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Gartow-Chronik_DRUCK

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Otto Puffahrt, Gartow - Vom Rittersitz zur Ferienregion


© 2016 Druck- und Verlagsgesellschaft Köhring GmbH & Co. KG

ISBN 978–3–926322–58–6

Das Buch ist urheberrechtlich geschützt. Alle dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der

Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem

Wege, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

Gesamtherstellung: Druck- und Verlagsgesellschaft Köhring GmbH & Co. KG, Lüchow


Otto Puffahrt

Gartow

Gartow vom Rittersitz zur Ferienregion

unter Mitarbeit von Elona Dreyer und Hans Martin Ulrich

Herrausgeber Kulturverein Gartow

Köhring Verlag

Lüchow


Inhalt 4

Geleitwort 9

Vorwort 10

Einleitung 12

Naturräumliche Gliederung 14

Gemarkung 15

Bodenbeschaffenheit 17

Klima 17

Landschaft 18

Binnendeichs-Stromland 19

Elbe-Vordeichsflächen 19

Naturschutzgebiete 20

Nebenflussniederungen 21

Talsand- und Dünengebiete 23

Die Seege 24

Alandüberleitung 32

Quellen und Literatur 34

Erste Erwähnung Gartows 35

Siedlungsentwicklung 36

Burg und späteres Schloss Gartow 39

Kämpferische, unsichere Zeiten im Frühmittelalter 43

Landesherrscher im Mittelalter 45

Brandenburg 45

Sachsen 45

Braunschweig - Lüneburg 46

Gartow im Besitz des Johanniter Ordens 49

Quellen und Literatur 51

Gartow als Grenzort bis 1719 53

Quellen und Literatur 60

Die Adelsgeschlechter in Gartow 61

Herren von (der) Gartowe (Charthowe) 61

Herren von Bülow 65

Wappensage der Familie von Bülow 66

Gartow unter der Herrschaft von Bülow 67

Wirtschafliche Aktivitäten 69

Dienste 71

Eigenmächtige Handlungen der von Bülow 71

Vergleich mit der Gartower Bürgerschaft 74

Zwangsbewirtschaftung und Übergang auf die Grafen von Bernstorff 76

Quellen und Literatur 81

4


Grafen von Bernstorff – Haus Gartow 83

Besitzzeiten derer v. Bernstorff 86

Abhängigkeit vom Haus Gartow 86

Dienste 87

Handwerker 89

Trauerbegleitung 90

Steuern und Abgaben 91

Quellen und Literatur 94

Amtsverwaltung 95

Quellen und Literatur 97

Justizwesen 98

Geschlossenes Gericht Gartow 98

Rechtspflege 107

Gerichtsbrüche und Geldstrafen Gartower Einwohner 112

Quellen und Literatur 119

Forst und Landwirtschaft 120

Gartower Wald 120

Quarnstedt 123

Vorwerk Gartow 125

Quellen und Literatur 127

Soziales Engagement des Hauses Gartow 128

Bauten für das gräfliche Personal 130

Quellen und Literatur 132

Kirchen-, Schul- und Sozialwesen 133

Notizen zur Kirchengeschichte 133

Friedhöfe 136

Gemeindeleben 138

Besoldung und Rechnungswesen 144

Gartower Pastoren 151

Kirchen- und Schulpatronate 162

Kindergarten 164

Schulen in Gartow 167

Mittelpunktschule Gartow 177

Realschule 178

Szola Podstawowa-Elbtalschule 179

Ambulante Pflege 181

Arzt und Apotheke 182

Bademutter/Hebamme in Gartow 185

Krankenverein 186

Krankenhäuser 186

Stiftung zum Heiligen Geist der Familien von Bülow und von Bernstorff 187

Senioren- und Pflegeheim 189

Quellen und Literatur 194

5


Gartows Entwicklung bis zur Aufhebung der Gerichtsverwaltung 1850 197

Konstituierung als Ort 197

Öffentliche Einrichtungen 201

Brandschutz und Feuerwehr 201

Brände in Gartow 204

Am 29. Mai 1721 abgebrannte Bürgerstellen 204

Am 25.September 1853 abgebrannte Bürgerstellen 207

Kirchenneubau nach dem Großbrand 1721 209

Gasthof 211

Gemeindewald 213

Gemeindewappen 216

Postwesen 216

Ratswall 221

Scharfrichterei/Abdeckerei 222

Schmiede 224

Sparkasse 225

Verkehrsverbindungen im Raum Gartow 227

Wegegesetz und Öffentlicher Personennahverkehr 233

Eisenbahn-Projekte 235

Seege-Brücken 238

Brückenzoll an der Seegebrücke 240

Quellen und Literatur 243

Franzosenzeit 245

Quellen und Literatur 259

Das Gemeinwesen Gartow im Wandel der Zeit 260

Verwaltung nach dem Landgemeinde-Gesetz von 1859 261

Gartower Ratsbuch 263

Gartower Ratsprotokolle 1862 - 1866 275

Gemeinde-Ausschuss 283

Gemeinde-Finanzen 284

Grundstücksverkehr und Bürgerstellen 286

Geburtsbescheinigung (ausgestellt vom Gartower Rat) 288

Gemeinde- und Gutsangelegenheiten 289

Grenzfestlegungen 291

Realgemeinde Gartow 294

Auflösung des Gutsbezirkes Gartow 295

Quellen und Literatur 299

Gartows Entwicklung von 1853 - 1971 300

Lokalhistorische Begebenheiten im Raum Gartow von 1853 - 1930 300

Elektrifizierung 300

Gartow 1900 - 1930: Aus der Sicht von Wilhelm Tege 304

Gefallene und Vermisste des 1. Weltkrieges aus Gartow 314

Gartow im Dritten Reich 321

Gartow 1930 - 1945: Aus der Sicht von Wilhelm Tege 321

Kriegszeit 1942 - 1945 327

6


Kämpfe in und um Gartow 339

Gefallene und Vermisste des 2. Weltkrieges aus Gartow 361

Quellen und Literatur 364

Das neue Bundesland Niedersachsen 365

Unmittelbare Nachkriegszeit und Wohnungsnot 365

Gartows Entwicklung 1947 - 1948 369

Aufbauzeit 1950 - 1954 375

Gartow 1950 - 1955: Aus der Sicht von Wilhelm Tege 386

Gartows Entwicklung 1956 - 1957 393

Quellen und Literatur 398

Grenzprobleme 399

Zollkommissariat Gartow 403

Quellen und Literatur 408

Gartows weitere Entwicklung 1961 - 1972 409

Gemeindereform und Bildung der Samtgemeinde Gartow 409

Gartow 1955 - 1961: Aus der Sicht von Wilhelm Tege 417

Weitere Bebauung und neue Bebauungspläne 422

Die Jahre 1970 - 1972 im Überblick 435

Partnerschaften 444

Bundeswehr 444

Prats-de-Mollo-la-Preste - Gartow 446

Sokolow Podlaski - Gartow 447

Quellen und Literatur 448

Wirtschaftsleben 449

Die wirtschaftliche Situation im Raum Gartow 449

Handel, Handwerk und Gewerbe 451

Biogasanlage Gut Quarnstedt 454

Holzwirtschaft 456

Kalthaus-Genossenschaft 463

Märkte 466

Landwirtschaft 470

Neuordnung der Flur 470

Bodennutzung im 20. Jahrhundert 473

Flurbereinigung und künftige Entwicklung 477

Viehbestand 480

Quellen und Literatur 481

Tourismus 483

Die Anfänge im Landkreis Lüchow-Dannenberg 483

Erste Überlegungen im Raum Gartow 485

Die Entwicklung nach 1970 490

Gartow wird Luftkurort 494

Ausbau des Tourismusangebotes 496

Campingplatz 501

Gartower See 502

7


Wendlandtherme 506

Höhbeck 508

Ökologie und Umwelt 510

Seeadler-Beobachtung in der Seege-Niederung 511

Quellen und Literatur 512

Wasserwirtschaft 513

Trinkwasser 513

Abwasser 516

Binnenentwässerung Gartow-Nienwalde 519

Hochwasserschutz 520

Quellen und Literatur 525

Das Gorleben-Problem 526

Quellen und Literatur 533

Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof 534

Alter Friedhof 534

Kriegerdenkmal des 1. Weltkrieges 534

Heldenfriedhof Gartow-Ehrenhain 535

2012: Umbettung von 13 Kriegstoten 535

Umbenennung vom Ehrenhain zur Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof 536

Aufstellung eines neuen Holzkreuzes 536

Personenregister 538

Sachregister 553

Zeittafel zur Geschichte Gartows 562

8


Geleitwort

Unser Ort Gartow ist erstmals 1225 urkundlich erwähnt worden. Mit dem Auftauchen des Begriffs

„derer von Ghartowe“ wird auch die Existenz eines Ortes Gartow sichtbar.

Bereits 1955/57 hat der verdienstvolle Kantor, Lehrer und Heimatforscher Rudolf Haberland

(1883 - 1968) viele Fakten zur Historie des Gartower Raums in seiner „Geschichte des Grenzgebietes

Gartow-Schnackenburg“ veröffentlicht. Während Haberland nicht nur Gartow, sondern

vor allem auch das geographische Umfeld in seine Forschungen einbezog, richtet Otto Puffahrt

den Fokus auf Gartow selbst, das seit Jahrhunderten als der zentrale Mittelpunkt dieses Gebietes

gelten muss. Eine nur auf Gartow (und Quarnstedt) bezogene geschichtliche Darstellung fehlte bisher.

Das ungebrochene Interesse an Heimatgeschichte motivierte Otto Puffahrt, die geschichtliche

Entwicklung Gartows tiefgründiger zu recherchieren und niederzuschreiben.

So wird die erstaunliche Entwicklung des Gemeinwesens Gartow unter dem Einfluss des Johanniterordens

und des Adels bis 1850 beleuchtet, aber auch die nicht weniger interessante Zeit der

vergangenen 160 Jahre bis heute. Hierbei war das Gräflich von Bernstorff’sche Archiv im Gartower

Schloss eine unschätzbare Hilfe. Die Gemeinde Gartow ist Andreas und Fried Graf von Bernstorff

für die großzügige Unterstützung und Auswertungserlaubnis ihrer Archivalien zu großem Dank

verpflichtet.

Otto Puffahrt, dem das Gartower Gebiet auch dienstlich als Wasserwirtschaftler am Herzen lag, recherchiert

und schreibt seit 35 Jahren zur Historie des Gartower Raums, schon 1990 wurde sein

Buch „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“ veröffentlicht. Sein uneigennütziger

Wunsch, die historische Überlieferung der Ereignisse in Gartow in einer umfassenden Chronik für

die Nachwelt sicherzustellen, ist ein großes Glück für Gartow. Dafür gebührt ihm große Anerkennung

und unser persönlicher Dank!

Bedanken möchten wir uns auch bei dem Kulturverein Gartow, der als Herausgeber große Anteile

am Erscheinen dieses Buchs hat, bei dem Gartower Gemeinderat und vielen nicht genannten

Unterstützern für ihr Engagement.

Mit der Vorlage dieses umfassenden Werks hat der Verfasser Otto Puffahrt, die vielleicht nur ihm

gegebene Möglichkeit genutzt, wesentliche Teile der Geschichte Gartows und Quarnstedts dem

Vergessen zu entreißen und uns Lesern zugänglich zu machen. Wir hoffen, dass Viele dieses Buch

lesen werden. Sie können darin wertvolles Wissen zu allen Fragen unserer Ortsgeschichte finden.

Ulrich v. Mirbach

Bürgermeister

Gemeinde Gartow

Christian Järnecke

Gemeindedirektor

Gemeinde Gartow

9


Vorwort

Um die Gegenwart in einem so geschichtsträchtigen Raum wie dem Gartower zu verstehen, ist es

wichtig, die Vergangenheit zu kennen. Otto Puffahrt ist es gelungen, die einmalige Aktenlage des

Schlossarchivs zu nutzen und eine Chronik des Fleckens Gartow vom 13. Jahrhundert bis heute

zu schreiben.

Schon Rudolf Haberlands Veröffentlichungen von 1955 - 1957 befassen sich ausführlich mit der

Geschichte des Grenzgebietes Gartow/Schnackenburg von vorchristlicher Zeit an bis zur Katastrophe

des Zweiten Weltkrieges. Sie sind eine wertvolle Quelle, nicht nur für heimatkundlich interessierte

Leser, sondern auch für Historiker.

Die Geschichte dieses Grenzgebietes wurde geprägt von germanisch/slawischen Auseinandersetzungen

im Mittelalter, später durch wechselnde Zugehörigkeit zu brandenburgischen bzw. lüneburgischen

Hoheitsgebiet und nach dem zweiten Weltkrieg schließlich durch die an ihrer Peripherie

verlaufende Demarkationslinie, welche nicht nur zwei unterschiedliche Systeme in Deutschland

sondern Westeuropa von Osteuropa über mehr als vier Jahrzehnte trennte.

Das Verdienst von Otto Puffahrt ist es, mit der Chronik von Gartow auch die Jahrzehnte nach dem

Zweiten Weltkrieg in den Fokus genommen zu haben. Darüber hinaus spannt der Verfasser den

Bogen zurück bis zum Mittelalter. Die Urkunden belegen, dass schon 1125 etwa dort, wo das

heutige Schloss steht, die Herren von der Chartowe auf einer Burg residierten. Der Heimatforscher

Alfred Pudelko, seinerzeit Direktor der Gartower Mittelschule, weist auf eine Kette von Burgen im

Gartower Umfeld hin. Diese wurden teilweise, wie der Elbholzer Burgwall, von den Elbslawen gebaut

und verteidigt. Andere, wie die Gartower Burg, waren deutsche Befestigungsanlagen.

Die Chronik befasst sich in der Nachfolge der Herren von der Chartowe mit einem kurzen für

Gartow wichtigen Zeitabschnitt im 14. Jahrhundert. Der Johanniterorden hatte die Gartower Herrschaft

in Besitz genommen und der gewählte Herrenmeister lenkte von hier aus die Geschicke des

Ordens im deutschen Bereich.

Anfang des 15. Jahrhunderts residierten die Bülows für 250 Jahre in der Gartower Burg, bis der

Staatsmann Andreas Gottlieb von Bernstorff 1694 die Grundherrschaft Gartow mit Burg und Gütern

von den Bülows erwarb. Das Wirkungsfeld dieser Persönlichkeit fand seinen Niederschlag in

einer totalen Neuordnung der vorgefundenen Situation, in der Begründung eines geschlossenen

adeligen Gerichtes und in der Gestaltung nahezu landesherrlicher Verhältnisse, die er seinem

Dienstherrn, dem Herzog Georg Wilhelm von Celle/Lüneburg abringen konnte. Die nachfolgenden

Bernstorff´schen Generationen befassten sich mit Großaufforstungen der devastierten Heideflächen,

entwässerten die Moore, und übten sich in Bautätigkeiten, welche in Gartow, den umliegenden

Dörfern und Forstorten nachhaltig das Orts- und Landschaftsbild mit geprägt haben. Noch

heute ist der Bernstorff´sche Besitz in seiner ursprünglichen Größe und Gestalt erhalten und von

mir zur treuhänderischen Verwaltung an meinen ältesten Sohn übergeben.

Einen besonderen Schwerpunkt legt die Chronik auf die Entwicklung der bürgerlichen Eigendynamik,

die sich in landwirtschaftlicher Betätigung, Handwerk und Handel äußerte. Obwohl drei

Brände Gartow im Verlauf der letzten Jahrhunderte ganz oder teilweise vernichteten, gelang der

Wiederaufbau mit vereinten Kräften und das Gemeinwesen konnte sich von diesen Schlägen erholen.

Gartow entwickelte sich im Lauf der Zeit zu einem Ort mit vielfältigen Angeboten und einer

intakten Infrastruktur. Allerdings bereitet die Abwanderung der jungen Generation, die von dem

10


Zuzug einiger Neubürger kaum kompensiert werden kann, der ortsansässigen Bevölkerung zu

nehmend Sorgen.

Dennoch, das historische Ortsbild von Gartow mit Schloss, Kirche und den schönen Bürgerhäusern

in Fachwerkbauweise, die Lage im Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“ mit der

einmaligen schönen Landschaft im Gartower Umfeld mit seinen Elbauen und den ausgedehnten

Kiefernwäldern sind beste Voraussetzungen für die Weiterentwicklung eines Natur- und Ferienparadieses.

Bisher fehlte eine nur auf Gartow bezogene geschichtliche Darstellung, eine Lücke, die jetzt von

Otto Puffahrt geschlossen worden ist. Wir haben unser Schlossarchiv für diese Chronik mit den

noch vollständig vorhandenen Urkunden und Dokumenten vom Mittelalter bis heute hierfür umso

lieber geöffnet, als Herr Puffahrt mit uns über 30 Jahre verbunden ist. Während dieser Zeit hat

er nicht nur unendlich viele Ereignisse aus der Gartower Geschichte veröffentlicht, sondern auch

dafür gesorgt, dass die im Archiv ruhenden Urkunden und Akten einem großen Kreis von Interessenten

zugänglich wurden.

Andreas Graf v. Bernstorff

April 1994: Schloss Gartow, Sitz der Familie von Bernstorff

11


Einleitung

Erinnern und Bewahren sind in der Heimatgeschichtsforschung zwei immer wiederkehrende Begriffe,

um die Wichtigkeit chronikalischer Aufzeichnungen zu unterstreichen. Das Zusammenfassen

geschichtlicher Teilüberlieferungen in Form von Ortschroniken dient diesem Ziel. Vor unserer

Generation gibt es Geschichte, nach uns wird sie es auch geben. Wir Menschen sind in die Geschichte

zwangsläufig eingebettet und sie sollte uns mehrheitlich interessieren, damit Entwicklungen

sichtbar und nachvollziehbar werden sowie zu verstehen, warum die Gesellschaft und Kultur

die heutige Stufe erreicht hat.

Ausgewertet und wiedergegeben werden kann nur das an Informationen, was vorausschauend

aufgezeichnet und über die Zeitläufe bewahrt worden ist. Das so genannte Quellenmaterial, bestehend

aus Archivalien, persönlichen Aufzeichnungen, Büchern, Broschüren, Zeitungen, Aufsätzen,

mündlicher Überlieferung und anderem mehr, ist die Substanz; von der ausgegangen wird. Bei

der Abfassung der hier vorliegenden Chronik Gartow ist das nicht anders. Erst relativ spät haben

geschichtsbewusste Einwohner im Raum Gartow begonnen, historische Geschehnisse einem breiteren

Publikum durch Veröffentlichungen nahe zu bringen und in unsere Zeit hinüber zu retten.

Das gilt für das zunächst kirchliche Gemeindeblatt: „Heimatbote. Gemeindeblatt für den Synodalbezirk

Gartow“ ab 1913, herausgegeben und unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten und abgewandelter

Form und Inhalt bis in die Gegenwart als „Samtgemeinde-Bote“ fortgeführt.

Aus dem früher bestehenden und in Verlust geratenen Ortsarchiv Gartow sind in den früheren Ausgaben

des Heimat- und Samtgemeinde-Boten wichtige geschichtliche Vorgänge zum Gemeinwesen

veröffentlicht worden, die sonst unweigerlich dem Vergessenwerden anheim gefallen wären.

Als wichtigste Quelle und geradezu als Glücksfall ist das umfängliche, mehr als drei Jahrhunderte

aufgebaute und gepflegte Gräflich von Bernstorffsche Gutsarchiv Gartow zu bezeichnen. Ohne

Zurverfügungstellung der dort verwahrten Archivalien wäre es schwer möglich gewesen, eine Orts-​

chronik in der vorliegenden Form zu erarbeiten. Es ist daher dem geschichtsbewussten Grafen

Andreas von Bernstorff an dieser Stelle sehr zu danken, dass er sein Privatarchiv ohne Einschränkungen

öffnete und damit dieser Chronik den vorliegenden historischen Gehalt gab.

Dem Chronisten und früheren Lehrer Rudolf Haberland haben wir eine kompakte Geschichtsüberlieferung

in Form seiner ab 1955/57 in drei Bänden und 1988 vom Köhring-Verlag Lüchow nachgedruckten

veröffentlichten „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“ zu verdanken.

Hierbei wird historisch der regionale Raum unter Einbeziehung ortstypischer Geschehnisse

und Entwicklungen betrachtet, ersetzt jedoch keine Ortschronik von Gartow. Dennoch ist seine

Veröffentlichung weiterhin unentbehrlich und wird von der hier vorliegenden Chronik nicht ersetzt

sondern ergänzt.

Die übrigen Fleckensgemeinden im Landkreis Lüchow-Dannenberg wie Bergen/D., Clenze und

Wustrow verfügen inzwischen über Ortschroniken. Deshalb war es überfällig, auch für Gartow eine

zusammenfassende geschichtliche Darstellung vorzulegen. Die nachfolgende Berichterstattung

kann schwerlich sämtliche Themenbereiche erschöpfend behandeln, es musste eine Konzentration

auf die wichtigsten Geschehnisse erfolgen.

12


In der Ortschronik Gartow werden verschiedentlich der Einfluss und die Abhängigkeit von den

Familien von Bülow und von Bernstorff auf Teile der Ortsgeschichte deutlich. Dennoch ist zu ihrer

Familien- und Gutsgeschichte in dieser Chronik bewusst wenig enthalten, um vielmehr die Geschehnisse

im Gemeinwesen Gartow hervorzuheben. Es wird daher auf andere Literatur verwiesen

(Rudolf Haberland: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, Lüchow 1988,

359 S.; Werner Graf von Bernstorff: „Die Herren und Grafen v. Bernstorff. Eine Familiengeschichte“,

Celle 1982, 400 S., Otto Puffahrt: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow

1990, 139 S.; Otto Puffahrt: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff

in und um Gartow“, Gartow 1994, 353 S.; Eckart Conze: „Von deutschem Adel. Die Grafen von

Bernstorff im 20. Jahrhundert“, Stuttgart/München 2000, 560 S.).

Die als Quelle angegebenen Signaturen beziehen sich auf Archivalien des Gräfl. v. Bernstorffschen

Gutsarchivs Gartow. Nicht immer hat die Aktenlage es hergegeben, allen Namen auch die Vornamen

zuzuordnen. Ihre Recherche hätte einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert.

Gartow hat besonders nach 1945 eine Entwicklung durchlaufen, die von vielen Änderungen

geprägt ist: Abseitslage infolge hermetischer Grenzabriegelung, dadurch wirtschaftliche Erschwernisse,

Umorientierung zum Ausbau des Tourismus mit staatlichen finanziellen Hilfen zur

Verbesserung der Infrastruktur und Ausweitung der Bebauung aber auch im Schatten des Erkundungsbergwerkes

und des Zwischenlagers Gorleben. Die Geschichte läuft weiter: Erinnern und

Bewahren werden auch in Zukunft Anlass sein, die Geschichte Gartows fortzuschreiben. In dieser

Chronik ist die Geschichte der Vereine und Verbände nicht enthalten. Sie bleibt einer gesonderten

Veröffentlichung vorbehalten. Die Zeittafel kann notwendigerweise nicht vollständig sein. In einer

eventuellen neuen Auflage wird sie ergänzt und fortgeschrieben.

Für die vielfältige Unterstützung möchte ich mich bei den Einwohnern Gartows bedanken, vor allem

bei Irene Schmidt, Adolf Blütling, Karl-Heinz Schwerdtfeger und Horst Wirth. Elona Dreyer hat

das Manuskript erstellt, die notwendigen Korrekturen mit viel Geduld ausgeführt und Hans Martin

Ulrich hat die Arbeit als pensionierter Verlagslektor begleitet.

Die Herausgeberschaft der Chronik ist vom Kulturverein Gartow, 1. Vorsitzender Berthold Sturm,

Trebel übernommen worden, wofür an dieser Stelle gedankt wird. Ebenso wird ein Dank an die

Samtgemeinde Gartow und die Gemeinde Gartow für anderweitige Unterstützung abgestattet. Das

Team des Köhring-Verlages in Lüchow hat den Druck optimal gestaltet, auch hierfür meinen Dank.

Und schließlich geht auch ein Dank an die Sponsoren, welche die Finanzierung des Buches sicherten.

Anmerkung: Es bedeuten GR = Geldregister des gräflich von Bernstorffschen Archivs in Gartow

Rtlr = Reichsthaler und ggr. = gute Groschen.

Gartow/Lüneburg im September 2015

Otto Puffahrt

13


Naturräumliche Gliederung

Gartow liegt in einer interessanten, abwechselungsreichen und vielgestaltigen Landschaft, die

einerseits von der Niederung, andererseits von der Geest geprägt wird. Die Ortslage befindet sich

einigermaßen hochwasserfrei im Übergangsbereich der beiden Landschaftsräume, mit der Bebauung

jedoch auf der Talsandplatte mit umfangreichen ehemaligen Dünenfeldern, die heute vom

Gartower Forst bedeckt wird.

Als Teil der Mittelelbe-Niederung und speziell als Gartower Elbniederung bezeichnet umfasst siefolgende

drei voneinander abzugrenzende Kleinlandschaften:

01. Den Höhbeck, eine aus der Elbeniederung herausragende und NN +60,00 m erreichende

Sand- und Geröllinsel, die während der letzten Eiszeit entstand. Der Nordrand ist erheblich

steil und am Ostrand befinden sich kleine Tälchen.

02. Die Niederungsebene zwischen Brünkendorf/Pevestorf östlich an den Höhbeck anschließend,

am Aland vorläufig endend. Sie wird gebildet von einer Fläche, die über NN +17.50

m Höhe liegt und in alten Urkunden als „Insel Krummendiek“ (Krummendeich) bezeichnet

wird und

03. Südlich anschließend die Seegeniederung etwa 1 m niedriger als die übrige Gartower

Marsch. Sie trennt zwischen Geestplatte und Elbeniederung sowohl den Höhbeck als auch

die ehemalige Insel Krummendiek von den übrigen Landschaftsteilräumen. Prägende

Gewässer sind Elbe und Seege, wobei die Seege mit ihren Hochwassern aber auch dem

Grundwasserstand die Bestimmendere ist. Die Niederungsgebiete Meetschow/Gorleben,

Laasche, Gartow/Nienwalde und der Bereich Pevestorf-Schnackenburg sind mit Hochwasserdeichen

vor unzeitigen Überflutungen geschützt. Die jeweiligen Elbhochwasser jedoch

schwingen ungehindert in die Seegeniederung ein und überfluten diese im Extremfall bis in

die Altmark.

Eingedeichte Orte wie Restorf, Quarnstedt, Holtorf, Kapern, Gummern und Schnackenburg sind

auf damals vorhandenen Sanddünen, unterstützt von künstlichen Aufhöhungen, gegründet worden.

Auch der Flecken Gartow befindet sich teilweise auf natürlichen und künstlich erhöhten

Flächen. Der gesamte Bereich gehörte zum Urstromtal der Elbe, als der über Norddeutschland

liegende Eispanzer abschmolz und durch ungeheure Wasserkraftentwicklung, unterbrochen von

Perioden einer ruhigeren Wasserführung, sich Sand- und Tonablagerungen bildeten. So finden

sich heute an der Oberfläche im Niederungsgebiet ausgedehnte, jedoch nicht zusammenhängende

Lehm- und Tonschichten über Feinsand. Wo diese fehlen, tritt Qualmwasser aus. Acker- und

Grünlandwirtschaft wechseln sich ab, während die sterilen Sandboden enthaltende Geestplatte

ausgedehnte Kiefernforsten trägt. Dort finden sich Reste einstiger Hochmoore. Dieses Gebiet ist

siedlungsleer. 1

14


Der Gartower Raum in der Regionaltopographie

Gemarkung

Hervorgegangen sind die Abgrenzungen der Gemarkungen aus den im 19. Jahrhundert durchgeführten

Gemeinheitsteilungen und Verkoppelungen, die zu neuen Feldmarkszuschnitten führten.

Die Zuweisung von Grundstücken an die einzelnen Hof- und Hausstellen brachte deshalb völlig

andere Besitzverhältnisse mit sich. Aus diesem Verfahren bildete sich auch die Gemarkung Gartow

heraus. Bis 1929 nahm die Gemarkung Gartow nur eine bescheidene Grundfläche ein, im Wesentlichen

nach Nordwesten, Westen und Südwesten ausgreifend. Schäferkamp, Buchhorst und

das Schlossareal, wie auch der sehr umfangreiche Gemarkungsteil Quarnstedt, gehörten nicht

dazu. Etwa drei Mal soviel Fläche, wie die ursprüngliche Gemarkung Gartow nahm die Gemarkung

Gartow-Gut ein, die dem Haus Gartow (v. Bernstorff) gehörte. Es waren ausgedehnte Flächen

Richtung Nienwalde, Kapern, Holtorf und Elbe. Im Jahre 1929 wurde der Gutsbezirk Gartow mit

der Gemarkung Gartow vereinigt und erhielt die heutige Größe. Später sind die Wohnplätze Falkenmoor

und Rucksmoor der Gemarkung angegliedert worden. Heute ist die Gemarkung in 18

Flurabteilungen gegliedert. Der Forst Gartow ist gemeindefreies Gebiet. 2

15


Bodenrichtwertkarte

16


Bodenbeschaffenheit

Durch Verwitterungs- und Zersetzungsprozesse entstanden verschiedene Bodenarten. Infolge der

naturgestaltenden Kräfte wie Wasser, Eis und Wind sind die Bodenarten über sehr lange Zeiträume

hinweg ver- und abgelagert worden. Geologisch betrachtet, befinden sich Teile von Gartow auf

„Flugsand in flächenhafter Verbreitung, holozän, z.T. pleistozän“. Also Sande aus der sehr lange

zurückliegenden Holozän-Weichsel-Kaltzeit. Fast der gesamte Gartower Forst befindet sich auf

solchem sterilen Flugsand.

Die niedriger gelegenen Teile von Gartow zur

Elbmarsch hin sind „fluviatile Ablagerungen“

auf einer „Niederterrasse“, ebenfalls aus der

Weichsel-Kaltzeit, die dem Erdzeitalter Pleistozän

angehört. Derartige Ablagerungen (Auensedimente)

bestimmen das gesamte Seegetal

und die Niederung zwischen dem Höhbeck

und Schnackenburg. Konkret befindet sich die

Ortslage Gartow auf drei verschiedenen Bodentypen,

die sich in drei langgestreckten Bändern

von Nordwest nach Südost erstrecken.

Das erste, die Altanlage von Gartow tragend,

enthält Gley-Podsole, in höheren Lagen Podsol-

Braunerden, in tieferen Lagen Gleye. Dies sind

mäßig trockene, stellenweise trockene oder

feuchte, grundwasserbeeinflusste Sandböden.

Südlich davon schließt sich ein weiteres Band

mit Gleye und Anmoorgleye, örtlich von geringmächtigen

Mooren durchsetzt, an. Das sind

feuchte bis nasse, grundwasserbeeinflusste

Sandböden, z.T. lehmig, örtlich moorig. Im Bereich

Hahnenberge wird das dritte anschließende

Band von Dünensand, Podsole und

Ranker enthaltend, beherrscht. Das sind sehr

trockene, nährstoffarme, lockere Sandböden,

zudem leicht verwehbar. Während die ersten

beiden Bodenbänder die grundwassernahe,

ebene Geest darstellen, ist das Bodenband bei

Hahnenberge grundwasserfern. Infolge Geländeaufhöhungen

sind Teile der zuvor beschriebenen

Böden künstlich überlagert worden. 3

Binsen als Zeigerpflanzen für Nass-Standorte

Klima

Gartow liegt im Einflussbereich des Klimabezirks „Elbniederung“, der südlich daran anschließende

Gartower Wald gehört bereits zum Klimabezirk „Altmark“. Es herrschen Winde aus westlichen

Richtungen vor, wobei im Dezember die südwestlichen Winde verstärkt auftraten (Zeitperiode

1901 - 1950). Über das Jahr gesehen sind Winde aus West und Südwest häufiger als Nordwestwinde

registriert worden.

Die Temperaturverteilung im Zeitraum 1881 - 1930 schwankte jahreszeitlich bedingt, wobei sich

die mittlere Lufttemperatur in Gartow im Januar zwischen 0 und minus 1°C, im April zwischen 7

und 8°C, im Juli zwischen 17 und 18°C und im Oktober zwischen 8 und 9°C bewegte. Im Winterhalbjahr

traten jährlich zwischen 80 und 100 Frosttage auf, wobei das mittlere Datum des

einsetzenden Frostes beim 23. Oktober und des letzten Frosttages beim 24. April lag (gemessen

in Dannenberg in der Zeitperiode 1881 - 1940). Die Dauer der frostfreien Zeit beträgt im Mittel

jährlich 181 Tage, gemessen in 2 m Höhe über dem Erdboden.

In der Zeitperiode 1881 - 1930 hat es jährlich zwischen 20 und 30 Tage gegeben, an denen eine

Temperatur von mehr als 25°C herrschte. Die Zahl der trüben Tage lag bei weniger als 140 Tagen

17


im Jahr, die der heiteren bei mehr als 40 und die Nebeltage zwischen 50 und 100 (Zeitperiode

1921 - 1940). Im Juni eines jeden Jahres schien die Sonne an 8,2 - 8,4 Stunden, im Dezember nur

an 1,0 - 1,2 Stunden (Zeitperiode 1934 - 1943).

Ebenso wie die Lufttemperatur ist der Niederschlag über das Jahr gesehen ungleich verteilt. Im

Jahresmittel fielen in der Zeitperiode 1891 - 1930 in Gartow zwischen 600 und 650 mm Niederschlag,

ebenso im Gebiet des Gartower Forstes. Außerhalb davon erreichte der Niederschlag

Werte zwischen 550 und 600 mm. 4

Landschaft

Es waren die Naturkräfte Wasser, Eis und Wind, die die heutige Landschaft von selbst schufen,

wobei in den vergangenen Jahrtausenden verschiedene Vegetations- und Faunastufen durchlaufen

wurden. Die landschaftsmodellierenden Kräfte nach der letzten Eiszeit und die Schmelzwasserperiode

haben Geest und Niederung geschaffen. Für lange Zeit war die Urstromlandschaft der

Elbe – durchzogen von zahlreichen mäandrierenden Elbarmen– einerseits siedlungsfeindlich, andererseits

infolge ihrer Fruchtbarkeit ein Anziehungspunkt für einzelne Siedler, die frisches Wasser,

Fischreichtum, fruchtbaren Boden und den Wasserweg Elbe vorfanden. Wegen der latenten

Überschwemmungsgefahr aber blieb das rd. 8 - 10 km breite Urstromtal fast unbesiedelt. Erst mit

dem Deichbau, wohl im 13. Jahrhundert, war es den Siedlern möglich, sesshaft zu werden. Das

jedoch nur bedingt, denn es drohten immerhin noch Deichbrüche. Deichbau und zeitgleiche Entwässerung

der Marschlandschaft waren die ersten großen Eingriffe in das Landschaftsgefüge und

mit den anschließenden, in rd. 800 Jahren vollzogenen Veränderungen, besteht heute eine vom

Menschen gestaltete Kulturlandschaft mit naturnahen Einzelelementen. Im Gegensatz zu anderen

Landschaften bewahrte sich die Gartower Region eine gewisse Eigenart und Vielgestaltigkeit,

nicht umsonst besuchen zahlreiche Naturliebhaber gerade diese Landschaft. Auch Naturwissenschaftler

werden von ihr angezogen und finden ein weites Forschungsfeld, wie folgende Aussagen

verdeutlichen:

„In der Gartower Elblandschaft finden sich wie an keiner anderen Stelle Verhältnisse, die auch

heute noch den Eindruck vom ursprünglichen Zustand des Elbtales zu vermitteln vermögen. Der

in unserer Zeit reliktäre Charakter der Flussniederungen um den Höhbeck gewinnt noch zusätzlich

an Bedeutung dadurch, dass die hier lebende Flora und Fauna auch in ihrer ursprünglichen Situation

bereits durch Besonderheiten charakterisiert war. Das beschriebene Gebiet liegt im Grenzbereich

zweier biogeographischer Regionen. Es handelt sich somit um eine der biologisch sehr interessanten

und problemreichen Überschneidungszonen. Neben tierischen und pflanzlichen Arten

aus dem atlantischen Klimaraum finden sich hier solche, deren Vorkommen für das kontinentale

Europa charakteristisch ist.“

„In diesem Gebiet lebt ein hoher Prozentsatz von Arten, die – weil vom Aussterben bedroht – geschützt

oder aber andernorts in Norddeutschland seit dem vorigen Jahrhundert nicht mehr zu

finden sind.“ 5

Sind geologische, hydrologische und klimatische Verhältnisse der Gartower Elblandschaft einerseits

die Grundlage einer heute einmaligen Vielfalt in Flora und Fauna mit außergewöhnlichem

Rang für die naturwissenschaftliche Forschung und Lehre, so sind sie gleichzeitig auch Ursache

extrem ungünstiger Produktionsbedingungen für die Landwirtschaft. Der trotz Bedeichung immer

noch bestehende Einfluss der Elbwasserstände auf den Wasserhaushalt der Böden und ihre Nutzung

ist dabei ein ausschlaggebender Faktor.

18


Wegen der permanenten Überschwemmungsgefahr wird in der Seegeniederung seit Jahrhunderten

lediglich Gründlandbewirtschaftung betrieben, während in den eingedeichten Gebieten Ackerund

Grünlandnutzungen miteinander wechseln. Der Geestbereich wird seit etwa 250 Jahren intensiv

forstwirtschaftlich genutzt, wo vorher ausgedehnte Heideflächen, rudimentäre Einzelwäldchen

und z.T. Wanderdünen das Landschaftsbild bestimmten. Der dortige Sandboden ließ letztlich nur

solche Nutzung zu. Lediglich das Elbholz im Niederungsgebiet mit rd. 160 ha Fläche ist ein Au​waldrest

von hohem ökologischem Wert.

Landschaftsprägend im Niederungsgebiet aber auch in anderen Gebieten sind die aus Eichenbäumen

bestehenden Alleen wie die Elbholzallee bei Quarnstedt, bei Holtorf, an der Straße nach

Kapern, an der Buchhorst, an der Straße nach Nienwalde, das Elbholz selbst sowie zahlreiche

Einzeleichen verstreut in der gesamten Landschaft. Begründet wurden sie durch die Tätigkeit während

der von Bernstorffschen Gutswirtschaft, als viele Bäume und Büsche gepflanzt wurden. Sie

beleben das Landschaftsbild noch heute unübersehbar.

Binnendeichs-Stromland

Nur kleine Bereiche des Binnendeichs-Stromlandes sind ungenutzt. Der überwiegende Teil des

Binnendeichs-Stromlandes wird als Grünland- oder Ackerfläche genutzt, wobei tendenziell die Umwandlung

von Dauergrünland in Grasacker oder Acker zunimmt. Örtlich sind außerdem Obstplantagen

zu finden.

Die landwirtschaftlich genutzten Flächen sind von Grabensystemen durchzogen.

Auf den extensiver genutzten Grünlandflächen kommen gefährdete Biotoptypen wie artenreiche

Flutrasen, wechselnasse Stromtalwiesen, nährstoffreiche Nasswiesen und Sand-Magerrasen vor.

Wesentliche naturnahe und bedingt naturnahe Biotoptypen sind: Röhrichte, Seggenrieder, meist

kleinflächig Eichenmischwälder (Hartholzaue) oder Weidenauwälder, Auengebüsche oder Feuchtgebüsche,

Altarme, naturnahe Bachabschnitte, Bracks, Qualmgewässer oder naturnahe Abbaugewässer.

Wald nimmt nur einen geringen Flächenanteil ein und wird im allgemeinen neben jüngeren, gelegentlichen

Pappelanpflanzungen durch Reste von Auwäldern bestimmt.

Elbe-Vordeichsflächen

Teilbereiche der Vordeichsflächen sind ungenutzt oder sehr extensiv grünlandwirtschaftlich oder

forstlich genutzt. Wesentliche naturnahe oder weitgehend naturnahe Biotoptypen sind: ausgedehnte

Uferstaudenfluren, Röhrichte, Pioniervegetation, Flutrasen, kleinflächiger Magerrasen, Auengebüsche

und vereinzelt Auwaldreste (Eichen-Auwald, Weiden-Auwald).

Andere Teilbereiche sind durch extensive bis intensive Mähweidenutzung, Beweidung mit Rindern,

Pferden und Schafen gekennzeichnet. Hier wird die Pflanzendecke in Abhängigkeit von sandigem

oder schlickigem Untergrund, Dauer der Überflutung, Grundwasserspiegel und Nutzungsintensität

von unterschiedlichen Grünlandgesellschaften und kleinflächigen Sand-Magerrasen gebildet.

Bemerkenswert ist hier als Besonderheit des Naturraums der häufig kleinräumige Wechsel von

Flutrasen, wechselnassen Stromtalwiesen und Sand-Magerrasen.

Die Vordeichsflächen sind reich an Gewässern wie Altwässer, Flutmulden, Kolke und Bracks. Auf

Teilflächen stocken Bestände bzw. Einzelexemplare alter Eichen, Pappeln oder Weiden als Reste

ehemaliger Auwälder.

19


Naturschutzgebiete

Obwohl die Landschaft um Gartow, wie fast alle Landschaftsräume in Deutschland, stark vom

Menschen beeinflusst wurde und daher eine Kulturlandschaft darstellt, hat sie sich dennoch Eigenheiten

bewahrt, die sie liebens- und schützenswert macht.

Es ist die Zusammensetzung des Landschaftsmosaiks, welches den visuellen Reiz und biologisch

betrachtet, die Vielgestaltigkeit der einzelnen Naturteilräume ausmacht. Dieses Ensemble von

Marsch- und Geestlandschaft, der das Landschaftsbild prägende Höhbeck, das Elbholz, die Elbe

und die Seege als lebesspendende Wasseradern, der Gartower Wald in seiner ganzen Ausdehnung,

die künstlich begründeten Alleen, die das Landschaftsbild auflockernden vielen Einzelbäume,

die Bracks und nicht zuletzt die weiten Wiesenflächen und Äcker ergeben eine interessante

und abwechslungsreiche Landschaft. Ferner beleben der Gartower und der Laascher See sowie

die naturnah gestalteten Bodenentnahmen für den Deichbau die Landschaft zusätzlich. Auch das

zeitweilige Auftreten von Qualmwasser und die jährlich wiederkehrenden Hochwasser gehören

dazu. Die untere Mittelelbe-Niederung, zu dem der Bereich Gartow gehört, hat überregionale, ja

gesamtstaatliche Bedeutung als Lebensraum seltener und bestandsgefährdeter Pflanzen- und

Tierarten sowie auch als Feuchtgebiet. Nach der Wiedervereinigung ist 1992 eine „Naturschutzfachliche

Rahmenkonzeption“ für ein 129100 ha umfassendes Gebiet zwischen Quitzöbel (Sachsen-Anhalt)

und Sassendorf (Niedersachsen) erarbeitet worden, in der auf 147 km Lauflänge der

Elbe die Besonderheiten hinsichtlich des Naturschutzes in einem Gebietsstreifen beiderseits der

Elbe herausgestellt werden.

Da die Gemarkung Gartow von der Geest bis zur Elbe reicht, wird daher auch die ganze Bandbreite

der räumlichen Natur- und Landschaftselemente berührt. Aus der Rahmenkonzeption wird zitiert:

„Die gesamte Elbtalaue ist vor rd. 30 Jahren zu einem „Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung“

gemäß der Ramsar-Konvention erklärt worden. Zu jenem Zeitpunkt sind große Teile dieses

Gebietes ferner als Landschaftsschutzgebiete im Zusammenhang des Naturparkes Elbufer-Drawehn

ausgewiesen worden. Letzterer ist 2006 um 56722 ha auf nunmehr 115994 ha vergrößert

worden, was fast eine Verdoppelung der ursprünglichen Fläche ausmacht.“ 6

Politisch forciert sind in der Folgezeit im Raum Gartow-Schnackenburg Naturschutzgebiete festgesetzt

worden: am 2. April 1986 „Alandniederung/Garbe“ mit 315 ha Fläche, am 12. Februar 1988

„Untere Seegeniederung“ mit 760 ha Fläche und am 2. März 1998 „Obere Seegeniederung“ mit

443 ha Fläche, ferner die Pevestorfer Wiesen und Papenhorn mit 416 ha Fläche. 7

Als Zweck zur Ausweisung von Naturschutzgebieten dient folgende Argumentation:

„Die Naturschutzgebiete erfassen Landschaftsteile des Urstromtales der unteren Mittelelbe, in

denen stromtaltypische, naturnahe Lebensräume erhalten sind oder wo sich in Folge einer standortangepassten

Nutzung charakteristische Lebensräume der Kulturlandschaft entwickelt haben.

Die überwiegend durch Grünland, Wälder oder Gewässer geprägten Landschaftsteile zeichnen

sich durch hervorragende Schönheit, besondere Vielfalt oder Vorkommen seltener bzw. gefährdeter

wildwachsender Pflanzenarten bzw. wildlebender Tierarten aus.“

Zahlreiche Nutzungsverbote und -einschränkungen für die Landwirtschaft, Wirtschaft, Jagd und

Tourismus sind damit verbunden.

Überlagert wurden alle Schutzmaßnahmen vom „Gesetz über das Biosphärenreservat Niedersächsische

Elbtalaue“ vom 14. November 2002, wodurch die innerhalb des Reservats gelegenen

Naturschutzgebiete darin aufgingen, ebenso die zuvor bestandenen Landschaftsschutzgebiete

20


mit den zugehörigen Verordnungen und Vorschriften. An ihre Stelle traten nunmehr die Bestimmungen

des Gesetzes. Auch hier gelten Einschränkungen der Nutzung, Verbote und ergänzende

Regelungen. 8

Natur- und Landschaftsschutzgebiete nach dem Stand 1991 (schwarze Flächen: Naturschutzgebiet)

Nebenflussniederungen

Wesentliche naturnahe und bedingt naturnahe Biotoptypen sind Röhrichte, Seggenrieder, Uferstaudenfluren,

Ufer-Pioniervegetation, Binsensümpfe, Auengebüsche oder Feuchtgebüsche, kleinflächig

Erlen- oder Birken-Bruchwälder, kleinflächig Auwaldreste, kleinflächig bachbegleitende

Erlen-Eschenwälder, naturnahe Fluss- und Bachabschnitte, Altarme, Bracks, Qualmgewässer oder

naturnahe Staugewässer.

Die meisten Flächen der Nebenfluss-Niederungen werden als Grünland genutzt. In den weniger

stark entwässerten Bereichen oder in den noch vorhandenen Rückstauräumen findet man gefährdete

Grünland-Biotoptypen. Dazu gehören nährstoffreiche Nasswiesen, artenreiche Flutrasen

oder wechselnasse Stromtalwiesen. In weniger gedüngten sandigen Flächen kommt auch mesophiles

Grünland häufiger vor, kleinflächig auch Sand-Magerrasen.“

Als Hartholzauenwald-Rest ist das Elbholz zu betrachten, obwohl dieses in früherer Zeit forstlich

intensiv genutzt und 1834 nahezu abgeholzt und wieder neu bestockt wurde.

Dort kommen die Baumarten Stieleiche, Flatter- und Feldulme besonders oft vor; ebenso „eine

dichte artenreiche Strauchschicht wie z.B. Rote Johannisbeere, Zweigriffeliger Weißdorn, Pfaffenhütchen,

Roter Hartriegel und gewöhnlicher Schneeball. Zoologisch sind Hartholzauwälder

insbesondere als Brutbiotop für Vögel und als Insekten-Lebensraum bedeutsam…“ Reste von

Erlen-Bruchwald finden sich südöstlich und östlich von Gartow in der Seegeniederung, wo die

21


Schwarzerle die beherrschende Baumart ist. Biologisch weniger wertvoll sind die ausgedehnten

Nadelforste auf armen Böden der Talsand- und Dünenplatte Gartower Forst.

Auf die vielen vorhandenen Pflanzengesellschaften an dieser Stelle einzugehen,wo sich etliche

vom Aussterben bedrohte Rote-Liste-Pflanzen befinden,kann nicht geleistet werden. Ebenso nicht

auf die Fauna mit ebenfalls mehreren vom Aussterben bedrohter und sehr seltener Tierarten wie

z.B. Feldspitz-, Brand- und Zwergmaus, Schmetterlings- und Libellenarten, Lurcharten, Weißstorch

und weitere Vogelarten, Qualmwasserkrebse, Rotbauchunken usw. Festzustellen bleibt, die Landschaft

um Gartow birgt viele biologische Besonderheiten in sich und war in der Vergangenheit

Gegenstand einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen. 9

Die Gemarkung Gartow, gestrichelt: Grenze bis 1879

Gartow 2009: Zwischen „Am Ortfeld“ und „Buchhorst“

Juli 2009: Hahnenberge. Mit Kiefern bestandene

Flugsanddünen

22


Talsand- und Dünengebiete

Wesentliche naturnahe und bedingt naturnahe Biotoptypen der Talsand- und Dünengebiete sind

forstlich nur schwach geprägte Eichenmischwälder, Buchenmischwälder, Erlen- und Eschenwälder,

Erlenbruchwälder, Kiefern- und Kiefern-Eichen-Mischwälder, Birken- und Kiefernbruchwälder,

Feldgehölze, naturnahe Bachabschnitte, Kleingewässer mit Verlandungsbereichen, aktive oder

teilaktive Binnendünen mit Sand-Magerrasen und naturnahe Übergangsmoor-Reste.

Insbesondere die grundwasserferneren Teilbereiche der Talsandflächen sind mit Wäldern und

Forsten bestanden. Neben Fichten- und Kiefernforsten überwiegen bodensaure Eichen-Mischwälder.

Eichen, Birken und Kiefern sind als Hauptbaumarten für die trockenen Standorte zu benennen.

Auf feuchteren Standorten sind verstärkt Esche und Erle, lokal Birke und Kiefer anzutreffen.

Bruchwälder kommen meist mehr oder weniger entwässert vor.

Die tiefgründig trockenen Dünenstandorte sind mit Kiefernforsten bedeckt. Bemerkenswert ist

hier das häufige, kleinflächige Vorkommen von Offensand-Biotopen und Sand-Magerrasen.

2008: Seegeniederung am Schloss Gartow

23


Die Seege

Im Ortsbereich Gartow ist die Seege, früher auch als Gaarte bezeichnet, neben dem Gartower See

das Landschaftsbild bestimmende Gewässer.

Die ebene Seegeniederung ist geprägt durch die Rückstauwirkung infolge periodischer Elbhochwässer,

wodurch die gesamte Niederung beeinflusst wird. Sie wird von überwiegend Extensiv-

Grünland-Lebensräumen eingenommen, auf dem Sandtrockenrasen, Röhrichte, Seggenrieder

und Erlenbruchwald-Rest vorherrschen.

