche Betten für Ferien auf dem Bauernhof usw.
Von 1972 an sollte sich in den darauffolgenden 15 Jahren die Übernachtungszahl mit jährlichen
Steigerungsraten von 10% mehr als verdoppeln. Kreisweit wurde eine Steigerung des Umsatzes
im Fremdenverkehr von rd. 7,2 Mio. DM erwartet, hinzu kamen 1,5 Mio. DM Einnahmen aus dem
Naherholungsverkehr (8).
Einen gewissen Ausflugstourismus im überschaubaren Rahmen und mit Konzentration auf den
Höhbeck hatte es vor dem zweiten Weltkrieg bereits gegeben. Vornehmlich zu Schiff anreisende
Ausflügler aus dem Oberelbegebiet besuchten das auf dem Höhbeck gelegene Lokal „Thalmühle“
und unternahmen bei dieser Gelegenheit Spaziergänge in die nähere Umgebung. Mit guter Fernsicht
und beschaulichen Wanderwegen war der Höhbeck das erste und zugleich einzige Touristenziel
im Raum Gartow.
Die neugebildete Arbeitsgemeinschaft wollte ihre Aktivitäten von Anfang an nicht nur auf den Flecken
Gartow konzentrieren, sondern streckte das Interessengebiet auf den Bereich des ehemaligen,
1850 aufgehobenen Amtes Gartow mit 13 Gemeinden. Aus diesem Grund sind alle 13 Gemeindeverwaltungen
bereits zur ersten konstituierenden Versammlung der Arbeitsgemeinschaft
eingeladen worden. Nur mit einer breiten Basis waren die zu lösenden Probleme zu bewältigen.
Ferner lud die Arbeitsgemeinschaft Vertreter des „Verkehrsverbandes Lüneburger Heide e.V.“ und
der Kreisverwaltung Lüchow-Dannenberg ein. Eine weise Entscheidung, die dem Verein bis heute
viele Vorteile brachte. Der Verkehrsverband konnte der Arbeitsgemeinschaft aus seinem Erfahrungsschatz
Beratungen anbieten und den Raum Gartow in den Werbeprospekt aufnehmen. Die
Kreisverwaltung hingegen war interessiert, eine Stabilisierung oder besser noch eine Förderung
der wirtschaftlichen Bestrebungen im Raum Gartow zu erreichen.
Der erste Schritt war getan, nun musste der zweite folgen! Dem „Verkehrsverband Lüneburger Heide
e.V.“ gehörten einige wenige Gemeinden bereits an. Der Geschäftsführer des Verkehrsverbandes,
Herr ... Bojanowski aus Lüneburg, wies gleich auf die schwierige Lage des Fremdenverkehrs
im Randgebiet der Lüneburger Heide hin. Nach einigen Monaten engagierten Wirkens konnte sich
die Arbeitsgemeinschaft auflösen, weil sie ihr Ziel mit der Bildung eines Trägervereins erreicht
hatte.
487
Am 18. Januar 1958 fand im Hotel „Deutsches Haus“ in Gartow die Gründungsversammlung des
neuen Vereins statt. Der Verein gab sich die Bezeichnung „Fremdenverkehrsvereinigung Höhbeck/
Elbe“. Ende 1958 waren der FVV bereits 64 Mitglieder beigetreten:
11 Gemeinden, 23 Gaststätteninhaber und 30 andere Mitglieder, vornehmlich Geschäftsleute
und Handwerker. Schon zwei Jahre später hatte sich ihre Zahl verdoppelt.
Mit Gründung der „Fremden-Verkehrsvereinigung Höhbeck/Elbe“ (im folgenden kurz als FVV bezeichnet)
war eine zentrale Institution zur Bündelung und Umsetzung vielfacher fremdenverkehrlicher
Aktivitäten der Mitgliedsgemeinden geschaffen worden. Die FVV vertrat nun die Interessen
der Gasthöfe, Pensionen und Zimmervermieter in den kommunalen politischen Gremien.
Als eine der ersten Aufgaben galt es in den Mitgliedsgemeinden örtliche Fremdenverkehrsausschüsse
zu bilden, um die Fremdenverkehrsbelange der jeweiligen Gemeinden besser vertreten
zu können. Im Juli 1958 existierten derartige Ausschüsse bereits in Gartow, Schnackenburg und
Vietze. Mit Hilfe von Presseveröffentlichungen und Mundpropaganda wurde die Arbeit der FVV
immer bekannter, so dass sich dem Verein zahlreiche weitere Mitglieder anschlossen.
Zur Gewinnung eines Urlauberpotentials sind umgehend Werbemaßnahmen auf breiter Ebene
durchgeführt worden. Sie zielten darauf ab, auswärtige Besucher für eine längere Verweildauer
im Raum Gartow zu animieren, d.h. einen Teil ihres Jahresurlaubs hier zu verbringen. Prospekte
wurden entworfen und in einer ersten Auflage in Höhe von 5000 Exemplaren gedruckt. Einen
geeigneten Fachmann fand die FVV im damaligen Chefredakteur der Elbe-Jeetzel-Zeitung, Kurt
Schmidt. Mit Einsatz und Geschick legte er bald die ersten Entwürfe vor.
Als sehr förderlich für die FVV erwies sich die gleichzeitige Mitgliedschaft des ersten Vorsitzenden
Borchardt im Zonenrandausschuß, dessen Vorsitzender er für den Bezirk Gartow-Schnackenburg
war. Anstehende Probleme in der Infrastruktur und im Fremdenverkehrswesen konnten im Zonenrandausschuß
an kompetenter Stelle zu Gehör gebracht und meistens über den Umweg dorthin
später gelöst werden.
Es ist heute schwer vorstellbar, daß die FVV sich auch um grundlegende Verkehrsverbesserungen
kümmern mußte. Die Verkehrsverbindungen auf Schiene und Straße sind damals ausreichend
aber ungünstig in Fahrplanzeiten und Anschlüssen gewesen. An- und Abreiseschwierigkeiten
für Urlauber, die zumeist noch den öffentlichen Personennahverkehr benutzten, mußten auf ein
Minimum reduziert werden. In zähen Verhandlungen mit Bundesbahn und Bundespost konnten
schließlich Verbesserungen erreicht werden.
Schlecht bestellt war es um den Zustand der Fernstraßen und der Ortsverbindungswege. Bei den
politischen Gremien musste die FVV mit Forderungen zum verkehrsgerechten Ausbau der Straßenverbindung
Gartow-Restorf-Brünkendorf-Vietze und der Schaffung einer Straßenverbindung
Meetschow-Vietze vorstellig werden. In Etappen erfolgte dann auch der Ausbau der Elbuferstraße
bis Schnackenburg. Damit war für motorisierte Urlauber und Einheimische ein jahrelanges
Ärgernis beseitigt. Ständige Bemühungen des Vereinsvorstandes und besonders der Gastgeber,
ihren Feriengästen im Rahmen des Möglichen einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten, führten
bald zu einer Steigerung der Übernachtungszahlen. Der Vorstand musste sogar an die Einwohner
appellieren, zusätzliche Feriengäste aufzunehmen. Mitverursacht wurde die unerwartete Quartiernachfrage
durch eine ausgestrahlte Fernsehsendung über Urlaubsmöglichkeiten im Gartow-
Schnackenburger Gebiet.
488
Immer noch nicht effektiv genug erwiesen sich Bahn- und Busverbindungen nach Gartow und
Schnackenburg. Obwohl Gartow im Juni 1959 noch täglich von 25 Omnibussen des öffentlichen
Personennahverkehrs angesteuert wurde, war der Fahrplan nur für Eingeweihte brauchbar. Die
Feriengäste kamen mit den Omnibuslinien Dannenberg-Schnackenburg und Lüchow-Vietze nur
schwer zurecht. In steten Verhandlungen versuchten Verein, Kreisverwaltung und Kommunalpolitiker
von Post und Bahn akzeptable Zug- und Busanschlüsse zu erwirken. Beförderungsmonopol
und Zonenrand erwiesen sich als stärker. Die Bundesbahn brachte es sogar aus Rationalisierungsgründen
fertig, an Sonn- und Feiertagen jeglichen Zugverkehr auf den Bahnstrecken Lüneburg-Dannenberg
und Uelzen-Dannenberg einzustellen.
Mit zunehmender Motorisierung der Bevölkerung wurde dieses Thema für Urlauber dann aber
immer gegenstandsloser.
Damals verfügten die Gemeinden erst über knapp 100 Fremdenbetten. Zögernd begann sich bereits
ein schwacher Zustrom von Touristen bemerkbar zu machen, die als Individualisten die Ruhe
und Reize der Gartow-Schnackenburger Landschaft zu schätzen wussten. Samtgemeindedirektor
Borchardt, als „Mann der ersten Stunde“, erinnerte sich, wie damals der erste Tourist ohne Auto,
angetan mit Rucksack, aus dem Omnibus stieg. So bescheiden begann der Fremdenverkehr!
Aus früheren Jahren waren bereits einige wenige gekennzeichnete Rundwanderwege im Höhbeckgebiet
vorhanden. Es galt nun, die Ausweisung von neuen Rundwanderwegen zu intensivieren.
Rundwanderwege um Gorleben sind mit gelbfarbigen Schildern kenntlich gemacht worden, um
Gartow rot, Höhbeck-Vietze grün und Schnackenburg blau.
Zur Jahreswende 1959/60 verhießen angestellte Prognosen kräftige Zuwachsraten im allgemeinen
Fremdenverkehr. Erst ein Fünftel der bundesdeutschen Bevölkerung leistete sich einen Jahresurlaub
außer Haus, und die Reiselust stieg ständig. Verständlich, dass auch der Raum Gartow
von diesem „Urlaubs-Boom“ profitieren wollte. Der Verein stellte sich sofort darauf ein und veranlasste
eine erneute Werbekampagne, wozu u.a. 10 000 Exemplare des neuen und erweiterten
Prospekts benötigt wurden. Eine Wanderkarte ergänzte den Prospekt. Die Bemühungen waren
von Erfolg gekrönt und bewirkten eine Steigerung der Übernachtungszahlen auf rund 7 500 pro
Jahr – ein deutlich besseres Ergebnis als in der Saison 1959.
Der Gemeinde Gartow gelang die Aufnahme in den Reisekatalog eines bedeutenden Touristikunternehmens,
wodurch der Raum Gartow einem größeren Interessentenkreis bekannt wurde.
Gartow wurde somit „Zielort der Hummel-Reisen GmbH“. Allerdings standen die weite Anreise, die
Frage der Gepäckmitnahme und die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln allen Hoffnungen
auf mehr Gäste entgegen. 1967 standen der FVV bereits 160 Zimmer zur Verfügung.
In Gartow sind die Zentren der Grundversorgung konzentriert: Polizei, Apotheke, Post, Kirche, Gemeindeverwaltung,
Ärzte, Lebensmittelgeschäfte, Gaststätten, Werkstätten, Tankstellen usw. Reitund
Angelmöglichkeiten, Minigolf, Kutschwagenfahrten und Fahrradverleih befriedigten über das
übliche Maß hinausgehende Ansprüche in Gartow weilender Feriengäste. Im Werbeprospekt von
1967 heisst es dazu:
„Gartow ist das eigentliche Zentrum des Höhbeck-Elbe-Gebietes“.
Die FVV dachte nach zehnjährigem Bestehen auch an sich und errichtete an der Hahnenberger
Straße 2 in Gartow ein modernes Informationszentrum und Verkehrsbüro. 1967 sind die anfal-
489
lenden Aufgaben der FVV von der Samtgemeindeverwaltung in Gartow übernommen worden, weil
der Arbeitsaufwand in ehrenamtlicher Tätigkeit nicht mehr zu bewältigen war. Weil es wiederholt
vorkam, dass Zimmervermieter wegen ausgebuchter Quartiere nicht mehr auf weitere Anfragen
von Interessierten reagierten, wurde die Zimmervermittlung zentralisiert und fast gänzlich über
das Touristbüro in Gartow abgewickelt. In der Saison 1968 verbrachten schon 200 Familien ihren
Urlaub im Raum Gartow.
Ein wichtiger Meilenstein zur Förderung des Fremdenverkehrs war die 1966 erfolgte Inbetriebnahme
eines Schwimmbades, wegen seiner guten Lage auch als Waldbad bezeichnet. Für die
Bewohner aus Gartow und Umgebung ging ein langgehegter Wunsch in Erfüllung, denn weit und
breit existierte kein Schwimmbad. Dem Schwimmbad waren in weiser Voraussicht ein Restaurant,
eine sehr große Liegewiese und ein Kinderspielplatz zugeordnet worden.
Ein Jahr später ist ein öffentlicher Campingplatz seiner Bestimmung übergeben worden. Er grenzte
an das Waldbadgelände an. Schwimmbad und Campingplatz verzeichneten ständig steigende
Besucherzahlen. 1968 ist die Attraktivität des Schwimmbades mit dem Einbau der Beheizungsanlage
wesentlich erhöht worden, weil von April bis Oktober eine konstante Wassertemperatur von
22 Grad vorgehalten werden kann. Noch größere Zuwachsraten erreichte der Campingplatz. Die
Hälfte aller Anfragen konnte nicht berücksichtigt werden.
Kurze Zeit darauf entstand in Gartow die erste zusammenhängende Ferienhaussiedlung mit 10
Wohnungen. Die Realgemeinde hatte einen Hektar Fläche an der Hahnenberger Straße zur Verfügung
gestellt, auf der sich früher ein Barackenlager des Reichsarbeitsdienstes befand. Die Idee,
die Baracken als Ferienquartiere auszubauen und zu nutzen, ließ sich wegen des schlechten Erhaltungszustandes
nicht verwirklichen. Das sog. „Hamburger Feriendorf“ gehört noch heute der
Gemeinde Gartow; Organisation und Verwaltung liegen in privater Hand.
Der Gedanke, Ferienhäuser und -wohnungen errichten zu lassen, kam den Erwartungen von Familien
mit Kindern sehr entgegen, weil sich Groß- und Kleinfamilien einen Aufenthalt in Gaststätten,
Pensionen und Hotels finanziell kaum leisten konnten. In Gartow hatte man diese „Marktlücke“
erkannt und trieb den Bau entsprechender Ferienquartiere voran.
Die Entwicklung nach 1970
Ab 1972 erschien jährlich ein Veranstaltungskalender, der abwechslungsreiche Freizeiterlebnisse
anbot. Im Verkehrsbüro ist darüber hinaus eine öffentliche Bücherei mit angeschlossenem Lesebereich
sowie ein Computerarbeitsplatz eingerichtet worden.
Um 1973 betrieb die Gemeinde Gartow die staatliche Anerkennung als Erholungsort. Die Gastronomie
im Raum Gartow wurde damals von den Feriengästen nicht gut beurteilt. Man störte
sich am ungünstigen Preis-Leistungs-Verhältnis, ein Thema, das auch heute noch zu Diskussionen
führt. Soweit die FVV in der Lage war, bemühte sie sich um Abhilfe. Zu jener Zeit war Gartow als
aufstrebender Erholungsort von der niedersächsischen Landesregierung als Modellvorhaben für
die Entwicklung eines Fremdenverkehrszentrums ausgewählt und in die erste Prioritätsstufe aufgenommen
worden.
Derartige Erwartungen waren mit erheblichen Kosten verbunden: die regionale Wirtschaftspolitik
mußte von 1972 bis 2002 rd. 18,5 Mio. DM Fördermittel aufbringen, daneben für Zinsverbilligungen
sorgen, Kredite und Subventionen beschaffen. Trotz der zu erwartenden Kosten lautete das
490
1972: Gesellschaft für Landeskultur Bremen: Forschungsvorhaben im LK Lüchow-Dannenberg, Bereich
Gartow-Höhbeck
491
Fazit: „…Der Mitteleinsatz ist gerechtfertigt durch die raumordnungspolitischen Oberziele eines
stetigen Wirtschaftswachstums und der Chancengleichheit der Lebensbedingungen in dem benachteiligten,
hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenen Gebiet“. 5
„…Bei vergleichsweise (zum Teilgebiet Drawehn-Jeetzel) noch ungünstigeren agrarstrukturellen
Voraussetzungen ist dieser Raum daher auf die Entwicklung des Fremdenverkehrs als wesentliche
Erwerbsquelle angewiesen. Diese Entwicklung soll im Prinzip das gesamte Teilgebiet erfassen,
jedoch auf Gartow als Zentrum ausgerichtet werden.“ 6
Anfang 1974 haben sich auf Anregung des Bildungs- und Freizeitzentrums Gartow junge Landwirte
aus dem Kreis zusammengesetzt, um die Möglichkeit zu prüfen, ob zur Diskussion des Modellvorhabens
Lüchow-Dannenberg ein Seminar stattfinden könnte, bei dem die zum großen Teil dafür
aufgeschlossenen jungen Landwirte Fragen zum Stand der Planung und der daraus folgenden
Perspektiven für die Landwirtschaft beantwortet bekommen. Junge Landwirte, die den elterlichen
Hof in Zukunft weiter bewirtschaften wollen, haben Anspruch darauf, Partner der Planer und Politiker
zu sein.
Im November 1974 fand das Seminar in Gartow schliesslich statt – ausgerichtet von der Agrarsozialen
Gesellschaft in Göttingen.
Tagungsorte waren das Schloß und die Mittelschule. Ziel des Seminars war eine öffentliche Diskussion
mit Wirkung auf politische Gremien:
„In erster Linie geht es um die Beantwortung der Frage, ob das Modellvorhaben Lüchow-Dannenberg
eine konkrete Hilfe für die Landwirtschaft ist. In diese Rolle des orientierten und verantwortungsbewussten
Partners können die Landwirte nur hineinwachsen, wenn sie über die den
Entwicklungsplänen zugrunde liegenden Planungsdaten informiert sind, ihre Interessen im Meinungsaustausch
artikulieren und mit der geplanten Entwicklung in Beziehung bringen sowie die
Möglichkeit haben, Planer und Politiker über deren Motive und Absichten zu befragen.
Die Arbeitsgruppe 4 ist der Meinung, dass diese Kapazität nicht sprunghaft erreicht werden soll,
sondern etwa im Zeitraum von 10 Jahren. Das örtliche Gewerbe wäre in der Lage, die Kapazität
an Betten und sonstigen Einrichtungen bei organischem und langsamem Wachstum selbst zu
erstellen. Sie fordert, das Konzept eines Massentourismus für Gartow und Umgebung, zugunsten
der vorgeschlagenen Lösung, aufzugeben. Ein Stoßbetrieb in der Saison, der über 4.000 Touristen
hinausgeht, wäre von der einheimischen Wirtschaft nicht zu verkraften. In allen Arbeitsgruppen
setzte sich die Erkenntnis durch, dass man den elementaren Interessen der hier lebenden Bevölkerung
nicht gerecht wird, wenn man die Entwicklung dem freien Spiel der Kräfte überlässt“.
Inzwischen wurde eine Bauleitplanung erforderlich, um beim Bau weiterer Ferienhäuser einer zu
befürchtenden Landschaftsverschandelung Einhalt zu gebieten. Die organisierte Ferienhausplanung
begann. Obwohl der Bau von 400 Ferienhäusern geplant war, kollidierten die Vorstellungen
der Bauherren mit denen des Fremdenverkehrs, weil die Bauherren vornehmlich Zweitwohnsitze
schaffen wollten und einer Dauervermietung den Vorzug gaben.
Zur Lenkung der Maßnahmen wurde der „Wendlandkommissar“ Dr. Hartmut Lichtenstein von der
Bezirksregierung Lüneburg eingesetzt. Notwendig wurde auch eine „Entwicklungsgesellschaft“. 7
492
Bezogen auf den Raum Gartow existierten folgende Vorstellungen zur „Förderung des örtlichen
Gewerbes“ am Beispiel Gartow und Umgebung:
• 40 bis 50 Arbeitsplätze durch Bau einer Bootswerft in Schnackenburg (Antrag auf Förderung
liegt bei der Bezirksregierung vor).
• 20 zusätzliche Arbeitsplätze in den bestehenden örtlichen Gewerbebetrieben.
• 15 Arbeitsplätze im Fremdenverkehrsdienstleistungsgewerbe (Gaststätten und Hotelbetriebe
am Gartower See).
• 5 Arbeitsplätze für Unterhaltung des Gartower Sees.
• 200 Arbeitsplätze in einem neu zu errichtenden Regenerationszentrum mit 2.000 Betten.
Erholungseinrichtungen und Einrichtungen für die Infrastruktur müssen, wenn irgend möglich,
von dem örtlichen Gewerbe erstellt werden. Bei Ausschreibungen sind örtliche Unternehmungen
durch Präferenzklausel (15% über den Kosten Auswärtiger) zu bevorzugen. Es ist dafür zu sorgen,
dass die Unternehmergewinne am Ort bleiben.
Dem hiesigen Gewerbe kann hinsichtlich der Schaffung von Fremdenverkehrseinrichtungen nur
geholfen werden, wenn sich der Aufbau dieser Einrichtungen kontinuierlich in einem Zeitraum von
ca. 10 Jahren vollzieht.
Bei der Untersuchung zur Frage der Größenordnung des Fremdenverkehrs wurde wieder auf den
Raum Gartow zurückgegriffen:
„Der Fremdenverkehr hat dann eine wirtschaftliche Bedeutung, wenn man erreicht, dass man
dieselbe Zahl an Gästen hat, wie die Einwohnerzahl. Bei einer angenommenen Belegung von 100
Tagen im Jahr mit 3450 Betten, wären also im Samtgemeindebereich 400000 Übernachtungen
im Jahr notwendig, um die Wirtschaft zu stärken. Hierdurch würden 300 neue Arbeitsplätze entstehen.
Um 400000 Übernachtungstage im Jahr zu ermöglichen, müssen folgende Voraussetzungen
geschaffen werden:
Regenerationszentrum mit 500 Betten
und 200 Belegungstagen = 100000 Übernachtungstage
500 Eigentumshäuser in gemischter Nutzung
mit 2.000 Betten und 100 Belegungstagen = 200000 Übernachtungstage
Nebenerwerbsbetriebe mit 400 Betten
und 100 Belegungstage = 40000 Übernachtungstage
Vollerwerbsbetriebe mit 50 Betten
und 100 Belegungstage = 5000 Übernachtungstage
Grenzlandakademie bzw. Jugendzentrum
mit 100 Betten und 200 Belegungstagen = 20000 Übernachtungstage
Einheimische Betriebe mit bereits 400 vorhandenen
Betten und 100 Belegungstage = 40000 Übernachtungstage
insgesamt 405000 Übernachtungen
493
In der GfL-Studie wird das Teilgebiet Gartow hinsichtlich seiner künftigen Nutzung als Freizeit- und
Erholungsort festgeschrieben:
• Umfassendes und breites Angebot für Wochenend- und Ferienerholung
• Alle Übernachtungsformen
• Vielseitige Sportmöglichkeiten (in Ergänzung zum vorhandenen Freibad/Hallenbad)
• Rasenspielplätze
• Tennis, Golf, Reiten/Reithalle/Reitbahn
• Bau des Gartower Sees mit Wassersport
Prioritäten:
Von allen bestehenden Ansatzpunkten des Fremdenverkehrs… ist Gartow bereits jetzt am besten
ausgestattet. Dies und der Umstand, dass Gartow die extremste Randlage darstellt, rechtfertigen
den Vorschlag, in der ersten Entwicklungsstufe Gartow nachdrücklich zu bevorzugen…“Außer Gartow
sollte Wittfeitzen als Zentrum für den Fremdenverkehr ausgebaut werden. 8
„Deshalb stellten die Gruppen mit dem Appell an die im Grundgesetz allen Bürgern garantierte
Chancengleichheit die Forderung nach gezielter staatlicher Wirtschaftspolitik. Geholfen werden
kann in erster Linie nur durch Schaffung industrieller und gewerblicher Arbeitsplätze. Wenn der
Staat selbst keine Möglichkeit zur Schaffung von unmittelbaren Arbeitsplätzen in unserem Gebiet
hat, dann muß er die private Investitionsbereitschaft durch erheblich höhere Beihilfen als
bisher herbeiführen. (z.B. Errichtung eines Regenerationszentrums mit 1000 Betten, zusätzliche
Arbeitsplätze bei SKF durch mehr Aufträge von der öffentlichen Hand, Sicherung der bestehenden
Arbeitsplätze dadurch, dass Aufträge für Ferienhausprojekte und Fremdenverkehrseinrichtungen
nur an das ortsansässige Gewerbe vergeben werden).“ 9
Diese weitgefassten Planungen sind nur zum Teil verwirklicht worden, zumal eine ungünstige wirtschaftliche
Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland einsetzte. Auch sah man sich seitens
der niedersächsischen Landesregierung schlecht vertreten, da der Delegierte der Landesregierung,
Dr. Kirchhof, einräumen musste, es gäbe keinen zuvor propagierten „Lüchow(Hilfs)-Plan“
beim zuständigen Ministerium in Hannover.
Gartow wird Luftkurort
„Staatlich anerkannter Luftkurort“, dieser Zusatz ist für viele Urlaubsorte ein erstrebenswertes
aber nicht leicht erreichbares Ziel. Gewisse Grundvoraussetzungen müssen gegeben sein, um ein
entsprechendes Anerkennungsverfahren einleiten zu können:
Erholsame Landschaft, ruhige, von Emissionen und Immissionen frei gehaltene Lage, Erholungseinrichtungen,
gesunde und angemessene Unterbringung, Grundversorgungseinrichtungen und
natürlich gesundheitsförderndes Klima.
Aus der Sicht der FVV erfüllte Gartow die vorgenannten Bedingungen. 1977 ist das notwendige Genehmigungsverfahren
eingeleitet worden. Dreijährige Klimamessungen, verschiedene Gutachten
und Stellungnahmen von Behörden sowie Institutionen gemäß Verordnung des niedersächsischen
Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 22. Januar 1975 sind wie vorgeschrieben von der Gemeinde
Gartow schließlich erbracht worden. Nach Prüfung der Unterlagen ergaben die geforderten
klimatischen Verhältnisse, ein breites Angebot an Freizeit- und Erholungseinrichtungen sowie
alle anderen nötigen Grundvoraussetzungen ein positives Urteil. Einer Anerkennung Gartows als
Luftkurort stand nichts mehr im Weg. Am 16. Juni 1980 stellte Regierungspräsident Rolf Wandhoff
die begehrte Erlaubnisurkunde aus. Neben Hitzacker war Gartow nun der zweite Luftkurort im
Landkreis. Derzeit kann Gartow die Bezeichnung nicht führen.
494
Die Werbewirksamkeit dieser Auszeichnung ist für Gartow und Umgebung von erheblicher Bedeutung,
da Luftkurorte erfahrungsgemäß mit häufigerem Besuch rechnen können. Verpflichtung
bleibt jedoch, die an einen Luftkurort gestellten Bedingungen stets zu erfüllen.
1980: „Gartow-Saison 80“, Tourismuswerbung
495
Weil die Vielzahl an Freizeit- und öffentlichen Einrichtungen stets Folgekosten (Personal, Unterhaltung,
Versicherung usw.) mit sich bringen, werden Samtgemeinde und „Kur- und See-GmbH“
ständig finanziell in die Pflicht genommen.
Mit den Aufbauleistungen in der Vergangenheit konnte die FVV bzw. Kur- und See GmbH. recht
zufrieden sein:
Von 1977 auf 1978 konnte ein Anstieg der Übernachtungen um zehn Prozent, ein Zuwachs von
150 weiteren Fremdenbetten auf die Gesamtzahl von 950 und eine Auslastung der Ferienhäuser
auf zum Teil 200 Tage im Jahr erreicht werden.
Der Gartower See entwickelte sich für Tagesausflügler und Feriengäste immer mehr als Anziehungspunkt.
An einem sonnigen Wochenende im August des Jahres 1983 sind am Gartower See
annähernd 3000 Personen gezählt worden. Ein Beweis für die Flexibilität und Aufgeschlossenheit
der Verantwortlichen.
Auf kulturellem Gebiet fanden ebenfalls wesentliche Verbesserungen statt:
Der „Kulturverein Gartow“ bot und bietet bis heute interessante Vorträge und Studienfahrten an.
Das „Bildungs- und Freizeitzentrum Gartow“ in Zusammenarbeit mit der Aktionsgemeinschaft Natur
brachte Interessierten in Vorträgen und Wanderungen die Besonderheiten unserer heimischen
Natur näher. An ein anderes Publikum richten sich die Aufführungen der „Gartower Schloßkonzerte“.
Kirche, Vereine und Privatinitiativen bieten weitere Veranstaltungen und Betätigungen an.
Der Ort Gartow selbst bemühte sich stets um ein attraktiveres Aussehen, um sich dem Feriengast
in einer ansprechenden Weise zeigen zu können. 1979 sind die wesentlichsten Bau- und Umgestaltungsmaßnahmen
im Zuge des Dorferneuerungsprogramms beendet worden. 62 Hauseigentümer
trugen durch private Initiative zur Verschönerung des Ortsbildes bei. Im Rahmen dieser
Maßnahmen wurde auch die Hauptstraße sowie der Kirchplatz in Gartow mit einem Kostenaufwand
von 800 000 DM neu gestaltet. Wieder erhielt Gartow einen Preis für gelungene, vorbildliche
Straßengestaltung innerhalb von Ortschaften. Unter 90 Bewerbern aus dem Bundesgebiet hatte
sich die Gemeinde Gartow zum Wettbewerb „Straßen in Dorf und Stadt “ gemeldet. Glückwünsche
und eine Bronzeplatte zur Erinnerung nahmen Gartows Bürgermeister Ernst Schmidt-Maury und
Verwaltungschef Hans Borchardt von Bundesverkehrsminister Dr. Hans Dollinger im Oktober 1984
entgegen Von 350 zum Landeswettbewerb Niedersachsen angemeldeten Spielplätzen errang der
Abenteuerspielplatz den 1. Preis, vom Sozialminister Hermann Schnipkoweit überreicht.
Die bis dahin geschaffenen Fremdenverkehrseinrichtungen boten 15 Voll- und 19 Saisonarbeitskräften
Beschäftigung. Im Juli 1980 verfügte Gartow über 660 Gästebetten, davon 490 in Ferienhäusern,
41 in Hotels, 39 in Gasthöfen und 37 in Fremdenheimen. Bereits drei Jahre später
konnten allein in Gartow 1 660 Urlauber untergebracht werden. Durch Fortführung des Ferienhausbaues
existierten 1983 in Gartow schon 190 Ferienhäuser.
Ausbau des Tourismusangebotes
Gesellschaftliche und politische Entwicklungen in den der letzten beiden Jahrzehnten sorgten für
veränderte Gewohnheiten auch im Tourismus, wovon Gartow ebenfalls betroffen ist. Die Wiedervereinigung
Deutschlands war hierbei der gravierendste Einschnitt, nicht nur weil die Touristenströme
neue innerdeutsche Reiseziele entdeckten, sondern auch, weil mit dem Wegfall der Zonenrandförderung
Investitionen in die Tourismusinfrastruktur schwieriger wurden. Die nicht enden wollende
Diskussion um den Endlagerstandort Gorleben hat vermutlich ebenfalls negative Auswirkungen.
496
2009: Springstr. 2: Hotel-Restaurant „Gartower Hof“
2009: Reitplatz und -halle Hahnenberger Strasse
Die Übernachtungszahlen in Gartow, beeinflusst vom Campingpark, sind seit 1985 mit 118 116
bis 1992 mit 177 019 kontinuierlich angestiegen und bewegen sich seither in Schwankungen.
Das Jahr 1995 brachte den bisherigen Rekordstand von 192 958 Übernachtungen. Es war insbesondere
der ehemalige Samtgemeindedirektor Hans Borchardt aus Kapern, der 41 Jahre lang als
Vorsitzender des Fremdenverkehrsvereines Gartow und Umgebung zum Erfolg der touristischen
Bemühungen in Gartow beigetragen hat. Im März 1999 übernahm Volker Hildebrandt den Vorsitz,
wobei H. Borchardt aufgrund seiner Leistungen zum Ehrenvorsitzenden gewählt wurde. Um das
Angebot für Tagesausflügler, Campingplatzurlauber und andere Touristen attraktiver zu gestalten,
haben sich Initiativen gebildet, die eine rege Aktivität entfalteten. 10
Um das Tourismusangebot zu verbessern, sind weitere Maßnahmen notwendig:
„Pavillon, Grillplätze, Bootsanleger: Als in den Jahren 1974 bis 1982 nach und nach der Gartower
See geschaffen wurde, entstanden am See-Nordufer auch diese drei touristischen Einrichtungen.
Doch der Zahn der Zeit hat an ihnen genagt, „sie sind in die Jahre gekommen und entsprechen
nicht mehr den Anforderungen des heutigen Fremdenverkehrs“, sagt Lutz Haas, Bürgeramtsleiter
der Samtgemeinde Gartow. Das aber soll sich ändern; die Gemeinde Gartow als Bauherrin will
kräftig investieren. Und so werden insgesamt rund 235 000 Euro ausgegeben. Das ganze Paket
soll zur Attraktivitätssteigerung des Tourismus am und um den Gartower See beitragen. Allein 170
000 Euro werden für den Aus- und Umbau des Seepavillons („Salix“) ausgegeben. Der Gaststättenraum
wurde kräftig umgestaltet, eine überdachte Terrasse ist angebaut worden, so Lutz Haas.
Auf 70 Quadratmetern werden Platz auch für Seminare, Kurse und Ausstellungen geschaffen.
Auch eine große überdachte Terrasse soll entstehen. Das „Salix“ konnte bisher nur in den Sommermonaten
genutzt werden, und genau das soll schon bald der Vergangenheit angehören. Der
Betreiber soll die Anlage künftig ganzjährig nutzen können. Eine entsprechende Wärmedämmung
und eine Heizungsanlage werden das ermöglichen.