Wertvolle Naturschutzbereiche nach dem Stand von 1990/92

Früher lieferten die Seegewiesen ausgezeichnetes Grünfutter und Heu, es wurde die Intensiv-

Bewirtschaftung angewandt, wenn keine Beeinträchtigung durch Elbehochwasser erfolgte. Außerdem

speiste die Seege in früheren Zeiten die Burggräben in Gartow sowie den Gartow ehemals

umgebenden Ortsgraben und trieb bis 1695 die Wassermühle in Höhe der heutigen Seegebrücke

in Gartow an. Die Seege brachte aber auch Probleme mit sich, die insbesondere mit der mangelnden

Abflussleistung zusammenhingen und den Oberliegern in der Altmark Sorgen bereitete. Sie

war nicht nur Wasserlieferant sondern ist bis heute auch ein Fischereigewässer. Seit 1807 z.B.

hatte der Quarnstedter Berufsfischer W.F.L.E. Hasse vom Haus Gartow die Fischereiberechtigung

in der Seege sowie an den begleitenden Bracks und Kuhlen gepachtet. Hierbei erscheinen für die

Seege je nach Örtlichkeit von der Landesgrenze abwärts verschiedene Bezeichnungen: Rönne/

Putjans Ortsee, Gaarte in Höhe Nienwalde, Seege in Höhe Schloss Gartow, Gartower See und Enge

bei Restorf, Restorfer See (GR 1809/10, S. 209). Über lange Zeiträume hinweg ist die Seege neben

anderen Gewässern stets verpachtet worden, die Einnahmen flossen dem Haus Gartow zu. 10

In den Jahren 1809 - 11 hat der Wasserbau-Kondukteur Heye Vermessungsarbeiten im Seegetal

durchgeführt, wobei nicht bekannt ist, welches Projekt damals verfolgt wurde. 11

24


Die Seege im Jahre 1974 zwischen Nienwalde und Gartow

Um die Abflussleistung der Seege zu gewährleisten, waren bauliche Unterhaltungsarbeiten notwendig,

wie Nachrichten aus der Franzosenzeit vermelden:

Im Sommer 1812, das Königreich Hannover war von den Franzosen besetzt und Gartow gehörte

damals zum Department der Elbe, Distrikt Salzwedel, hatte sich die Ortschaft Bömenzien beim

Unterpräfekten von Westphalen in Salzwedel über ungenügende Räumung der Seege im Gartower

Bereich beschwert. Das Wasser floss zu langsam ab, so dass die Bömenziener Wiesen überflutet

wurden. Gemäß Vereinbarung von 1753 war das Haus Gartow zur Räumung der Seege von der

Landesgrenze bis zur Elbe verpflichtet. Nach einer Untersuchung durch den Distrikts-Baumeister

Lietzmann verfügte die Unterpräfektur eine umgehende Grundräumung. Dagegen legte das Haus

Gartow Protest ein. Die französisch orientierte Verwaltung war im Begriff, auch kleinere Flüsse wie

die Seege künftig unter „strenge policeiliche Aufsicht zu stellen.“ Auch sollten Flussschauen stattfinden,

um „die Abstellung der vielen und mancherlei dabei obwaltenden Unordnungen und Unregelmäßigkeiten

nach Möglichkeit zu fördern.“ In der Vereinbarung von 1753 war die Verpflichtung

nur lau beschrieben: „dass der Seege als einem beständig laufenden Flüßchen den natürlichen

Lauf lassen und selbigen weder zu dämmen noch verstopfen“ zu lassen. Daraus leitete das Haus

keine ausgeprägte Räumungspflicht ab. Da aber die Einwohner von Bömenzien und Stresow mit

Verbreiterung der Seege einschließlich von Durchstichen drohten, musste gehandelt werden. Nach

dem Urteil des Hauses Gartow lief das Seegewasser bis Gartow gut ab, aber von dort bis zur Elbe

nicht. Käme nun das Wasser durch die ausgebaute Seege mit größerer Fülle und schneller als bisher

an, drohten nun in Gartow Überschwemmungen. Die Bömenziener und Stresower verwiesen

auf das in ihrem Gebiet geltende Vorflutsedikt von 1772, was aber nicht im Lande Hannover galt.

Das Haus Gartow verstand sich lediglich dazu, die Seege in gewissen Zeitabständen „auszuschilfen“

und Treibgut, wie z.B. Baumstämme zu bergen. Da Graf von Bernstorff befürchtete, dass die

Seege auch auf hannoverschem Gebiet völlig neu ausgebaut werden sollte, drohte er mit gerichtlichen

Schritten. 12

25


Um den Zustand der Seege festzustellen, gab es bereits

im Juli 1855 eine Seege-Gewässerschau, wobei

die Uferanlieger aufgefordert wurden „bei Vermeidung

von 2 Reichsthaler Strafe“ die in ihrem Abschnitt liegende

Seege „schaufrei aufzuräumen“. Das Gewässer

war in einer Breite von 16 Fuß (4,64 m) und einer Tiefe

von 1 ½ Fuß (0,44 m) zu erhalten. Bei Quarnstedt existierte

eine Furt, die stets eine Breite von 20 Fuß (5,80

m) und eine Tiefe von 1 Fuß (0,29 m) haben musste.

Jeweils im Juni eines jeden Jahres war eine Gewässerschau

durchzuführen, wie auch eine Nachschau im

Herbst. Der zuständige Deichvogt protokollierte Nachlässigkeiten

wie diese im Oktober 1855: „Neben dem

Schloßhofe Gartow bis zur Seegebrücke ist die Seege

ebenfalls stellenweise um 6 bis 12 Zoll auszubaggern“

oder „Unterhalb des Gartower Sees war das linke Ufer

der Seege von der Gartower Bürgerschaft nicht gereinigt.“

Nach der behördlichen Verfügung vom 20.11.1834

wurde festgelegt, dass eine Schau „jährlich am

1. Juni und Oktober oder mindestens in den ersten Tagen

dieser beiden Monate gerichtsseitig oder durch einen zuverlässigen

Gerichtsunterbedienten vorgenommen“ wird.

Der jeweilige Deichvogt in Schnackenburg führte die Aufsicht.

13

5.10.1860: Bekanntmachung zur Seegeschau

1867 regte Deichhauptmann von Jagow auf Crüden/Altmark die Regulierung der Seege an. Hintergrund

des Projektes war der schädliche Einstau des Elbehochwassers in die Alandniederung.

Es wurde auch ein Deich mit Siel erbaut, aber das blieb Stückwerk, so lange die Seege nicht

ausgebaut worden war. Als Vermesser wurde ein Herr Panning aus der Altmark geschickt, um das

Sohlengefälle der Seege bis zur Elbe festzustellen. Das Unternehmen blieb unausgeführt. Schon

1869 hatte sich bei Vietze und Meetschow die hinderliche Wasserpest ausgebreitet, eine neue

aus dem Ausland eingeschleppte Pflanze, die den Wasserabfluss stark behindern konnte.

Als 1872 wiederholt die Korrektion der Seege von Anliegern aus der Altmark angeregt wurde, gab

es erneut Widerstände der Unterlieger. Im August 1874 wurde notiert: „… da die Seege in der

Restorfer Feldmark am Laascher Stege so stark mit Schilf zugewachsen sei, dass vom hohen Ufer

kein Wasser zu sehen, der Lauf des Flusses nicht zu erkennen ...“ 14

Da früher der Grundsatz galt, dass der jeweilige Uferanlieger auf Länge seines Grundstückes bis

zur Gewässermitte die Unterhaltungspflicht für die Seege inne hatte, musste das Haus Gartow

aufgrund seines umfangreichen Besitzes lange Strecken der Seege instand halten. Diese Arbeit

verrichteten beim Gut Gartow/Quarnstedt angestellte Arbeitskräfte. Heute ist der Unterhaltungsverband

Jeetzel/Seege für die Unterhaltungsmaßnahmen zuständig.

Am 3. Juli 1930 stellte das damalige Kulturbauamt I in Magdeburg einen „Plan zum Ausbau des

Zehrengrabens, des Schaugrabens und der Seege“ auf, der bezeichnenderweise auch das Gebiet

der Provinz Hannover, also die gesamte Seegestrecke, umfasste. Dieser Plan erfuhr am 1.5.1931

noch einige Ergänzungen, bevor die Länderbehörden in Sachsen und Hannover ihre Prüfungs-

26


bemerkungen abgaben. Nach am 2. Juni 1934 abgehaltenen Verhandlungen in Salzwedel war

geplant, als Träger der Maßnahme einen Unterhaltungsverband zu gründen. Da die Bereitschaft

dazu nicht sonderlich ausgeprägt war, sollte er als Zwangsgenossenschaft installiert werden. Es

ist interessant, dass der Kreis Osterburg die gesamte Maßnahme, also auch die Strecke innerhalb

der Provinz Hannover, finanzieren wollte.

Nach dem am 18. Juli/7. August 1934 in Magdeburg angefertigten neuen Entwurf umfasste das

Vorteilsgebiet eine Fläche von 584 ha, davon beitragspflichtig 465 ha. Es handelte sich um rd. 65

ha Mineralboden. Zu regulieren waren 7,5 km Flussstrecke, wobei als Kenngröße eine Abflussmenge

von 6 Liter/Sekunde/qkm bei Mittelwasserführung und 16 Liter/Sekunde/qkm bei Winterhochwasserführung

angegeben wird. Erreichtes Ziel ist es gewesen, in der 2500 ha umfassenden

Zehrengrabengenossenschaft Bodenverbesserungsarbeiten durchzuführen. Im Erläuterungsbericht

wird dazu ausgeführt: „Die Seegestrecke von Gartow abwärts wird nur zur Vermeidung von

Schäden, nicht aber zur Schaffung von Verbesserungen für die anliegenden Flächen ausgebaut.

Deswegen wird auch dieser Ausbau von den Oberliegern (Kreis Osterburg) bezahlt. Der Zweck der

Bildung einer Unterhaltungsgenossenschaft an der unteren Seege ist es, für die stark vernachlässigte

Unterhaltung der unteren Seege einen leistungsfähigen Träger zu schaffen. Während bisher

die Unterhaltung, die in den Händen der Anlieger lag, sehr viel zu wünschen übrig ließ, wird zukünftig

die zu bildende Genossenschaft die Unterhaltung ordnen und einheitlich durchführen. Ein

weiterer Zweck ist es, durch Einbau von 2 Stauschleusen in der unteren Seege dafür zu sorgen,

dass in trockenen Zeiten, etwa wie im Sommer 1934, die notwendige Grundanfeuchtung der Wiesen

und Ländereien durchgeführt werden kann.“ Die Seege sollte eine Sohlenbreite von 7 m und

Böschungen von 1:3 erhalten, ferner waren einige Durchstiche geplant. Durch Abgraben einiger

Sohlenerhöhungen wurde ein Sohlengefälle von 0,15 - 0,35 m je laufenden Kilometer angestrebt.

Um die Kosten zu senken, war der Einsatz des Freiwilligen Arbeitsdienstes und/oder von Notstandsarbeitern

vorgesehen. Es wurde mit rd. 25000 cbm Bodenaushub gerechnet.

Der Träger ist dann in Form der „Wassergenossenschaft für die untere Seege in Gartow“ gemäß

Satzung vom 9. März 1935 gebildet worden. Der Satzung sind am 21. Februar 1940 ergänzende

Pläne beigefügt worden. Ab dem 21. Februar 1941 wurde die Wassergenossenschaft in den

„Wasserverband für die Untere Seege in Gartow“ umbenannt mit dem Zusatz: “Die Ausbaukosten

trägt der Kreis Osterburg aus Anlaß des Zehrengraben-Ausbaues.“ Nach dem 2. Weltkrieg und den

veränderten politischen Grenzen lebte der Ausbau erneut auf. Am 1. Juni 1956 erschien lediglich

hierzu eine Zeitungsnotiz:

„…Mit dem Vertreter des Kreiskulturbauamtes wurde dann über die dringend notwendige Regulierung

des Seegebettes beraten. In den Jahren 1952 - 53 wurde in einem Projekt die Seege reguliert

und wieder in den Soll-Zustand versetzt. Nachdem der Flußlauf in der Altmark reguliert worden ist,

wurde der Druck des Wassers stärker. Der Abfluß ist durch Versandung in den letzten Jahren gefährdet.

Die Wiesen der Anlieger werden von Jahr zu Jahr durch das Wasser unbrauchbarer. Durch

die Räumung der oberen Seege in der Altmark hat sich der Sand im Flußbett abgelagert. Auch im

Mittelsee befindet sich keine Rinne. Die laufenden Räumungsarbeiten reichen nicht aus, um einer

bevorstehenden Katastrophe zu begegnen. Die Mittel aus Mitgliederbeiträgen entsprechen nicht

dem Aufwand, der notwendig ist. Es müßte ein Saugbagger eingesetzt werden ….“ 15

In den Jahren von 1935 bis 1938 sind im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes Ausbauarbeiten in

der unteren Strecke der Seege durchgeführt worden, ebenso 1943 eine neuerliche Entschlammung.

Im Jahre 1957 erfolgten Baggerungen in der Seege durch die Firma Norddeutsche Baggerei.

Nach einem Entwurf des Kreiskulturamtes in Lüchow vom 4.1.1958 sind 1959 in den Gemar-

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kungen Gartow, Laasche, Meetschow und Restorf rd. 5 km Gräben im Seegetal ausgebaut worden.

Am 13.7.1961 bereiste Staatssekretär Deetjen nach vorangegangenen Klagen das Seegegebiet,

wobei das Mitglied des Nieders. Landtages, Dr. Konrad v. Oppen aus Gartow, Vorarbeiten leistete.

Mit Inkrafttreten des Nieders. Wassergesetzes im Jahre 1962 geriet die Seege in die Unterhaltungspflicht

des Landes Niedersachsen. Damals wurde der Zustand des Gewässers beklagt: „…

Die Seegeniederung ist heute zum größten Teil versumpft und durch den Rückstau der Elbe alljährlich

unzeitigen Überflutungen ausgesetzt. In den Jahren 1934/35 wurde der Flusslauf oberhalb

Gartows zu gut einem Drittel durch den damaligen Reichsarbeitsdienst ausgebaut. Die Reststrecke

bis zur Mündung ist bis heute, abgesehen von einer durchgeführten Teilentkrautung, völlig

unberührt geblieben. Die Folge davon ist, dass man hier kaum noch von einem Flusslauf sprechen

kann, da das Wasser durch die Verschlammung seitlich in die Wiesen drückt und diese z.T. ganzjährig

unter Wasser setzt...“ Hydraulisch wurde für die Seege eine Abflussmenge von 6 Liter/Sek.

pro qkm bei Sommermittelwasser ermittelt, bei Sommerhochwasser 16 Liter/Sek. pro qkm. Der

Grundwasserstand lag bei 40 - 80 cm unter Flur. In der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 12.9.1962 war

in diesem Zusammenhang zu lesen: „…Jahrelang habe man sich bemüht, der Abwanderung nach

1945 Einhalt zu gebieten, jetzt gehe man soweit, eine weitere Entvölkerung zu organisieren und

zu fördern. Es müsse einen anderen Weg zur Besserung und Sicherung der Landwirtschaft in der

Seegeniederung gefunden werden. Ohne Zweifel sei die Versumpfung der über 2.400 Morgen großen

Wiesenfläche an der Seege durch den Nichtausbau der unteren Seege verursacht worden….“

Schwankungen der Niederschlagssummen (mm), Vegetationsperiode Mai - Juni (oben), Jahr (unten)

Und der heutige Zustand der Seege?

Die Seege erreicht südlich von Kapern das Land Niedersachsen und bildet auf rd. 2,5 km Länge

eine gemeinsame Grenze mit dem Land Sachsen-Anhalt. Danach fließt sie begradigt und weiterhin

meist unbeschattet überwiegend durch Grünflächen. Bei Gartow durchfließt die Seege den

Kleinen Gartower See als Sandfang und anschließend den rd. 60 ha umfassenden, gestauten

Gartower See. Über den ebenfalls angestauten Laascher See gelangt die Seege in die Elbe. Hochwässer

der Elbe wirken sich durch Rückstau in der Seegeniederung bis nach Bömenzien aus,

wobei das Hochwasser mehrere Wochen anhalten kann.

28


Die Seege ist ein sehr langsam fließendes Gewässer mit überwiegendem Stillwassercharakter.

Oberhalb von Nienwalde wachsen als Vorboten für eine beginnende Verlandung lokal ausgedehnte,

flächendeckende Krebsscherenbestände. Der Untergrund ist mit einer bis zu 50 cm dicken Faulschlammschicht

bedeckt. In Nienwalde besteht die Gewässersohle aus einem Sand-Schlammgemisch.

Ausgedehnte Bestände von Pfeilkraut zeigen Faulschlammbänke an. Daher verkrautet die

Seege in diesem Bereich auch stark. Das Wasser ist überwiegend schwach bis deutlich getrübt.

Zum überwiegenden Teil setzt sich die Gewässerfauna aus Schnecken und verschiedenen Wasserkäferarten

zusammen. Im Sediment leben Kugelmuscheln und auch sehr vereinzelt Teich- und

Malermuscheln. Auch die Dreikantmuschel ist in geringen Dichten vertreten.

Eintags- und Köcherfliegen kommen nur mit wenigen Arten meist in spärlicher Anzahl vor. Wasserasseln

sind zahlreicher als Bachflohkrebse, ferner kommen verschiedene Libellenarten vor; wobei

die Gattung Calopteryx splendens recht häufig war. Aufgrund der chemisch-physikalischen Messergebnisse

lag die Sauerstoffsättigung in den Monaten Juni bis Oktober in der Seege nur zwischen

42 - 57%. Neben deutlichen Sauerstoffdefiziten wurden in den Wintermonaten Ammoniumkonzentrationen

von bis zu 0,75 Milligramm pro Liter im Bereich einer kritischen Belastung festgestellt.

Die Gewässergüte erreichte daher mit Stand 1988 nur die Güteklasse „kritisch belastet“. 16

In Abhängigkeit zu den Wasserständen in der Elbe unterliegen auch die Wasserstände in der Seege

sehr starken Schwankungen. Von der Elbe wandern verschmutzungsfördernde Tierarten in die

Seege ein, z.B. der getigerte Flohkrebs, Schnecken und Asseln sowie Wollhandkrabben. Die Elbe

bringt ferner hohe Salz- und Ammionumgehalte in die Seege und den Gartower See (bei Hochwasser).

1989 schwankte der pH-Wert zwischen 7,4 und 8,2; die Leitfähigkeit zwischen 550 und

770 us/cm, der Gesamtphosphatwert zwischen 0,06 und 0,13 mg/Liter, der Sulfatwert zwischen

88 und 149 mg/Liter, der Nitratwert zwischen -0,05 und 1 mg/Liter, der Kaliumwert zwischen 4,5

und 10 mg/Liter, der Chloridwert zwischen 47 und 68 mg/Liter und der Nitritwert bewegte sich

zwischen -0,01 und 0,02 mg/Liter, um nur die wichtigsten Indikationen zu nennen (Messstelle

Seegebrücke Gartow).

Das Seegewasser erreicht, bereits aus der Altmark belastet, die Gütemessstelle Nienwalde. 1991

stellte das Wasserwirtschaftsamt Lüneburg für den dortigen Bereich fest:

„In Nienwalde traten im Juni, August und November deutliche Sauerstoffdefizite von bis zu 50%

auf. Gegenüber 1990 ist hier ein Rückgang der Nährstoffgehalte aber ein leichter Anstieg der

organischen Belastung festzustellen. An der Messstelle Meetschow ist der Einfluss des Laascher

Sees deutlich erkennbar. Die pH-Werte lagen bis auf die Wintermonate über 8. Zurzeit von Algenblüten

wurden Werte um 10 pH gemessen. Im Sommer waren deutliche Sauerstoffübersättigungen

die Regel. Der Gehalt an gelösten Nährstoffen sinkt im Sommerhalbjahr bis in den Bereich der

Nachweisgrenze ab. Phosphor und Stickstoff liegen dann fast ausschließlich in gebundener Form

in der Planktonmasse vor. Durch anaerobe Vorgänge in den bodennahen Schichten des Laascher

Sees kam es im Spätsommer allerdings zur Rücklösung von Phosphat aus dem Sediment.“ 17

Die bisher letzten veröffentlichten Messwerte stammen aus dem Zeitraum 1998 - 2000. An der

Gütemessstelle Nienwalde sind für die Seege folgende Analysewerte im Sediment festgestellt

worden: Cadmium = 0,96 mg/kg, Zink = 300 mg/kg, Quecksilber = 0,28 mg/kg, Blei = 93 mg/

kg, Kupfer = 45 mg/kg, Nickel = 26 mg/kg und Chrom = 73 mg/kg. Diese Schwermetallgehalte

weisen lediglich nur mäßige Belastungen auf. Quecksilber-, Nickel- und Chromgehalte finden sich

sogar in der Kategorie „praktisch unbelastet“ bzw. „antrophogen unbelastet“. Dabei führte die

29


Elbe im Zeitraum von 1989 - 1999 im Schwebstoff sehr hohe Cadmiumwerte mit sich: zwischen

8,6 (1996) und 19,0 (1991) mg/kg und Zink zwischen 1260 (1999) und 2430 (1991) mg/kg. Als

Ergebnis wurde festgestellt: „Die Seege wurde in ihrem Mittellauf in Nienwalde und im Mündungsbereich

unterhalb des Laascher Sees beprobt. Mit Ausnahme einer deutlichen Zinkbelastung war

das Sediment in Nienwalde unbelastet bis mäßig belastet. Unterhalb des Laascher Sees sind die

Folgen von eingestautem Elbewasser und der dort sedimentierten Schwebstoffe aus der Elbe aufgrund

der hohen Belastung mit Quecksilber, Cadmium und Zink erkennbar.“ 18

Der Wassergüte abträgliche Nährstoffe gehen der Seege durch eine Vielzahl diffuser Quellen aus

der Landwirtschaft, sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in Niedersachsen, zu. Daher ist die niedersächsische

Landesregierung bestrebt, im Zuge des Gewässerstreifen-Programmes einen 5 - 10 m

breiten Uferstreifen beiderseits gefährdeter Fließgewässer eigentümlich zu erwerben. Dort werden

dann keine Dünge- und Herbizidmittel mehr eingesetzt. Eine überwachte Einleitung von gereinigtem

Abwasser erfolgt nur noch durch die 1976 in Betrieb genommene Kläranlage Laasche über

den Leipgraben in die Seege. 1984 waren 2.300 Einwohner angeschlossen, ausgelegt ist die Kläranlage

für 6.000 Einwohnergleichwerte und 359 kg täglichen biochemischen Sauerstoffbedarf.

Die Jahreseinleitungsmenge betrug 1984 insgesamt 3280 cbm gereinigtes Abwasser. Das sind

19,4 Liter in der Sekunde. Gewisse Einleiterwerte, z.B. von BSB 5 („Biologischer Sauerstoffbedarf“)

und CSB („Chemischer Sauerstoffbedarf“), die behördlicherseits vorgegeben waren, mussten

eingehalten werden.

Vor dem 2. Weltkrieg hatte lediglich die Molkerei Kapern ein sog. Wasserrecht zur Einleitung einer

nicht genannten Abwassermenge in den südlichen Schaugraben beantragt. Erst nach Durchfließen

von 5 Absatzbecken geriet diese bei Restorf in die Seege. Das am 8.11.1934 in das Wasserbuch

eingetragene Recht ist am 11.10.1963 erneuert und am 27.2.1970 gelöscht worden.

Als weiterer Schmutzwassereinleiter galt im März 1968 die Molkerei Gartow, die bis zu 36.000

cbm Betriebsabwasser pro Jahr nach vorheriger Klärung in den Abzugsgraben am Quotum indirekt

in die Seege einleiten durfte. Diese Menge wurde ab Januar 1978 auf nur noch 10.000 cbm

reduziert. Im Januar 1988 ist dieses Recht gelöscht worden. Über den Helkgraben ist seit 1967

verbrauchtes Wasser der Badeanstalt Gartow der Seege zugeführt worden, wobei die behördliche

Auflage vom 24.8.1967 lautete: „Eine Überlastung des Gewässers darf jedoch nicht eintreten.“

Das Wasserrecht erlaubte die Einleitung von jährlich 30.000 cbm. Zum 30.6.1990 erlosch dieses

Recht.

Als Gartow kurz nach 1945 mit vielen Flüchtlingen belegt war, gab es vom zuständigen Deichvogt

in Schnackenburg Klage wegen des Gewässerzustandes der Seege. Deichvogt Templin berichtete

am 1.5.1948 an die zuständige Behörde:

„Im Herbst vergangenen Jahres ist im Schloß des Grafen von Bernstorff ein Alters- und Pflegeheim

eingerichtet worden. Es sind ungefähr 100 Personen im Schloß untergebracht. Die Abwässeranlage

(Klärgrube) ist seiner Zeit nur für den Eigenbedarf der gräflichen Familie gebaut worden und

somit für den großen Betrieb zu klein. Da jetzt der Badebetrieb ungefähr 100 m unterhalb der

Einlaßstelle wieder anläuft, ist es zu bedenken, daß das Wasser durch Abwässer des Altersheimes

stark verunreinigt ist. Ich bitte um Verfügung, ob die Angelegenheit von dort aus bearbeitet wird

oder das Landratsamt in Dannenberg zuständig ist.“ 19

In fischereilicher Hinsicht weckte die Seege schon frühzeitig Begehrlichkeiten. Während früher bis

auf wenige Ausnahmen die Nutzung aller größeren Gewässer dem Landesherrn zustand, erreichte

30


es Graf von Bernstorff aufgrund alter Privilegien, sich die Fischerei in der Seege zu sichern. In einer

Zusammenstellung zur „Fischerei beim Hause Gartow“ vom 19. Mai 1700 stand dem Grafen

die Fischerei „in dem Bezirk seiner und aller zubehörigen Dörfer und Feldmarken, in allen großen

und kleinen fließenden und stehenden Wässern, als in dem Elbstrom, in der Garte oder Seegefluß,

deren Seen, Bracken und wie es Namen haben mag“ zu. Speziell zur Abgrenzung des Fischereirevieres

wird mitgeteilt: „III. Der Garte- oder Segefluß und die darine befindliche stehende Seen

von der Boehmesienischen und Caperschen Feldtscheidung über den Ravens See an durch die

Garte hinter Niendorff bis Gartow, hinter Gartow entlang bis Restorff, Restorff vorbey bis Laasche,

von Laasche bis durch den Meschowischen Graben biß in den Elb-Strohm“. Mit dazu gehörten bei

Restorf das Heilige-, Dohren- und das alte und neue Sechowische Brack. Das bedeutet, Graf von

Bernstorff besitzt das Fischereirecht in der Seege von der Landesgrenze bis zur Elbe einschließlich

des Gartower Sees. Allerdings muß er das Mitfischereirecht der ehemaligen Hauswirte Bollmann,

Niemann und Riege bzw. deren Rechtsnachfolger aus Nienwalde dulden. Dieses ist auf die

Feldmark Nienwalde beschränkt und darf nur im Bereich der von den eben erwähnten Hauswirten

im Besitz befindlichen Grundstücke bis zur Mitte der Seege ausgeübt werden. Als der Gartower

See fertig gestellt und damit die Seege aufgeweitet war, ergab sich für Graf von Bernstorff die

Möglichkeit, über ein noch größeres Fischereirevier zu verfügen. Ein pensionierter Senatspräsident

am Oberlandesgericht Schleswig verfasste seinerzeit ein fischereirechtliches Gutachten. Auf

Grundlage des Preuß. Wassergesetzes von 1913 und des Nieders. Wassergesetzes von 1960 wies

er für den Grafen dessen künftiges Fischereirecht auch im Gartower See nach.

Im Rahmen des Vorhabens „Natur erleben in Niedersachsen“ spezieller: „Seeadlerbeobachtung in

der Seegeniederung bei Gartow“ förderte die Ruth- und Klaus Bahlsen-Stiftung eineTeil-Renaturierung

der Seege zwischen Gartow und der Landesgrenze. Auf dieser 2,4 km langen Strecke begann

ab 2007 der Bau von insgesamt 6 sogen. Mäandern, also verschwenkter Gewässerverläufe sowohl

nördlich als auch südlich der Seege. Im Erläuterungsbericht steht u.a.: „…Nach dem Ausbau

der Mäander wird der Altlauf der Seege auf einer mittleren Länge von 15 - 40 m mit dem bei der

Herstellung der Mäander gewonnenen Boden verfüllt. Der Abschnitt zwischen der Anbindung des

Mäanders an den Altlauf der Seege und der Verfüllung des Altlaufes bleibt als Totarm erhalten.

Dieser soll zukünftig nicht mehr unterhalten werden und ausschließlich dem Naturschutz zur Verfügung

stehen…“

Das Einzugsgebiet der Seege umfasst bei Eintritt in das Land Niedersachsen 213 qkm, in Gartow

272 qkm und an der Einmündung in die Elbe 324 qkm. Schon frühzeitig ist für die Seege eine

Schauordnung sowie eine Unterhaltungsordnung erlassen worden... 20

Hergestellte Mäander bei Nienwalde 2007

31


Infolge zahlreicher Klagen beauftragte der Regierungspräsident

in Lüneburg das Wasserwirtschaftsamt

Lüneburg, eine Untersuchung zur

Verminderung von Hochwassergefährdungen

zu erarbeiten. Letzteres legte mit Datum vom

6.1.1962 den „Bericht zu den Möglichkeiten

zur Verbesserung der Abflußverhältnisse in

der Seegeniederung“ vor. Neben dem Ausbau

der Seege zwischen Restorf und Brünkendorf

war die Anlage von Sommerdeichen

zwischen Gartow und Meetschow südlich der

Seege nahe an den Gewässern Seege, Gartower

und Laascher See geplant. Damit sollte

ein 320 ha großes Gebiet zumindest von

Elbe-Sommerhochwässern geschützt werden.

Die Planungen sind später nicht umgesetzt

worden.

Der Bau künstlicher Mäander an der Seege ab

2007

Alandüberleitung

Seit mehr als hundert Jahren, die ersten schriftlichen Ausarbeitungen datieren von 1901, wird

eine Planung verfolgt, die Alandmündung unter Benutzung des Seegetales künstlich zu verlegen.

Hierbei soll die Alandniederung gegen den Einfluss der ständig wiederkehrenden und Schaden

bringend in die Alandniederung einströmenden Elbehochwasser geschützt werden. Mit der Verlagerung

der Alandmündung an die Seegemündung in die Elbe wäre die Hochwassergefahr für

immer gebannt.

Der Magdeburger Regierungsbaumeister Rogge hatte 1904 bereits detaillierte Pläne dazu erarbeitet

und die Ergebnisse in der Denkschrift: „Verlegung der Alandmündung – Kurze Erläuterungen

zu dem Entwurf des Regierungsbaumeisters Rogge vom 29. Dezember 1904“ veröffentlichen

lassen. Um 1940 lag ein baureifer Entwurf vor, kam jedoch wegen der Kriegsverhältnisse nicht zur

Ausführung. Zudem hatten die Anlieger in der Provinz Hannover kein Interesse daran, die ohnehin

vorhandenen Probleme (ebenfalls Hochwassergefährdung) noch durch die Alandverlegung zu

verschärfen.

Nach dem 2. Weltkrieg kam zwischen den beiden deutschen Staaten keine gemeinsame Zusammenarbeit

in wasserwirtschaftlichen Fragen zustande. Dennoch verfolgte der Volkseigene Betrieb

Wasserwirtschaft Mittlere Elbe in Magdeburg den alten Plan weiter. Im Jahre 1956 wurde hierzu

die „Grundkonzeption zu dem Plan der Ableitung von Alandwasser zur Seege“ erarbeitet. Diese

sah vor, nur dann Alandwasser überzuleiten, wenn die Alandniederung bereits infolge Elbehochwasser

oder Eigenhochwasser geflutet war. Am 4. Oktober 1967 kam es in dieser Angelegenheit

zu einem Gespräch zwischen der Oberflußmeisterei Osterburg und der Bauabteilung Dannenberg

des Wasserwirtschaftsamtes Lüneburg. Seitens Osterburg war eine Verlegung in den 1970iger

Jahren vorgesehen, aber da hierfür zuvor die Seege hätte ausgebaut werden müssen, unterblieb

das Vorhaben. Immerhin ist dieser Aspekt beim Bau der Seegebrücke Meetschow-Vietze berücksichtigt

worden, indem diese eine größere Lichtweite erhielt. Bei einem Wasserstand von +4,70 m

am Pegel Wittenberge (Pegelnull = NN +16,59 m) sollte die Überleitung wirksam werden. Das entspricht

einem Elbewasserstand von NN +16,50 m an der Seegemündung, zu diesem Wasserstand

ist das Seegetal bis in die Altmark hinein überstaut. Die Alandüberleitung war auch Gegenstand

32


in den Verhandlungen bei der 33. Sitzung der deutsch-deutschen Grenzkommission im Juni 1977

und mehrere Male im Jahr 1978. Auf westdeutscher Seite sind daraufhin Voruntersuchungen

durchgeführt worden aber konkrete bauliche Maßnahmen erfolgten noch nicht. 21

Die Flussmeisterei Osterburg hingegen begann 1982 - 1985 mit dem Bau von Absperrdeichen

in der Alandniederung, um den Eintritt von Elbehochwasser zu verhindern. 1991 wurde der Bau

eines sog. Überleitungsbauwerkes bzw. Alandabschlusswehres bei Kl. Wanzer fertig gestellt. Mit

dem Bau war bereits 1986 begonnen worden. Bisher ist aber noch kein Alandwasser in die Seegeniederung

übergeleitet worden, weil hierzu auf niedersächsischem Gebiet noch die baulichen

Voraussetzungen fehlen. Die entsprechenden Planungen werden weiterverfolgt. In den Jahren

2006/07 ist südlich von Kapern der rechtsseitige Seegerückstaudeich errichtet worden, 2008

folgte das Reststück bis zur Landesgrenze. Erst mit Fertigstellung auch des linksseitigen Seegerückstau-Deiches

ist an eine weitere Alandüberleitung zu denken.

Juli 2006: Alandabsperrbauwerk Kl. Wanzer

33


Quellen und Literatur

1. Miest, Paul-Friedrich: „Die Landschaften des Kreises Lüchow-Dannenberg“ in: Hannoversches

Wendland. 1. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, 1969,

S. 11 - 20

2. Unterlage Katasteramt Lüchow

3. Standortkarten 1:200 000, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und Nieders.

Landesamt für Bodenforschung, Hannover 1983

4. Deutscher Wetterdienst: Klima-Atlas von Niedersachsen, Offenbach 1964

5. Wilkens, Horst: „Biologische Charakterisierung und Bedeutung des Höhbeck und der ihm

umgebenden Niederungsgebiete“ in: Hannoversches Wendland, 4. Jahresheft des Heimatkdl.

Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, 1973, S. 39 - 48 sowie Walther, Kurt: „Zur Vegetation

der Flussniederungen um den Höhbeck“ in: wie vor, S. 31 - 38

6. Amtsblatt für den Regierungsbezirk Lüneburg: Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen

im Landkreis Lüchow-Dannenberg, Höhbeck-Gartow vom 1.8.1974, S. 429 - 431

7. Amtsblatt für den Regierungsbezirk Lüneburg: Verordnung über Naturschutzgebiete im

Bereich des Schutzgebietssystems Elbetal vom 2.3.1998, S. 31 - 36

8. Gesetz über das Biosphärenreservat Nieders. Elbtalaue vom 14.11.2002 in:

9. Nieders. Gesetz- und Verordnungsblatt 2002, S. 426 ff

10. Dierking, Heinrich: „Naturschutzfachliche Rahmenkonzeption Untere Mittelelbe-Niederung

zwischen Quitzöbel und Sassendorf“, Hannover 1992, 163 S.

11. GR 1809/10, S. 209

12. GR 1809/10, S. 338

13. G4 Nr. 1 a „Die Aufräumung des Seegeflusses betr. 1813“

14. ebenda

15. G 4 Nr. 15 „Reinigung der Seege 1855 - 1908, Seege-Korrektion 1867“

16. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 1.6.1956

17. Wasserwirtschaftsamt Lüneburg: Gewässergütebericht 1988, Lüneburg 1989, S. 14 - 15

18. Staatliches Amt für Wasser und Abfall Lüneburg: Gewässergütebericht für 1991,

Lüneburg 1992, S. 15

19. Schulze, Manfred: „Schwermetalle im Sediment der niedersächsischen Elbe und ihrer

Nebenflüsse oberhalb Hamburgs“, Lüneburg 2001, S. 11, 12, 15, 17 zugleich NLWKN-

Schriftenreihe Bd. 1

20. Puffahrt, Otto: „Abwasserprobleme im Regierungsbezirk Lüneburg im Zeitraum von 1934

bis 1952“, Lüneburg 2003, S. 56 - 57

21. Amtsblatt der Regierung zu Lüneburg 1927, S. 77 ff., S. 197 f.

34


Erste Erwähnung Gartows

Hinsichtlich der ersten urkundlichen Erwähnung Gartows als Siedlung führt Rudolf Haberland aus:

„Im Jahre 1225 werden zuerst Herren von Chartowe in Urkunden als Inhaber der Burg Chartowe

am Seegeübergang zwischen Krummendieck und dem Bezirk „Uppe de Heide“ erwähnt. Gab es

1225 auch schon einen Ort Gartow? Wir wissen es nicht, dürfen es aber wohl annehmen. Wann ist

dieser Ort entstanden? Wir haben keinerlei Nachrichten darüber. Es kann jedoch wohl kaum einen

Zweifel darüber bestehen, dass die Siedlung Chartowe erst in Anlehnung an die Burg entstanden

ist und nicht schon vor Anlage der Burg bestanden hat…Urkundlich erwähnt wird der Ort Gartow

zuerst im Jahre 1321…“ 1

Die Erwähnung Gartows im Jahre 1225 fügt sich ein in die Reihe anderer größerer Siedlungen

im Landkreis Lüchow-Dannenberg mit Ersterwähnungen: Clenze 956 (wie auch Lüneburg), Lüchow

1145 (auch 1158), Bergen/D. 1203, Trebel 1251, Hitzacker 1258, Dannenberg 1293, Gorleben

1360, Schnackenburg 1373 und Wustrow 1377. Wird in diesem Zusammenhang das Gebiet

der Altmark näher betrachtet, ergeben sich weitere mittelalterliche Stadtgründungen: Havelberg

(948), Werben (1005), Tangermünde (1009), Salzwedel-Burg (1134), Seehausen (1151), Osterburg

(1160) und Salzwedel-Stadt (1233).

Einen Flecken namens Gartow gibt es nur einmal, aber in der Gemeinde Wusterhausen/Dosse

im Bundesland Brandenburg existiert ein Ortsteil mit der Bezeichnung Gartow (131 Einwohner,

Gartow/Wendland 1417 Einwohner). 2

Im ältesten Ortsverzeichnis unserer Region, dem „Lüneburger Lehnregister“, welches den Zeitraum

von 1330 bis 1368 abdeckt, erscheint Gartow nicht. Erklärlich wird dies, wenn bedacht wird,

dass Gartow damals offenbar nicht im Einflussbereich der Lüneburger Herzöge Otto, Wilhelm und

Bernhard gelegen hat, sondern im Bereich der Sachsenherzöge. 3

Späterhin (1486) begab sich Georg v. Bülow „in den Schutz des Kurfürsten Johann“ von Brandenburg:

„Das ich mich mitsambt meinem Sloß Garttow und aller seiner Zugehörung in des …Herrn

Johannsen, Marggraven zu Brandenburg… sunderlich Schutz und Schirm gesetzt und gegeben

habe …“ 4

Einen ähnlichen Schritt vollzog Georg v. Bülow

mit Gartow bereits 1471. Vorangegangen waren

Querelen mit den Herrscherhäusern Braunschweig-Lüneburg

und Brandenburg einerseits

und denen v. Bülow auf Gartow andererseits

um 1460. 5

Der Zeitpunkt der Ersterwähnung Gartows

1225 bezieht sich also lediglich auf die Nennung

der Burginhaber von Gartow, den Herren

von Chartowe. Somit bleibt der Nachweis zur

Ersterwähnung Gartows als Siedlung späteren

Nachforschungen als künftige Aufgabe vorbehalten.

Siegel v.d. Gartow und von Bülow

35


Siedlungsentwicklung

Die ersten nachweisbaren Bewohner unserer Landschaft waren Menschen des Mesolithikum-

Zeitalters. Als unsesshafte Jäger und Fischer erlangten sie jedoch kaum Bedeutung. Aber schon

während der Jungsteinzeit kann mit einer relativ dichten Besiedlung unserer Heimat gerechnet

werden. Seit etwa 3000 vor Christi trieben die Neolitiker Wald-Viehzucht und Ackerbau, wobei sie

an bestimmte Siedlungsgebiete gebunden waren und dabei Wald rodeten. In der Bronzezeit, mehr

aber in der Eisenzeit, und dann um Christi Geburt, trat hier „das häufige Vorkommen von Wohnplätzen“

und eine „außerordentlich dichte Besiedlung des Kreisgebietes“ hervor. 6

Infolge kriegerischer Entwicklungen kam es in Schüben immer wieder zu teilweise ganzen, oder

aber zeitlich begrenzten Siedlungsentleerungen von Teilgebieten des Landkreises. Im 9. Jahrhundert

breiteten sich längs der Elbe und im Wendland die Slawen aus, die vermutlich verbliebene

germanische Siedler teilweise verdrängten. Die Urbewohner scheinen vor dem Eindringen

der Wenden Abkömmlinge von Barden und Sachsen gewesen zu sein. Zu den Wenden teilt Koch

mit: „Die heidnischen Wenden, welche von den Sachsen verschieden bald Slaven bald Wenden

genannt wurden, sich selbst aber auch unterschieden als Dravanen und Linonen (Dravaner = Drawehner-Goh

und Linonen = Lem-Goh, jetzt Lemgow) drangen etwa 200 Jahre nach der Auswanderung

der Langobarden nicht nur in das jetzt unter dem Namen Wendland bekannte Gebiet von

Niedersachsen sondern weiter bis Bleckede, Lüneburg, Bevensen und Uelzen, nach Süden auch

bis Bodenteich vor,“ sowie: „Bemerken wollen wir hier, daß bei der Einwanderung der Wenden

zweifellos die Straße über Lenzen in der Priegnitz mit dem Übergange bei der alten Lenzer Fähre

über die Elbe bevorzugt gewesen ist und daß von dem zwischen Vietze und der Thalmühle belegenen

Höhenzuge, dem Höhbeck, aus die Besetzung des Hannoverschen Wendlandes erfolgt ist.“ 7

Über die Orts- und Flurnamen wurde versucht, die Ausbreitung der Wenden nachzuvollziehen: „Die

Orts- und Flurnamen zeigen an, dass sich die wendischen Einwanderer bis auf die Marschen an

Elbe und Seege überall ausbreiteten. Wendische Ortsnamen können aber auch von eingegangenen

Slawenorten auf unter deutscher Herrschaft entstandene Neugründungen übertragen sein.

Trotzdem scheinen die Gruppen der über die Elbe gekommenen Wenden nicht umfangreich gewesen

zu sein. Von den etwa 350 Siedlungen (einschließlich der Wüstungen) des Kreises entstanden

mindestens 50 im Jeetzeltal, in den Marschen und durch Umsiedlungen erst später, so dass mit

etwa 300 alten Siedlungsplätzen zu rechnen ist. Sie wurden nicht auf einmal besetzt. Mehr als

300 bis 400 wendische Familien dürften daher kaum aus dem ostelbischen Gebiet herübergezogen

sein, wahrscheinlich waren es noch weniger, weil sich nach und nach jüngere Familien, die

von den ersten Ankömmlingen abstammten, ausbreiten konnten.“ 8

Unter sächsischer Duldung mischten sich die heidnischen Wenden unter die Germanen und bildeten

bald die Mehrzahl, wobei die wendische Sprache überhand nahm. Vermutlich kamen die

Germanen seit dem 10./11. Jahrhundert wieder in größerer Zahl in das Wendland zurück, wobei

W. Schulz bemerkt: „Der deutsche Einfluss erstreckt sich also bereits vor dem Jahre 1000 auf

den ganzen Kreis Lüchow-Dannenberg, nach Schnath war seine Zurückgewinnung schon 983

abgeschlossen. Die Kriegszüge der Billunger und Sachsen gingen nach Ostelbien, von Kämpfen

diesseits des Flusses (Elbe) ist nichts nachgewiesen. Ohne eine straffe sächsische Herrschaft

über das ganze Land ist diese Befriedung des Wendlandes nicht zu verstehen. Die aus der Uelzener

Urkunde von 1289 abzuleitenden Kolonisationsmethoden (des Wendlandes) sind daher nicht

erst als Einrichtungen aus der Zeit der Grafen von Lüchow und Dannenberg aufzufassen, sondern

die Angaben beziehen sich auf eine viel frühere Zeit.“ 9

36


Die Deutschen setzten vermutlich bei der Kolonisation

des Wendlandes nach Zurückdrängung

der Wenden in den Dörfern Dorfschulzen

ein, die Aufsichts- und Verwaltungsaufgaben

wahrnahmen. Möglicherweise gab es zudem

Siedlungseinflüsse aus der Altmark. Die früheren

Germanen gehörten zu den Westgermanen

und innerhalb dieser zum Volk der

Herminonen, sie siedelten um 800 in dem

weiten Raum nordöstlich von Aller und Harz

bis zur unteren Oder, also auch im Landkreis

Lüchow-Dannenberg (Wendland). Später traten

die Westsneben und Semnonen sowie erst

dann die Langobarden auf. Das Kerngebiet der

langobardischen Besiedlung ist bis um 1300

als Bardengau bezeichnet worden. Vor dem

Auftreten der Langobarden scheinen die Angeln

im 1. und 2. Jahrhundert in die damals

weitgehend entvölkerte Altmark eingewandert

zu sein. Sie kamen aus dem Schleswiger

Raum. 10

Zeitgenössische Beschreibung von Gartow im

Braunschweiger Anzeiger von 1757

Der Gartower Raum war schon frühzeitig Gegenstand archäologischer Forschungen, begonnen

mit den Untersuchungen zum Höhbeck-Kastell Karls des Großen sowie den Ausgrabungen bei

Pevestorf, der Burg Meetschow und dem Ringwall im Elbholz. 11

Seit kurzem haben sich Forscher der Universität Göttingen den Raum Meetschow - Lenzen - Gartow

erneut vorgenommen und mit neuesten Methoden, wie Luftaufklärung, dendrologischen und

Magnetik-Untersuchungen, gründlichere Ergebnisse präsentiert. In Vietze wurden neben Scherben,

Knochen und einer emaillierten Heiligen-Fibula 178 unter Heinrich dem Löwen geprägte Silbermünzen

geborgen. 12

Hinsichtlich der Burgen hat Alfred Pudelko schon vor 1970 Untersuchungen angestellt, wobei ihm

eine Kette von Burgen auffiel, die von der ehemaligen Burg Pretzetze über Pölitz, Gorleben, Meetschow,

Restorf, Gartow, Rahnsburg, Bömenzien bis Schnackenburg reichte. Auch das sind Belege

für militärischstrategische Überlegungen jener Zeit. 13

Der Bogen, den die Burgenkette abschwenkend von der Elbe in die Seegeniederung vollzieht, hat

seine Erklärung vielleicht in der einstigen Existenz der „Insel Krummendiek“, den heute eingedeichten

Teil des Gartower Deich- und Wasserverbandes, wobei „Krummendiek“ ein Hinweis auf

eine vor Jahrhunderten bestehende Bedeichung sein kann. 14

37


In einem Vortrag von Jens Schneeweiß sind die Ergebnisse des vier Jahre laufenden Projekts

„Elbslawen“, Forschungsgegenstand des Seminars für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen,

vorgestellt worden:

„…Die älteste, nachgewiesene slawische Besiedlung im Raum Meetschow stammt aus dem 7./8.

Jahrhundert. Die Beteiligung der Burg Meetschow an der Schlacht des Jahres 929 n. Chr. gilt

als erwiesen. Der Umbau und das spätere Aufgeben der Burg erfolgten auf Grund von Wasserstandsveränderungen.

Der Burgwall im Elbholz wurde nach 860 n. Chr. errichtet. Anfang des 10.

Jahrhunderts erfolgte eine gewaltsame Zerstörung der Burg. Im 10. Jahrhundert erfolgten starke

Landschaftsveränderungen durch den Elbstrom mit Auswirkungen auf das Siedlungssystem.

Die Vietzer Schanze ist tatsächlich das „Castellum hohbuoki“, wobei eine römische Nutzung der

Anlage als unwahrscheinlich gilt. Ungeklärt ist noch die Funktion der Schwedenschanze aus der

frühslawischen Zeit (8. Jahrhundert). Eine spätere Nutzung der Höhenbefestigungen ist nicht erfolgt…“

15

Die Siedlungsausdehnung hatte wegen des natürlichen Überschwemmungsgebietes eine vorläufige

Stagnation erfahren. Erst seit dem Hochwasserschutz ab 1975/76 war daran zu denken, neue

Siedlungsgebiete zu erschließen. Da diese jedoch unter Stauwasser litten, ergab sich während

des Seeausbaues ab 1972 die Möglichkeit, die Bereiche „Schäferkamp“ und „Auf den Kämpen“

künstlich aufzuhöhen. Danach konnte die Bebauung des „Schäferkamps“ und „Auf den Kämpen“

im westlichen Gebiet, wo heute die Ferienhaus-Siedlung besteht, erfolgen. Die Bereiche „Am Quotum“

und „Auf den Kämpen“ (700 x 400 m, östliches Gebiet) sind nicht aufgehöht worden, so dass

es viele Jahre gedauert hat, bis die Bebauung verdichtet werden konnte. Noch heute gibt es dort

Lücken.

Bevor die Fläche „Schäferkamp“ aufgehöht wurde, lagen die Geländehöhen dort zwischen NN

+16,50 bis NN +17,76 m in unregelmäßigem Durcheinander. Der Bereich „Quotum“ lag etwas höher,

etwa zwischen NN +17,20 m bis NN +18,50 m. Da die Ortslage Gartow den Überschwemmungen

der Elbe durch Rückstau bis 1975 ausgesetzt war, wurde auch hier die „Polizeiverordnung

zum Schutze der Elbniederung gegen Wassersnot“ vom 30. Oktober 1930 angewandt. Reichte

bei vorzunehmenden Hausneubauten die Bauplatzhöhe nicht aus, musste eine Aufschüttung bzw.

ein Sockelmauerwerk vorgenommen werden, damit der Fußboden etwas höher als der mittlere

eisfreie Hochwasserstand lag.