Die Gemeinde Gartow muss den Großteil der Kosten jedoch nicht aus eigener Tasche bezahlen.
92 750 Euro kommen aus einem Topf zur „Förderung der ländlichen Entwicklung“. Die EU-Fördergelder
werden vom Land und über Leader ausgeschüttet. Insgesamt rund 64 000 Euro sind für
drei weitere Maßnahmen eingeplant. Auch für sie gilt: es gibt Fördergelder. Und zwar 35 000 Euro.
Auch in diesem Fall sind es EU-Gelder, die, ebenfalls über Land und Leader auf das Konto der Gemeinde
überwiesen werden. „Förderung des Tourismus“ heißt das Landesprogramm.
497
Im Rahmen der Umgestaltung und Erneuerung der Grillplätze unweit des Seepavillons soll eine
verbindende Überdachung geschaffen werden. Die Anlage werde nach ihrer Fertigstellung auch
größeren Gruppen Platz sowie Schutz vor schlechtem Wetter bieten, erläutert der Bürgeramtsleiter
Lutz Haas. Er denkt dabei unter anderem an Betriebsausflüge und Radwandergruppen. Neu
geschaffen wird eine sogenannte Beobachtungsplattform in direkter Nachbarschaft zum Bootsanleger.
Haas: „Die 10 Meter mal 7,5 Meter große Plattform soll Fuß- und Radwanderern als Pausenstation
dienen und auch zum längeren Verweilen mit Naturbeobachtungen einladen.“
Der Bootsanleger wird vor dem Hintergrund, dass er bezüglich seiner Abmessungen größere Boote
(zum Beispiel Drachenboote) nicht aufnehmen kann, umgebaut. Zudem sei er bei erhöhter Traglasterfordernis
instabil. 11
Aber auch die bestehenden touristischen Anlagen müssen gepflegt werden, zudem ist die Gesamtsituation
im Auge zu behalten:
„Sobald die Tage länger werden und die Temperaturen steigen, schaut man in Gartow sorgenvoll
auf den See. Immer wieder musste dieser in den vergangenen Jahren für den Badebetrieb gesperrt
werden, weil er voller Blaualgen war. Doch nicht so in diesem Jahr. „Der See ist sauber, das
Wasser hat beste Badequalität, und man kann fast bis zum Grund gucken“, berichtete Gartows
Samtgemeindebürgermeister Friedrich-Wilhelm Schröder am Dienstagabend auf der Sitzung des
Samtgemeinderates in Schnackenburg. Schon im vergangenen Jahr sei der See blaualgenfrei geblieben,
und man sei optimistisch, dass das auch in diesem Jahr so bleibe.
Die Sommersaison kann also kommen in Gartow. Zumal auch die Badestrände neuen Sand
bekommen hätten, wie ebenfalls in der Sitzung bekanntgegeben wurde. Damit auch in diesem
Jahr wieder möglichst viele Gäste nach Gartow kommen, wolle man bei der Anpassung der Campingplatzgebühren
auch „äußerst moderat“ vorgehen, betonte Samtgemeindekämmerer Hans-
Heinrich Drimalski. Die Verwaltung empfehle, den Dauercamperbereich gänzlich von Erhöhungen
auszunehmen und lediglich bei den Tagescampern leicht die Gebühren zu erhöhen, um die gestiegenen
Nebenkosten auch weiterzugeben. „Der Markt ist sehr empfindlich “, stellte Drimalski
heraus. Dieser Empfehlung folgte der Rat einstimmig.
Eine Liste mit rund 300 Unterschriften übergab Gartows Bürgermeister Hans-Udo Maury (CDU) der
Verwaltung. Darin fordern Gartower Bürger eine Verkehrsberuhigung der Spring- und der Hauptstraße.
Vor allem der zunehmende Schwerlastverkehr belaste die Anwohner und die Gebäude, so
Maury. Samtgemeindebürgermeister Friedrich-Wilhelm Schröder versprach, die Angelegenheit an
die zuständigen Stellen beim Kreis weiterzuleiten und sich für eine Verkehrsberuhigung einzusetzen.
„Das ist seit 30 Jahren hier ein Dauerbrenner, sagte Schröder. Allerdings wies er auch darauf
hin, dass eventuelle Verkehrsberuhigungsmaßnahmen wie Verkehrsinseln von der Gemeinde Gartow
bezahlt werden müssten. Jedoch gäbe es 30 – km/h – Schilder vom Straßenverkehrsamt.“
Bis zum Jahr 2012 hat sich in dieser Angelegenheit nichts getan, der Schwerlastverkehr hat eher
noch zugenommen. 12
Im Mai 2007 fand in Gartow die 1. Freizeitmesse statt, die auf einer Idee von Stefan Reinsch fußt
und vom Gewerbe- und Tourismusverein Gartow sowie den Tourist-Informationen Gartow und Lenzen
organisiert worden ist. Am Campingpark und Reiterzentrum gab es verschiedene Aktivitäten
und Informationsmöglichkeiten. Er ist auch Akteur vieler weiterer Aktivitäten rund um Gartow. Es
sind aber auch die vielfältigen, oft nicht spektakulären Angebote und Veranstaltungen, die zum
Nutzen des Tourismus und somit zur Wirtschaftskraft in Gartow und Umgebung beitragen. An die-
498
ser Stelle kann nicht ausführlich darüber berichtet werden, es muss daher genügen, stichwortartig
die wichtigsten Angebote zu benennen. Eingebunden in die tourismustragenden Institutionen und
Organisationen sind z.B. auch die Gemeinde-Verwaltung oder die Biosphärenreservatsverwaltung
Niedersächsische Elbtalaue, die in der Touristinformation Gartow eine Anlaufstelle eingerichtet
hat.
Regelmäßige Führungen „Auf den Spuren des Elbe-Bibers“ auf dem „Biberpfad“ entlang der Seege
von Gartow bis Nienwalde (2,6 km lang) oder auf dem „Biber-Rundwanderweg“ bringen Touristen
und anderen Interessierten die Natur näher.
Hierzu gehört auch die geführte Wanderung „Auf den Spuren von Gänsen im Dreiländereck “ in
der Alandniederung für Freunde der Ornithologie, ebenso entlang der Elbe im Rahmen des Projekts
„Erlebnis Grünes Band“.
Im September/Oktober 2009 fanden erstmalig die „Tage der GenussPunkte beiderseits der Elbe“
statt, in die auch die Kanustation Gartow und das Gasthaus zum See eingebunden waren.
Von Restorf aus bietet Kutscher Ulli Themen-Kutschfahrten an wie z.B.:
„Kaffee-Kutschfahrt“, „Abend-Kutschfahrt“, „Glühwein-Kutschfahrt“,
„Zweittagefahrt mit dem Planwagen“.
Zwei Museen gibt es: das Grenzlandmuseum Schnackenburg mit der Außenstelle der Gedenkstätte
Stresow und das Heimatmuseum Vietze.
Musik- und Kunstinteressierte haben die Möglichkeit, in Gartow die Schlosskonzerte, in Schnackenburg
die „Schubertiaden“, in Gartow („Orgelsommer“) und Trebel Orgelkonzerte zu hören oder
in Gartow die „Kunstkammer“ sowie in Quarnstedt im Speicher Kunstausstellungen anzusehen.
Ein Teil der Seegeniederung dient als Freilicht-Kunstraum mit in die Natur integrierten Objekten.
Ob Osterbasteln, Osterfeuer, Kino im Forum, Flohmarkt, der Sonntag für den Naturschutz, Wellness-
und Fitnesstage in der Wendland-Therme, Offene Gärten im Wendland, Sonnenwendfest,
Drachenbootrennen, Open Air-Kino, Sportive Landpartie, Europäische Fledermausnacht, Obsttag,
Weihnachtsmarkt auf dem Schlosshof – das Angebot ist vielfältig.
Nicht zu vergessen sind die Sportangebote der Gartower Vereine und die Veranstaltungen auf
dem Gartower See, wie z.B.das See-Duathlon, die Drachenbootwettkämpfe, der Reitsport mit verschiedenen
Turnieren oder geführten Ausritten, das Gartower Ferien-Tennisturnier, das Wendland-
Triathlon oder die Sportive Landpartie. Dazu gehören auch Kanu- oder Tretbootfahrten, Segeln,
Surfen und Angeln. Es gibt einen „Trimm-dich-Pfad für Pferd und Reiter“ am Umschwang.
Angeboten werden ferner Ballonfahrten „Mit dem Wind über dem Elbtal“, ein „Paddeldiplom“, Touren
per Boot auf der Elbe, „Vogelkundliche Exkursionen“, „Durch Auen und Wiesen “, „Keschern
für Kinder “, „Pilzführungen“, „Ein Viertelstündchen unterm Sternenhimmel“, „Den Abendseglern
auf der Spur“, der „Große Eichenbock „ (im Elbholz),
Der NABU, der in Gartow, Am Quotum, einen Naturgarten und eine Informationsstelle unterhält,
bietet ebenfalls Aktionen an: „Spaß mit Weiden “ (z.B. Weidenkränze flechten), „Frühblüher am
Höhbeck “, „Abendliches Froschkonzert “, „Der Eisvogel – Vogel des Jahres“, „Das große Krabbeln
499
– die Welt der Insekten“. Hinzu kommen naturkundliche Bildvorträge. Die vorstehend aufgeführten
Aktionen sind im Laufe des Jahres 2009 und auch in den Folgejahren angeboten worden. Es
überwiegt das auf die Natur ausgerichtete Programm, da der Gartower Raum ein hohes Potential
ökologischer Besonderheiten bietet.
Nicht direkt von Gartow sondern von Nachbarorten aus finden weitere Touren statt: „Arche Noah
Höhbeck“ (Tier- und Pflanzenwelt, Schwedenschanze), „Was blüht denn da?“ (Pevestorf), „Glühwürmchen
zur Mittsommernacht“ (Pevestorf), „Feierabend auf der Elbe“ (Pevestorf), „Heiß und
kalt den Strom hinab“ (Winterbeobachtungen mit Kanu, Pevestorf) oder „Winterfest an der Elbe“
(Kanutour).
Ferner gibt es eine Reitstrecke vom Arendsee über Lomitz, Trebel, Gorleben, Höhbeck, Gartow,
Nienwalde und Wirl.
Der Förderverein Wendland-Rundweg e.V. bietet im Höhbeckbereich einen 10 km-Wanderweg
„Auf den Spuren Karls des Großen“ an. Dieser ist ein Teilstück des Elb-Höhenweges und dieser
wiederum des 184 km langen „Wendland-Rundweges“ entlang der Kreisgrenze. Diese Strecken
können sowohl zu Fuß als auch mit dem Fahrrad bewältigt werden, wobei als Trägerorganisationen
der Deutsche Volkssportbund und der Deutsche Wanderverband auftreten. In diesem Zusammenhang
werden auch drei Fußtouren durch die Nemitzer Heide angeboten. Ein 47 km langer
Radrundweg führt von Meetschow über Gartow, Nienwalde, Bömenzien, Aulosen, Schnackenburg,
Lenzen, Höhbeck zurück nach Meetschow. An dieser Route sind der Biberlehrpfad bei Gartow, der
Seeadler-Beobachtungsturm bei Nienwalde, die Grenzgedenkstätte Stresow, das Grenzlandmuseum
in Schnackenburg, die Burg Lenzen und der Aussichtsturm Höhbeck sind Zwischenziele.
„…Unterstützt werden sollen in der Ostkreis-Samtgemeinde unter anderem die schon oft geäußerten
Wünsche nach Ortsbildverbesserungen, nach einer Weiterentwicklung des Wegenetzes,
der Einführung von Wandergruppen und eines Lauftreffs, Angebote im Bereich Gesundheit… Aber
auch die Förderung einer auf regionale Produkte setzenden Gastronomie könnte unterstützt werden,
sollten sich die Gartower in der Befragung dafür aussprechen, genau wie die Vernetzung von
Firmen, die im Bereich Holz arbeiten. „… Das Programm „Agenda 21“ gibt es seit 1992. Es wurde
damals von einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen entwickelt, um weltweit Kommunen dazu
aufzufordern und zu unterstützen, ihre Entwicklung im 21. Jahrh. unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit
zu planen“.
Weitere Touren bietet die Tourismusinformation Lenzen an wie z.B: „Lebendiges Heilkräuterwissen“,
„Den Fledermäusen auf der Spur“ oder „Historische Altstadt Lenzen“. In der Burg ist ein
Besucherzentrum der UNESCO eingerichtet.
„Das Besucherzentrum Burg Lenzen in der Westprignitz und die Tourist-Information in Gartow
bieten in ihrer länderübergreifenden Kooperation einen neuen Service an: Ausgerüstet mit einem
GPS-Gerät am Fahrradlenker geht es auf eine etwa 40 Kilometer lange Radtour durch das Vierländereck
(Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt). Das GPS-
Gerät zeigt die Richtung an, und auf Knopfdruck können unterwegs an 32 Stationen interessante
Informationen in Sachen Natur, Kultur und Geschichte per Sprechertext, Bild und Ton abgerufen
werden. Mal lauscht der Benutzer dem Gesang der Nachtigall, mal bekommt er etwas über den
Eichenbockkäfer erklärt und an jeder Station gibt es zudem spannende Biber-Informationen. Dazu
ein Rätselquiz – speziell für Kinder. Der mobile Gästeführer ist deutschlandweit fast einzigartig –
500
das Angebot gibt es nur noch in Bayern. Diese Art der Informationsübermittlung während einer
Fahrradtour sei auch sehr attraktiv für Menschen mit Behinderung, da man alle Infos sowohl lesen,
als auch hören könne, so die Elbtalaue-Wendland-Touristik (EWT). Weitere Infos zum digitalen
Tourenführer gibt es bei der Tourist-Information in Gartow, der Kanustation am Gartower See und
auf der Burg Lenzen. Dort kann man sich das GPS-Gerät auch ausleihen.“ 13
Die Entwicklung geht weiter und neue Ideen werden geboren. 2006 wurde damit begonnen, im
Rahmen der „Agenda 21“ weitere Verbesserungen für den Gartower Raum anzuregen: Von der
Samtgemeinde Gartow wurden Asta von Oppen, Marie Renee Nowack und Stefan Reinsch beauftragt,
diesen Prozess zu begleiten. Im Mai 2007 kam es in Gartow (im Speicher Quarnstedt) zur
Gründung des Fördervereins EMMA=“Energie Management Agentur für die Region Elbtalaue, Prignitz
und das Wendland“ mit den Schwerpunkten Energieeffizienz, Biogas und Holz, wobei Landrat
Jürgen Schulz aus Lüchow den Vorsitz ausübt.
1981: Gartow, Öffentliche Einrichtungen
Campingplatz
„….Gartows neuer Campingpark ist einer der vier schönsten Plätze in Niedersachsen. Mit diesen
Vorschußlorbeeren hat der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) das 8,5 Hektar große
Areal am Helk bedacht, mit dem die Samtgemeinde Gartow ihre Fremdenverkehrseinrichtungen
bereichert hat. Am Sonntagvormittag wurde dieser 5,5 Mio. DM teure Platz im Grünen offiziell
501
eingeweiht … Vor vielen Gästen erinnerte Samtgemeinde-Bürgermeister Klaus Legner an die
lange Planungsphase, deren Ziel die Erweiterung des seit 1966 am Freibad bestehenden Campingplatzes
war. 1984 stellte der Samtgemeinderat die parlamentarischen Weichen, 1985 folgte
der Antrag, das vorgesehene Gelände aus dem Landschaftsschutzgebiet zu entlassen. Doch erst
als die Wendland-Therme in unmittelbarer Nachbarschaft Gestalt annahm, konnte der Bau des
Campingplatzes 1993 begonnen werden … Drei Sanitärgebäude stehen den Campern zur Verfügung,
insgesamt verfügt das Areal über 430 Stellplätze, jeder ist mit einem Strom-, Wasser-,
Abwasser- und Satellitenempfangsanschluß versehen. 110 Plätze werden das ganze Jahr über von
Dauercampern belegt…. Die Investition von rund 13 000 DM in einen Stellplatz lasse Qualität und
Komfort erwarten und liegen in Niedersachsen weit über dem Durchschnitt.“ 14
Gartower See
Eine seenartige Aufweitung der Seege im Bereich der Ortslage Gartow hat es bereits vor dem
künstlichen Seeausbau gegeben. Obwohl der See ein Kunstprodukt ist, hat er sich so gut in die
Landschaft eingefügt, daß es für Auswärtige schwer vorstellbar ist, in ihm einen künstlichen See
vor sich zu haben. Bereits 1967 gab es die Idee, künstliche Wasserflächen im Seegegebiet zu
schaffen bzw. zu vergrößern und zu sichern wie z.B. den Laascher See. Weiter sollte ein Gartower
See mit 50 ha Wasserfläche entstehen, 1969 legte das Wasserwirtschaftsamt Lüneburg eine
entsprechende Studie zur Schaffung künstlicher Wasserflächen vor. Konkreter wurden die Pläne
hierzu in den Jahren 1970 - 1972 als entsprechende Gespräche innerhalb der beteiligten Verwaltungen
stattfanden sowie Finanzierung und Trägerschaft geklärt waren.
Im November 1970 stimmte der Rat von Gartow der Übernahme einer Trägerschaft des Sees zu,
die ermittelten Baukosten lagen bei 5,2 Mio. DM (2,6 Mio. Euro). Die Gesellschaft für Landeskultur
(GfL) in Bremen war im Auftrag der Behörden Betreuerin der Ortserneuerung von Gartow. Gästebetreuung
für den Bereich der Samtgemeinde Gartow sowie die Förderung und Unterbringung von
Urlaubern und Feriengästen in diesem Bereich.“ Damit war die FVV wesentlich entlastet. Vorsitzender
der „Gartower See-GmbH“ (1982 in „Kur- und See-Gesellschaft mbH Gartow “ umbenannt)
ist der jeweils amtierende Oberkreisdirektor. Weil die Gemeinde Gartow Mitglied in dieser neuen
Gesellschaft war, ergab sich fast schon von selbst, dass Samtgemeindedirektor Borchardt als Geschäftsführer
der Trägergesellschaft gewählt wurde.
Allerdings wurde 1971 zunächst der Laascher See angestaut und ein Bootshafen in Laasche eingerichtet.
Für den Ausbau des Gartower Sees existierte der Entwurf vom 29.12.1970, wonach der
See eine Größe von 45 ha bei einer Wassertiefe von durchschnittlich 2 m erhalten sollte und eine
Staumarke von NN +15,20 m kontinuierlich mit einer Stauanlage zu halten war. Für die Baumaßnahmen
mußten rd. 1 Mio. Kubikmeter Boden bewegt werden. Zuvor war die Planung zur künftigen
Ortsbebauung in Gartow und der Ausbau der Schmutzwasserkanalisation zur Sauberhaltung
des Gartower Sees mit zu berücksichtigen. Schon im Planungsstadium sind Überlegungen angestellt
worden, möglichst schonend in den Naturraum einzugreifen. Kreisoberbaurat Quis forderte
1973 u.a.: „…Der Landschaft darf keine Gewalt angetan werden. Die Weite des Seegetales darf
nicht abgeschnürt werden. Die einmaligen floristischen und faunistischen Besonderheiten dürfen
nicht zerstört werden...“
Mit dem Seeausbau sollte zugleich auch der Hochwasserschutz für die Ortslage Gartow sichergestellt
werden – mit einem Deich und Geländeaufhöhungen südlich der Springstraße, am Schäferkamp
und Auf den Kämpen auf die Ordinate NN +18,50 m.
502
Der Ankauf der erforderlichen Grundstücke war oft schwierig, wie auch die Hergabe von Ländereien
für den neuen Deich und die Auffüllungsflächen direkt am Südufer des Sees zwischen Bebauung
und See für den Promenadenweg. Aufhöhungsflächen gab es auch am Nordufer des Sees,
u.a. mit der Aufschüttung eines künstlichen Hügels. Im April 1972 begannen die Vorbereitungen
für das vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren, der Plan dazu selbst lag im August/September
1972 öffentlich aus.
Der gewöhnliche Wasserstand in der Seege bei Gartow lag auf NN +14,94 m, das Mittelwasser
im Jahr bei NN +15,35 m, der künftige Dauerwasserstand auf NN +15,20 m. Bei Hochwasser
der Elbe jedoch, das von Vietze über Gartow bis Bömenzien in der Seegeniederung zurückstaut,
ergeben sich ganz andere Höhen: 1954 (NN +18,54 m), 1958 (NN +18,28 m), 2002 (NN +19,10
m) und 2006 (NN +19,11 m), Deichhöhe = NN +19,80 m. Mit knapp 4 ha erreichte die Größe
des Kleinen Gartower Sees gerade 10% des Großen Gartower Sees. Monatlich würden 78 000
Kubikmeter Wasser der beiden Seen verdunsten, ergaben Berechnungen. Die Gestaltung der Uferlinie
war ein während der Bauphase veränderlicher Prozeß, der von der GfL Bremen aufgestellte
Landschaftsplan gab nur einen Rahmen vor, in dem sich später individuelle, dem Baufortschritt
angepasste Möglichkeiten ergaben. Insel, Halbinseln, Buchten und Stillgewässer konnten hierbei
verwirklicht werden. Geachtet wurde ferner auf die Einbindung in die flache Niederungslandschaft
einschließlich der wenigen vorhandenen Gehölze und Ufersäume am Kleinen Gartower See, der
zuerst ausgebaut wurde.
Am 9. August 1972 erhielt die Tiefbaufirma Oelting den Auftrag für den 1. Bauabschnitt, wobei
200 000 Kubikmeter Bodenbewegung erforderlich wurde. Mit dem Bodenaushub aus dem See
konnte eine Bodenreserve für die künftige Hochwasserbedeichung Nienwalde-Gartow angelegt
werden.Die Ufer erhielten Böschungsneigungen von 1:4, die Seesohle wurde bis auf die Ordinate
NN +13,20 m ausgebaggert. Für den Seebau flossen 80% öffentliche Fördermittel.
1972: Planung des Gartower Sees
503
Während des Seebaues fanden kontinuierlich Feinabstimmungsgespräche zwischen Behörden,
Planern und später auch Naturschützern statt. Als behördlicher Bauleiter war Ingenieur Heinz
Bülow, Dannenberg, vom Wasserwirtschaftsamt Lüneburg eingesetzt.
Die Ortsplanungen liefen parallel zum Seeausbau weiter, da das „Erneuerungsvorhaben Gartow“
von der Landesregierung als Modell für künftige ähnliche Projekte herangezogen werden sollte.
Im November 1972 erklärte die Samtgemeinde, dass sie: „…sich durch den Bau des Sees und der
damit im Zusammenhang stehenden Errichtung von Sport- und Freizeitanlagen eine Intensivierung
des Fremdenverkehrs sowie eine Saisonverlängerung verspreche…. Von der Errichtung von
rd. 500 Ferien- oder Wochenendhäusern erwartet die Samtgemeinde Gartow zunächst einmal
eine Belebung der Bautätigkeit, später dann Umsatzsteigerungen im Einzelhandel durch die dort
anwesenden Gäste.“ Ein Parkplatz mit erst 250, dann 120 Stellplätzen, war am Südufer vorgesehen,
eine Boots-Slipanlage, Spiel- und Sportanlagen, Liegewiesen und ein Großparkplatz am
Nordufer.
Hoffnungsvolle Prognosen wurden erstellt, die den Ort Gartow im Aufschwung sahen: so sollte die
Einwohnerzahl von 1 300 auf bis zu 2 000 steigen, die Bettenzahl auf 1210 erhöht werden. Die
Übernachtungszahlen sollten entsprechend von jährlich 36 000 auf 145 000 ansteigen. Neben
Ferienhäusern, Pensionen und Hotels war an den Bau eines „Haus des Gastes“, Schwimmhalle,
Sauna, medizinische Bäder, Tennishalle, Reithalle, Rollschuhbahn usw. gedacht worden. Von dem
ursprünglichen Plan, direkt am Südufer Ferienhäuser mit Seeblick und einen Großcampingplatz
anzulegen, wurde bald Abstand genommen. Von 250 Häusern war jetzt die Rede.
Inzwischen hatte sich auch die „Aktionsgemeinschaft Natur“ mit Sitz in Gorleben gegründet, um
beim Seeausbau den Naturschutz zu gewährleisten. Auswärtige Naturschützer meldeten sich kritisch
zu Wort.
Im März 1973 begann die Geländeaufhöhung zwischen dem Südufer und der Ortsbebauung Gartow.
Den Auftrag für den 2. Bauabschnitt des Seeausbaues erhielt im Juni 1973 die Tiefbaufirma
Gebr. Thiele, Celle und für den 3. Bauabschnitt im Februar 1974 erneut die Firma Oelting aus Pinneberg.
Im Juni 1974 begann die Geländeaufhöhung am Schäferkamp und Auf den Kämpen, wodurch
die vorherige Qualmwasser- und Hochwassergefahr beseitigt werden konnte. Diese Gebiete
sind bald darauf mit Eigenheimen bebaut worden, Auf den Kämpen jedoch nur mit Ferienhäusern
(„Juwel-Feriendorf “). Bei dieser Maßnahme wurde auch die Binnenentwässerung neu geordnet.
Mit der zunehmenden Fertigstellung des Sees begann die Realisierung der Freizeitanlagen am
Nordufer nach den Vorstellungen der Planungsgruppe H.W. Prell, Hamburg, für insgesamt 1,2
Mio. DM. Einige Anlagen mußten so konstruiert werden, dass sie bei Hochwassergefahr innerhalb
kurzer Zeit demontiert werden konnten.
In der Landesentwicklungs-Planung sind ab 1974 Berechnungen durchgeführt worden, wie sich
die Wirtschaft im Raum Gartow durch Fremdenverkehrsförderung stärken liesse. Sie führten zu
folgendem Ergebnis:
Erst bei einer jährlichen Übernachtungszahl von 400 000 hätten etwa 300 neue Arbeitsplätze
entstehen können. Zur Unterbringung so vieler Feriengäste fehlten damals die Beherbergungsmöglichkeiten.
Eine Aufwertung bezüglich der Fremdenverkehrswerbung erhielt der Raum Gartow
dann aber durch die Verordnung vom 1.8.1974, als der Westteil der Seege-Niederung einschließlich
des Gartower Sees zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wurde.
504
Schon im Vorplanungsstadium war abzusehen, daß die Gemeinde Gartow die mit dem Bau und
späteren Betrieb des Gartower Sees zusammenhängenden Lasten und Aufgaben nicht allein bewältigen
konnte. Daher reifte bei den Verantwortlichen der Entschluß, am 28. November 1974 als
Trägergesellschaft die „Gartower See-GmbH“ zu gründen. Satzungsgemäße Aufgabe dieser neuen
Gesellschaft war „der weitere Ausbau, Betrieb und Unterhaltung des Gartower Sees sowie Anlagen,
die den Benutzern und Besuchern zum Baden und zur Erholung und zur Freizeitgestaltung
dienen. Zu den Aufgaben der Gesellschaft gehören weiterhin die Fremdenverkehrswerbung und
die Kurverwaltung, d.h. Zimmervermittlung und Gästebetreuung für den Bereich der Samtgemeinde
Gartow sowie die Förderung und Unterbringung von Urlaubern und Feriengästen in diesem
Bereich.“ Damit war die FVV wesentlich entlastet.
Der Flächennutzungsplan wie auch ein Sanierungsplan, die städtebauliche Neuordnung, Bebauungspläne,
Landschafts- und Gestaltungspläne waren notwendige Instrumente, die im Zusammenwirken
mit den wasserwirtschaftlichen Baumaßnahmen abgestimmt werden mussten. Bisher
war ein solch umfassendes künstliches Seeprojekt im Regierungsbezirk Lüneburg noch nicht ausgeführt
worden.
Nach der Fertigstellung des Gartower Sees entwickelte die „Kur- und See-GmbH Gartow“ rege
Aktivität und ließ zahlreiche Freizeiteinrichtungen schaffen oder regte ihre Ausführung an. Die Einrichtungen
geben auch der einheimischen Bevölkerung die Möglichkeit, ihren Freizeitinteressen
nachzugehen:
Die wichtigsten Einrichtungen wurden das Wildgatter Falkenmoor (1973/75), das Kur- und Saunabad
(1977), der Tennisplatz mit Clubhaus am Schwimmbad (1977), die öffentlichen Toiletten
(1977), die Miniaturgolfanlage beim Schwimmbad (1978). Ferner sind der Aufenthaltsraum im
Feriendorf (1982), die Parkplätze am Schwimmbad (1981) eingerichtet worden. Der seit Jahren zu
beobachtende Trend, Reiterferien mit der Familie zu verbringen, führte 1978 auch in Gartow zum
Bau eines Reitzentrums einschließlich Reithalle und Turnierplatz. Am See selbst entstanden der
„Seepavillon“ (1975), das „Haus des Gastes“ (1975/76), der Bootsanlegeplatz (1975) mit weiteren
Freizeitanlagen (1975), die Parkplätze (1976), ein prämiierter Abenteuer-Spielplatz (1978), die
DLRG-Unterkunft (1980), das Bootshaus (1980), der Kiosk mit öffentlichen Toiletten (1983), der
Grillplatz (1983). Umkleidekabinen und Duschen kamen im Laufe der Jahre dazu.
Der Segel-Club Gartow e.V. (S.C.G.) und der Surf - Club Gartow e.V. (S.C.Ga.) wurden gegründet.
Regelmäßig finden Segel- und Rudersportveranstaltungen statt.
Am 5. Juni 1976 war der Gartower See fertig ausgebaut, der Dauerstau von NN +15,20 m wurde
ab diesem Tag wirksam. Am Landschaftsrahmenplan Gartow, den die Niedersächsische Landesentwicklungsgesellschaft
Hannover aufgestellt hatte, wurde trotz der Fertigstellung des Sees weiter
gearbeitet.
Ab 1981 wurde Boden für anstehende Deichneubauten und für das Erkundungsbergwerk Gorleben
benötigt, wozu ab 1983 eine westliche See-Erweiterung im Seerich durchgeführt woden
ist. Die Seefläche vergrößerte sich auf rd. 60 ha. In diesem Bereich sind ganz überwiegend zur
Kompensation der Baumaßnahmen Modellierungen des Ufers nach Wünschen des Naturschutzes
vorgenommen worden. Ferner wurde der „Käseberg “-See um 5,22 ha vergrößert, die Arbeiten
zur Erweiterung endeten 1985. Ein Jahr später ist die Seesohle nachträglich „geglättet“ worden.
Der Gartower See ist für den Tourismus eine Attraktion geworden – und bis heute geblieben. Seine
harmonische Gestaltung und die Einbettung in die Landschaft ist gelungen. Eine große Wasserflä-
505
che ist immer eine visuelle Bereicherung und Anziehungspunkt für zahlreiche Freizeitaktivitäten.
Auch der Naturschutz kommt in den beruhigten Bereichen nicht zu kurz. Fauna und Flora gedeihen.
Nach etwa 30 Jahren hatte der Kleine Gartower
See als Sand- und Schlammfang seine Aufgabe
erfüllt – er musste ausgebaggert werden, v.a.
auch, um das Blaualgenproblem zu beheben.
Nach der Ausbaggerung wurden 2011 großflächige
Schilfbeete angelegt, um den Blaualgen
die Nahrungsgrundlage zu entziehen.
2009: Promenadenweg auf der Deichkrone am
Gartower See
2010: „Gartow im Klimawandel gestalten“
Wendlandtherme
Die Zahl der Übernachtungen in Gartow ist von 79 120 im Jahr 2000 auf 56 500 im Jahr gesunken.
Wie es gelingen kann, diesen Trend zu ändern, das war das zentrale Thema der Sitzung des
Samtgemeinderates in der Gaststätte Gartower Seeterrassen. Dabei ging es darum, wie die nun
16 Jahre alte Wendlandtherme attraktiver werden kann und um die Frage, ob die Etablierung
eines Besucherzentrums für Klimaschutz und erneuerbare Energie mehr Besucher nach Gartow
bringen würde. Ein solches Zentrum reiche nicht, war das Fazit von Eva Müller-Meernach von
der Glücksburg Consulting AG. Deren Expertise regt eine Einbindung des Themas Klimaschutz
in ein touristisches Outdoor-Angebot an. Die beiden am Wettbewerb für eine Neugestaltung der
Wendland-Therme beteiligten Architektenbüros präsentierten recht unterschiedliche Konzepte –
welches Büro mit der Planung beauftragt wird, wird später entschieden.
Bei den Erkundungsbohrungen für die mögliche Eignung des Salzstockes Gorleben als atomares
Endlager stießen Geologen in etwa 500 m Tiefe auf eine Thermalsolequelle. Es handelte sich da-
506
bei im Wesentlichen um Natriumchloridwässer mit Jodgehalt, für Badezwecke und Heilwirkung geeignet.
Als aufstrebender Erholungsort sah die Gemeinde Gartow in der Quelle eine willkommene
Gelegenheit für Besucher noch attraktiver zu werden. Sofort wurden Planungen für den Bau eines
Thermalsole-Bewegungsbades in Form einer Kleinschwimmhalle erstellt, die neben dem Gelände
des Waldbades entstehen sollte. Da aber Bau und Betrieb einer solchen Einrichtung erhebliche Investitionen
erfordern, beschloss der Samtgemeinderat Gartow im Dezember 1983 die Gründung
einer Trägergesellschaft.
Obwohl das Badezentrum Gartow eine sehr erfolgreiche Bilanz vorweisen kann und sich das Einzugsgebiet
hinsichtlich der Badegäste über die Grenzen des Landkreises hinaus erstreckt, ist es
notwendig geworden, die Attraktivität der Anlage zu erhöhen:
„…Planer wie auch Verwaltung und Ausschuss beschäftigen sich bereits mit der kostspieligen Angelegenheit.