Nur Vermutungen können darauf hindeuten, warum die ersten Siedler die Stelle zum Wohnen

und Arbeiten aussuchten, wo sich heute Gartow befindet. Die Erklärung könnte in den naturräumlichen

Gegebenheiten liegen: Zwischen Gartow und Quarnstedt verengt sich die Seegeniederung

unproportional stark. Zwei nur wenige Dezimeter höher liegende Flächen liegen sich auf kürzester

Distanz gegenüber – nur von der Seege getrennt. Hier bestand offensichtlich eine Furt, später eine

Brücke im Zuge wichtiger Fernverbindungen nach Lenzen, Schnackenburg, in die Prignitz und die

Altmark. Strategisch war diese Furt ein Zwangspunkt und wer darüber die Kontrolle hatte, festigte

seine Macht. In direkter Nachbarschaft zur Furt wurde eine „Wasser“-Burg errichtet und zu ihrem

eigenen Schutz mit Gräben umgeben.. Die Verbindung Furt/Burg scheint logisch, denn eigentlich

wäre es vorteilhafter gewesen, eine Burg auf dem 60 m hohen Höhbeck mit umfassender Rundumsicht

erbauen zu lassen.

Spitzenartig ragt die Gartower Besiedlung an die Seegeniederung heran, geradezu prädestiniert

zum Bebauen. Als Grundfläche diente wohl eine vorhandene, später durch künstliche Aufhöhungen

vergrößerte Talsandplatte, umgeben bis auf die Verbindung im Süd- und Nordwesten von

38


ehemals morastigen Gebieten. Die Hausbebauung fügte sich der damaligen Wegeführung an, die

direkt entlang der seegeseitigen, hochwasserfreien Geestkante entlang führte. So entstand bald

beiderseits dieses Weges ein langgestrecktes Straßendorf, später als Marktflecken aufgewertet.

Späteren Siedlungsausdehnungen waren bald wegen natürlicher Hindernisse Grenzen gesetzt:

Hochwasser und Morast. Daher erhielt Gartow im Ortsteil „Spring“ eine westliche Vorortsiedlung

und zur Geest hin eine südwestliche Erweiterung mit dem Ortsteil „Hahnenberge“. Auf dem jenseitigen

Seegeufer entstand ab 1695 das v. Bernstorffsche Gut Quarnstedt mit einer westlich

anschließenden Arbeitersiedlung.

Um die Hochwassergefährdung von Gartow zu minimieren, existierte im westlichen Ortsbereich

am Elsebusch ein inzwischen verschwundener niedriger Deich und im östlichen der Schäferkampsdeich

sowie der Buchhorstdamm. Noch weiter westlich übernahm der Straßendamm Gartow

- Meetschow einen gewissen Hochwasserschutz. Dennoch kam es vor, dass Gartow bei Extremhochwasser

von drei Seiten eingeschlossen war und in Teilen der Ortslage durch Gräben und

natürliche Rinnen überflutet wurde. Das änderte sich erst mit dem Deichbau von 1974 - 76, wobei

auch Nienwalde in den Hochwasserschutz einbezogen wurde und die Straße Gartow-Nienwalde

nicht mehr durch Überschwemmungen unterbrochen wird.

Burg und späteres Schloss Gartow

Bereits 1830 hat sich ein unbekannter Verfasser zu diesem Thema geäußert:

„Aus mehreren zutreffenden Sagen und Überlieferungen, Lokalumständen, Namen usw. dürfte

angenommen werden, dass der Höhbeck mit dem daranstoßenden Marschdistrikte zwischen der

Elbe, dem Aland und dem Seege- oder Garte-Flusse schon im 9. und 10 Säculn (Jahrhundert) von

Christen eingenommen, angebaut und gegen die anliegenden Gewässer eingedeicht wurde (also

die Insel Krummendiek), während die durchaus waldige Gegend im Süden des vorbeschriebenen

Distriktes am linken Ufer der Seege noch Jahrhunderte hindurch von (den heidnischen) Slawen

bewohnt blieb, mit alleiniger Ausnahme des Ortes Gartow und dessen nächster südlicher Umgebung.

Das Schloß Gartow ist nach seiner Lage fast unzweifelhaft zum Schutze des vorerwähnten

Marschdistriktes und zur Deckung des Hauptpasses (Damm oder Brücke) zu selbigem gegen die

Slawen als Brückenkopf erbaut worden, indem das meistens sumpfige Tal der Seege nur wenige

Übergänge gestattet, in einer vor Anwendung des Schießpulvers außerordentlich festen Lage.“ 16

Schloss Gartow Mitte des 16. Jhd. – Rekonstruktionsversuch von Detlev Stupperich

39


Und 1978 hat sich Detlev Stupperich eingehend mit der Baugeschichte von Burg und Schloss

beschäftigt:

„Die Urkunde von 1371 ist ein sehr wichtiger Hinweis zur Baugeschichte, da sie den Anfangszeitpunkt

markiert für diejenige Anlage des Schlosses Gartow, die 1709 und 1713 abgerissen wurde.

Drei Befestigungsarten werden erlaubt: Graben, Planken (Holzzaun aus vertikal aneinander gefügten

Bohlen mit womöglich eisenbeschlagenen Spitzen) und Mauern. Plankenzäune und Gräben

hat die Burg schon vor 1371. Sie werden nur erwähnt zwecks Befestigung des Städtchens. Sehr

wichtig ist dagegen das Wort muren. Es macht deutlich, dass vorher keine großen Mauern (aus

Steinen) existierten….“

Vermutlich war die allererste „Burg“ etwa um 1225 nichts anderes als eine Anlage runder Erdwälle

und Holzpalisaden, also eine Einfachst-Ausführung ohne Abwehrmauern aus Stein. Als

beim späteren Schlossneubau nach 1700 der Baugrund untersucht wurde, konstatierte der Celler

Oberbaumeister J.C. Borchmann „..wie unter solchen fundament-Mauren in der Erde große

Eichen-Bäume undt in (Zeichenbuchstabe) A. rudera von einem alten Schloße gefunden worden.“

Diese Eichenstämme, insgesamt 60 Stück, dienten zur Stabilisierung des früher wohl morastigen

Untergrundes. Nach Expertenansicht ist die erste Burganlage keine slawische Ringwallanlage

sondern eine „Substruktion einer deutschen Burganlage“ gewesen. Bis zum Jahre 1371 dürfte es

auch kein Burggebäude aus Steinquadern gegeben haben, möglicherweise bestanden diese aus

Fachwerk/Mauerziegelkonstruktionen. Aus dem Text des Teilungsvertrages von 1439 zwischen

Vicke von Bülow und Werner von der Schulenburg geht hervor, dass es damals ein „oberstes“ und

ein „unteres“ Schloß gegeben hat. Dieses Bauwerk stammte als Neubau aus dem Jahre 1371: „…

Höchstwahrscheinlich wurde damals ein kompletter Neubau errichtet: Im Süden der etwa kreisförmigen

Hauptinsel wurde an die Innenkante des umgebenden Walles eine halbkreisförmige Mantelmauer

gesetzt (Durchmesser ca. 45 m). Nach Norden wurde diese Mauer durch ein weiteres

gerades Mauerstück mit einem Torhaus in der Mitte abgeschlossen. Dadurch entstand vor dem

Schloß ein halbkreisförmiger Hof. Dieser Hof war von außen durch ein weiteres, kleines Torhaus

zugänglich…“

1439 bestand das Schloß/die Burg lediglich aus dem Wohnhaus, das lange neue Haus, der Küche,

dem kleinen und großen Bergfried und das Tor mit Torhaus. Das Wohnhaus war mit einiger

Sicherheit zweigeschossig. Die Bergfriede waren turmartige, die anderen Gebäude überragende

Baulichkeiten.

Um 1518 entstand durch Zu- und Neubauten wahrscheinlich ein halbkreisförmiges Schloß mit Abschlussmauer.

Eine weitgehend mit der Wirklichkeit identische Darstellung des Gartower Schlosses

liefert erstmals der Merianstich von 1650.

Es versteht sich von selbst, dass die Burg Gartow eine Wasserburg gewesen ist, d.h. sie war mit

einem Wassergraben umgeben. Vor der eigentlichen Burg befand sich um 1696 eine vorgelagerte,

ebenfalls mit einem Wassergraben versehene Vorinsel, wo einst das alte, im Dreißigjährigen

Krieg abgebrannte Brauhaus stand, sowie die danach errichtete Schule Gartow. Wird der Lageplan

damaliger Zeit betrachtet, erstaunt die Vielzahl der vorhandenen Wirtschaftsgebäude und

-flächen, die bis an die Kirche von Gartow reichen. Das erklärt sich aus der Tatsache, dass es drei

voneinander getrennte Wirtschaftshöfe gegeben hat, so wie sie sich aus der Dreiteilung des von

Bülowschen Besitzes seit 1518 ergab. 17

Als Andreas Gottlieb von Bernstorff 1694 das Schloß und die Herrschaft Gartow käuflich erwarb,

waren die Bauten in die Jahre gekommen und z.T. baufällig. Ein kostenträchtiger Neubau wurde

40


notwendig – darum ist 1709 die erste, frühneuzeitliche Schloßanlage abgebrochen worden. Lediglich

ein erst 1696 errichteter Fachwerkbau blieb zunächst erhalten und diente bis zur Fertigstellung

des neuen Schlosses als Übergangswohnung. Als hannoverscher Premierminister konnte sich

A.G. von Bernstorff den Celler Oberbaumeister Johann Caspar Borchmann leisten, der 1710 „mit

dem Bau der heute noch erhaltenen und bewohnten, dreiflügeligen Ehrenhofanlage“ begann…

Die heutige barocke Schloßanlage ist also über den Fundamenten der alten errichtet. Dadurch

konnte die bereits vorhandene Aufschüttung benutzt werden. Weil auch die alte Zufahrt vom Dorf

weiter genutzt wurde, ist die Schauseite des Schlosses nach Norden auf das Dorf hin gerichtet.

Sie zeigt eine schlichte, zweigeschossige Fassade mit einem gewichtigen Mansarddach. Die Mitte

ist ungewöhnlich wenig betont: Nur ein kleiner Portikus umrahmt die Eingangstür. Diese ist über

eine Treppe in der Mitte und eine geschwungene Auffahrt aus dem 19. Jahrhundert zugänglich.

Den Mittelbau flankieren zwei Seitenflügel, heute ebenfalls zweigeschossig wirkend, aber nur mit

einem einfachen Zeltdach. Die Seitenflügel waren ehemals nur durch kleine, viertelkreisförmige

Verbindungsgänge an den Mittelbau verbunden…“ 18

Mit ersten vorbereitenden Baumaßnahmen für das künftige neue Schloß ist 1703/04 begonnen

worden, als der mittlere versumpfte Schlossgraben zur Gewinnung von Baufläche mit Sand aus

den Hahnenbergen verfüllt wurde. Die Untertanen im Gartower Distrikt leisteten bei diesen bis

1706 andauernden Arbeiten Hand- und Spanndienste. Das neue Schloß erhielt zur Fundamentsicherung

Steinpacklagen von 2,32 m Breite. Die Steine dazu stammten vom Höhbeck. Quadersteine,

die auf das Fundament gesetzt wurden, kamen per Schiffsfracht von Magdeburg, ebenso von

dort Kalksteine, die in einem Brennofen nahe Gartow vor der Weiterverwendung gebrannt wurden.

Weitere Quadersteine stammten aus Harburg. Erst 1712/13 ist der letzte Rest des alten Schlosses

abgebrochen worden. Das Hauptgebäude des Schlosses war im Wesentlichen 1713 und der

Küchenflügel 1714 fertig gestellt worden. Es fehlte noch der Archivflügel, um dem gesamten Komplex

die noch heute vorhandene U-Form zu geben. Der Archivflügel war 1721 so weit hergestellt,

dass nach der Zerstörung der Gartower Kirche am 29. Mai 1721 durch einen Großbrand die Gottesdienste

bis zur Fertigstellung der neuen Kirche im Archiv abgehalten werden konnten. 1727 war

der Archivflügel vollendet. Das alte Schloß bzw. die alte Burg war einem Barockschloß gewichen.

Dieser Repräsentationsbau erinnerte nicht mehr an das Aussehen der mehr zu Verteidigungszwecken

errichteten alten Burg Gartow. 19/20

Rekonstruktionsversuch von Detlev Stupperich

1650: Schloss Gartow gezeichnet von Conrad Buno

41


Burg und Schloss Gartow: Zeichnung von Detlev Stupperich

Um 1700: Wasserburg und Vorwerk Originalzeichnung von Deich-Conducteur Pflaumbaum

42


Kämpferische, unsichere Zeiten im Frühmittelalter

Der Raum Höhbeck - Gartow-Schnackenburg befand sich stets in Grenzlage oder im Gebiet widerstreitender

Interessenkonflikte machtausübender Herrscher. Bis heute vereinigen sich in diesem

Raum die Grenzen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-

Anhalt.

Neben damaligen Stammesfehden orientierten sich die Kämpfe an der Verbreitung des Christentums,

was früher mit Feuer und Schwert erfolgte: „Zwar wirkten die Fürsten der Wenden schon zur

Zeit der sächsischen Kaiser…auf Einführung der christlichen Lehre hin, namentlich Gottschalk,

welcher im Michaeliskloster zu Lüneburg (theologische) Studien abgelegt hatte. Dieser Fürst, dessen

Vater 1032 erschlagen war, suchte das Christentum nach dem Osten hin zu verbreiten, als

er im Jahre 1047 zur Herrschaft über die Wenden kam, wurde aber wegen seines Bekehrungseifers

am 7. Juni 1066 zu Lenzen in der Prignitz erschlagen. Was Heinrich dem Finkler und seinen

Nachfolgern auf dem Kaiserthrone nicht gelungen war, erreichte Heinrich der Löwe durch seine

Ausdauer und Energie. Als dann die christliche Lehre Wurzel an der Elbe gefasst hatte, fand sie

in den an sich frommen Gemütern der Sachsen und der mit ihnen vermengten Wenden einen

fruchtbaren Boden.“ 21

Die das Wendland bevölkernden Langobarden begannen Ende des 2. Jahrhunderts und verstärkt um

425 nach Christi aus ihren Hauptwohngebieten nach Italien abzuwandern, wo sie 568 n. Chr. Fußfassten.

In das Wendland kamen nun überwiegend Angehörige der Sachsen (um 450 n. Chr.) und

der Warnen. Im 9. Jahrhundert überschritten Slawen aus dem Osten die Elbe und setzten sich hier

fest.

Die Völkerschaften waren damals unbeherrscht und streitbar, es kam zu vielen Kämpfen, wobei

auch der Raum Gartow nicht unverschont blieb, obwohl genaue Aussagen dazu nicht getroffen

werden können. Die Feindseligkeiten in der Nachbarschaft werden aber auch Auswirkungen auf

den Gartower Raum gehabt haben. Kaiser Karl der Große festigte seine Macht, indem er hier die

Slawenstämme Wilzen, Linonen und Smeldinger, die östlich der Elbe angesiedelt waren und über

die Elbe drängten, bekämpfte. In den Jahren 789 und von 808 bis 812 gab es Schlachten. 810

erhielt Karl, der an der Aller lagerte, die Nachricht: „die an der Elbe gelegene Burg mit Namen

Hohbuoki (Höhbeck), in der sich der kaiserliche Sendbote Odo mit einer ostsächsischen Besatzung

befand, sei von den Wilzen erobert worden.“ Der Chronist Karls des Großen, Einhard, legte

811 folgende Notiz nieder: „Der Kaiser… schickte ein Heer über die Elbe gegen die Linonen. Dieses

verwüstete deren Gebiete und stellte das im vorigen Jahre von den Wilzen zerstörte Kastell

Hohbuoki an der Elbe wieder her. Nach den Ausgrabungsergebnissen auf dem Höhbeck ist noch

nicht restlos sicher, ob das Kastell bereits 789 bestanden hat, es kann demnach auch erst 808

errichtet worden sein. 22

Auch die Altmark blieb von den Völkerverschiebungen nicht unberührt: „Das Chronikon von Moissac

berichtet 780, bei Karls Aufenthalt in Orheim (Ohrum/Oker) sei eine große Menge Friesen und

Wenden getauft worden. Was liegt näher, als dabei an die Wenden in der Altmark und in Osthannover

zu denken? Und in den Einhard-Annalen heißt es, zu dem Krieg gegen die Böhmen (805) sei

das Heer der Sachsen, das sich im Nordthüring-Gau gesammelt habe, mit innumerabilibus Slavis

(unzähligen Slawen) gekommen. Damit können nicht die Wilzen von jenseits der Elbe gemeint

sein, die von jeher die erbitterten Feinde der Sachsen und Franken waren und höchstens als

gezwungene Verbündete nicht aber im Heeresverband der Sachsen hätten auftreten können. Vielmehr

werden damit die zahlreichen wendischen Hintersassen der Grundherren in den ostsächsi-

43


schen Marken gemeint sein…Die Geschichtsschreiber berichten über den großen Obotriteneinfall

von 983, den der erste Markgraf der Nordmark Dietrich aus dem Hause Haldensleben durch sein

übermütiges, anmaßendes Verhalten gegen den Obotritenkönig ausgelöst hatte, über räuberische

Einfälle von jenseits der Elbe und über das Ringen um die befestigten Plätze an der Elbe (Walsleben,

Werben, Arneburg, Tangermünde). Über Kämpfe an der Nordgrenze um die Festen Wittingen,

Salzwedel, Bömenzien wissen wir nur sehr wenig.“ 23

Als Hinterlassenschaften bzw. Zeugen gewaltsamer Vorgänge im frühen Mittelalter gelten die Burgenreste.

Es handelt sich aber nicht um Gebäude, wie wir sie uns landläufig romantisierend vorstellen

sondern um recht einfache Befestigungswerke aus Wällen, Holzpalisaden, Steinen und

Erdreich, die für gewisse Zeit ihren Zweck erfüllten. Sehr alte, germanische Burgen sind Gummern

vermutlich im 1./2. Jahrhundert n. Chr. und das Höhbeck-Kastell gewesen. Slawische Burgen hingegen

waren wiederum Gummern und Elbholz (9. Jhdt.), die jüngere Schwedenschanze auf dem

Höhbeck und ebenfalls Meetschow (7./8. Jhdt.). Im 12. Jahrhundert erscheinen als deutsche Burgen

Schnackenburg, Rahnsburg, Restorf, Gartow, Gorleben und Pretzetze. 24

Karl der Große hat vermutlich 784 auch den Gartower Raum bei seinen Feldzügen berührt. “Der

König, entschlossen, dem sächsischen Krieg ein Ende zu machen, überschritt den Rhein, verwüstete

die Gaue der Westfalen und kam bis zur Weser. Als er an dem Orte, der Huculbi (vermutlich

Höhbeck) genannt wird, an dem Flusse das Lager aufgeschlagen hatte, sah er, daß er

nicht wie beabsichtigt hatte, in die nördlichen Gebiete Sachsens ziehen könne wegen der großen

Überschwemmungen, die damals plötzlich durch die andauernden Regengüsse entstanden

waren …“. 25

In den Jahren 808/809 wurde vom Grafen Oddo ein fränkisches Kastell auf dem Höhbeck im Auftrag

Karls des Großen errichtet, ebenso in der Nähe eine Burg, um den Elbeübergang nach Lenzen

zu schützen. Das Kastell wurde 810 von den feindlichen Wilzen erobert und zerstört, jedoch 811

erneut aufgebaut. Im Jahre 929 kam es ferner zur Schlacht bei Lenzen durch König Heinrich I von

Sachsen. 26

Das Höhbeck-Kastell (nach Sprockhoff 1958)

44


Landesherrscher im Mittelalter

Um gewisse Entwicklungen in und um Gartow verstehen zu können, ist es erforderlich einige

machtpolitische Vorgänge aufzuzeigen, die stets von damaligen Königen und Herzögen veranlasst

wurden und Rückwirkungen auch auf das Gartower Gebiet hatten, da Gartow im Grenzbereich von

Brandenburg, Sachsen und Braunschweig-Lüneburg lag. Feste Grenzen gab es damals noch nicht,

weil Kämpfe hin- und herwogten und die Interessen- und Einflusssphären mitunter schnell wechselten.

Es kann an dieser Stelle keine ausführliche Darstellung der Landesgeschichte erscheinen.

Es sollen vielmehr prägnante Persönlichkeiten und Ereignisse schlaglichtartig genannt werden.

Brandenburg

In Brandenburg herrschten damals die Askanier. Albrecht der Bär (1134 - 1170) erhielt von Kaiser

Lothar die Nordmark. Auf ihn folgten in 1. Linie: Otto I (1170 - 1184), Otto II (1184 - 1205),

Albrecht II (1205 - 1220), Johann I von Stendal (1220 - 1266), zeitgleich Otto III von Salzwedel

(1220 - 1267) und Otto IV (1266-1308), zeitgleich ferner Johann II (1266 - 1282) und Konrad

(1266 - 1304), daran anschließend, Waldemar (1305 - 1319). Sein Vetter Heinrich stirbt 1320. In

2. Linie erscheint bei den Askaniern Bernhard (1180 - 1212), der 1180 nach dem Sturz Heinrichs

des Löwen Brandenburg erhält und den Titel Herzog von Sachsen führt. Danach herrschen die

Wittelsbacher unter Ludwig dem Älteren (1323 - 1351), Ludwig dem Jüngeren, auch der Römer

genannt (1351 - 1365) und schließlich Otto V, der Faule genannt (1365 - 1373).

Sachsen

Im Herzogtum Sachsen herrschte von 852 bis 961 zunächst das Geschlecht der Ludolfinger. Graf

Ludolf erhielt 852 von Ludwig dem Deutschen den Titel Herzog, verbunden mit einigen Aufgaben

wie z.B. die Oberaufsicht über die Grafen, Leitung der allgemeinen Volksversammlung, Verkünder

der königlichen Gesetze, Anführer des Heerbannes und Streitschlichter. Für seine Bemühungen

erhielt er einen großen Teil des Königsgutes zu Lehn. Sein Sohn Brun ist vermutlich der Gründer

der Stadt Braunschweig gewesen und fiel 880 in der Normannenschlacht bei Ebstorf.

Von 961 bis 1106 erscheinen als neue Herrscher die Billunger. Magnus, der letzte Billunger stirbt

1106. Auf ihn folgt von 1106 bis zu seinem Tod 1137 Lothar von Süpplingenburg, den Heinrich V

1106 mit dem Land Sachsen belehnt. Lothar wurde 1125 deutscher Kaiser. Von 1137 bis 1180

herrschen nun die Welfen über Sachsen. 1137 verleiht Kaiser Lothar seinem Schwiegersohn Heinrich

dem Stolzen, ein Enkel Heinrichs des Löwen, das Land. Heinrich der Stolze stirbt 1139 .

Bereits 1138 hatte König Konrad III (1138 - 52) Albrecht dem Bären das Land Sachsen zu Lehn

gegeben. Unter ihm kam es zu einem Kampf zwischen den Häusern Staufern und Welfen, wobei

Albrecht der Bär Lüneburg, Bardowick und die umgebende Orte besetzte. Konrad III erklärt die Vereinigung

von zwei Herzogtümern in einer Hand für ungesetzlich aber Heinrich der Stolze weigert

sich, auf ein Land zu verzichten.

1142 kommt es zur Aussöhnung zwischen den Staufern und den Welfen und Konrad III belehnt

Heinrich den Löwen 1180 mit Sachsen, zu dem u.a. auch die Grafschaften Lüchow und Dannenberg

gehören. Albrecht der Bär verzichtet auf seinen Anspruch. Konrad stirbt 1152, Albrecht der

Bär 1170. Heinrich der Löwe wird auf dem Reichstag im Januar 1180 mit der Reichsacht belegt

und emigriert nach England. Das Herzogtum Sachsen wird aufgelöst, das Gebiet links der Weser

fällt als Herzogtum an den Erzbischof von Köln, das östliche Sachsen mit den alten sächsischen

Marken erhält Bernhard von Anhalt, der Sohn Albrechts des Bären. Er führte den Titel Herzog von

Sachsen und übertrug damit den Namen Sachsen auf die Gebiete des späteren Landes Sachsen.

45


Für die Gebiete links der Weser entfiel die Bezeichnung Sachsen. 1189 wird Heinrich der Löwe ein

zweites Mal gebannt. Er stirbt 1195.

Heinrich der Löwe (l.), Herzog Magnus (m.), Herzog Friedrich III (r.)

Braunschweig - Lüneburg

Auf Heinrich den Löwen folgt sein ältester Sohn Heinrich von 1195 bis 1203. Nach seinem Tod

erfolgte die Teilung des Landes unter den drei Söhnen: Heinrich erhält sämtliche Gebiete links des

Flusses Leine, Otto, der als Kaiser Otto IV von 1198 bis 1215 regierte, bekam die Gebiete rechts

der Leine und Wilhelm, genannt Langschwert, übernahm das Gebiet Lüneburg.

Das Herrschaftsgebiet von Wilhelm umfasste die „überelbischen Lande“: Das östliche Gebiet des

Lüneburgischen mit Lüneburg, den nordöstlichen Teil des Harzes und die größere Zahl der Welfischen

Güter in der Altmark“. Zu ihm gehörten die Vasallen u.a. auf den Schlössern in Hitzacker,

Lüchow und Dannenberg, demnach auch das Hannoversche Wendland. Als Wilhelm von 1203

bis 1213 regierte, erhellt sich aus den Urkunden jener Zeit nicht, dass es damals eine festgelegte

Grenze zwischen der Altmark und der Grafschaft Lüchow gab und vermutlich auch nicht im

Gartow-Schnackenburger Raum. Die Interessengebiete wurden mehr oder weniger respektiert. In

den Urkunden hat Wilhelm (Langschwert) keinen Herzogstitel geführt. Da seine Brüder Heinrich

und Otto keine Kinder hinterließen, wurde 1213 der Sohn Wilhelms im Alter von 9 Jahren Erbe

der gesamten welfischen Lande. Otto ( das Kind) regierte von 1213 bis 1252. In seiner Zeit wurde

Waldemar von Dänemark von Graf Heinrich von Schwerin überfallen und 1223 in Dannenberg

im Waldemarturm gefangen gesetzt. Otto nahm an der Schlacht von Bornhöved im Jahr 1227

teil und geriet in Gefangenschaft. Gegen Abtretung der Burg Hitzacker wurde er freigelassen. In

seine Regierungszeit fiel auch die Gründung des Herzogtumes Braunschweig - Lüneburg auf dem

Reichstag zu Mainz 1235. Die Söhne Ottos regieren das Land gemeinschaftlich, nämlich Albrecht

und Johann. 1267 beschlossen sie, das Land wieder zu teilen. Johann regierte von 1269 bis 1277

in Lüneburg, Otto (der Strenge) von 1277 bis 1330 in Celle.

Im Hannoverschen Wendland waren damit folgende Vorgänge verbunden: Im Juli 1317 wird Günter

von Kävernbergh (v. Kefernberg) zu Gartow mit der Grafschaft Lüchow beliehen, dieser verkauft

die Grafschaft am 6. Januar 1320 an Herzog Otto den Strengen. Otto erwirbt 1321 ein Viertel von

Gartow, wobei Friedrich von Gartow ihm verspricht „das Schloß zu bewahren“. 1328 wird nach

Kämpfen und Verhandlungen eine Grenzlinie zwischen Altmark und Lüneburg verabredet. Gartow

kommt auf die lüneburgische Seite. In einer Mitteilung Herzog Ottos von 1330 ist von einem „neuen“

Schloß in Gartow die Rede.

46


Von 1330 bis 1352 regierten Otto und Wilhelm, Söhne von Herzog Otto (dem Strengen). Als Otto

1352 starb, regierte Wilhelm („der mit dem großen Bein“) bis 1369 weiter. Da er keine männlichen

Nachkommen hatte, entbrannte von 1369 bis 1388 der bekannte Lüneburger Erbfolgekrieg.

Magnus II von Braunschweig (Torquatus) war ein ungestümer, kämpferischer Charakter und

stritt sich mit Herzog Albrecht von Sachsen um die Braunschweig-Lüneburger Lande. Schließlich

verzichteten die sächsischen Fürsten, nachdem Friedrich, Bernhard und Heinrich 1388 in der

Schlacht von Winsen/Aller siegten.

Mittelalterlicher Ritterzug: Prinz v. Waldeck, Graf Pückler, Prinz Carl v. Preußen, Graf Arnim, Graf Lynar

Indessen verschenkten die Markgrafen die sog. Insel Krummendiek 1360 an den Johanniter Orden

in Gartow. 1371 überwies Magnus Torquatus dem Johanniter Orden für geleistete und noch

zu leistende Dienste das Schloß und die „Stadt“ Gartow. Zu jener Zeit wird auch das Schloß Prezetze

erwähnt. 1390 zog Herzog Heinrich von Braunschweig - Lüneburg mit 1100 Pferden in die

Altmark, verwüstete dabei das Gebiet von Salzwedel bis Stendal und eroberte die „festen Häuser“

in Schnackenburg, Gartow und Wustrow. 1391 kam es zum Waffenstillstand aber auch zum

Streit wegen Schnackenburg. Die Insel Krummendiek wird geteilt. Bernhard und Heinrich regierten

von 1390 bis 1409 die Landesteile Celle und Lüneburg gemeinsam, während sich Friedrich mit

Braunschweig und einigen Schlössern zufrieden gab. Ab 1409 regierte Heinrich bis 1416 allein

weiter. Herzog Bernhard regierte bis 1434. In den Jahren 1409, 1428 und 1432 wurde das Land

Lüneburg mehrfach geteilt. Danach regierten weitere Herzöge: Otto (von der Heide) und Friedrich

(der Fromme) bis 1441 gemeinsam, danach Otto bis 1446 allein und von 1446 bis 1457 Friedrich

allein. Es folgten von 1457 bis 1464 Bernhard II und Otto (der Jüngere) gemeinsam, dann bis

1471 Otto allein und von 1471 bis 1478 erneut Friedrich (der Fromme), der einige Jahre im Kloster

zugebracht hatte. Otto (der Jüngere) nahm in seiner Regierungszeit den Herren von Bülow das

Schloß Hitzacker ab.

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Von 1478 bis 1522 ging die Regierung an den zunächst noch minderjährigen Herzog Heinrich (der

Mittlere) über. Er entsagt dann aber der Regierung zugunsten seiner drei Söhne Otto, Ernst und

Franz. Diese regierten bis 1546, wobei Otto 1529 auf die Mitregierung verzichtete und als Abfindung

Harburg erhielt. Ernst (der Bekenner) regierte von 1539 bis 1546 als Letzter.

Mittelalterliche Beraterrunde, Gerichtssitzung

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Gartow im Besitz des Johanniter Ordens

1360 verkauften die von der Gartow ihren Gartower Besitz an den Johanniter Orden. Die Ursprünge

des Ordens liegen weit zurück, als der Markgraf Albrecht der Bär von seinem Kreuzzug nach

Palästina 1159 Templer und Johanniter mitbrachte, die sich in seinem Herrschaftsbereich und

damit auch in der Altmark festsetzten. Sie kultivierten Ländereien und sicherten gleichzeitig ihre

Einflusssphären mit dem Schwert „als Krieger und Geistliche“. Außerdem trugen sie „auch viel zur

Beförderung des christlichen Glaubens unter den erst halb unterjochten, dem Heidenthum anhängenden

Wenden bei…“ Wegen ihrer Hilfeleistungen auch im karikativen Sinne sind die Templer

und Johanniter von den Landesfürsten reich beschenkt worden, indem sie Ländereien und Hebungen

erhielten, auch Privilegien, die ihren Unterhalt sicherten. Die erste Schenkung war die Kirche

in Werben nebst Ländereien, wo dann auch die erste sogen. Commende des Johanniter Ordens

gegründet wurde. Sie war die älteste in der Ballei Brandenburg. Ihr Vorsteher („Commendator“)

beaufsichtigte für den Orden die Gebiete: „Sachsen, Pommern, die Mark und die Wendlande“.

Erste Verwalter des Ordens waren ab 1271 Ulrich von Belleberg („Vicepräceptor des Ordens in

Sachsen und Wendenlande“), 1283 Moritz (ohne Familiennamen), 1321 Gebhard von Wanzleben

und 1351 Herrmann von Wereberge, der den späteren Titel Herrenmeister führte. Schon frühzeitig

(1171) kamen Erwerbungen bei Braunschweig, Pommern und Mecklenburg hinzu; ebenso bei Ratzeburg.

1235 überließ Graf Heinrich von Lüchow dem Orden sein Eigentum im heute nicht mehr

existierenden Dorf Wonem.

Um 1439: Die Johanniterburg Gartow, Rekonstruktionsversuch von Detlev Stupperich

Hermann von Wereberge (1351 - 1372) ein braunschweigischer Edelmann, dessen Mutter eine

Gräfin von Wernigerode gewesen sein soll, erhielt als Erster Grundbesitz aus dem Gartower Raum.

Es handelte sich um die sog. Insel Krummendiek, „mit mehreren Dörfern und Höfen in der Altmark

gegen Erlegung von 500 Goldgulden“. Dieser Verkauf, auch als Schenkung bezeichnet, erfolgte im

Jahr 1360 durch den Kurfürsten Ludwig der Römer (1351 - 1365) und dessen Bruder Markgraf

Otto. Die Insel war ein heute nicht mehr genau abzugrenzendes Gebiet zwischen Höhbeck und

49


Schnackenburg in der Elbmarsch, wohl auch mit Deichen versehen und gehörte damals zu Brandenburg,

wie auch Holtorf, Kapern und Gummern.

Während Herrmann von Wereberge überwiegend

in Supplingenburg, deren Commende

von den Templern um 1130 errichtet wurde,

residierte, nahm dessen Nachfolger Bernhard

von Schulenburg (1371 - 1397) seinen Amtsitz

in der Burg von Gartow. In einer Urkunde vom

1. November 1460, als Liborius von Schlieben

(1460 - 1471) als Herrenmeister fungierte, wurde

dem Orden vom Kurfürsten Friedrich II von

Brandenburg ein sehr umfangreicher Besitz

bestätigt, in der auch Gartow ohne Aufschlüsselung

des dortigen damit verbundenen Einzelbesitzes,

erwähnt wird. 27

Wappen v.d. Schulenburg

An die Johanniterzeit erinnert heute noch im Gartower Forst ein langer Forstweg bzw. eine Jagdbahn

mit der Bezeichnung „Sonnenburger Bahn“. In der v. Bernstorffschen Registerführung sind

die pflichtigen Orte noch lange Jahre in ihrer ehemaligen Lehnshoheit unterschieden worden: Das

Sonnenburgische/Johanniterorden-Lehen umfasste die Orte: Gummern, Kapern, Holtorf, Nienwalde,

Restorf, Brünkendorf, Pevestorf, Vietze, Meetschow und Prezelle. Das Cellische Lehen die

Orte: Laasche, Gedelitz, Kl. und Gr. Trebel, Nemitz, Tobringen, Lomitz, Vasenthien, Gorleben, Marleben,

Klautze, Krautze, Schmarsau i. Lemgow, Prezier, Volzendorf und Püggen. Als märkische

Dörfer wurden Gummern, Kapern und Holtorf bezeichnet.

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Quellen und Literatur

1. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, 2. Aufl., Lüchow

1988, S. 49

2. Müllers Grosses Deutsches Ortsbuch. Vollständiges Ortslexikon“, 30. Aufl., K.G. Saur, München

2007, S. 303

3. Hodenberg. v.: „Lüneburger Lehnregister der Herzöge Otto und Wilhelm und der Herzöge

Bernhard und Wilhelm Seculi XIV und XV nebst einem Homburger, einem Hallermunder und

einem Wölper Lehnregister“ in:Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums

Lüneburg, 9. Bd., Celle 1863, S. 11 - 61

4. Riedel, A.F.: „Codex diplomaticus Brandenburgensis, Sammlung der Urkunden,Chroniken

und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten.

“Reihe B, Bd. 5, Berlin 1848, Nr. 2138/Seite 432)

5. Riedel a.a.0., Reihe B, Bd. 5, Berlin 1848, Nr. MDCCC III/Seite 53, Nr. 1904/S. 161

6. Kofahl, K.: „Siedlungen aus der Zeit um Christi Geburt im hannoverschen Wendland“ in: Die

Kunde, 10 Jg., Heft 7, Hannover 1942

7. Koch: „Das Hannoversche Wendland oder der Gau Drawehn“,Dannenberg 1899, S. 22 - 23

8. Schulz, Willi: „Die Siedlungen des Landkreises Lüchow-Dannenberg“, 1956, unveröffentlicht,

S. 62

9. W. Schulz, a.a.O., S. 62

10. Schulze, Eduard: „Beiträge zur Volkskunde der Altmark“, Bremen 1969, S. 12 - 14

Stephan, Joachim: „Die Vogtei Salzwedel. Land und Leute vom Landesausbau bis zur Zeit

der Wirren“, Salzwedel 2006. Quellen, Findbücher und Inventare des Brandenburgischen

Landeshauptarchivs

11. Voss, Klaus L.: „Zum Stand der archäologischen Untersuchungen auf dem Hasenberg von

Pevestorf“ in: 2. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow

1970, S. 7 - 12

12. Schneeweiß, Jens: „1100 Jahre Meetschow – neue Einblicke in eine „alte Burg“ in: Archäologie

in Niedersachsen, Bd. 10, 2007, S. 102 - 105; ders.: „Teilprojekt 3: Slawische Burgen

und ihr ländliches Umfeld im nordöstlichen Niedersachsen“ in: Archäologisches Nachrichtenblatt

12, 2007, S. 288 - 292; ders.: „Bodenschatzsuche am Höhbeck – archäologische

Forschungen in der Gartower Elbtalaue“ in: Samtgemeindebote Gartow Juli - September

2007, S. 7 - 9

13. Pudelko, Alfred: „Frühe Burgen im Seegetal“ in: 1. Jahresheft des Heimatkdl.

Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1969, S. 51 - 58

14. Pudelko, Alfred: „Von der Insel Krummendiek“ in: 3. Jahresheft des Heimatkdl.

Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1972, S. 31 - 44

15. General-Anzeiger Lüchow-Dannenberg vom 15.3.2009

16. Anonym: „Über den Zustand von Gartow im XIV. Jahrhundert“ in: Neues Vaterländisches

Archiv, Jg. 1830, S. 139 - 155 ferner: Haberland, Rudolf a.a.O., S. 44

17. Stupperich, Detlev: „Gartow. Rekonstruktion einer frühneuzeitlichen Schlossanlage“,

Bückeburg 1978, S. 24, 120 - 123

18. Stupperich, Detlev a.a.O., S. 128, vgl. auch Ryll, Monika: “Die Residenz Gartow-Schlossarchitektur

im Spiegel nordeuropäischer Herrenhäuser des 18. Jahrhunderts“ in: 13. Jahresheft

des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1992, S. 23 - 56

19. /

20. Puffahrt, Otto: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff in und

um Gartow“, Gartow 1994, S. 51 - 56 Pudelko, Alfred: „Gartow um 1700“ in: 6. Jahresheft

des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1977, S. 121 - 132

51


21. Koch, a.a.0., S. 24 - 25

22. Haberland a.a.O., S. 29

23. E. Schulze a.a.O., S. 18 - 19, vgl. Keseberg, Alfred: „Altmärkisches Quellenbuch zur Heimatgeschichte

der Altmark und der Nachbargebiete“, 1. Bd., Salzwedel 1931; 2. Bd. Salzwedel

1932

24. Heimatkundl. Arbeitskreis Lüchow-Dannenberg: Wendland-Lexikon, Bd. 1 A-K, Stichwort

Burgen, S. 116 - 118)

25. Keseberg, Alfred, Herausg.: „Altmärkisches Quellenbuch zur Heimatgeschichte der Altmark

und der Nachbargebiete“, 1. Bd., Salzwedel 1931, S. 88

26. Keseberg, Alfred, Herausg.: „Altmärkisches Quellenbuch zur Heimatgeschichte der Altmark

und der Nachbargebiete“, 2. Bd., Salzwedel 1932, S. 21 - 24, 64 - 66

27. v. Winterfeld, A.: „Geschichte des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem.

Mit besonderer Berücksichtigung der Ballei Brandenburg oder des Herrenmeisterthums

Sonnenburg“, Berlin 1859, S. 649 - 654, 670 - 675, 696 - 700

52


Gartow als Grenzort bis 1719

Es dürfte richtig sein, den Ort Gartow tatsächlich als Grenzort zu bezeichnen, noch mehr aber die

Stadt und Feldmark Schnackenburg in ihrer Insellage im Kurfürstentum Brandenburg. Bis 1719

verlief die Landesgrenze an der heutigen Gemarkungsgrenze Gartow/Holtorf, veranschaulicht mit

der schönen Eichenallee von der heutigen Bundesstraße 493 nach Holtorf abzweigend; also fast

in Sichtweite von Gartow/Quarnstedt aus. Es dauerte lange, bis diese Grenze gefestigt war und

respektiert wurde.

Im Mittelalter gab es noch keine festen Grenzen, lediglich beanspruchte Gebietsteile bestimmter

lokaler Herrscher. Werden die wenigen bekannten Urkunden zu Rate gezogen, ergibt sich folgendes

Bild:

Um 1700: Wasserburg, Wirtschaftsteil, Kirche im Marktflecken Gartow

Am 13. Januar 1321 geloben die Gebrüder von der Gartow dem Herzog Otto von Braunschweig-

Lüneburg sowie dessen Söhnen Otto und Wilhelm „Burghude auf dem Schlosse Gartow zu halten“,

womit feststeht, daß Gartow zumindest unter dem Einfluß des Herrscherhauses Braunschweig-Lüneburg

stand. Gefestigt wurde diese Position wenige Tage später, als Friedrich von der Gartow sein

Viertel am Schloß Gartow mit Zubehör an den ebengenannten Herzog verkauft. Noch deutlicher

wird die Situation mit der Erbverbrüderung zwischen den Herzögen Otto von Braunschweig-Lüneburg

sowie dessen Vettern, den drei Herzögen Otto, Magnus und Ernst von Braunschweig vom 29.

Mai 1322. In diesem Vertrag erhalten die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg „Schnackenburg,

Gartow, Lüchow, Neubrück und die Probstei St. Blasii zu Braunschweig“. 1

53


Diese Abmachung hatte jedoch nur wenige Jahre Bestand, denn am 21. Mai 1328 steht in der Kurzinhaltsangabe

dieser Urkunde: „Markgraf Ludwig von Brandenburg überläßt dem Herzoge Otto

von Braunschweig und Lüneburg und dessen Söhnen Otto und Wilhelm die Grafschaft Lüchow,

wogegen sie ihm Gartow und den Zoll zu Schnackenburg überlassen, Aulosen brechen und das

Kloster Amelunxborn in seine Güter zu Aulosen wieder einsetzen sollen. Er verpflichtet sich mit

ihnen, umbeschadet des Baues der herzoglichen Landwehren zu Pretzetze, Oringen (wohl Öring)

und zu den Planken, sich gegenseitig zu Rechte stehen, sich wegen der geführten Fehde zu sühnen

und drei Jahre Frieden zu halten…“

Gartow wechselte also zum Herrschaftsgebiet Brandenburg. Unklar bleibt, wer die Landwehren,

also Durchfahrtshindernisse, bei Pretzetze, am Öring und im Forst Planken angelegt hat: der

braunschweig-lüneburgische oder der brandenburgische Herrscher? Zusammen mit Gartow sind

die damit verbundenen Dienstleistungen auch an Brandenburg übertragen worden, so wie sie

Markgraf Waldemar einst genutzt hatte. In einer Folgeurkunde vom gleichen Tag bestätigt Markgraf

Ludwig von Brandenburg „die Grenzregulierung zwischen der Mark Brandenburg und dem

Herzogthum Lüneburg“. Wird der Urkundentext richtig ausgelegt, verlief die Grenzlinie in etwa

der damaligen Heerstraße folgend von Dannenberg auf Ziemendorf, vor dem „Clukersberg“ (wohl

Klocksberg bei Wirl). Bei Meetschow begann dann die „ewige“ Landscheide, ohne daß zu erfahren

ist, wie deren Verlauf sich anschließend darstellte. 2

Jedoch hatten die Herzöge Otto und Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg die Hälfte des Gartower

Schlosses in ihrem Besitz, welches die Gebrüder von der Gartow für sie treuhänderisch verwalteten.

Vermutlich hat Herzog Otto von Braunschweig (also nicht die Herzogsbrüder Otto und Wilhelm)

das Schloß Gartow gegen den Protest des Markgrafen Ludwig neu erbauen lassen und den

Gebrüdern von der Gartow als Gegengabe dort das Wohnrecht eingeräumt. Wäre es so, dann ist

dieses Verhalten gegenüber Markgraf Ludwig eine Provokation gewesen. Dieser Vorgang ereignete

sich 1330. 3

In den folgenden 30 Jahren scheinen sich die territorialen Verhältnisse geändert zu haben. Im

Lehnbuch der Herzöge Magnus und Ernst von Braunschweig für den Zeitraum 1344 bis 1365

erscheint Friedrich von der Gartow als Vasall im ihm umgebenden Gebiet „terram hobeke“, also

Höhbeck ohne Angabe von Begrenzungen. Henning von der Gartow wird im Jahre 1350/51 als

Besitzer von drei Bauernhöfen in Vietze sowie Besitzungen in Restorf genannt. 4

Das Gebiet der sog. Insel Krummendiek mit den Dörfern Quarnstedt, Holtorf, Kapern, Gummern

und Stresow gehörte bis 1360 noch zur Mark Brandenburg, da zu diesem Zeitpunkt Kurfürst

Ludwig der Römer und dessen Bruder Markgraf Otto dem Johanniter Orden diese Insel für 500

Goldgulden verkauften. 5

Nach dem Erwerb des Gebietes durch den Johanniter Orden stellt sich die Frage, ob es ein Anhängsel

von Brandenburg oder Braunschweig-Lüneburg geblieben ist oder der Orden gewissermaßen

als private Institution über das Gebiet verfügte. Der Ordensbesitz beschränkte sich später nicht

nur auf die Insel allein, sondern dehnte sich als „Sonnenburger Lehen“ über den Höhbeck bis

Meetschow und Prezelle unter Einschluss des gesamten heutigen Gartower Forstes aus. 6

1364 wird bereits deutlich, wohin „das Schloss Gartow mit dem Städtchen, mit Dörfern, mit Jagd,

mit hoher und niederer Gerichtsbarkeit, mit geistlichen und weltlichen Lehen und mit allen Diensten….“

gehört, zum Herzogtum Braunschweig-Lüneburg. Aus der Urkunde vom 9. September 1364

54


geht hervor, daß die Herren von der Gartow sowie deren Nachfolger von der Schulenburg Gartow

Schloß und Ort „von dem Herzoge und von der Herrschaft Lüneburg zu Lehn besessen haben“.

Der braunschweig-lüneburgische Herzog versprach dem Johanniter Orden, das „Schloß mit allem

Zubehör in seinem Herzogthume zu verteidigen“, ist also der Schutzherr gewesen. Der Markgraf

von Brandenburg wurde damals als Gegner angesehen, da das Schloß und Städtchen ihm gegenüber

nicht geöffnet werden durfte. Aus der Urkunde geht ferner hervor, daß der Orden mit

Erlaubnis des braunschweig-lüneburgischen Herzogs den „Werder Höhbeck“ mit den darauf liegenden

Orten kaufen darf. Ferner, wenn es der Markgraf von Brandenburg erlaubt, war es dem

Orden gestattet, die noch unter brandenburgischer Hoheit stehende Insel Krummendiek käuflich

zu erwerben. Demnach hat der Orden 1360 beim Kauf der Insel Krummendiek nicht die Territorialhoheit

darüber erlangt. 7

Am 16. Oktober 1371 überläßt Herzog Magnus von Braunschweig und Lüneburg dem Johanniter

Orden „wegen geleisteter Dienste das Eigenthum über das Schloss und Städtchen Gartow, über

den Werder Höhbeck, über die darauf liegenden Dörfer und über die Heide ...“ Das verweigerte

Öffnungsrecht gegenüber dem Markgrafen von Brandenburg bestand weiterhin fort. Tiefgründig

ist der Satz in dieser Urkunde: „… (der Herzog von Br.-Lbg.) verpflichtet sich, zwei Wochen vorher,

ehe er vom Schlosse Krieg führen will, dem Commthur (dem Orden) es anzuzeigen“. 8

Dann kam es um 1390 zu Konflikten, in die Gartow mit hineingezogen worden ist. Seit 1371 gehörten

das Schloß und die Herrschaft bekanntlich zum Johanniter Orden. Vermutlich haben die

Lüneburger Herzöge das Schloß 1389/90 militärisch besetzt und damit die Markgrafen Jodocus

und Procop brüskiert. Ein unbekannter Verfasser äußert hierzu seine Ansicht: „daß die Herzöge

Bernhard und Heinrich (von Braunschweig-Lüneburg) das Schloß Gartow zwar belagert und erstürmt,

sich dort aber auf keine Weise festgesetzt, den Besitz desselben vielmehr wahrscheinlich

sehr bald und schon vor 1391 – wieder aufgegeben haben; indem im letztgedachtem Jahre der

Meister des Ordens, Bernhard von der Schulenburg, dort residierte; daß vielmehr von Lüneburgischer

Seite – im November 1594 zum ersten Male (seit 1371) – wieder versucht wurde, ein

Hoheits-Recht über Gartow zu prätendiren (beanspruchen)“. 9

Nachdem Friede herrschte, hat der Johanniter Orden ohne Behinderung An- und Verkäufe von

Gütern betätigt oder Belehnungen vergeben. Hierbei reicht das Einflußgebiet des Ordens im Jahre

1435 nicht nur bis Gummern sondern ferner bis nach Bömenzien und Stresow. 10

Am 20. Mai 1438 endete die Herrschaft des Ordens in Gartow, da dessen Herrenmeister von

Tyrbach die eine Hälfte von Gartower Besitzungen an Werner v. d. Schulenburg und die andere

Hälfte an den zu Dannenberg seßhaften Ritter Vicke von Bülow verkaufte. Im Jahre 1441 erwarb

von Bülow die v. d. Schulenburgsche Hälfte, so dass die Herrschaft in Gartow von 1441 bis 1694

im Besitz der Familie von Bülow verblieb und dann von den von Bernstorffs abgelöst wurde. Der

Johanniter Orden zog sich in die Stadt Sonnenburg/Pommern zurück.

Die weitere Entwicklung schildert Haberland:

„Wie die Johanniter, so waren auch die Bülows in dem von den Johannitern erworbenen Territorium

selbstständige Landesherren mit allen Rechten und Einkünften, die solche besaßen; doch

haben sie sich ihrer territorialen Unabhängigkeit nicht immer ungestört erfreuen dürfen, besonders

von lüneburgischer Seite her war sie schon im 14. Jahrhundert bedroht. Im lüneburgischbraunschweigischen

Teilungsvertrag von 1428 wird Gartow als zu Lüneburg gehörend bezeichnet

und Lüneburg scheint danach des öfteren den Versuch gemacht zu haben, Gartow fest in die Hand

55


zu bekommen, doch ist ihm das damals noch nicht gelungen; denn wie aus Urkunden der Jahre

1471 und 1486 hervorgeht, begab sich Georg (Jörg) von Bülow in den Schutz des brandenburgischen

Kurfürsten, der natürlich gern bereit war, den „lieben getreuen Jörg von Bülow“ in seine

„Beschirmunge“ zu nehmen. Ob Kurfürst Albrecht Achilles (1470 - 86) und Kurfürst Johann Cicero

(1486 - 99) dann wirklich eine Schutzherrschaft über Gartow ausgeübt haben, wissen wir nicht.