Neubau eines Kinderbeckens und eines Whirlpools im Hof der Therme, eine Salzgrotte,
die Ergänzung der Gastronomie und beispielsweise auch ein Saunagarten – die Wunschliste
ist lang. Allein das Kinderbecken würde mit etwa einer Million Euro zu Buche schlagen, erläuterte
Gartows Samtgemeinde-Kämmerer Hans-Heinrich Drimalski ….Doch zuerst geht es um eine andere
intensive Maßnahme, deren Kosten allerdings noch nicht ermittelt sind: um die energetische
Sanierung und die Schallreduktion in der Therme…“ Die Kosten für die Maßnahmen wurden auf
rd. 2,3 Mio. Euro beziffert. 2008 besuchten 65 581 Personen die Wendlandtherme. Die Diskussion
zur Umgestaltung hält auch 2012 an. 15
Das große Potenzial der Wendlandtherme in Gartow ist der weitläufige und bisher kaum genutzte
Außenbereich, das Gelände des früheren Freibads. Das machten die Konzepte beider Architektenbüros
deutlich, die sich um die Planung der Umgestaltung des Gartower Bades bewarben.
Auf der Basis ihrer am Dienstag im Samtgemeinderat vorgestellten Vorentwurfskonzepte soll entschieden
werden, welches Büro mit der konkreten Planung beauftragt wird. Wann das geschieht,
das steht noch nicht fest. „Wir wollen darüber miteinander, nicht gegeneinander reden“, fasste
Bürgermeister Ulrich Flöter abschließend die Stimmung im Rat zusammen. Wie das Potenzial des
Außenbereichs nahe des Eingangs zu nutzen ist, um das Bad attraktiver zu gestalten, dazu machten
das Hamburger Büro B + S Architekten und das Büro Schütze und Partner aus Hildesheim
unterschiedliche Vorschläge.
Das Büro B + S schlägt als größte Veränderung dieses Bereichs ein erweitertes Außenbecken
vor, das Büro Schütze eine Verlegung der Sauna-Anlage in den Außenbereich vor. Auch das Büro
B + S will den Saunabereich aufgewertet sehen, will dies aus Kostengründen jedoch durch Neugestaltung
der existierenden Sauna erreichen. Die Wendland-Therme solle „auf den Ressourcen der
Region“ aufbauen und Erholung „auf naturverbundene Weise anbieten“, stellte Jörg Schulte die
Maxime des Vorentwurfskonzepts von B + S vor. Das ist in acht Module aufgeteilt, die auch einzeln
realisierbar sind. Das große Innenbecken soll mit Blick auf Schwimmer umgestaltet werden.
Außerdem wird eine Vergrößerung des Außenbeckens angeregt, in das Sprudler und eine Strömungsanlage
integriert werden sollen. Neben der Neugestaltung Sauna mit Dampfkesselsauna
und Brotbad sieht der Vorschlag den Bau eines Gradierwerks (eine Salzluft-Außenanlage), einer
Salzgrotte, eines Whirlpools im heutigen Atrium (zwischen Schwimmbecken und Umkleideräumen)
und einer Schlangenrutsche für Kinder vor. Ergänzend sind schalldämmende Maßnahmen
durch Deckensegel, die zugleich die Helligkeit im Bad steigern. Maßnahmen zu Schall und Licht
sind auch im Vorentwurfskonzept des Büros Schütze vorgesehen. Außerdem listet es Mängel an
der Bausubstanz auf, die zu beseitigen sind. Kosten dafür wurden noch nicht benannt.
507
Familien mit kleinen Kindern und die „Generation 60+“ seien die Hauptnutzer des Bades in Gartow,
führte Thorsten Schütze aus. Sein Konzept sieht mehrere Themensaunen vor, teils in einem
Neubau. Das „hochpreisige Angebot“ Saunabereich, das den Wunsch nach einem kurzen Urlaub
vom Alltag bediene, sei geeignet, eine Verbesserung der Einnahmen zu erreichen. Die Gestaltung
des Saunagartens, in dem ein Teil von ihnen Platz finden soll, könne sich thematisch an der Elbtalaue
orientieren. Denkbar sei auch ein Naturteich in dem Garten, eine Salzgrotte soll für Sauna
wie für Badbesucher offen sein. In der Badelandschaft selbst ist ein kindgerechter Wasserspielgarten
vorgesehen, der am Ort des heutigen Atriums entstehen soll. Optiomal wäre auch eine einladendere
Neugestaltung des Eingangsbereiches und der Gaststätte denkbar, führte Schütze aus.
Beide Vorentwurfskonzepte basieren auf einer Analyse der Mängel der heutigen Situation. Geleitet
sind beide von der Absicht, Dinge vorzuschlagen, mit denen die Wendland-Therme etwas Besonderes
anbietet (Schulte) und von der Vorgabe, eine „Strukturverbesserung ohne Kosten, die in den
Himmel ragen“ (Schütze) zu erreichen.
In den Aussagen über die Kosten ähneln sich die Konzepte der beiden Büros: Sie bewegen sich
im Bereich von gut 1 Million Euro, wobei die Sanierungskosten noch nicht ausgewiesen sind.“ 16
„…Ebenso einstimmig beschlossen die Ratsmitglieder, die Eintrittspreise für die „Wendland-Therme
Gartow“ gänzlich unberührt zu lassen und nicht anzuheben, zumal ja schon im kommenden
Jahr mit der Umgestaltung und Modernisierung des Bades begonnen werden soll. Den Ideenwettbewerb
für diese Umgestaltung entschied das Architekturbüro Schütze und Partner aus Hildesheim
für sich. Allerdings, das stellte der Rat in seinem entsprechenden Beschluss fest, bedeute
das nicht, dass das Konzept, mit dem das Architektenbüro gewonnen habe, nun auch so umgesetzt
werde. Vielmehr soll nun gemeinsam mit dem Büro erarbeitet werden, welche Umbau- und
Modernisierungsmaßnahmen an der „Wendland-Therme“ vorgenommen werden sollen. Dafür
würden auch die Gäste des Bades befragt.“ 17
Im April 2014 ist mit den Umbaumaßnahmen in geringerem Umfang als ursprünglich angedacht,
begonnen worden.
Nicht realisiert werden konnte die Vorstellung, in Gartow ein Besucherzentrum für erneuerbare
Energien und Klimawandel einzurichten, obwohl die Glücksburg Consulting die Aussage traf: „Um
Gartow seien Potenziale im Themenbereich erneuerbare Energien ausreichend vorhanden.“ Eine
entsprechende Machbarkeitsstudie wurde erarbeitet.
Inzwischen belasten die touristischen Anlagen den Haushalt der Samtgemeinde, so dass nach
Einsparmöglichkeiten gesucht wird. Die Wendlandtherme und der Campingplatz verursachen höhere
Ausgaben, die durch adäquate Einnahmen nicht zu decken sind.
Höhbeck
Nicht unmittelbar eine ortstypische Gartower Einrichtung ist der Aussichtsturm auf dem Höhbeck
nahe der Gaststätte „Schwedenschanze“ aber ein Anlaufpunkt für Einheimische und Touristen.
„…Zu Beginn der 1960iger Jahre hatte die Gemeinde Höhbeck den im Mai 2008 abgerissenen
Aussichts- und Beobachtungsturm ….errichten lassen, der Bau dauerte fast drei Monate. Mehrere
Besucher-Generationen haben den Aufstieg gewagt, um in luftiger Höhe auf das nahe und auch
weiter entfernte Umland blicken zu können. Als die Deutsche Demokratische Republik (DDR) noch
existierte, waren der Blick auf Elbe, Grenze und Sperranlagen besonders gefragt, denn nicht wenige
Besucher waren einst in der DDR zu Hause …. An dem alten Turm hatte immer häufiger sehr
deutlich der Zahn der Zeit genagt, Reparaturen halfen nicht mehr, das marode Bauwerk war letzt-
508
endlich nicht mehr zu retten wurde im Herbst 2006 von der Samtgemeinde Gartow gesperrt. Eine
Nutzung war nicht mehr möglich, ein Aufstieg deshalb nicht mehr erlaubt… Der neue Turm besteht
aus Douglasfichten-Holz. Es sind gut 31 cbm Fichte verbaut worden, sagt Thorsten Liebermann,
Chef des Gartower Zimmerei- und Baugeschäftes Stüben, dessen Mitarbeiter den maroden Turm
abgerissen und seinen Nachfolger errichtet haben. Eine Vergleichszahl: Der Dachstuhl eines normalen
Wohnhauses besteht aus 3 - 4 cbm Holz. 18
128 Stufen führen auf die Aussichtsplattform. Mit insgesamt 21 m Höhe ist der Turm um drei
Meter höher als der bisherige. Im Laufe der Zeit hatten die umgebenden Baumspitzen teilweise
die Sicht versperrt, so dass auch aus diesem Grund ein Neubau erforderlich wurde. Informationstafeln
auf der Aussichtsplattform informieren über geschichtliche und geologische Hintergründe
oder zum Biosphärenreservat.
Der Schachtturm des Erkundungsbergwerkes Gorleben mit 62 m Höhe ist gut zu erkennen.
Und auch die Sendemasten stehen nicht unmittelbaren im Zusammenhang mit Gartow. Aber sie
sind seit Jahrzehnten weithin sichtbare Orientierungsmarken für den Gartower Raum. Eine Informationstafel
auf dem Aussichtsturm nennt die wichtigsten Daten:
„Bereits in den 1930iger Jahren errichtete die Luftwaffe einen Funkturm auf dem Höhbeck. Später,
nach der innerdeutschen Grenzziehung, bildete ein 75 m hoher Funkmast eine Brücke nach
West-Berlin. Am 6. September 1963 wurde Richtfest für „Gartow 1“ gefeiert. Der mit 332,03 m
höchste Funkmast in Deutschland und einem Gesamtgewicht von ca. 2 000 t übertrug 2 400
gleichzeitigeTelefongespräche zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik sowie die Fernsehprogramme
von ZDF und NDR. 1978 wurde „Gartow 2“ errichtet. Von diesem 344 m hohen Mast
wird das Deutschlandradio ausgestrahlt. Seit den 1990iger Jahren dient der Turm zudem der
Technischen Universität Braunschweig als Forschungsstation. Das Institut für Stahlbau sammelt
Daten über das Verhalten der Masten bei unterschiedlichen Windstärken – in Abständen von 18
m bis zur Höhe von 342 m wird gemessen. Die Windmessanlage auf dem Höhbeck ist die größte
der Welt. Betreiberin der beiden Masten ist die Deutsche Telekom.“
Am 20. August 2009 wurde der 324 m hohe Sendemast „Gartow 1“ in Anwesenheit von rd. 3 000
Schaulustigen gesprengt. Die rd. 2 000 Tonnen Stahl sind anschließend verschrottet worden. 19
Auf dem Höhbeck befindet sich eine rd. 10 km lange Wanderstrecke, die zu den schönsten Touren
gehört, die der Landkreis Lüchow-Dannenberg zu bieten hat. Im Sommer 2008 sind 1,1 km Wanderstrecke
sowie eine kleine Holzbrücke über den Thalmühlenbach instandgesetzt worden, wobei
es sich um einen besonders reizvollen Abschnitt handelt. Die neue Wanderstrecke wird vom Förderverein
„Wendland-Rundweg“ angeboten und vermarktet und gemeinsam mit dem Naturpark
Elbufer-Drawehn unterhalten.
Ausgrabungen durch Mitarbeiter des Archäologischen Instituts der Georg-August-Universität, Göttingen,
haben inzwischen zweifelsfrei ergeben, dass das Kastell „Huoboki“ identisch ist mit den
Aufzeichnungen aus den Annalen Karls des Großen – ein Bodendenkmal früher deutscher Geschichte.
509
Ökologie und Umwelt
Auf vielfältige Weise werden in Gartow und Umgebung umweltrelevante Themen behandelt und in
diesem Zusammenhang öffentliche und nichtöffentliche Aktionen oder Prozesse befördert.
Der Streuobsttag rund um die Kirche und das Evang. Forum bietet als Programmpunkt neben dem
Gottesdienst Vorführungen im Obstbaumschnitt, Früchteausstellung, Verkostung, Schaukochen,
Führungen bei der Fruchtsaftfirma Voelkel in Pevestorf, Besichtigungen von Streuobstwiesen, Beratungen,
Verkauf von Fachliteratur, Filmvorführungen sowie Essen, Trinken und Musikunterhaltungen.
Auch Obstbaumbestellungen sind möglich, ferner gab es Wildwurst vom Wildschlachter
aus Gartow, Wurst- und Käsespezialitäten aus dem Hofladen der Landschaftspflege GmbH Lenzen
und Erzeugnisse von der Wendlandbräu. Zur Finanzierung tragen der Naturpark Elbufer-Drawehn,
die Lottostiftung Niedersachsen, die Europäische Union und das Nieders. Umweltministerium bei.
Im Zusammenwirken mit dem B.U.N.D. (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), dem
NABU (Naturschutzbund Deutschland), dem Gewerbe- und Tourismusverein Gartow und der Biosphärenreservatsverwaltung
in Hitzacker sind in Gartow bisher 4 „Biostreuobsttage“ unter großer
Beachtung der Bevölkerung durchgeführt worden. „…Der Landschaftspflegeverband Wendland-Elbetal
und der Bio-Streuobstverein Elbtalaue als Veranstalter haben im Vorfeld die Wertschätzung
der alten Obstsorten zum zentralen Thema erklärt… Der B.U.N.D. informiert über die Bedeutung
von Obstbäumen für die ökologische Vielfalt und zeigt, wie Obst einfach gedörrt werden kann.
Beim Stand des NABU ist zu erfahren, wie man helfen kann, den Steinkauz wieder in der Region
anzusiedeln. Er ist der Charaktervogel der Streuobstwiesen und steht auf der Roten Liste als Vogelart,
die vom Erlöschen bedroht ist. Beliebt ist das Bestimmen von alten Obstsorten…“ 20
Im Oktober 1988 blickte der Bund für Vogelschutz (DBV) im Gartower Raum auf 15 Jahre erfolgreiche
Tätigkeit zurück, um z.B. dem Kranich- und dem Graugansbestand aber auch anderen
Vogelarten eine lebenswerte Umwelt zu bieten. Durch kluge Aufkaufpolitik wurden schutzwürdige
Flächen von Landwirten aufgekauft, Still- und Feuchtgewässer angelegt (bis 1988 = 215 ha).
Aufgrund eines Gutachtens von Prof. Horst Wilkens, Pevestorf, sind hierfür öffentliche Gelder zur
Verfügung gestellt worden. Seit 1983 unterstützt die Deutsche Lufthansa die Naturschutzarbeit,
da sie als Firmenlogo den Kranich verwendet. 1984 finanzierte die Deutsche Lufthansa im „Juwel-
Feriendorf“ Gartow eine Kranichschutzstation/Informationshaus, das inzwischen aber nicht mehr
besteht und als Wochenendhaus in private Hände übergegangen ist. 21
Dem Umweltschutzgedanken sehr verbunden ist auch die Elbtalschule in Gartow, die im Oktober
2007 schon zum 2. Mal eine Anerkennung als „Umweltschule in Europa“ erhielt. Belohnt wurden
damit die Bemühungen um das Naturschutzprojekt „Seeadler erleben“. Schülerinnen und Schüler
der Klassen 4a + b des Schuljahrganges 2005/06 erarbeiteten zudem eine Farbbroschüre
mit dem Titel: „Wo bitte geht’s zum Seeadler?“ NABU und Touristinformation liehen einen „Forschungsrucksack
“ an Kinder aus, die mit dem Inhalt u.a. auch die Wasserqualität z.B. der Seege
bestimmen können. Schon seit etwa 30 Jahren findet ein Mal jährlich in der Elbtalschule und der
Grundschule ein Umwelttag in Gartow statt, wobei Müllsammelaktionen im Vordergrund stehen.
510
Seeadler-Beobachtung in der Seege-Niederung
Im Oktober 2008 war das von der Ruth- und Klaus-Bahlsen-Stiftung finanzierte Seeadler-Projekt in
der Oberen Seegeniederung zu einem gewissen Abschluss gekommen:
Dazu gehören der Bahlsen-Seeadler-Aussichtsturm bei Nienwalde, die Anlage neuer Mäander sowie
eines neuen Gewässers von 1,5 ha Größe u.a. für Kraniche, Reiher, Störche und Schwäne,
die Durchführung von Umweltbildungsmaßnahmen und eine auf breiter Basis fußende Öffentlichkeitsarbeit.
Es sind im Bereich der Seege etwa 50 000 cbm Erdreich bewegt worden, unter anderem für
einen Fangdeich für die Entschlammung des Kleinen Gartower Sees. Die Elbtalschule in Gartow
verpflichtete sich auf 10 Jahre, die neu geschaffenen Gewässer regelmäßig biologisch und chemisch
zu untersuchen und vierteljährlich zu berichten. Die Schule erhielt hierfür entsprechende
Ausrüstung.
„…Im Beisein von Staatssekretär Eberl wurde der sogenannte Seeadler-Beobachtungsturm, nach
seinem Stifter Klaus Bahlsen benannt, seiner Bestimmung übergeben. Der Klaus-Bahlsen-Turm
ist Bestandteil des Projektes „Seeadler-Beobachtung in der Seegeniederung bei Gartow“, das von
der Ruth- und Klaus-Bahlsen-Stiftung mit 750 000 Euro gefördert wird. Den 15 m hohen Turm hat
sich die Stiftung rund 150 000 Euro kosten lassen… Oben vom Turm können die Besucher den
spektakulären Seeadler und andere Großvogelarten beobachten, ohne sie zu stören… Pünktlich
zur Einweihung waren alle Informationstafeln fertiggestellt, die Besuchern Wissenswertes über
das Projekt, die einzigartige Natur in der Oberen Seegeniederung, die heimische Tier- und Pflanzenwelt
und natürlich über den Seeadler vermitteln…. Das Engagement der Stiftung eröffne der
Samtgemeinde die Möglichkeit, neben Naturschutzaspekten wirtschaftliche, touristische und
strukturpolitische Ziele zu verfolgen …“ 21/22
2015: Beobachtungsturm bei Nienwalde
511
Quellen und Literatur
1. Samtgemeinderatssitzung vom 7.2.1969
2. Gerhard Eckert in: Die Deutsche Gaststätte – Deutsche Hotel-Zeitung vom 12.9.1970
3. Gesellschaft für Landeskultur, Bremen: „Forschungsvorhaben Lüchow-Dannenberg.
Land Niedersachsen.“,Bremen 1972, 117 S.
4. „Modellvorhaben Lüchow-Dannenberg – eine konkrete Hilfe für die Landwirtschaft?“,
Protokoll des ASG-Seminars in Gartow vom 22. - 24.11.1974
5. Kur- und See GmbH Gartow: „Sehenswertes in und um Gartow im Nationalpark Elbtalaue.
Herausgeg. anläßlich des 40-jährigen Bestehens des Fremdenverkehrsvereins Gartow und
Umgebung e.V.“, Gartow 1998
6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 16.5.2008
7. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.6.2008
8. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.6.2008
9. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.7.2008
10. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 31.7.1995
11. /
12. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.12.2008/9.2.2009
13. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 10.4.2008
14. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.6.2008
15. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.6.2008
16. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 24.7.2008
17. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 21.8.2009
18. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 26.9.2008
19. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 25.10.1988
20. Naturschutzbund Deutschland (NABU): „Naturschutz in der Elbtalaue“,
Hamburg 2006, S. 176
21. /
22. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 10.5.2006/Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.9.2007
512
Wasserwirtschaft
Trinkwasser
Hygienisch einwandfreies, sauberes Trinkwasser
ist zur Daseinsvorsorge der Bevölkerung
unerlässlich. Auch Gartow und die umliegenden
Gemeinden sollten davon profitieren. Die
nicht mehr zeitgemäße, auch unwirtschaftliche
örtliche Wasserversorgung war abzuschaffen.
An ihre Stelle trat eine moderne, überörtliche
Versorgung.
8.7.2008: Anzeige „Wasserverband Höhbeck“
Kulturbaumeister Schneider vom Wasserwirtschaftsamt Lüneburg erarbeitete mit Datum vom 9.
April 1967 einen „Generellen Entwurf für die Wasserversorgung im Raum Höhbeck“. Zu versorgen
waren damals 5 453 Einwohner in 21 Gemeinden, dazu 6 037 Stück Groß- und 4 091 Stück Kleinvieh.
In Ansatz gebracht wurde folgender Wasserbedarf:
50 Liter/Tag/Einwohner, Großvieh 35 Liter/Tag und Kleinvieh 10 Liter/Tag. Einschließlich Bevölkerungszuwachs
wurde ein Tageswasserbedarf von 643 cbm bzw. 235 000 cbm im Jahr errechnet.
Die beiden Rohrbrunnen auf dem Höhbeck waren in der Lage, täglich 1 200 cbm Wasser zu fördern
(im Jahr 440 000 cbm).
Es war geplant, etwa 92 km Rohrleitungen (90,3 km Kunststoffrohre Nenndurchmesser 10 cm
und 1,6 km Asbestzementrohre) verlegen zu lassen. Nach der Hebung des Wassers passierte es
die Filteranlage und gelangte in den Hochbehälter, von wo aus es mit natürlichem Gefälle in das
Versorgungsgebiet fließt. Die Gesamtkosten betrugen 1967 rd. 5 Mio. DM, davon die Hausanschlüsse
550 000 DM. Unter Zugrundelegung von öffentlichen Beihilfen wurde ein Wasserpreis
von 70 Pfennig je Kubikmeter ermittelt. Wichtig waren Zuschüsse, wie bereits im Vorfeld erbeten:
„Der Planungsraum umfaßt 21 ländliche Gemeinden im östlichen Teil des Landkreises Lüchow-
Dannenberg im unmittelbaren Zonengrenzbezirk. Zur Strukturverbesserung dieses Gebietes ist
es angezeigt, die Maßnahme baldmöglichst auszuführen und im oben genannten Umfange mit
Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln zu fördern.“
Die erwähnten 21 Gemeinden waren: Schnackenburg, Holtorf, Kapern, Gummern, Gartow, Quarnstedt,
Nienwalde, Restorf, Brünkendorf, Pevestorf, Vietze, Gorleben, Meetschow, Laasche, Grippel,
Pretzetze, Laase, Gedelitz, Dünsche, Pannecke, Ranzau, Liepe, Trebel, Marleben und Klautze.
Bereits am 23. Juli1969 war der Wasserbeschaffungsverband (WBV) Höhbeck gegründet worden,
dem damals die Stadt Schnackenburg und die Gemeinden Gartow, Gorleben, Laasche, Nienwalde,
Vietze, Brünkendorf, Restorf und Pevestorf angehörten. Infolge der Gemeindereform von 1972
musste mit Datum vom 7. September 1973 eine neugefasste Verbandssatzung ausgearbeitet werden,
weil nun die Samtgemeinden mit ihren Mitgliedsgemeinden als Rechtsnachfolger auftraten.
Nach dem Stand von Ende 1975 sind 5 160 Einwohner mit Trinkwasser versorgt worden. Es gab
136 km Rohrleitungen, 642 Hydranten und Schieber, 1 408 Hausanschlüsse, eine Druckerhöhungsanlage
und einen Hochbehälter mit 800 cbm Inhalt. Der WBV hatte in der Anfangszeit mit
wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.
513
Der Grund:
„…Ganz entscheidend beeinflusst ist die Erfolgslage durch die Höhe der Zinsaufwendungen, die
jeweils fast die Hälfte der gesamten Aufwendungen ausmachten. Sie sind durch die hohe Fremdfinanzierungsquote
als Folge der unzulänglichen Eigenkapitalausstattung bedingt.“ 1
Der Wasserbeschaffungsverband Höhbeck als Träger der Baumaßnahmen ließ ab 1970 ausgearbeitete
Pläne umsetzen, wobei zunächst das Wasserwerk auf dem Höhbeck das Kernstück war,
um den wertvollen Grundwasserschatz zu fördern. Die Wasserförderung erfolgte früher durch
Hausbrunnen. Auf dem Land waren dies Ziehbrunnen, wovon die beiden noch heute vorhandenen,
nicht mehr in Gebrauch befindlichen Exemplare auf dem Gutshof Quarnstedt zeugen. In Gartow
existierten Gemeinschaftsbrunnen. Anschauliche Relikte sind die Schwengelpumpen in der
Hauptstraße.
Im Rahmenplan Obere Elbe erscheint die Aussage:
„…Ein verhältnismäßig großer Anteil von
Einzelversorgungen ist im Landkreis Lüchow-
Dannenberg sowie im nordöstlichen Teil des
Landkreises Lüneburg zu finden. Noch heute
bestehen hier viele kleine gemeindliche Wasserversorgungsunternehmen.
Die verbandliche
Organisation der Wasserversorgung setzte im
östlichen Teil des Planungsraumes bis auf eine
Ausnahme (Wasserbeschaffungsverband Höhbeck)
allgemein später als in den übrigen Gebieten
ein …“ 2
Hinsichtlich des Mindestwasserverbrauches
waren je Person 2,7 cbm Wasser im Monat vorgesehen
oder für jede Tankstelle oder Ladengeschäft
4 cbm/Monat wie auch gewerbliche
Pensionen und Hotels 8 cbm/Monat und pro
Bett 0,5 cbm/Monat usw. Hinzu kamen Wasserzählergebühren
bis 5 cbm = 1 DM monatlich,
bis 7 cbm = 2 DM monatlich, bis 10 cbm
= 10 DM monatlich. Der Kubikmeterpreis für
geliefertes Wasser betrug damals „für den Mindestverbrauch
70 Pfennig und für den Mehrverbrauch
40 Pfennig.“ 3
2009: Schwengelpumpe zur Wasserversorgung vor
dem Haus Nr. 44 in der Hauptstr.
Am 20.8.1970 trat die Gebührenordnung des WBV Höhbeck in Kraft, welche die Anschlusskosten
und Mindestwasserverbrauch sowie Wasserzählergebühr regelt. Die Anschlusskosten richten sich
demnach gemäß der Lichtweite des Anschlusses: Durchmesser 1 Zoll (25 mm) = 650 DM, 1 ½
Zoll (38 mm) = 800 DM und 2 Zoll (50 mm) = 1200 DM.
Im Dezember 1972 wurde ein Sachstandsbericht abgegeben:
„…Hiernach wurden seit Baubeginn im Jahre 1969 bis jetzt insgesamt 58 217 m Wasserversorgungsleitungen
verlegt sowie rund 49 000 cbm Boden waren bei der Verlegung zweimal zu
bewegen. In den angeschlossenen Gemeindeortsteilen Vietze, Brünkendorf, Restorf, Pevestorf,
514
Gartow, Nienwalde, Holtorf, Gummern, Schnackenburg, Meetschow und Gorleben wurden bei der
Verlegung dieser Hauptversorgungsleitungen gleichzeitig 203 Unterflur- und weitere 5 Oberflurhydranten
eingebaut. Insgesamt wurden während dieser Baumaßnahmen in drei Bauabschnitten
rd. 2,6 Millionen DM verbaut und finanziert. Für das kommende Jahr sind nach diesem Bericht
folgende Baumaßnahmen vorgesehen: der Bau des erforderlichen Hochbehälters, die Einzäunung
des Grundstückes zwischen Vietze und Brünkendorf sowie die Verlegung der Hauptversorgungsleitungen
nach Grippel-Laase, Laasche, Dünsche, Gedelitz und Siemen. Für 1974/75 soll dann der
Anschluß nach Trebel, Marleben, Gedelitz, Liepe, Pannecke und Ranzau realisiert werden und die
Erweiterung des bestehenden Wasserwerkes und der Bau einer eventuell erforderlichen Druckerhöhungsstation
im Gorlebener Raum. Diese weiteren Baumaßnahmen wurden vom Sprecher
(Anm.: Bauingenieur Reinecke) mit etwa 2,4 Millionen DM beziffert…“ 4
Der Bau eines Wasserwerkes auf dem Höhbeck verschlang laut Finanzierungsplan vom 29. Oktober
1975 die zusätzliche Summe von 4,9 Mio. DM. Die Bauplanung betrieb das Ingenieurbüro
Preussner in Hamburg. 1993 sind Prezelle, Prezelle-Siedlung, Lanze und Lomitz an die Wasserversorgung
angeschlossen worden, Wirl sogar erst 2007.
In drei Bauabschnitten erfolgte die Realisierung:
Im 1. Bauabschnitt (Brünkendorf, Gartow, Restorf, Vietze).
„In Gartow sind die Hausanschlüsse in dem Ortsteil Springstraße fast fertiggestellt. Praktisch kann
dieser Ortsteil, nach dem Einbau der Wasseruhren und dem Anschluß an die Gebrauchsleitungen
innerhalb der Häuser, dann als fertiggestellt angesehen werden und sowie das Wasserwerk zur
Lieferung von Wasser in der Lage ist, mit Höhbeck-Wasser versorgt werden. So lange die Witterung
Erdarbeiten zuläßt, wird die Ausführung von Hausanschlüssen im Ortsteil Hahnenberge fortgesetzt
werden, um möglichst schnell die an den Spring angrenzenden Häuser der Hahnenbergerstraße
und das DRK-Altenheim mit Wasser versorgen zu können. Befürchtete Schwierigkeiten durch zu
hohe Grundwasserstände sind dank der verhältnismäßig guten Witterung und des günstigen Wasserstandes
bisher nicht aufgetreten. Es bleibt zu hoffen, daß solche Schwierigkeiten auch bei den
ferneren Arbeiten im Ortsteil Hahnenberge ausbleiben, um Zeitverluste und Kosten weitgehend
vermeiden zu können…“
Im 2. Bauabschnitt die Gemeinden Holtorf, Gummern, Nienwalde, Pevestorf, Schnackenburg.
Im 3. Bauabschnitt die Gemeinden Gorleben, Laasche, Laase, Meetschow.
1976 klagte eine Bürgerinitiative aus Gorleben gegen die Wassergebühren und 1982 weigerten
sich mehrere Grundstückseigentümer aus Kapern, sich an die Wasserversorgung anzuschließen.
Gewonnen wird das Trinkwasser aus drei Tiefbrunnen, die rd. 70 m unter Gelände in den Grundwasserkörper
hineinreichen, ein Tiefbrunnen ist 1995 wegen zu hoher Nitratbelastung geschlossen
worden. 5
Als der WBV Höhbeck 1977 die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes bei der Bezirksregierung
Lüneburg beantragte, versorgte dieser 23 Orte mit zusammen rd. 5500 Einwohner. Mit dem Bescheid
vom 14. April 1976 und dem Ergänzungsbescheid vom 14. Juni 1976 ist dem WBV eine
jährliche Wasserentnahme in Höhe von 453 600 cbm erlaubt worden. Mit Verordnung vom 27.
März 1981 erfolgte die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes für das Wasserwerk auf dem
Höhbeck. Bereits 1986 waren 11 Grundwassermeßstellen in der Nähe des Wasserwerks in Betrieb,
um eventuelle Beeinträchtigungen frühzeitig erkennen zu können.
515
1986 teilte der Geschäftsführer Axel Müller mit, dass von den bewilligten 440 000 cbm nur 350
000 cbm Wasser verbraucht wurden. 6
Am 20. März 1990 erhielt der WBV die Erlaubnis, aus dem Grundwasser jährlich bis zu 440 000
cbm (120 cbm/Std., 2000 cbm/täglich) zu fördern. Vor 1986 war diese Menge schon erlaubt gewesen,
ist aber mit 283 000 cbm (1981) nicht ausgeschöpft worden. 7
Abwasser
Wo Menschen siedeln und leben, fällt auch Abwasser an. Früher waren die Mengen gering und das
häusliche Abwasser war gering belastet.
Eine zentrale Abwasserentsorgung – ausgenommen die Regenwasserkanalisation – war nur in
Ballungsgebieten notwendig. Der ländliche Raum entsorgte sein Abwasser über Versickerung und
Gräben, die in den nächsten Bach oder Fluss mündeten. Meist reichte die Selbstreinigungskraft
der Natur aus, keine Umweltschäden entstehen zu lassen. Als sich Gartow anschickte, den Tourismus
auszubauen und den Gartower See herzustellen, war es nicht mehr tragbar, die Hausabwässer
und die der Gewerbebetriebe in die Seege oder in den damals vorhandenen kleinen Gartower
See zu leiten. Eine zentrale Abwasserbeseitigung wurde daher unumgänglich.