Das Endergebnis des stillen Ringens um den Besitz von Gartow war schließlich, dass Gartow nicht

brandenburgisch, sondern 1594 lüneburgisch wurde.

Um 1700: Gartow gezeichnet von Ingenieur-Offizier Rallen

56


1699: Grenze zwischen Braunschweig-Lüneburg und Brandenburg mit den brandenburgischen Dörfern

Holtorf, Gummern, Kapern, Stresow gezeichnet von Georg Friedrich Pauli

57


Jede Möglichkeit, die schlechte finanzielle Lage des Landes zu verbessern, muße ausgenutzt werden

und so kam 1594 Herzog Ernst II wohl dazu, von den Bülows die Landeshoheit über Gartow

zu fordern. Die Bülows weigerten sich, sie abzutreten, aber dessen ungeachtet huldigten im folgenden

Jahre die unzufriedenen Bürger Gartows dem Herzoge, später auch die Einwohner der

Dörfer und schließlich mußten auch die Bülows die Oberhoheit Lüneburgs anerkennen. So wurde

Gartow endgültig lüneburgisch. Ein letzter Versuch Brandenburgs 1684, zum mindesten die Lehensherrschaft

über Gartow zu gewinnen, mißglückte, so sehr auch die Bülows mit Brandenburg

sympathisierten.“ 11

Der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm forderte die Herren von Bülow zwischen 1684

und 1687 mehrmals auf, ihm zu huldigen bzw. als Landesherrn anzuerkennen. Dasselbe forderte

jedoch auch der cellische Herzog Georg Wilhelm. Die von Bülows gerieten in eine Zwickmühle und

der Celler Herzog drohte mit der Einziehung des Gutes Gartow. Durch die Wankelmütigkeit verärgert,

reagierte Herzog Georg Wilhelm:

“Die Bülows waren schnell bereit, den Huldigungseid in Berlin zu leisten. Die Celler Regierung aber

protestierte auf das heftigste, leitete gegen die Bülows ein Verfahren wegen Felonie (Treuebruch)

ein, ließ Gartow im Februar 1687 befestigen und legte mehrere Kompanien Fußvolk im Schloß

und Flecken Gartow. Brandenburg ließ schwere Artillerie auffahren. Es kam sogar zu Schießereien

zwischen beiderseitigen Grenzschutzabteilungen. Die Lage war höchst bedrohlich, doch schließlich

siegte die Vernunft. Sachsen vermittelte zwischen den feindlichen Parteien und es kam zu

Verhandlungen, die auf cellischer Seite Andreas Gottlieb Bernstorff führte. Jahrelang zogen sie

sich hin, bis endlich 1690 ein Vergleich zustande kam. Brandenburg verzichtete endgültig auf

Gartow…“ 12

Für ihren Fehler mußten die von Bülow seit 1687 eine vom Celler Herzog verfügte Zwangsbewirtschaftung

ihres Gutes Gartow erdulden, die bis 1690 andauerte, als Andreas Gottlieb von Bernstorff

das Gut Gartow 1694 käuflich erwarb.

Gartow blieb dennoch Grenzort und die Stadt Schnackenburg blieb weiterhin eine Enklave von

Hannover im brandenburgischen Gebiet, da Holtorf, Kapern und Gummern weiterhin brandenburgisch

blieben, jedoch dem Gut Gartow zahlungs- und leistungspflichtig waren. Diese Konstellation

dürfte ziemlich einmalig gewesen sein: „Ausländer“, und solche waren die Einwohner von Holtorf,

Kapern und Gummern nach Auffassung des Herzogs in Hannover, zahlten Steuern und leisteten

Dienste an den „Ausländer“ von Bernstorff, wenn die Meinung Preußens zugrunde gelegt wird.

Von den Grenzstreitigkeiten zwischen Preußen und Hannover 1691/92 die vorausgingen, blieb

Gartow unberührt, als am 28. Oktober 1699 die Landesgrenze zwischen beiden Ländern im Bereich

Arendsee-Gartow im sogen. Gartower Grenzrezeß festgeschrieben wurde. Die Orte Holtorf,

Kapern und Gummern blieben territorial ausgeklammert, sie blieben preussisch. Im Rezeß wird

auch das Gebiet bei Gartow erwähnt:

„…zwischen dem Gartow- Quarnstedt- und Holtorfer Felde, so theils mit doppelten Hügeln, theils

mit Grentzstangen bemercket, bis neben der Sandfuhrt oder dem Sandgraben zu Ende der Holtorfer

Feldmarck, alwo die 52. Grentzstange nach der Numero der Hügel stehet. Von dannen in der

Fohre zwischen den letzten Gartowischen Ackerstücken auf der Höhe und Casper Rathkens aus

Holtorf Stücken hinunter durch die Wall-See neben Holtorf, vor den Gartowischen Krißen…“ weiter

bis zur Elbe. Zu jener Zeit wurde die Landesgrenze also mit Erdhügeln und Stangen gekennzeichnet.

13

58


Später wurde der Grenzrezeß von 1699 durch die brandenburgischen Grenz-Kommissare nicht

als endgültig anerkannt, da sie zu verstehen gaben „daß ihr König und Herr nicht gesonnen wäre,

den Land-Grentz-Receß de ao. 1699 zu verewigen“. Demnach vertraten sie die Ansicht, es gelte

weiterhin die Landesgrenze vom Jahre 1328, wonach das gesamte Gartower Gebiet als noch zum

Kurfürstentum Brandenburg gehörig betrachtet wurde. 14

Die pflichtigen Untertanen aus den drei vorgenannten Orten zeigten sich gegenüber dem Haus

Gartow in den Folgejahren renitent, da sie sich nicht zu Hannover gehörig fühlten. Für Preußen war

das Gebiet Holtorf, Kapern und Gummern insofern von Bedeutung, weil in Holtorf Zoll gehoben

werden durfte und mit der dortigen Elbfähre Lenzen im Verlauf einer Heerstraße von Arendsee aus

schnell erreicht werden konnte.

Im Rahmen des sog. Nordischen Krieges und damit verbundener überregionaler politischer Verabredungen

hat Preußen gemäß Abtretungsvertrag vom 4./21. August 1719 letztendlich auf Holtorf,

Kapern und Gummern verzichtet, so daß deren Gemarkungen und Einwohner dem Kurfürstentum

Hannover angegliedert werden konnten.

Eine über mehrere Jahrhunderte anhaltende Situation hatte sich geändert, Gartow war nun kein

direkter Grenzort mehr. Auf die neuzeitliche, kurz nach dem 2. Weltkrieg geplante Abtretung dieses

Gebietes an die sowjetisch besetzte Zone und die Grenzlage von 1945 bis 1990, wovon Gartow

ebenfalls wirtschaftlich unmittelbar betroffen war, wird weiter hinten berichtet. 15

Gartow im 17. Jhd. nach Merian

Die Gartower Landschaft nach der Topographie von 1968

59


Quellen und Literatur

1. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg

und ihrer Lande“, 1. Bd., Hannover 1859, Urkunden Nr. 343, 344, 365

2. wie vor, 1. Bd., Hannover 1859, Urkunde Nr. 438, 439

3. wie vor, 1. Bd., Hannover 1859, Urkunde Nr. 501, 502

4. wie vor, 2. Bd., Hannover 1860, Urkunde 79

5. v. Winterfeld, A.: „Geschichte des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem“,

Berlin 1859, S. 672

6. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 16,

Zeichnung

7. Sudendorf, H., 3 Bd., Hannover 1862, Urkunde Nr. 236

8. wie vor, 4. Bd., Urkunde Nr. 220

9. Anonym: „Über den Zustand von Gartow im XIV. Jahrhundert“ in: Neues Vaterländisches

Archiv, Jg. 1830, S. 139 - 155

10. Brosius, Dieter: „Wendländische Regesten 1298 - 1528“, Lüchow 1988, Urkunde 164.

11. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 60

12. Haberland, Rudolf a.a.O., S. 122

13. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 24 - 26

14. Puffahrt, Otto: „Der Gartower Grenzrezess zwischen Brandenburg und Braunschweig-Lüneburg

vom 28. Oktober 1699“,Lüneburg 2004, s. auch Gartower Heimatbote August 1929.

15. D 10 Nr. 16 „Alte Historie von Gartow, zu den Grentz-Acten mit Chur Brandenburg gehörig,

1767“

16. Lentz, N.N.: „Historische Sammlung von dem Lüneburgischen Orte Gartow“ in: Braunschweigische

Anzeigen vom 19.1.1757, 6. Stück, S. 86 - 91

60


Die Adelsgeschlechter in Gartow

Drei Adelsgeschlechter bestimmten im Wesentlichen die Geschichte von Gartow: die Herren von

(der) Gartow, die Herren von Bülow und die Grafen von Bernstorff. Der Einfluss des Johanniter

Ordens soll hier nicht unterbewertet werden, dürfte jedoch in der kurzen Wirkungszeit nicht allzu

viel Einfluss auf Gartows Entwicklung gehabt haben.

Am wenigsten ist vom Geschlecht der Herren von (der) Gartow bekannt, welches im 13. Jahrhundert

erscheint. In diesem Zusammenhang muss auf eine stark ähnelnde Wappenführung der Herren

von (der) Gartow und dem Geschlecht der von (dem) Knesebeck hingewiesen werden. Beide

verwenden im Wappenschild die Greifenklaue, die Kralle nach links ausgerichtet und die Helmzier

trägt bei den von (der) Gartow drei Fähnchen und bei den von (dem) Knesebeck deren fünf. Diese

Übereinstimmung wäre eine Untersuchung wert. 1

Die von dem Knesebeck, im Mittelalter im Raum Bodenteich und Lüchow begütert, erscheinen

urkundlich bereits 1268 sowie erneut 1353 beim Verkauf des Dorfes Trabuhn an die Herren von

Wustrow. 2

Herren von (der) Gartowe (Charthowe)

Der Heimatforscher Rudolf Haberland hat sich bereits mit diesem Geschlecht, von dem nur wenig

bekannt ist, beschäftigt:

„…Es war am 6. November 1225, als zu Zehusen (Seehausen) in der Altmark auf Einladung der

jungen brandenburgischen Markgrafen Johann und Otto zahlreiche Edle und Herren versammelt

waren, mancherlei Angelegenheiten des Landes zu besprechen und zu ordnen. Unter anderem

wurden während dieser Tagung dem 1184 gegründeten Kloster Arendsee von den Markgrafen

seine Rechte bestätigt und ihm zwei Hufen Landes geschenkt. Rechtskraft erhielt die darüber

ausgestellte Urkunde erst durch Anhängung des markgräflichen Siegels und durch Unterschrift

einer Reihe von Zeugen. Unter den Zeugen dieser Urkunde aber befindet sich auch ein Conradus

de Gartowe, und dieser Conrad von Gartow und ein Gerhardi de Carthowe, der ebenfalls im Jahre

1225 als Zeuge in einer anderen Vertragsurkunde genannt wird, sind die ersten uns bekannten

Mitglieder des Geschlechts derer von Gartow. Seitdem aber werden Herren von Gartow in zahlreichen

Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts genannt. Doch wissen dieselben meist nur von

Käufen und Verkäufen, Belehnungen und Verpfändungen zu berichten und fast gar nichts von

dem, was sonst das Leben unserer Gartower Herren ausgefüllt haben mag.

Wappen v.d. Gartow (l), v.d. Knesebeck (r)

61


Das aber geht aus den zahlreichen urkundlichen Erwähnungen der Herren von Gartow unzweifelhaft

hervor, daß dieselben ein sehr begütertes Geschlecht waren. Fast alle Orte in unserem

Heimatgebiet links und rechts der Seege waren, ganz oder zum Teil, Lehnsbesitz der Herren von

Chartowe, nämlich:

„Hus und Stedeken to der Gartowe“ (1360), in Krummendiek: Quarnstedt, Holtorf, Capern, Gummern,

Brunstorp, Hogen Wentorp, Krissow, Tzedemstorp und verschiedene Höfe, im Höhbeckgebiet:

Restorf, Pevestorf, Brünkendorf, Vietze, Dorp to Vire, Tezichow, im Gebiet „Uppe der Heide“:

Niendorf, Meetschow, Wirl, Prezelle, Gedelitz, Wulfeshole, Santekow, Hangförde, nicht aber Gorleben

und Laasche.

In der Altmark werden Liesten, Zühlen, Thielbeer, Genzin als Besitz der Herren von Chartowe genannt.

Gartow und die Dörfer „Auf der Heide“ waren um 1360 lüneburgische Lehen, die Orte des

Höhbeckgebietes braunschweigische und die Dörfer und Höfe Krummendieks brandenburgische

Lehen…“ 3

Nur wenige weitere Urkunden erwähnen Mitglieder der Familie von Gartow, wie die Urkunde vom

13. Januar 1321 in der „Basilius, Hilmar und Johann von der Gartow geloben, dem Herzoge Otto

von Braunschweig und Lüneburg und seinen Söhnen Otto und Wilhelm Burghude auf dem Schlosse

Gartow zu halten“ (Urkunde Nr. 343). Im Original werden die Vornamen „Beseke, Helmer und

Henningh von der Chartowe“ sowie Gerhard („Gherarde“) genannt. Als Zeugen traten auf Volrad

von „dreingleue“, Roleue von Garsenbutle, Henning von Irksleue (ein Ritter), Jordan von dem Campe,

Hinrich von Irkssleue, erwähnter Gerhard von der Gartow, Thiederich von Wardenberg, Jurius

von Hitzacker und Heineke von Dannenberg als „Knechte“.

Nur wenige Tage später, am 9. Februar 1321, wird die nächste Urkunde ausgestellt: „Ritter Friedrich

von der Gartow verkauft dem Herzoge Otto von Braunschweig und Lüneburg und dessen Söhnen

Otto und Wilhelm sein Viertel des Schlosses Gartow mit seinem Anteile an der Vorburg und an

dem Gerichte im Dorfe, mit dem Patronatsrechte und sonstigem Zubehör“. 4

Friedrich verkauft ferner seinen Anteil am Kirchlehn sowie vier Häuser in Gartow, die Mühle, das

Vorwerk, Felder, Holzung, Wasser, das Wendfeld mit der Mühle, eine Hufe in Quarnstedt, dazu

Einkünfte aus der Hafer- und Gerstenernte.

Schon zu diesem frühen Zeitpunkt begegnen wir der Teilung des Gesamtbesitzes in vier Teile,

nämlich an Beseke, Helmer, Henning und Friedrich von der Gartow. Ob Gerhard dazu gehörte, ist

nicht ganz klar.

Friedrich von (der) Gartow („der“ wird nun nicht mehr genannt) und sein Bruder Johann erscheinen

in einer weiteren Urkunde vom 22. Mai 1328 worin „Die Gebrüder Friedrich und Johann von Gartow,

Knappen, erklären, für ihre Schuldforderung den vierten Theil des Schlosses Gartow von den

jungen Herzögen Otto und Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg erhalten zu haben“. Somit

waren die jungen Herzöge Mitbesitzer von Schloss Gartow und einigen Zubehörungen in Gartow

geworden. In der Folgezeit muss es den jungen Herzögen gelungen sein, ein weiteres Viertel am

Gartower Besitz zu vereinnahmen:

„Die Gebrüder Friedrich, Johann und Balduin von der Gartow geloben wegen des ihnen von den

Herzögen Otto und Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg anvertraute Hälfte des Schlosses

Gartow treu zu bewahren“ (Urkunde Nr. 532). Am gleichen Tag, dem 5. Februar 1332, ist eine

weitere Urkunde ausgestellt worden: „Die Gebrüder Friedrich, Johann und Balduin von der Gartow

geloben wegen des ihnen am Schloße Hitzacker geschehenen den Herzögen Otto und Wilhelm

62


von Braunschweig und Lüneburg eine Sühne“. Welches Vorkommnis sich ereignete, erfahren wir

jedoch nicht. 5

Die nächste Urkunde vom 5. Februar 1335 nennt neue Namen: „Die Gebrüder Basilius, Hilmar

und Busso von Gartow resigniren dem Herzoge Otto von Braunschweig Güter zu Leisten zu Gunsten

des Klosters Arendsee“. Damit ist die Ortschaft Leisten im Hannoverschen Wendland gemeint.

Weitere Jahre später ist eine Urkunde mit folgendem Kurzinhalt ausgestellt worden, welche vom

17. Februar 1342 datiert: „Die Gebrüder Busso, Basilius und Hilmar von der Gartow verzichten

den Herzögen Otto und Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg auf das Dorf Lomitz und auf das

Burglehn zu Lüchow und geloben, das den Kaufleuten genommene Geld zurückzugeben, niemals

Feinde der Herzöge zu werden und ihnen 40 feine Mark zu zahlen“ (Urkunde Nr. 4). Die Geldrückgabe

an die Kaufleute lässt die Vermutung zu, dass die Herren von Gartow illegal gehandelt haben

und sich der Gedanke des Raubrittertums aufdrängt. Die näheren Umstände werden wir jedoch

wegen fehlender Überlieferung nie erfahren. Mitglieder der von Gartow erscheinen auch im Lehnbuch

der Herzöge Magnus und Ernst von Braunschweig, welches die Zeit von 1344 - 1365 betrifft:

genannt werden „Freder Claudicans de gartouwe“ mit dem Zusatz „terram hobeke“, also Land

Höhbeck sowie „Henninghus de gartowe“, dessen Besitztum angegeben wird, worunter drei Höfe

in Vietze erscheinen. 6

Später sind keine Verkaufsurkunden der Herren von Gartow mehr bekannt, jedoch erscheinen in

der Urkunde Nr. 111 vom 19. April 1360 im Zusammenhang mit denen von Wustrow ein Friedrich

von der Gartow und in der Urkunde Nr. 401 vom 18. Februar 1369 bei einer Verpfändung der

Name Busse von der Gartow, ebenso in der Urkunde Nr. 402 gleichen Datums. Friedrich von der

Gartow erscheint ein letztes Mal in der Urkunde Nr. 429 vom 18. November 1369 mit dem Kurzinhalt:

„Die Knappen Diedrich Wenckstern und Friedrich von der Gartow stellen einen Revers aus,

dass Herzog Magnus von Braunschweig und Lüneburg unter Vorbehalt des Öffnungsrechtes ihnen

auf drei Jahre das Schloss Pretzetze mit Gülte, Gericht und Recht, wie Diedrich von Hitzacker

es besessen hat, für 450 Mark Pfennige verpfändet und gelobet hat, sechs löthige Mark ihnen

jährlich zu der Gülte zuzulegen und ihnen die Kosten nöthiger Bauten am Schlosse, die sie nach

seinem Rathe vornehmen, bei der Einlösung zu ersetzen, dass er auch Selbsthülfe vom Schlosse

gegen Unrecht, wogegen er ihnen nicht zum Rechte oder Vergleiche verhilft, ihnen gestattet hat.“ 7

Als die Herren von Gartow ihren Gartower Besitz bereits abgetreten hatten, blieben sie weiterhin

in Urkunden namentlich präsent. So in einer Klageschrift anlässlich des Satetages in Lüneburg

vom 16. - 18. März 1393, als unter weiteren Tätern Henning von der Gartow der Vorwurf gemacht

wurde, zu Lasten von Friedrich und Albrecht von Wustrow Vieh gestohlen zu haben (Urkunde Nr.

135). Etwa 20 Jahre zuvor (1376) erschien Bosse von der Gartow als Zeuge in einer wichtigen

Urkunde als „König Oluf von Dänemark, König Hakon von Schweden und Norwegen und Königin

Margarethe von Schweden und Norwegen geloben, dem Herzoge Erich von Sachsen-Lauenburg

Hülfe in allen seinen Kriegen zu leisten…“ 8

Anläßlich einer geistlichen Stiftung in einer Kapelle bei der Domkirche in Ratzeburg wird gemäß

Urkunde vom 4. Mai 1387 Busso von Gartow als Zeuge aufgeführt (Urkunde Nr. 147.4) und in der

Urkunde vom 2. Februar 1397 erscheint ein weiterer Namensträger: „Burchard von der Gartow

verschreibt den Gebrüdern Nicolaus und Heinrich von Hachede 30 Mark Pfennige nebst Zinsen in

seinem Burglehen zu Lauenburg.“ 9

63


In einer Urkunde vom 31. Oktober 1403 erscheint als Zeuge Hinrich von der Gartow (Urkunde Nr.

225) und in der Urkunde vom 18. Mai 1404 lediglich der Familienname von der Gartow (Urkunde

Nr. 246). Bei letzterer beginnt der Kurzinhalt mit den Sätzen: „Achtzehn ritterbürtige Leute

des Herzogthums Sachsen-Lauenburg schliessen mit zwölf ihrer dortigen Standesgenossen einen

Bund, nämlich die von Zule, Wackerbart, Lasbeke und Scharpenberg mit den Schacke, Daldorp

und von der Gartowe…“ 10

Demnach hat sich zumindest ein Familienmitglied der von der Gartow im Lauenburgischen niedergelassen.

Nach ergänzenden Urkunden sind weitere Aktivitäten dieser Adelsfamilie nachweisbar:

die Brüder und Knappen Friedrich und Henning von Gartow verpfändeten Johann Markmann in

Lüchow und dessen Frau den Bauermeister Tyleke aus Nemitz (Urkunde Nr. 2 vom 15.8.1300),

Ritter Friedrich von Gartow richtet beim Kaland Lüchow für sich und seine Eltern eine Memorie

(Betstunde) und Messe ein. Gleichzeitig erhielt der Dekan des Kalands die Nutzung eines Ackers

und einer Wiese. Seine Neffen sind Friedrich, Henning und Boldewin von Gartow (Urkunde Nr. 10

vom 18.1.1329). Diese Gebrüder, wobei Friedrich als der „Jüngere“ bezeichnet wird, verkaufen

an Hinrich von Dannenberg, Henning Klitzing und Otto Melbeck zu Händen des Kalands Lüchow

das halbe Dorf Gr. Breese „wie ihre Eltern es besessen haben“ (Urkunde Nr. 18 vom 11.11.1336).

Wenig später verkauft Hinrich von Gartow (der Jüngere) an Pardam Plato, Hinrich von Dannenberg

und Henning Klitzing die andere Hälfte von Gr. Breese zugunsten des Kalands Lüchow sowie eine

Rente vom dortigen Hof Burmester. 11

Busso von Gartow sowie seine Brüder Beseke und Helmer versprechen dem Kaland Lüchow Wiedergutmachung

für zugefügte Schäden (Urkunde Nr. 29 vom 25.3.1342), ebenso desgleichen

wenige Monate später (Urkunde Nr. 30 vom 26.6.1342). Die vorerst letzte Urkunde beinhaltet die

Verpfändung des Dorfes Lanze durch Geseke und Busso von Gartow an die Brüder Pardam und

Rabode von Plato sowie den Gebrüdern von dem Knesebeck (Urkunde Nr. 31 vom 22.2.1344).

Schließlich verkauften Hinrich Sack der Ältere und seine Frau Mette an Vicke von Bülow „ihre Burg

zu Gorleben, Ober- und Unterburg mit dem Vorwerk und dem ganzen Dorf sowie das Dorf Laasche,

das der Aussteller von Jan von der Gartow gekauft hatte…. 12/13

In der Geschichte der Altmark von 1855 wird Gerhard von Garthow 1225 als Vogt zu Salzwedel

unter dem Grafen Heinrich von Aschersleben bezeichnet. Im Isenhagener Urkundenbuch Nr. 31

wird 1225 „Gerhard de Carthow“ als Zeuge aufgeführt, wie auch „dominus Johannes cognomine

gans de Garthowe“ in einer Urkunde von 1255 erscheint, wo auch sein Sohn Gerhard genannt

wird. Die von Gartow waren, wie bereits erwähnt, ebenfalls in der Altmark begütert, wohin sie sich

nach dem Verkauf von Gartow zurückzogen. Die Chronik der Stadt Arendsee erwähnt sie 1312 :

„Die Gebrüder von Gartow gaben, gepanzert und eisengeharnischt, ihrer Schwester das Geleit ins

Kloster und unterschrieben die Schenkungsurkunde, wonach sie jährlich 2 ½ Wispel Korn vom

Dorfe Liesten als Leibgedinge liefern wollten“ sowie „die von Gartow überweisen dem Kloster

weitere Hebungen aus Liesten (20. Mai 1319) und „Friedrich, Heinrich und Balduin von Gartow

überlassen dem Kloster Besitzungen in Liesten 1329“. Am 2. August 1331 geben die von Gartow

dem Kloster alle Rechte am Dorf Zühlen und „Papst Johann XXII bestätigt dem Vikar Dietrich von

Gartow den Besitz eines Altars in der Klosterkirche 21.12.1331“. 1335 haben Beseke, Hilmer und

Busso von Gartow ihre restlichen Besitzungen in Liesten an das Kloster verkauft und 1338 den

Hof zu Thielbeer überlassen. 14

64


Bis zum Erlöschen der männlichen Linie nach 1629 blieb der Hauptsitz der Familie von Gartow

Berkow oder Berkau bei Bismarck. Der Letzte der Familie war Johann von Gartow. Die Herren v.

Gartow werden ebenfalls in Urkunden von Brandenburg erwähnt. 15/16

Herren von Bülow

Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Familie von Gartow ist die 256 Jahre währende Präsenz

der Herrn von Bülow eng mit der Ortsgeschichte Gartows verbunden. Genauere Überlieferungen

aus dieser Zeit fehlen aber. Außer wenigen Urkunden, die im wesentlichen An- und Verkäufe dokumentieren,

wie zum Ort Gartow oder seiner Bürger wie auch zur Wirtschaft, Rechtssprechung,

Verwaltung u.a.m. gibt es keine Aussagen. Die gesamte von Bülowsche Ära ist daher weitgehend

unbekannt. Gartow hatte keine Stadtrechte, daher auch keine eigene Verwaltung mit schreibkundigen

Bürgern.

Als die Herren von Bülow noch keine Besitzer von Gartow

gewesen sind, waren sie andererseits bereits seit 1426

mit der Burg und Feste Gorleben und dem Dorf Laasche

begütert. 1438 befanden sich auch die herzoglichen

Schlösser Dannenberg und Pretzetze als Pfandbesitz in

den Händen Viktors von Bülow und 1434 war Dannenberg

sein Wohnsitz. Seit 1438 hielt er sich jedoch im

neuerworbenen Schloß Gartow auf. Was die von Bülows

jedoch bis in die Gegenwart überliefert haben, ist ihr

Wappen, das gleichzeitig als Gartower Ortswappen und

als Samtgemeide-Wappen offiziell verwendet wird. Das

Wappen hat hinsichtlich der Anzahl von Kugeln im Laufe

der Zeit einige Abwandlungen erfahren: „Das älteste uns

bekannte Wappen der Bülows ist das des Stammvaters

Gottfried von Bülow vom Jahre 1255. Es ist ein dreieckiges

Schild mit 21 goldenen Kugeln (nicht Pfennigen). Ein

späteres Wappen der Stammlinie zeigt in einem dreieckigen

blauen Felde vierzehn goldene Kugeln (4, 4, 3, 2, 1).

Flankiert wird das Schild rechts und links von einem Vogel

mit gelber Brust und blauen Flügeln, dem „Vogel Bülow“

(Pirol). Daß der „Vogel Bülow“ der Familie den Namen gegeben

hat „ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil

die Familie sich in alten Urkunden „von“, also nach dem

Gute Bülow, geschrieben und auch den Vogel nicht von

Anfang an im Wappen geführt hat (Bülowsches Familienbuch

21)“ sowie : „Landesherren von Gartow aber waren

… von 1441 bis 1594 die reichsunmittelbaren Herren von

Bülow und so weist denn auch das Wappen von Gartow

die goldenen Kugeln des Bülowschen Wappens auf, doch

nicht 14 Kugeln, sondern nur neun.“ Überliefert ist in diesem

Zusammenhang folgende Sage: 17

Wappen v. Bülow

65


Wappensage der Familie von Bülow

Ein junger Wendenhäuptlingssohn aus Mecklenburg, namens Bülow, hatte sich als einziger der

Familie zum Christentum bekehrt. Er wurde daraufhin aus dem noch heidnischen Sippenverband

ausgestoßen. Traurig, aber unverzagt, zog er aus, um im Christenlande sein Glück zu versuchen.

Als er auf seinem Wege durch einen großen Wald kam, horchte er plötzlich auf. Hatte da nicht jemand

seinen Namen gerufen? Bülow … Bülow hörte er jetzt ganz deutlich. Wer rief da, woher kam

das? Und dann sah er es: Auf dem nächsten Baum, einer riesigen, alten Eiche, saß hoch oben in

der Krone ein gelbleuchtender Vogel und rief: Bülow … Bülow!

Jetzt flog er auf, ließ sich ein paar Bäume weiter nieder und rief wieder: Bülow … Bülow! Unwillkürlich

folgt ihm der junge Häuptling, und immer rufend führte ihn der leuchtend-gelbe Vogel immer

tiefer in den Wald hinein.

Jetzt blieb er auf den schon fast kahlen Ästen einer uralten Eiche sitzen und – war in der Tiefe,

in dem anscheinend hohlen Baum verschwunden. Aber schon Sekunden später war er wieder da

und hielt etwas Blinkendes im Schnabel. Jetzt ließ er es fallen und war mit einem letzten auffordernden

Bülow … Bülow verschwunden.

Als sich nun der junge, immer wieder so angerufene Bülow bückte, konnte er das Blinkende aufheben,

einen schönen, goldenen Ring. Er dachte: Wo der war, wird noch mehr sein. Sofort machte er

sich daran, unter den Wurzeln der schon morschen Eiche nachzugraben und zu suchen, und fand:

Einen Schatz, lauter goldene Dukaten.

Durch dies Gotteswunder gestärkt, zog er frohgemut weiter und wurde der Begründer eines weitverzweigten

Geschlechtes. Sein Wappen aber ist: Auf dem Helm der Vogel Bülow, im Schild vierzehn

goldene Dukaten. 18

Die von Bülow sind ein uradeliges mecklenburgisches Adelsgeschlecht. Das Geschlecht tritt 1154

bei der Grundsteinlegung des Ratzeburger Domes zuerst auf und ist nach dem Dorf Bülow bei

Rehna benannt. Die von Bülow sind in fast allen Berufen aufgetreten und haben vor der Reformation

fünf Bischöfe, neun Pröbste, zwanzig Domherren und neun Äbtissinnen gestellt. Im 14. Jahrhundert

waren es vier Bischöfe von Schwerin, denen sich im 16. Jahrhundert noch Dietrich von

Bülow, Bischof von Lebus und Begründer der Universität Frankfurt/Oder zugesellte. Seither sind

viele Familienmitglieder als Staatsmänner, Generale und Schriftsteller bekannt geworden. Der

Vater des ebengenannten Bischofs von Lebus war Ritter Friedrich von Bülow auf Wehningen. 19

Hier interessieren aber die Gartower Bülows, die von Victor („Vicco“) abstammen. Er kaufte das

Haus Gartow dem Johanniter Orden 1438 ab.

Am 25. November 1441 erwirbt Vicco von Bülow die Hälfte des Schlosses Gartow und die Hälfte

des Ortes Gartow für 4.500 Reichsthaler Gulden von Werner von der Schulenburg, die Letzterer

einst vom Johanniter Orden erworben hatte. 1448 erhält er durch Kauf drei Höfe in Holtorf „und

allen Besitz im Krummendiek, den sie (die St. Johannisritter von Rederen) vom Johanniterorden zu

Lehen gehabt haben“. Ein Jahr später (1449) erfährt er eine herzogliche Belehnung seiner bisher

erworbenen Güter, nämlich: Kl. und Gr. Gorleben, Laasche, Kacherien, Gülden sowie Höfe in Gr.

Gusborn, Breese i.d.M., Schmarsau b. Dannenberg und die Wassermühle Püggen.

Vicco von Bülow war nicht nur Herr auf Gartow sondern auch noch auf den Gütern Stintenburg, Neuenkirchen

und Drönnewitz (1434 - 1443). Später kamen noch die Güter Öbisfelde, Borkow, Arends-

66


höfen und Gägelow sowie Kl. Schwechten hinzu, wie auch Campen, Essen, Brunsroda,Potrembse,

Pluskow, Scherfesdorf, Hundorf, Segrahn usw. Das Geschlecht hat sich in Deutschland außerordentlich

verbreitet und blüht nach fast 900 Jahren unvermindert weiter.

Die Herren von Bülow haben eine rege An- und Verkaufspolitik betrieben, indem sie Höfe und Ländereien

in der engeren und weiteren Umgebung erwarben, vertauschten oder abgaben. Bereits im

Jahre 1419 kaufte Vicco von Bülow drei wüste Höfe in Gülden von Ghus von Hitzacker, 1426 die

Burg und das Dorf Gorleben sowie das Dorf Laasche, 1429 zwei Höfe in Bresse i.d.M. und 1437

einen Hof in Schmarsau b. Dannenberg. Diese Erwerbungen tätigte er vor dem Kauf des Schlosses

und der Gutsherrschaft Gartow ab 1438.

Im Laufe der Zeit haben die Bülows folgende 26 Besitztümer im Gartower Raum erworben: Breese

i.d.M. (z.T.), Brünkendorf, Bussau (z.T.), Gartow (z.T.), Gorleben, Gülden, Gr. Gusborn (z.T.), Kacherien

(z.T.), Klautze, Laasche, Lomitz, Meetschow, Nienwalde, Prezelle, Pevestorf, Püggen (z.T.), Prezier,

Quarnstedt, Restorf, Schmarsau b. Dannenberg (z.T.), Schreyahn (z.T.), Splietau (z.T.), Streetz

(z.T.), Trabuhn, Vietze und Volzendorf. Die zehn Höfe in Volzendorf waren 1689/90 für 1000 Rtlr.

an die Familie von Badendorf in Woltersdorf verpfändet. Aus den altmärkischen Dörfern Holtorf,

Kapern und Gummern erfolgten Fleisch- und Getreidelieferungen.

Im Mittelalter (ab 1442) hatten sie zahlreiche Pfandschaften über Burgen , als Gegenleistung für

gewährte Dienste und Zahlungen vom Landesherrn inne. Gartow nur am Rande betreffend, gab es

1475 Streitigkeiten zwischen den Herren von Jagow und Jürgen von Bülow. Bei Nienwalde hatten

die dortigen Einwohner im Landschaftsteil Sandekow Land urbar gemacht, was bei von Jagow auf

Widerspruch stieß. Bei der Einigung wurde deutlich, dass es in der Sandekow keine festgelegte

Grenze gab. Weide, Jagd und Holzung durften künftig beide Adelshäuser nutzen. Die Dorfstätte

Wirl fiel an Jürgen von Bülow. 20

Gartow unter der Herrschaft von Bülow

Wegen der fehlenden Überlieferung sind Aussagen zum Zustand des Ortes Gartow, seiner Gemeindeverfassung

und Einwohner kaum möglich. Fest steht, Vicke von Bülow erwirbt ab 1438 Eigentum

an der Burg Gartow und war zuvor mit einigen Höfen und Ländereien außerhalb von Gartow

begütert. Im Jahre 1441 erwarb er vom Johanniter Orden eine Hälfte am Schloss Gartow und den

halben Ort Gartow sowie das „Cremerland“ in der Feldmark Schnackenburg (Urkunde Nr. 210).

Wann die zweite Hälfte von Gartow in den Besitz der von Bülow kam, darüber gibt es keine Quelle.

Der Burg Gartow war jedoch schon ein Wirtschaftshof (Vorwerk) angegliedert. Ob Gartower Bürger

dort Dienste leisten mussten, bleibt unbekannt wie auch, ob sie Geld- und Naturalabgaben entrichteten.

1518 ist das Gartower Besitztum unter die drei Brüder Vicke, Henrich und Christoffer von Bülow

aufgeteilt worden. Vicke, der Älteste von ihnen, behielt die Vorburg, das Brau- und Backhaus, den

halben Vorwerkshof vor der Burg sowie einen Teil der Burg selbst und ein Drittel aller Liegenschaften

und Einkünfte. Ebenso wurde mit den beiden anderen Brüdern verfahren, jeder verfügte

dann über ein Drittel des Gesamtbesitzes. Und jeder von ihnen bewohnte mit seiner Familie und

Gesinde einen Teil der Gartower Burg. Für 170 lange Jahre blieb diese Dreiteilung bestehen und

war ökonomisch wohl nicht erfolgreich.

67


Busso von Bülow, Herr auf Gartow und Öbisfelde, heiratete 1568 Fredeke von der Asseburg, starb

jedoch bereits 1571. Aus der Ehe stammten der 1569 geborene Heinrich und in der Nacht nach

dem Begräbnis seines Vaters der zweite Sohn Busso. Er starb 15jährig im Jahr 1586 und wurde in

der Kirche Öbisfelde neben seinem Vater begraben. Die Mutter starb am 4.10.1604 im Alter von

70 Jahren. 21

Um 1600: Gartow mit der alten Kirche gezeichnet nach Merian gestochen von Fresenius, Berlin

Busso hatte noch die Brüder Levin, Victor und Christoph. Letzterer führte die Stammeslinie weiter,

war verheiratet mit Ilsabe von der Schulenburg und starb 1609. Aus dieser Ehe gingen sechs

männliche Nachkommen hervor: Victor Friedrich, Levin Busso, Hans Georg, Caspar Ernst, Christoph

und Jobst. Victor Friedrich, geboren am 23.8.1590 in Gartow, gestorben am 20.3.1668 in

Gartow, erhielt Unterricht bei Privatlehrern. Er kam 1601 zum Gymnasium nach Magdeburg, ging

1607 mit Christoph von Bismarck und dessen Bruder Ludolph zur neugegründeten Universität

Gießen, wo er 2 Jahre lang studierte. Danach begaben sich die Drei nach Köln, weil sie in Gießen

„eine ganz ungesunde Luft gehabt“, und blieben dort 2 ½ Jahre. Zwei seiner Brüder fielen in Gefechten

in Dänemark, er reiste für einige Zeit zu seiner Mutter, um sie über den Verlust der Kinder

zu trösten und reiste dann den Gebrüdern von Bismarck nach, die in Holland an der Universität

Franecker studierten, um dort ebenfalls ein Studium aufzunehmen. Gemeinsam bereisten sie Holland

und fuhren für sechs Monate nach England, um an der Universität Oxford weiter zu studieren.

In England erkrankte Victor-Friedrich an Fieber, reiste nach Hause und gesundete dort. Dann kümmerte

er sich um die häuslichen Güter und wurde 1628 vom Herzog Christian von Braunschweig-

Lüneburg (1566 - 1633) zum Landrat im Fürstentum Lüneburg bestellt. Am 17.8.1630 heiratete er

im Alter von 40 Jahren in Gartow Käthe von Jagow aus Aulosen. Diese Ehe war mit sechs Töchtern

und zwei Söhnen gesegnet. Die Söhne Christoff und Achatz Friedrich verstarben bereits als Kinder

wie auch Tochter Käthe und Ottilia Marie. Tochter Margaretha Anna Sabina heirateten nicht aber

Ilsabe von Bülow, die am 11.8.1658 in Gartow Georg Albrecht von Gattenhöfen, einen Rittmeister

und später zum Obristwachtmeister beförderten Mann heiratete. Die Schwester Catharina heiratete

am 21.7.1667 in Gartow Dietrich Levin von Schachten, Kanonikus des Stifts Halberstadt,

gewesener Leutnant unter dem braunschweig-lüneburgischen Groß-Eckischen Regiment.

68


Victor Friedrich von Bülow „war der weltlichen Pracht, Übermut und Hofart spinnefeind, er blieb bei

seiner altteutschen Kleidertracht und war darin männiglich lieb und angenehm“. In Gartow machte

er während des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 48) harte Zeiten durch: 1631 und 1638 wurden

seine Güter geplündert, 1638 mußte er mit seiner Familie sogar fliehen, zuerst nach Salzwedel,

dann nach Hamburg. 1642 „wurde ihm alles Vieh von den Schwedischen hinweggetrieben, sein

Schloß geplündert, er wurde übel traktiert und verwundet, mußte fliehen und sich eine Zeit lang zu

Lenzen aufhalten. Dann macht der Obrist v. Goldacker zu Roß den schwedischen Völkern, die zu

Gartow im Quartier lagen, einen feindlichen Überfall, zündet den Flecken Gartow an, wobei seine

Brau- und Backhäuser, Reitställe, Vorwerke und Scheunen zu Asche wurden. Das Schloß und die

Kirche blieben erhalten.“

Kaum war der Krieg vorüber, brach das nächste Unglück über Victor-Friedrich herein.1651 kam es

bei Schnackenburg zu einem Deichbruch: „überschwemmte die Elbe alles Getreide, nahm Deiche

und Dämme hinweg und verursachte großes Elend, worunter man noch heute (1668) zu leiden

hat.“ Am 16.3.1668 verstarb er in Gartow im Alter von 78 Jahren. 22

Ein Verwandter von ihm, der 1611 geborene General der Infanterie, Vizegouverneur von Pommern

und Erbherr zu Hundorf, Barthold Hartwig von Bülow, stand damals in schwedischen Kriegsdiensten.

Er starb 1667 in Wolgast. Ein weiterer Verwandter von ihm, Jacob von Bülow, war Erbherr auf

Gudow, Wehningen, Jasebeck und Segrahn, ferner dänisch-norwegischer Generalmajor, lebte von

1626 - 1681. Gudow, Wehningen und Jasebeck waren schon viele Jahre im Familienbesitz.

Curt (auch Cord) und Jobst von Bülow waren die letzten Besitzer Gartows. Sie verkauften 1694 das

Gut an den Premier-Minister Andreas Gottlieb von Bernstorff.

Curt von Bülow blieb zunächst noch im Schloß Gartow wohnen, begab sich aber später auf sein

Gut Berendshagen in Mecklenburg, wo er 1702 starb, während Jobst von Bülow nach Schwerin

ging. Es ist nicht bekannt, ob sich Familienmitglieder aus Gartow auch zeitweilig zum v. Bülowschen

Gut Kl. Schwechten bei Stendal wandten, welches seit 1373 und bis etwa 1649 im Besitz

der Adelsfamilie von Lützendorf gewesen ist. Überliefert ist jedoch, dass Ernst Ludewig von Bülow,

der 1676 in Kl. Schwechten heiratete und als Erbherr von Gartow und Kl. Schwechten bezeichnet

wird. Allerdings starb er schon am 22.1.1683. Von seinen drei Söhnen sind Achatz Ludewig

und Ernst Gottfried von Bülow als Leutnante in einem dänischen Infanterie-Regiment 1706 in

Siebenbürgen gefallen. Johann Albrecht, der dritte Sohn, war großbritannischer Capitain beim

Dragoner-Regiment v. Bothmar und blieb Erbherr auf Kl. Schwechten. 1813 soll der letzte v. Bülow

in Kl. Schwechten, Theodor Christian Ernst Friedrich Heinrich, sein Gut schuldenhalber heimlich

verlassen haben. 23/24

Im Übrigen wird ein Johann von Bülow (1616 - 1662) bereits als Besitzer von Gartow und Kl.

Schwechten genannt. Es gab also schon damals eine Verbindung zwischen Gartow und Kl.

Schwechten. 25

Wirtschaftliche Aktivitäten

Einnahmen ergaben sich aus Alkoholverkauf, Erhebung von Alkoholsteuern, Stättengeld von Jahrmärkten,

verpachtete Weiden, Mastgelder aus Forsten, Holzverkauf, Wildfleischverkauf, Fischereiverpachtung,

Grasverkauf, Getreideverkauf, Verpachtung von Ländereien und Schäfereien, Verkauf

von Vieh und eingenommene Dienstgelder von Untertanen. Als Naturallieferungen kamen

erhebliche Getreidemengen von vielen Bauernhöfen und Pachtwindmühlen hinzu.

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Der Töpfer in Gartow zahlte als Konzessionsabgabe an das Haus Gartow jährlich einen Geldbetrag

und lieferte außerdem 30 Milchschalen. Dafür durfte er auf dem Restorfer Feld Lehm- bzw. Tongruben

eröffnen. 26

Die Familie von Bülow durfte innerhalb der Gemarkung Gartow den „Korn-Zehnten von etlichem

Heydtland, auch von einigen Kämpen“ beanspruchen. Das bedeutet, zehn Prozent des Ernteertrages

abnehmen. Da die Gartower Bürger in ihrer Feldmark über zu wenig Grünland verfügten,

mussten sie sich teilweise Wiesenareale vom Haus Gartow anpachten.

Als Vicke, Henrich und Christoffer verstorben waren, rücken deren Erben nach. Im Gegensatz zu

den umliegenden Dörfern einschließlich Quarnstedt haben Gartower Bürger keine Hauspacht an

die von Bülows gezahlt. Sie waren jedoch aufgrund alter Verpflichtungen gehalten, gewisse Abgaben

an sie zu tätigen: Wiesenzins für die Nutzung von Grünland, der Gartower Lehnkrüger zahlte

Accise, d.h. eine Steuer auf Alkohol: „hat hiebevor an daß Hauß Gartow für jede Tonne Bier 2

Schilling Accise zu erlegen und noch besonders dem Ambte Schnackenburg für Maltz-Accise, jährlich

eines für alles 1 ½ Rtlr. entrichten müßen, nachdehm aber auf Hochfürstl. Verordnung Anno

1687 die Maltz-Accise durchgehends hiesiger Örter abgeschaffet undt an deren Stelle auf jede

Tonne Schmalband (Anm.: Biersorte) 3 Schilling gesetzet worden. Alß ist gedachter Lehnkrüger anstatt

der bißher gegebenen Tonnen- und Maltz-Accise zu der neu angeordneten Accise mitgezogen

worden und bekömbt davon Hochfürstl. Schatz 15 Theile, das Hauß Gartow wegen der von dem

Lehnkrüger für jede Tonne gehabten 2 Schilling in gleichen Wegen der von denen Bürgern alhier

gehabten Maltz-Accise 3 Theile und Bürgermeister und Rath alhier 1 Theil…“ 27

v. Bülowsches Geldregister 1688/89

Brückenreparatur

v. Bülowsches Geldregister1687/88:

Mastgelder aus der Forst „Haneberg“

70


Dienste

Zur Ableistung folgenden Dienstes waren die Gartower gegenüber denen von Bülow verpflichtet:

„Die gesambten Bürger in Gartaw müßen jährlich im Frühling 3 Tage und im Herbst 3 Tage, die Bespannten

mit Wagen und Pferden und übrige mit der Hand am Sandt-Deiche arbeiten, wobey die

Fuhrleute, nicht aber die Handtdienste, die ersten beyden Tage des Abends eine Mahlzeit nebst

etzlichen Kannen Bier und des dritten Tages anstatt Mahlzeit eine Tonne Bier bekommen. ...Dem

Richter und Gerichtsvogt, welche bey obbemelter Deicharbeit die Aufsicht haben…“

Das Haus Gartow bezahlte also Essen und Trinken während der sechs Tage Arbeitseinsatz für die

Gartower Bürger bzw. deren Stellvertreter. 28

Als die Herzöge Heinrich und Wilhelm 1564 eine Deichordnung für ihre Lande in Kraft setzten,

wurde darin verordnet:

„… soll in die Haupt- oder Amt Leute zu Dannenberg und die von Bülow zu Gartow samt den

Diekgeschworenen so darzu gesetzet seyn, die Dieke jedes Jahr viermahl, nemlich am Dienstag

nach Judica, am Dienstag nach Johanni, am Dienstag nach Egedi und am Dienstag nach Martiny

besichtigen…“

Die Herren von Bülow waren ferner berechtigt, Ausbaumaße bei Deichneubauten und -reparaturen

festzulegen (wohl auf Ratschlag von Deichsachverständigen). 29

Eigenmächtige Handlungen der von Bülow

Aus nicht bekannter Ursache zogen die v. Bülow 1578 aus Gartow und einigen Dörfern der Umgebung

die Türkensteuer ein. Als die Gartower Bürgerschaft diese Steuer ab 1595 auf Anordnung

der Landesherrschaft an den Schatzschreiber Johann Becker in Uelzen direkt und unter Umgehung

der v. Bülow abführte, wollte Curt v. Bülow den alten Abgabemodus gewaltsam wiederherstellen.

Als die Gartower Bürgerschaft daran ging, Heide in Ackerland umzuwandeln, forderten

die v. Bülow die Hergabe des Kornzehnten (jede 10. geerntete Kornstiege). 1593 sind auch die

Gorlebener zum ersten Mal mit dem Kornzehnten belastet worden.

Die früher üblichen zwei jährlichen Gerichtstage für die Bauernschaft, wo ein auswärtiger Richter

Recht sprach, sind ab etwa 1575 auf Betreiben der v. Bülow abgeschafft worden. Außerdem

nahmen sie die Strafgelder von den Rechtsbrüchen für sich selbst ein. Curt v. Bülow erlaubte es

sich sogar, von der Gartower Bürgerschaft Geld zu fordern, um seine Schwester aussteuern zu

können. Nicht nur in die Rechtspflege, sondern auch in kirchliche Angelegenheiten griffen die v.

Bülow massiv ein. Sie verpfändeten oder verkauften Kirchengüter und zogen die Gewinne ein.

Auf ihr Betreiben ist die sonst nach abgehaltenem Gottesdienst erfolgte Segenssprechung an die

Landesherrschaft eingestellt worden. Dem Superintendenten von Celle wurde es nicht gestattet,

die Kirchen im Gartower Gebiet zu visitieren und überhaupt seien die v. Bülow „mit den geistlichen

Güthern wunderbarlich umgegangen“. Sie behinderten ferner die Einführung der landesüblichen

Gesangsbücher.

Im Laufe der Zeit brachten die v. Bülow die Gartower Bürgerschaft wegen vielerlei eigenmächtiger

Eingriffe, die hart am Rande der Legalität lagen, gegen sich auf. Als sich die v. Bülow unterstanden,

in der Heide südlich von Gartow auf Kosten der Bürgerschaft neue Vorwerke anzulegen und

soviel Land urbar zu machen, daß sie anstatt 6 Wispel Einsaat nunmehr 40 bewirtschafteten, beschwerte

sich der Rat von Gartow am 5.10.1594 beim Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg.

Hinzu kam noch die Betreibung der Gartower Gemeindeweide mit fast 2000 Schafen durch die

v. Bülow. Als der Herzog Auskünfte zu den Vorwürfen wünschte, vermeinten die v. Bülow, daß die

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Untersuchungszuständigkeit beim Herrenmeister des Johanniter Ordens in Pommern und nicht

beim Herzog liege. Der Herzog war jedoch der Ansicht, schon die Vorbesitzer von Gartow hätten

das Gartower Gebiet mit Ausnahme des Werders Krummendiek „den Herzögen zu Lüneburg zu

Lehen getragen“. Einen weiteren Beweis für die Lüneburger Zugehörigkeit sah der Herzog in der

Entrichtung von Reichssteuern aus dem Gartower Gebiet. Daraufhin schickte der Herzog zur Untersuchung

der unklaren Verhältnisse als Abgesandte Hans Hartmann v. Erffa, Heinrich v.d. Wense,

Fritz v. Berge und Caspar Nitze.