1985 ist festgestellt worden:
„…Abwassereinzugsgebiet „Seege“: Mit 144 qkm ist dies das kleinste Einzugsgebiet. Es erstreckt
sich entlang der Seege bis zur Mündung in die Elbe beim km 490. Mit den Kläranlagen Gartow (6
000 Einwohnergleichwerte) und Schnackenburg (700 EGW) sind hier nur zwei Einleitungen vorhanden.
In der Kläranlage Gartow wird das häusliche Abwasser aus dem Zwischenlager Gorleben
mitbehandelt.“ 8
Erste Ausbauschritte in Gartow erfolgten 1973:
„Am vergangenen Wochenende (Anm.: März 1973) rückte die Baufirma F. Schulz aus Uelzen in
Gartow an und hat inzwischen mit den Bauarbeiten des 1. Bauabschnittes die Kanalisations-Erdarbeiten
begonnen. Zunächst wurde an der Kreuzung Hahnenberger Straße und Springstraße
begonnen. Der reibungslose Verkehrsablauf in den jeweiligen Baustrecken soll möglichst erhalten
bleiben. Sollten wirklich Umleitungen erforderlich werden, stehen die Strecke Seegebrücke
– Kirchgartenweg – Nienwalder Weg – Hahnenberger Sraße zur Verfügung. Man hofft, in etwa
10 Wochen die Arbeiten dieses Bauabschnittes abgeschlossen zu haben ... Nach Fertigstellung
der ersten Baustrecke sollen die Bauarbeiten vom Postamt entlang der Bundesstraße 493 in
Richtung Hahnenberge fortgeführt werden. Am Quotum soll dann der Verfolg der Hauptleitung
zunächst über das „Neuland-Helk “ in Richtung auf das zu erstellende Klärwerk an der Abzweigung
Laascher Damm verlaufen. Wie die Samtgemeinde hierzu mitteilt, ist die Ausschreibung für den
Bau des Klärwerkes bereits erfolgt und die Submission und Vergabe soll in Kürze erfolgen. Es
wird damit gerechnet, daß hier nach den erforderlichen Erdarbeiten etwa Ende Mai, mit dem Bau
begonnen werden kann.“ 9
1977, also erst vier Jahre später, war das Vorhaben nur teilweise baulich umgesetzt worden: „…
Samtgemeindedirektor Hans Borchardt gab zu den anstehenden Beratungen über den geplanten
Weiterbau der vor 4 Jahren begonnenen Kanalisation einen ausführlichen Bericht. Der Rahmenentwurf
für diese Baumaßnahme wurde am 20. Juli 1973 mit einer Bausumme von 5,9 Millionen
DM beschlossen und vom Regierungspräsidenten in Lüneburg geprüft. Alle Finanzierungsgrundlagen
basierten bis jetzt auf einer Eigenbeteiligung von rd. 40%. Beim Beginn dieser Maßnahme
516
brauchte die Samtgemeinde dank hoher Zuschüsse nur eine Eigenbeteiligung von 30% aufzubringen.
Nach einer erneuten Einreichung eines Antrages auf Finanzierung eines weiteren Bauabschnittes
mit einem Volumen von 1 Mio. DM – dieser Antrag wurde zurückgegeben – soll nunmehr
rückwirkend die Eigenbeteiligung von 40 auf 42,7% festgesetzt werden.
Bauingenieur Udo Kloppmann vom Wasserwirtschaftsamt Lüneburg als Beauftragter seiner
Behörde erläuterte hierzu, daß die Heraufsetzung der Eigenleistung eine Folge der schlechten
Finanzlage des Landes sei und die nunmehr erhöhte Eigenbelastung betrage schließlich „nur“
160 000 DM. Die Fraktionsvorsitzenden (im Gartower Rat) Legner und Flöter bezeichneten diesen
jetzigen Zustand als einfach untragbar, man könne schließlich nicht im Nachhinein eine bisher
zugesagte Bezuschussung kürzen und damit das Gesamtwerk infrage stellen. Man habe auch
hier wieder den Anschein, daß die bisher gewährten hohen Zuschüsse nur als Köder für die Bevölkerung
gedacht waren. Bereits bei der Schaffung der zentralen Wasserversorgung hatte man
den vorgegebenen Wasserpreis auf 0,70 DM/cbm eingestuft, mit der Zusage, diesen Preis voraussichtlich
nach 2 - 3 Jahren zu senken. Tatsächlich aber wurde dieser Preis nach zwei Jahren
auf 1,25 DM/cbm erhöht und darüber hinaus noch eine Mindestabnahme in Rechnung gestellt.
Unter dieser Betrachtung müsse man von einem Vertrauensschwund sprechen … Die beiden Ratsfraktionen
beschlossen dann einstimmig, die Bauarbeiten einzustellen und die Verwaltung wurde
aufgefordert, weitere Verhandlungen mit den zuständigen Behörden aber auch den politischen
Vertretern dieses Raumes aufzunehmen …“ 10
Der Anschluss der Grundstücke erfolgte aufgrund der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke
und den Anschluß an die öffentliche Abwasseranlage vom 7.10.1974. 1977 war auch Nienwalde
angeschlossen.
Indessen musste der „Rahmenplan für das Abwasserbauvorhaben der Samtgemeinde Gartow“
überarbeitet werden. Das Ingenieurbüro Schulz und v.d.Ohe, Uelzen, legte mit Datum vom
19.12.1978 den geänderten Plan vor, der wiederum auf dem Rahmenentwurf vom 20.7.1973
basierte. Angeschlossen bzw. anzuschließen waren die Orte Gartow, Gorleben, Meetschow, Laasche,
Vietze, Brünkendorf, Pevestorf, Restorf und Nienwalde. Hier lebten nach dem Stand vom
31.12.1977 genau 2 634 Einwohner, von denen 1 800 an die Kanalisation angeschlossen waren.
Unter Berücksichtigung des Fremdenverkehrs wurde als Ausbaugröße die Zahl von 3 000 Einwohnern
festgelegt. Dieser und das geringe Kleingewerbe ergaben als weitere Ausbaugröße 366
Einwohnergleichwerte. Bei den Berechnungen ist ein Schmutzwasseranfall von 150 Liter pro Tag
und Einwohner zugrunde gelegt worden, was bei 3 000 Einwohnern 450 cbm/Tag bzw. 165 500
cbm/Jahr Schmutzwasser ergab. Hinzugerechnet wurde die gleiche Menge an „Fremdwasser“, so
daß mit 900 cbm/Tag gerechnet wurde.
Mit 10 Pumpwerken und 28 km Steinzeugrohren (davon 16 km Druckrohrleitung aus Kunststoff)
sollten die Abwasserströme dem Klärwerk vor Laasche zugeführt werden. Die Gesamtkosten sind
mit rd. 7,6 Mio. DM ermittelt worden, die voraussichtlichen Jahreskosten in Höhe von 886 000 DM
ergaben eine Belastung von 295 DM pro Einwohnergleichwert. Eine Erweiterung der Kläranlage
war nunmehr unbedingt erforderlich. („Bei Verdoppelung des jetzt vorhandenen Systems könnte
diese Kläranlage bei einer Raumbelastung von 0,4 kg biologischer Sauerstoffbedarf nach 5 Tagen
je Kubikmeter Belebungsraum ohne weiteres auf die doppelte Kapazität ausgebaut werden. Die
insgesamt verfügbare Reinigungsleistung wäre dann ca. 6500 Einwohner/Einwohnergleichwerte“).
517
Auf Grundlage des Rahmenentwurfes erfolgte schrittweise der weitere Ausbau der Kanalisation
und die Erweiterung der Kläranlage im Jahre 1983. Mit 1,6 Mio. DM erfolgte der Bau einer
Schlammentwässerung, Elektro-, Gebläse- und Notstromraum. Das Belebungsbecken hatte ein
Fassungsvolumen von 940 cbm, der Durchmesser des Nachklärbeckens beträgt 10 m. 11
Verschärfte Umweltauflagen führten zur Erarbeitung des „Abwasserbeseitigungsplans Untere Elbe
I“ vom Mai 1993, wobei „Aufgabe es ist, die Abwasserbehandlung nach überörtlichen Gesichtspunkten
zu ordnen, einheitlichen Anforderungen zu unterwerfen und sicherzustellen, daß durch
die Einleitung von Abwasser das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt und andere Nutzungen
nicht mehr als unvermeidbar eingeschränkt werden …“ 12
Nach dem Stand vom 31.12.1991 hatte die
Kläranlage Laasche einen Anschlussgrad von
84,3% erreicht. Angeschlossen waren Gartow,
Quarnstedt, Nienwalde, Laasche, Meetschow,
Gorleben, Restorf, Brünkendorf, Pevestorf und
Vietze. Ausgebaut war die Kanalisation für 6
000 Einwohner (2 558 Einwohner, dazu Gewerbe/Industrie
weitere 2 770 Einwohnerwerte).
Die Kläranlage hatte eine mechanische Reinigungsstufe
(Rechen, Langsandfang) und eine
biologische (1 Belebungsgraben, 1 Belebungsbecken,
2 runde Nachklärbecken). Ausgesondert
wurden im Abwasser enthaltende Nitrate
und Phosphate, das war die weitergehende
Reinigung. Der anfallende Klärschlamm wurde
in ein Silo mit 368 cbm Volumen befördert,
mit einer Siebbandpresse verdichtet und der
Restschlamm einer landwirtschaftlichen Verwertung
(Düngung) zugeführt. Das geklärte Abwasser,
rd. 140 cbm in 2 Stunden, wurde dem
Leipgraben/der Seege zugeführt. Um die Kapazität
der Kläranlage zu erhöhen, wurde eine
neuerliche Erweiterung erforderlich, die im Mai
2000 ihren Betrieb aufnahm. 13
Seit 2006 hat der Wasserbeschaffungsverband
Höhbeck die Abwasserbeseitigung im
Samtgemeindegebiet als neue, weitere Aufgabe
übernommen. Am 1.1.2006 trat auch die
4. Satzung zur Änderung der Satzung über die
Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die
Abwasserbeseitigung der Samtgemeinde Gartow
in Kraft.
Lageplan der Kläranlage Laasche
518
Binnenentwässerung Gartow-Nienwalde
Nachdem das Gebiet linksseitig der Seege zwischen Gartow und Nienwalde von 1974 - 1976 bedeicht
worden ist, zog diese Maßnahme zwangsläufig eine weitere nach sich:
Die Neuordnung der Binnenentwässerung. Das neu eingedeichte Gebiet umfasst rd. 518 ha, davon
408 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Als Gesamteinzugsgebiet wurde eine Fläche von 58,9
qkm ermittelt, wovon die beiden wichtigsten Vorfluter Prezeller Hauptgraben und Falkenmoorgraben
(auch als Bürgermoorgraben bezeichnet) allein 53 qkm entwässern. Die Entwässerung
erfolgte über eine Rohrleitung nahe des heutigen Haus des Gastes in den Gartower See (Bürgermoorgraben)
und in den Schloßteich (Prezeller Hauptgraben). Die übrigen, kleineren vorhandenen
Vorfluter entwässerten lediglich Gebietsgrößen von bis zu 2 qkm.
Ausbaugründe waren:
„Der Ausbau der Gräben wird erforderlich, weil die jetzige Vorflut durch den Deich unterbrochen
wird und eine Zuführung des Wassers zum Schöpfwerk erfolgen muß. Die vorhandenen Vorfluter
weisen zudem nicht die für eine landwirtschaftliche Nutzung optimale Entwässerungstiefe auf.“
Die Gräben zeigten ein ausgeglichenes Abflußverhalten, da sie überwiegend Waldflächen bis Wirl
hin mit durchlässigem Untergrund und gefällearme Niedermoorgebiet entwässerten.
Der Prezeller Hauptgraben wurde so dimensioniert, dass die Abführung eines Winterhochwassers
mit einer Abflussspende von 40 Litern/Sek./qkm möglich ist, wobei kurzzeitige Überflutungen in
Kauf genommen werden. Die Mittelwasserabflussspende liegt bei 3 Liter/Sek./qkm, so daß noch
eine Wassertiefe von 25 cm bei dieser Situation gewährleistet ist. Um den wertvollen Uferbewuchs
aus Eichen nicht zu zerstören, ist der Prezeller Hauptgraben als neu ausgebautes Gewässer umgelegt
worden, der vorhandene Lauf blieb bestehen, er erhält so viel Wasser, daß die Eichen stetig
mit Wasser versorgt werden.
Auch der Falkenmoorgraben ist für eine Abflußspende von 40 Litern/Sek./qkm ausgebaut worden.
Um den Erlenbruchwald nicht zu beeinträchtigen, wurde in diesen Vorfluter ein Kulturstau
eingebaut. Dieser hält einen konstanten Wasserstand zur Feuchterhaltung des Erlenbruchwaldes.
Entwässert werden die Flächen von Nienwalde bis Buchhorst mit dem Graben 1 und den Nebengräben
1.1., 1.2. und 1.3. Der Graben 2 entwässert den Schäferkamp, während die Gräben 3.,
3.1, 3.2 und 4 das Gebiet westlich der Bundesstraße 493 entwässern. Alle ausgebauten Gewässer
erhielten eine Böschungsneigung von 1:2 und Böschungsfußsicherungen mit Faschinenmaterial
sowie angepasstes Sohlengefälle. Eine Anzahl von Sohlübergängen und Durchlässen mußte
eingebaut werden.
Bei der Planung ist auf die Eigenhochwassergefährdung hingewiesen worden, die sehr selten eintreten
dürfte:
„…kann es zu einer Überstauung landwirtschaftlich genutzter Flächen kommen. Diese tiefgelegenen
Flächen bieten ausreichende Gewähr dafür, dass eine Gefahr bebauter Gebiete vermieden
wird. So können bei einem Ansteigen des Binnenwasserstandes auf NN +17,00 m bereits rd.
240 000 cbm Wasser gespeichert werden, bei einem Anstieg auf NN +17,50 cbm sogar 800 000
cbm. Dieser Speicherraum reicht aus, um alle denkbaren Hochwasserereignisse zu erfassen…“
Weiterhin ist der Bau eines Schöpfwerkes erforderlich geworden, wobei zwei vertikale Propellerpumpen
mit je 1,4 cbm/sek. Leistung zum Einbau kamen. Der Neubau erfolgte 1976. Als höchster
Binnenpeil wurde die Ordinate NN +16,00 m, als höchster bei mittlerem Binnenwasserzufluß die
Ordinate NN +15,70 m und der niedrigste Binnenpeil auf NN +15,35 m. Um Speicherraum zu erhalten,
ist die Sohlenbreite des Prezeller Hauptgrabens vor dem Schöpfwerk von 2,50 auf 6,00 m
aufgeweitet worden. Bei den Planungen wurde mit Gesamtkosten von rd. 1,7 Mio. DM gerechnet.
519
Hochwasserschutz
Der Schutz gegen unzeitige Hochwassereinflüsse begann mit dem Bau der Deiche, zunächst entlang
der Elbe und bedingt durch den Hochwasserrückstau auch an der Seege. In älteren Landkarten
und Urkunden ist zwischen Schnackenburg, Gartow, dem Höhbeck und der Elbe auch die Insel
Krummendiek eingezeichnet und erwähnt worden – umflossen von Elbarmen, aber wohl damals
schon ganz oder teilweise bedeicht. Darauf weist auch die 1360 gebrauchte Bezeichnung „Werder
“ hin. Es ist jedoch nicht mehr bekannt, welche Ausformung die ehemalige Insel hatte. Vermutet
wird ein Verlauf orientiert an der NN +17,50 m-Geländehöhenlinie. Möglicherweise gab es bereits
um 1300 einen gewissen Abschluss in der Bedeichung, ohne daß Genaues aus der damaligen Zeit
zu erfahren ist. Die Datierung zur Erstanlage von Deichbauten befindet sich mangels konkreter
Quellen immer noch im geschichtlichen Dunkel, v.a. im Landkreis Lüchow-Dannenberg 14/15/16
Nach alten Kartendarstellungen hat es eine um 1700 bestehende Deichlinie nördlich der Seege,
beginnend bei Brünkendorf bis nach Quarnstedt gegeben. Zwischen Restorf und Quarnstedt war
der Deich vermutlich wegen ausreichender Geländehöhe ausgespart, wie auch der Seegedeich in
Quarnstedt endete und keine Fortsetzung in Richtung Kapern erfuhr. 17
Erst später kam es zur Verlängerung des hier rechtsseitigen Seegerückstaudeiches. Dieser wurde
als „Der neue Teich“ bezeichnet, im Gegensatz zum vorhandenen, der als „Schreiber-Deich“
bekannt war. Auf der linken Gartower-Seite gab es um 1700 keine geschlossene Deichlinie, wohl
aber Teilstücke, da im Elsebusch nahe Gartow zu einem unbekannten Zeitpunkt ein Deichbruch
erfolgte. Weitere Deichteilstücke befanden sich am Schäferkamp, zwischen dem Nienwalder Weg
und der Ortsbebauung Gartow und vor dem Bau des Schlosses am ehemaligen Burggraben.
Eine Hochwasserschutzfunktion übernahmen nach ihrer Fertigstellung die Landstraße Meetschow-Gartow,
die Spring- und Hauptstraße, der Nienwalder Weg, die Hahnenberger Straße und
der Buchhorstdamm. Diese Bauten verhinderten im unterschiedlichen Ausmaß Überflutungen von
Gemarkungsteilen, waren jedoch kaum geeignet, Qualmwasser-Überflutungen zu vermeiden. Da
der Hochwasserschutz in Gartow endete, wirkte sich der Rückstau ungehindert seegeaufwärts
bis über Nienwalde hinaus aus. Bei hohen Hochwassern ist das gesamte Gebiet zwischen Buchhorstdamm
und Ortslage Nienwalde überschwemmt worden, die nach Nienwalde führende Straße
war dann unterbrochen. Es mußte ein großer Umweg durch den Gartower Forst nach Nienwalde
zurückgelegt werden.
In der Vergangenheit hat es im Raum Gartow und in Gartow selbst zahlreiche Deichbrüche gegeben
wie der Schnackenburger Oberamtmann Joachim Friedrich Koenemann berichtet. z.B.
1770: „Das Hochwasser stand in Gartow wochenlang in den Häusern und zwang die Bürger, Boote
zu benutzen, wenn sie zum Schlosse wollten“ und im März 1771: „Am 27. März 1771 brach bei
Schönberg in der Altmark infolge einer Eisstopfung der Elbdeich an mehreren Stellen. Ein Teil des
Wassers ergoß sich in den Aland. Auch der linke Alanddeich brach und nun strömten die Wassermassen
ins Seegetal. Der damalige Amtmann Koenemann, Schnackenburg, schrieb darüber:
Am 29. März kam dieses Wasser des Abends um 8.00 Uhr zu Gartow an und fiel die dasige große
Seegebrücke mit solcher Heftigkeit an, daß sie des anderen Morgens um 2 Uhr gesprengt und
alles aus dem Grunde mit fortgerissen war. Die eingestürzte Brücke war eine steinerne Brücke mit
12 - 14 Fuß (1 Fuß = 0,291 m). Bogenweite. Das Wasser ist daselbst mit solcher Kraft angedrungen,
daß die Meetschower Deiche auf 32 Ruthen (1 Ruthe = 4,66 m) lang durchbrochen und viele
von denen davor gestandenen Eichbäume mit fortgerissen und oberhalb bei Restorf drei Brüche
in den Deich gemacht hat ...“
520
Die Hauptstraße in Gartow wurde 1775 aufgehöht, wohl als Folge der Deichbrüche des Jahres
1771. Das Gelände südlich der Hauptstraße und deren Bebauung ist bei Hochwasser regelmäßig
überflutet worden, weil der aus dem Gartower Forst zufließende Prezeller Hauptgraben, der zwischen
Haupt- und Springstraße in die Seege mündete, im Abfluß nicht behindert werden konnte.
Hier drückte unter der Hauptstraße der Rückstau durch und überflutete die als „Der Graben“
bezeichnete Rinne längs des Nienwalder Weges. Beim Ausbau des Gartower Sees ist die Einmündung
des Prezeller Hauptgrabens an den heutigen Schöpfwerksstandort verlegt worden. Ebenso
erhielt der Bürgermoorgraben eine andere Fließrichtung, ebenfalls zum Schöpfwerk hin.
1783 kam es zu einem Deichbruch unmittelbar am Gut Quarnstedt, sowie 1835 und 1838 in der
Ortslage Gartow, vermutlich Am Helk. Der Schäferkampsdeich ist 1841, 1845, 1855 und 1888
gebrochen. Wohlgemerkt, es handelt sich hier um Hochwasser mit Deichbrüchen aber es hat fast
jedes Jahr Hochwasser stets mit Überflutungen aber ohne Deichbrüche gegeben. Sie erreichten
mitunter gefährliche Höhen wie im Jahr 1785: „1785, 30. April war das Wasser so groß, daß es
bis Schönberg sein Haus stand und diesseits die Straßenränder von einem Ende bis zum anderen
voll waren.“
Bei den folgenden Hochwassern mit Deichbrüchen war Gartow nicht direkt betroffen aber die
Marschbewohner: 1654, 1771, 1783, 1784, 1814, 1855 und 1862.
1976: Binnenentwässerung Gartow-Nienwalde, Gewässernetz
521
„…Bereits am 10. Februar 1862 fing der Stresower Seegedamm, der eigentlich kein herkömmlicher
Deich und zudem auch schwer zugänglich war, ab 5 Uhr abends an überzulaufen. In der
Zwischenzeit, als Deichverteidigungsmaterial herangeschafft wurde, brach der Deich. Das einströmende
Wasser lief über Gummern und Kapern nach Schnackenburg und suchte sich den weiteren
Weg nach Restorf. Schon einen Tag vorher brach „vor Cantors Garten“ (heute Tankstelle Springstraße)
ein Damm, der sich am Nordrand des östlichen Teils der heutigen Springstraße hinzog und
an dessen Verstärkung man vier Tage gearbeitet hatte. Diese Stelle war in der Folgezeit stets ein
kritischer Überlaufbereich. Am 13. Februar stand das Wasser teilweise fußhoch in den Häusern
von Gartow, Stellagen für den Fußgängerverkehr mußten aufgebaut werden. Das Wasser stand
nur 30 Zentimeter niedriger als beim Hochwasser 1855…“ 18
Das letztere Hochwasser brachte dennoch Auswirkungen auf Gartow:
Um 1880/1900 existierte beim Gut Quarnstedt, beginnend in Richtung Nienwalde direkt nördlich
der Seege, ein weiterer niedriger Sommerdeich, eher eine Verwallung, um dortige Grünlandareale
zu schützen. Die Ortslage Gartow selbst lag ohne Hochwasserschutz im Rückstaubereich der
Elbe bzw. Seege, wobei die durch Gartow führenden Straßendämme eine gewisse Deichfunktion
übernahmen. Möglicherweise haben Hochwasser der Vergangenheit nicht die heutigen Höhen
erreicht, so dass damals der Hochwasserschutz als ausreichend betrachtet wurde. Dies wird verdeutlicht
an den gegenwärtigen Höhenordinaten der Straßenkronen: die Springstraße weist Höhen
zwischen NN +19,11 m und NN +19,34 m auf, die Hauptstraße zwischen NN +19,05 und
NN+19,39 m, an der Kirche gar NN +19,87 m, die Hahnenberger Straße von NN +19,50 m Höhe
Nienwalder Weg, auf NN +20,50 m zum Ortsausgang ansteigend.
Weitere bedeutende, auch Gartow betreffende Elbehochwasser, ereigneten sich 1876,
1881, 1888, 1895, 1920, 1926/27, 1940/41, 1946, 1947, 1954, 1958, 1965 und 1974/75,
2002,2006,2011 und 2013. 19
Der Dienst an den Deichen – überwiegend Instandsetzungsarbeiten – war in Gartow bereits eine
althergebrachte Übung: „Ein jeder Bürger des Fleckens Gartow, er habe eine volle oder halbe
Bürgerstelle, ist von Alters her schuldig, bei des Hauses Gartow Deichen jährlich 6 Tage zu dienen,
nämlich 1.) im Frühjahr 3 Tage, 2.) im Herbst 3 Tage und zwar solchergestalt, daß diejenigen ,
welche (Pferdebe-) Spannung haben ohne Ausnahme mit dem Spann – die übrigen aber mit der
Hand diesen Dienst verrichten müssen. Insofern solcher in einem Jahre nicht ganz abgeleistet
wird, müssen sie die nicht abgedienten Tage in dem folgenden Jahre nachdienen …“ Diese Deichdienste
werden die Gartower Bürger jedoch überwiegend am Seegerückstaudeich bei Quarnstedt
und weniger am Elsebusch, Helk oder Schäferkamp abgeleistet haben. Der jeweils amtierende
Bürgermeister führte dabei die Aufsicht und war von diesem Dienst daher befreit. 20
Beim Sommerhochwasser im Juli 1954, als bei Gummern am Danks- und Köster-Brack gefährliche
Rutschungen auftraten, ist auch der Buchhorstdamm auf 765 m Länge um einen Meter aufgehöht
worden. Da eine Durchweichung des Notdeiches drohte, wurde er verstärkt. Hierbei halfen
Feuerwehrleute und Bundesgrenzschutz-Einheiten. Mit der Errichtung des Notdeiches konnten
etwa 300 ha vor einer Überflutung geschützt werden.
Als der Gartower See geschaffen wurde, ergab sich die günstige Gelegenheit, mit dem Aushub
erstmalig eine Deichlinie – den linksseitigen Seegerückstaudeich – von Nienwalde bis Gartow
auf 7,3 km Länge zu realisieren. Mit Datum von 29. August 1974 legte das Wasserwirtschaftsamt
Lüneburg den „Bauentwurf für die Hochwasserbedeichung Gartow-Nienwalde“ vor, der sofort bau-
522
lich umgesetzt worden ist. Mitten hinein in die Bauarbeiten ereignete sich das Elbehochwasser
Dezember 1974/Januar 1975 und brachte diese zum Erliegen. Der neue Deichkörper aus verdichtetem
Aushubsand des Gartower Sees erhielt eine schützende Lehmdecke mit Grasnarbe, beidseitige
Böschungen von 1:3-Neigung und eine ausreichende Höhe von durchgehend NN +19,80
m bei 3 m Deichkronenbreite. Der Nienwalder Weg in Gartow wurde in den Deich integriert und
entsprechend erhöht. Der Schloßkomplex mit Schloßgarten verblieb auf Wunsch des Grafen v.
Bernstorff außerhalb des neuen Deiches. Mit dem See- und Deichausbau verbunden war eine
Aufhöhung des Geländes im Bereich der Ortslage Gartow und die Schaffung eines Promenadenweges
auf der neuen Deichkrone. Hierdurch erhielten 518 ha Fläche und die Ortschaften Gartow
und Nienwalde erstmalig vollen Hochwasserschutz. Die Baukosten beliefen sich auf rd. 2 Mio. DM.
Nach Vollendung des Deichbaues im Jahr 1976 erweiterte sich die hochwassergeschützte Fläche
des Gartower Deich- und Wasserverbandes um gut 518 ha. 21
Seit 1975 ist bis 1986 und erneut von 2006 bis 2007 der rechtsseitige Seegerückstaudeich von
Brünkendorf bis Kapern ausgebaut, erhöht und von Kapern bis zur Landesgrenze erstmalig errichtet
worden. 22
Der linksseitige Rückstaudeich Gartow-Nienwalde wurde jüngst auf ganzer Länge nacherhöht, da
sich der Bemessungswasserstand zwischenzeitlich veränderte und eine neue Deichkronenhöhe
von NN +20,15 m, im Bereich der Ortslagen von NN + 20,35 m festgelegt wurde. Die sehr hohen
Elbehochwasser von 2002, 2006, 2011 und 2013 zeigten das Erfordernis eindringlich. Zusätzlich
ist auch der Schloßkomplex Gartow komplett eingedeicht worden (seit 2009/10). 23/24
In den aktuellen Hochwasserschutz wird 2012/13 auch die Aufhöhung des Deiches am Südufer
des Gartower Sees einbezogen. Grundlage ist der Antrag auf Planfeststellung des Gartower
Deich- und Wasserverbandes zur Sicherstellung des Hochwasserschutzes von Nienwalde bis Gartow
durch Erhöhung und Verstärkung des linksseitigen Seegerückstaudeiches vom 19.03.2009.
Bereits im Januar 2011 trat erneut ein Elbehochwasser auf, das in der Höhenskala denen von
2003 und 2006 ähnlich war. Und unmittelbar darauf, im Juni 2013, ereignete sich ein weiteres Elbehochwasser;
es brachte für die Seegeniederung und für Gartow einen neuen Rekord-Pegelstand
(2002 = NN + 19,10 m, 2006 = NN + 19,14 m, 2013 = NN +19,82 m in Gartow gemessen).
Beim Hochwasser 2013 wurde von der Berufsfeuerwehr Frankfurt/M. ein neues Deichsicherungssystem
„Aquariwa“ auf 1,5 km Länge an der Südseite des Gartower Sees erfolgreich erprobt.
Auf die Deichkrone gestellte Kunststofftonnen, mit Wasser gefüllt, ergaben eine sichere Deicherhöhung.
Nennenswerte Schäden sind im Gartower Bereich nicht entstanden. Die eingesetzten
Katastrophen-Einheiten (Feuerwehr, Arbeiter Samariter Bund, Johanniter, Deutsche Gesellschaft
zur Rettung Schiffbrüchiger, Technisches Hilfswerk ) waren in der Elbtalschule untergebracht und
konnten die dortige Infrastruktur (Fotokopierer, Fax, Telefon) dankenswerterweise ohne Einschränkung
benutzen. Auch die Küche stand zur Verfügung, so dass die Johanniterhilfe aus Frankfurt und
Trier die Helfer ohne Probleme versorgen konnten. Die Bevölkerung brachte sich wieder vielfältig
ein: Lebensmittel- und Kuchenspenden, Sandsäcke befüllen oder die Deichsicherheit im Auge behalten
– Aufgaben, die unkompliziert ohne großen Organisationsaufwand übernommen wurden.
Seit 2009 ist die Samtgemeinde Gartow Mitglied in der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft: „Hochwasserpartnerschaft
Elbe“ zur Verbesserung des Hochwasserschutzes.
523
2012: Deichausbauquerschnitt zur Erhöhung des Deiches in der Gartower Ortslage
2012: Deichausbau am Gartower See
524
Quellen und Literatur
1. Wasserbeschaffungsverband Höhbeck. Abschlussprüfung 1973, 1974 und 1975, S. 26
2. Der Nieders. Umweltminister: „Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan Obere Elbe-Entwurf“
Hannover 1985, S. 26
3. Gartower Heimatbote vom 29.10.1970
4. Gartower Rundschau vom 5.1.1973
5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 6.6.1996, 20.4.1986
6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 22.4.1976, 13.7.1982
7. Der Nieders. Umweltminister: „Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan Obere Elbe-Entwurf“
Hannover 1985, S. 27 - 29
8. Der Nieders. Umweltminister: „Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan Obere Elbe-Entwurf“
Hannover 1985, S. 99 - 111
9. Gartower Rundschau vom 15.3.1973
10. Gartower Höhbeck-Rundschau vom Oktober 1977
11. Gartower Höhbeck-Rundschau vom Oktober 1977
12. Bezirksregierung Lüneburg: „Abwasserbeseitigungsplan Untere Elbe I“ vom Mai 1993, S. 4
13. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 14.12.1995, 20.10.2001
14. /
15. /
16. Pudelko, Alfred: „Von der Insel Krummendiek“ in 3. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises
Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1972, S. 31 - 44) Pudelko, Alfred: „Hochwasser-Deiche“
in: 3. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1972,
S. 139 - 141
ders.: „Hochwasser/Deiche“ in: 7. Jahresheft des Heimatkdl.
Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1979, S. 73 - 83
17. Meibeyer, Wolfgang: „Das Gartower Gefilde am Ende des 17. Jahrhunderts. Faksimile-Ausgabe
einer Landkarte von 1695“, Lüchow 1994 – Heft 9 der Schriftenreihe des Heimatkdl.
Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg
18. Puffahrt, Otto: „Das Deichwesen im Gartower Deich- und Wasserverband“, Lüneburg 1978,
S. 35 - 53
19. Puffahrt, Otto: „Historische und neuzeitliche Hochwassergeschehnisse für Hitzacker und die
Jeetzelniederung “, Dannenberg 2008
20. Puffahrt, Otto: „Gräflich von Bernstorffsches Dienstregister 1832 - 1833 für den
Raum Gartow“, Lüneburg 2003, S. 85 - 87
21. Puffahrt, Otto: „Dokumentation zur Sanierung der Elbe- und Rückstaudeiche im Regierungsbezirk
Lüneburg. – Stand Sommer 1977“ in: Neues Archiv für Niedersachsen, Heft 2, 1978,
S. 178 - 183
22. Puffahrt, Otto: „Deichbau im Gartower Deich- und Wasserverband 1975 - 1985 “
Herausgeg. vom Wasserwirtschaftsamt Lüneburg für den Gartower Deich- und Wasserverband,
Lüneburg 1986
23. /
24. Puffahrt, Otto: „Unruhige Tage an der Elbe und der Seege. Das Sommerhochwasser im
August 2002 im Raum Gartow-Schnackenburg “, Gartow 2002
ders.: „Hochwasseralarm 2006 in der Seegeniederung.
Text- und Fotobericht vom Elbehochwasser 2006“, Lüchow 2006
525
Das Gorleben-Problem
Im Gefolge der Kernforschung ab 1899 und der 1939 von Otto Hahn und Friedrich Strassmann
entdeckten Kernspaltung, die zunächst militärischen Zwecken diente, sind ab 1956 in Deutschland
Kernforschungszentren und ab 1957 Kernreaktoren (Atomreaktoren) in Betrieb genommen
worden. Letztere dienten der Energieerzeugung. Deren abgebrannte, verbrauchte Kernbrennstäbe,
hochradioaktiv sowie die mehr oder minder radioaktiv belasteten Ausrüstungs- und Betriebsgegenstände
sind wegen der extrem langzeitigen radioaktiven Strahlung hochsicher über sehr
lange Zeiträume endzulagern. Ein Teil dieser Hinterlassenschaften kann einer Wiederaufarbeitung
zugeführt werden. Derartige schwachbelastete Abfallstoffe sind im Salzbergwerk und Versuchslager
Asse II eingelagert worden, welches seit 1978 geschlossen ist.
Als Ersatz für schwach – aber insbesondere hochradioaktive Kernbrennstoff-Abfälle, die sog.
Halbwertszeiten von mehr als 1000 Jahren aufweisen, erfolgte die Suche nach einem weiteren
Entsorgungsstandort. Hierbei schienen unterirdische Salzstöcke am geeignetsten zu sein und
ein solcher befindet sich im Raum Gorleben, der sich unter der Elbe bis nach Lenzen hinzieht.
Anzumerken ist hierbei, dass der Rudower See bei Lenzen durch einen großen Salzeinbruch entstanden
ist. Der Gartower Salzstock ist aus seiner geologischen Gegebenheit heraus für die Einlagerung
von hochradioaktiven atomaren Resten ungeeignet – was von kritischen Geologen auch
bereits vor den Probebohrungen angemerkt worden ist. Im Übrigen lagern in etwa 3000 m Tiefe
Kohlenwasserstoffe (Gas). Der Salzstock wird auf seine Eignung hin aufwendig erkundet. Es ist ein
Erkundungsbergwerk mit einem Kostenaufwand von rd. 600 Mio. Euro eingerichtet worden sowie
später auch ein obertägiges Zwischenlager für abgebrannte Kernbrennstäbe, in dem dieses Material
über längere Zeit bis zur Endlagerung abkühlt.
In einer Informationsschrift der „Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für
Abfallstoffe mbH (DBE)“ (Stand 1991) wird allgemein mitgeteilt: „Seit 1979 wird der Salzstock
Gorleben auf seine Eignung als Endlager für alle Arten fester radioaktiver Abfälle untersucht. Die
Ergebnisse der vierjährigen Erkundung von über Tage reichten für eine endgültige Beurteilung
nicht aus. Sie waren aber so umfassend, daß 1983 die Inangriffnahme der untertägigen Erkundung
beschlossen werden konnte.
Die DBE hat danach mit den Arbeiten zur untertägigen Erkundung begonnen. Über Schächte und
Strecken soll der Salzstock in 840 m Tiefe großflächig erschlossen und geowissenschaftlich untersucht
werden. Die untertägige Erkundung wird bis zum Ende dieses Jahrzehnts dauern. Bei
Feststellung der Eignung des Salzstockes Gorleben könnte dann das für die Errichtung und den
Betrieb eines Endlagers notwendige Planfeststellungsverfahren weiter durchgeführt werden. Ein
Planfeststellungsbeschluß wäre frühestens 2003 möglich. Bei positivem Bescheid könnte das
Endlager im Jahre 2008 in Betrieb gehen.“ 1
Die Diskussion über die Eignung hält bis heute (2012/13) an.
Zum Endlagerbergwerk wird mitgeteilt:
„…Die Errichtung des Endlagerbergwerks wird etwa sechs Jahre dauern. Der Einlagerungsbetrieb
im Endlager beginnt nach Erteilung der Betriebsgenehmigung … Der Betriebszeitraum des Endlagers
beträgt nach heutigem Planungsstand ca. 70 Jahre … Schacht 1 wird einziehender Wetterschacht
sowie Schacht für Salzförderung, Seilfahrt und Materialschacht; Schacht 2 wird ausziehender
Wetterschacht und Schacht für Transport der Abfallgebinde sowie für gelegentlichen
Transport von Maschinenteilen ... Unter Tage müssen die erforderlichen Strecken aufgefahren und
526
die jeweils benötigten Einlagerungshohlräume hergerichtet werden. Die Einlagerungssohle könnte
bei ca. 870 m liegen, eine mögliche 2. Einlagerungssohle für Streckenkammern bei ca. 900 m. ...
Für die Einlagerung der verschiedenen Abfallarten sind getrennte Einlagerungsfelder vorgesehen.
Als Einlagerungstechniken kommen die Stapeltechnik, die Bohrlochtechnik und die Streckenlagerung
in Betracht. Wärmeentwickelnde Abfälle sollen in Bohrlöchern in Staßfurt-Steinsalz, Abfälle
mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung im Leine-Steinsalz endgelagert werden …“
Beide Schächte sind ab 1986 niedergebracht worden, wobei Schacht 1 eine Endteufe von 940 m
und Schacht 2 eine von 840 m erhielt. Etliche Streckenauffahrungen (Gänge) führen von beiden
Schächten untertage zwischen 820 und 940 m Tiefe in die Umgebung. Bei 258 m unter Gelände
endet das Deckgebirge und beginnt die Salzformation, die sich tiefer als 940 m darunter erstreckt.
Gemäß einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen
wurde die Erkundung am 1. Oktober 2000 vorläufig eingestellt, um Zweifelsfragen bei der
Endlagerung zu klären. Der als Erkundungsmoratorium bezeichnete Baustopp soll zunächst auf 3
bis 10 Jahre begrenzt sein. Wie es danach weitergeht, ist mit zwei Sätzen gesagt: „Eine abschließende
Eignungsaussage kann nur nach Abschluss der Erkundung getroffen werden. Hierfür wären
nach Aufhebung des Moratoriums noch rund fünf Jahre notwendig.“ 2
Bis heute erfolgen in dem Gorleben ähnlichen ehemaligen Salzbergwerk Asse II Laugenzuflüsse
und Einstürze von Salzkammern wie auch die vorgenommene Einlagerung von schwach- bis mittelradioaktiven
Abfällen unsachgemäß vorgenommen wurde. Wegen verschiedener Ähnlichkeiten
zwischen Gorleben und Asse II entzündete sich sofort wieder eine Grundsatzdiskussion zur Eignung
des Salzstockes Gorleben über sehr lange, dem Menschen kaum vorstellbare Zeiträume.
Das Bundeswirtschaftsministerium sah zu Beginn des Jahres 2009 die Endlagerfrage technisch
gelöst“, das Bundesumweltministerium dagegen nicht. 3/4
Währenddessen fällt stets neue radioaktiver Abfall an oder muß aus Frankreich (La Hague) nach
der Wiederaufbereitung zurückgeholt werden.
Die Energieversorgungsunternehmen rechnen mit einem Aufkommen von rd. 22 000 cbm hochradioaktivem
Abfall bis zum Jahre 2040. Da in den 17 in Betrieb befindlichen Kernkraftwerken
beständig neuer radioaktiver Abfall anfällt, die Endlagerfrage aber bisher noch nicht politisch gelöst
ist, müssen diese bei den Kraftwerken auf Zeit zwischengelagert werden. Aufgrund bestehender
Vertragspflichten mußten hochradioaktive Abfälle schon vorzeitig gelagert werden. Hierfür ist
übertage auf dem Gelände gegenüber dem Bergwerksgelände Gorleben eine große Lagerhalle
mit natürlicher Belüftung errichtet worden, in der inzwischen über 80 sogen. Castor-Behälter hitzeabklingend
stehen. Dieser Betriebsteil wird als Zwischenlager bezeichnet. Im November 2008
erschien die Meldung: „… Neben den noch 33 Behältern aus La Hague/Frankreich werden voraussichtlich
zwischen 2014 und 2017 in vier Transporten weitere 22 Behälter aus dem britischen
Sellafield geliefert.“ 5
In den technisch hoch entwickelten Transportbehältern, die gegen fast alle Fährnisse gewappnet
sind, befindet sich der hochradioaktive Abfall, der per Eisenbahn bis zum Bahnhof Dannenberg Ost
gebracht und dort auf Tieflader umgeladen wird. Unter Polizeischutz werden die Behälter auf der
Straße nach Gorleben gebracht. Beim Transport kommt es regelmäßig zu spektakulären Aktionen,
527
die in der Regel gewaltfrei verlaufen. Die Gorlebengegner sehen es als ihre Pflicht an, auch noch
30 Jahre nach der Standortbenennung ihre Kritik an der Salzstockeignung öffentlich zu machen.
Die Energieversorgungsunternehmen halten eine Inbetriebnahme des Endlagers im Salzstock
Gorleben ab etwa dem Jahr 2025 möglich. Realisiert worden ist auch noch nicht die sogen. Pilot-
Konditionierungsanlage in Gorleben, in der die Abfallstoffe aufbereitet werden sollen. Mit Jahresbeginn
2010 wurde die Diskussion um die Eignung des Endlagers Gorleben nach Aufhebung
des zehnjährigen Moratoriums von 2000 - 2010 wieder eröffnet. Die Bundesregierung plant eine
„ergebnisoffene“ Untersuchung nach Atomrecht, was Kernkraftgegner zum erneuten Widerstand
treibt.
Die Benennung Gorlebens als vorläufiger Standort für ein nukleares Entsorgungszentrum durch
den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht am 22. Februar 1977 veränderte
schlagartig das bis dahin allgemein ausgeprägte Meinungs- und Weltanschauungsbild. Quer
durch die Gesellschaft formierten sich zwei Lager, die der Kernkraftbefürworter und die der -gegner.
Zudem wurde die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch die bundesdeutschen, z.T. auch
ausländischen Medien auf die gesamte Kernenergie-Problematik gelenkt und immer wieder entzündete
sich ein Expertenstreit um die Eignung des Salzstockes Gorleben als Endlager, der auch
nach 40 Jahren nicht abgeebbt ist. Sofort nach dieser Entscheidung formierte sich im Landkreis
eine Protestbewegung, deren Mitglieder gemeinhin als Kernkraftgegner bezeichnet wurden. Es
kam zu gewalttätigen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Obwohl die Landesregierung
1979 den Bau eines nuklearen Entsorgungszentrums für politisch nicht durchsetzbar erklärte und
stattdessen Gorleben als Zwischen- und Endlager für radioaktive Abfälle benannte, beruhigten
sich die Gemüter nicht. Die politische Brisanz des gesamten Vorhabens zog von Beginn an die Aufmerksamkeit
aller Medien auf sich und führte zu einer Flut von Berichterstattungen, Kommentaren
und Erklärungen. In den Medien gezeigte Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften
und Kernkraftgegnern führten dazu, daß ein Teil der Feriengäste den Raum Gartow, ja sogar den
ganzen Landkreis als Urlaubsziel mied.
Jedes Mal, wenn ausgediente Kernbrennstäbe von außerhalb in das Zwischenlager Gorleben gebracht
werden, ergeben sich Auseinandersetzungen zwischen Polizeikräften und Protestierern.
Blockaden auf dem Schienen- und Landweg sorgen stets für zeitliche Verzögerungen beim Antransport,
der von hunderten, in einzelnen Fällen von tausenden Sicherheitskräften mit großem
technischem und finanziellem Aufwand begleitet wird. Diese Umstände werden auch künftig andauern.
An der Gorleben-Frage entzündeten sich auch grundsätzliche Fremdenverkehrsorientierungen.
Kernkraftgegner argumentierten, daß Naturschutz und Fremdenverkehr einerseits und die Betreibung
von Kernenergieanlagen andererseits auf so geringer Distanz absolut unvereinbar seien.
Zudem könne durch Schaffung von erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen des
Gorleben-Projekts und zu befürchtender nachhaltiger Beeinträchtigung für Mensch, Tier und Natur
von einer Fremdenverkehrswerbung mit Hinweis auf Erholung nicht die Rede sein.
Im Zusammenhang mit dem Gorleben-Widerstand wurden Graf Andreas v. Bernstorff und seine
Ehefrau Anna geb. v.d. Bussche-Ippenburg bundesweit bekannt. Der 300jährigen Familientradition
und des Familienstatuts verbunden, Gefahren von der Landschaft abzuwehren, weigerte sich
der Graf, seine Grundflächen für das Entsorgungszentrum zur Verfügung zu stellen. Die Energiewirtschaft
war daher gezwungen, Umplanungen vorzunehmen aber zu verhindern waren weder
der Bau des Erkundungsbergwerkes noch das Zwischenlager.
528
Der Samtgemeinderat Gartow sah sich plötzlich mit fachtechnischen Fragen konfrontiert, die so
komplex sind, daß solche eigentlich nur von Experten beantwortet werden können. Gleichwohl
wurden vom Rat notwendige Entscheidungen gefordert, die ihm oft nicht leicht fielen und ebenso
oft erhebliche Kritik nach sich zogen. Derartige Anwürfe gingen bis zur körperlichen Schmerzgrenze,
was andererseits die Unversöhnlichkeit der Meinungsunterschiede aufzeigt.
Die Energiewirtschaft, wie auch die Bundes- und Landesregierung, haben derartige Erschwernisse
für die hier heimische Bevölkerung, Wirtschaft und Kommunalpolitik mit Ausgleichszahlungen
(„Gorlebengelder “) zu kompensieren versucht. Mit erheblichen Finanzmitteln sind im Gorlebener
Raum bisher ausgebliebene Infrastrukturmaßnahmen zur Verbesserung des Gemeinwesens
durchgeführt worden, was wiederum Kritik hervorrief, weil man sich der Energiewirtschaft gegenüber
nicht als willfährig zeigen wollte. Das Gorleben-Problem bleibt auch künftig bestehen, es hat
die Gesellschaft mehr als 40 Jahre belastet und wird sie auch weiterhin belasten.
Es fehlt hier der Platz, die Gorleben-Problematik ausführlich zu behandeln, aber sie ist seit mehr
als 40 Jahren auch Geschichte, die sich auf Gartow auswirkt. Zum besseren Verständnis der damaligen
Anfangssituation sollen einige Geschehnisse und Abläufe im Zusammenhang mit der
Standortentscheidung ab 1977 geschildert werden, wobei insbesondere Meinungen aus der betroffenen
Region Vorrang haben.
Sofort nach Bekanntwerden des Entschlusses der niedersächsischen Landesregierung, ein Endlager
für abgebrannte Kernbrennstoffe bei Gorleben einzurichten, ließ der Samtgemeinderat folgende
Resolution veröffentlichen:
„Mit Bestürzung hat der Rat der Samtgemeinde Gartow zur Kenntnis genommen, daß die Landesregierung
Niedersachsens Gorleben als Standort für eine Atommülldeponie und Wiederaufbereitungsanlage
benannt hat. Der Samtgemeinderat lehnt Gorleben als Standort auf das Entschiedenste
ab. Mit dieser Benennung wird die in den letzten zwei Jahrzehnten unter großen
Anstrengungen der hiesigen Bevölkerung erreichte Entwicklung des Fremdenverkehrs mit einem
Schlage zunichte gemacht. Auch die Landwirtschaft und das örtliche Handwerk werden durch diese
Standortwahl in ihrer Existenz auf das Äußerste gefährdet. Außerdem würde hierdurch eine der
letzten noch unberührten Naturlandschaften der Bundesrepublik – ja sogar Europas – zerstört.
Der Rat der Samtgemeinde Gartow ist nicht bereit, sich mit dieser Standortwahl abzufinden. Er
fordert die Landesregierung und auch die Bundesregierung auf, eine andere Lösung für die Entsorgung
zu finden.“
Am 22. Februar 1977 hatte die niedersächsische Landesregierung Gorleben als Standort benannt,
schon am 31. März 1977 beantragte die DWK die atomrechtliche Genehmigung sowie das erforderliche
Verfahren. Im Mai 1977 sind von der Landesregierung Aufträge zur Erstellung eines sicherheitstechnischen
Gutachtens, eines Konzepts der Anlagensicherung und Objektschutzes vergeben
worden. Ferner wurde der Deutsche Wetterdienst für meteorologische Auswertungen und
das Landesamt für Bodenforschung sowie Bergbaubehörden mit einbezogen. Die geologischen
Verhältnisse im Salzstock Gorleben waren rasch zu erkunden. Auch brachte man das notwendige
Planfeststellungsverfahren schnell voran, zumal der Bundeskanzler am 6. Juli bereits die Erwartung
aussprach, daß das Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren zügig vorangetrieben
werde und die erforderlichen Erkundungsarbeiten mit den Probebohrungen bald aufgenommen
werden könnten…“
529
Systemskizze des Bergwerks Gorleben
Die Energiewirtschaft hatte bereits konkrete Zeitvorstellungen, von 1976 bis 1993 waren zu verwirklichen:
Brennelementlagerung (1980 - 84), Wiederaufarbeitung – Abfallbehandlung – Zwischenlagerung
(1981 - 86), Uranverarbeitung (1985 - 88), Plutonium-Brennelementherstellung
(1983 - 88), Abfallendbehandlung (1984 - 93), Abfallendlagerung (1982 - 93) und Ausbau der
„übergeordneten Struktur “ (1980 - 88). Dieser Zeitplan ist kräftig durcheinander geraten, Widerstände
aus der Bevölkerung und politische Querelen verzögerten und verhinderten wesentliche
Teile des Konzepts bis zum heutigen Tag. Jährlich sollten 3 000 t radioaktive Abfälle wiederaufgearbeitet
werden. Mindestens 5 Jahre Vorlaufplanungen waren erforderlich, um Gorleben überhaupt
in Betrieb zu nehmen (ab 1980).
Bereits am 6. April 1977 lud Samtgemeindedirektor Borchardt den Rat zu Gesprächen mit dem
Bundestagsabgeordneten Horst Schröder, den Landtagsabgeordneten Kurt- Dieter Grill und den
Niedersächsischen Wissenschaftsminister Pestel ein. Zuvor informierten sich diese Herren über
die Probleme in der Region. Es folgte 6 Tage später eine Diskussion mit dem Geschäftsführer
der Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) Dr. Walter Schüller und Dr.
Feldmann mit den Ratsmitgliedern. Drei Tage später sowie im Mai fanden Informationsfahrten zur
bestehenden Wiederaufbereitungsanlage Cap de la Hague/Frankreich statt.
Am 15. Juli 1977 fand im Hotel „Deutsches Haus“ eine Bürgerversammlung statt.
Damals ging es der Samtgemeinde Gartow finanziell nicht gut, die Verschuldung betrug etwa 1,5
Mio. DM (pro Kopf rd. 400 DM). Der Vermögenshaushalt betrug in der Einnahme und Ausgabe für
1977 jeweils 1.873.025 DM, im Verwaltungshaushalt dagegen in der Einnahme 1.817.610 DM,
in der Ausgabe jedoch 2.082.970 DM, also ein Fehlbedarf von 265.360 DM. Mit der Gorleben-
Problematik sind unerwartet die folgenden Ratsherren (Stand Juni 1977) konfrontiert worden:
530
Samtgemeinde-Bürgermeister Heinz Rathje, Gartow – die Ratsherren: Gunter Hingst, Vietze – Gerhard
Diekmann, Holtorf – Ernst Schmidt-Maury, Gartow – Ulrich Flöter, Kapern – Hartmut Heitmann,
Prezelle – August Bolle, Lomitz – Hans-Joachim Schenk, Brünkendorf – Klaus Legner, Gartow
– Klaus Wohler, Meetschow – Dieter Szegedi, Schnackenburg – Karl Mummelthey, Restorf
– Wilhelm Albrecht, Gorleben – Hermann Junack, Gartow – Adolf Hennings, Meetschow und Kurt
Hunger, Vietze. Sie mußten kraft ihrer Funktion und gemäß gesetzlicher Vorgaben Entscheidungen
zur Gorleben-Problematik treffen und vorbereitende Maßnahmen in die Wege leiten. Ihnen zur Seite
gestellt wurde vom damaligen Regierungspräsidenten in Lüneburg der „Wendland-Kommissar “
Dr. Hartmut Lichtenstein, seitens des Landkreises der Baudirektor Quis.
Im November 1977 lud die DWK den Rat zu einer Besichtigung in die Versuchslagerstätte für Einlagerung
radioaktiven Materials im ehem. Salzbergwerk Asse II ein, die im Dezember 2008 und
späterhin infolge unsachgemäßer Praktiken in die Schlagzeilen geriet. Die DWK ließ im Sommer
1977 in den Landkreisen Lüchow-Dannenberg, Lüneburg und Uelzen eine repräsentative Meinungsumfrage
bei einem Umfrage-Forschungsinstitut in Auftrag geben, wobei 1526 Personen,
davon 517 aus Lüchow-Dannenberg, zum Thema Endlager und Wiederaufbereitung in Gorleben
befragt worden sind. 52% der Befragten konnten sich Auswirkungen auf die Umwelt vorstellen,
davon insbesondere Gefahren durch die radioaktive Strahlung (13%), Auswirkungen auf menschliche
Erbanlagen (7%) und Umwelt – sowie technische Katastrophen (4%). Bei Frage 2, ob die
Energiewirtschaft die Bevölkerung genügend über Atomtechnik, Endlagerung und Wiederaufbereitung
informiert, gaben nur ganze 3% der Befragten an, sich gänzlich davon aufgeklärt zu fühlen.
Interessant sind auch die Antworten zu Frage 3, wer die Bevölkerung aufklärt und auf welche Weise
sie zu informieren ist. 55% wünschten sich die Informationen von unabhängigen Fachleuten,
immerhin noch 20% vom Staatsapparat und nur 4% von der niedersächsischen Landesregierung
bzw. deren Politiker. Als Vermittlungsmedien wurden genannt: Fernsehen (35%), Tageszeitung
(20%) und spezielle Veranstaltungen (17%). Zur Frage 4, ob der geplante Standort Gorleben für
Endlagerung und Wiederaufbereitung geeignet sei, war die Hälfte der Befragten der Meinung, Gorleben
sei der richtige Standort. Ein Drittel hielt ihn für ungeeignet. Die letzte Frage bezog sich auf
die Akzeptanz von Entscheidungen für die Standortbenennung. 70% signalisierten, eine derartige
Entscheidung hinzunehmen, 30% erklärten sich für die Ablehnung und 13% würden aktiv dagegen
protestieren. Bezogen auf den Befragtenkreis im Landkreis Lüchow-Dannenberg waren 38% für
die Ablehnung und 16% für aktiven Protest. Von letzterer Gruppe bekannten sich 5% für Proteste
ohne Gewaltanwendung und 4% zur aktiven Teilnahme in Bürgerinitiativen. 6
Am 1. Dezember 1977 reiste der Niedersächsische Ministerpräsident Dr. Ernst Albrecht nach
Gartow, um sich vor Ort in Gorleben, Gartow und Schnackenburg zu den wirtschaftlichen und
grenzpolitischen Verhältnissen zu informieren. Auch die Gorleben-Gegner wurden aktiv und errichteten
auf dem vorgesehenen, noch unbebauten Beriebsgelände einen Kinderspielplatz und die
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg organisierte Informationsveranstaltungen und
beobachteten die gesamten Entwicklungen sehr genau. Deren Akzeptanz litt bei der Bevölkerung
insofern, als Proteste gegen Atomkraftwerke in Brokdorf und Grohnde nicht gewaltfrei waren und
die Medien bundesweit hierüber berichteten.
Immerhin unterstützte die Bundesregierung die Bildung und Existenz von Bürgerinitiativen allgemein,
sowie eine Beteiligung von Naturschutzverbänden bei relevanten Projekten sowie die Möglichkeit
einer Einflussnahme solcher Verbände mittels Klageweg. Im Bereich Gorleben begannen
alsbald Verhandlungen zum Ankauf von Waldflächen für das künftige Betriebsgelände, es bildete
sich ein Grundbesitzerverein, der eine bessere Verhandlungsbasis gegenüber der Energiewirt-
531
Lageplan des Bergwerksgeländes Gorleben
schaft bot. Teile der Bevölkerung befürchteten sogar die Vornahme von Aussiedlungen im unmittelbaren
Umkreis des Standortes. Die Energiewirtschaft eröffnete der Bevölkerung Arbeitsmöglichkeiten:
„….daß die DWK beabsichtige, zu einem frühen Zeitpunkt Ausbildungsmöglichkeiten zu
schaffen, um möglichst viele junge Mitbürger aus dem hiesigen Raume in der Gorlebener Anlage
beschäftigen zu können. Neben den Berufssparten Chemie, Werkzeugbau und Schlosserei sowie
Feuerwehr werden weitere Berufsbilder erforderlich sein ….“ 7
1978 begann die Überprüfung von 160 Salzstöcken in der Bundesrepublik Deutschland – auch
in Gorleben:
„Experten beginnen mit der Überprüfung des Gorleben-Konzeptes. Die wichtigste Voraussetzung
für den Bau der geplanten Atommülldeponie ist noch völlig offen. In dem vorhandenen Salzstock
muss eine mächtige Steinsalzformation gesucht werden, die unbedingt erforderlich ist, um darin
die hochradioaktiven Abfallstoffe aus der vorgesehenen Wiederaufbereitungsanlage endgültig
und sicher lagern zu können. Professor Venzlaff von der Bundesanstalt für Geowissenschaften
und Rohstoffe in Hannover stellte vor mehr als 2 000 Wissenschaftlern und Technikern auf der
im letzten Monat in Hannover stattgefundenen Reaktortagung eindeutig klar, dass es heute noch
in keinem Land der Welt eine Methode gibt, nach der von der Erdoberfläche aus genau überprüft
werden kann, welche Formationen in dem Gorlebener Steinsalzdom tatsächlich enthalten sind.
Letztlich würde wohl ein bergmännischer Aufschluß Licht in die Untergrundverhältnisse bringen.
Bereits in den nächsten drei Monaten werden an zahlreichen
532
Messstellen im Landkreis Wasserproben und biologische Proben in 14-tägigem Rhythmus für
wasserchemische und biologische Untersuchungen entnommen. Für die ökologische Begutachtung
sollen vorerst mindestens die Vegetationsperioden 1978/79 intensiv ausgewertet werden.
Seitens der Technischen Überwachungsvereine sind bis zu 100 Sachverständige zusammen mit
Experten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit an der sicherheitstechnischen Konzeptprüfung
beteiligt. Mit der Prüfung der Brand- und Explosionsschutzmaßnahmen ist der Germanische Lloyd
beauftragt. Der Deutsche Wetterdienst soll ein meteorologisches Gutachten erstellen. Später folgt
ein mehrjähriges Messprogramm am Standort oder in der Nähe…“ 8
Immer wieder wurden die Probebohrungen bis in 2 000 m Tiefe, um die Salzstock-Eignung zu beurteilen,
verzögert. Die damit beauftragte Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig
stieß auf politischen Widerstand aber auch auf persönlichen bei den Grundeigentümern,
allen voran bei Graf v. Bernstorff.
Niedersachsen wurde von der Bundesregierung unter Druck gesetzt, energiepolitische künftige
Entwicklungen waren wegen der Zeitverzögerungen in Gorleben blockiert. Die DWK unterhielt in
Lüchow ein Vorort-Büro und verlagerte sich 1978 nach Gorleben, wo ein Informationszentrum für
die Öffentlichkeit entstand. Bei der Kreisverwaltung in Lüchow bildete sich eine Kommission für
die Bearbeitung der Informationen über den beabsichtigten Bau des Entsorgungszentrums Gorleben,
der u.a. Samtgemeindedirektor Borchardt, Samtgemeinde-Bürgermeister Rathje und die
Ratsherren Flöter und Legner angehörten. 9
Wegen der Einmaligkeit und der baulichen Dimensionen richtete die Deutsche Gesellschaft für
Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen in Gorleben ein öffentlich zugängliches Informationszentrum
ein. Am 16. Juli 1980 wurde in Gorleben der Gewerbebetrieb „Brennelementlager Gorleben
GmbH “ gegründet, der der Gemeinde Gorleben hohe Gewerbesteuereinnahmen beschert.
Nach dem 2013 verabschiedeten „Gesetz zur Endlagerstandortsuche“ soll es keine weiteren Castor-Transporte
mehr nach Gorleben geben.
Quellen und Literatur
1. DBE: Informationsschrift Gorleben. Erkundung eines Salzstocks – 1991
2. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: „Endlagerung hochradioaktiver Abfälle
in Deutschland – Das Endlagerprojekt Gorleben.“, Berlin, Okt. 2008, S. 26
3. /
4. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.1.2009; wie vor, S. 32
5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.11.2008
6. Gartower Höhbeck-Rundschau Oktober 1977
7. Gartower Höhbeck-Rundschau Dezember 1977
8. Gartower Höhbeck-Rundschau Mai 1978
9. Gartower Höhbeck-Rundschau Februar 1978
533
Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof
Auf dem heute so benannten Lernort „Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof“ befindet
sich eine Vielzahl verschiedener Erinnerungsstätten. Im 19. Jahrhundert war hier der Friedhof des
Realverbandes Gartow. Im Eingangsbereich befindet sich ein Gedenkstein für die Gefallenen des
1. Weltkrieges. Bereits 1944 wurde die Anlage, mit einem Holzkreuz als „Heldenfriedhof“ eingeweiht,
ohne jedoch belegt zu werden. Am 09. Oktober 1949 wurde die Anlage nach ihrer neuen
Gestaltung durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als „Ehrenhain Gartow“ erneut
eingeweiht. Die hier ruhendenden 53 Gefallenen stammen aus den Kämpfen im April 1945 um
die Elbe zwischen Damnatz und Schnackenburg. Im Umfeld des Holzkreuzes stehen drei Gedenksteine,
die an Gartower Einwohner erinnern, die aufgrund der Kriegshandlungen 1939 – 1945
gefallen, verstorben oder vermisst sind. Im Eingangsbereich der Gedenkstätte findet sich ein Gedenkstein,
der den Toten im Osten gewidmet ist.
Alter Friedhof
Der Gartower Friedhof in der Buchhorst wurde 1814 eingeweiht und ist 1878 geschlossen worden.
Er wurde angelegt, weil die Fläche vor Hochwasser geschützt war. Auch war die abseits des
Ortszentrums gewählte Lage prädestiniert, um Seuchengefahren vorzubeugen. Nach 1878 erfolgten
die Beisetzungen auf dem heutigen kirchlichen Friedhof an der Hahnenberger Straße. Der
größte Teil des alten Friedhofes ist wieder durch die Natur eingenommen worden; lediglich eine
alte Schwengelpumpe und im Gelände verstreute Grabsteinfundamente erinnern an die Anlage.
Kriegerdenkmal des 1. Weltkrieges
Am Nachmittag des 1. Pfingsttages 1923 wurde das Denkmal vom damaligen Superintendenten
Umland unter großer Beteiligung der Bevölkerung eingeweiht. Der ursprüngliche Standort war
zwischen der Gartower Sankt-Georg-Kirche und dem Pfarrhaus. Am 28. April 2003 wurde der
Gedenkstein an den heutigen Standort umgesetzt. Im Fundament des Gedenksteines wurde folgender
Schriftsatz gefunden:
„Dieses Denkmal für die im Weltkriege 1914 – 1918 gefallenen Helden von Gartow-Flecken und
Gartow-Gut ist errichtet worden im Jahres des Heil 1922. Es war eine überaus traurige Zeit. Ein
amerikanischer Dollar kostete 2400 M. Für einen Zentner Roggen zahlte man 3500 M. und für
einen Zentner Weizen gar 4000 M.
Die Kommission zur Errichtung des Denkmals setzte sich wie folgt zusammen
aus 2 Vertretern von Gartow-Flecken:
01. Ratsmann Albert Schramm
02. Bürgerausschussmitglied Zimmermeister Wilhelm Werth
aus 2 Vertretern des Kirchenvorstandes:
01. Superintendent Umland-Gartow
02. Kirchenvorsteher Graf Gottlieb von Bernstorff-Quarnstedt
und unserem Vertreter des Kriegervereins Gartow Telegraphenleitungsaufseher Husmann Gartow.
Die Gedenktafel hat Paul Hollnagel aus Gartow geliefert.
Die Ausschachtungsarbeiten für das Fundament haben Ratsmann Schramm und Maurer Wiech
aus Gartow eigenhändig ausgeführt und das Fundament angelegt von der Stelle, wo seit Menschengedenken
das Spritzenhaus stand. Der Denkmalsstein ist ein einzigartiger Findling aus der
Vietzer Feldmark.
Zimmermeister Werth aus Gartow hat 8 Pferde für den Transport zur Verfügung gestellt.
534
Möge das Denkmal von Jahrhundert bis Jahrhundert genügen von deutschen Händen bis in
den Tod.
Möge es bald bessere Zeiten für uns und unserem deutschen Volk herauskommen sehen.
Gartow, den 28. August 1922
Umland, Superintendent“ 1/2
Heldenfriedhof Gartow-Ehrenhain
Am 9. November 1944 wurde die Gedenkstätte durch den Gartower Apotheker Hermann Thiele als
„Heldenfriedhof“ eingeweiht. Eine Belegung fand noch nicht statt. Im gleichen Jahr wurde vermutlich
das 2014 zerstörte Holzkreuz aufgestellt. Auf der Rückseite des Eichenkreuzes ist folgender
Schriftzug eingeschnitzt worden:
„Euer Opfergang heißt Ehr‘ und Ruhm, unser Opferdank ein Heiligtum“.
Das Holzkreuz wurde von Adolf Schlawing aus Vietze entworfen.
2012: Umbettung von 13 Kriegstoten
Bereits 1977 hatte die Kirchengemeinde Gartow beantragt, die Kriegsgräber, welche sich auf dem
kirchlichen Friedhof an der Hahnenberger Straße in Gartow befanden, auf den Ehrenhain Gartow
umzubetten. Aus rechtlichen Gründen wurde einer damaligen Umbettung nicht entsprochen.
2011 hatte die Kirchengemeinde Restorf als zuständige Friedhofsträgerin beantragt, das Kriegsgrab
aus dem 1. Weltkrieg innerhalb des Brünkendorfer Friedhofes umzubetten. Dieses Ansinnen
des Kirchenvorstandes hatte einen Ortstermin mit einem Verwaltungsvertreter der Samtgemeinde
Gartow, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie dem Niedersächsischen Innenministeriums
zur Folge. Im Rahmen der Ortsbesichtigung sind sämtliche Kriegsgräber in der Samtgemeinde
Gartow aufgesucht worden, wobei sich herausstellte, dass die Gorlebener Kriegsgräber
in den 1980er Jahren abgeräumt worden sind und nicht mehr existieren.
Durch die für die damalige Zeit bewusst gewählte abseitsgelegene Grablage der Kriegsgräber
innerhalb der Friedhöfe war es oftmals schwierig, dass Interessierte und Angehörige die Gräber
überhaupt auffinden konnten.
Auf Vorschlag der Samtgemeinde Gartow und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge
wurde daraufhin beim Niedersächsischen Innenministerium eine Umbettung sämtlicher Kriegsgräber
im Samtgemeindegebiet in die Kriegsgräberanlage Gartow beantragt. Durch eine Änderung
im Gräbergesetz war es vom Gesetzgeber nun zugelassen, solche Zusammenlegungen vorzunehmen.