Diese Herren vernahmen die Gartower Bürgerschaft sowie Curd, Vicke und Christoff v. Bülow um

Beweise zu sammeln. Ferner warben sie in den umliegenden Dörfern für die Vornahme der Erbhuldigung,

d.h. Anerkennung des Herzogs Ernst als Landesherrn durch persönlichen Eid. Obwohl

der Gartower Bürgerschaft eine Huldigung von den v. Bülow verboten wurde, legten die Gartower

1595 beim Erscheinen der herzoglichen Abgesandten ihren Huldigungseid ab. Nur die Landbevölkerung

vermochte sich noch nicht dazu durchzuringen.

Den „Stein ins Rollen“ brachte jedoch schon 2 Jahre zuvor der Gartower Organist Hinrich Ricke,

der sich den Drangsalen der v. Bülow besonders ausgesetzt sah und sich die Behandlung nicht

gefallen ließ. Ricke war 1590 seines Amtes enthoben und 1593 wegen angeblicher Mißachtung

von kirchlichen Bestimmungen auf Betreiben der Gebrüder v. Bülow inhaftiert worden. Er geriet

daraufhin in finanzielle Schwierigkeiten und forderte in einer Eingabe an den Herzog Gerechtigkeit.

Organist Ricke brachte gegen Curd v. Bülow eine lange Liste von Beschuldigungen vor:

01. Weil er auf Anweisung von Vicke v. Bülow das Pforthaus in Besitz nahm, hielt ihm Curd v.

Bülow „den Spieß am Halse“.

02. Wurden ihm Schläge angedroht, weil er mit seinem „Instrument“ zu spät kam.

03. Hatte ihn Curd v. Bülow im Hopfengarten „angeritten und gepeitschet“.

04. Ein Haus in Gartow zu bauen, wurde ihm nicht gestattet. Curd v. Bülow ließ z.B. die Zimmerleute

vom Rohbau abziehen.

05. Curd v. Bülow verweigerte ihm „den Tisch“, obwohl es damals üblich war, den Geistlichen an

den Mahlzeiten teilnehmen zu lassen.

06. In Gegenwart adeliger Personen wollte Curd v. Bülow ihn auf dem Kirchhof prügeln, was

Ricke‘s Frau jedoch verhinderte.

07. Curd v. Bülow warf die Frau von Ricke gewaltsam zu Boden und mißhandelte sie mit Fußtritten.

08. Als sich Ricke 1593 beschwerend an die Justizkanzlei Celle gewandt hatte, wurde er in

Gartow auf Betreiben Curd v. Bülow`s inhaftiert und sind die Scheiben seiner Mietwohnung

mutwillig zerschlagen worden, obwohl seine Kinder an Pocken erkrankt waren.

09. Er wurde aufgefordert, seine Habseligkeiten zu verkaufen und Gartow zu verlassen. Grund:

Ricke war im Auftrag der Gartower Bürgerschaft zum Johanniter Orden nach Sonnenburg

gereist, um persönliche und Gartower Klagen vorzubringen.

10. Eine zweite Aufforderung, Gartow zu verlassen, ignorierte Ricke. Grund: Weil er zusammen

mit einigen Gartower Bürgern in Magdeburg Beschwerden vorbrachte.

11. Nicht nur, daß Curd v. Bülow die Bürgen von Ricke unter Druck setzte, die ihn aus dem Gefängnis

auslösen wollten; so wurde Ricke als Anstifter der Streitigkeiten zwischen Gartower

Bürgerschaft und der Familie v. Bülow hingestellt.

12. Wurde Ricke des Diebstahls von Briefen und Siegeln aus dem Besitz der v. Bülow und als

Urheber der Uneinigkeit zwischen zwei Landesfürsten bezichtigt.

72


13. Ein Diener aus dem Gefolge Curd v. Bülow wurde so sehr aufgestachelt, daß er Ricke im

Gasthaus eine Bierkanne ins Gesicht warf. Curd v. Bülow bedachte Ricke so oft er konnte

mit „Hohn- und Schmeheworten“ und drohte ihn zu erschießen, wenn er Ricke allein träfe.

Diese tiefen Zerwürfnisse waren sicherlich in gegenseitiger Abneigung begründet, aber die Gebrüder

v. Bülow und darunter besonders Curd v. Bülow gebärdeten sich damals mehr als überheblich.

Nur so ist es zu verstehen, daß auch die Gartower Bürgerschaft schwere Beschuldigungen

vorbrachte. Der Rat von Gartow wurde stetig übergangen, da die v. Bülow in die Ratskompetenzen

eingriffen. Die wichtigsten Beschwerdepunkte lauteten:

01. Einsetzung von Kirchen- und Schulbedienten ohne Ratsbeteiligung.

02. Wenn der Gartower Rat seine 7 Gerichtstage im Jahr abhielt, sind die ihm zustehenden

Gebühren vorenthalten worden.

03. Bereits bei minimalen Vergehen wurde die Bürgerschaft mit Gefängnishaft oder Viehpfändung

bestraft.

04. Widerrechtliche Anhebung der Biersteuern und des Grasgeldes und Versuch der v. Bülow,

die beiden Jahrmärkte in Gartow wieder abzuschaffen.

05. Ungewöhnliche Heranziehung zu Deicharbeiten. Einführung einer Gartensteuer.

06. Die Familie v. Bülow nutzte widerrechtlich Gemeindeeigentum der Gartower Bürgerschaft,

vereinnahmte ohne Erlaubnis den Eichenwald in den Hahnenbergen, legten Vorwerke an

und ließen Eichen fällen. Dazu kam noch die Ausrodung der Buchhorst und des Waldgebietes

„Bruderstieg“.

Wenig überzeugend sind da die Gegenbeschuldigungen seitens der v. Bülow. Sie vermeinten,

der Rat würde eine unrichtige Rechnungsführung betreiben, ebenso die Kirchengeschworenen.

Die Bürgerschaft sei ihren vielen Dienstverpflichtungen nur nachlässig gefolgt. Um diese Klagen

aufzuklären, hatte Herzog Ernst seine Abgesandten nach Gartow geschickt. Das war eine heikle

politische Angelegenheit, da sich die v. Bülow bisher stets unter Hinweis auf die Immunität des

Gartower Gebietes gegen äußere Einmischungen schützen konnten. Immunität deshalb, weil der

Johanniter Orden als geistliche Macht das Gartower Gebiet („Sonnenburger Lehen“) neutral halten

konnte, was auch noch nach Abzug des Ordens von den Landesfürsten zu Brandenburg und

Lüneburg-Celle respektiert worden ist.

Herzog Ernst brach damit die Immunität auf und nahm immer mehr Einfluß auf das Gartower Gebiet.

So sind 1598 Gorleben und Laasche erstmals mit Landesabgaben belastet worden und ab

1607 die übrigen Dörfer. Das muß für die von Bülow ein herber Schlag gewesen sein. Ausgelöst

durch eigenes Verschulden und den Mut des Organisten Ricke sowie der Gartower Bürgerschaft,

mußten die v. Bülow schließlich 1595 einem Vergleich zustimmen. Als Georg Wilhelm Schenk v.

Winterstädt 1672 als Oberhauptmann für die Dannenbergischen Ämter (wozu jedoch der Gartower

Distrikt nicht zählte) eingesetzt wurde, beschnitt er zugunsten der Landesherrschaft gewisse

Vorrechte des Adels. Inwieweit er aber die v. Bülow darin einbeziehen konnte, ist z. Zt. nicht bekannt.

30/31

Was die Herren von Bülow wohl bewogen haben mag, sich gegenüber den Untertanen und besonders

denen aus Gartow so herrisch zu verhalten, ist nicht bekannt Die anschließend zu lesenden

Verhaltensweisen waren geradezu geeignet, Widerstand zu provozieren, was dann ja auch mit der

Zwangsbewirtschaftung ihrer Güter ab 1687 eintrat.

73


Vergleich mit der Gartower Bürgerschaft

Die Landesherrschaft setzte daraufhin eine Untersuchungskommission ein.

Ihr gehörten an:

Fürstl. Statthalter Hans Hartmann v. Erffa, Hauptmann Fritz v. d. Berge aus Bleckede, Caspar Nilzemann

und der Meister des Johanniter Ordens Martin Graf v. Hohnstein.

Nach Anhörung und zur Beilegung der Streitigkeiten kam es am 17.10.1595 zur Aufstellung eines

Rezesses „in Güte“. Dieser hatte zum Inhalt:

01. Die Herren v. Bülow als Patrone der Gartower Kirche sollten für den Kirchen- und Schuldienst

„qualificirte Personen“ auswählen. Sollten sich diese Personen „in Lehre oder

Leben“ungeeignet zeigen, waren sie auf Erfordernis der Gartower Bürgerschaft wieder

abzulösen.

02. Die Herren v. Bülow gestatteten Bürgermeister und Rat von Gartow wie bisher die Abhaltung

von jährlich sieben Gerichtstagen. Jedoch durften die v. Bülow „wie von altersher geschehen“

den Gerichtstagen beiwohnen, damit die Bestimmungen der Rechtsprechung geachtet

wurden.

03. Verpflichteten sich die v. Bülow, die Gartower Bürgerschaft mit ungebührlichen Strafen nicht

zu belasten und sich mit ihr gütlich zu einigen.

04. Wurde der Gartower Bürgerschaft gestattet, weiterhin die beiden Jahrmärkte unter der Bedingung

abzuhalten, daß sorgsam mit Feuer und Licht umgegangen wird.

05. Von jeder Tonne gebrauten Bieres mußten die Gartower Brauer eine Biersteuer in Höhe von

16 Schilling Lübisch zahlen, wovon die Herren v. Bülow 12 Schillinge einzogen. Die restlichen

4 Schillinge durfte die Bürgerschaft „zu des Städtchens gemeinen Nutz gebrauchen.“

06. Die „verkauften und bebaueten“ Hausstellen in Gartow durften ihren Status behalten und

die Herren v. Bülow verpflichteten sich, vor dem Verkauf von Hausstellen zuvor die Erlaubnis

des Gartower Rates einzuholen.

07. Bei der Ergreifung und Verwahrung von Straftätern mußte die Gartower Bürgerschaft Mithilfe

leisten. Im Gegenzug stellen die v. Bülow nach altem Herkommen „eine Kanne Bier und

Stücke Brods auch nothdürftig Feuer und Licht“ für die Wachmannschaft zur Verfügung.

08. Durfte das von den Herren v. Bülow erhobene „Graßgeld“ nicht noch weiter erhöht werden.

09. Es verpflichteten sich die v. Bülow, die Gartower Bürgerschaft nicht länger als notwendig

(4 Tage jährlich) zu Instandsetzungsarbeiten an Deichen und Dämmen einzusetzen. Das

galt insbesondere für „den Mühlen- und Restorfer Diek und Damm wie von alters her geschehen.“

10. Durften die von der Gartower Bürgerschaft erweiterten Kohl- und Hopfengärten nicht weiter

vergrößert werden.

11. Da der Buchhorstwald durch Abholzungen bereits sehr gelitten hatte, durfte die Gartower

Bürgerschaft im Hahnenberger Holz nur noch Holz für den Brückenbau und die Errichtung

öffentlicher Gebäude „wie von alters her geschehen“ entnehmen. Das Viehweiden in beiden

Wäldern blieb jedoch gestattet.

12. Das vorhandene v. Bülow‘sche Vorwerk bei Gartow durfte weiterhin betrieben werden,

da es inzwischen zum Gewohnheitsrecht geworden ist.

13. Christoff v. Bülow hatte zum Nachteil der Gartower Gemeindeweide ein Weidegrundstück so

sehr vergrößert, daß die Gartower Viehtrift versperrt wurde. Die bisherigen Viehpfändungen

durch die v. Bülow mußten künftig unterbleiben.

74


14. Die Herren v. Bülow verpflichteten sich, ihre Weddeweide „da sie schon 30 Jahre vorher

zum Hauß Gartow gewonnen“ wurde, nicht mehr zum Nachteil der Gartower Bürgerschaft

zu erweitern. Dagegen durften die Gartower nicht mehr ihr Vieh widerrechtlich auf die

Weddeweide bringen. Bei Verstößen durften die v. Bülow einen halben Schilling Pfandgeld

erheben.

15. Es wurde vereinbart, die „sehr verhauenen“ (abgeholzten) Waldungen Zirach, Helke und

Bruderstieg „mit Heistern vermöge der Fürstl. Lüneburgschen Holtz-Ordnung“ wieder aufzuforsten.

16. Die Gartower Bürgerschaft willigte ein, alle Häuslinge in Gartow, die kein Bürgerrecht erworben

hatten, aus dem Ort zu entfernen und künftig keine neuen mehr aufzunehmen. Nur mit

Genehmigung der Herren v. Bülow durften ausnahmsweise Häuslinge in Gartow seßhaft

werden, wenn sie zuvor für den Erwerb des Bürgerrechts 4 Gulden lübisch entrichtet hatten.

Das Geld wurde zur Hälfte an den Gartower Rat überlassen.

Schließlich gelobten die Herren v. Bülow „das sie die Bürger und Einwohner zu Gartow mit keinen

Diensten oder Bürden wollen belegen mehr als sie allezeit und von altersher gethan“. Die Gartower

Bürgerschaft dagegen versprach ihren „Erb-Junckherrn“ treu und gehorsam zu sein und alle

Dienste zu leisten, wie bisher. Dieser Rezeß von 1595 wurde von Cord, Hans und Christopher v.

Bülow unterschrieben und gesiegelt.

Zwanzig Jahre später, im Januar 1615, beschwerte sich die Witwe des Christoff v. Bülow, Ilsabe

v. d. Schulenburg, über die Gartower Bürgerschaft, weil diese schweren Schaden an den Hölzungen

„Bruderstieg“ und „Heitritt“ angerichtet hatten. Um den Schaden zu kompensieren, ließ die

Witwe von den Verursachern 8 Rinder pfänden. Es kam zu einem Streit, so daß zur Untersuchung

der Angelegenheit Wilhelm v. Hodenberg (Hauptmann zu Medingen und Oldenstadt) und Conrad

Haussmann (Zöllner zu Hitzacker) betraut werden mußten.

Nach Zeugenaussagen Laascher Bauern befanden sich in beiden Hölzungen vormals größere Eichenbestände,

die jedoch von Gartower Bürgern bzw. deren Vieh stark geschädigt waren. Schließlich

erkannten die Gartower ihr Fehlverhalten an und gelobten in einem Abschied vom 28.3.1615

Besserung. Im gleichen Jahr entstanden zwischen den Herren v. Bülow und Gartower Bürgerschaft

Streitigkeiten. Es ging um die ungenehmigte Anlegung von Häuslingsstellen, wo sich „vor dem

Thore“ der Schmied, Barbier und Schneider etabliert hatten. Diese waren ohne Bürgerrechte. Sie

mußten jährlich an die Herren v. Bülow eine Wohnmiete zahlen und einmalig eine Tonne Bier als

Einstand reichen.

Da die Ansiedlung angeblich ohne Wissen des Gartower Rates erfolgte, klagte die Gartower Bürgerschaft

gegen die v. Bülow. Die strittigen Häuslingsstellen befanden sich jedoch auf Grund und

Boden derer v. Bülow und es war kein Rechtsmißbrauch nachzuweisen. Allerdings kamen massive

Klagen auf von Seiten der v. Bülow: angeblich nahm der Gartower Rat Zollgelder von Jahrmärkten

ein, die den v. Bülow zustanden, mißbrauchten das adelige v. Bülowsche Siegel zur Ausstellung

von Geburtsbriefen, ließen Zeugen ohne Beeidigung aussagen und uneheliche und wendisch Geborene

wurden fälschlicherweise „für deutsch echt und recht“ anerkannt, nur um 2 Thaler Gebühren

kassieren zu können, die sie angeblich hinterher „versauffen“.

Ferner wurde moniert, daß der Gartower Rat ein Drittel der Erbschaftsgebühren unrechtmäßig

kassiere und das sich die Gartower weigerten, für den Unterhalt des Gartower Pastors und die

Reparaturen der Schule aufzukommen. Vielmehr haben die Gartower stellvertretend für sie die

75


Bauern bedrängt, diesen Verpflichtungen nachzukommen.Es mutet seltsam an, daß früher von

der Gartower Bürgerschaft ein „Garten- und Wiesen-Zinß“ gefordert wurde, welches das Haus

Gartow vereinnahmte. Die Nutzung von Wiesen und Gärten war also steuerpflichtig. Schon 1670

wurde diese Steuer erhoben. Henrich Ahnsorge zahlte 1697 für eine Wiese mit einem Ertrag von

drei Fuder Heu jährlich 9 ggr. Wiesenzins und Conrad Giegeler für seinen Kohlgarten 6 ggr. Landpacht.

Aber auch der Gartower Rat vereinnahmte Gartenpachtgeld. Solches wurde von Gärten

am Spring erhoben, die auf Worthen gelegen haben, also weitgehend hochwasserfrei lagen. Am

Spring befanden sich mehrere Gärten innerhalb von Ackerländereien. Weitere Bürgergärten waren

in den Hahnenbergen und im Elsebusch vorhanden. 32/33

Zwangsbewirtschaftung und Übergang auf die Grafen von Bernstorff

Nicht unmittelbar aber mittelbar sind die Gartower Bürger von einer Zwangsmaßnahme des damaligen

Landesherrn berührt worden. Das von Bülowsche Gut Gartow wurde von 1687 bis 1694

unter Sequestration gestellt.

Die Maßnahmen der Zwangsbewirtschaftung („Sequestration“) eines adeligen Gutes wie Gartow

war zu damaliger Zeit ein sehr seltener Vorgang. Nicht nur offensichtliche Mißwirtschaft der v. Bülows

war der Grund des Eingreifens durch den Landesherrn, sondern das fehlende Wohlverhalten

der v. Bülowschen Familie gegenüber dem Fürstentum Lüneburg und deren Herrscher. Bereits im

15. Jahrhundert verstanden es die v. Bülows, die ehemalige politische Immunität des Johanniter

Ordens, dessen Gebiet sie ja erworben hatten, geschickt auszunutzen. Weder die brandenburgischen

Herrscher, noch die des Fürstentums Lüneburg konnten eine völlige Kontrolle im Gartower

Gebiet ausüben. Spürten die v. Bülows Druck von einer der beiden Seiten, begaben sie sich in den

Schutz der jeweiligen Gegenseite. Beide Herrscherhäuser vermieden allzu strenge Maßnahmen,

um nicht diplomatische oder kriegerische Verwicklungen zu provozieren. Dabei ist erkennbar, daß

die v. Bülows mehr nach Brandenburg tendierten. Sie gebärdeten sich mitunter wie kleine Provinzfürsten

und nahmen eigenmächtige Handlungen vor, die nicht immer im Einklang mit den

Rechtsvorschriften standen.

Einen Grund zum Eingreifen sah die Landesherrschaft nach 1650 ebenfalls, als sich der Zustand

der Elbedeiche wegen fehlender Unterhaltung und auftretender hoher Hochwässer, zum Teil mit

Deichbrüchen, dramatisch verschlechtert hatte. Um die „Landeswohlfahrt“ nicht zu gefährden,

waren die Deiche instand zu setzen. Das jedoch ging über die Leistungsfähigkeit der v. Bülows, die

ohnehin stark verschuldet waren. Hier war nun eine Gelegenheit gegeben, landesherrlich wirksam

zu werden.

Zudem hatten die v. Bülows nicht nachdrücklich genug die Gebietsansprüche des brandenburgischen

Amtes Lenzen verteidigt, daß einen Elbwerder nahe des linken Elbeufers okkupieren wollte.

Deshalb wurde dann auch der Dannenbergische Oberhauptmann Georg Wilhelm Schenck v. Winterstedt

damit beauftragt. Er ist 1685 als Kommissar des Celler Herzogs mit Grenzregulierungsfragen

im Gartower Raum befaßt gewesen.

Im Jahre 1687 verfaßte er eine Zustandsbeschreibung des Sonnenburgischen Lehens, d.h. des

Besitzes der Herren v. Bülow. Eine beigefügte Wertberechnung ergab für den Lüneburgischen Distrikt

einen Güterwert von 57440 Rtlr. und die brandenburgischen Anteile von Kapern, Holtorf und

Gummern 15140 Rtlr., zusammen 72580 Rtlr.

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Am 6.3.1687 wurde Amtmann Henrich Barthold Grävemeyer aus Schnackenburg auf herzoglichem

Befehl als Zwangsverwalter auf dem v. Bülowschen Gut Gartow eingesetzt. Um einen Überblick

vom Umfang des Besitzes und der zugehörigen Berechtigungen zu erhalten, mußte eine

Inventur vorgenommen werden. Dazu holte er sich den kaiserl. Notar Günter Otto Banse aus Celle,

der in seiner Gegenwart sowie in der des Gartower Bürgermeisters Anton Grote und des Bürgers

Jürgen Wiese, den Viehbestand, Getreidevorrat, Baulichkeiten, Natural- und Geldhebungen sowie

wichtige Papiere auflistete. Curd v. Bülow bewohnte das alte Schloß und hatte noch folgende Güter:

Quarnstedt (Haus, Scheune, Schafstall), Rucksmoor (Haus, Meierei, Viehstall), Schäferei vor

Gartow (Haus, Schafstall).

Die Besichtigung des Schlossgebäudes ergab erhebliche bauliche Mängel: „Das Hauß Gartow an

sich, dem Gebäude nach, ist biß auf einen kleinen Raum in der Runde gebauet, das Dach ist an

Junker Cord von Bülow Seiten ganz schadschaft, auf den anderen beyden Seiten aber noch gut

von Ziegelsteinen und im Stand und ist das Mauerwerck an etlichen Ohrten ganz zerborsten, daß

es fast außbrechen will, etlichen Ohrten ist es schon heruntergefallen und sind die Fenster Theils

ganz eingeknittert und etlicher Orten ganz offen…“ 34

Amtmann Grävemeyer erhielt für seine Aufsichtsführung eine Barentschädigung von 57 Rtlr. jährlich

sowie als Naturalien vier Fuder Heu und vier Schock Stroh aus dem Aufkommen des Gartower

Gutsbetriebes. Zur ständigen Mahnung ihrer Vergehen mußten die Erben der von Bülows jeden

Tag die im Schloß einlogierte Wachmannschaft dulden. 35

Zu jener Zeit (1688/89) war das von Bülowsche Brauhaus ohne Aktivität, weil die erforderlichen

Gerätschaften gestohlen waren. Daher fehlte die Einnahme von der Bierbrauerei. Auch bestand

noch die Dreiteilung des Besitzes bis 1694 fort.

Damals verfügte das Haus Gartow noch über 640 Ackerflächen an 37 verschiedenen Örtlichkeiten

sowie 25 Wiesenkomplexe mit einer Gesamterntemenge von 241 Fudern. Im Jahre 1677 wurde

der Gesamtwert des Gutes Gartow auf 37000 Rtlr. geschätzt.

Die Burg war in schlechtem baulichen Zustand, am Wohnteil der Victor Friedrich von Bülow wurde

die Jahreszahl 1484 gefunden. Das Bauwerk ist demnach 200 Jahre alt gewesen. Die Verbindungsbrücken

auf dem Burggelände und die Seegebrücke mußten dringend instand gesetzt werden.

Auch der Schloßgraben erfüllte seine Funktion nicht mehr, er war fast zugewachsen. Die Liste

der Mängel war lang. 36

Die Gebrüder Cord, Joachim Christoffer, Friedrich Busso und Ernst v. Bülow haben am 23.4.1689

an den Herzog Georg Wilhelm geschrieben, ihn um Verzeihung der begangenen „Fehler“ und

Rückgabe des zwangsbewirtschafteten Hauses Gartow gebeten. Der Herzog hatte ein Einsehen.

Laut Verfügung vom 7.3.1690 erhielt die Familie v. Bülow „das Hauß und Flecken Gartow sambt

denen dazugehörigen, wie auch ihren übrigen Dörffern und Güthern“ wieder zurück. 37

Am 31.3.1693 starb Ernst v. Bülow, nachdem er von einer Reise nach Celle „…spät Nachmittages

gegen die Glocke fünfe nach allem Ansehen frisch und gesund wieder heimgekommen, nach genoßener

Abendmahlzeit über die Brust etwas geklaget, nicht lange hernach plötzlich gestorben“

ist. Daraufhin nahm der Vormund, Thomas v. Jagow auf Scharpenhufe/Altmark, das Haus Gartow

symbolisch in seine Verwaltung. 38

77


Die Rückübertragung der Gartower Güter war wohl mehr symbolischer Art, denn die Erben der von

Bülows haben zu viele Schulden gehabt, um die Gutswirtschaft wieder voranzubringen.

Die Gunst der Stunde nutzte Premierminister Andreas Gottlieb von Bernstorff aus Celle, der die

Gartower Verhältnisse bereits bestens kannte; weil er bei den Verhandlungen wegen der Gebietsansprüche

Brandenburgs auf Gartow eine führende Position einnahm und das Kurfürstentum

Hannover vertrat. Zudem stand er in einem Alter, wo er sich von der Landespolitik in das Privatleben

zurückziehen konnte.

Der Kaufvertrag zwischen den verkaufenden

Vettern Curd v. Bülow und Jobst v. Bülow und

dem Geheimrat Andreas Gottlieb v. Bernstorff

betr. das Adelige Haus Gartow und dessen Güter

vom 18.4.1694 beginnt mit folgenden Sätzen:

„Zu wißen sey hiermit, daß heute unter gesetzten

Dato zwischen deren Wohlgebohrnen Herren

Curd und Herren Jobst Gevettern von Bülow

alß Verkäuffern an einem und dem Wohlgebornen

Herrn Andreas Gottlieb von Bernstorff,

Fürstlichen Braunschw. Lüneburg. Geheimbten

Rath alß Käuffern am anderen Theil ein aufrichtiger

unwiderruflicher Erbkauff über das

Adeliche Hauß und Guth Gartow und deßen Zubehörungen,

Wollbedächtlich abgehandelt und

geschloßen, wie folget:

Es verkaufft Herr Curd von Bülow sein habendes

ein Drittel und Herr Jobst von Bülow seine

habende zwey Drittel und also beyde miteinander,

vor sich, ihre Erben und Nachkommen

beständig unwiderruflich und zu einem ewigen

wahren Erbkauff an dem Herrn Geheimbten

Rath Andreas Gottlieb von Bernstorff, seinen

Erben und Nachkommen daß gantze Hauß und

Guth Gartow und deßen Jura und Pertinentien,

nichts überall außgenommen, so wohl Lüneburgschen

als Bißherigen Sonnenburgischen

Lehens und zwar …“ (Es folgt die Aufzählung

des Gartower Besitzes).

Curd v. Bülow erhielt als Kaufpreis für sein Drittel

Anteil am Haus und Gut Gartow (einschließlich

den freien Hof in Gummern) 16000 Reichsthaler,

Jobst v. Bülow 34000 Rtlr.

Wappen v. Bernstorff

Der Landesherr, Herzog Georg Wilhelm in Celle, genehmigte den Verkauf des Gutes Gartow an A.G.

v. Bernstorff am 4.9.1694. Dies tat er umso lieber, als er den Verkauf von Gartow mit folgenden

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Worten begründete: „...da die von Bülow wegen der unter ihnen gewesenen Communion und sich

gefundenen hohen Schulden weder die Güter, deren Zubehörungen und Gebäude in gebührenden

Stand erhalten (haben), vielweniger waß davon ruiniert (war) zu repariren, die vielen wüsten (Hof)

Stellen wieder in Stand zu bringen oder die versetzten Pertinentien (Zubehörungen des Gutes)

vielweniger waß davon ruiniert (war) zu repariren, die vielen wüsten (Hof) Stellen wieder in Stand

zu bringen oder die versetzten Pertinentien (Zubehörungen des Gutes) einzulösen, noch die kostbaren

der gantzen Nachbarschaft gefehrlichen Deiche und Dämme zu beßern und zu erhalten…“

Die Amtmänner in Lüchow, Dannenberg und Schnackenburg wurden angewiesen, dem neuen Besitzer

A.G. v. Bernstorff Schutz und Hilfe bei der Konsolidierung des Gutes Gartow zu gewähren.

Der Landesherr behielt sich bei dieser Gelegenheit vor, die Abmachungen zwischen ihm und den

Herrn v. Bülow lt. Lehnsbrief von 1690 betreffend die Jagd in der Feldmark Krautze und in den

Trebelschen Tannen zu einem späteren Zeitpunkt abzuändern. 39

Die offizielle Übergabe des Gutes Gartow an den Geheimrat A.G. v. Bernstorff am 28.6.1694 fand

in seiner Abwesenheit statt. Er ließ sich vom Landrat und Hofgerichts-Assessor Georg Gebhard v.

Dannenberg vertreten. Die notwendigen Formalitäten wickelte der Notar Georg Degencolbe ab.

Um 10 Uhr fanden sich im Schloß Gartow zur Übergabe folgende Personen ein: als Familienoberhaupt

Curd v. Bülow mit seinen Söhnen Cord Ludwig und Adam Johann, Dr. Münter, Lizentat Gosky

aus Salzwedel, als Vertreter Gartows der Bürgermeister Simon Joachim Walters und die beiden

Bürgerschaftsabgeordneten Nicolaus Möller und Hans Rathgen und die jeweiligen Dorfschulzen

der dem Haus Gartow pflichtigen Ortschaften. Einige Monate später folgte die sogen. Huldigung

der Untertanen, die A.G. Bernstorff am 6.11.1694 in Gartow festsetzte.

Die meisten der Untertanen leisteten diesen Eid zum ersten Mal, aber es gab noch einige alte

Personen, die den v. Bülows in früherer Zeit gehuldigt hatten.

Dem Notar Johann Georg Degencolbe aus Lüchow wurde die Organisation dieses Verwaltungsaktes

übertragen. Premierminister Bernstorff fand sich in Begleitung des Dr. Heinrich Münter im

Schloß Gartow im Eßsaal ein, wo bereits der Landhauptmann und Ingenieur Elers Strauß, der

neue Gutsverwalter Jacob Kruse sowie die Pastoren Christian v.d. Heyde (Gartow), Martin Redlich

(Holtorf) und Georg Heinrich Grimms (Prezelle) auf ihn warteten.

Zuerst wurde die Einwohnerschaft von Gartow vorgeladen. Pastor Grimms las den Huldigungseid

vor und 36 Bürger leisteten den Eid mit erhobenen Fingern und ausgestreckten Armen ab. Der

mitanwesende Gartower Pastor, Magister Lehmann, ermahnte die Eidesleistenden „daß sie dem

Allen, was sie jetzt angelobet und geschworen, treulich nachkommen und sich gegen Sr. Excellence

Hr. Geheimrath Bernstorff als ihrer von Gott verliehenen Obrigkeit gehorsamlichst bezeigen

möchten.“

Geheimrat Bernstorff dagegen versprach, seine neuen Untertanen „väterlich“ zu versorgen und zu

schützen sowie nicht in ihre althergebrachten Rechte einzugreifen. Danach folgte die Eidesableistung

der Dorfbewohner. Der Huldigungseid lautete:

„Ihr sollet geloben und schwören einen Eid zu Gott und auf sein heiliges Wort, daß dem Herrn

Geheimbten Rath Andreas Gottlieb Bernstorff, und wenn er nach dem Willen Gottes nicht mehr

in diesem Leben sein wird, alsdann seinem ältesten Sohne und deßen Nachkommen oder auf

seinen und ihren Abgang … allemahl nach dem Rechte der Erstgeburt als Euren Erbherrn und

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Obrigkeit wollet getreu und gehorsam sein, nach seinen und denen, die Er euch vorsetzen wirdt,

Gebot und Verbot Euch richten und halten, die schuldigen Abgaben, Gefälle (Steuern) und Dienste

treulich und gebührend entrichten und ableisten, seinen des H. Geh. Raths, seiner Nachkommen

und Güter, Nutzen und Besten soviel an Euch ist, befördern, Schaden und Nachtheil aber warnen,

abwenden und hindern…“ 40

Damit endete für Gartow die lange Ära der Familie von Bülow und die Grafen von Bernstorff traten

an. Der Premierminister Andreas Gottlieb von Bernstorff entwickelte eine vielfältige Tätigkeit um

einen florierenden Gutsbetrieb aufzubauen. Die finanziellen Mittel dazu hatte er offensichtlich.

Nachlässigkeiten und der Schlendrian, der zuletzt bei den von Bülows obwaltete, wurden ersetzt

durch Wiederherstellung alter Rechte, dem Hinzukommen neuer Rechte und straffer Führung.

Frühere Besitzzugehörigkeit der Gemarkungen im Gerichtsbezirk Gartow,

1989 gezeichnet von Otto Puffahrt

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Quellen und Literatur

1. Johann Siebmachers Wappen-Buch. Faksimile-Nachdruck von 1701/05, München 1975, 1.

Teil S. 174, 3. Teil S. 139

2. Koch: „Das Hannoversche Wendland oder Der Gau Drawehn“, Dannenberg 1899, S. 30 - 32

3. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“ Nachdruck

Lüchow 1988, S. 42

4. Urkunde Nr. 344

5. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg

und ihrer Lande“, 1. Teil bis zum Jahre 1341, Hannover 1859, Urkunden Nr. 343, 344,

441, 531, 532, 568, 581

6. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg

und ihrer Lande“, 2. Teil vom Jahre 1342 bis zum Jahre 1356, Hannover 1860, Urkunden

Nr. 4, 79

7. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg

und ihrer Lande“, 3. Teil vom Jahre 1357 bis zum Jahre 1369, Hannover 1862, Urkunden

Nr. 111, 402, 429

8. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg

und ihrer Lande“, 7. Teil vom Jahre 1390 bis zum Jahre 1394, Hannover 1872, Urkunden

Nr. 135, 197.12

9. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg

und ihrer Lande“, 8. Teil vom Jahre 1395 bis zum 31. März 1399, Hannover 1876,

Urkunden Nr. 157, 157.4

10. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg

und ihrer Lande“, 9. Teil vom 3. April 1399 bis zum 15. März 1405, Hannover 1877,

Urkunden Nr. 225, 246

11. Urkunde Nr. 24 vom 8.9.1339

12. Urkunde Nr. 31 vom 22.2.1344

13. Urkunde Nr. 123 vom 19.10.1426 Brosius, Dieter: „Wendländische Regesten 1298 - 1528.

Ungedruckte Urkunden zur Geschichte des Landkreises Lüchow-Dannenberg im Späten

Mittelalter“,Lüchow 1988

14. Felcke: „Chronik der Stadt Arendsee“, Gardelegen 1891/92

15. /

16. F.Th.: „Aus alten Chroniken und Urkunden“ in: Gartower Heimatbote von Januar 1929 Riedel,

A.F.: „Codex diplo maticus Brandenburgensis, Sammlung der Urkunden, Chroniken und

sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten“,

Reihe A, Bd. 15, Berlin 1858, S. 101, Bd. 25, Berlin 1863, S. 199, S. 203 - 204, S.

239 - 241, S. 467

17. Haberland, Rudolf a.a.O., S. 51, 61

18. „50 Jahre meines Lebens. Viele Erinnerungen und einige Gedanken. Für Kinder und Enkel

aufgeschrieben von Hasso von Blanckenburg“ (ehem. Herr auf Gut Rottnow/Pommern)

ohne Ort, ohne Jahr (1970), S. 145 - 146

19. Meisner, Otto: „von Bülow“ in: Neue Deutsche Biographie, 2. Bd., Berlin 1955, S. 727 - 729

20. Brosius, Dieter: „Wendländische Regesten 1298 - 1528“ Lüchow 1988, Urkunde 380

21. Roth, Fritz: Auswertungen von Leichenpredigten, 3. Bd., Boppard 1962/64, R 2729

22. Roth, Fritz: „Auswertungen von Leichenpredigten“, 1. Bd., Boppard 1959, R 811

23. /

24. Schröder, Christian: „Aus der Geschichte von Kl. Schwechten“, Isernhagen 1994, S. 29, 33,

40; Roth, Fritz: „Auswertungen von Leichenpredigten“, 1. Bd., Boppard 1959, R 299

81


25. vgl. auch: Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Uradeligen Häuser. 12. Jg., Gotha

1911, S. 139 - 224

26. GR (Geldregister v. Bernstorffsches Archiv Gartow) 1688/89, S. 56

27. GR 1688/89, S. 27

28. GR 1688/89, S. 137

29. Heimatbote Gartow, Februar 1930

30. /

31. B1 Nr. 6 „Alte Urkunden von 1594 bis 1609“ Nippert, Klaus: „Konkurrenz als Chance. Zur

Auseinandersetzung zwischen der Gartower Gemeinde und den von Bülow gegen Ende des

16. Jahrhunderts“ in: 15. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg,

Lüchow 2001, S. 57 - 76

32. /

33. D 28 Nr. 1 „Rezesse mit der Gartower Bürgerschaft“, D 28 Nr. 2 „Von der Gartowischen

Bürger Garten- und Wiesen-Zinß 1697 - 1726“, Nippert, Klaus: „Konkurrenz als Chance. Zur

Auseinandersetzung zwischen der Gartower Gemeinde und denen von Bülow gegen Ende

des 16. Jahrhunderts in: Hannoversches Wendland, 15 Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises

Lüchow-Dannenberg 1994 - 1997, Lüchow 2001, S. 57 - 76

34. Urkunde A 8 II

35. GR 1688/89, S. 174, 179

36. Puffahrt, Otto: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff in und

um Gartow“, Gartow 1994, S. 42 - 43

37. B6 Nr.11 „Restitution derer von Bülow 1690“

38. B 7 Nr. 12 „Urkunden von 1690 - 1694“

39. Urkunde A 8 I, Haberland, Rudolf a.a.O., S. 122 - 123

40. D8 Nr. 5 „Beeidigung der Gartowischen Untertanen“ 1688 - 1726

82


Grafen von Bernstorff – Haus Gartow

Das Geschlecht von Bernstorff stammt, ebenso wie die

v. Bülows, aus dem Mecklenburgischen . Es lag unweit

der Stammheimat der v. Bülow. Der Ursprung der Familie

v. Bernstorff liegt im Ort Bernstorf bei Rehna und wird

1237erstmals urkundlich erwähnt. Obwohl zu jener Zeit

kein Ritter von Bernstorf erscheint, so lässt sich aus anderen

Schlussfolgerungen ableiten, dass die Bernstorffs

bereits damals in Bernstorf ansässig waren. Aber erst

1411 wird mit Johann Bernstorf der erste dieser Familie

namentlich genannt. Es wird vermutet, dass die

Bernstorffs bereits im Zuge der Einwanderung niedersächsischer

Ritter unter Heinrich dem Löwen in der 2.

Hälfte des 12. Jahrhunderts nach Mecklenburg gekommen

sind. Woher die Bernstorffs vor ihrer Ansiedlung in

Mecklenburg gekommen sind, ob aus Holstein, Bayern,

Österreich oder der Grafschaft Diepholz, lässt sich nicht

nachweisen.

Schloss Gartow

Die Geschlechterfolge nach 1411 wird hier übersprungen, um zum Stammvater der Gartower Linie,

dem späteren hannoverschen Premierminister Andreas Gottlieb v. Bernstorff dem Älteren

(1649 - 1726), zu gelangen. Zu seiner Person ist bereits viel veröffentlicht worden, daher sollen

hier nur seine wichtigsten Lebensstationen genannt werden:Zusammen mit seinem Bruder

Christian Rudolf besuchte er um 1663/64 das Gymnasium Göttingen, danach drei Jahre lang die

Universität Helmstedt, wo er Rechtswissenschaften studierte und anschließend im Reichskammergericht

Speyer eine Stelle einnahm. Ab 1669 trat er die damals obligatorische Bildungsreise

mit seinem Vetter Andreas an, die Beide nach Frankreich, Italien, Österreich, Prag und nach

Deutschland zurück führte.

Ab 1670 stand er im Dienst der Herzogin von Mecklenburg-Schwerin, da er aber zu sehr für die

Rechte der mecklenburger Ritterschaft eintrat, erregte er das Missfallen des Herzogs​Christian l

(1623 - 1692). Obwohl er am dortigen Hofe einen gewissen Einfluss aufgebaut hatte, musste

er in Schwerin seinen Dienst quittieren. Ab 1672 nahm ihn der cellische Herzog Georg-Wilhelm

(1624 - 1705) an, wo er als Volontär seine spätere Karriere begann. Als seine Mutter 1673 starb

(der Vater war bereits 1655 verstorben), verlor er sein Elternhaus in Ratzeburg. In Celle verbrachte

er schließlich 33 Jahre und kam schnell zu Ruhm und Ehre. Durch diplomatisches Geschick, begünstigt

von Glücksumständen, stieg Andreas Gottlieb schließlich bis zum Premierminister auf. Im

November 1675 heiratete er Johanette Lucie v. Sinold gen. v. Schütz, die insgesamt neun Kindern

das Leben schenkte. Alle Söhne starben, meistens als kleine Kinder, noch vor ihrem Vater.

Als Herzog Georg Wilhelm 1705 verstarb, fiel das Herzogtum Lüneburg mit seiner Residenz Celle

an Hannover. A.G. Bernstorff zog nach Hannover um und wirkte unter dem Kurfürsten Georg

Ludwig ab 1709 als erster Minister. Auch in dieser Zeit bewies er sein Verhandlungsgeschick und

löste schwierige staatspolitische Aufgaben. Seine Bemühungen wurden mit der Erhebung in den

Freiherrenstand am 8. Oktober 1715 durch Kaiser Karl VI belohnt. Als der Landesherr Georg I auch

noch König von Großbritannien wurde, musste v. Bernstorff nach London übersiedeln. Dort verließ

ihn sein Glück. Die Einflussnahme des britischen Außenministers Stanhope schädigte

83


v. Bernstorffs Machtstellung so nachhaltig,

dass v. Bernstorff im Jahre 1720 aus der Politik

ausschied und sich für den Rest seines Lebens

nach Gartow begab. Am 6. Juli 1726 starb er im

Alter von 77 Jahren. Da er jedoch keine männlichen

Nachkommen hatte, erbte Joachim Engelke

v. Bernstorff, den Gartower Besitz. Er war

in hannoversche Dienste gekommen und arbeitete

sich vom Hofjunker zum Kriegsrat hoch.

1727 schied er aus dem Dienst und kümmerte

sich um seine ausgedehnten Besitzungen, bis

auch er am 4. Februar 1737 starb.

Erbe von Gartow und den anderen Besitzungen

wurde sein Sohn, Andreas Gottlieb der Jüngere

(1708 - 1768). Er wurde zusammen mit seinem

Bruder Johann Hartwig Ernst von dem Gelehrten

Johann Georg Keyßler unterrichtet. A.G. der

Jüngere studierte an der Universität Tübingen,

danach unternahm er mit seinem Bruder und

Keyßler eine lange Bildungsreise durch mehrere

Länder Europas. 1731 kehrten sie nach Gartow

zurück. Andreas Gottlieb kümmerte sich

um die Besitzungen Gartow und Dreilützow

und sein Bruder um die Güter Wedendorf und

Wotersen.

Andreas Gottlieb Freiherr von Bernstorff

(1649 - 1726)

Am 7. April 1733 verheiratete sich Andreas Gottlieb d.J. mit Dorothea Wilhelmine v. Weitersheim

in Straßburg, beide zogen nach Gartow. Er kümmerte sich von dort aus auch noch um die Güter

seines Bruders, der in Dänemark Karriere gemacht hatte. In Gartow entfaltete er eine rege Betriebsamkeit

und war seinen Untertanen gegenüber durchaus sozial zu eingestellt. Wegen der

Inspektion auswärtiger Güter und vieler Verhandlungen war er oft nicht Gartow. Am 20. Juni 1763

starb seine Frau im Alter von 64 Jahren, am 20. August 1768 starb auch er in Gartow.

Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Die beiden Töchter verstarben jung.

Der älteste Sohn Joachim Bechtold v. Bernstorff (1734 - 1807) übernahm neben anderen auch

den Gartower Besitz. Er hatte zusammen mit seinem Bruder Andreas Peter die Universitäten Leipzig

und Göttingen besucht und erlangte 1754 den Doktorgrad in Jurisprudenz. Bald darauf wurde

er zum Hofrat (1755) und Kammerrat (1756) ernannt. In Hannover lernte er Louise v. Steinberg

kennen und heiratete sie am 25. Februar 1757. Sie starb bereits 1758 im Alter von 20 Jahren.

Sechs Jahre später heiratete er am 18. Mai 1764 in 2. Ehe Magdalene Hedwig v. Lowzow, Tochter

eines Generalmajors in dänischen Diensten, die ihm vier Kinder schenkte. Während er von einem

Verwandten das alte Familienstammgut Bernstorf mit Zubehörungen sowie das Gut Hanshagen

kaufte, veräußerte er 1797 die Güter Rüting und Schildberg. Am 13. April 1803 starb seine zweite

Frau, am 3. Dezember 1807 auch er.

Die Nachfolge trat Ernst von Bernstorff (1768 - 1840) an, er ging in preußische Dienste und wurde

Leutnant. Später wandte er sich dem preußischen Staatsdienst zu und ist 1795 unter Fried-

84


rich Wilhelm II Kammerherr und Legationsrat geworden. 1802 schied er aus dem diplomatischen

Dienst aus und begab sich auf das Gut Wedendorf. Ein Jahr zuvor, am 24. Juni 1801, heiratete

er Amerika (sie war 1780 in New York geboren) Riedesel Freiin zu Eisenbach, die ihm vier Kinder

gebar.

Als er 1807 die Besitzungen in Gartow erbte, lebte er zeitweise in Gartow und Wedendorf. Er war

ein schwieriger Charakter und soll 1818 insbesondere mit Bauern 120 Prozesse geführt haben.

Damals soll er den Mut verloren haben und war fast versucht, das Gut Gartow an den Grafen

Münster zu verkaufen. Ernst verstarb am 2. März 1840 im Alter von fast 72 Jahren in Gartow, seine

Frau Amerika folgte ihm erst am 17. Mai 1856 in den Tod und starb in Wedendorf.

Der älteste Sohn von Ernst, Bechtold von Bernstorff (1803 - 1890), wuchs in Gartow auf. Er heiratete

am 6. Dezember 1828 Thekla Freiin von Bibra, Tochter eines hessischen Rats und Landjägermeisters.

Nach dem Tod seines Vaters 1840 erwarb Bechtold die Güter Wehningen mit Jasebeck

(2000 Morgen) und Wahrstorf bei Grevesmühlen (1400 Morgen) hinzu. Damit ist er einer der

größten Grundbesitzer des Königreichs Hannover geworden, zudem Geheimrat und Landrat im

Herzogtum Lüneburg. Ausserdem wurde er 1876 als Kandidat der Hannoverschen Partei in den

deutschen Reichstag gewählt. 1878 feierten sie die Goldene Hochzeit. Thekla ist am 16. Februar

1884 gestorben. Bechtold folgte ihr im Alter von 87 Jahren am 25. Juni 1890. Beide sind in Gartow

auf dem Friedhof beerdigt worden. Von den 11 Kindern erbte Joachim von Bernstorff (1834

- 1901) das Gartower Besitztum. Als junger Mann diente er als Offizier bei den hannoverschen

Garde-Kürrassieren und brachte es dort bis zum Rittmeister im Generalstab. Am 8. August 1863

heiratete er in Cannstatt Adelheid Freiin v.d. Bussche-Ippenburg. Er zog zunächst auf das Stammgut

Bernstorf, danach auf das neuerworbene Gut Ventschow/Wahrstorf in Mecklenburg. Zudem

wirkte er als Klosterhauptmann des adeligen Klosters Dobbertin, wo er auch zeitweise wohnte.

1890, nach des Vaters Tod, übernahm Joachim im Alter von 56 Jahren auch das Gut Gartow als

Besitz. Am 22. Juli 1901 starb er in Gartow; seine Frau beendete ihr Leben nur wenige Monate

vorher, am 9. November 1900. Beide sind ebenfalls in Gartow begraben.

Erbe von Gartow wurde der älteste Sohn, der am 14. Mai 1864 geborene Günther von Bernstorff

(1864 - 1937). Nach dem Besuch des Gymnasiums in Lübeck studierte er Jura und wurde mecklenburgischer

Amtsverwalter. Als Soldat diente er beim mecklenburgischen Grenadier-Regiment

Nr. 89, wo er Oberleutnant der Reserve wurde.

Am 28. Juli 1896 heiratete er Eleonore v. Hohnhorst, Tochter eines Landrats bei Celle. Ab 1901

übernahm er von seinem verstorbenen Vater das Gut Gartow und zog in das Schloss ein. Seine

Ehe blieb jedoch kinderlos. Eleonore, seine Frau, verstarb am 27. Juli 1935, Günther folgte ihr am

10. April 1937. Auch sie sind in Gartow begraben.

1937 erbte Günthers Bruder Gottlieb von Bernstorff (1867 - 1956) das Gut Gartow. Zuvor jedoch

wohnte er lange auf dem Gut Quarnstedt, das er später pachtete. Am 16. Juni 1908 heiratete

Gottlieb die um 20 Jahre jüngere Mathilde Freiin v. Dincklage, Tochter eines Reichsgerichtsrats.

Er musste die schwere Zeit der letzten Kriegstage 1945 und die ebenfalls nicht leichte Nachkriegszeit

durchstehen. Das Pforthaus auf dem Schlosshof und die große Scheune auf dem Gut

Quarnstedt brannten infolge Feindbeschusses ab. Der Gartower Wald wurde geplündert, indem

kanadische Holzfäller Kahlschläge verursachten. Außerdem mussten Verwandte und Freunde, die

aus dem Osten von ihren Besitztümern geflohen waren, aufgenommen und unterstützt werden.

Ferner drohte die Bodenreform, eine Art Enteignung des Großgrundbesitzes durch die englische

85


Besatzungsmacht. Am 5. Dezember 1956 starb Gottlieb im Alter von 90 Jahren in Gartow; seine

Frau überlebte ihn bis zum 1. November 1973.

Aus der Ehe Gottlieb und Mathilde v. Bernstorff gingen fünf Kinder hervor, von denen drei im

Kindesalter verstarben. Erbe wurde sein Sohn Joachim von Bernstorff (1911 - 1946). Er studierte

Jura, wurde Gerichtsreferendar und Reserveoffizier beim Kavallerie-Regiment 13 in Lüneburg.

Wenige Wochen nach dem Kriegsausbruch heiratete er am 14. Oktober 1939 Helga v. Zitzewitz,

Tochter eines Landhauptmannes in Pommern. Er nahm am Krieg teil, geriet in englische Gefangenschaft

und blieb dort inhaftiert, weil er für die deutsche Abwehr gearbeitet hatte. Am 9. Januar

1946 starb er an den Folgen von Hunger und Diphtherie.

Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor, darunter die Zwillinge Andreas und Cornelius, beide am

9. März 1942 geboren. Andreas als der Erstgeborene wurde automatisch Erbe. Weil Andreas von

Bernstorff beim Tod seines Vaters noch nicht volljährig war, führte seine Mutter die Gutswirtschaft

weiter. Sie heiratete am 4. September 1950 in 2. Ehe Joachim Freiherrn v. Adelsheim v. Ernest/

Odenwald. Später kümmerte sich der Verwandte Konrad v. Oppen mit um die Gutsgeschäfte. Das

Besitztum war wegen drohender Enteignung an Verwandte aufgeteilt, später aber gegen Entschädigungszahlungen

wieder zusammengeführt worden. Andreas v. Bernstorff heiratete am 24. Mai

1975 Anna Freiin v.d. Bussche-Ippenburg. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor. Fried von

Bernstorff hat als Erstgeborener seit dem.1. Juli 2012 das Erbe angetreten. 1

Besitzzeiten derer v. Bernstorff

Andreas Gottlieb der Ältere (1649 - 1726) 1694 - 1726

Joachim Engelke (Schwiegersohn) (1677 - 1737) 1727 - 1737

Andreas Gottlieb der Jüngere (1708 - 1768) 1737 - 1768

Joachim Bechtold (1734 - 1807) 1768 - 1807

Ernst (1768 - 1840) 1807 - 1840

Bechtold (1803 - 1890) 1840 - 1890

Joachim (1834 - 1901) 1890 - 1901

Günther (1864 - 1937) 1901 - 1937

Gottlieb (1867 - 1956) 1937 - 1956

dessen Sohn Joachim (1911 - 1946)

hatte die Zwillingssöhne

Andreas und Cornelius (geboren 1942)

Andreas 1946 - 2012

Fried (geboren 1978) ab 2012

Abhängigkeit vom Haus Gartow

Es ist davon auszugehen, daß schon seit den Herren von (der) Gartow ein Abhängigkeitsverhältnis

zwischen dem Adel und der Gartower Bürgerschaft bestanden hat. Besonders massiv mischten

sich die Herren von Bülow in die Angelegenheiten Gartows ein. Es hatte schwerwiegende Folgen

für sie. Eine gewisse Selbstverantwortung wurde der Gartower Bürgerschaft belassen aber alle

relevanten Entscheidungen waren stets vom örtlichen Adel abhängig. Unter der Herrschaft der

v. Bülows haben Gartower Bürger Dienstleistungen und Abgabeverpflichtungen gegenüber dem

Haus Gartow erfüllen müssen. Die Pflichten blieben auch unter der Herrschaft der Grafen von

Bernstorff erhalten. Sie schwanden nicht ganz, da sich die Grafen über die Kirchenleitung und ihren

ausgedehnten Grundbesitz sowie den Besitz innerhalb der Gemeinde Gartow einen gewissen

Einfluß weiterhin – bis heute – sichern konnten. Zudem waren sie ehrenamtlich – und nicht ganz

uneigennützig – für die Region Gartow gesellschaftlich und politisch tätig. Sie haben sich dadurch

86


dauernde Verdienste erworben.

Beim Herrschaftswechsel auf die Grafen von Bernstorff ab 1694 und noch mehr seit Bestehen

des Adeligen Geschlossenen Gerichts Gartow ab 1720, verstärkte sich die schon bestehende Abhängigkeit;

zumal seit 1720 vom Haus Gartow besoldetes Amts- und Aufsichtspersonal tätig wurde.

Verstärkt sind Landesgesetze angewendet worden, auch trug die nunmehr straffe Führung zur

verstärkten Kontrolle entscheidend bei. Diese Kontrolle blieb auch unter der Herrschaft der Grafen

von Bernstorff erhalten, bis das Geschlossene Gericht Gartow 1850 aufgehoben wurde und

die Grafen von Bernstorff massive Einflussverluste hinnehmen mussten. Die Abhängigkeit war beiderseits

bedingt: das Haus Gartow benötigte Arbeitskräfte und Untertanen, die Abgaben leisteten

und zahlten. Andererseits sorgte das Haus Gartow für die Aufrechterhaltung der Administration,

Ausbau und Unterhaltung von Verkehrsverbindungen, Bauten, Deichen u.a.m. Damit einher gingen

Aufträge an Handwerker und Händler.

Dienste

Der Deichdienst ist bereits in v. Bülowscher Zeit gefordert worden. Um 1710/11 stellte er sich wie

folgt dar:

„Die Bürger im Flecken Gartow seyn von alters hero schuldig gewesen, dem Hause Gartow alljährlich

6 Tage an der Teich Arbeit zu helfen, als 3 Tage im Herbst und 3 Tage im Frühling und

dienet ein jeder, welcher Pferde hat, 6 Tage mit dem Spann, der aber keine Pferde hat, 6 Tage mit

der Hand. Wenn nun solcher Dienst wegen großen Waßers oder anderer Abhaltung halber nicht

wirklich oder vollkommen abgestattet werden kann, bleiben sie allerdings verbunden, solche restirenden

Tage im nächstfolgenden Jahre nachzudienen“. Damals waren 44 Bürgerstellen hierzu

verpflichtet. Als Aufsichtsführender unter der Bezeichnung „Bürgerrichter“ war Peter Bormann von

der Dienstableistung befreit. 2

Noch 1715 wurde vermerkt, daß Hand- und Spanndienste in folgende drei Abteilungen gegliedert

waren:

„und werden die Märkischen Dienste (aus Holtorf, Kapern, Gummern) zur Haußhalts-, die Sonnenburgischen

zu anderer Arbeit und die (Gartower) Bürgerdienste zu denen Wegen und Deichen zu

bessern angerechnet…“ 3

Während alle dörflichen Hofstelleninhaber verpflichtet waren, für das Haus Gartow Hand- und

Spanndienste sowie Fuhren in die nähere und weitere Umgebung zu unternehmen, galten für die

Gartower Bürger zusätzlich genau spezifizierte Dienstleistungen gemäß des Dienstregisters von

1832/33.

„Dienstbeschreibung vom Flecken Gartow:

In diesem Flecken sind 25 Volle- und 24 halbe Bürgerstellen, welche dem Hause Gartow folgende

Dienste zu leisten schuldig sind:

Ordinaire Deichdienste: Ein jeder Bürger des Fleckens Gartow, er habe eine volle oder halbe Bürgerstelle,

ist von Alters her schuldig, bei des Hauses Gartow Deichen jährlich 6 Tage zu dienen,

nämlich: 1. im Frühjahr 3 Tage, 2. im Herbst 3 Tage und zwar solchergestalt, daß diejenigen,

welche Spannung haben (Anm.: Pferdefuhrwerk halten) ohne Ausnahme mit dem Spann, die übrigen

aber mit der Hand, diesen Dienst verrichten müssen. Insofern solcher in einem Jahre nicht

ganz abgeleistet wird, müssen sie die nicht abgeleisteten in dem folgenden Jahre nachdienen. Die

Spanndienste werden dabei gespeiset, wie es aus dem Geldregister zu ersehen ist.

87


Extraordinaire Dienste

Vermöge des mit der Leibeigenschaft unterm 28.sten October 1704 errichteten Recesses ist selbige

(Anm.: die Bürgerschaft von Gartow) schuldig, in allen jetzigen und künftigen des Hauses

Gartow Wiesen, zwischen dem Gaarte-Fluß (Anm.: Seege) und der Elbe auch in den sogenannten

Werften, Wiesen an beiden Seiten der Gaarte und deren hinter dem Schlosse belegenen, in dem

sogenannten Wulfsholze bereits gemachten oder noch ferner auszurodenden Wiesenhorst und

der Niendorfer Grenze und der Breite nach, zwischen dem Wulfsholzer Acker und dem Schlosse zu

Gartow oder Seegefluß belegen ist, das Gras, wenn es gemähet worden, wie es sich gebührt und

wie es ihnen von Seiten des Hauses Gartow wird angewiesen und befohlen werden, zu kehren und

zu wenden bis es trocken ist und sodann in Haufen zu bringen.

Behuf dieses Dienstes kommt aus jedem Bürgerhause zur Zeit nur eine Person, es ist aber davon

Niemand aus der Bürgerschaft exmitirt, wie sie denn auch die Befugnis haben, die bei ihnen wohnenden

Häuslinge zu besagtem Dienste, so oft es erfordert wird, mit herbei zu ziehen, damit die

Arbeit desto eher vollendet werde. Zur Erläuterung dieser recessmäßigen Beschreibung wird noch

hinzugefügt, daß nach der bisherigen Observanz (Gewohnheit):

01. die Dienstleute in Hinsicht ihrer Tüchtigkeit dem Gerichte jährlich vor Anhebung des Heudienstes

präsentiert werden müssen

02. dass während des Heuens ein Vollbürger wöchentlich 6 Tage – ein Halbbürger aber nur 3

Tage, die verheyrateten Häuslinge wöchentlich 1 Tag und die unverheyrateten Häuslinge

oder einzelnen Personen, nur in 14 Tagen einen Tag dienen müssen

03. dass die Dienstleute auch das wieder naß gewordene Heu, imgleichen alles Nachgras so

lange trocknen und kehren müssen, bis es eingefahren werden kann

04. dass es in des Hauses Gartow Willkür stehe, den Aufseher bei diesem Dienste aus der Mitte

der Bürgerschaft zu nehmen oder dazu einen eigenen Bedienten zu stellen; daß aber der

Bürgerrichter jederzeit ratione officio verbunden sey, den Dienst durch den Ausruf anzusagen

05. dass der zeitige Bürgermeister bisher jederzeit dienstfrei gewesen ist

Delinquenten-Wachen

Wenn die Gefangenen beim Hause Gartow

sitzen, muß die Gartower Bürgerschaft dabei

Wachen halten und zwar mit so starker Mannschaft

als erfordert wird und ist dagegen vermöge

Recesses de 1704 von dem Beitrage zu

den Delinquenten-Kosten, welche sämtliche

Unterthanen entrichten müssen, frei gelassen.

Dabei wird ihnen nach der Observanz das nöthige

Feuer und Licht, auch ein Krug Bier aus der

Delinquenten-Casse frei gegeben und, wenn

die Inquisiten, welchen die Kosten zuerkannt

werden, des Vermögens und zuvörderst alle

baaren Auslagen erstattet sind, werden auch

diese Wachen à Person täglich mit 2 ggr. vergütet,

sonst aber bekommen sie dafür nichts.

1711: Delinquentengeld-Einnahme

88


Damm- und Grabendienste

Auf dem Quarnstedter Damm muß die Bürgerschaft ihre Kavel (Deichteilstück) von 8 Ruthen 6 Fuß

Rheinländische Maaße lang, die Ruthe zu 15 Fuß gerechnet, mit Erde befahren, so oft es nöthig

ist und solche in gutem Stande erhalten, desgleichen muß ein Jeder seine Kavel an den Gräben

vorlängs dem Schäferkampe, in untadelhaftem Stande erhalten“. 4

1721 wurde vom Haus Gartow Ernst Hanne aus Holtorf als Zehntmahler angenommen, der die

Aufsicht bei der Einziehung des Zehnten aus Gartow, Nienwalde, Meetschow, Prezelle, Lomitz,

Gorleben, Holtorf, Kapern und Gummern hatte. 5

Im Juli 1725 war der Ingenieur Rollwagen mit der Vermessung des Buchhorst-Geländes beschäftigt

und teilte es in Koppeln ein. Ebenso suchte er einen Platz in der Gartower Heide für das neue

von Bernstorffsche Vorwerk aus und nahm Vermessungen in und bei Nienwalde vor. 6

Im Januar 1726 verkaufte der „alte“ Bürgermeister Adam Christian Hildebrandt aus Gartow dem

Haus Gartow für 350 Rtlr. die ebenfalls von ihm zuvor angekaufte sogen. „Dorfstedte“ hinter

Wolfshahl. 7

Handwerker

Über sehr lange Zeit haben verschiedenste Handwerker von Aufträgen existieren können, die der

Betrieb einer Gräflichen Gutswirtschaft mit sich brachte. An dieser Stelle werden einige Beispiele

angeführt, um den Umfang und die Art der Dienstleistungen zu verdeutlichen. Hier werden nur

Personen aus Gartow genannt:

Bäcker

Nachzuweisen ist der Gartower Bäcker Christian Loeck.

Brauer

Nach einem Bericht des Schnackenburger Zöllners Hermann Dralle von 1671 haben sieben Gartower

Bürger selbst Bier gebraut. Hierbei wurde die Braupfanne gegenseitig ausgeliehen. Dann

begannen die von Bülow fremdes Bier im Gartower Bezirk zu verkaufen. Im Jahre 1671 bestand

nach Aussage von Dralle die Situation: „im Flecken brauet jetzo, wer da will“. Allerdings zahlten

die Selbstbrauer alle halbe Jahr die Alkoholsteuer an die Landesregierung und von jedem Scheffel

Malz eine Gebühr an die von Bülow. Auch die Gartower Bürgerschaft erhielt von den Selbstbrauern

einen Steueranteil. Später verweigerten die von Bülow den Gartowern ihren Anteil. 8

Müller

Nahe des Schloßes, oberhalb der Seegebrücke, befand sich um 1696/97 eine Wassermühle, die

der Müller Jochim Guhl betrieb. Als Pacht lieferte er an das Haus Gartow jährlich 1 Wispel Roggen

(rd. 500 kg). Der Mühlenbetrieb ist jedoch wegen Stauschäden an den Wiesen des Hauses Gartow

aufgegeben worden und Müller Guhl erhielt eine einmalige Geldentschädigung von 30 Rtlr. Damit

war die zu v. Bülows Zeiten noch florierende Wassermühlen-Ära beendet (GR 1696/97, S. 148).

Nachdem die Wassermühle an der Seege stillgelegt worden ist, wurde bei Quarnstedt eine Windmühle

angelegt, die als „hinterste“ bezeichnet wurde. Um 1710 kam eine zweite hinzu, die „vorderste“,

welche Müller Jochim Kubel gepachtet hatte. 9

Die Windmühle Gartow war „vor einigen Jahren geleget“, also aufgegeben worden. 10

89


Schäfer

Die Schäferei in Gartow (Schäferkamp) wie auch noch 1716 ein Stück Land im Helk hatte seit

Michaelis 1710 der Schäfer Andreas Thiele gepachtet.

Scharfrichter/Schlachter

Scharfrichter Valentin Wilhelm Kannenberg kümmerte sich um das Kurieren erkrankten bzw. Entfernung

toten Viehes. Sogar das Schlachten wurde vergeben: Johann Hasse zerlegte einen Ochsen,

einen Bullen, sechs Kühe, einundvierzig Kälber und neunzehn Schweine.

Schmied

1715 arbeiteten für das Haus Gartow der Grobschmied Jürgen Wilhelm Dittmer, der zugleich Hufschmied

gewesen ist, ferner der Kleinschmied Arend Barles wie auch der Böttcher Johann Ulrich

Jahncke sowie der Rademacher Dietrich Ludolph Gudehus.

Tischler/Drechsler

1715 verfertigte der Tischler Johann Andreas Reincke einen Waschtisch, zwei Kälbertröge, ein

„Repositorii“ und zwei Bretter „zu Sonnenzeiger“. Tischler Johann Hilmer Meyer verfertigte einen

Brettschemel, einen kleinen Kasten, reparierte einen Küchentisch, einen Fliegenschrank, einen

Stuhl, einen Kasten und eine Garnwinde.

Tischler Reincke lieferte 1715 ferner drei Kellen und sechs Löffel aus Holz sowie „ein Feuerschlag

sambt der Lahde“. Der Drechsler Caspar Henrich Gerberding erhielt 1715 den Auftrag zwei neue

„Theer-Eimer“ herzustellen.

Töpfer

Irdenzeug, also Geschirr aus Ton gebrannt, liferte

der Töpfer Anton Hohentopf. 11

Weber

Das Anfertigen von Leinenzeug besorgten die

Leinweber Johann Krauel aus Breese i. Br. und

Balzer Sasse aus Quarnstedt, beide zusammen

580 Ellen. Schäfer Thiele lieferte Wolle, der

Gartower Färber Johann Christoph Bruns bearbeitete

86 Ellen, um anschließend braunen

Stoff präsentieren zu können.

Die Witwe von Jobst Köppen war 21 Tage damit

beschäftigt, Leinenzeug auszubessern. 12

1711: Pachteinnahme vom Gartower Töpfer

Trauerbegleitung

Als am 14. August 1715 der Generalleutnant von Bernstorff verstarb, nahm daran nicht nur die

gräfliche Familie, die Verwandten und Bekannten teil sondern auch auf mittelbare Weise die Gartower

Bürgerschaft. Zunächst sorgte man dafür, daß der Gartower Schneider Henrich Bade den

Altar, die Predigtkanzel und den herrschaftlichen Kirchenstuhl mit schwarzem Trauertuch bekleidete.

Für ausgewählte Bedienstete des Hauses Gartow, wie dem Verwalter Jacob Kruse, Kornschreiber

Tilo Greten, Schreiber Redlich, Haushälterin Grote und Hausjungfer Schönberg, ist extra

maßgeschneiderte Trauerkleidung angefertigt worden. 13

Als Premierminister Andreas Gottlieb von Bernstorff am 6. Juli 1726 verstarb, endete auch seine

Lehnsherrschaft und sein Nachfolger, Kammerherr Joachim Engelke von Bernstorff, wurde nun-

90


mehr Lehnsherr. Außer den Müllern auf den Dörfern mußte auch Scharfrichter Kannenberg aus

Gartow eine Anerkennungsgebühr in Höhe von 66 Rtlr. an das Haus Gartow zahlen. Kannenberg

war ferner für die Abdeckerei zuständig. 14

Andreas Gottlieb von Bernstorff hatte verfügt, daß nach seinem Tod enge Bedienstete des Hauses

Geldgeschenke erhielten. Für etliche von ihnen wurde maßgeschneiderte Trauerkleidung

angefertigt, wobei die Schneider Hinrich Bade aus Prezelle, Odewahn aus Nienwalde und Göde

aus Gartow eiligst arbeiteten. Wiederum ist das Kircheninnere mit schwarzem Tuch verkleidet

worden, wie ferner auch Trauerflor angebracht wurde. Von Celle aus kam der Leichnam im Pferdefuhrwerk

in Gartow an, begleitet vom Zinngießer Greve aus Celle und dem Maler Erich Jäger

ebenfalls aus Celle. Der Gartower Tischlermeister Götze verfertigte eine Totenbahre aus Eichenholz

wie auch 12 Kerzenhalter. Schneider Odewahn lieferte das Leichenlaken, die Kirche wurde

feierlich ausgeleuchtet. Der Nachtwächter Paul Vicke bewachte drei Nächte lang den Sarg. Erst

am 16. Januar 1727, ein halbes Jahr nach dem Tod von Andreas Gottlieb von Bernstorff, ist eine

offizielle Trauerfeier in der Kirche Gartow abgehalten worden. An der Kirchentür waren die drei

gräflichen Wachtschützen und dazu fünf Ausschußknechte postiert.Pastor Georg Adolph Gössel

hielt die Trauerrede, der Kantor Dingelstedt dirigierte dazu seinen Schüler-Chor. Zeitgleich fanden

Trauergottesdienste in Trebel (Pastor Zimmermann), Prezelle (Pastor Rudolph) und Holtorf (Pastor

Höfer) statt. Nach der Trauerfeier gab es in Gartow eine Trauermahlzeit und abends haben fünf

Tagelöhner ein Trauerglockengeläut veranstaltet. Im Bezirk Gartow erklangen vier Wochen lang in

den Kirchen die Glocken im Andenken des Verstorbenen. 15

Steuern und Abgaben

Wie bereits unter v. Bülowscher Herrschaft war das Haus Gartow berechtigt, gewisse Abgaben in

Geldzahlung zu erheben. Das Alkoholmonopol brachte zu allen Zeiten gute Steuereinnahmen, so

auch beim Haus Gartow, welches dieses Monopol von der damaligen Landesherrschaft erhielt.

Abzugsgeld

Als 1710/11 Joachim Schulte aus Gartow gestorben war, der im Register als „alter abgelebter

Mann“ bezeichnet wurde und 37 Jahre lang Schäfer der Bürgerschaft gewesen ist, verzog dessen

Witwe in die Altmark. Zuvor jedoch verkaufte sie 2 Schweine 2 Kühe und 16 Schafe und einige

Habseligkeiten. Vom Erlös mußte sie an das Haus Gartow „Abzugs- oder Abschoßgeld“ zahlen. Das

waren 10 Prozent des Erlöses. 16

Alkoholsteuer

Vor 1695 ist eine sogen. „Malz-Accise“ vom selbstgebrauten Bier Gartower Bürger erhoben worden.

Die Landesherrschaft ordnete am 29.7.1695 an, nicht mehr das Malz zu besteuern, sondern

die fertiggebrauten Tonnen Bier. Für eine Tonne waren 3 Schillinge Steuer abzuführen. Sie gelangte

jedoch nicht im ganzen Umfange als „Schatz“ zur Steuerverwaltung der Landesherrschaft aber

es war der größte Anteil (2 Schillinge 1 ¾ Pfg.). Der Rest floß dem Haus Gartow und der kleinere

Teil dem Flecken Gartow zu. Je Quartal sind im Zeitraum 1696/97 zwischen 60 und 100 Tonnen

Bier von den Gartower Bürgern hergestellt und versteuert worden. 17

Beim Gartower Gallusmarkt war es erlaubt, auch Bier außerhalb des Amtsbezirkes Gartow auszuschenken.

Hierbei wurde „inländisches“ Bier je Tonne mit 4 Schillinge 2 Pfg. steuerlich belastet

und „ausländisches“ (z.B. aus Preußen) mit gar 8 Schillingen. Auch hier erhielt das Haus Gartow

mit 2 Schillingen seinen Anteil, der Flecken jedoch nicht.

91


Den Gartower Bürgern war es ferner erlaubt, außer eigenes Bier zu brauen, auch Branntwein herzustellen.

Vor 1697 zahlten sie irrtümlicherweise die Alkoholsteuer an das Amt Schnackenburg als

Stellvertreter der Landesherrschaft in der Nähe. Das hörte ab Michaelis 1697 auf und das Haus

Gartow erhielt seither 1 Rtlr. jährlich als Schankgebühr.

In Gartow war es Jacob Kruse, Gutsverwalter beim Grafen v. Bernstorff, der den „Lehnskrug“ inne

hatte und im Zeitraum 1696/97 insgesamt 56 Tonnen Bier (von Michaelis 1696 bis Michaelis

1697) ausschenkte. Das Haus Gartow nahm von jeder Tonne 1 ggr. 6 Pfg. ein. 18

Fräulein-Steuer

Nach Festsetzung des Hauses Gartow zahlte und lieferte jede Hausstelle in Gartow bei Heirat der

v. Bernstorffschen Kinder 3 Rtlr., lieferte 4 Scheffel Hafer (rd. 200 kg), zwei Gänse, vier Hühner

und 40 Eier. 19

Frauengeld

Um 1696/97 waren die Bürgerfrauen aus Gartow gehalten, jeweils am Martinitag (11. November)

„vor Sonnenuntergang“ an das Haus Gartow ein „Frauengeld“ von jährlich einmalig 4 ½ Pfg. zu

zahlen. Damals waren nur 30 „Weiber“ in Gartow angetroffen worden. Diese Abgabe galt ausschließlich

nur für Gartow.

Garten- und Wiesenzins

Um 1710 vereinnahmte das Haus Gartow jährlich

von den Gartower Bürgerstellen für benutzte

Gärten und Wiesen ein entsprechendes

Pachtgeld. Es wurde auf „Laurenty-Tag“ fällig.

Fast alle Bürgerstelleninhaber nutzten derartige

Gärten oder Wiesen.

1711: Frauengeld-Einnahme

1711: Garten- und Wiesenzins-Einnahme

92


Gräfin-Steuer

Aus der früheren „Fräuleinsteuer“ war im Laufe der Zeit eine Gräfin-Steuer geworden. Gehoben

wurde diese ungewöhnliche Steuer anläßlich der am 9.6.1826 vollzogenen Vermählung von Gräfin

Louise v. Bernstorff mit dem Königl. Preuß. Major v. Brandenstein.

Nach altem Herkommen zahlte jeder Inhaber einer vollen Bürgerstelle in Gartow den Geldbetrag

von 2 Rtlr. 5 ggr. 4 Pfg. und lieferte als Naturalie 4 Hühner. Die Inhaber von halben Bürgerstellen

zahlten und lieferten die Hälfte. Als Vollbürger zahlten und lieferten damals u.a.: Hofmedikus Dr.

Ellissen, der gleich zwei Vollbürgerstellen besaß, Ernst Heinrich Andreas Schönberg, Samuel Friedrich

Wolf, Johann Joachim Heinrich Bardien und als Institution das Hospital oder auch Armenhaus

in Gartow. Von den Inhabern der Halbbürgerstellen erscheinen u.a.: Johann Heinrich Wellmann,

Peter Friedrich Berend Honig, Busso Harbord, Hans Heinrich Fährmann und als Institution der

Gasthof in Gartow. Auch die Einwohner der umliegenden Gartowschen Dörfer waren zur Zahlung

und Lieferung im Rahmen der Fräulein-Steuer verpflichtet. Die Sammlung von 1826 ergab eine

Summe von 1377 Rtlr. Während die Gartower Bürger als Naturalie lediglich Hühner liefern mußten,

haben die Hofbewirtschafter in den Dörfern neben Bargeld und Hühnern auch Getreide, Gänse

und Eier hergeben müssen. Ein Teil hiervon wurde geldwertmäßig bezahlt, ein anderer als

Naturalie geliefert. Schließlich sind 256 Scheffel Hafer (12800 kg), 270 Hühner, 637 Eier und 55

Gänse als Naturprodukte eingesammelt worden, wobei diese wohl beim Hochzeitsmahl Verwendung

fanden. 20

Landessteuer

Die begehrte Alkoholsteuer ist bald nur noch von der Landesherrschaft erhoben worden, die

Hausbrauerei und -brennerei durch die Gartower Bürger war in diesem Zusammenhang verboten

worden. Lediglich das Gräfliche Brauhaus durfte weiterhin alkoholische Getränke herstellen, die

versteuert werden mußten. Daher erhielt das Haus Gartow aus dem Flecken Gartow keine Alkoholsteuer

mehr.

Um 1830 versah der Steuereinnehmer Fricke in Gartow als Beauftragter der Landesherrschaft

seinen Dienst. Das bedeutet, daß es in Gartow damals eine Steuerrezeptur gegeben hat. In jener

Zeit wurden 17 Oxhöft Alkohol unversteuert und heimlich durch den Brauverwalter Stagen, der zur

Tatzeit jedoch nicht mehr im gräflichen Brauhaus beschäftigt war, verfahren. Es kam zur Anklage

gegen den Grafen, der zur Tatzeit in Holland weilte. Landbereuter Bötticher aus Schnackenburg

hatte den Fall gemeldet. 21

Schutz- und Dienstgeld

Von Häuslingen vereinnahmte das Haus Gartow auch Gebühren aus Gartow. Aufgeführt werden

im Register Margarethe Preusing, die bei der Witwe Steffen in Gartow wohnte. Sie war jedoch zu

arm, um die jährliche Gebühr von 12 ggr. aufzubringen. Daher wurde vermerkt: „gehet betteln und

ist wenig im Lande“. Dann erscheint noch die „Piepersche“, die beim Kuhhirten wohnte. Auch in

diesem Fall konnte das Geld nicht eingenommen werden. Als Grund ist vermerkt worden: „Soll

sehr arm seyn und 4 kleine Kinder haben.“ Lediglich von Grete Oyen, die im Haus von Hans Kubel

wohnte, sind 12 ggr. eingenommen worden. In Gartow lebten um 1710/11 neun Häuslinge, darunter

Schuhmacher Christoph Harnisch, Böttcher Wiechmann, Schmiedeknecht Julius Schulte und

Tischler Johann Hilmer Meyer. Nur vier von ihnen waren in der Lage, das Schutz- und Dienstgeld zu

zahlen. Die anderen waren dazu zu arm. Sie kompensierten das, indem sie den Gartower Bürgern

bei der Heuernte halfen.

93


Standgeld

Dieses ist nicht von den Gartower Bürgern erhoben worden, sondern von den Jahrmarktbeschickern,

die Gartow kurzzeitig aufsuchten.

Um 1710/11 sind in Gartow jährlich drei Jahrmärkte abgehalten worden: zu Ostern, zu Laurenti

(28. August) und zu Michaelis (29. September). Im benachbarten Trebel gab es solche zu Ostern

und Michaelis.

Von den Krämern, die ihre Buden in der Hauptstraße aufstellten, kassierte das Haus Gartow ein

Stättegeld. Krämer, die ihre Buden auf dem Kirchhof hatten, zahlten ein solches an die Kirche

Gartow. 22

Weidegeld

Die Gartower Bürgerschaft hatte um 1696/97 die Möglichkeit, Schweine gegen Gebührenentrichtung

an das Haus Gartow in das Elbholz, in die Eichelmast, einzutreiben. Die Gebühren schwankten

je nach Ertrag der Eichenbäume. Wurden die Schweine wegen fehlender Eicheln nicht fett

genug, verringerte sich die Gebühr. Das war der Fall 1696/97. Bürgermeister Walter, Pastor Lehmann

und der Gutsverwalter Kruse ließen ihre Schweine dort einhüten.

Desgleichen waren die Hahnenberge zur Eichelmast freigegeben aber die Schweine hatten dort

innerhalb von zwei Tagen „alles weggefressen“. 23

Quellen und Literatur

1. v. Bernstorff, Werner: „Die Herren und Grafen v. Bernstorff. Eine Familiengeschichte“,

Celle 1982, S. 1 - 8, 24 - 55, 112 - 155, 210 - 234

2. GR 1710/11, S. 104

3. GR 1715/16, S. 509

4. Puffahrt, Otto: „Gräflich von Bernstorffsches Dienstregister 1832 - 1833

für den Raum Gartow“, Lüneburg 2003 S. 85 - 88

5. GR 1725/26, S. 588

6. GR 1725/26, S. 579

7. GR 1725/26, S. 577

8. B 49 Nr.1 „Alte Nachrichten von dem Gartowischen Damm- und Weggelde…“

9. GR 1710/11, S. 275

10. GR 1726/27, S. 316

11. GR 1715/16, S. 692 - 698

12. GR 1715/16, S. 668 - 690

13. GR 1715/16, S. 625 - 627

14. GR 1726/27, S. 246

15. GR 1726/27, S. 600 - 610

16. GR 1710/11, S. 144

17. GR 1696/97, S. 119

18. GR 1696/97, S. 122

19. GR 1696/97, S. 241

20. G 7 Nr. 15 „Gräfin-Steuer zu Gartow 1826“

21. G 7 Nr. 15 a „Acta Manualia in Zoll- und Steuersachen 1828 - 1830“

22. GR 1710/11, S. 161

23. GR 1710/11, S. 137

94


Amtsverwaltung

An der Spitze der Verwaltung stand in politischer Hinsicht ein Amtmann mit juristischer Vorbildung.

Obwohl eine Amtsverwaltung in Gartow erst ab 1720 installiert worden ist, stellte das Haus Gartow

einen Amtmann bereits ab Mai 1718 an.Der Amtmann war für alle hoheitlichen und verwaltungstechnischen

Angelegenheiten seines Dienstbezirkes zuständig und wurde von seinem Stellvertreter,

dem Amtschreiber, unterstützt.

Die Annahme eines Amtmannes setzte die Genehmigung der Landesregierung voraus. Er wurde

auf seine Fähigkeiten hin besonders in juristischen Belangen von der Justizkanzlei Celle geprüft

(um 1824). Es wurden hohe Anforderungen an den Amtmann gestellt: Untadeliges Benehmen,

Unbestechlichkeit, Treue, fachliche Qualifikation usw. Er wurde auch als Gerichtshalter oder Justiziarius

bezeichnet und mußte einen Huldigungseid auf den Landesherrn ablegen („…Ihr wollet

treu, hold und gehorsam seyn…“). Die „Verordnung die Ansetzung der Justiziarien und Actuarien

adelicher Patrimonial-Gerichte betr.“ vom 1.8.1798 bestimmte, daß Amtmann- und Amtschreiber-

Stellen nur „mit solchen Subjecten besetzt werden, welche den ihnen obliegenden obrigkeitlichen

Geschäften mit Nutzen vorzustehen im Stande sind und gegen die sowohl wegen ihrer Geschicklichkeit

und ihres Lebenswandels als wegen ihres Domizils oder ihrer ausländischen Dienstverhältnisse,

keine gegründete Bedenklichkeiten eintreten, sondern daß auch jeder Justiziarius und

Actuarius den gewöhnlichen Huldigungs- und einen allgemeinen Dienst-Eid leiste…“

Zu den Aufgaben eines Gartower Amtmannes gehörten nach dem Stand von 1824: Schlichtung

von Streitigkeiten möglichst ohne großen Aufwand, Beachtung, Verfolgung und Bestrafung von

Verstößen der Landesgesetze und Verordnungen des Hauses Gartow, Polizeiaufsicht, Regelung

zivilrechtlicher Angelegenheiten, Ausübung des Richteramts, Dienstaufsicht gegenüber seinen

Untergebenen, Rechtsbeistand des Hauses Gartow und Verteidigung des Hausrechte, Führung

von Registern und Ordnung der Registratur, Aufsicht über Rechnungsführungen, Deichaufsicht

u.a.m. Für seine Bemühungen erhielt der Amtmann Dienstwohnung, Gartenland und Gehalt sowie

anteilig von verhängten Strafen oder Dienstleistungen Gebühren („Diäten“). Ferner erhielt er

vom Haus Gartow weitere Vergünstigungen wie Lieferung von Feuerholz für seine Wohnung, die

Dienstzimmer und das Gefängnis, freies Pflügen und Eggen seiner Ländereien sowie Bereitstellung

desselben, das Recht, eine bestimmte Anzahl Vieh auf die Weide eintreiben zu dürfen, nebst

freier Winterfütterung, Lieferung von rd. 225 kg Deputatroggen und Erstattung von Auslagen für

dienstliche Zwecke. Ferner durfte er Pensionsleistungen in Anspruch nehmen.

Im Jahr 1730 verdiente ein Amtmann jährlich

334 Rtlr. (davon 154 Rtlr. Deputate), und 1838

bereits 887 Rtlr. Hierbei betrug die Barbesoldung

616 Rtlr.

Schreiber

95


Der Amtmann war früher absolute Respektsperson, wie aus der Bestallung von 1824 hervorgeht:

„Er soll daneben von mir (dem Besitzer des Hauses Gartow) und Allen des Hauses Gartow Bedienten

als Primus in ordine geachtet und angesehen werden, die Gerichtsdiener in Amts-Sachen

besonders unter seinen Befehlen stehen…“ 1

Mit Abtretung der Gerichtsbarkeiten an die Landesregierung am 1.7.1850 endete das Wirken der

Amtmänner, Amtsschreiber und des Gerichtspersonals.

Neun Amtmänner leiteten die Geschicke der Gartower Amtsverwaltung: Daniel Westing, gebürtig

aus Lüneburg (1718 - 1720), Christian Nicolaus Wolbrecht (1720 - 1760), August Henrich Werckmeister

(1760 - 1781), Christoph Friedrich Oppermann (1783), Dr. jur. Johann Friedrich Albrecht

Spiel (1784 - 1787), Carl Albrecht Mackeprang, vorher Stadtsekretär in Ratzeburg (1787 - 1810),

Dr. Johann Friedrich Ziegler aus Celle (1810 - 1814). Als Amtmann wurde der vorige Amtschreiber

in Winsen/L. Georg Philipp Meyer verpflichtet (1816 - 1821). Von November 1814 bis Juni 1815

verwaltete der Dannenberger Amtschreiber Grote das Gericht Gartow mit.

Danach wurde die Rechtspflege vom Lüchower Bürgermeister Gericke wahrgenommen. Da die

Amtmannstelle unbesetzt blieb, verwaltete Amtsassessor Ludowig aus Lüchow das Gericht Gartow,

wobei Amtsassessor Hesse die Rechtspflege betrieb. Erst am 6.9.1824 konnte die Amtmannstelle

mit Dr. Christian Otto Ludwig Sarnighausen besetzt werden, der vorher Amtmann in Brake

gewesen ist. Er blieb Amtmann bis zum 30.6.1850.

Während der Amtmann als 1. Beamter bezeichnet wurde, galt der Amtschreiber als dessen Vertreter

als 2. Beamter. Beide ergänzten sich in der täglichen Arbeit. Auch der Amtschreiber verfügte

über eine juristische Bildung und legte einen Diensteid ab. Gegenüber dem Amtmann mußte er

„jederzeit schuldigen Respect erweisen“ und besonders die ihm diktierten Protokolle schreiben.

Der Amtmann als Repräsentant und Verantwortlicher hatte wohl viel zu tun, aber der Amtschreiber

erledigte doch den Großteil der Arbeit im Büro. Er mußte sich um eine Vielzahl von Aufgaben

kümmern, die vom Amtmann auf ihn delegiert wurden. Die Führung „derer Protocolle als sein

vornehmstes und als ein solches Haupt Geschäfte“ oblag dem Amtschreiber aber auch die Zusammenstellung

von Vorgängen, Verwaltung der Gerichtsgebühren/Strafgelder nebst Rechnungsführung,

Testaments- und Vermögensverwaltung der Zivilisten, Erhaltung der Registraturordnung,

Steuereintreibung usw. Als wichtiger Mitarbeiter war er bei vielen Handlungen des Amtmannes gegenwärtig.

Auch ihm standen für Mühewaltungen außer seiner Besoldung gewisse Gebühren zu. 2

Als erster Amtschreiber wird Friedrich Rudolph Hieronymi ab 1730 erwähnt, der bis 1744 seinen

Dienst verrichtete. Ihm folgten die beiden Kornschreiber Rudolph Johann Anthon Cherubim (1744

- 48) und Peter Plack (1748 - 54), die jedoch nicht als Amtschreiber tituliert wurden. Ein neuer Amtschreiber

kam in der Person des Johann George Langen (1751 - 1760 gestorben), danach Conrad

Henrich Kniep (1760 - 1788 gestorben) und Rudolph Arnold Seggel (1789 - 1810, 1813 - 1822).

Um 1730 wurden Amtschreiber noch miserabel entlohnt:

jährlich 80 Rtlr. und der Gegenwert von Wäschewaschen in Höhe von 6 Rtlr., um 1772 erhielt er

100 Rtlr. und dazu Kostgeldgegenwert 110 Rtlr. jährlich.

Seit 1814 war die Amtschreiberstelle in eine „Gerichts-Actuarius“-Stelle umgewandelt worden.

R.A. Seggel erhielt eine Pensionszahlung und „andere Emolumente“. Als Gerichtsaktuar fungierte

Wilhelm Hölty (1814 - 1838). Hölty erhielt als Gehalt und Kostgeld jährlich 160 Rtlr., ein Viertel aller

Gerichtsgebühren, freie Wohnung, Gartenland, freie Viehweide, zusammen 367 Rtlr. Auf Hölty

96


folgte kein titulierter Amtschreiber mehr, aber 1835 - 38 wird als 2. Beamter Assessor v.d. Decken

und ab 1839 Assessor v. Estorf bis 1847 und von 1847 - 50 Assessor v. Meding genannt.

Quellen und Literatur

1. D 7 Nr. 1 „Des Gartowischen Amtmanns Bestallungen, wobei auch eines

Fürstl. Amtmannes und Amtsschreibers Eid“

2. D 7 Nr. 2 “Actuarii Bestallungen 1764“

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Justizwesen

Die Rechtspflege im Rahmen der damaligen Reichsgesetze nahmen nicht die Grundherren, also

der örtliche Adel, selbst wahr. Sie wären über alle Maßen befangen gewesen, daher sind außenstehende

Personen damit betraut worden. So ließen z.B. die Herren v. Bülow um 1600 rechtskundige

Leute aus dem Brandenburgischen Recht sprechen. Während der Zwangsbewirtschaftung

des Gutes Gartow von 1687 - 1694 hat der Fürstliche Amtmann Jacob Balck aus Schnackenburg

diese Aufgabe wahrgenommen. Weil hiermit Gebühreneinkünfte verbunden waren, protestierte er

1694 heftig gegen die Wegnahme. Er führte ferner im Auftrag der Landesherrschaft die Aufsicht

über die Landesgrenze zu Brandenburg. Auch diese wurde ihm 1709 abgenommen und dem Haus

Gartow übertragen. Die Rechtssprechung war dem Haus Gartow mit dem Erwerb ab 1694 faktisch

mit übertragen worden. Durch die Weigerung des Schnackenburger Amtmannes vergingen aber

noch mehrere Jahre, bis bis die Rechtspflege für das Haus Gartow Realität werden konnte.

Geschlossenes Gericht Gartow

Das frühere Kurfürstentum und spätere Königreich Hannover war in verschiedene Ämter aufgegliedert,

deren Bezirke aus den ehemaligen Burgvogteien gebildet worden sind. Bei diesen Ämtern

handelte es sich um kleine, überschaubare Verwaltungseinheiten mit Sitz einer Amtsverwaltung

in einem zentral gelegenen Ort, meist einem ehemaligen Burgstandort oder Marktflecken. So existierten

nach dem Stand von 1780 im Landkreis Lüchow-Dannenberg folgende Ämter: Hitzacker,

Dannenberg, Lüchow, Wustrow und Schnackenburg. Sie waren der Landesherrschaft direkt unterstellt,

wobei der jeweilige Amtmann und sein Stellvertreter, der Amtsschreiber, im Auftrag der

Landesherrschaft fungierten.

Daneben gab es ferner Patrimonialgerichte, das waren Verwaltungsbezirke, in denen fast ausschließlich

Untertanen des örtlichen Adels wohnten. Der Patron, Vorsteher eines solchen Bezirkes

und meist adeliger Abstammung, hatte die Landesgesetze zu respektieren und installierte eine

bescheidene, kleine Verwaltung und übernahm damit die Grundaufgaben, insbesondere Einziehung

der Landessteuern, Einhaltung der Landesgesetze, Garantie der Sicherheit und Ordnung,

Strafverfolgung u.a.m. Derartige gebietlich relevante Patrimonialgerichte gab es mit Sitz in Breese

i.Br. (v. Grote), Schnega (v. Grote) und in Grabow (v. Plato) sowie in Gartow (v. Bülow, v. Bernstorff).

Zudem existierten Patrimonialgerichte in geringerer gebietlicher Ausdehnung der Adelsfamilien

v.d. Bussche, v. Dannenberg und v.d. Knesebeck.

Das frühere Patrimonialgericht Gartow erhielt

ab 1720 den Status eines sogen. Geschlossenen

Gerichts und war den Ämtern hinsichtlich

der Aufgaben und Befugnisse fast gleichgestellt.

Das Geschlossene Gericht Gartow 1720-1850

98


In der Überlieferung wird hierzu berichtet:

„…Das Gericht bildete einen geschlossenen Bezirk, hatte aber auch außerhalb seiner Hoheitsgrenze

Gerichtsuntertanen. Innerhalb seiner Hoheitsgrenze lagen das Städtchen Gartow, 22 Dörfer

und 3 einständige Höfe und zwar im Kirchspiel Schnackenburg (1 Dorf), Kirchspiel Holtorf (2),

Kirchspiel Restorf (5), Kirchspiel Gartow (5), Kirchspiel Prezelle (4), Kirchspiel Trebel (9) und im

Kirchspiel Langendorf (1 = Pölitz an der Elbe, vormals ein Dorf, später nur noch adelig freie Schäferei).

Ferner gehörten zu Gartow außerhalb seiner Gerichtsgrenze 2 ganze Dörfer, 13 verstreut

wohnende Gutsleute und 7 Zehnte.

Gartow war ursprünglich wohl Bestandteil der Grafschaft Lüchow. Es stand unter lüneburgischer

Hoheit und war im Besitz der Herren von Gartow. Durch sie wurde Stadt und Schloß Gartow 1354

und 1359 an den Johanniter Orden verkauft, zu dessen Gunsten Herzog Magnus auf die Lehnsherrschaft

verzichtete. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts ist Gartow „unter die Zahl der Raubnester

gekommen“ und als solches von den Herzögen Bernhard und Heinrich von Lüneburg 1390

erobert worden. 1438 hat der Johanniterorden Gartow an Vicke von Bülow verkauft. Jürgen von

Bülow hat den ihm vererbten Besitz um einige Dörfer und Höfe vergrößert, die er 1491 von den

Herrn von Wustrow kaufte. Die Familie von Bülow hat Gartow bis 1694 besessen. In diesem Jahre

haben Curd und Jobst, Vettern von Bülow, dem geheimen Rat Andreas Gottlieb von Bernstorff das

ganze Haus und Gut Gartow verkauft. Dieses bestand aus den adelig freien Höfen zu Quarnstedt

und Gummern, dem Flecken Gartow, den Dörfern Quarnstedt, Restorf, Pevestorf, Brünkendorf,

Kapern, Gummern, dem Hofe Stresow und Intraden (Anm.: Einkünfte) im brandenburgischen Amte

Arendsee, der Feste Gorleben, den Dörfern Gorleben, Laasche, Volzendorf, Prezier, Klautze, 4

Höfen zu Krautze, 4 Höfen zu Schmarsau, den Dörfern Gülden, Kacherien, Trabuhn, 8 Höfen zu

Püggen, 5 Höfen zu Streetz, 9 Höfen zu Splietau, 4 Höfen zu Lomitz, 4 Höfen zu Gr. Gusborn, 4

Höfen zu Breese (i.d. Marsch) bei Dannenberg, 5 Höfen zu Schreyahn, 2 Höfen zu Schmarsau bei

Dannenberg, einer Mühle zu Bussau und Pachten aus der Mühle zu Marleben (Tobringen). Durch

Kauf und Tausch mit dem Landesherrn hat der geheime Rat von Bernstorff seinen Güterbesitz,

der wegen seines Umfanges im Fürstentum Lüneburg einzigartig dasteht, vergrößert und abgerundet…“

1

Die Abrundung bestand darin, insbesondere

von Gartow weit entfernte Untertanen, die mit

ihren Pferdegespannen oder zu Fuß unmöglich

im Laufe eines Tages zu Feldarbeiten eingesetzt

werden konnten, los zu werden und dafür

Untertanen aus Gartow nahe liegenden Orten

zu gewinnen. Aufgrund seiner Größe war das

Gericht Gartow das bedeutendste adelige Gericht

im späteren Königreich Hannover.

Als Kennzeichen für ein geschlossenes Gericht,

wie es Gartow einst gewesen ist, werden nicht

nur die obere und niedere Gerichtsbarkeit angeführt,

sondern daß es auch „in Landes-, Polizei-,

Militär- und Kirchensachen alles dasjenige

vornimmt, was die herrschaftlichen Beamten

Sitz des Gerichts Gartow:

Das Torhaus auf dem Schlosshof (bis 1945)

99


in den ihnen angewiesenen Distrikten (Ämtern) auszurichten die Befugnis haben, dergestalt, daß

keine andere Gerichtsperson etwas zu solchen vorzunehmen berechtigt ist“.

Wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist, hat die Forschung nicht genau definieren können:

„…Das Zusammenwachsen eines großen Grundbesitzes mit den verschiedensten, mehr oder minder

weitgehenden Privilegien und Gerechtsamen hat schließlich zur Anerkennung der Geschlossenheit

des Gebietes, das einen geschlossenen Besitz umfaßte, gegenüber der landesherrlichen

Lokalverwaltung geführt. Beim Gericht Gartow ist auch wohl noch in Betracht zu ziehen, daß in

seinem Mittelpunkt die ehemals landesherrliche Grenzfeste Gartow stand, zu der zweifellos ein

bestimmter Vogteibezirk gehört hat. Indes als geschlossenes Gericht ist Gartow endgültig erst

1720 anerkannt worden. Vor den Bernstorffschen Zeiten hat es ….nicht zu den Gerichten gehört,

die man geschlossen nennt; denn die Ausübung der Hoheitssachen, ja sogar die Verwaltung der

Ober- und Untergerichte (Anm.: der schweren und weniger schweren Straftaten) in verschiedenen

Dörfern hat den Beamten zu Schnackenburg und zu Lüchow obgelegen. Die Verwaltung des geschlossenen

adeligen Gerichts Gartow lag in den Händen eines besonderen Gerichtsamtmannes,

der seinen Sitz auf dem Schloßhof zu Gartow hatte.“ 2

Wegen der bedeutenden Größe des Geschlossenen Gerichts Gartow konnte die Familie von Bernstorff

bei Abstimmungen bei den Landtagen bzw. der Lüneburger Ritterschaft vier Stimmen geltend

machen, sofern die Ritterschaft in landesgesetzliche Vorhaben eingebunden war. Letztere

war auch unter der Bezeichnung „Lüneburgische Landschaft“ bekannt. Später ergaben sich nach

anderem Modus sogar zehn Stimmanteile. Zu beachten ist der Umstand, daß ein Geschlossenes

Gericht Gartow erst im Jahr 1720 entstand, nachdem 1719 der ehemals brandenburgische

Landesteil um Holtorf, Kapern und Gummern an das Kurfürstentum Hannover abgetreten war.

Nun erst stellte sich das Gericht Gartow als geschlossen dar. Innerhalb des Geschlossenen Gerichts

Gartow mit seinen 29 Dörfern bzw. 331 Hofstellen war nicht nur die Rechtsprechung aufrecht

zu erhalten, sondern auch die Verwaltung mit allen Verzweigungen in die Öffentlichkeit und

Privatsphäre. Der eigentliche Gutsbetrieb war davon rechtlich nicht berührt - zumindest was die

Ökonomie betrifft - aber als gleichzeitiger Gutsherr und Amtspatron war der jeweilige von Bernstorff

bei vielen Angelegenheiten stets beteiligt. 16 Dörfer mit 227 Höfen lagen im Gartower Distrikt,

13 weitere Dörfer mit 104 Höfen außerhalb davon.

Zu den Vorrechten – gegenüber ungeschlossenen

Patrimonialgerichten wie Breese i.Br.,

Grabow und Schnega - des Geschlossenen Gerichts

Gartow gehörten gemäß der königlichen

Deklaration vom 9./20. Februar 1720 nicht nur

alle Fälle der Rechtsprechung, vielmehr auch

nach einem Schreiben vom 17. Juli 1722 die

Erhebung und Abwicklung von Steuern bzw.

Militäreinquartierungen und – durchmärschen,

ferner die Aufsicht im Auftrag der Landesherrschaft

an der Landgrenze und Elbegrenze. Mit

hierzu gehört die Kirchenaufsicht über alle

Kirchen und Kapellen im Gerichtsbezirk einschließlich

Personal und Schulwesen. Weitere

1812: Verwaltungsgrenzen in der „Westfälischen

Zeit“, 1989 gezeichnet von Otto Puffahrt

100


Privilegien waren das Alkoholmonopol, die Inbesitznahme von sich in der südlichen Elbehälfte

bildenden Sandinseln und die Ausübung der Rechtsprechung auf denselben. 3

In den Jahren von 1810 bis 1813, als das Kurfürstentum Hannover innerhalb des Königreiches

Westfalen unter französischer Verwaltung stand, fand das französische Recht Anwendung. Die

Gerichtsbarkeit des Hauses Gartow war ab 1.9.1810 aufgehoben bis zum Abzug der Franzosen.