Vom Brünkendorfer Friedhof ist ein Kriegstoter aus dem 1. Weltkrieg, von den Friedhöfen Gartow,
Lanze und Nienwalde sind je zwei Kriegstote und vom Meetschower Friedhof sechs Kriegstote aus
dem 2. Weltkrieg umgebettet worden.
Die Umbettung löste eine sehr große öffentliche Debatte aus, ob Kriegstote einfach umgebettet
werden dürften und ob Deutsche und Ausländer nebeneinander auf der gleichen Grabanlage ruhen
sollten. Ein besonderes Problem wurde darin gesehen, dass die Beisetzungen unter einem
Holzkreuz mit einem Spruch aus Nationalsozialistischer Zeit vorgenommen worden sind. Es gab
unterschiedliche Meinungen zu Opfern und Tätern und ob diese nebeneinander liegen dürften.
Die Frage, wer von den Kriegstoten Opfer oder Täter sind, konnte bis heute nicht abschließend
geklärt werden.
Im November 2013 hat der Gemeinderat Gartow eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die eine
Aufarbeitung der Umbettungen zur Aufgabe hat. Diese Arbeitsgruppe setzte sich aus vielen Personen
zusammen, wie beispielsweise Politiker, interessierte Bürger, Kirchenvertreter sowie Vertreter
535
des Realverbandes Gartow, der Schützengilde Gartow, der Freiwilligen Feuerwehr Gartow, einer
Abordnung der Bundeswehr und der Anti-Milli-Wendland. Die Arbeitsgruppe hat mehrmals getagt
und dem Gemeinderat Vorschläge unterbreitet, die zum größten Teil angenommen und auch umgesetzt
worden sind.
Umbenennung vom Ehrenhain zur Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof
Eine Empfehlung der Arbeitsgruppe zielte auf die Umbenennung der Kriegsgräberanlage vom „Ehrenhain“
zur „Kriegsgräber- und Gedenkstätte Alter Friedhof“ hin. Damit sollte deutlich werden,
dass dieser Ort als Lernort mit einer Vielzahl von verschiedenen Erinnerungsstätten verstanden
wird. Die Gemeindestraße „Am Ehrenhain“ ist in „Am alten Friedhof“ umbenannt worden.
Aufstellung eines neuen Holzkreuzes
Am Morgen des 21. April 2014 wurde festgestellt, dass unbekannte Täter das Holzkreuz abgesägt
und die Inschrift auf der Rückseite mit einer Motorsäge zerstört hatten. Das Polizeikommissariat
Lüchow nahm Ermittlungen auf. Weil sich kein Täter zu erkennen gegeben hatte und auch nicht
ermittelt werden konnte, wurde das Ermittlungsverfahren am 17. Juni 2014 durch die Staatsanwaltschaft
Lüneburg eingestellt.
Die eingesetzte Arbeitsgruppe hatte noch keine Empfehlung für den Umgang mit dem alten Holzkreuz
und dem Spruch auf der Rückseite abgegeben. Mit der Zerstörung wurden die Arbeit des
Diskussionsprozesses herabgewürdigt und neue Fakten geschaffen. Der Gemeinderat beschloss
daraufhin, ein neues Kreuz aus Eichenholz in gleicher Größe, aber ohne Symbole und Beschriftung,
anfertigen zu lassen. Das neue Holzkreuz ist in der Woche vor dem Volkstrauertag 2014
aufgestellt und eingesegnet worden. Das zerstörte Holzkreuz wurde dem Museum Wustrow als
Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.
Literatur
1. /
2. Heimatbote für den Synodalbezirk Gartow, Mai 1923; Gartower Heimatbote, Nr. 45/1971
536
Alter Friedhof und Gedenkstätte
537
Personenregister
Nicht enthalten sind im Personenregister die häufig vorkommenden Namen v. Bernstorff, v. Bülow,
v. d. Gartow und v. Schulenburg; ebenso nicht die Namen der Gefallenen und Vermissten der beiden
Weltkriege (S. 314 - 315, 361 - 363 sowie
S. 176, 200, 269, 281, 282)
Abbass 120
Ackermann 388, 420, 483, 484
Adameck 385, 394
Adelsheim, v. 86
Ahke 406
Ahlefeld 242
Ahnholz 225, 224
Ahnsorge 76, 148, 149, 150, 206,
264, 270
Ahrends 223
Ahrendt 325
Ahrens 150, 175
Ahsen, v. 280
Albers 138, 290
Albin 366
Albrecht 117, 118, 137, 207, 280,
305, 472, 531
Alfeis 451
Alfermann 222
Alpermann 316, 386, 394, 395
Alvensleben, v. 198
Amsberg, v. 162
Appelt 305, 328, 352, 365, 368,
381, 386, 391, 392, 452
Arends 452
Aschoff 173
Asseburg, v. d. 68
Assemann 291
Audorf 284
Auhagen 142,161
Baade 272
Baark 276, 291, 294, 295, 306,
307, 358, 368, 395, 451
Bäcker 300
Bade 90, 91, 116, 117, 150, 207,
20, 254, 270, 273, 472
Badendorf, v. 67
Bader 346
Bahlcken 111
Bahlke 116, 150, 175, 386, 451
Bahlken 115
Bahlsen 511
Balck 98
Balken 286
Baltzer 451
Balzer 116
Banse 77
Barbe 451
Bardien 93, 137, 235, 263, 275, 288,
294, 305, 316
Barge 226, 270, 275, 323
Bark 207
Bark 451, 472
Barles 90, 111, 115, 130, 138, 205,
451
Barleß 265
Bars 125
Bartels 229
Basaer 110
Baßar 130, 205, 264
Bätche 114, 130, 242, 272
Bätge 128
Bäthke 328
Bätichen 162
Bauer 308, 387, 388, 452
Beck 139, 298
Becker 71, 385
Behls 311
Behncken 224
Behne 149, 242, 263
Behrend 190
Behrends 277
Behrens 182, 208, 220, 227, 275,
307, 316, 358, 359
Behrmann 265, 451
Beier 472
Beinhorn 294
Beißwenger 177
Belitz 117, 132, 148, 149, 230,
270, 273,
Bellach 413
538
Bellahn 173
Belleberg, v. 49
Bendfeld 117
Bendix 242
Benecke 127, 227, 285, 294, 307,
388
Beneke 198, 207, 328, 338
Bennecke 148, 149, 150, 272, 276,
280, 295, 376, 472
Bennigsen, Graf 258
Bente 270, 273
Bentinck 159
Berdien 207, 367
Berdin 322, 472
Berge, v. 72, 74
Bergmann 300
Berk 221
Berndissen 107
Bernstorf 265
Bethge 208, 225, 265, 294, 306,
307, 380, 386, 422, 451,
452
Bethke 230
Betke 270
Beußel 104, 117
Beussel 417
Beyer 156,208,209,275,305,310,
18,320,323,326,348,351,
52,357,358,360,366,367
Beyer 414
Bezjak 365
Bialecki 354
Bibra, v. 85
Biebricher 189
Biedermann 159
Bischof 149,150, 207, 208, 270,
273, 472
Bismarck, v. 68
Bittner 419
Blanke 109
Blankenburg 451
Blütling 12, 320
Böberle 366
Bobzien 149
Bode 152, 162
Bödecker 172
Bodelschwingh, v. 189, 368
Boehm 226
Bögelsack 419
Bohlmann 110, 117, 220
Bohnke 272
Bohrmann 265
Bojanowski 487
Bökamp 386, 387, 413, 440
Bolle 531
Bollmann 31, 115, 205, 208,
258, 264, 288
Bolsin 451
Bonhoff 150
Bonnck 149
Booth 137
Borchardt 177, 179, 180, 401
413,421,424,485,
89,496,497,502,
516,530
Borchers 210
Borchmann 40, 41, 125, 201,
202, 210
Borck 242
Bormann 87, 114, 123, 132,
149, 150, 270
Bornemann 130, 451
Bosse 306, 308, 386, 387
Bosselmann 177, 179, 180, 189
Böttger 210
Bötticher 93
Brand 367
Brandenburg 125, 126
Brandenstein, v. 93
Brandhorst 166, 167
Brandt 347
Bräunlich 117
Brecker 264
Breitenreiter 440
Bresemann 383
Brockhoefft 288
Brockhöfft 185, 451
Brockhöft 205, 264, 265, 266,
267
Bromann 110
Brown+Boveri 300
Brüggemann 137, 226, 291, 298
539
Bruhen 264
Bruhn 242, 267
Bruhns 205
Brüllo 210
Brun 451
Brüncke 107
Brunke 380
Brunnemann 101
Brunneß 279, 280
Bruns 90, 172, 231, 265, 451
Buchhorn 112
Buck 422, 434, 437, 452
Bühlau 265
Buhmann 217
Bülow 263, 264, 451, 503, 504
Buncke 145, 146
Bunken 201
Bunncke 149
Burchards 435
Burg 210
Burmeister 404
Buss 220
Buß 265
Bussche, v. d. 85
Buße 149, 239
Buwäse 148
Camradt 230
Carmienke 279
Carstens 109, 110, 125
Casola 128
Cherubim 96
Christiansen 165
Cleves 116, 255, 257
Cnövenagel 242
Cord 223
Cordes 270
Cords 205, 273, 451
Cordt 132, 149
Cordts 110
Cornibbes 242
Cottau 208
Culemann 231
Czecha 354
Dahrendorf 111
Damann-Hein 418
Dammann 264, 265, 266, 275
Danehl 130, 205
Dankert 150, 207, 208, 22ß, 221,
276, 279, 280, 294, 393,
452
Dankwerts 152
Dannehl 150, 206, 268, 270
Dannenberg 451
Dannenberg, v. 79
Davids 149
Decken, v. d. 97
Deetjen 28
Degencolbe 79
Degenhard 182
Dehnke 264
Dehns 218
Delius 221, 222, 294, 307, 309,
347, 367, 381, 452
Dessow 239
Dettmers 372
Devot 128
Dick 174
Diehle 208, 454, 455
Diehn 149
Diekmann 531
Dietrich 117
Dincklage, v. 85
Dingelstädt 168
Dingelstedt 91,149, 152, 270
Dipner 280
Dippner 138
Dittmer 90, 224, 366
Dohmann 174
Doormann 435
Doornkaat 311
Döpner 273
Dornblüth 141, 387
Dorsch 321
Dotschko 349, 361, 381, 392
Dräger 149, 224, 270
Dralle 89, 240
Drewing 311
Dreyer 12
Drimalski 507
Dröge 104, 137, 173, 208, 254,
355, 276, 288, 291, 472
Dronßborg 242
Drossel 452
Ducke 387, 396, 435, 437
540
Dücker 107
Dufour 257
Düker 128, 168, 311
Duncker 132
Dunker 263, 265
Ebeling 224, 270
Eckner 125
Eggert 116, 155, 263, 264, 357
Ehlers 220
Ehrhard 242
Einsiedel 450
Eisenbach, zu 85
Eisland 242
Ellies 112, 113, 114, 115, 130,
186, 187, 188, 204, 205,
211, 451
Elließ 265, 268
Ellissen 93, 182, 208
Engelhardt 229
Entler 365
Erffa, v. 72, 74
Ernst 306
Ernst+Heine 300
Eschrich 149
Esser 350
Estorff, v. 97, 226
Evers 110
Fabel 117
Fährmann 93, 117, 254
Feld 178
Feldmann 213
Felsberg 159
Fescken 107
Fetzer 365
Fey 365
Fichtel 420
Fien 162
Fintelmann 320
Fischer 144
Fischer 224
Flamant 382
Floment 174
Flöter 376, 507, 517, 533
Flügge 117, 218, 219
Focke 242
Fraesdorf 311, 319
Fraesdorff 141, 142, 182
Frahm 116, 127, 150, 207, 224,
225, 365, 375, 387
Frähmke 173
Framitz 141
Frank 420
Franke 178, 337
Franzke 384
Frede 436
Freudenthal 169
Freybe 158, 162
Freye 242
Freytag 145,153, 154, 155, 156,
157, 162, 208
Fricke 93
Friseke 464, 465
Fromhage 174
Froreich 256
Fuchs 346, 350
Fuhrmann 149
Fulda 161
Füllgraf 319
Gäde 148, 149, 181
Gädke 273
Gartauer 150, 273
Gartz 334
Garz 356
Gassel 116
Gattenhöfen, v. 68
Gausmann 148
Gauster 117, 319, 365, 439
Gebauer 180
Gehrckens 111
Gehrke 110, 116, 207, 317, 320
Geigenmüller 393
Geldmacher 183
Gentze 114, 115
Georgi 242
Gerber 118, 125, 127, 204, 207,
280, 451, 472
Gerberding 90, 130, 205, 265, 451
Gerbers 270
Gericke 96
Giegeler 76, 114, 115, 117, 130, 149,
150, 207, 267, 270, 278,
279, 280
541
Giese 118, 234, 242, 272, 273,
277, 288, 291, 348, 380,
472
Giesecke 317
Gieseking 302
Giesewell 132
Gigeler 451
Gigelow 264
Gille 254
Giopa 128
Glimann 451, 472
Glimmann 207
Göbbel 213
Göde 91
Gödecke 116, 242
Gödeke 217
Goeben, v. 311
Goedecke 280, 284, 285, 286
Goldacker, v. 69
Goldnau 227, 385, 389, 452
Gosky 79
Gössel 91, 150, 151, 152, 162, 210
Gothe 173
Gott 150
Götting 207
Gotts 109
Götz 110, 254
Götze 91
Grabow 273
Granello 128
Grantze 242
Grau 437
Grävemeyer 77
Grävenmeyer 267
Greßmann 280
Greten 90
Greve 91
Griebke 117
Griese 351
Grimms 79
Grönmöller 110
Großheim 211
Grote 77, 90, 96, 264, 465
Grothe 319
Grunwitz 376
Grüttert 239
Grützmacher 117
Guckes 420
Gudehus 90, 205
Guhl 89, 109, 110, 115, 150, 208,
265, 388, 452
Gührs 117, 131
Guss 403
Gutjahr 348
Haas 497, 498
Haberland 164, 174, 318, 327, 335,
339, 365, 393, 461
Hacke 242
Häcker 348
Hagedorn 464
Hagelstein 144
Hahlbohm 117, 148, 438
Hahn 104, 207, 213, 224, 237,
253, 255, 276, 277, 278,
294, 472
Hähn 235
Hahne 213, 346
Halbom 217
Haller 452
Hamann 118, 207, 229, 230, 272,
286, 451, 473
Hammer 207, 451
Hanelt 193
Hanne 89
Hannover 151
Hantelmann 144
Harbers 130
Harbord 93, 184, 207, 221, 253, 275,
288, 293
Harles 125, 130
Harms 335, 338, 359, 405, 406
Harneck 182
Harnisch 93, 110, 114, 451
Härtel 207
Hartje 258
Hartmann 426
Hartwig 149, 150, 270
Hase 159
Haß 273
Haße 110
Hasse 24,90,114,115,116,123132
136,149,150,205,270,
272,277,279,351
Haupt 132, 213
Haussmann 75
542
Haverland 218, 219
Hecht 305, 322, 386, 388, 389,
420, 464
Heidemann 189, 190
Heidthoff 264
Heimreich 154
Heine 255
Heins 132
Heise 234, 275, 317, 357, 376,
440, 452
Heisecke 438
Heitmann 531
Heller 183, 485
Hellmann 300
Helmkampf 286
Henning 175, 183, 275, 320, 323,
396, 464, 531
Hennings 115, 116, 125, 149, 190,
208, 224, 270, 272, 273,
279, 330, 335, 378, 379,
380
Hennings 381, 393, 394, 395, 396,
417, 424, 433,435
Herbst 123, 137, 182, 183, 235,
291, 294, 308, 310, 316,
317,318, 319, 320, 320,
321, 322
Herbst 323, 324, 325, 328, 345,
346, 361, 367, 368, 386,
387, 392, 404, 405, 414,
433,444
Herbst 450, 452, 457, 458, 459,
460, 461, 464, 465
Hermann 174, 332, 336, 337, 382
Hertel 208
Herzog 234
Hess 390
Heße 239
Hesse 96
Hetzner 109, 110, 111
Heuser 264
Heyde, v. d. 79
Heye 24
Hieronymi 96
Hild 179
Hildebrandt 89, 102, 110, 112, 114, 115,
116, 118, 130,132, 149,
150, 156, 204, 205, 206,
207, 208, 209, 210, 221,
265, 267, 268, 270, 271,
272, 273, 275, 280, 285,
311, 382, 422, 452, 453,
464,472,497
Hilgenfeld 130, 149, 150, 205, 267,
268, 270, 271, 272, 273, 275
Hingst 531
Hinrichs 173, 226, 388, 420, 434,
452
Hirsch 116
Hodenberg, v. 75
Hoebel 231
Höfer 91, 266
Hoffmann 162, 178, 322, 333
Höger 273
Hohenstein 472
Hohentopf 90, 264, 451
Hohnhorst, v. 85
Hohnstein, v. 74
Hohse 125, 128, 131, 224
Hohstock 112
Hoins 174, 178
Hollnagel 338, 452
Holste 153
Höltke 166
Hölty 96, 132, 135, 145, 152, 153,
154, 162, 169, 184, 255
Homann 278, 472
Honig 93, 207, 373, 279, 280, 306,
451, 472, 473
Hönings 265
Hoop 118, 207
Höper 178, 325, 381
Höpert 383
Höpfner 380
Hoppe 258, 316, 390, 452
Höppner 110
Horn 159
Hörnig 317
Hörsten, v. 178
Horstmann 294, 307, 309, 368, 376,
386, 390, 391, 422, 440
Hose 451
Hosp 351, 366
543
Hoyer 149, 150, 270, 272
Hugo, v. 291
Hünecke 384, 435
Hundt 173, 174
Hunger 531
Hunnäus 232
Huss 305
Hussmann 318
Igel 277
Imming 406
Imohr 173
Jaat 280
Jacobi 158, 247
Jacobsen 130, 138
Jäger 91, 210
Jagow, v. 26, 67, 68, 77, 131, 148,
242, 309
Jahncke 128
Jahnecke 150, 451
Jahnke 205, 393
Jahnken 149
Jancke 111
Janecke 128, 149
Janeke 110
Janssen 406
Japp 137
Järnecke 306, 316, 366, 368, 387,
391, 419, 452, 464
Järnke 116
Jathe 111
Jauningke 265
Jeleniewski 438
Jezek 335
Jirjahlke 132
Jochmann 347, 367
Johnke 226
Johns 307
Johns 330, 336, 338
Johns 357
Johns-Sander 311
Jördens 127
Jüers 206
Junack 123, 175, 178, 307, 317,
321, 366, 367, 368, 375,
384, 393, 394, 395, 396,
397, 404, 426, 438, 452,
458, 485, 531
Jünemann 207
Junker 387
Jürgens 382, 401, 417
Kachel 239, 242
Kählcke 242
Kahle 149, 150
Kahlebom 151
Kaiser 208, 286, 451
Kakerbeck 258, 461
Kammann 235
Kämpfer 183
Kannenberg 90, 91, 111, 114, 115, 223,
451
Kaufmann 130
Kaulitz 115, 130, 205, 206, 265,
270
Kauwatz 117
Kayser 116, 149
Kefernburg, v. 198
Keller 329, 334
Kelm 396
Kessel 191, 192, 193
Ketz 183, 316, 320
Keyßler 84
Kiszkiel 179, 181
Klaffenbach 242
Klamka 383
Kleffler 264, 275
Kleine 298
Kleinhammer 333
Klemm 452
Klemz 381
Klitzing 64, 145
Klöpper 128
Kloppmann 517
Klug 118, 149
Klute 141
Knabenschuh 185
Kniep 150, 270
Koch 177, 188, 278
Koenemann 520
Köhler 229, 317
544
Köhn 305, 306, 311, 330, 334,
338, 352, 359, 382, 383,
404, 434
Köhne 258
Köhnke 290, 291, 383, 472
Kohrs 173
Kolbe 107
Könecke 123, 329, 452
Köneke 182
König 132, 174, 175, 379, 380,
385, 464
Könke 137, 155, 156, 160, 207,
208, 235, 275, 276, 294,
451
Könnecke 376
Könning 123
Koppe 150
Köppe 207, 451
Köppen 90
Köpper 205
Körner 127
Körnick 278, 307
Korte 173, 376, 377, 387, 394, 452
Koscheike 452
Köster 183, 207, 232, 238, 275,
277, 276, 278, 279, 280,
451, 452
Köttelhörn 452
Kowalewski 383
Kraak 117
Kraasmann 190, 316, 336, 368, 395,
433, 459, 460
Krabusch 185
Kraft 279
Kränau 273
Krauel 90
Krause 422
Kretzschmer-Nowakowski 183
Kreutz 257
Krieger 485
Kröger 451
Krome 329
Kronenberg 311
Kröplien 149, 150
Kropp 225, 365, 391, 392
Krug 145, 155, 168, 169, 171,
172, 173, 207, 208, 213,
254, 279, 286, 305, 311,
414, 443, 472
Krüger 118, 130, 132, 137, 142,
180, 205, 207, 208, 213,
235, 279, 294, 300, 305,
311, 320,
Krüger 329, 330, 332, 333, 334,
339, 348, 365, 376, 378,
452, 472
Krukenberg 224
Kruppa 334, 354, 356
Kruse 79, 90 ,92, 94, 117, 142,
144, 149, 150, 162, 174,
188, 207, 210, 211, 213,
260, 266, 270
Kruß 273
Kubel 89, 93, 109, 110, 112, 114,
130, 153, 205, 207, 264,
472
Kubiak 301
Küchler 242
Kuckuck 473
Kühn 142
Kulke 436, 443
Künhold 237
Kunzog 420
Kurz 319
Küster 207
Laenge 183
Lämmerhard 117
Lämmerhardt 308
Lämmers 149
Lamprecht 258
Lang 180
Lange 115,146, 150, 168, 186
Langemann 184
Langen 96
Langenhan 452
Langer 419
Langhans 268
Lantz 207
Lanz 472
Lauw 184
Lauxmann 306, 451
Legner 502, 517, 531, 533
Lehnert 149
545
Lehmann 79, 94, 144, 151, 162, 346,
388, 394
Lehn 451
Lehna 284
Lehncken 150
Lehnert 154
Leib 207
Leibholz 388, 452
Leip 110, 111, 117, 118, 271,
276, 278, 279
Lemke 149
Lemmermann 141
Lenz 236
Leopold 300
Lerch 235
Lerche 104
Lichtenberg 118, 207, 208, 280, 472
Lichtenstein 492, 531
Lieberg 346
Liebermann 509
Liebi 208
Lietzmann 25
Limmarois 256
Lindemeyer 347
Lindhus 149, 150, 206, 270, 273
Lindner 152, 162, 293, 419
Linkeke 173
Lippold 109
Loeck 89, 205, 451
Loesch, v. 367
Lowtzow 213
Lowtzow, v. 84, 242, 246
Lübbert 372, 402
Lucas 223
Lücke 148
Lüders 132, 178, 208, 220, 357,
366, 375
Lüderwald 107
Ludewig 217, 277
Ludowig 96
Ludwig 302
Lühr 173, 174
Lührs 318
Lüthmann 451
Lütkring 264, 266
Lützendorf, v. 69
Maack 116, 207
Maak 149
Maaß 116, 207, 284
Maatsch 123
Mac Phaill 215
Mackeprang 96
Mahlke 162
Mahnke 164, 337
Mai 220, 319, 386
Maihack 406, 420
Maneke 149, 150
Mankel 365
Mansfeld 311
Marcard 142
Marckmann 130
Markmann 64
Marpurg 109
Märtens 109, 117
Martens 242, 420
Martin 117
Marwede 128, 130, 145, 146, 152,
167, 168
Masche 263, 264
Maschmann 208
Maslo 366
Matzek 190
Mauchel 115, 130, 188, 205, 206,
264
Maury 193, 275, 498
Mausolf 440
Mechow 132, 162
Mecklenburg 115
Meding, v. 97, 102
Meier 117, 265, 266, 268, 272,
273, 293, 301, 306
Meimann 272, 273
Meine 275
Meinecke 110, 150
Meineke 279
Meinert 280
Meinke 137, 291
Meins 309
Melbeck 64
Mencke 420
Mengeler 118
Mengeles 208
Menke 174
Mett 383
Mewes 452
546
Meyer 93, 96, 110, 111, 112, 115,
125, 128, 130, 148, 149,
150, 157, 158, 162, 177,
207, 208
Meyer 210, 217, 220, 225, 231,
260, 264, 270, 271, 272,
273, 275, 294, 310, 316,
377, 382
Meyer 451, 472
Meyerhoff 172
Meyke 142
Michaeli 207
Michaelis 149, 150, 207
Michels 110
Michelsen 110
Mickwitz, v. 367
Mielke 366, 442
Miethling 214, 223, 224 280, 284,
288, 295, 317
Milau 464
Minte 149, 150, 265, 266, 270
Minten 205
Mirbach, v. 120, 275
Missuhn 234
Miszalwski 181
Mohrhord 239
Mohwinkel 173
Möllendorf 130, 138
Möller 79, 205, 224, 264, 268,
Montag 118
Mortier 246
Muchau 148
Mücke 380, 383
Müller 183, 235, 239, 258, 375,
452, 516
Müller-Heidelberg 485
Müller-Meernach 506
Mummelthey 118, 531
Münchmeyer 104, 182
Mund 239, 311
Münster, Graf 85
Müntefering 460
Münter 79, 107
Müter 464
Nabenhauer 346
Nagel 273, 286, 451
Narten 226
Necker 385
Nehle 111
Neubauer 173
Neukranz 308
Neumann 235
Neumeister 323
Neuschulz 183, 305, 380, 464
Neyse 127
Niebur 223
Niemann 31, 130, 149, 150, 183,
320, 377
Niemser 185
Nieß 278
Nilzemann 74
Nimser 385
Nitschke 311
Nitze 72
Norck 150
Nork 127, 149
Nörtelmann 321
Nowack 501
Ode 356
Odewahn 91
Oelting 503, 504
Ohland 174
Ohm 210
Ohnesorge 305, 307
Ohnsorge 112, 114, 115, 139, 205,
242, 272
Olschewski 422
Ölschläger 395
Oppen, v. 28, 86, 175, 190, 366, 395,
409, 420, 465, 501
Oppermann 96, 300
Örtel 239
Ostermann 148
Osterwald 372
Ott 384
Otto 378, 384
Oyen 93
Paalzow 183
Paasche 177, 483
Paaschen 111
Pabst 307
Paetz 464
Pagel 132
Pann 125
Panning 26
547
Pape 387
Paschke 178
Patora 334
Patsch 452
Paxmann 183
Peerts 150
Pelz 438
Peters 117, 242
Petzold 452
Pevestorf 110, 140, 208, 254, 285,
436
Pewestorf 110, 150, 264, 331
Pewestorff 270, 273
Pfeifer 420, 452
Pfeiffer 378, 390, 434
Pflaumbaum 42, 221
Pflug 148
Pflughöfft 150
Pfuhl 201
Philippi 117, 387
Pieper 223
Pils 227
Pinkes 174, 387
Pinneberg 280
Piper 451
Plato, v. 165, 222
Pleße 112
Plötner 426
Poeck 445
Pöge 300
Pöhler 109
Pömers 242
Porath 116
Pouloux 149
Prange 149, 150
Prell 504
Preusing 93
Preussner 515
Prigwitz 277
Pritzlaff 367
Pudelko 2, 37, 178, 440
Quis 190,426
Quis 502, 531
Quitzow, v. 242
Radchen 451
Radcke 128
Radcken 260, 265
Raddatz 385, 396, 397, 452
Rademacher 102, 109, 118, 205
Radken 451
Rallen 56, 261
Ramdohr, v. 255
Ranke 426
Rath 372
Rathgen 79
Rathje 531
Rathke 263, 264
Rauterberg 318, 321
Redlich 79, 90
Rehmert 141
Rehwinkel 177
Reichenberg 255
Reimers 242
Reinach 270
Reinack 148
Reincke 90
Reincken 125
Reinecke 150, 258, 365, 382, 396,
413, 417, 451, 515
Reinhard 117
Reinhardt 434, 435, 452, 464
Reinke 205, 264
Reinking 116
Reinsch 498, 501
Reitz 226
Reitzenstein, v. 249
Renner 380
Rennwanz 301
Reske 358
Reymer+Masch 236
Richelt 452
Richter 178, 239
Ricke 72, 73, 240
Riechert 110, 132, 149, 150, 207,
208, 280, 472
Riecherts 270, 272, 273
Riefe 116
Riege 31, 118, 207, 472
Rieke 264
Riekhof 117
Riesche 217
Rimacks 206
Rincks 206
548
Röber 273
Robohm 465
Rode 162, 208, 270
Rogge 32
Rohde 301
Röhl 149, 150, 273, 294, 451
Röhls 270
Rohr 149, 213, 264, 451
Röhr 174
Rohrs 150
Röhrs 112, 150, 267, 270, 310,
311
Rollwagen 89
Rönnberg 264, 270
Rönneberg 112, 451
Rönneburg 150
Roosch 117, 172
Roost 116, 117, 149, 306
Rose, la 184, 185, 310
Rosenberg 396
Rosenbohm 149
Rosenthal 110
Roslawski 350
Rückert 279
Rudat 376
Rudolph 91
Rümkorf 452
Rump 146
Rumpold 141
Ruppenthal 349, 350
Ryckiewicz 179, 180
Sabel 396, 485
Sachse 202
Sack 64
Sackheim 382
Sacks 273
Salge 132, 223, 273
Sandecke 132
Sander 162, 180, 419
Sandke 123
Sannecke 111, 148
Sarnighausen 96, 102, 104, 226
Sasse 90
Saßen 131
Sauer 273
Sauerbrey 149
Saugier 177
Saur 149
Schaal 118, 183, 220, 279, 291,
306, 319, 348, 451
Schacht, v. 68
Schack 217
Schäfer 112, 387
Scharnhorst 305
Schauer 451
Scheel 316, 335
Scheer 345, 357, 369
Scheffler 336
Schelling, v. 105
Schenk 132, 392, 531
Schepmann 404
Schering 182
Schill 253
Schlawing 338, 382
Schleese 316, 331
Schlieben, v. 50
Schlüsselburg 207
Schlüter 148, 149, 150, 270, 311,
381
Schmidt 12, 150, 175, 182, 207,
255, 275, 280, 287, 329,
381, 387, 388, 395, 396,
442, 461, 464, 472, 473
Schmidt-Köthke 165, 166
Schmidt-Maury 275, 420, 496, 531
Schmieder 275
Schmitz 415
Schnath 36
Scheeweiß 38
Schneider 348, 352, 372, 385, 513
Schneising 300
Schöling 239
Scholz 183
Schönberg 90, 93, 121,150206, 207,
208, 270, 272, 273, 288,
451, 470, 471
Schrader 116, 126, 220, 276, 311,
336, 419
Schramm 306, 319, 349, 354, 464
Schramp 451
Schrampe 217
Schröder 145, 149, 165, 182, 217,
549
226, 239, 241, 242, 260,
264, 265, 358, 359, 360,
361,
Schröder 387,445,451,498,
Schrödter 266, 275, 292, 293
Schröter 121, 122
Schubart 345, 352
Schubert 210, 366, 368
Schulenburg 254, 306, 319, 375, 379,
387, 392
Schulte 93, 131, 451, 507
Schulte, v. 104
Schultz, v. 149
Schulz(e),
Schultz(e) 105, 107, 109, 110,
112, 115, 116, 117,
131, 132, 148, 149,
150, 153, 157, 158,
169, 173, 174, 178,
185, 206, 207, 208,
213, 217, 223, 230, 248,
254, 255, 258, 263, 264,
268, 270, 271, 272, 273,
275,276, 279, 286, 287,
294, 305, 306, 307, 311,
316, 328, 329, 331, 333,
365, 372, 381, 387, 392,
404, 417, 451, 452, 464,
472, 516, 517
Schumacher 173
Schüßler 386
Schütte 110, 150, 387
Schütz, v. 83, 128
Schütze 507, 508
Schwabe 182
Schwarz 452
Schweinhagen 173
Schweizer 358
Schwerdtfeger 12, 139, 324, 329, 330, 332,
333, 334, 337, 339, 340,
350
Schwetasch 419
Schwietering 161
Schwohn 242
Sebisch, v. 255
Seebold 161
Seeger 307, 312
Seevers 138, 160, 161, 162, 306,
311
Seggel 96, 254
Seibt 316, 318
Seifert 210
Severin 183
Shirkhani 183
Sickel 367
Siedenberg 173
Sielaff 193
Siems 268
Sinold, v. 83, 128
Slastan 354
Smit 440
Sonnenberg 380, 385, 404
Sörger 150, 272, 273
Sörgers 270, 272
Spanuth 210
Spiel 96, 226
Spohn 118, 139, 149, 150, 206,
207, 270, 272, 273, 284,
308, 317, 318, 472
Sprockhoff 179, 180, 181
Stagen 93
Stahlberg 227, 258, 380, 383, 387,
452
Stähr 264
Stanhope 83
Steding 118, 211
Steffen 93
Steffens-Koll 185
Stegewald 365
Steiling 117, 130, 165, 177, 208,
272
Steinberg, v. 84
Steinborn 435
Steinmacher 151
Stelte 413
Sterling 116
Stockmann 206
Stodte 485
Stödter 117
Stölting 132, 276, 279
Störmer 136, 161
Stoy 159
Strahmann 352, 382, 385
Strauß 79
Streithoff 319
Streitz 387, 422
550
Strey 383
Stroehrmann 452
Strohkirchen 213
Stüben 390, 420, 464, 509
Stupperich 39, 40-42, 49
Stürben 266
Sturm 12, 277
Suhr 149, 265, 270, 306, 357,
383, 440
Susemihl 382
Sydow, v. 381, 464
Szegedi 165, 531
Taruttis 367
Taube 159, 160, 161, 162
Teege 223, 224, 280, 307, 405
Tege 131, 150, 190, 308, 337,
386, 387
Templin 30, 452
Thiede 116, 177, 377
Thiel 286
Thiele 90, 140, 169, 184, 310,
337, 338, 367, 376, 504
Thier 275, 357, 365, 366, 452
Thies 451
Thilo 105
Thilow 155
Thölke 173, 174, 305, 318
Thoms 277, 278, 280
Thorey 319, 325, 387
Thornow 183
Thrams 109
Tiemann 316, 395
Tiessel 365
Tietz 254
Timm 280, 310
Timme 420
Tino 126
Tippelskirch, v. 183
Tischer 284, 285
Tode 207
Tödter 264
Tolstoy, v. 247
Törber 308, 312, 390, 420
Torbiers 149
Tornow 316, 335
Törper 132
Trahms 217
Tramms 404
Treuenfels, v. 249
Tribiahn 301
Trommel 172
Trumpf 264
Tschammer 249
Tyleke 64
Tyrbach, v. 55
Uetzmann 452
Uhlenbrock 148
Ulrich 12
Umland 139, 140, 141, 142, 151,
158, 161, 162, 163, 175
Umland 322
Unbehaun 207
Unverfährt 242
Urban 366
Ützmann 420
Vicke 91
Vieregge 173
Voelkel 510
Voigts 229
Vollenschar 115
Voß 117, 204, 205, 206, 346
Voss 192, 193
Waak 405
Wabik 180
Waege 279
Wäge 276
Wagener 193, 276, 279
Walbaum 157, 159, 160
Waldau 149, 150, 270, 272
Waldow 116, 137, 207, 208, 254,
275, 276, 277, 294, 327,
445, 451, 452, 472
Walter 94, 390, 464
Walter, v. 367, 435
Walters 79
Walther 260, 275
Warkerow 387
Warnecke 220, 328, 366, 374, 382,
461
Warneke 173
Wärnke 242
Weber 111, 356, 452
551
Wede 305
Wedekind 351, 357, 379, 382, 384
Weede 227
Weerts 135
Wegener 110, 150
Wehmeyer 174, 175
Wehrend 384, 386, 420, 464, 465
Weichard 125
Weichmann 109, 451
Weidner 130
Weiß 239
Weißwerber 451
Weitersheim, v. 84
Wellmann 207, 294
Welmann 137
Wendig 220, 305, 347, 452
Wendt 117, 208, 451
Wense, v. d. 72
Werckmeister 96, 150, 152
Wereberge, v. 49
Werner 148, 149, 270, 367
Werth 300, 301, 310, 316, 317,
320, 321, 322, 323, 325,
328, 346
Werth 348, 361, 369, 375, 377,
390, 424, 433, 435, 450,
457, 460, 461, 462, 463
West 208
Westing 96, 107
Westphal 257, 278
Westphalen, v. 25
Wibbeler 387, 420, 422
Wichmann 451
Wichtendahl 220
Wiech 110, 277, 284, 293, 419
Wiechers 464
Wiechert 437
Wiechmann 93, 130
Wiegrefe 117, 255, 459
Wieland 173
Wiele 166
Wiencke 354
Wierzchon 181
Wiese 77, 112, 116, 149, 150,
152, 205, 207, 264, 270,
273, 277, 451, 472
Wiesengarn 242
Wiesenhaver 242
Wilhelm 183, 357
Wilken 211
Wilkens 510
Willers 149, 150
Winter 336
Winterhoff 389
Winterstedt, v. 73, 76
Wirth 12, 391, 392
Witt 192, 431
Witthoeft 451
Witthöfft 125, 127, 223
Wöhl 384
Wohler 531
Wolbrecht 96, 148, 149, 210
Wolf 93, 182, 220, 370, 379,
380, 387, 440
Wolff 116
Wollatz 130
Wolter 184, 207, 232, 263, 322,
357, 472
Wolters 266
Worthmann 186
Wortmann 384, 464
Wrede 276
Wroblewski 438
Wulf 242, 336
Wulff 420, 444
Wunderlich 149, 150
Zeddies 184
Zerner 264
Zernitschew 257
Zesterfleeth 267
Zesterfleth 110
Ziegeler 406
Ziegenhorn 439
Ziegler 96, 101, 131, 254, 256
Ziegner 210
Zierau 337
Zierres 149
Zierries 223
Ziesenitz 149, 270, 272, 275, 451
Zilenski 392
Zilensky 434, 452, 464
Zimmermann 91
Zimmermann, v. 182, 338, 349, 351, 379, 383
Zincke 115, 149
Zitzewitz, v. 86
Zwiewka 180
552
Sachregister
Erarbeitet von Hans Martin Ulrich, Gartow.
Die Auswahl der Stichworte ist subjektiv vorgenommen worden; auf Doppel- oder
Dreifachfundstellen wie auch auf Ortsnamen, habe ich verzichtet. Bei der Fülle der Begriffe kann
es vorkommen, dass der eine oder andere Begriff dem endgültigen Seitenumbruch nicht mehr
folgen konnte-in jedem Fall lässt er sich aber dem entsprechenden Kapitel zuordnen.
A
Abdecker/ei 91,222, Abendmahls-Gang 135, -teilnehmer 139, Abenteuerspielplatz 496, Abfall-
Behandlung 532, -endbehandlung 532, -endlagerung radioaktive Abfälle 532, Abgabe- und
Dienstleistungsverpflichtung 86, 229, Abhängigkeitsverhältnis 63, Abschlußschlacht von Waterloo
258, Abwasser 516, -beseitigungsplan Untere Elbe I 518, -einzugsgebiet „Seege“ 516, -rinnen
181, -röhren 517, -ströme 517, Abzugsgeld 91, Acker-Grünlandverhältnis 477, -vogt 126, Actuarien
71, Adels-Familien 74, -geschlechter 61, Ämter 73, -reform 104, Agenda 21 501, Agrar-Quote 474,
-soziale Gesellschaft 441, 492, Aland-Niederung 26, -überleitung 32, -verlegung 32, Alkoholismus
140, Alkohol-monopol 91, -steuer 91, Alliierte 344, Altargeräte 151, Alte Obstsorten 510, Alter
Friedhof 534, Altersheim 189, Altmark 12, Altwässer 19, Amerikaner 343, Amerikanische Militärregierung
357, Amt/s Gartow-Schnackenburg 102, -gericht 103, --bezirk Gartow, 106, -mann 95,
216, -patron 75, -schreiber 95, -verwaltung 95, 289, -vogt 289, -vorsteher 289, Anerkennungsgebühr
67, Anglo-Amerikaner 336, Anmoorgleye 17, Annalen Karls des Großen 509, Apotheke 182,
Arbeit/s/er-dienstlager 324, 337, 351, 361, -familien 354, -kräftepotential 450, -siedlung 199,
Archäologisches Institut der Georg-August - Universität, Göttingen 509, Archivflügel 41, Armen-
Haus 106, -kasten 108, 151, Arrestanten 108, Artenmischung 214, Askanier 35, Astra-Kalthausanlage
464, Atom-Kraftwerke Brokdorf und Grohnde 531, -mülldeponie 532, Augsburger Konfession
134, Ausgebombte 339, Ausländer 103, Ausschussknechte 91, Autobahn Hamburg – Berlin
233, 477, --zubringer 233, Auwaldreste 19.
B
Back- und Schlachthaus 126, Backöfen 201, Bade-landschaft 507, -mutter 185, -qualität 498,
-strände 498, Bälgentreter 112, 145, Bahlsen-Seeadler-Aussichtsturm 511, Ballei Brandenburg
49, Barackenlager Hahnenberge 418, Bar-besoldung 72, 112, -entschädigung 57, Barmer Ersatzkasse
334, Barock-Kirche St. Georg 133, -schloß 41, Bau-denkmalpflege 208, -kommission
208, -leitplanung 422, -ordnung 162, -platzverteilung, 208, -richtlinien 202, BDM 339, Beamtenwohnung
101, Becken-Collecten 151, Bedürftige Personen 147, Beerdigungskosten 270, Befestigungsarten
29, Begrenzungsgräben 19, Behelfs-heim 367, -wohnungen 365, Beitragszahlungen
287, Bekehrungseifer 140, Belebungsbecken 518, Bemessungswasserstand 523, Bergbau-Gesellschaft
Teutonia 236, Bergedorfer Eisenwerk 465, Bergfried 40, Berittene Zoll-Beamte 403,
--grenzabteilung 406, Berlin-West 371, Besatzungszonen 357, 370, Bethelsche Anstalten 141,
Beth-Mutter 186, Bevölkerungsabnahme 486, Beweidung 19,Bewirtschaftung von Zündhölzern
372, Bezirks-regierung Lüneburg 492, -synode135, Biberpfad 499, Bier-accise 70,285, -brauerei
77, Bildungs- und Freizeitzentrum Gartow 492, Billardtisch 212, Billunger 36, Binnen-Deichs-
Stromland 19, -entwässerung 504,519, -wasserzufluß 519, Biogasanlage 454, Biosphärenreservatsverwaltung
Niedersächsische Elbtalaue 500, Biotoptypen 21, Blaualgen 498, Blitz-ableiter
212, -schlag 207, Blockheizkraftwerk 455, Boden-arten 17, -nutzung 473, -reform 85, Boeke-
Stovens 126, Böselsche Hufe 145, Bombenabwurf 335, Bomber 329, Bootsanleger 497, Bracks
19, Brand-Assecurations-Ordnung 202, Brandenburg 45, Brand-katastrophe 204, -mauern 158,
-schäden 202, -versicherung 270, -wache 203, Branntweinbrennerei 92, Brauerei 89, Brau-gerste
553
474, -haus 40, -verwalter 70, Braun-erden 17, -kohlenbrikett 373, Braunschweig-Lüneburg 46,
Braw-Geräthe 211, -pfannen 89, 211, „Brenn-Element-, Lager Gorleben GmbH“ 526, --lagerung
529-holzprämie 372, stoffkarte 373, Brief/e-sperre 338, -träger 217, 220, Britische Entlassungs-
Kommission 366, British Resident 375, Bronzezeit 36, Brot-, Fleisch-, Fett- und Zuckerrationen
360, Bruch/Brüche 108, -register 117, Bruderstieg 73, Brücke/n-einnahme 241, -einnehmer 212,
-geld 239, -- Lenzen 340, -reparatur 191, -zoll 240, Brücken- oder Wege-Pfennig 239, Brunnen
126, Brutbiotop 19, Bülowscher Besitz 57, Bülowsches Wappen 66, 216, Bürgerliche Rechtssachen
78, Bürger-amt 264, -dienste 64, -gärten 76, -Initiative Umweltschutz Lüchow- Dannenberg
535, lade 260, -meister 275, -rechnung/s 112, 225, --legung 257, -richter 260, -stellen 286,
--besitzer 226, --inhaber 92, -vorsteher 320, Bullengeld 284, B.U.N.D. 510, Bund/es für Vogelschutz
510, -anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 532, -Bahn-Busse 189, -grenzschutz
400, -land Niedersachsen 365, -verdienstkreuz am Bande 105, Burg-gräben 40, -inhaber 35, Burg
Chartowe 35, -Lenzen 500, -Meetschow 37, Buß- und Bettage 134.
C
Camping-park 498, -platz 501, Canton Maire 255, Castellum hohbuoki 38, Castor-Behälter 527,
Christholz 144, Cellisches Gesangbuch 138, Code Napoleon 253, Commendator 49, Commende
49, Comtur 55, Continentalwerk 416, Cremerland 67.
D
Dachziegel 201, -verstreichung 126, Damm- und Grabendienste 89, Dampf-Schiff 238, Dankesgottesdienste
134, Dannenberger/ische Ämter 73, -Ärzte 182, -Postweg 470, -Schulordnung 167,
Darren 201, Dauer-camper 498, -wasserstand 503, Deckgebirge 522, Deich-Bau 12, -brüche 520,
521, -dienste 522, -linie 522, -neubauten 505, -ordnung 71, -strafen 286, -verteidigungsmaterial
286, -vogt 26, -wachen 286, Delinquenten-casse 88, -geld 88, -wachen 88, Demarkationslinie
399, Denunziantengebühr 111, Deputatroggen 95, Der Grüne Hahn 144, Deutsch/e/r Gesellschaft
für Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen 530, -Gesellschaft zum Bau und Betrieb
von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) 526, -Lufthansa 510, -Telekom 509, -französische Verständigung
144, -Kriegsgefangene 351, -Wetterdienst 530, Diäten 95, Diakonissenmutterhaus
in Rotenburg 138, Dienst-eid 95, -emolumente 109, -instruktion 109, -leistungen 87, -leistungsgewerbe
30, -mannschaft 198, -vertrag 109, Dorf-Erneuerung/s -programm 496, -schullehrer
173-schulzen 37, Drachenboote 499, Dravanen 38, Dreifelderwirtschaft 473, Dreiflügelige Ehrenhofanlage
41, Dreikantmuschel 29, Dreißigjähriger Krieg 69, Dreiteilung 78, Drittes Reich 321,
DRK-Kindergarten165, Kreisverband165, Dünengebiete 23.
E
Edeka-Markt 209, 453, Ehren-friedhof 36,-hain Buchhorst 535, --Gartow 536, -mal 337, Eichelmast
114, Eichenstämme 40, Eigen-hochwassergefährdung 519, -tumshäuser 493, Einfelderwirtschaft
473, Einhard-Annalen 40, Einkommensteuer-Veranlagungskommission 286, Einlagerungsfelder
527, -hohlräume 527, Einquartierungen 257, Einwohner-gleichwerte 517, -verzeichnis 265,
Eisenbahn-netz 235, -verbindung 235, Eisenzeit 32, Eiserne Kühe 284, Eis-keller 127, -stopfung
520, -versatz 238, -zeit 12,16, Elb/e- bücke bei Kaltenhof 235, -fähre Lenzen 59, -frontverteidigung
344, -grenze 403, -hochwasser 14,522, -holz 353, -holzallee 353, -Talaue-Wendland-
Touristik 501, --schule 178, -wasserstand 210, -zollstätte 197, Elektrifizierung 300, Eltern-beirat
174, 140, -verein 141, -versammlung 140, EMMA 501, Endlagerbergwerk 526, Endteufe 527,
Energieversorgungsunternehmen 527, Engelskopf 210, Englische Besatzung 359, Enklave 51,
Enthaltsamkeits-Verein 212, Entschädigungsgelder 207, Entschlammung 511, Entsorgungsstandort
533, Entwässerungs-Siel 229, Erb-huldigung 72, -junkertum 75, -verbrüderung 50, -schaften
554
Verstorbener 150, Erdwälle 40, Erkennungsmarken 350, Erkundungsbergwerk527 -moratorium
527, Erlebnis Grünes Band 499, Ernährungsfrage 371, Erntearbeiten 475, Ersparnis- Anstalt 225,
Erstanlage von Forstkulturen 214, Erster Weltkrieg 312, Erstgeborener 86, Ertragsklassen 475,
Erziehungskosten 286, Eselstall 125, Evakuierte 336, Evangelische Frauenarbeit 142, --hilfe 142,
-Forum 142, Ewige Landscheide 54, Exekutivpersonal 110, Extraordinaire Dienste 87,88, Extremhochwasser
39.
F
Fachwerkhäuser 199, Fachwerk/Mauerziegelkonstruktion 40, Fahnenflüchtige 331, Falkenmoor
122, Familie von Gartow 46, Familiengrab 136,-hilfswerk 136, -stammgut Bernstorff 83, -statut
101, Federschütze 208, Feldlazarett 138, Feldscher 182, Felonie 51, Feriendorf IV 421, -haus-
Gebiete 421, --planungen 421, --siedlungen 421, Ferkelmarkt 466, Fernsehstube 385 -wärmenetz
454, Fesselballon 329, Feuchtgebiet 18,Feuer-gassen 203, -löschgeräte 201, spritze 201, -stellen
203, -versicherung 207, -visitation 201, -wehr 201, Fischer/ei-berechtigung 24, -haus 131,
-recht 31, -revier 31, -sterben 59, -teiche 127, Flachbohrungen 435, Flachs-Rösten 202, Flächenerhebung
479, -nutzungspläne 424, 427, Flakhelferinnen 337, Flecken Gartow 197, -diener 145,
-schule 173, -seite 149, Fliegenbekämpfung 374, Fliegerangriffe 334, Flohmarkt 467, Flora und
Fauna 18, Flüchtlinge 332, 338, 365, Fluchtversuche 399, Flug-blätter 329, -zeuge 333, Flurbereinigung
478, -neuordnung 470, Flut-mulden 19 -rasen 19, -sand 17, Focke-Wulf-Maschine
338, Förster-haus 131, Forst- - aufsicht 214, -gutsbezirk 298, -kulturen 214, -schädliche Nebennutzungen
214, -verband 377, Fourage-Magazin 257, Fränkisches Kastell 37, Frauenverein 138,
Fräulein-Steuer 92, Französische/s Besetzung 246, -Recht 250, Franzosenzeit 245, Frauendienst
der Deutschen Evangelischen Kirche 141, Frauen-Geld 92, -schaftsleiterin 339 -stände 149, Freibier
201, Freideutsche Jugend 139, Freiherrenstand 83, Freiwillige Feuerwehren 374, Freizeitangebote
201, -messe 498, Fremden-betten 489, -verkehr/s 484 --gemeinden 587, --verband
Lüneburger Heide e.V. 485, --vereinigung Höhbeck/Elbe 422, --zentrum 490, Freyheit vor Gartow
203, Friedensrichter 101, 205, Friedhof 136, Frontispice 210, 5. britische Infanterie-Division 342,
Fürstentum Lüneburg 47, Fundament-Sicherung 41, -steine 125, Funkmasten Gartow 1/2 509.
G
Gaarte 24, Ganztagesangebot 181, Garten-mauer 127, -miete 284, -steuer 73, Gartower Auffanglager
361, -Bürgerrechnung 213, -Deich- und Wasserverband 377, -Feuerwehr 351, -Forst 213,
-Heide 104, -Heimatbote 275, -Mittelschule 178, -Ratsbuch 263, -Schloss 39, -Schützengilde 375,
-See 503, --GmbH 505, -Gasthof 211, Gasmasken 330, Gaufilmstelle 330, Gebäudebestand 100,
Gedenkstätte Stresow 499, Geest 17, -platte 15, Gefängnis-strafe 111, -wärter 104, Gefallenengedenkstein
409, -haus 104, -lager Gorleben 344, Gefrierlagerung 463, Geistliche Stiftung 44,
Geld- entwertung 108, -register 70, -strafen 112, Geleite-Geld 128, Gemarkung/s 15, -fläche 479,
-grenz/e 471, Gemeinde-ausschuß 283, -bücherei 380, -finanzen 284, -freies Gebiet 122, 298 ,
-lasten 263, -leichentuch 284, -pfänder 285, -rat 263, --ratswahl 395, -reform 1972 409, -steuern
262, verfassungsrecht 297, -vermögen 263, -versammlungen 263, -verwaltung 263, -wald 213,
-wappen 216, -weide 71, 226, -zentrum 142, -zusammenschlüsse 142, Gemein- eigentum 473,
-heitsteilung 293, -schafts-küche 331, --gefrieranlagen 464, Gemischter Chor Gartow 382, General-Kirchenvisitation
103, Generalgouverneur 256, Generation 60+ 508, Genossenschafts-bank
105, -vermögen 209, 219, Genuss-Punkte 499, Gericht/s/barkeit 98, -actuarius 96, 107, -brüche
108, -diener 107, 145, -gebühren 96, -herr 101, -lokal 104, -tage 106, Gesamtphosphatwert 29,
Gesamtschule Dretyn 180, Gesamt-schulverband 175, Gesangbücher 71, Geschlossenes Gericht
Gartow 98, Geschosshöhen 206, Geschützte Naturdenkmale 374, Gesellschaft für Landeskultur
423, - für Reaktorsicherheit 533, Gesundheitszentrum 478, Gewächshaus 127, Gewässer-schau
555
26, -güte 29, Gewerbe-Steuer 416, -und Tourismusverein Gartow 468, -treibende 452, Gewerkschaften
Ilsenburg und Wendland 236, Gitterbrücke 238, Gley-Podsole 17, Gleye 17, Glocken 210,
-fett 151, -haus 211, -läuter 145, -metall 277, -turm 142, 270, Gorleben/er-Gegner 531, „-gelder“
529, -konzept 532, -postfuhren 171, - problematik 526, -widerstand 528, Gottesdienstbesucher
106, GPS-Gerät 500, GPU-Richter 359, Gräben 19, Grabensystem 519, Grabstellengelder 284,
Gräfin-Steuer 93, Gräflich von Bernstorffscher Forst 122, Gras-geld 73, -verkäufe 284, Graugänse
510, Grenadier-Regiment Nr. 89 85, Grenz-aufsichtsstelle 404, -berichtigungen 291, -ertragsböden
477, -festlegungen 291, -gängerverkehr 52, -lage 59, -linie 358, -landakademie 493, --museum
Schnackenburg 402, -ort 58, -regulierung 75, -rezeß 58, -schilder 358, -übergänge 402,
-verlauf 400, Grentzstange 58, Großes und kleines Portal 127, Großer Gartower See 503, Grosses
Moor 168, Grüner Plan 394, Grünland-Biotoptype 14, -flächen 475, -nutzung 476, Grund-Schule
Gartow 174, -und Gebäudesteuer 283, -und Personalsteuern 255, -stücks-entwässerung 517, -verkehr
286, -wasser 514, --meßstellen 515, Gütemessstelle Nienwalde 29, Gustav-Adolf-Verein 141,
Guts-bezirk Gartow 288, -forst 297, -gemeinde 286, -kiefern 123, -(land)wirtschaften 449, -schule
173.
H
Häuslinge 451, Häuslingsstellen 75, Hafenstandort 449, Hafer-Aussaat 479, -ernte 480, Hagelfeier
134, Hagelstein-Orgel 144, Hahnenberge 39, Halbbürgerstelle/n 200, Hamburger Feriendorf
490, Hand- und Spanndienste 30, Handwerker 451, Hannoversche Partei 85, -Ständeversammlung
101, -Warmblutzucht 474, Hanseatische Departements 245, Hartholzauenwald 21, Hastra
302, Hauptsatzung 444, Hauptschule 179, Haus-brunnen 514, -dreyer 168, -eigener Postbeförderungsdienst
170, Haushalts-ordnung 145, plan 150, Hebamme 185, Hecken 19, Heideflächen
19, Heiligengeist-Stiftung 187, Heiligenfibula 37, Heimatmuseum Vietze 499, Heimkehrer-Verband
379, Heinkel 111 330, Heinkel 177 338, Heitritt 75, Helden-Friedhof 535, -gedenkfeiern 336,
-hain 337, Helkgraben 30, Henriettenstift Hannover 187, Herbstmarkt 467, Hermannsburger Mission
141, Herminonen 40, Herren von Chartowe 35, Herrendienstbrüche 108, Herrenmeister 49,
Herrenrecht 198, Herrschaft Gartow 37, Herrschaftliches Haus 211, -Hospital 186, , Herrschaftswechsel
87, Herzogtum Braunschweig-Lüneburg 44,83, Herzogspaar 140, Heudienst 109, Himpten
102, -Einfall(HE) 287, Hinrichtung 112, Hirtenhaus 224, Hitler-Jugend 339, Hoch- behälter
515, -deutsche Sprache 134, -moor 14, -spannungsleitungen 302, --wasser-Schutz 520,--partnerschaft
Elbe 523, Höhbeck 12, 508, -castell 44, Hof- junker 84, -schmiede 132, Hoheitsdienste
290, Holz-abfuhrbahn 449, -arten 6, -brücke 125, -cultur 169, -diebstahl 118, -handel 449,
-handlung Herbst 460, -industrie 460, -kreuz 534, -ordnung 75, -palisaden 40, -pflasterwerk 322,
-transport 458, -wirtschaft 120, Hoover- Schulspeisung 372, Hospital 186, -bürgerstelle 188,
-küster 146, Hospitalise 188, Hotel „Deutsches Haus“ 488, Huoboki 34,39, 509, Hühnerstall
127, Huldigungseid 79, Hundezwinger 126.
I
Immunität 73, Informationszentrum 533, Inquisitorial-Verfahren 109, Insel Krummendiek 37, Instruction
Nr. 62 45, Investitionsprogramm 428, Isenhagener Urkundenbuch 64.
J
Jagd- und Forstbrüche 108, -revier 122, Jahresbesoldung 182, Jahrmärkte 94, Jigelharken 214,
Johanniter 48, -altersheim 189, -herrenmeister 50, -Orden 49, Jugend-Bücherei 378, -herberge
Gartow 331, -verein 139, Jungsteinzeit 36, Jus mororum 198, Justiziarien 95, Justiziarius 95,
Justiz-Kanzlei 95, -reform 105, Juwel-baugesellschaft 428, -feriendorf 428.
556
K
Kälteste Frostnacht 440, „Käseberg“-See 505, Kahlschläge 85, Königliche Post 217, Kaland
Lüchow 64, Kalthaus-Genossenschaft 463, Kammerherr 85, Kanalisation 516, Kantorat 156,
Kapitalhirsch 440, Kartoffel- aufgang 480, -dämpfanlage 377, -ernte 371, -versorgung 371, Katechismusstunden
134, Kauf- und Verschreibungsbriefe 287, Kavallerie-Regiment 13, 86, Kernbrennstäbe
528, -brennstoff 528, --abfälle 526, -kraftgegner 528, -spaltung 526, Kettensprengung
102, -zapfengewinnung 372, Kinder-garten 164, -und Krankenpflegehaus 142, -schützenfest
387, -spielplatz 186, Kinonachmittage 73, Kirchen- und Schulangelegenheiten 134, - und Schuldienst
74, Kirch/en-Abteilungen 149, -aufsicht 135, -bücher 135, -geschichte 133, -geschworene
87, -glocken 138, -hoheit 164, -holtz 113, -jurate 148, -kommissare 257, -konsistorium 106,
128, 136, - lehn 134, -neubau 209, -organisation 135, -platz 142, -rechnung/en 149, -rechnungsführung
145, -stand 149, -stuhl 148, -uhr 138, -verfassung 118, -visitation 133, -vorsteher 138,
-zins 138, Klär-anlage Gartow 516, -werk Laasche 513, Kleiderspenden 141, Kleinbahn 235, -projekte
236, Kleine Kantorei 143, Kleiner Gartower See 503, Klimabezirk 17, Klosterhauptmann
85, Knappen 62, Knüppeldamm 222, Königl. Deutsche Legion 207, -Landdrostei Lüneburg 289,
-Oberlandesgericht 105, Königreich Hannover 172, Königreich Westfalen 135, 152, 245, 253,
Körperliche Züchtigung 172, Kolke 19, Kollekte/n 209, -gelder 138, Kollektiv-Geldstrafe 115,
Konfirmation 135, Kontrollratsdirektionen 399, Kopfsteinpflaster 229, Korn-scheune 125, -schreiber
96, -zehnten 70, Kost-geld 96,112, -gegenwert 96, Kraftfahrzeugverkehr 373, Krammärkte
198, Kraniche 385, 510, Kranken-haus 186, -verein 186, Krebsscheren 29, Kreis-altersheim
189, -hauptmannschaft 235, -leiter 329, -Lüchow-Dannenberg 105, Kreis- kirchen-kasse 135,
--missionsfest 444, --tag 136, -ordnung 294, propagandaleiter 329, --redner 329, -realschule 178,
-sitz 79, -Spar- und Leihekasse 226, -sparkasse 226, Krieg/s/er/ -anleihen 138, denkmal 337,
-gefangene 332, -gefangenenlager 332, -gräber- und Gedenkstätte 534, -rat 84, -steuer 246, -tote
535, -verdienstkreuz 338, -verein 307, Kriminaljustiz 101, Küchenflügel 29, Küpe 229, Küsterstelle
164, Krummendieck 35, 72, Kugelmuschen 29, Kuhschneidegeld 188, Kulturverein Gartow
440, 496, Kurator 189, Kurfürstentum Hannover 101, Kur-park 427, -und See GmbH 496.
L
Laascher See 407, Läute-Geld 150, -glocke 210, La Hague 527, Land/es-Amt für Bodenforschung
529, -briefträger 220, 233, -buch Karl IV 133,herrliche Abgaben 287, -drostei 101, -gemeindegesetz
261, -grenze 399, -grentz- Receß 59, -herrschaft 102, -herrscher 45, -hoheit 58, -jäger 329,
-kirche/n 105, -amt 164, -kirchentag 135, -kreisverwaltung 426, -milizsoldaten 110, -obligationen
188, -plagen 134, -schaft/s 18 , --pflege GmbH Lenzen 510, -pflegerisches Rahmenprogramm
423, --verband Wendland-Elbetal 510,-physikus 182, --planerisches Rahmenprogramm 486, --rahmenplan
Gartow 214, --rat 85, --schutzgebiete 428, -steuer 93, -straßengesetz 229, -synode 135,
-tagswahl 370, -verband preußischer Waldbesitzer 297, -wacht 331, -wehren 54, -wirtschaft/s
470, --amt Niedersachsen 374, -wirtschl. Brandkasse Hannover 382, --Kammer Hannover 475,
-Verein Gartow 438, -zählung 474, Langobarden 37, Laubholzanbau 215, Laurenti-Tag 92, Leader
497, Lebensmittelspenden 208, Legationsrat 85, Lehmentnahmestelle 470, Lehm- bzw. Sandgruben
471, Lehn/s -Buch 54, -krüger 70, -Krug 92, -ware 222, Lehrergehälter 173, Leibeigenschaft
88, Leine-Steinsalz 527, Leineweber-Wohnhaus 131, Leipgraben 30, Lesenlernen 170,
Lichtstrom-Transformatorenhäuschen 302, Linonen 32, Löschreservoir 203, Londoner Protokoll
399, Lüchow(Hilfs-)-Plan 402, -Schmarsauer Eisenbahn 237, Lüneburger/ische Entschädigungsbehörde
396, -Erbfolgekrieg 47, -Herzöge 35, Holtz-Ordnung 75, -Ritterschaft 100, Zugehörigkeit
72, Luft-kurort 494,-lage 335, -landetruppen 336, -schutz-Hauswarte 336, --keller 331, --leiter
331, -temperatur 18, --übungen 329, Lutherischer Gotteskasten 141.
557
M
Mäander 31, Mähweidenutzung 19, Männergesangverein 140, Märkische Dienste 87, -Dörfer
50, Mästekoven 126, Magerrasen 19, Maire 255, Maltz-Accise 70, 91 Manns-Stände 149, Mansardendach
41, Mantelmauer 40, Marine-einheit „Puma“ 348, -kameradschaft 381, Markt-gerechtigkeit
198, -ort 197, -termine 466, -verzeichnis 467, Marschlandschaft 18, Mast-gelder 69,
-wald 120, Matratzenfabrikation 383, Mauerrecht 198, Medikamente 182, Meierhof 347, Merianstich
40, Metallgitterzaun 402, Michaelis-Kloster 43, -markt 466, Milch-Kontrollverein Gartow
381, -speisung 377, Militär- durchmärsche 100, -einquartierungen 100, -regierung 360, Mindestwasserverbrauch
514, Minensprengung 437, Missions-Feste 138, -verein 140, Mitgliedsgemeinde
„Höhbeck“ 412, Mithüterechte 121, Mittel-alter 35, -elbe -Niederung 20, -punktschule 177,
-schule 178, Mittlere Reife 178, Modellvorhaben Dorferneuerung Gartow 436, Möbelsteuer 184,
Molkenstube 125, Molkerei 30, -genossenschaft 381, Montag vor Simon Judae 198, Moratorium
527, Müllabfuhr 435, Mütterberatungsstunden 182, Musterung 331, Mutationsbeschreibung
290.
N
NABU 499, Nach-klärbecken 518, -kriegszeit 365, Nachrichter 223, Nachtwächter 201, Nähstube
337, Naherholung 485, Nasswiesen 21, Nationalsozialismus 321, Natur-Haushalt 215, -schutzgebiete
20, Neben-erwerbsbetriebe 493, -flussniederungen 21, -zentrum 424, Neue/s Haus vor
Gartow 132, -Samtgemeinde Gartow 412, Nds./es Minister für Aufbau und Arbeit 370, - Wassergesetz
28, Niederschlag 18, Nitratbelastung 515, Nordischer Krieg 59, Normannenschlacht 45, Not
-gassen 208, -standsgebiet 378, NS-Frauenschaft 330.
O
Ober/e/ -elbegebiet 487, -niedere Gerichtsbarkeit 100, -postdirektion 357, Oberst-Feldmeister
333, Obotriteneinfall 44, Obsttrocknung 202, Öffentliche/r -Personennahverkehr 233, Öffnungsrecht
55, Ökologie 510, Örtliche Kapitulation 344, Ordinaire Deichdienste 50, Ordens-besitz 87,
Ordinaire Dienste 216, Organisation Scheer 345, Orgel-bauer 144, konzerte 499, -register 138,
Orientierungsstufe 179, Orts-bauernführer 332, - und Bebauungsplan 385, -bild 426, und Feldmarkspolizei
263, -frauenschaft 330, -gruppenleiter 332, -kerngrabung 199, -siegel 286, -wappen
65, Ostflüchtlinge 361, Oxhöft Branntwein 212.