Danach wurde die alte Landesverfassung wieder in Kraft gesetzt und das Haus Gartow erhielt

die Gerichtsbarkeit zurück. Der Gartower Amtmann Dr. Ziegler fungierte während der französischen

Verwaltung als „Friedensrichter“, Prozesse wurden vor dem „Procurator“ Brunnemann in

Salzwedel geführt. Das Königl. Kabinettsministerium in Hannover versuchte 1821, dem Haus

Gartow die Gerichtsbarkeit zu entziehen (Verordnung vom 13.3.1821). Die Hannoversche Ständeversammlung

hatte Vorschläge unterbreitet, den Patrimonialgerichten wie Gartow eines war,

die Gerichtsbarkeit abzuerkennen. Das konnte freiwillig geschehen oder durch Unterlassung einer

vorgeschriebenen Förmlichkeit.

Die Gerichtsbarkeit wollte Ernst Graf v. Bernstorff unter keinen Umständen verlieren, wie er am

30.4.1821 erklärte: „….daß ich von den Rechten und Befugnissen des Hauses Gartow in Hinsicht

der Jurisdiction und Alles dessen was dazu gehört nie etwas freiwillig aufgeben werde, noch auch

ohne eidbrüchige Verletzung meiner Pflichten gegen Vorfahren und Nachkommen aufgeben darf!

…“ Ernst v. Bernstorff berief sich dabei auf das Familienstatut von 1720, nach dem keine Rechte

abgetreten werden durften. Das Haus Gartow behielt die Gerichtsbarkeit aber weiterhin, weil es

zum Verzicht nicht gezwungen werden konnte.

Während der Franzosenzeit war die gesamte Ämterverfassung einschließlich der Patrimonialgerichte

aufgehoben. Somit existierte auch das Geschlossene Gericht Gartow nicht mehr. Sofort

nach Abzug der Franzosen wurde die alte Verfassung wieder in Kraft gesetzt. 4

Die weitere Entwicklung schildert R. Haberland:

Nach einem Gesetz vom 13. März 1821 sollten den Adeligen Gerichten die Kriminaljustiz entzogen

und diese den Königlichen Ämtern zugewiesen werden, und so kam es denn, daß am 28. Dezember

1835 die Landdrostei zu Lüneburg beim Gericht Gartow anfragte, ob die Kriminalgerichtsbarkeit

des Gerichtes nicht „zweckmäßiger“ vom Amt Lüchow wahrgenommen werden könne, da Gartow

kein „wohlbesetztes“ Kriminalgericht bilde und mithin die Urteile nicht selbst sprechen könne.

Gartow jedoch wehrte sich in einem 13 Seiten langen Bericht gegen eine solche Abtretung, die

Entfernung nach Lüchow sei zu groß, in Lüchow reiche das Gefängnis nicht aus usw. Weitere Anfragen

und Berichte gingen hin und her zwischen Lüneburg und Gartow mit dem Ergebnis, daß am

1. November 1841 kurzweg die Kriminaluntersuchungen dem Amte Lüchow übertragen wurden…

Nach einer „Verfassungsnovelle“ vom 5. September 1849, einem Gerichtsverfassungsgesetz vom

5. September 1850 und einer neuen Amtsordnung sollten alle Adeligen Gerichte aufgehoben und

in Königliche Ämter verwandelt oder mit einem solchen vereinigt werden, und es wurden ferner die

Trennung der Justiz von der Verwaltung gesetzlich festgelegt. Diese neuen Bestimmungen hatten

in unserem Grenzgebiet zur Folge, daß das Adelige Gericht Gartow aufgehoben und mit dem gar

zu kleinen Amt Schnackenburg – es zählte 1822 nur 818 Einwohner, das Gericht Gartow dagegen

5033 – zu einem Königlichen Amt Gartow-Schnackenburg vereinigt wurde.

In einem Rezeß vom 1. Juli 1850 wurde zwischen der Landesherrschaft und dem bisherigen gräflichen

Gerichtsherrn folgendes festgesetzt:

101


§ 1. Die Gerichtsbarkeit des Gräflich von Bernstorffschen Gerichtes Gartow wird mit allen

dazu gehörigen Rechten, einschließlich der Polizeigewalt, und allen daraus herfließenden

Aufkünften und Nutzungen an die Landesherrschaft abgetreten, welche sämtliche

mit der Verwaltung derselben verbundenen Unkosten und Lasten übernimmt.

§ 3. Die gutsherrlichen Gerechtsame bleiben unberührt.

§ 4. Die Einnahmen für die Konzessionen zu nachstehenden Gewerben, welche der abtretende

Gerichtsherr bisher bezogen hat, als zum Branntweinschenk, zur Krugnahrung,

zum Musikmachen, zum Kessel-, Sensen- und Futtermesserhandel, zum Kesselflicken,

Scherenschleifen, Siebhandel, Leinsamklappern, zu Zinngießerarbeiten und zum Teerschwelen,

werden auf die Landesherrschaft übertragen.“

Am 15. Juli 1850 übernahm die Landesherrschaft das gräfliche Gericht. Es mußten abgeliefert

werden unter anderem die Peitsche, trockene Maße (Himten), Flüssigkeitsmaße (2 bis 1/16 Quarter),

Längenmaße (Elle), Gewichte (Pfunde), eine Kiste mit Normalziegelsteinen, Siegel. Die letzten

Beamten und Angestellten des alten gräflichen Gerichtes waren: Gerichtsamtmann Dr. Sarnighausen,

Amtsassessor von Meding, Gerichtsschreiber Wagner, Gerichtsvogt Rademacher, Gerichtsdiener

und Pförtner Hildebrandt.

Am 22. Juli 1850 gab das Ministerium des Innern bekannt: „Wir bringen zur öffentlichen Kenntnis,

daß am 15. Juli das Amt Schnackenburg wie auch das der Landesherrschaft abgetretene Patrimonialgericht

Gartow aufgehoben und aus dem vereinigten Bezirke beider Obrigkeiten das Königliche

Amt Gartow-Schnackenburg mit dem Amtssitze zu Gartow errichtet worden ist.“

Das neugebildete Amt Gartow-Schnackenburg zählte 26 Gemeinden, 945 Wohnhäuser, 6393

Einwohner und wurde eingeteilt in zwei Vogteien. Zur Vogtei Schnackenburg gehörte der rechts

der Seege gelegene Teil des Amtes mit den Orten Schnackenburg, Gummern, Capern, Holtorf,

Quarnstedt, Restorf, Pevestorf, Brünkendorf, Vietze; zur Amtsvogtei Gartow der übrige Teil des

Amtes mit den Gemeinden Gartow, Nienwalde, Laasche, Meetschow, Gorleben, Klautze, Gedelitz,

Gr. Breese, Lomitz, Marleben, Nemitz, Prezelle, Prezier, Tobringen, Trebel, Vasenthien, Volzendorf.

Seit der Amtsreform vom 1. Oktober 1852 führte das neue Amt die Bezeichnung Amt Gartow, nicht

mehr Amt Gartow-Schnackenburg. Es trat damals auch die Exklaven Prezier und Volzendorf an

das Amt Lüchow ab und erhielt dafür von Lüchow das Dorf Lanze zugewiesen. Mit der Abtretung

der Gerichtsbarkeit an die Landesherrschaft ab 1.7.1850 ist jegliche Strafverfolgung seitens des

Hauses Gartow eingestellt worden.

Zufolge der 1850 gesetzlich festgelegten Trennung von Verwaltung und Justiz erhielt Gartow noch

in demselben Jahr neben dem Amt auch noch ein Amtsgericht, das dem „kleinen Obergericht“

Dannenberg unterstellt war und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bis zu 100 Talern, seit 1859

bis zu 150 Talern, entscheiden konnte.In Kriminalsachen führte das Amtsgericht, ebenso wie das

alte Amt, nur die Voruntersuchung.

102


25.7.1850: Aufhebung des Königlichen Amtes

Schnackenburg sowie des Patrimonialgerichts

Gartow

Die Amtsgerichte erhielten Dienstgebäude und Personal, wobei die Amtsrichter als Einzelrichter

handelten und entschieden. Das für den Bezirk Gartow zuständige Amtsgericht hatte seinen Sitz

in Lüchow. Die Rechtspflege wurde durch regelmäßig in Gartow stattfindende Sprechtage sichergestellt.

Genau abgegrenzt waren die Zuständigkeiten der Amtsgerichte:

01. Strafsachen: „ die Untersuchung und Aburteilung der zur gerichtlichen Zuständigkeit gehörenden

Polizeistrafsachen, in Kriminalsachen die durch die Strafprozeßordnung ihnen

überwiesenen Handlungen“,

02. Steuer- und Zollvergehen: „das Ermäßigungsverfahren, die Untersuchung und Entscheidung

ohne Rücksicht auf den Wert und auf die Höhe der beantragten Strafe“,

03. Bürgerliche Rechtssachen: „Rechtsstreitigkeiten in Sachen bis 150 Thaler Wert einschließlich“

sowie ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes: „Rechtsstreitigkeiten über

Wegegerechtigkeiten, Grenzberichtigungen, Injurien (Anm. Beleidigungen), Ansprüche aus

einem unehelichen Beischlafe, soweit solche überall vor die weltlichen Gerichte gehören,

Streitigkeiten zwischen Dienstboten und Dienstherren, die aus dem Dienstverhältnisse entspringen,

desgl. Streitigkeiten über Einräumung oder Verlassung einer Wohnung zwischen

Mieter und Vermieter, die Erkennung von Arresten und einstweiligen Verfügungen nach

Maßgabe der Vorschriften der bürgerlichen Prozeßordnung, die Leitung der Konkurse … die

Erledigung aller sonst durch die Prozeßordnungen und andere Gesetze den Amtsgerichten

überwiesenen Handlungen…“

Damit war der Großteil der im ländlichen Raum vorkommenden möglichen Rechtsakte abgedeckt.

Kompliziertere Rechtsangelegenheiten wurden bei den Ober- und Schwurgerichten behandelt. 5

103


… Zehn Jahre noch diente das bisherige Gerichtslokal im Torhaus des Schlosses und das Gefangenenhaus

am Tor zum Schlossgebiet – es ist noch heute vorhanden – mit den drei darin befindlichen

Kojen ihren ehemaligen Zwecken, dann wurde das Hahnsche Gasthaus (Hauptstraße Nr.

32) Amts- und Gerichtslokal.

1850 war Gartow Sitz eines Amtes und eines Amtsgerichtes geworden, und die Gartower haben

sich dessen sicher gefreut. Als man aber staatlicherseits bald daran ging, die Zahl der Ämter zu

verringern – 1859 wurden 19 von 39 Ämtern der Landdrostei aufgehoben und mit benachbarten

vereinigt, darunter auch Wustrow, Clenze und Hitzacker –, da war man in Gartow in großer Sorge,

daß es bald wohl auch das Schicksal Wustrows, Clenzes und Hitzackers werde teilen müssen; doch

die Gefahr ging noch einmal vorüber, und Bürgermeister Dröge gab am 20. April 1861 der Bürgerschaft

in einem „Cirkular“ bekannt: „Als eine besondere Begünstigung unserer höchsten Behörde

haben wir es anzusehen, daß löbliches Amt und Amtsgericht in unserm Städtchen verblieben ist,

da gewiß sämtlichen Bürgern und Geschäftsleuten ein nicht unbedeutender Nachteil erwachsen

wäre, wenn selbiges uns genommen. So ist nun mehrseitig der Wunsch rege geworden, uns hierfür

erkenntlich und dankbar zu beweisen und zwar in der Art, durch gemeinschaftliche Beiträge

….das Bild Seiner Majestät unseres allergnädigsten Königs Georg V. anzukaufen und mit Genehmigung

der höchsten Regierung dasselbe in dem Gerichtslokale unseres Städtchens aufzuhängen“.

Die Anregung Bürgermeister Dröges fand den Beifall seiner „geehrten Mitbürger“. Es wurde

gesammelt und das Bild, „ein großes feines Kupfer, gerahmt mit schönen, breiten Goldleisten“,

gekauft, und groß war die Freude, als Ende Mai ein Schreiben des Königlichen Innenministeriums

eintraf, in dem zum Ausdruck gebracht wurde, „daß des Königs Majestät allergnädigst die von den

Bewohnern des dortigen Fleckens ausgesprochenen Gesinnungen der Treue und Anhänglichkeit

mit Befriedigung entgegengenommen und zu genehmigen geruht haben, daß Allerhöchst dero

Protrait … in den gemeinschaftlichen Geschäftslokalen des Amtes und Amtsgerichtes aufgestellt

werde“. Sechs Jahre später aber war schon wieder Gefahr im Verzuge, und jetzt waren alle Bemühungen,

Gartow das Amt und das Amtsgericht zu erhalten (Entsendung einer Deputation nach

Berlin 15. Sept. 1867, Bereitstellung eines Bauplatzes zum Bau eines Gefangenenhauses 1868),

vergebens. Am 1. Oktober 1871 wurde das Gartower Amtsgericht mit dem Lüchower vereinigt und

am 1. Juli 1872 auch das Amt Gartow mit dem Lüchower. Auch einer Deputation beim „alten Kaiser“,

der in der Göhrde zur Jagd weilte, gelang es nicht, Amt und Amtsgericht wieder nach Gartow

zurückzubringen, so sehr der redetüchtige Ratsherr Lerche aus Schnackenburg den kaiserlichen

Herrn auch für das Anliegen der Abordnung zu interessieren wußte.

Die Gerichtsbarkeit verlor das Haus Gartow jedoch im Zuge der Ämterreformen von 1850. Am

1.7.1850 wurde „die Gerichtsbarkeit des Gräfl. von Bernstorffschen Gerichts Gartow mit allen dazugehörigen

Rechten einschließlich der Polizeigewalt und allen daraus herfließenden Aufkünften

und Nutzungen an die Landesherrschaft abgetreten, welche dagegen von dem Zeitpunkte der

Abtretung und Übernahme der Gerichtsbarkeit an gerechnet, sämtliche mit der Verwaltung derselben

verbundenen Unkosten und Lasten übernimmt.“ Zum Schutz seiner Güter durfte das Haus

Gartow auf eigene Kosten einen Polizeiaufseher anstellen, was jedoch unterblieb.

Bis auf den provisorisch angestellten Gefängniswärter Beußel übernahm die Landesregierung das

Gerichtspersonal. Der bisherige Amtmann Dr. Sarnighausen und der Amtsassessor v. Schulte traten

in den Landesdienst über. Das Haus Gartow vermietete an die neue Amtsverwaltung „das bisherige

Gerichtslocal Gartow nebst zwey daran stoßenden Zimmern der gegenwärtigen Wohnung

des Gerichts-Amtmannes“ sowie das Gefangenenhaus und die Wohnung des früheren Arztes Dr.

Münchmeyer auf 10 Jahre für 280 Rtlr. Jahrespacht.

104


1859 wurde das „kleine Obergericht“ Dannenberg aufgehoben und sein Bezirk dem Obergericht

Lüneburg zugelegt…“ 6

Bis zum Jahr 1884 war nun unser Heimatbezirk ein Teil des Amtes Lüchow. Am 1. April 1885 trat

die am 6. Mai 1884 erlassene Kreisordnung für die Provinz Hannover in Kraft, und Amt und Stadt

Lüchow wurden zum Kreis Lüchow. Am 1. Oktober 1932 wurde er jedoch aufgehoben und mit dem

Kreis Dannenberg vereinigt. 1951 erfolgte die Verlegung des Kreissitzes von Dannenberg nach

Lüchow unter Umbenennung des Kreises in Kreis Lüchow-Dannenberg“. 7

Graf Bechthold von Bernstorff regte im Sommer 1892 aufgrund mehrerer Beschwerden aus der

Bevölkerung die Errichtung eines Amtsgerichtes oder zumindest einer Außenstelle nach Gartow

an. Das Amtsgericht hielt zwar Sprechtage in Gartow ab aber die Entlegenheit von Lüchow machte

sich doch bei juristischen Handlungen negativ bemerkbar. Da sich der angeschriebene Richter

Thilo auf Urlaub in der Schweiz befand, antwortete dessen Kollege, Amtsrichter Schulze u.a.: „ daß

das Amtsgericht vielfach Gelegenheit gehabt hat, sich von den Unzuträglichkeiten des jetzigen Zustandes

zu überzeugen … Die weiten Entfernungen, die Schwierigkeit des Verkehrs namentlich im

Winter sowie die durch den jetzigen Zustand der Staatskasse erwachsenden Kosten reden eine so

deutliche Sprache, daß eine erneute Anregung der Frage aus den Kreisen der Bevölkerung heraus

nur freudig begrüßt werden kann…“. Amtsrichter Thilo meldete sich später ebenfalls zu Wort: „…

So wenig ich mich persönlich dem verschließe, so wenig lebe ich andererseits der Hoffnung, daß

etwaige in besagter Richtung unternommene Schritte von Erfolg begleitet sein werden.

Das Amtsgericht in Gartow ist seiner Zeit aufgehoben

und diese Aufhebung ist keinesfalls

ohne eine gründliche, sorgfältige Prüfung der in

Betracht kommenden Verhältnisse gefallen …

als ja doch erkannt werden muß, daß Handel

und Wandel im dortigen Theil des Bezirks nur

gering und die Rechtsverhältnisse nicht sehr

erheblich sind, wenn es auch auf den Sprechtagen

lebhaft genug zugeht. Da auch die durch

die Justizreform von 1879 geschehenen Veränderungen

und die sonstigen Justizgesetze

der neuen Zeit wesentliche Momente für eine

veränderte Beurteilung der vorliegenden Frage

nicht bieten, so erscheint mir eine Entscheidung

derselben im Sinne der dort gesagten

Wünsche leider wenig aussichtsvoll…“

Graf von Bernstorff mobilisierte daraufhin die

einzelnen Gemeindevertreter, sein Gesuch

zu unterstützen, was dann auch geschah. Am

25.11.1892 erhielt der damalige Justizminister

v. Schelling in Berlin einen entsprechenden

Brief vom Grafen. Der Minister antwortete nicht

selbst, sondern stellvertretend für ihn der Präsident

des Königl. Oberlandesgerichts Celle am

31. Januar 1893: „… Wir haben das Amtsgericht

in Lüchow und die Herren Vorstandsbeam-

1893: Gerichtstermine im Amtsblatt der Kgl. Regierung

in Lüneburg

105


ten des Landgerichts in Lüneburg sich über das Gesuch äußern lassen und glauben in Übereinstimmung

mit denselben der Meinung sein zu müssen, daß kein hinreichendes Bedürfnis für die

Wiederherstellung eines Amtsgerichts in Gartow besteht. In Betracht gezogen ist dabei, daß die

den westlichen Theil des vormaligen Amtsgerichtsbezirks Gartow bildenden sogen. Tannendörfer

durchschnittlich gleich weit von Gartow wie von Lüchow entfernt sind und den Interessen der

weiter östlich belegenen Ortschaften durch die Einrichtung des allmonatlich zweimal in Gartow

stattfindenden Gerichtstages Rechnung getragen wird.

Wir erkennen an, daß für jene Ortschaften Unzuträglichkeiten übrig bleiben, welchen durch die

Einrichtung des Gerichtstages nicht abgeholfen wird. Sie scheinen uns aber in dem Maße doch

nicht vorzuliegen, daß sich der bedeutende Kostenaufwand rechtfertigen könnte, der mit der Errichtung

eines Amtsgerichts verbunden sein würde …“ 8

Es wurden Mängel in der Aufrechterhaltung der Rechtspflege im Gartower Bezirk eingestanden

aber es blieb dabei, daß das Lüchower Amtsgericht zwei Mal im Monat in Gartow Gerichtstage

bzw. Sprechstunden abhielt. Das blieb auch nach 1945 noch so. Im Sommer 1971 sind die Gerichtstage

eingestellt worden. Inzwischen existiert auch das Lüchower Amtsgericht nicht mehr; es

wurde 1971 mit dem Amtsgericht Dannenberg vereinigt. 9

25.3.1872: Vereinigung des Amtsbezirks Gartow mit dem Bezirk des Amtes Lüchow

1870: Dienstsiegel des Amtsgerichts Gartow Amtsgericht Gartow: Gebührenmarke

½ Thaler, 15Gr.

106


Rechtspflege

Früher waren Verwaltung und Justiz noch nicht getrennt, d.h. der Besitzer des Hauses Gartow war

gleichzeitig oberster Gerichtsherr und somit für die Verfolgung und Bestrafung von Vergehen verantwortlich.

Dieses Amt konnte der Gerichtsherr wegen fehlender juristischer Kenntnisse und aus

Zeitgründen selbst nicht wahrnehmen. Daher war das Haus Gartow gehalten, für das Justizwesen

im Gartower Bezirk eine juristisch gebildete Person sowie Strafverfolgungspersonal anzustellen.

Um 1694/95 reichte ein Gerichtsdiener in der Person von Jürgen Schultze, der jährlich 12 Rtlr.

Lohn, 15 Himten Roggen (375 kg) und „3 Ende Landt“ erhielt.

Von 1695 bis 1716 versah dieses Amt Dr. Münter aus Lüchow, der vom Haus Gartow dafür mit 30

Rtlr. jährlich besoldet wurde. Er hielt zwei Mal im Jahr für 1 - 3 Wochen in Gartow zusammen mit

dem Gerichtsschultheiß Kolbe sogen. Gerichtstage ab, um die vorgefallenen Klagen der Untertanen

protokollieren zu lassen oder sofort zu schlichten. Als er im Dezember 1704/Februar 1705 in

Gartow weilte, ließ er sich aus der Schloßküche gut bewirten: „Ein Viertel vom Kalbe, 1 Pfund Baumöhl,

1 Quartier Branntwein (rd. 1 Liter), Hühnerfleisch, Butter, Semmel, Gewürze und Pflaumen“.

Von 1699 bis 1712 beschäftigte das Haus Gartow den Gerichtsaktuar Bernhard Matthias Dücker

und um 1716/17 Johann Nikolaus Fescken. 10

Um 1704/05 arbeitete der Stendaler Bürgermeister und „Syndico“ Berndis als Advokat für das

Haus Gartow. Um rechtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit den drei vorgenannten Dörfern

in der Berliner Kanzlei durchzusetzen, wurde der dortige Prokurator Christian Ludwig Stärken

vom Haus Gartow jährlich mit 20 Rtlr. besoldet.

Als 1713 der Gerichtsaktuar Christian Andreas Lüderwald und der Schreiber Conrad Dietrich Redlich

angestellt wurden, fungierte Dr. Münter nun als „Justiziarius“ des Hauses Gartow bei gleichem

Gehalt.

Bis der erste Gartower Amtmann seine Geschäfte aufnahm, haben sogenannte Gerichtsverwalter

Justizfälle bearbeitet.

Die Nachfolge von Dr. Münter trat ab 1716 der Gerichtsverwalter Johann Henrich Brüncke aus

Varel an, bis 1718 der erste Gartower Amtmann Daniel Westing aus Lüneburg dieses Amt mit

übernahm und ein Gerichtsverwalter entbehrlich wurde.

Da das Haus Gartow bis 1719 auch Rechtsprechungsangelegenheiten bei den Untertanen in den

brandenburgischen Dörfern Holtorf, Kapern und Gummern wahrnehmen mußte, war es von Vorteil

auch dort einen Interessenvertreter zu wissen. Schließlich war Brandenburg damals Ausland. Mit

der Wahrnehmung Gartower Interessen war dort der Grenzrat Berndissen aus Osterburg betraut.

Vom Haus Gartow erhielt er für seine Bemühungen eine Jahresbesoldung von 50 Rtlr.

Selbstverständlich war der Amtmann ferner verpflichtet, sich juristisch für die Belange der gräflichen

Familie einzusetzen sowie entsprechende Gutachten und Klageschriften zu verfassen. Hatte

der oberste Gerichtsherr eine juristische Bildung, durfte er selbst Recht sprechen, war aber lt.

Verordnung vom 1.8.1798 verpflichtet, „einen Geschworenen Actuarium“ zu halten.

Die Polizey (-aufsicht) im Flecken Gartow, in den Dörfern, an den Grenzen und im ganzen Gerichte

Gartow mit größter Wachsamkeit und nöthiger Strenge handhabe und so viel an ihm ist, nichts

107


unbemerkt und ungerügt lassen was der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und denen bestehenden

Polizei-Verordnungen gefährlich, nachtheilig oder entgegen seyn mag auch die Gerichtsdiener zu

Allem, was hierin ihres Amtes ist, mit Strenge anhalte… die Ausübung des Richter-Amts hingegen

wird selbigem (Amtmann) …ohne alle Einmischung des Gerichtsherrn (Graf v. Bernstorff) überlassen…Die

in meinem Gerichte eingeführten Schulzen-Tage, den ersten Dienstag in jedem Monate,

gehörig abhalte und die (Dorf-) Schulzen und Geschworene mit Nachdruck und Strenge anhalte,

dass sie ihrem geleisteten Eide gebührend nachleben…“

In die Kompetenz des Hauses Gartow fielen mehr die geringfügigen Delikte wie z.B. Beleidigung,

Diebstahl, Körperverletzung, Verstöße gegen Landesgesetz, Abpflügen von Land, Ackerschäden,

Verbote gegen Bierbrauen und Schnapsbrennen, Brandstiftung, Unfug, Lärm, Glücksspiele, Verstöße

gegen die Feuerordnung usw. Vergehen gegen bestehende Verbote und hauseigene Verordnungen

wurden generell als „Brüche“ bezeichnet. Dabei wurden vier Arten unterschieden:

01. Unzuchtbrüche (Schwängern vor der Eheschließung)

02. Gerichtsbrüche (Diebstähle, Beleidigungen, Schlägereien, Übertretung von Landesgesetzen)

03. Jagd- und Forstbrüche (Forstvorschriften, Nichteinhaltung von Jagd- und Forstvorschriften),

04. Herrendienstbrüche (Nichterscheinen zur Dienstableistung). Die dafür verhängten Geldstrafen

flossen dem Haus Gartow zu, daß damit das Gerichtspersonal finanzierte. Die Einnahmen

aus den „Gerichtsbrüchen“ wurden zu einer festen, immerwährenden Einnahmequelle.

Die als Richter fungierenden Gartower Beamten durften nach einer Verordnung („Sportuln-Taxa“)

für ihre Bemühungen Gebühren von den Auftraggebern erheben. So mußte jede Person, die

schriftlich vor Gericht zitiert wurde, 1 ggr. zahlen und für jeden protokollarischen Vorbescheid 3

ggr. Die Bekanntmachung eines Urteils kostete 6 ggr., ein Zeugenverhör ebenfalls 6 ggr. und ein

Bericht an ein Obergericht schon 1 Rtlr. Gleiche Gebühren kosteten eine Ehestiftung, Hofübertragungen

oder Testamente, sowie die Ausstellung eines Geburtsscheines und Lehnbriefes. Von

jedem Fall eines geringfügigen Vergehens („Brüche“) erhielt der Amtmann 3 ggr. Gebühren. Sehr

hoch war das „Geleite-Geld für auswärtige Huren“ mit 3 Rtlr.

Mußten der Amtmann, Amtschreiber und Aktuar einen tagesfüllenden Ortstermin abhalten, durften

sie „Diäten“ kassieren (2 Rtlr., 1 Rtlr. 8 ggr, 1 Rtlr.) War der Amtmann verhindert, durfte der

„Zweiter Beamte“ der Amtschreiber, die Rechtspflege betreiben.

Die Vögte, Förster und Nachtwächter sowie die

Kirchengeschworenen waren verpflichtet innerhalb

ihre Wirkungsbereiche auf die Einhaltung

gesetzlicher Bestimmungen zu achten. Ein großer

Teil der Anzeigen und Anklagen kam jedoch

aus der Bevölkerung selbst. Bei der damaligen

sozialen Einbindung der Menschen blieb kaum

eine Veränderung unbemerkt, sei es der plötzliche

Holzreichtum auf dem Hof aus Holzdiebstählen

oder auffällige Lebensweise.

Rechtspflege war unbedeutend. Aufgabe des

Gerichtsvogtes war es „…jährlich auf Laurenti-

Tag, wenn der Garten- und Wiesenzins fällig ist,

solchen von der Bürgerschaft beizutreiben

Gefängnisinsasse

108


und die Heudienste im Flecken Gartow bestellen, auch wenn es das Haus Gartow verlangt, die

Aufsicht über die Heuer mit übernehmen…“ 11

Nach einem Dienstvertrag von 1771 hatte der Gerichtsvogt folgende Aufgaben: „…Insonderheit

bey dem ihm anvertrauten Dienst den ganzen Tag, außer in der Mittagsstunde und wenn er in

Dienstsachen verschickt wird, vor der Gerichtstube aufwarte, dieses Zimmer so ofte es nöthig

ausfege nebst seiner und der Gerichtsdiener Frauens die Fenster und den Fußboden wasche,

den Ofen heize, das dazu erforderliche Brennholtz mit den Gerichtsdienern klein säge, haue und

auftrage … Jedermann, der vor Gericht zu erscheinen begehrt, mit Bescheidenheit ohne den geringsten

Aufenthalt anmelde …. Die Verordnungen und Patente anschlage …. daß kein Bettler,

Landstreicher oder sonstiger unbekannter schlecht gekleideter verdächtiger Mensch auf dem

Gartower Schloßhofe gehe oder sich dem Schloße nähere ….. die ihm vom Gericht zukommenden

Befehle, Schriften und Bescheide denen Parteien … zustelle …. Wenn jemand mit Gefängnis- oder

Leibesstrafe beleget und Verbrecher in gefängliche Haft genommen werden sollen, die Herbeiholung,

Inhaftierung, Schließung am Halseisen, im Block, Sprengel, Spanischen Mantel mit aller

Geschwindigkeit, Sorgfalt und Behutsamkeit ohne alle unnötige Härte …. pünktlich ausrichte …

usw“ . Der Gerichtsvogt mußte einen Diensteid ablegen .Er führte auch die Dienstaufsicht über die

Gerichtsdiener und dem Schlossnachtwächter und wirkte bei Abschiebungen von Personen und

Beschlagnahmen mit. Dem Gerichtsvogt oblag das Anschließen von Verurteilten an den Strafpfahl,

den Block oder die Anlegung des spanischen Mantels. Dafür erhielt er entsprechende Gebühren.

Der um 1751/52 tätige Gerichtsvogt Jacob Malchin Thrams brauchte seit 1750 nicht mehr zwei

Mal wöchentlich „die Postkiepe“ von Pretzetze zu holen, weil die Postkutsche nun auch Gartow

anfuhr.

Die späteren Gartower Amtmänner wurden in den Dienstinstruktionen, wie z.B. in einem Text von

1810, auf die Justizpflege hingewiesen: „….alle ihm von mir aufzutragende zur Gerichtspflege und

sonst zum Ressort derer Beamten zu Gartow in Criminal- oder sonstigen Justiz- auch Polizey-

Sachen gehörende Angelegenheiten und Geschäfte mit treuestem Eifer und Fleiß, wie es nur von

einem gutdenkenden, getreuen und geschickten Beamten erwartet werden mag, übernehme, besorge

und zu Ende bringe…“

Präziser werden die Justizaufgaben in der Dienstinstruktion von 1824 formuliert:“…In allen Civil

und Criminal-Sachen die Königlichen Verordnungen nebst denen darinnen angenommenen Gesetzen,

die Landes-Observanz und denen nicht widersprechende hiesige Gerichts-Gewohnheiten

zum Grunde seines Verfahrens lege. Auf die sich zum Inquisitorial-Verfahren qualificirende Verbrechen

ein besonders wachsames Auge habe, damit solches ins Klare gebracht und der Thäter

ausfindig gemacht werden möge...“

Folgende Gerichtsvögte haben bis 1795 dem Haus Gartow gedient:

Dietrich Schulzen (1695 - 1696), Johann Hinrich Lippold (1772/73), Johann Jürgen Weichmann

(1696 - 99), Christoph Marpurg (1699 - 1702), Claus Carstens (1704 - 1718), Johann Adam Hetzner

(1718 - 1723), Johann Hinrich Lippold (1722 - 1789), Friedrich Guhl (1723 - 1746), Jacob

Malchin Thrams (1750 - 1762), Jochim Hinrich Gotts (1762 - 1772), Joachim Heinrich Kubel (1789

- noch 1795), Johann Joachim Christian Märtens (seit 1819) und Georg Pöhler (seit 1832). Ab

1832 wurde ein zweiter Gerichtsvogt in der Person des N.N. Blanke in Trebel eingesetzt. Der ehem.

Wachtmeister und Grenzvogt N.N. Rademacher löste 1838 den Gerichtsvogt Pöhler ab.

109


Als Exekutivpersonal hielt sich das Haus Gartow jeweils einen Gerichtsvogt sowie mehrere festbesoldete

Gerichtsdiener, die sog. „Wachtschützen“, die bei Festnahmen, Pfändungen und Gefangenentransporten

fungierten. Auf den Jahrmärkten in Gartow und Trebel nahmen Vogt und

Gerichtsdiener Ordnungs- und Überwachungsaufgaben wahr. Wenn z.B. in Trebel Markttag war,

wurden durch sie ein Korporal und vier Landmilizsoldaten als Wache vom Haus Gartow angefordert

„umb die Unordnungen und Schlägereyen so daselbst bißher ofte vorgegangen, zu steuern“.

In den Jahren1696/97 gab es vier Wachtschützen:

Hans Pevestorf und Clauß Basaer aus Gartow sowie Jürgen Haße und Jürgen Grönmöller aus

Quarnstedt. 12

Die Gerichtsdiener profitierten von Gesetzesverstößen ebenfalls, indem auch sie Gerichtsgebühren

von den Tätern und vom Gericht erhielten. Dieses Geld sollte ein Ansporn zur unnachsichtigen

Strafverfolgung sein. Der Transport eines Gefangenen oder Vagabunden bis zur Grenze des Bezirks

Gartow wurde mit 6 ggr. honoriert, an Botenlohn für jede gelaufene Meile Wegstrecke 3 ggr.

gezahlt und das Kassieren des Standgeldes auf den Jahrmärkten in Gartow und Trebel brachte 1

ggr. Jede Inhaftierung wurde mit 3 ggr. belohnt und die 24 stündige Bewachung von Arrestanten

mit 4 ggr. vergütet. Todesurteile brachten für jeden Gerichtsdiener täglich 4 ggr. an Gebühren und

der Scharfrichter durfte ebenfalls Gebühren für seine Bemühungen kassieren. 13

Außer den Gerichtsdienern sind im weitesten Sinne auch der Pfandemann (Pfänder) und der Gartower

Bürgerrichter dem Justizpersonal zuzurechnen. Der Bürgerrichter hatte jedoch kein Richteramt

inne, sondern übte lediglich eine Aufsichtsfunktion aus. Nur nachrichtlich werden die Gartower

Bürgerrichter hier aufgeführt: Adam Janeke (1694 - 1699), Jochim Bohlmann (1699 - 1706), Peter

Bormann (1708 - 1711), Henrich Zesterfleth (1711 - 1715), Hans Kubel (1715 - 1720), Christoph

Harnisch (1720 - 1722), Jacob Schultzen (1722 - 1772), Friedrich Wilhelm Riechert (1762 - 1764),

Hinrich Jochim Meyer (1764 - 1766), Friedrich Wilhelm Riechert (1766 - noch 1795).

Als Exekutivpersonen des Hauses Gartow werden auch der Schloßnachtwächter

H.B. Götz und der Pfandemann Joachim Friedrich Wiech genannt.

Als Wachtschützen bzw. Gerichtsdiener fungierten:

Um 1694/95 Jürgen Schultze, der jährlich 12 Rtlr. Lohn, 15 Himten Roggen (375 kg)

und „3 Ende Landt“ erhielt; um 1709/10 Nikolaus Carstens unter der Bezeichnung „Gerichtsvoigt“.

Da er als zusätzliche Aufgabe die Post des Hauses Gartow zu Fuß von Pretzetze abholen

mußte (die Postkutsche fuhr Gartow nicht an), erhielt er jährlich ein Paar neue Stiefel, später

als Ersatz für abgenutztes Schuhwerk ein sogen. „Stiefelgeld“. Um 1709/10 waren die Wachtschützen

Hans Pewesdorf, Bastian Leip (aus Lomitz), Claus und Jürgen Gronmöller noch nicht

fest angestellt sondern wurden von Fall zu Fall eingesetzt. Die Wachtschützen erhielten Tagelohn,

weil sie „auf den 3 Gartowschen- und 2 Trebelschen Marckt Tagen mit dem Gewehr aufgewartet.“

Um 1730/31 waren der Gerichtsvogt Friedrich Guhl und die drei Wachtschützen Johann Hinrich

Höppner, Stoffer Schulte und Johann Rosenthal fest angestellt. Die Wachtschützen Johann Jürgen

Cordts, Christoph Reusch und Jochim Evers erhielten jeweils jährlich 8 Rtlr. Lohn und alle drei Jahre

eine neue, grün-rote Uniform vom Haus Gartow. Christoph Schütte, Johann Joachim Wegener,

Christoph Hinrich Meinecke (1772/73), Gottfried Ludwig Gehrke, Jacob Heinrich Michels (beide

seit 1815, 1823) . Sie verrichteten gleichzeitig Dienst als Schlossnachtwächter. Es folgten Johann

Ludwig Hildebrandt, Jacob Heinrich Michelsen (1838/39). Nach der französischen Besetzung wurde

der Begriff „Wachtschützen“ abgeschafft und generell durch den „Gerichtsdiener“ ersetzt. 14

110


Zur Unterbringung von verdächtigen und beschuldigten Personen diente ein Gefängnis, das sich

zeitweise im Torhaus neben der Wohnung des Schließvogtes auf dem Schloßplatz befand (um

1705). Später sind Kriminelle in den Keller des Schloß-Brauhauses gebracht worden. Vor dem

Schloßtor befand sich der 1723 errichtete Strafpfahl. Für die symbolische Aufrichtung des Strafpfahles

erhielten die damit betrauten Nemitzer Einwohner vom Haus Gartow eine halbe Tonne

Bier.

1750 wurde auch auf dem Prezeller Kirchhof ein Strafpfahl errichtet.

Sind Personen in das Gartower Gefängnis eingeliefert worden und blieben dort mehrere Wochen,

hat man die entstandenen Unkosten für Verpflegung und Bewachung auf alle Untertanen des Gartower

Bezirks abgewälzt. Die von der bodenbearbeitenden Bevölkerung eingezogenen „Delinquentengelder“

waren gemäß der Hofqualität gestaffelt. So zahlte ein Vollhöfner um 1730 den Betrag

von 1 Rtlr. 12 ggr., ein Viertelhöfner 9 ggr, ein Kossater 6 ggr. und ein Brinksitzer 4 ggr. 6 Pfg.

Von der Gartower Bürgerschaft wurde kein Geld erhoben, sondern sie mußte die Gefangenenbewachung

übernehmen. Der Gartower Scharfrichter war für die Reinigung der Zellen verantwortlich.

Um 1838 existierte am Torhaus des Schloßes ein Gefangenenhaus, das damals „theils zu

Gemächern für Gefangene und deren Wächter eingerichtet, auch sind noch einige Gemächer für

Gefangene massiv und mit einem Dornschen flachen Dache erbaut“ wurde.

1715 war der Scharfrichter (Nachrichter) V.W. Kannenberg für die Reinigung des Gartower Gefängnisses

zuständig. Damals war der wegen verschiedener Diebstähle inhaftierte Hans Weber aus

Trebel im Gefängnis verstorben. Nun galt es, ihn zu beerdigen. Zuvor lieferte der Tischler Johann

Hilmer Meyer einen Sarg, während seine Frau den Toten wusch und herrichtete und das Totenkleid

anlegte. Als Totengräber erscheinen Johann Jahncke und Stephan Nehle. Als Totenträger fungierten

gräfliche Vögte und Hofknechte, die dafür von der gräflichen Brauerei eine halbe Tonne Bier

erhielten.

Zu jener Zeit machten einige Bettler Bekanntschaft mit dem Gefängnis als sie auf dem Trebeler

Jahrmarkt vom Landmiliz-Corporal Hinrich Bahlcken und 6 „Ausschuß-Knechten“ aufgegriffen

wurden. Die Hälfte des Strafgeldes als Denunziantengebühr erhielten Wachtschütze Leip und der

Sohn des Gerichtsvogts Hetzner weil sie drei Fremde beim Rauchen ohne geschlossene Pfeifenkapsel

beobachtet hatten.

Kosten verursachte 1724 die 26 tägige Inhaftierung der Marie Sannecke, die „wegen verschiedener

Übelthaten und Unzucht“ festgenommen wurde. Als im April 1724 drei Tagelöhner wegen

Diebstahls in das Gefängnis mußten, fertigte der Gartower Kleinschmied Arend Barles eine neue

Kette mit Handschellen an.

Fast alle schweren kriminellen Delikte sind von auswärtigen Gerichten verhandelt worden und die

Verurteilten verbüßten ihre Strafen in auswärtigen Zuchthäusern. Ein solches Schicksal erlitt die

Ehefrau des Musketiers Christoph Paaschen, Elisabeth geb. Gehrckens im Jahre 1735. Sie hatte

aus Unachtsamkeit am 10.12.1734 in Brünkendorf eine Feuersbrunst entstehen lassen und kam

in das Zuchthaus Celle.

Als im Mai 1751 die Ehefrau des Jürgen Jathe, Marleben in der Elbe tot aufgefunden wurde, kam

der Ehemann als Verdächtiger in das Gefängnis. Wenig später ist die ledige Catharina Elisabeth

Dahrendorf aus Wirl wegen des Verdachts des Kindermordes ebenfalls in das Gefängnis einge-

111


liefert worden. Jürgen Jathe starb übrigens am 16.8.1751 im Gartower Gefängnis, vielleicht an

den Folgen der Tortur, die der Scharfrichter Christoph Schultze auch an Elisabeth Schäfer 1749

vornahm.

Gerichtsbrüche und Geldstrafen Gartower Einwohner

Sehr eindrucksvoll ist von Haberland die Hinrichtung des Pferdediebes Friedrich Ludolf Wiese aus

Nienwalde am 4.12.1772 geschildert worden. Es war die letzte Hinrichtung. Die Prozedur der Vorbereitungen

und die Hinrichtung selbst sind nach einem festgelegten Ritual unter Einbeziehung

vieler Personen vorgenommen worden. 15

Bereits zu v. Bülowschen Zeiten waren die festgesetzten Strafen für Vergehen im Rahmen der

niederen Gerichtsbarkeit eine willkommene, stets sprudelnde Einnahmequelle. Auch die Grafen v.

Bernstorff verzichteten nicht darauf, um Ordnung zu halten und Gesetzesübertretungen zu ahnden.

Einige wenige Beispiele mögen veranschaulichen, um was es früher Streit gegeben hat. Die

Vergehen sind als „Gerichtsbrüche“ bezeichnet worden:

Johann Meyer und Jochim Rönneberg aus Gartow hatten trotz Verbots im Dorfkrug von Holtorf

sonntags „gesoffen und sich dabey geschlagen“. Meyer, der die Prügelei begann, zahlte 1 Rtlr.

Strafe, Rönneberg dagegen nur 12 ggr.

Die Frau von Jürgen Henrich Röhrs aus Gartow hatte Christian Ellies übel beschimpft, als er im Auftrag

der Gemeide den Hirtenlohn einsammelte. Weil sie in ihrer Erregung ihn noch auf der Straße

„schimpfliche Worte“ nachrief, fiel die Geldstrafe mit 1 Rtlr. ziemlich hoch aus.

Johann Nikolaus Hildebrand aus Gartow beklagte sich über Jochim Ohnsorge, dessen Pferde gerade

frisch angekauftes Gras verdorben hätten. Ohnsorge zahlte 12 ggr. Strafe.

Der gräfliche Federschütze Hans Buchhorn mußte feststellen, daß der Hund vom Jochim Ellies

aus Gartow mehrmals im Wald ohne den vorgeschriebenen Knüppel am Hals angetroffen wurde.

Als Buchhorn dem Ellies eröffnete, beim nächsten Mal den Hund zu töten, drohte ihm Ellies eine

Tracht Prügel an. Ellies wurde zu 1 Rtlr. Geldstrafe verurteilt.

Schäferknecht Johann Henrich Pleße hatte im November 1709 den Sohn von Jochim Ellies scheinbar

grundlos „übel geschlagen“. Dafür mußte Pleße 18 ggr. Strafe zahlen. Johann Nicolaus Hildebrand

aus Gartow sah in seinem Gehege Pferde des Scharfrichters aus Gartow, die dort Schaden

anrichteten. Als er die Pferde kurzerhand pfändete und den Sohn des Scharfrichters zur Rede

stellte, nahm dieser ihm die Pferde weg. Der Sohn musste dafür 1 Rtlr. zahlen.

Die namentlich nicht genannte Hebamme aus Gartow beklagte sich, als sie im Hause des Bürgermeisters

gewesen ist, über den Schneiderburschen Köhne Ludwig Christian Hohnstock. Der

wohnte vorübergehend dort und geriet mit ihr „ohne alle Ursache“ in Streit, wobei er sie eine alte

Hexe nannte und auf eine Bank stieß. Hohnstock wurde zu 16 ggr. Geldstrafe verurteilt.

Henrich Ohnsorge aus Gartow versäumte den ihm aufgetragenen Wachdienst und entzog sich

erfolgreich einer Zwangseintreibung. Auch die Ehefrau von Anton Kubel hatte ein Wachvergehen

begangen. Es wurden Geldstrafen von 12 bzw. 10 ggr. verhängt.

112


Leinweber Jochim Schulte und Jochim Rönneberg aus Gartow haben am 19. Januar 1711 „fast

die gantze Nacht in Jochim Ellies Hause durch, mit Geigenspiel, auch Saufen und Carten-Spiel“

gefeiert und begannen anschließend eine Schlägerei untereinander. Ellies, der das Treiben trotz

Verbots zugelassen hatte, zahlte 2 Rtlr. Strafe, Schulte und Rönneberg zusammen 3 Rtlr.

1711: Gerichtsbrüche im Flecken Gartow

113


Jochim Ohnsorge aus Gartow hatte sich unterstanden trotz Verbots dem Schuhmacher Harnisch

an einem Sonntag vor Beendigung des Gottesdienstes ein Bier zu zapfen. Das kostete Ohnsorge

16 ggr. Strafe.

Die Einsicht in der Befolgung von einzuhaltenden Bestimmungen war in Gartow im Jahre 1715

noch nicht sonderlich ausgeprägt. Es sind etliche Strafgeldzahlungen angeordnet worden:

Wegen nicht ausgeführter Räumung des Rönnegrabens in den Hahnenbergen „beym großen

Moore“ wurde die Bürgerschaft vom Haus Gartow zu 10 Rtlr. Geldstrafe verurteilt. Da eine Pflichtverletzung

des Bürgermeisters vorlag, ist diese auf 5 Rtlr. „auf inständiges Bitten“ reduziert worden.

16

Christian Bätche wurde vom Gartower Pfandemann Andreas Gentze des nachts auf dem Schäferkamp,

seine drei Pferde dort hütend, angetroffen.

Henrich Ohnsorge hatte sich unterstanden, im Moor sein Land eigenmächtig durch Abpflügen zu

vergrößern.

Lorenz Hasse hingegen hatte in den Heidstücken unerlaubterweise Plaggen gewonnen.

Das illegale Anlegen eines Grabens an seinem Ackerkamp im Hahnenberge außerhalb der Landgrenze

brachte Jacob Jürgen Giegeler eine Strafzahlung ein.

Christian Ellies war angewiesen, einen Zaun zu errichten, was er unterließ. Als gegen ihn Zwangsmaßnahmen

eingeleitet wurden, hatte er „die allerlosesten und bösesten Worte ausgestoßen,

auch öfters bey erhaltener Execution solche Insolvencien verübet“.

Auf Anzeige des gräflichen Hofmeiers Johann Bade aus Rucksmoor mußten Johann Nicolaus

Hildebrand und Anton Kubel zugeben, auf gräflichem Land (Dannstücke) Bäume abgepflügt zu

haben. Hildebrandt wiederholte seine Tat sogar.

Hildebrand geriet wenig später mit dem Gartower Bürgerrichter in Konflikt, weil er zum Heumachen

„ein gar kleines Mädchen gesandt“. Als der Bürgerrichter dies monierte, auch pfänden wollte,

widersetzte sich Hildebrand. Seine Frau stand ihm bei und nannte den Bürgerrichter „einen

alten Umbringer“.

Henrich Ohnsorge richtete mit seinen Pferden im Gerstenfeld des Scharfrichters Kannenberg

Schaden an.

Christian Bätche wurde überführt „daß er vor des Bürgermeisters Hildebrandt Thür besoffen, eine

Forke in der Hand habend, gekommen und mit Ungestüm verlanget herauszukommen“. Hildebrandt

sollte nach Meinung Bätches die Pferde der Bürger auf den Schäferkamp treiben, der

jedoch dem Hause Gartow gehörte.

Selbst der Bürgermeister Adam Christian Hildebrandt nahm es nicht so genau. Der Pfandemann

traf ihn in den Hahnenbergen während der Eichelmast mit seinen sechs Pferden an. Die Pferde

wurden zeitweilig in Gewahrsam genommen.

Ebenfalls nachts hütete Henrich Bormann seine Pferde in der Weddewiese, wo Pfandemann Gentz

ihn aufspürte. Das gleiche tat Anton Kubel dort, ferner Lorenz Hasse, Jochim Ohnsorges Witwe,

114


Jochim Ellies, Friedrich Kaulitz, Jochim Mauchel und Henrich Ohnsorge. Pfandemann Gentz pfändete

allesamt deren Pferde.

Hans Kubel beschwerte sich über den Tischler Johann Hilmer Meyer, der bei Kubel auszog und

einen Teil der Miete schuldig blieb. Kubel pfändete daher einen Kessel von Meyer, der dem Wert

der Schuld in etwa entsprach. Daraufhin nahm Meyer wiederum einen Kessel von Kubel mit und

„hat dabey sehr geschimpfet“.

Die Ausschußknechte (Milizionäre) Günter Hildebrand, Jochim Bollmann und Henrich Ellies haben

abends vor dem Haus des Scharfrichters Kannenberg in Nähe seiner Haustür „mit ihrem Gewehr

gefährlich geschoßen, auch allerhand Muthwillen verübet“.

Jacob Jürgen Giegeler wurde bestraft, weil er Johann Jochim Möller geschlagen hatte.

Wegen nicht geleistetem Grabenräumen beim Schäferkamp und Nichterscheinen beim Gericht

deswegen, erhielten Jacob Werner Hennings, Henrich Ohnsorge und Christian Ellies Geldstrafen.