P
Pacht-geld 92, -summe 212, Panzer-Aufklärungslehrbataillon 3 444, -spähwagen 348, -sperre Bömenzien
345, Papierstreifen 333, Parochie Gartow 169, Parteigenossin 338, Partnerschaft 444,
Patenkompanie 444, Patrimonialgericht 98, Patronats-herren 133, -recht/e 164, Perleberger Jäger
335, Personen-post 218, --verbindung 219, 233, Pfand/e-lehen 154, -mann 110, -schaften
67, Pfarr-Garten 142, -kirche 133, -ländereien 145, -scheune 142, -stellen 142, Pfeilkraut 29,
Pferde-Dieb 112, 152, -musterung 331, -stall 125, -zuchtverein Gartow 377, Pförtnerhaus 127,
Phosphatwert 29, Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) 533, Pilot-Konditionierungsanlage
528, Pioniervegetation 19, Plaggen-hauen 214, -hieb 121, Plankenzäune 40, Planungsgebiete
425, Plutonium-Brennelementherstellung 530, Podsole 17, Podsol-Braunerden 17, Polizei-aufsicht
107, -gewalt 104, Portalinschrift 211, Posaunenchor 143, Post 216, -amt 221, -führer 217,
-kiepe 109, -kutsche 109, -omnibusse 237, -schaffner 220, -umschlagstation 217, -wesen 216,
Prats-de Mollo - La Preste 446, Prediger und Beamter des Zivilstandes 134, Predigtkanzel 90,
Premierminister 83, Preußische Erdarbeiter 229, Priechen 149, Primus in ordine 96, Privatkoppeln
214, Private Mittelschule 178, Probebohrungen 529, Prövengeld 217, Propst zu Lüchow 134,
Prospektpfeifen 138, Proteste ohne Gewaltanwendung 531, Protokollbuch 263, Provinz Hannover
558
105, Putjans 24.
Q
Qualm-gewässer 19, -wasserüberflutungen 520, Quadersteine 210, Quarnstedt/er 123, -Felddamm
228.
R
Ranker 17, Rats-buch 263, -geld 222, -kompetenz 73, -wallgeld 222, Rattenbekämpfung 374,
Raubrittertum 63, Rauhe Fliesen 126, Raumordnungsprogramm 426, Real-gemeinde Gartow
294, -patronat 164, -schule 178, Rebhühnerstall 131, Rechts-brüche 71, -missbrauch 75, -pflege
98, Reformationsfeier 134, Reformbestrebungen 110, Regenerationszentrum 478, Regierung
in Lüneburg 164, Regional-Diakonenstellen 142, Register- und Aktenführungs-Richtlinien 199,
Reiche Großstädter 427, Reichs-acht 45, -arbeitsdienst 323, --lager 189, -innenministerium 141,
-luftschutzbund 331, -minister für Propaganda und Volksaufklärung 331, -stelle für Elektrizitätswirtschaft
338, Reihedienst 216, Reit/er -gelände 423, -halle 423, -stall 126, -und Fahrverein
383, -zentrum 505, Restschlamm 518, Reveneun 185, Ringwall 37, Röhrichte 19, Rönne 24, Rosen-Apotheke
185, Rote Armee 342, -Liste-Pflanzen 22, Rucksmoor 122, Rückzugsgefechte 258,
Rudower See 62, Rund-Funksender Beromünster 359, -wanderweg 501, Russische Kriegsgefange
341, -Militärstreifen 399, -Zone 358, Ruth - und Klaus - Bahlsen-Stiftung 511.
S
Sachsen 36, -herzöge 35, Salix 497, Salz-Bergwerk Asse II 527-einbruch 526, -formation 527,
-stock Gorleben 506, 527, Samt-gemeinde 413, --direktor 413 --rat 413, --wappen 413, Sandgruben
294, -inseln 101, -magerrasen 23, -und tonablagerungen 14, -tor 199, St. Georg-Kirche
144, Satetag 63, Sauerstoff-bedarf 517, -defizite 29, -sättigung 29, -übersättigung 26, Schacht
1,2 526, -ruthen 229, Schaden-feuer 204, Schäferei 90, Schanzarbeiten 256, Scharfrichter 222,
Scheffel Weizen 133, Schiffsverladestelle 449, Schimpfliche Worte 112, Schlacht bei Lenzen 44,
-von Winsen 47, Schlägereyen 110, Schlagglocke 210, Schlechte Verkehrsverbindungen 489,
Schließvogt 126, Schloß- -anlage 41, -archiv 205, -Gartow 40, -graben 41, -nachtwächter 110,
-neubau 41, -vorplatz 126, -und Vorwerkskomplex 127, Schlüsselzuweisungen 413, Schmalband
70, Schmiede 224, Schmuggel 499, Schmutzwasseranfall 515, Schöpfwerk 519, Schornsteine
202, Schubertiaden 499, Schüler-beförderung 175, -zahlen 175, Schützen-Gilde 295, -platz 420,
Schuld -verschreibung 128, Schul/e 167, -aufsichtsgesetz 163, -bezirke 173, -busverkehr 415,
-disciplin 171, -entwicklungsplan 181, -gebäude 172, -geld 167, -gemeinde 172, -meister 163, -patronat
162, -prüfungen 171, -sportplatz 175, -unterricht 170, -verhältnisse 169, -wesen 167, -zimmer
171, -zweckverein 375, Schulzen-Tag 108, Schutz-Herr 55, -herrschaft 56, -und Dienstgeld
93, Schwach- bis mittelradioaktive Abfälle 526, Schwedenschanze 508, Schweine-Mastverträge
332, -stall 127, Schweinfurter Kugellager Fabriken (SKF) 416, Schwengelpumpen 514, Schwermetallgehalte
29, Schwimmbad 379, See-adler 511, -pavillon 497, Seege 24, -betriebsgesellschaft
478, -brücken 239, -furten 189, -hafen 449, -niederung 511-rückstaudeich 522, -rundweg 441,
-wasser 24, Seggenriede 24, Sekundarbereich I 143, Selbstbrauer 89, Selbstständige Landesherren
39, Sellafield 527, Sendemasten 509, Sequestration 76, Siegesfeier 344, Siele 471, Silberpapierstreifen
334, SKF-Werk 416, Slawen 43, Smeldinge 43, Sokolow Podlaski 447, Sommer-deich
522, -hochwasser 522, -märkte 467, -schulen 171, -weg 231, Sonnenburger/isches --Johanniterorden-Lehen
76, Sonntag Jubilate 198, Sonntagsfreuden 136, Sparkasse/n 225, Sperrzeit 359,
Spezialteilung 214, 472, Spinnhaus 270, SPD- Ortsgruppe 316, Sportuln-Taxa 108, Spring 34,66,
Spritze/n -haus 203, -kommission 272, Staatsgrenze West 400, Stadt Sonnenburg 55, Städtchen
Gartow 198, 213, Städtebauförderungsgesetz 425, Stadt-Gemeinde Gartow 290, -graben 198,
559
-rechte 198, -wall 198, Ständeversammlung 173, Stättengeld 94, Stammesfehden 43, -linie 48,
Stand-geld 94, -ortwahl 528, Staßfurt-Steinsalz 527, Stauanlage 44, Staufer 45, Stedeken 62,
Steinpacklagen 41, Stellen-Besetzung 142, Steppdeckennäherei 381, Steuer- und Zollvergehen
103, -hebesätze 416, -rezeptur 93, Stierhaltungsgenossenschaft 378, Stift Halberstadt 68, Stiftung
zum „Heiligen Geist“ 128, 187, Stiftungs-Satzung 188, -vermögen 187, Still- und Feuchtgewässer
510, Stimmberechtigte Klasse 283, Stimm-ordnungen 261, -recht 283, Straf-gelder 71,
114, 130, -pfahl 109, -sachen 103, -verfolgung/s 110, --personal 107, zahlungen 114, Straßenbäume
471, -bauten 229, -oberkante 202, -planung 230, -zeilenbebauung 197, Streckenauffahrungen
526, Streuobsttag 510, Strohdachhäuser 205, Strom- einschränkung 372, -sperre 373,
Stromtalwiesen 19, Strumpf-Fabrik 450, Stück- und Glockengießer 210, Stundenuhr 151, Szola
Podstawowa 179.
T
Tafelrechnen 170, Tagelöhner-häuser 124, -katen 131, Talsand- und Dünengebiete 23, -platte 22,
Tanzlust 139, Tbc-Isolierstation 187, Thermalsole- Bewegungsbad 507, -quelle 506, Teich- und
Malermuscheln 29, Teilungsvertrag 29, Temperaturverteilung 17, Templer 49, Territorialhoheit 55,
The Royal George 359, Tiefbrunnen 515, Tierkörperbeseitigung 222, Tilsiter Friedensschluss 245,
Todesanzeige 328, Tommy-gun 344, Tonnen-accise 70, Torhaus 99, 104,126, Totaler Krieg 326,
Tourismus 483, -information Lenzen 500, Touristbüro 490, Transitabkommen 400, Transportgut
242, Trauer-Feier 91, -glockengeläut 91, -kleidung 90, -tuch 90, Trimm-dich-Pfad für Pferd und
Reiter 499, Trinkwasser 513, Trucks 458, Trümmer-Einheiten 343, Türkensteuer 71, Türwärter
146, Turnhallenbau 177.
U
Über-Elbische Lande 46, -landzentrale Lüchow 302, -nachtungszahl 487, -schwemmungsgefahr
16, Uelzener Urkunde 36, Ufer-promenade 431, -stauden 19, Uhr-glocke 140, -turm 211, Umbettung
535, Umfassungswassergraben 197, Umwelt 510, -management 144, -schule in Europa 181,
Unabhängige Wähler-Gemeinschaft (UWG) 467, Unterhaltungs-ordnung 31, -verband Seege 436,
Unterricht 170, Unterstützungsgeld 99, Unzuchtbrüche 108, Uranverarbeitung 528.
V
V2-Raketen-Einheit 344, VARTA-Führer 483, Vasa sacra 151, Veranstaltungskalender 490, Verein
junger Mädchen 139, -Naturpark 484, Verkaufsurkunden 63, Verkehrs-beruhigung 498, -büro
490, -verbesserungen 488, -wege 227, Verkündigung Maria 134, Verpfändung 61, Versicherungssummen
202, Verkoppelung 15, Versuchslager Asse II 526, Verteilungsregister 470, Vieh-bestand
480, -diebstahl 374, -krankheiten 183, -märkte 198, -schmuggel 375, -zählungsergebnisse 435,
Voelkel 510, Vogelwarte Helgoland 384, Voigts-Haus 96, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
534, Volksschul/e Gartow 174, -gesetz 172, Volkssturm-bataillon Gartow 337, --mann 338,
Voll-bürgerstellen 168, -erwerbsbetriebe 477,Vorbeugender Brandschutz 201, Vordeichsflächen
19, Vorflut/er/ 519, -edikt 25, Vorwerk 125, Vorwerksgebäude 125.
W
Wachtschützen 91,110, Währungsreform 368, Wärmeauskoppelung 455, Wagenscheune 211,
Wald-bad 422, -bahn 237, -benutzungsbefugnisse 121, -ränder 215, -weideflächen 122, Waldemarturm
46, Wander-haushaltungsschule 175, -karte 489, Wappen-führung 61, -sage 66, -siegel
216, Warenproduzierendes Gewerbe 485, Warnen 43, Wartegeld 165, Wasenhaufen 123, Waschhaus
126, Wasser-beschaffungsverband Höhbeck 513, -burg Gartow 197, -und Deichlasten 26,
-genossenschaft für die Untere Seege 27, -käferarten 26, -mühle 24, 89,-pest 26, -schutzgebiet
560
515, -stand 32, -tonnen 203, -werk 514, -wirtschaft 513, -zoll 400, Wechselstube Lüchow 377,
Weddeweide 75, Weg/e 471, -bauverbände 229, -geld 239, -gesetz 229, -kommission 229, -ordnung
228, -Schlagbaum 126, -zoll 229, Wehrmachts-Bericht 329, Weichsel-Kaltzeit 17, Weide/nauwald
19, -geld 284, -kröpfen 286, -rechte 122, 290, Weihe-Gedicht 134, „Weihnachtsbäume“
347, Weihnachtsmärkte 467, Weiße Fahnen 348, Welfen 41, Weltjagdausstellung 440, Weltliche
Vorschriften 134, Wenden 36, Wendland-bräu 197, -kommissar 492, -therme 499, 506, Werwolf
345, Westlicher Umfassungs- Wassergraben 197, Wellnesstage 499, Wieder-aufbauvorschriften
205, -aufbereitungsanlage 539, Wiesenzins 76, 92,Wilhelm Leopold-Pfeil-Preis 441, Wilzen
43,44, Wind- Messanlage 509, -mühle/n 89, Winterroggen-aussaat 480, --blüte 480, Wirtschafts
-gebäude 40, -höfe 40, Wispel 64,133, Witwen-Kasse 172, Wohnungs-Not 365, -tausch 373,
Wolfsberg-Flüchtlingslager 354, Wollhandkrabben 29.
Z
Zapfen- und Klengsaaten 456, Zehntmahler 89, 10 m-Kontrollstreifen 399, Zehrengrabengenossenschaft
27, Zellenleiter 338, Zentrale Wasserversorgung 433, Ziehbrunnen 514, Zins/en-
Einnahmen 148, Zoll 240, -brett 240, -einnehmer 241, -grenzboot „Gartow“ 380, -grenzdienst
375, -grenzschutz 399, -reiterei 400,-stange 240, -stützpunkt 403, Zonen-Grenz/e 399 , -randausschuß
402, --förderungsgesetz 400, --hilfe 402, Zuckerschnitzel 332, ZV-Division 344, Zwangs-
-evakuierung 344, -umgesiedelte 361, -verwalter 77, 2.Weltkrieg 325, Zweites Deutsche Fernsehen
438, Zweitwohnungen 486, Zwischen-Lager 527.
561
Zeittafel zur Geschichte Gartows
1225 Erste Erwähnung Gartows im Zusammenhang mit den Herren „de Gartowe“
1321 Erwähnung eines Kirchenlehns, Vorwerks und zwei Mühlen in Gartow
1360 Quarnstedt, Holtorf, Kapern, Gummern, Restorf, Pevestorf, Brünkendorf, Vietze,
Nienwalde, Meetschow, Prezelle, Wirl und Gedelitz sowie Gartow waren im Lehnsbesitz
der Herren v. Gartow
1360 Die Herren v. Gartow verkaufen ihren Gartower Besitz an den Johanniter-Orden.
Gartow wird Sitz des Ordensverwalters Hermann v. Wereberge
1371 Erwähnung der Wasserburg Gartow
1426 Letztmalige Erwähnung der Herren v. Gartow in Gartow
1438 Victor v. Bülow besitzt die Wasserburg Gartow
1441 Vicko v. Bülow kauft die Hälfte der Wasserburg Gartow und die Hälfte des Ortes
Gartow von Werner v.d. Schulenburg/Johanniterorden
1518 Der v. Bülowsche Besitz in Gartow wird an die drei Brüder aufgeteilt
(Burg, Wirtschaftsgebäude, Liegenschaften, Einkünfte)
1556 Armenstiftung der v. Bülow für Bedürftige in Gartow
1556 Begründung der Stiftung zum Heiligen Geist durch Andreas v. Bülow
1588 Hinweis für die Existenz einer Schule bei der Wasserburg Gartow
1594 Der Rat von Gartow beschwert sich beim Landesherrn über das eigenmächtige
Vorgehen der v. Bülows
1595 Vergleich zwischen der Bürgerschaft Gartow und den Herren v. Bülow wegen verschiede
ner Differenzen, ebenso 1615
1631 Plünderung der v. Bülowschen Güter in Gartow in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
(1618 - 1648)
1638 Victor Friedrich v. Bülow muß mit seiner Familie zunächst nach Salzwedel,
dann Hamburg fliehen
1642 Die v. Bülowschen Güter werden von Soldaten geplündert. Obrist v. Goldacker
brennt Gartow nieder.
1651 Verheerender Deichbruch bei Schnackenburg, das Binnengelände wird überflutet
1687 Zwangsbewirtschaftung des v. Bülowschen Gutes durch die Landesherrschaft
1690 Ende der Zwangsbewirtschaftung von Gut Gartow, Wiederinbesitznahme durch die
v. Bülow
1692 Erste Erwähnung eines Gasthauses in Gartow
1694 Premierminister Andreas Gottlieb v. Bernstorff erwirbt den v. Bülowschen
Besitz in Gartow
1694 Der Seege-Brückenzoll gerät in die Zuständigkeit des Hauses Gartow,
zuvor beim Schnackenburger Zöllner
1695 Besteuerung des von Gartower Bürgern hergestellten Bieres und Branntweines
1695 Stillegung der Wassermühle an der Wasserburg Gartow, Anlegung der
„hintersten“ Windmühle in Quarnstedt
1695 Die Gorlebener Hofinhaber werden zur Postbeförderung eingesetzt (bis 1750)
1699 Errichtung des Brauhauses auf dem Schlosshof
1704 Dienstrezess zwischen der Gartower Bürgerschaft und den Herren v. Bernstorff
1706 Anstellung eines Scharfrichters Valentin Wilhelm Kannenberg
1710 Baubeginn des Schlosses, beendet 1727, Abbruch der alten Wasserburg etwa um 1720.
562
1710 Anlegung der „vordersten“ Windmühle in Quarnstedt
1715 Andreas Gottlieb v. Bernstorff wird in den Freiherrenstand erhoben, 1726 verstarb er
1718 Amtmann Daniel Westing ist erster Amtmann in Gartow
1719 Holtorf, Kapern und Gummern werden dem Kurfürstentum Hannover angegliedert.
Die bisherige Landesgrenze Hannover/Preussen wird aufgehoben
1720 Errichtung des Adeligen Geschlossenen Gerichts Gartow als unabhängige
Verwaltungseinheit
1721 Gartow wird durch Schadenfeuer zerstört, auch die Kirche. Lediglich das
Schloss bleibt verschont.
1724 Die beim Brand 1721 zerstörte Kirche wird durch einen Neubau ersetzt
1725 Vermessung des Buchhorstgeländes durch Ingenieur Rollwagen
1739 Einrichtung der Apotheke Gartow
1745 Vermutliche Gründung des Privatkrankenhauses Gartow (Hospital) der Kirche
1750 Die Postbeförderung zwischen Dannenberg und Gartow wird von der Kaiserlichen Post
durchgeführt (ab 1757 wieder durch die Gorlebener), ab 1768 wiederum von der
Kaiserlichen Post)
1764 Es brennen 14 Bürgerstellen ab
1772 Letzte Hinrichtung in Gartow auf dem Galgenberg
1784 Hochwasserjahr
1785 Hochwasserjahr
1796 Zwei Feuerspritzen werden angeschafft
1803 Erste französische Truppenteile erreichen Gartow
1805 Militärische Einquartierungen durch Franzosen, häufig Durchmärsche
1810 Gartow gehört zum Königreich Westfalen, Huldigungsseid auf die französische
Verfassung, es wird der Kanton Gartow gebildet
1812 Die Buchhorst wird abgeholzt (Erlen)
1813 Ende der französischen Fremdherrschaft (1803 - 1813), Wiedererrichtung der alten
Verhältnisse
1817 Festlegung der Grenzen zwischen Gemeinde Gartow und v. Bernstorffschen Besitz
1828 Gründung des Krankenhauses auf dem Schlosshof durch Thekla v. Bernstorff
1833 Gründung der Ersparnis-Anstalt (Sparkasse) durch Thekla v. Bernstorff
1845 Bildung des „Kranken-Vereins für das Gericht Gartow“
1850 Aufhebung des Geschlossenen adeligen Gerichts Gartow, Angliederung an das neu
geschaffene Amt Gartow-Schnackenburg. Gartow erhält ein Amtsgericht.
1850 Letzter Amtmann in Gartow ist Dr. Christian Otto Ludwig Sarnighausen
1850 Auflösung des Geschlossenen Gerichts Gartow, Einverleibung der Scharfrichterei und
weiterer v. Bernstorffscher Gebäude in die Fleckensgemeinde.
1851 Trennung der Bürger- und Gutsschüler, Begründung der Gutsschule,
erneute Vereinigung 1911 - 1930
1852 Das Amt Gartow-Schnackenburg wird in Amt Gartow umbenannt, gab die Orte Prezier
und Volzendorf an das Amt Lüchow ab und erhielt den Ort Lanze zugewiesen
1853 Durch Schadenfeuer werden 98 Gebäude zerstört, 388 Personen werden obdachlos
1854 Spezialteilung der Gemeinheiten von Gartow Bedeutende Elbehochwasser:
1855, 1862, 1865, 1871, 1876, 1881, 1888, 1895, 1920, 1926/27,
1940/41, 1947, 1954, 1958, 1965, 1974/75, 1981, 1988, 2002, 2006,2011,2013
1857 Erster Chausseebau im Ortsteil Hahnenberge
1857 Erhöhung und Pflasterung der Springstraße
563
1859 Durch Schadenfeuer werden 20 Gebäude zerstört, danach Anlage von Feuergassen.
1859 Einführung des Landgemeindegesetzes
1862 Erhöhung der Straße in Gartow im Bereich Kirche, Schlosshof, Seegebrücke
1864 Errichtung einer eisernen Seegebrücke in Gartow
1868 Gründung des Sägewerkes Herbst im Ortsteil Hahnenberge (1908 Betrieb in Lüchow,
1920 in Lüneburg)
1868 Abtrennung der Kirchspiele Gartow, Trebel, Lomitz–Prezelle, Restorf, Holtorf–Kapern,
Schnackenburg von der Inspektion Lüchow und deren Vereinigung zur Inspektion Gartow
1871 Das Gartower Amtsgericht wird aufgelöst, zuständig ist nun das Amtsgericht Lüchow
1871 Gründung des Landwirtschaftlichen Vereins Gartow
1873 Gründung Pferdezuchtverein Gartow
1878 Verlegung des Friedhofs von der Buchhorst zur Hahnenberger Straße
1879 Bau einer eisernen Seegebrücke anstelle der bisherigen hölzernen
1884 Erhöhung der Hauptstraße in Gartow
1884 Anlage der Waldbahn zum Holztransport von Wirl nach Gartow (Sägewerke) und weiter
bis zur Elbe (ab 1889). Demontierung um 1949/50.
1885 Das Amt Lüchow mit den Gebietsteilen von Gartow wird aufgelöst und geht in den neu
geschaffenen Kreis Lüchow auf
1892 Graf v. Bernstorff bemüht sich vergebens um die Rückgewinnung des Amtsgerichtes
Gartow
1893 Ortsstatut für die Gemeinde Gartow
1906 In Gartow existiert eine Annahmestelle, ab 1924 eine Zweigstelle der „Kreis-Spar- und
Leihekasse Lüchow“
1908 Statut der Realgemeinde
1913 Gründung des Sägewerkes Werth im Ortsteil Hahnenberge (ab 1902 in Quarnstedt)
1916 Anlage eines Elektrizitätsnetzes im Ortsteil Hahnenberge für die Sägerei Werth
1920 Anlage eines Elektrizitätsnetzes in Gartow
1920 Eine private Kraftwagen-Verkehrsgesellschaft richtete einen Omnibusbetrieb
Dannenberg-Gartow-Schnackenburg ein
1921 Erstellung der Straßenbeleuchtung
1922 Aufhebung des Gartower Viehmarktes
1923 Einweihung Gedenkstein Gefallene des 1. Weltkrieges
1925 Die Post richtet die Omnibuslinie Dannenberg-Gartow-Schnackenburg ein, 1927
auch Lüchow-Gartow-Schnackenburg
1925 Die Gemeinde übernimmt das Elektrizitätsnetz von der in Konkurs gegangenen
Elektro-Genossenschaft
1925 Einrichtung des Kinderschützenfestes in Gartow
1925 Abhaltung des ersten Kirchenkreistages in Gartow
1927 Errichtung einer Tankstelle bei Delius
1929 Auflösung des Gutsbezirkes Gartow, Entstehen des Forstgutsbezirkes Gartow
1930 Trennung zwischen Kirche und Schule in Gartow
1930 Begründung der Volksschule Gartow
1933 Gründung der Ortsfrauenschaft Gartow
1933 Errichtung des Arbeitsdienstlagers Hahnenberger Straße
1935 Ausbau der Seege bis 1938 durch den Reichsarbeitsdienst,erneut 1957
1935 Bildung der Wassergenossenschaft für die untere Seege in Gartow
564
1936 Gartow wird als Fremdenverkehrsort bestimmt
1938 Ankauf des Gasthauses Krug und Einrichtung des Bürgermeisteramtes
1943 Auflösung der Jugendherberge Gartow, vermutlich 1925 gegründet
1943 Ausgebombte aus Hamburg, Hannover und Berlin finden zeitweise Aufnahme
in Gartow
1944 Die Barmer Ersatzkasse wird von Bremen nach Gartow evakuiert
1944 Einweihung des Gefallenen-Denkmals und Kriegsgräberstätte Buchhorst
1944 Aufstellung des Volkssturmbataillons Gartow
1945 Im März waren in Gartow 1056 Flüchtlinge, Ausgebombte und Evakuierte
untergebracht
1945 Im April dringen amerikanische Panzerwagen in Gartow ein. Infolge Panzerbeschuss
brennen mehrere Gebäude auf dem Gut Quarnstedt, das Torhaus auf dem Schlosshof
und Gebäude gegenüber der Kirche nieder. Zwei Personen finden hierbei den Tod.
1945 Durch Feindbeschuss werden durch Brand zerstört: v. Bernstorffsches Hospitalhaus,
Haus von Theodor Beyer, zwei weitere Wohnhäuser, Torhaus auf dem Schlosshof,
Gebäude auf dem Gut Quarnstedt
1945 Das Schloss wird Kreisalterheim mit 83 Insassen
1945 Seegebrücke wird gesprengt, Behelfsbrücke wird 1947 vom Hochwasser zerstört
1947 Aufstellung des Bebauungsplanes Hahnenberger Straße
1950 Die Gartower Schützengilde feierte ihr 100jähriges Bestehen
1950 Erster Frühjahrsmarkt der Nachkriegszeit in Verbindung mit dem Ferkelmarkt
1951 Der Bezirk Gartow wird in das Sanierungsgebiet Elbe/Jeetzel aufgenommen
1951 Ortssatzung der Gemeinde Gartow über besondere Anforderungen der Baugestaltung
und -pflege des Ortsbildes
1951 Bau der Grund- und Mittelschule Gartow (Mittelpunktschule, heute Grund- und Elbtalschule)
1951 Gründung des Forstverbandes Gartow und der Stierhaltungsgenossenschaft
1952 Gründung der Ortsgruppe Gartow des Heimkehrerverbandes
1952 Bau einer provisorischen Badeanstalt
1952 Marktordnung für die Gemeinde Gartow vom 6.6.1952
1954 Bau der neuen Tankstelle an der Springstraße
1954 Verkabelung der Freiluft-Fernsprechleitungen
1954 Asphaltierung der Hahnenberger Straße
1954 Neubau der Kreissparkasse
1954 Renovierung der Kirchenorgel
1954 Einrichtung einer „Fernsehstube“ in der Gastwirtschaft Strahmann
1956 Neubau der Seegebrücke
1956 Sturmschäden am 25.8.1956 in Gartow
1957 Ausbaggerungen in der Seege
1958 Bildung der Kalthausinteressengemeinschaft Gartow (Auflösung 2003)
1958 Gründung „Fremdenverkehrsvereinigung Höhbeck“
1962 Bildung der Samtgemeinde Gartow auf freiwilliger Basis
1965 Einrichtung der Realschule Gartow
1965 Bau des Feuerwehrgerätehauses (Bauhof 1983)
1966 Inbetriebnahme Schwimmbad (Waldbad)
1967 Inbetriebnahme Campingplatz (Erweiterung 1974 und 1992)
1967 Bau des Feriendorfes Am Helk
1968 Bau des Sportplatzes
565
1968 Bau einer Touristinformation Hahnenberger Straße
1969 Ausbau der zentralen Wasserversorgung
1969 Gründung des Wasserbeschaffungsverbandes (WBV) Höhbeck
1971 Bauleitplanung für Gartow unter Berücksichtigung des Tourismus
1972 Gesetzliche Bildung der Samtgemeinde Gartow (Gemeindereform)
1972 Baubeginn Gartower See, Einweihung 1976, westliche Erweiterung 1983
1973 Bau der Turnhalle
1973 Bau der zentralen Abwasserentsorgung, 2006 Übernahme durch den WBV Höhbeck
1973 Aufhöhung des Geländes Helk, Auf den Kämpen, Elsebusch mit Bodenaushub des
Gartower Sees
1974 Gründung der „Gartower See GmbH “ (1982 in „Kur- und See-Gesellschaft mbh
Gartow“ umbenannt)
1974 Ausweisung Landschaftsschutzgebiet Seegeniederung mit Gartower See
1974 Bau des linksseitigen Seegerückstaudeiches Gartow-Nienwalde (bis 1976) mit
Bodenaushub des Gartower Sees
1975 Freizeitanlagen am Gartower See
1976 Ausbau der Binnenentwässerung Gartow-Nienwalde
1977 Aufstellung des Landschaftsrahmenplans Gartow
1977 Einweihung Haus des Gastes
1977 Bau der Tennisplatzanlage
1977 Benennung von Gorleben als geplantes Endlager für abgebrannte Kernbrennstoffe
1978 Eröffnung Reitzentrum Gartow
1979 Beendigung der Dorferneuerung (62 teilnehmende Hauseigentümer)
1979 Bau der Friedhofskapelle
1980 Auflösung der Stiftung zum Heiligen Geist Gartow
1980 Gartow wird Luftkurort
1983 Der Omnibuskraftfahrdienst ging von der Post auf die Bahn über
1983 Neubau des Samtgemeinde-Dienstgebäudes
1988 Bau der Kurverwaltung/Touristinformation
1988 Ausweisung Naturschutzgebiet „Untere Seegeniederung“
1992 Bau der Wendland-Therme mit Solebrunnen
1995 Eröffnung Campingpark Gartow, 430 Stellplätze auf 8,5 ha
1998 Ausweisung Naturschutzgebiet „Obere Seegeniederung“
1998 Überfall auf die Poststelle (auch 1997)
1998 75 Jahre SPD-Ortsverein Gartow
1999 Kunst- und Handelsgärtnerei Horstmann besteht 100 Jahre
2000 150 Jahre Schützengilde Gartow, 75 Jahre Kinderschützenfest
2002 Ausweisung Biosphärenreservat Nieders. Elbtalaue
2003 Versetzung des Ehrenmals für die Gefallenen des 1. Weltkrieges von der Kirche zur
Kriegsgräberstätte Buchhorst
2005 Vertragsunterzeichnung „Natur erleben“ (Bahlsen-Stiftung)
Eröffnung Biber-Naturlehrpfad
2006 Unterhaltung der Seege geht auf den Unterhaltungsverband Jeetzel-Seege über
(vorher staatlich)
2006 60 Jahre Realschule Gartow
2006 Hohes Elbehochwasser
2007 Straßenbelag Hahnenberger Straße wird erneuert
566
2007 Gartow hat 1 378 Einwohner (2006: 1 402)
2007 Eröffnung Seeadler-Beobachtungsturm bei Nienwalde
2007 Gründung einer regionalen Energieagentur (EMMA)
2008 Elbtalschule Gartow wird Ganztagsschule
2008 Um- und Ausbau des Seepavillons „Salix“
2009 Eröffnung des „Penny“-Lebensmittelmarktes
2009 Männerchor Gartow besteht 20 Jahre
2010 Fusion Landvolkbezirksverband Gartow mit Trebel
2010 Eindeichung des Schlossgeländes mit einer Hochwasserschutzwand
2010 DRK-Seniorenheim Gartow saniert
2010 Kl. Gartower See entschlammt
2011 Hohes Elbehochwasser, Nacherhöhung der Deichstrecke Nienwalde-Gartow
2012 Einweihung Neubau Bootshaus (Segelclub Gartow)
2012 Lebensmittelmarkt Hildebrandt brennt nieder
2013 Sehr hohes Elbehochwasser,Stand in Gartow NN +19,82 m.Nacherhöhung des Deiches
Gartow-Nienwalde
567
KULTURVEREIN GARTOW E.V.
2016 kann der Kulturverein Gartow e.V. sein 70-jähriges Bestehen feiern. Gleich nach dem 2.
Weltkrieg regte sich das kulturelle Leben auch in Gartow wieder. Erste Aktivitäten begannen. 1966
folgte der Eintrag in das Vereinsregister.
Mit Vortragsreihen sowie eintägigen Studienfahrten machte sich der Verein über die Grenze der
Samtgemeinde Gartow hinaus einen Namen. Über 250 Mitglieder zählte der Verein, der demografische
Wandel macht aber auch hier nicht halt.
Die Vorträge zu Geographie und Kultur, zu Oekologie und Heimat vermitteln vielfältige Informationen.
In den Sommermonaten stehen Themen im Vordergrund, die vor allem Touristen interessieren.
Die Referenten kommen von nah und fern. Seit 1998 finden regelmäßige Theaterfahrten
nach Schwerin statt.
Der Kulturverein Gartow e.V. ist im Laufe seiner Entwicklung zu einem festen Bestandteil in der
kulturellen Szene des Landkreises Lüchow-Dannenberg geworden. Das Programm wird dem gesellschaftlichen
Wandel jährlich neu angepasst.
SPONSOrEN deR Gartow-chronik
Dankenswerterweise wurde durch private Spender sowie Sponsoren aus dem öffentlichen Bereich das
Erscheinen dieses Buches möglich. Dafür danken ihnen Herausgeber und Autor.
Gartower Wasser- und Deichverband
Gemeinde Gartow
Jagdgenossenschaft Gartow
Landkreis Lüchow-Dannenberg
Realverband Gartow
Rotary Club Lüchow-Dannenberg
Sparkasse Uelzen-Lüchow-Dannenberg
Unabhängige Wählergemeinschaft Gartow (UWG)
Voelkel Stiftung
Von Bernstorffsche Gutsbetriebe
568