Dann verfiel die gesamte Gartower Bürgerschaft in Kollektiv-Geldstrafe, da sie für ihre Gänseherde

entgegen einer bestehenden Landesverordnung keinen Hirten angestellt hatte.

Margarethe Baßar verweigerte den obligatorischen Heudienst und widersetzte sich der Pfändung

durch den Bürgerrichter.

Auch Johann Hilmer Meyer weigerte sich zum Heudienst, schickte auch keinen Ersatz. Als der Bürgerrichter

Hans Kubel eine Pfändung vornehmen wollte, „fiel er dem Bürgerrichter in die Haare“.

Als die Ehefrau von Meyer sich ebenfalls wehrte, stieß er sie zu Boden. Nun wurde auch Kubel

bestraft.

Anne Margarethe Schultze, Tochter des Jacob Sch., beleidigte Anne Margarethe Vollenschar, sie

sei „eine Ehebrecherin und allgemeine Hure“.

Wieder einmal traf Pfandemann Gentz nachts Jemanden mit seinen Pferden im Haferfeld auf dem

Schäferkamp an, es war Friedrich Kaulitz. Tagsüber schädigten dort die Gänse von Johann Hasse

und Hans Zincke den Hafer.

In Strafe verfielen mehrere Gartower Bürger, weil sie bei zu leistendem Deichdienst zur Schonung

ihrer Pferde die Seitenbretter ungenügend hoch anordneten „und also damit wenig schaffen und

ausrichten können“. 17

Drastisch durchgegriffen wurde ferner 1725, als die Dorfschulzen Levin Bahlken und Hanß Jürgen

Lange aus Holtorf als Zeugen vom Haus Gartow vorgeladen worden sind. Sie mußten mit ansehen

„wie denen Caperschen die zu kurtz befundenen Mist-Wagen, die sie auf den Hofe-Dienst

gebracht, entzwey gehauen worden“. 18

Im November 1725 war Anne Elisabeth Mecklenburg vom damaligen Gerichtsvogt Friedrich Guhl

in Gartow an den Strafpfahl angeschlossen worden, weil sie Gänse und Hühner gestohlen hatte.

Kleinschmied Arend Barles erhielt in jener Zeit den Auftrag, neue Fuß- und Handschellen für die

Ankettung im Gefängnis herzustellen. 19

115


Die Strafpfähle in Gartow und Trebel (vermutlich vor den Kirchen) sind erst im August 1725 aufgerichtet

worden.

Im Juli 1814 weigerten sich die Gartower Häuslinge, zu denen Schlosser Waldow, Schneider Wiese,

Seiler Schrader, Schuster Kayser, Nagelschmied Thiede, Töpfer Schulze, Schuster Riefe, Schuster

Jürgen Heinr. Maaß, Drechsler Hennings, Zimmergeselle Gassel, Zimmermeister Bahlke, Schneider

Sterling, Schneider Hildebrandt, Zimmergeselle Maack, Schutzjude Hirsch, Maurergeselle

Gödecke, Tagelöhner Roost, Schuster Gehrke, Böttcher Wolff, Schneider Frahm und Einwohner

Hasse gehörten, den obligatorischen Heudienst für das Haus Gartow zu leisten. Dieser wurde ein

Mal wöchentlich fällig. Nicht geweigert hatten sich dagegen die Gartower Bürgerstelleninhaber.

Bevor die französische Verfassung in Kraft trat, haben die Gartower Häuslinge den Heudienst

abgeleistet, jedoch in den Jahren 1811 - 1813 nicht mehr. Darüber war es zur Klage gekommen

und der Gutsverwalter Bade war vom Grafen beauftragt worden, diesen im anhängigen Prozeß

zu vertreten. Archivar Cleves, ebenfalls vom Grafen mit der einstweiligen Wahrnehmung seiner

Geschäfte betraut, hatte unachtsamerweise gegenüber den Häuslingen geäußert, sie seien dazu

– wohl nur in der Franzosenzeit – nicht verbunden, weiterhin Heudienst zu leisten. Als dann wieder

die früheren Verhältnisse eintraten und die Franzosen abgezogen waren, bestand Bade auf

Fortführung dieser Dienstleistung.

Die Gartower Häuslinge nahmen 1814 zu ihrem Rechtsbeistand den Celler Prokurator Reinking,

der ihre Interessen vor der dortigen Justizkanzlei vertrat. Es gab deren 23 verheiratete und 9 ledige,

die in Gartow lediglich zur Miete wohnten, also kein Bürgerrecht besaßen. Verheiratete Häuslinge

leisteten ein Mal wöchentlich den Heudienst, ledige alle 14 Tage. Wegen des ausgedehnten

Ländereibesitzes des Grafen wurde dieser Heudienst den Häuslingen zusehends schwerer. Sie

argumentierten vor Gericht, mit der Zahlung von 1 Rtlr. Dienstgeld und 1 Rtlr. Schutzgeld im Jahr

seien ihre Verpflichtungen abgegolten.

Der verstorbene Graf Joachim Bechtold v. Bernstorff war damals in Gartow beliebt, wie Anwalt

Reinking mitteilte: „…war gegen alle Leuthe unseres Standes ausserordentlich mildthätig, jeder

wandte sich im Fall der Noth an Hochdenselben und er blieb nie ungehört …“ Daher hätten sich

die Häuslinge verpflichtet gefühlt, also aus Dankbarkeit, den Heudienst zu verrichten. Als aber der

Sohn des Grafen die Dienstleistung abforderte, gab es Widerstand. Der Graf scheiterte dann vor

Gericht, die Häuslinge blieben vom Heudienst künftig verschont. 20

Im Jahr 1819 beschwerte sich der Amtsschreiber über die unverhältnismäßige Arbeitslast mit der

Eintreibung von Strafgeldern: „…ich klagte nun dem Herrn Amtmann, daß ich mit der Einforderung

der Bruchgelder eine ungeheure Last habe, daß so sehr viel Zeit zwischen dem Vergehen der

zu Bruch geschriebenen Leute und der Einforderung der Bruchgelder verfließe. Die Leute hätten

dann ihr Vergehen oft schon vergessen oder weil ähnliche Strafen öfter vorkämen, so glaubten sie

oft, die Strafe schon einmal bezahlt zu haben. Dann würden die Leute gegen ihre Überzeugung zur

Entrichtung der Strafgelder gezwungen und ihr Widerspruch grenze fast an Empörung…“

Im „Bruchregister“ von 1825/26 erscheinen einige strafwürdige Delikte, die die Gerichtsverwaltung

zu verfolgen und zu bestrafen hatte:

In Kapern traf es Anne Marie Balzer, wegen Unzucht zu 5 Rtlr. Strafe verurteilt, ebenso Dorothee

Elisabeth Eggert und Catharine Margarethe Porath, beide aus Holtorf wegen gleichen Delikts. Als

Schwängerer der A.M. Balzer war Joachim Christian Järnke aus Holtorf angegeben, der gemäß

116


den Bestimmungen die doppelte Geldstrafe, nämlich 11 Rtlr., zu zahlen hatte. Ebenfalls wegen

Unzucht war Marie Elisabeth Gührs aus Pevestorf verurteilt wie ferner Catharine Dorothee Griebke

aus Trebel.

Rademacher Reinhard aus Trebel beschuldigte zu Unrecht die Ehefrau von Johann Christoph Leip

des Diebstahls, die Strafe mit 13 ggr. fiel eher moderat aus.

In Lomitz war es Catharine Sophie Beußel, die wegen Unzucht in Geldstrafe verfiel, ebenso der

Schwängerer Knecht Michael Voß. Hauswirt Beußel aus Lomitz wurde bestraft, weil er im Dorfkrug

den Einwohner Belitz aus Lanze „angegriffen und gestoßen“ hatte.

Auch Prezelle erscheint im Bruchregister:

Henriette Marie Elisabeth Philippi mußte mit dem Makel der Unzuchtsbeschuldigung leben und

der Gastwirt Lämmerhard hatte sich vergessen, weil er die dortigen Einwohner Bade und Roosch

schlug. Mit dabei war dessen Ehefrau, die beim Tumult gegen den Prezeller Dorfschulzen Jürgen

Schulze unanständige Äußerungen vorbrachte. Catharine Elisabeth Stödter aus Tobringen und

Margarethe Elisabeth Fährmann aus Klautze waren der Unzucht angeklagt.

Ein anderes Delikt beging Hauswirt Peters aus Nemitz:

Er wagte es, auswärtigen Branntwein in das Gartower Gebiet einzuschmuggeln. Johann Joachim

Heinrich Flügge aus Nemitz dagegen wurde bestraft, da er die Ehefrau von Peters unrechtmäßig

des Diebstahls beschuldigte. In Vietze schließlich wurde die Ehefrau von Christoph Steiling mit

einer Geldstrafe belegt, weil sie die Ehefrau des Einwohners Dietrich beleidigt hatte.

Wegen Einführung fremden (Lüchower) Branntweines sind 1826/27 Hauswirt Grützmacher aus

Klautze, Kauwatz aus Tobringen und Heinrich Fabel aus Lomitz mit Geldstrafen belegt worden.

Im Januar 1827 ist der Stadtrichter Bräunlich in Lenzen von Gartow aus informiert worden, gegen

Anne Catharine Meier aus Gartow, die offensichtlich nach dorthin gewechselt war, die Zwangseintreibung

einer gegen sie verhängten Geldstrafe durchzuführen. Eine ähnliche Nachricht erhielt

das Kreisgericht in Seehausen, weil der ebenfalls nach dorthin verzogene Jürgen Friedrich Gehrke

aus Nienwalde belangt werden sollte. Gehrke war mit 11 Rtlr. säumig, Meier mit 5 Rtlr. Die Strafe

für Gehrke war entstanden, weil er vor der Ehe Ilsabe Catharine Roost aus Gartow geschwängert

hatte. Da er ausgewichen war, wurde überlegt, ob man seine Abfindung pfänden sollte, die er von

der elterlichen Kossaterstelle zu erwarten hatte.

1827/28 wurde Joachim Heinrich Beußel aus Nienwalde beschuldigt, Anne Marie Kruse aus Kapern

vorehelich geschwängert zu haben. Er zahlte die verhängte Geldstrafe nicht sondern gab

an, sein Bruder Peter Heinrich sei der Täter gewesen. Der jedoch weilte bereits im benachbarten

Preußen.

Gleich zwei Schwängerer aus Lüchow stammend, Brauknecht Carl Martin und Schlosser Johann

Friedrich Franz Bendfeld, waren beim Gericht Gartow angeklagt. Ersterer hatte mit Anne Marie

Magdalene Friderike Giegeler aus Gartow Unzucht getrieben, Letzterer mit Dorothee Elisabeth

Henriette Wendt aus Meetschow.

In der Zeit 1828/29 mehrte sich der Alkohol-Schmuggel wegen illegalen Einführens von Lüchower

Bier und Branntwein. Es waren hierbei aufgefallen: Märtens aus Trebel, Witwe Bohlmann von

117


daher, Albrecht aus Marleben sowie der dortige Dorfschulze Hahlbohm, Gauster aus Lomitz, J.J.

Schulz und Riekhof aus Nemitz, Flügge aus Gorleben, Müller Wiegrefe aus Tobringen und Kraak

aus Marleben, welche beide Produkte vom Brauer Steding aus Lüchow bezogen hatten.

Die ausgedehnten Waldungen, mehrheitlich im Besitz des Grafen von Bernstorff, weckten auch

Begehrlichkeiten bei den Einwohnern Gartows. Sie stahlen Holz und wurden dabei erwischt: am

12. März 1844, Schuster Riege, der eine Kiefer entwendete sowie drei Tage später Bürger Albrecht

wegen des gleichen Delikts. Ebenfalls im März 1844 wurde Gastwirt Spohn gemeldet, sein

„Vergehen“ im wahrsten Sinne des Wortes: „Benutzung eines unerlaubten Weges“. Er zahlte 12

ggr. Strafe.

Am 8. Juni 1844 traf es die Ehefrau des Tischlers Lichtenberg, weil sie unerlaubt Weidenbusch

verbrannte. Mit 1 Rtlr. war die Geldstrafe recht hoch. Ludwig Montag, Knecht bei Spohn war bei

der Entwendung von 8 Latten angetroffen worden. Er zahlte die eigentlich festgesetzte Geldstrafe

von 3 Rtlr. 18 ggr. jedoch nicht. Darauf deutet der Hinweis:“Cessat“. Am 6. Januar 1845 wurde

Bürger Giese wegen Sandentwendung zu 8 ggr. Strafe verurteilt. Mit 2 Rtlr. 16 ggr. Geldstrafe

geahndet wurde im März 1845 der Diebstahl einer Kiefer durch Wilhelm Albrecht, nur 4 ggr.

Strafe zahlten Tagelöhner Christoph Schaal und Nagelschmiedgeselle Klug, die beide jeweils eine

Birke gestohlen hatten. Im November 1845 schien es recht kalt gewesen zu sein, da mehrere

Diebstähle angezeigt worden sind: Caroline Mengeler wegen Entwendung von Zaunbusch (16 ggr.

Strafe), Kinder des Tagelöhners Schaal aus den Hahnenbergen wegen Diebstahl von Leseholz

(2 ggr.), desgleichen auch die Witwe Hamann (4 ggr.), Ehefrau des Maurergesellen Christoph Gerber

(4 ggr.) und die ledige Sophie Hildebrandt (4 ggr.). Mit einer Strafe von 12 ggr. hat der Bürger

Leip seine gestohlenen drei Kiefern büssen müssen. Sattler Spohn „und Consorten“ zahlten 16

ggr. Strafe für die Entwendung von zwei Kiefern am 3. März 1846. Ebenfalls wegen unerlaubter

Entnahme von Leseholz wurden im Oktober 1846 die Ehefrau des Tagelöhners Bohlmann, des

Maurers Christoph Gerber und die Witwe Maak zu Geldstrafen verurteilt.

Wofür im Dezember 1846 der Gartower Haussohn Heinrich Meyer 12 ggr. zahlen mußte, ist dem

knappen Vermerk: „Ordnungsstrafe“ nicht zu entnehmen. Auch das Gänseweiden war strafbar,

das mußten Bürger Leip und Tischler Lichtenberg im August 1847 erfahren, sie zahlten 7 ggr.

, Leip ist im Juli 1848 erneut dabei betroffen worden, bzw. 8 ggr. 2 Pfg. Strafe. Im Oktober desselben

Jahres ist die Ehefrau des Tischlermeisters Hoop senior beim Eichelnsammeln betroffen

worden. Strafe: 8 ggr. Am 19. Juni 1848 zahlte Uhrmacher Leip wegen „Gehen eines verbotenen

Weges“ 4 ggr. Strafe, dazu 2 ggr. Gerichtsgebühren und 2 ggr. Vorladungsgebühren. Im Dezember

1848 traf es Tagelöhner Mummelthey, der Heidekraut und Moos entwendet hatte, sowie den

Bürger Friedrich Hildebrandt, der ohne Erlaubnis Plaggen gewann. Bei Mummelthey, der 1 Rtlr. 12

ggr. Strafe zu zahlen hatte, wurde der Vermerk „arm“ statt des Bezahltzeichens „ddt“ angebracht.

Im November 1849 wurde Bürger Mengeler vom gräflichen Jäger August Krüger ebenfalls wegen

Plaggenentwendung angezeigt, dieser zahlte 1 Rtlr. 12 ggr. Strafe.

Wie gewissenhaft die Geisteshaltung bei Strafen damals gewesen ist, zeigt das Beispiel vom Juni

1850:

Der verstorbene Gerichtsvogt Rademacher aus Gartow, der ja beispielhaft zu wirken hatte, blieb

2 Rtlr. 4 ggr. Gerichtsgebühren schuldig. Seine Erben beeilten sich, diese Schuld sofort zu begleichen.

21

118


Quellen und Literatur

1. Krieg, Martin: „Die Entstehung und Entwicklung der Amtsbezirke im ehemaligen Fürstentum

Lüneburg“, Göttingen 1922, S. 72 - 73

2. Krieg, Martin: a.a.o., S. 73

3. Manecke, U.F.C.: „Topographisch-historische Beschreibungen der Städte, Ämter und

adeligen Gerichte im Fürstentum Lüneburg …“, Celle 1858, 2. Bd., S. 165 - 181 sowie in:

Heimatbote Gartow, Januar - Mai 1937

4. Kröger, Hans-Helmut: „Wesen und Entstehung der Geschlossenen Adelsgerichte in Braunschweig-Lüneburg“,

Prüfungsarbeit zum Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien,

Hamburg April 1963, S. 43 - 75

5. Verordnung, die Bezirke der unteren Verwaltungsbehörden betr. vom 27.3.1859, Gesetz,

betr. verschiedene Abänderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 31.3.1859,

Verordnung, die Bildung der Gerichte betr. vom 31.3.1859, Bekanntmachung des Königl.

Justiz-Ministeriums betr. die Ausführung der Gesetze über die Gerichtsverfassung vom

8.11.1850 und vom 31.3.1859 vom 8.4.1859

6. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 215 - 217

7. Haberland, Rudolf: a.a.0., S. 217 - 218

8. G 8 Nr. 34 „Acta, Verlegung des Amtsgerichtes nach Gartow 1892“

9. GR 1710/11, S...

10. GR 1715/16 S. 534 - 536

11. D 7 Nr. 3 „Annehmung Gartower Gerichtsvoigte 1771“

12. GR 1696/97, S. 266

13. Angaben von 1787

14. D 7 Nr. 1 „Des Gartowischen Amtmannes Bestallungen, wobei auch eines Fürstlichen Amtmanns

und Amtschreibers Eid“

15. R. Haberland: „Der Stab ist gebrochen. Die letzte Hinrichtung im adeligen Gericht Gartow im

Jahre 1772“ in: Das Jeetzelschiff Nr. 6 vom 9.5.1951

16. GR 1702/03, S. 662

17. GR 1715/16, S. 224 - 232

18. GR 1725/26, S. 419

19. GR 1725/26, S. 416 - 417

20. P 45, Acta in Sachen des Herrn Cammerherrn Grafen v. Bernstorff modo Verwalter

Bade, Kläger wider die Häuslinge Waldow und Consorten, Beklagten in pto. Heudienstes

1814/15“

21. Ungeordnete Papiere „Verzeichnisse der erkannten Forstwrogen-Sachen“

119


Forst und Landwirtschaft

Gartower Wald

Die Holzwirtschaft gab zahlreichen Personen Arbeit. So ist für den Forstbetrieb von Bernstorff

bekannt, daß 1896 insgesamt 125 festbesoldete Arbeitskräfte (davon 49 Forstarbeiter und 15

Arbeiter) tätig waren. Im Mai 1953 arbeiteten 57 Personen nur allein im gräflichen Forstbetrieb:

42 Waldarbeiter, 9 Leute forstliches Außenpersonal, 1 Treckerfahrer und 5 Gespannführer. Waldarbeiter

gibt es inzwischen schon lange nicht mehr, bewirtschaftet wird der gräfliche Forstanteil

heute von Andreas Graf v. Bernstorff und seinen Förstern Ralf Abbass und Ulrich v. Mirbach.

Übrigens hat es 1812 in den Hahnenbergen, Heidstücken und im Helk noch 300 - 400 Jahre

alte Eichen gegeben. Seitens des Hauses Gartow sind Forstkulturarbeiten vorgenommen worden.

Der als Mastwald dienende Holzbestand in den Hahnenbergen war um 1703 „alt und in einem

schlechten Zustand“. Zur Neukultivierung wurde ein umzäunter Kamp angelegt, die Fläche mit

Ochsengespannen gepflügt und „Saateicheln“ gepflanzt. Sie stammten aus dem Elbholz und aus

Pölitz. Der neu eingerichtete Kamp ist jedoch 1704/5 von Wildschweinen zerstört worden, so dass

eine Neuherrichtung erforderlich wurde.

1711: Einnahmen aus der Forst „für Mast“ aus dem Elbholz, Hahnenbergen und Gedelitzer Holz

120


Das Haus Gartow verfügte über 24000 Morgen Waldfläche und war Privatbesitz aber aufgrund

früherer Rezesse hatten einige umliegende Gemeinden in bestimmten Forstdistrikten Weiderechte.

Sie waren einer geregelten Forstkultur abträglich, zumal immer mehr Vieh eingetrieben wurde.

Diese Berechtigung wurde „Weide-Servitut“ genannt. Ihre Inhaber waren die Dorfschaften Lomitz,

Prezelle, Meetschow und der Flecken Gartow.

Außerordentlich schädlich war die starke Entnahme von Waldoberboden (Plaggenhieb), der als

Stallstreu bzw. Dünger von den Landwirtschaft treibenden Gartower Bürgern seit eh und je verwendet

wurde. Das Gewinnen von Plaggen war den Gartower Bürgern auf der Raumenheide (Blößen

westlich des sogen. Harpeschen Weges) auf 1708 Morgen Fläche gestattet. Nach dem Stand

von 1812 durfte die Gartower Bürgerschaft auch Mithüterechte in folgenden gräflichen Forstrevieren

ausüben:

In der Raumenheide, einschließlich Falkenmoor und Heidstücke, Hahnenbergen, Umschwang,

Helk, Brudersteig, Heideriethe und Seerich.

Das waren zusammen 3082 Morgen Fläche, davon 243 Morgen Moor- und Bruchland, bestanden

mit Erlen und Birken. Hinzu kamen rd. 270 Morgen baumloser Waldboden, der wegen Überschwemmungen

unkultiviert blieb. Diese Fläche lag direkt bei Gartow und ist viele Jahrzehnte

außerordentlich stark beweidet worden. Der Waldboden konnte sich daher kaum noch regenerieren.

Hinzu kamen andere Eingriffe in den Waldbesitz des Grafen. Um diese Unregelmäßigkeiten

abzustellen, klagte der Graf mehrmals vergeblich – das Recht der Gartower ist von den Gerichten

stets anerkennt worden. Der Graf klagte deshalb: „…In den letzten 5 Jahren aber haben sich diese

Anmaßungen durch den jetzt überall in der Welt um sich greifenden Geist der Unzufriedenheit auf

das Äußerste gesteigert und bin ich als der jetzige Besitzer von Gartow wiederum mit dieser Bürgerschaft

in die ausstehendsten Rechtsstreitigkeiten verwickelt…“ Die Gartower Bürgerschaft vermeinte

außerdem noch, weitere Rechte geltend machen zu können, wie z.B. Sand- und Lehmgewinnung.

Ferner dehnten die Berechtigten ihr vermeintliches Recht über die alten Grenzen hinaus

aus. Graf von Bernstorff behauptete, er könne etwa 5000 Morgen deshalb nicht forstlich nutzen.

In der französischen Besatzungszeit (1803 - 13) begehrten Gartow, Meetschow, Holtorf, Kapern,

Marleben, Klautze, Lomitz und Prezelle noch weitergehende Waldbenutzungsbefugnisse. Das

empörte Graf von Bernstorff so sehr, daß er seinerseits die Ortschaften 1812 wegen „Besitzstörung“

verklagte. Dagegen wehrten sich die Ortschaften. Wortführer der Gartower Bürgerschaft

war Schmiedemeister Ernst Heinrich Andreas Schönberg. Ihm war es eine Genugtuung, daß das

Gartower „Friedensgericht“ gegen Graf von Bernstorff entschied und ihn zur Tragung der Gerichtskosten

verurteilte.

Es wurde versucht, die Gartower Bürgerschaft mit einer einmaligen Geldzahlung zum Verzicht zu

bewegen aber vergebens. Als jedoch die Zeit kam, wo es zwischen Bürgerschaft und dem Grafen

ein besseres Verhältnis gab, keimte wieder Hoffnung auf, das Recht gegen Geldzahlung zu eleminieren.

Die Prozeßführung muß kontinuierlich stattgefunden haben, denn der Graf wunderte sich,

daß 14 Monate vergangen waren, ohne daß seitens der Gartower Bürgerschaft etwas Gerichtliches

vorfiel. Die Querelen waren so stark geworden, daß Graf von Bernstorff im Jahre 1814 gemäß

eines Gutachtens von Oberförster Schröter bereit war, der Bürgerschaft Gartow rd. 660 Morgen

Waldfläche zu Eigentum zu übertragen. Durch gezielte Aufforstung gelang es dem Grafen, das von

der Bürgerschaft genutzte Areal auf 550 - 560 Morgen. einzuschränken. Später erneuerte der

121


Graf das Angebot von 1814, also den Verkauf dieser eben genannten Fläche an die Bürgerschaft

jedoch mit der Ausnahme den Forstort „Umschwang“ behalten zu wollen. Auch der Graf selbst

hatte eigentümlicherweise ein Weiderecht über die Bürgerschaft, weil ihm in Gartow 10 Bürgerstellen

gehörten.

Als Graf von Bernstorff 1814 vergeblich der Bürgerschaft ein Angebot gemacht hatte, berichtete er

noch in Wallung an den Oberförster Schröter: „Bei Leuten, wie die Gartower Bürger, kommt es gar

nicht darauf an, ob man ihnen 100 Morgen mehr oder weniger bietet! Der Geist des Widerspruchs

allein regiert in ihnen und so sind sie von jeher gewesen! Lügen und Unsinn kosten ihnen nichts …“

Nach dieser Zurückweisung wurde mit der gezielten Aufforstung der strittigen Waldweideflächen

begonnen. Um 1814 hatte Graf von Bernstorff nach verlorenem Prozeß einen Teil seines Forstes

Hahnenbergen den Gartower Bürgern überlassen müssen.

1832 durften die Gartower Bürger 9 Pferde, 150 Stück Hornvieh, 60 Schweine und 300 Gänse in

die Waldweide treiben. Dazu kam noch Quarnstedt mit 30 Stück Hornvieh. Das Mitweiderecht in

den Hahnenbergen, im Helk und auf dem Serich bestand schon seit 1595 zugunsten der Gartower

Bürgerschaft. Im Jahre 1847 zeichnete sich endlich eine Einigung ab. Bis der entsprechende

Rezeß abgeschlossen werden konnte, war das Datum vom 25.3.1848 erreicht. Der Graf zahlte

an die Bürgerschaft 1800 Rtlr. und übte Verzicht auf etliche vorherige Rechte, die Bürgerschaft

entsagte ihren bisherigen Berechtigungen. Umgekehrt zahlte die Bürgerschaft dem Grafen eine

Summe von 2900 Rtlr. für den Rückerhalt von drei vollen und einer halben Bürgerstelle in Gartow,

die bisher dem Grafen gehörten. Der Rezeß wurde jedoch erst mit dem 1.1.1852 wirksam. 1

Heute dient der Gartower Forst als Holzlieferant aber auch als Jagdrevier und zur Naherholung.

Der Forstgutsbezirk Gartow ist Gemeindefreies Gebiet, wobei die Siedlungen Rondel, Falkenmoor

und Rucksmoor zur Gemeinde Gartow und Wirl zur Gemeinde Prezelle gehören.

Forsthaus Falkenmoor, Zeichnung von A. Scholz

122


Anschaulich schildert der damalige Förster Karl Junack einen Spaziergang durch den Gartower

Forst:

„Der Wald umfängt uns sofort, wenn wir bei Herbsten Vater (Anm.: Sägewerk Herbst) gleich rechts

in den alten Trebeler Weg einbiegen. Zunächst sind wir im Gartower Gemeindewald, den Gartow einer

Weideablösung aus dem Gartower Gutswalde in der Mitte des vorigen Jahrhunderts verdankt.

Die ältesten Bestände die jetzt nahezu 100 Jahre alt sind, stammen noch aus der gräflichen Zeit

und alle fünf Jahre gibt die Aufsichtsbehörde einen Teil zum Abhieb frei, dessen Erlös dann den

Gartower Bürgern die Steuern erleichtert. Wißt Ihr noch, wie der in der Inflation gemachte Schlag

in natura verteilt wurde? Mit dem Papiergeld wußte man damals ja nichts anzufangen; aber auch

die gefällten Bäume waren ein sehr unbequemes Zahlungsmittel und wir wollen doch dankbar

sein, daß wir uns jetzt wieder auf unser Geld einigermaßen verlassen können, wenn es auch noch

immer nur schlechtes Papier und kein Gold ist und wir alle wenig davon haben.

Aber fort die Geldsorgen, wir sind jetzt schon mitten im Walde angelangt und wollen die Augen aufmachen.

Bitte hier, nur fünf Schritte ab vom Weg links in den Bestand hinein. Wir stehen gleich vor

einer unserer größten botanischen Seltenheiten, die an dieser einen Stelle noch in einer größeren

Anzahl und schöner Ausbildung vorkommt und die ich hier seit mehr als 30 Jahren kenne, unseren

lieben Königsfarn. Wir gehen auf dem alten Trebeler Weg zurück und haben nun rechter Hand ein

Kiefernstangenholz, das die Gemeinde Gartow der Waldpflege des Bürgermeisters Könecke verdankt.

Man spricht nicht gern von diesem früheren Bürgermeister, aber den Wald hat er doch lieb

gehabt und hier hat er etwas Gutes geschaffen, was für die späteren Geschlechter heranwächst

und schon jetzt Wasenhaufen (Anm.: Stack- bzw. Buhnenbauholz) und Klumpholz gegeben hat

und gibt. Groß ist der ganze Gemeindewald nicht und bald stehen wir an der Grenze des Gutswaldes.

Wir erkennen die Grenze nicht nur an dem Grenzgraben, der sich rechts und links in gerader

Linie hinzieht, sondern noch an der reicheren Waldflora. Die Gutskiefern sind mit Fichten gemischt

und wenn wir genauer hinsehen, so entdecken wir zu unserem Erstaunen links zwischen jungen

gepflanzten Fichten wild umherstehend Tannen, richtige Edeltannen….“ 2

Quarnstedt

Quarnstedt, um 1695 ein eigenständiges Dorf, wurde durch kluge Aufkaufpolitik der v. Bernstorff

systematisch zur Gutssiedlung und kam so in den Besitz der Familie. Die Siedlung Quarnstedt war

von der Entrichtung der allgemeinen Kriegssteuerzahlung befreit. Der Grund lag in Gorleben. Der

Ort war einst Adelsitz, aber schon lange verlassen worden. Im Laufe der Zeit haben die dortigen

Fischer und Kossater das ehemalige adelige Land für sich übernommen. Da es zuvor frei von

Kriegssteuerbelastung war, nun aber von Gorlebenern bewirtschaftetet wurde, ist es kriegssteuerpflichtig

geworden. Nach einer Untersuchung wurde vereinbart, daß die Gorlebener Ländereien

künftig steuerpflichtig werden sollten.

Die Landesherrschaft kompensierte das mit der Steuerfreiheit für Quarnstedt, um dem Haus

Gartow entgegen zu kommen. Trotz der Steuerfreiheit zahlten die Quarnstedter Hofinhaber als

„Miether“ für die Hofstelle und Länderei an das Haus Gartow Pachtgeld. 1696/97 waren dies 14

Hauswirte, wobei Claus Haße, Hanß Sandke und Henrich Könning mehr als die Übrigen zahlten. 3

Zur Abrundung des Quarnstedter Besitzes hatte das Haus Gartow 1702 einen Tausch vorgenommen.

Die Hofstelle und die dazu gehörigen Ländereien von Peter Bormann aus Quarnstedt gingen

in das Eigentum des Hauses Gartow über. Dafür erhielt Bormann in Gartow die wüste halbe Bürgerstelle

Jochim Maatsch ohne Gebäude (da nicht vorhanden) aber mit einem halben Baumgarten,

einen Garten sowie einem zweiten hinter dem Frauen-Berge und zwei Stück Ackerland. Die

Witwe von Jochim Maatsch, Elisabeth, erhielt für die wüste Halbbürgerstelle 38 Rtlr. 4

123


In Quarnstedt entstanden für gräfliche Bedienstete nach und nach Tagelöhnerhäuser, die als Deputathäuser

bezeichnet wurden. Im Jahre 1725 wurde das sechste davon fertiggestellt, zuletzt

gab es deren zwölf.

1711: „ Einnahmen aus verpachteten

Stücken“: Das Dorf Quarnstedt

Um 1773: Teil der Feldmark Gartow gezeichnet von

H. Breckenfelder

1724: Gartow und Quarnstedt

124


Vorwerk Gartow

Das gräflich v. Bernstorffsche Vorwerk gehört zwar nicht zur Ortskernbebauung aber die Zugehörigkeit

des Schlosskomplexes zur Ortslage ist unbestritten.

Das Vorwerk befand sich 1694 unmittelbar in Schloßnähe, zwischen Schloß und Kirche und war

wie alle Werte in der v. Bülowschen Zeit, in drei Teile aufgegliedert: ein Teil gehörte Cord v. Bülow,

ein anderer Teil dem Major v. Schacht und der dritte Teil dem Junker v. Schacht.

Die baufälligen Gebäude sind nach und nach abgebrochen oder translociert worden. Um die Viehzucht

wieder voranzubringen, erfolgte ab 1698 schrittweise der Neubau von Vorwerksgebäuden,

nachdem die hinderlichen Wassergräben rund um das Schloß verfüllt werden konnten.

Zunächst aber mußte Bauholz in großer Menge besorgt werden, einiges stammte aus dem Elbholz.

Der brandenburgische Heidereiter Peter Weichard aus Zietzow organisierte den Kauf von

110 Tannenhölzern aus dem Brandenburgischen sowie den Bezug von 22000 Mauersteinen aus

der Ziegelei Pollitz.

In den Jahren 1698/99 erfolgte mit einem Kostenaufwand von 1887 Rtlr. der Vorwerksneubau.

Das Gebäude enthielt Viehställe, Molkenstube, Wohnräume und war mit Stroh gedeckt. Die Maurerarbeiten

führten Michel Eckner aus Lenzen und Jochim Hinrich Brandenburg aus Uelzen durch.

Die Untertanen leisteten im Rahmen der Burgfestdienste Hilfe mit Hand und Spann.

1700/01 entwickelte sich eine rege Bautätigkeit. Zunächst ist eine Scheune aufgebaut worden, in

der Korn gelagert werden sollte. Um das Bauholz einzukaufen, reiste der Gartower Zimmermeister

Carsten Witthöfft nach Rathenow. Dort kaufte er Eichen- und Tannenholz von den Händlern Borchmann

aus Goldbeck und Jochim Bars aus Havelberg. Dieses Holz kam als Floß verbunden die Elbe

hinunter bis an die Seege. Weiteres Holz wurde aus den hauseigenen Waldbeständen entnommen

oder von Bauern aus der Umgebung angekauft.

In mühsamer Arbeit ist das Holz von Januar bis Juli 1700 zurechtgesägt worden (Sägelohn pro

Tag = 8 ggr.). Fast 65000 Mauersteine aus den Ziegeleien Pollitz, Seehausen und Dömitz wurden

herangeschafft, wobei die Vietzer Schiffer im Rahmen ihrer Dienstpflicht die Steine von Dömitz bis

Gartow transportierten. Um Fundamentsteine zu erhalten, hat der „Steinklöber“ aus Harburg in

der Vietzer Feldmark Feldsteine gesprengt. Am 2270 Rtlr. teuren Bau waren folgende Handwerker

beteiligt: Maurermeister Jochim Henrik Brandenburg aus Uelzen, Gottfried Gerber aus Gartow,

Tischler Joh. Hilmer Meyer und Jürgen Henrich Reincken, Grobschmied Erich Hohse, Kleinschmied

Arend Barles, alle aus Gartow. Kalk lieferte Matthias Pann aus Fallersleben, Nägel Christian Carstens

aus Arendsee, Taue und „schwartze Seife“ als Schmiermittel für die Blöcke der Gartower

Krämer Jacob Werner Hennings.

An die Kornscheune ist noch ein Schweinestall angebaut worden. Da das alte Torhaus im Wege

stand, mußte es abgebrochen werden. Im Zusammenhang mit dem Bau waren für die Transporte

die Verfertigung einer neuen Holzbrücke und die Instandsetzung einer vorhandenen notwendig.

Ein Jahr später sind die beiden großen Holzbrücken „vor dem Schloß“ repariert worden und an den

vorhandenen Eselstall erfolgte mit Abbruchholz der Anbau eines Pferdestalles. Der Pferdestall ist

1703 neu erbaut worden, weil der bestehende „von schlechter Commoditaet sondern solcher gar

niedrich und winckelhafft“ gewesen ist.

125


1704 kam es zum Neubau eines Torhauses. Das alte war baufällig und mußte seit Jahren mit Stützen

gesichert werden. Außerdem reichte die Durchfahrtshöhe für Ackerwagen nicht aus. Das neue

Torhaus diente dem „Schließvogt“ als Wohnung und als Gefängnis der Gerichtsverwaltung. An das

neue Torhaus ist weiterhin ein Reitstall angebaut worden. Gleichzeitig musste die Holzbrücke am

Torhaus über den äußeren Schloßgraben repariert werden.

Erst 1706 sind Pferdestall, Reitstall und Torhaus für zusammen 3446 Rtlr. bezugsfertig geworden.

Um dem Ackervogt und Gärtner Wohnungen zu verschaffen, ist 1706 für beide ein Wohnhaus

(auch „Voigst-Haus“) nahe der Seegebrücke errichtet worden. Der Ackervogt hatte u.a. die Aufgabe,

den dortigen Wegezoll-Schlagbaum zu beaufsichtigen.

Für den Bau eines Wagenhauses für Kutschen im Jahre 1706 sind Geländeerhöhungen vorgenommen

worden. Es befand sich nahe der Kornscheune. Das gesamte Vorwerksgelände mit Schloß

erhielt eine Umzäunung. Das Wagenhaus wurde 1707 fertig und bekam nachträglich als Anbau

mehrere Hundezwinger. Als kleinere Bauten kamen zum Flachstrocknen ein „Boeke-Stovens“ und

für die Schweinezucht ein „Mästekoven“ hinzu.

Veranlaßt durch den Abbruch des alten Schlosses im Jahre 1709 wurde der Neubau eines kombinierten

Wasch-, Back- und Schlachthauses auf dem alten Wall erforderlich.

Alle bisher errichteten Gebäude trugen Biberschwanz-Dachpfannen. Bei Schneestürmen wiesen

sie Undichtigkeiten auf. A.G. von Bernstorff erfuhr von der Methode, Dachziegel mit Kalkmörtel

verstreichen zu lassen. Im Gut Schönhausen bei Tangermünde wurde dieses Verfahren bereits

praktiziert, daher sind der Verwalter und der Gartower Maurermeister zum Studium nach Schönhausen

geschickt worden. Wenig später haben alle Dächer des Vorwerkes eine Dachziegelverstreichung

erhalten.

Es wurde sehr genau auf die Werterhaltung der Gebäude geachtet: So erhielt das Kornscheunendach

1710 eine Verlängerung, damit Wände und Fundamente keinen Schaden durch Tropf- und

Spritzwasser nahmen.

Weil der Hofplatz des Vorwerks Gartow im Frühjahr und Herbst durch das Vieh völlig unpassierbar

wurde, erhielt der italienische Maurermeister Tino mit seinen Arbeitskollegen 1710 den Auftrag,

zwischen den Gebäuden gepflasterte Fußwege anzulegen. Währenddessen begann der Neubau

des Schlosses, der sich weit über 10 Jahre hinzog.

Da der vorhandene Brunnen 1712 übelriechendes Wasser hergab, baute Brunnensetzer Hans

Schrader aus Wendeburg für 100 Rtlr. auf dem Vorwerksgelände einen 5,80 m tiefen neuen und

mit Steinen ausgekleideten „Zucken-Brunnen“. 1713 ist vom Torhaus bis zum Ende des Vorwerks

ein aufgehöhter Steinweg hergestellt worden. Das alte Pflaster wurde zuvor aufgenommen. Mit

erheblichen Kosten ist 1719 die Pflasterung des Schloßvorplatzes vollendet worden.

Großer Wert ist auf vorbeugenden Feuerschutz gelegt worden. Im 2. Stockwerk des Torhauses

ist ein neuer Fußboden verlegt und der Zwischenboden mit Gips ausgegossen worden. Im Vorwerksgebäude

haben 1714 aus dem gleichen Grund Flure und Zimmer des 2. Stockwerks „rauhe

Fliesen“ erhalten.

126


Ein Pförtnerhaus für 393 Rtlr. und ein Hühnerstall sind 1716/17 errichtet worden. Im Folgejahr

konnte ein massiver Schweinestall mit einem Kostenaufwand von 526 Rtlr. in Benutzung genommen

werden.

Um die Haltbarkeit der Vorwerksgebäude zu erhöhen, ist 1721 für 524 Rtlr. die Scheune verkleidet

worden. Alle Gebäude erhielten für 200 Rtlr. einen Ölfarbenanstrich.

Das 1724/25 neu erbaute Back- und Waschhaus mit 2 Stockwerken und den Abmessungen 13

x 7 m mußte das vorhandene ersetzen, weil die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten. Immer

mehr wurde das Vorwerk Gartow perfektioniert: 1728 ist ein Steindamm zum Hintertor geschaffen

und 1727/28 ein Gewächshaus mit Steinen aus der Ziegelei Schönhausen und Kosten von

1471 Rtlr. erbaut worden. Viel Geld (832 Rtlr.) kostete die massive Gartenmauer an der Straßenund

Kirchenseite. 1730 folgte die Anlegung eines gepflasterten Weges von der Seegebrücke zum

Schloßtor an der Kirche.

Abgerundet wurde der Schloß- und Vorwerkskomplex mit dem noch heute vorhandenen großen

und kleinen Portal aus Quadersteinen, die der Steinhauermeister Curd Hinrich Jördens aus Hannover-Barsinghausen

1733 mitbrachte. Beide Portale kosteten 513 Rtlr.

Über dem Eiskeller wurde 1734 ein Gebäude errichtet und im gleichen Jahr der Pferdestall mit

Feldsteinen ausgepflastert. Damals werden ferner Fischteiche hinter dem Waschhaus erwähnt.

Dort wuchsen Karpfen und Karauschen heran.Eine größere Maßnahme war 1748/49 der Bau

eines neuen Reitstalles „von 19 Verbind“ und den Abmessungen 27 x 13 m. Vom Höhbeck sind

1317 Fuder Fundamentsteine, von den Ziegeleien Pollitz, Schönhausen, Lenzen und Hohengöhren/Brandenb.

Mauersteine angeliefert worden. Rinnensteine und Fliesen verkaufte Steinhauermeister

Christian Körner aus Völpke. Als weitere Handwerker waren beteiligt: Maurer Gottfried

Gerber, Grobschmied Hans Frahm, Tischler Franz Jochim Nork, Glaser Jürgen Wilh. Benecke und

Zimmermeister Peter Witthöfft, alle aus Gartow, ferner Zimmermeister Johann David Neyse aus

Lüneburg. Die Gesamtkosten betrugen 5067 Rtlr.

Quellen und Literatur

1. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 79 - 81

2. G 18 Nr. 10 „Acta der mit der Gartower Bürgerschaft abgeschlossene Rezeß wegen Aufhebung

der der Bürgerschaft in den Forsten des Hauses Gartow zuständig gewesenen servitutischen

und sonstigen Berechtigungen betr. 1848 ff.“

3. Junack, Karl: „Wer macht mit mir einen Spaziergang durch den Gartower Wald?“ in: Gartower

Heimatbote, April 1931) (Ungeordnete Papiere „Verzeichnisse der erkannten Forstwrogen

- Sachen)

4. GR 1696/97, S. 156 - 157

127


Soziales Engagement des Hauses Gartow

Es entsprach sittlichem und religiösem Empfinden, an arme Mitmenschen zu denken und sie zu

unterstützen. Dabei halfen nicht nur Verwandte oder der Armenkasten der Kirche sondern auch

das Haus Gartow unter v. Bülows und später v. Bernstorff.

Andreas von Bülow verwendete dafür eine Schuldverschreibung in Höhe von 800 Gulden, die der

Rat der Stadt Salzwedel anerkannt hatte. Dieser verpflichtete sich, die 5% Zinsenzahlung an die

Kirchengeschworenen in Gartow abzutreten. Nach Inhalt der Urkunde vom 16. Februar 1556 sorgten

sie dafür, daß bedürftige Leute in Gartow unterstützt wurden. 1

Es wurde eine Stiftung errichtet, die die Bezeichnung: „Stiftung zum Heiligen Geist“ trug, sie ging

später in die Administration der Familie v. Bernstorff über.

Zusätzlich zur segensreichen Tätigkeit der Stiftung hat aber die Familie v. Bernstorff ebenfalls eine

soziale Verpflichtung gesehen, die damals herrschende Armut zu mildern. Einige Beispiele mögen

das verdeutlichen.

Im Jahr 1702 hat das Haus einigen Bürgern aus Gartow Geldstrafen oder Steuerzahlungen erlassen,

weil diese darum „inständig“ baten: Christian Bätge, dessen Bruder Verwalter auf dem

Gut Wedendorf war, Grobschmied Erich Hose, Tischler Johann Hilmer Meyer und Johann Ulrich

Janecke. 2

Es kam häufiger vor, daß Untertanen des Hauses Gartow ihren Kindern den Vornamen des jeweiligen

Gutsherrn von Bernstorff vergaben und dieser dann ein Taufpate wurde. Im August 1702

fühlte sich die Frau des Geheimrates von Bernstorff, Johannette Lucie von Sinold gen. v. Schütz,

geschmeichelt, weil der Gartower Tischler Johann Hilmar Meyer deren Tochter Louise als Taufpatin

wählte. Er wurde mit 4 Rtlr. belohnt. 3

Bereits 1702/03 zahlte das Haus Gartow auf Initiative von Andreas Gottlieb v. Bernstorff an den

Kantor Düker Schulgeld für 11 arme Kinder in Gartow, desgleichen an den Küster und Schulmeister

Marwede für 6 weitere arme Kinder. 4

Aus den Geldregistern früherer Zeit ist zu entnehmen, daß das Haus Gartow um Unterstützung

bittende fremde Menschen mit einer kleinen Geldspende erfreute. Im Oktober 1715 kümmerte

man sich um den „armen Jungen“ Kurt Jahncke aus Gartow, der erst einmal vernünftig eingekleidet

werden mußte. Daher erhielt der Gartower Tuchmacher Jochim Klöpper den Auftrag, Stoff zu

liefern und Schneider Johann Radcke war es vorbehalten, daraus Kleidungsstücke herzustellen.

Ferner hat er auf Kosten des Hauses Gartow mehreren armen Personen Kleidung ersetzt oder

ausgebessert.

Zu damaliger Zeit baten Antonio Granello und Jacobo Devot aus Genua sowie Antonio Giopa und

Dominico Casola aus Neapel um Geldspenden, damit sie ihre gefangenen Verwandten auslösen

konnten.

Das Haus Gartow zahlte an den Gartower Küster Jürgen Henrich Marwede einen Geldbetrag, damit

dieser 15 armen Kindern zumindest das Lesen beibrachte, ähnlich wurde in den Schulen

Restorf, Nienwalde und Meetschow verfahren. 5

128


1715: „Extraordinäre Ausgabe für Schule, Stiftungen und Almosen

129


1715 verzichtete das Haus Gartow auf die Eintreibung von nicht bezahlten Gebühren, wie bei

Johann Nicolaus Hildebrandt aus Gartow, der eigentlich 2 Rtlr. Rückstände auszugleichen hatte.

Da er aber in einen Landtausch mit dem Grafen einwilligte, erließ der Graf diesen Betrag. Ebenso

brauchten Hans Kubel, Jochim Mauchel, Jochim Ellissen, Friedrich Kaulitz, Hanß Hilgenfeld,

Henrich Baßar, Henrich Bornemann, Johann Meyers Witwe, Lorenz Haße, Anton Kubel, Johann

Nicolaus Hildebrandt und Christian Bätche, sämtlich aus Gartow, ihre Strafgelder nicht bezahlen.

Durch einen Rechenfehler mußte das Haus Gartow an verschiedene Gartower Bürger zuviel bezahlte

Kriegssteuer zurückerstatten. Belastet waren damit Ackergrundstücke, so z.B. 6 Stücke

in den Dannen und 2 Stücke im Wolfskahl, die zuvor Möllendorf bzw. Jacobsen gehörten; deren

Hausstellen jedoch wüst wurden und 1715 sich im Eigentum der Nachfolger Drechsler Gerberding

und Kleinschmied Barles befanden. 6

1725 wurde der Ehefrau von Achatz Krüger in Gartow, eine ihrem Mann „der entlaufen“war, zudiktierte

Geldstrafe aus dem Jahre 1721 erlassen. Als Gartow im Jahre 1721 fast völlig niederbrannte,

verzichtete das Haus Gartow noch im Jahre 1726 auf die Erhebung der Kriegssteuer. 7

Mit einem monatlichen Betrag von 12 ggr. wurden vom Haus Gartow 1725 sechs Frauen unterstützt,

die als arm galten: Magdalene Weidner, Ilse Marckmann, Witwe Giegeler und die Witwe von

Asmus Wiechmann aus Gartow sowie Catharina Magdalena Wollatz und Anna Catharina Harbers

aus Quarnstedt.

Ferner erhielt Johann Hasse Unterstützungsgeld für zwei Waisen, die Steffen Danehl aus Gartow

hinterlassen hatte und die Hasse mit Geld vom Haus Gartow ernährte und kleidete. Der Knecht

Luloff Marwede erhielt ebensolche Unterstützung, weil er das jüngste Kind des verstorbenen Küsters

Jürgen Hinrich Marwede versorgte. Das Haus Gartow zahlte weiterhin Geld zur Versorgung des

unehelichen Kindes der Ilse Steiling aus Pevestorf, die jedoch in Wustrow „weggelaufen“ war und

ihr Kind in die Obhut von Nicolaus Hildebrandt in Gartow gab.Da die Waisenkinder von Christoff

Kaufmann 1724 verstorben waren, unterstützte das Haus Gartow nunmehr „den im Frühjahr 1724

angenommenen armen Jungen Friedrich Söhnlein“ und das „arme Mädgen Grethe Niemann“. 8

Als Christian Ellies in Gartow eine zuvor wüste Bürgerstelle bebaute, lieh er sich vom Haus Gartow

ein Kapital von 400 Rtlr. Dafür trat er die Hälfte seiner Wiese vor dem Elbholz auf die Dauer von 40

Jahren an das Haus Gartow ab. Ebenso verfuhr Drechsler Hinrich Caspar Gerberding aus Gartow,

der für 220 Rtlr. seine Wiese am Elbholz so lange abtrat, bis die Schuld getilgt war. 9

Bauten für das gräfliche Personal

Mit dem von der Familie v. Bülow übernommenen und später hinzuerworbenen Gebäudebestand

war es möglich, hauseigenen Bediensteten oder fremden Leuten gegen Mietzahlung Wohnungen

zu verschaffen.

1705 ist in Gartow ein neues Haus erbaut worden, in dem die Kuh- und Schweinehirten-Familien

gemeinsam untergebracht waren. Auch der gräfliche Ackervogt sollte dort Aufnahme finden. Dieser

war als Torwächter vorgesehen, um in Gartow ein- und ausfahrende Fuhrwerke sowie Fußgänger

im Augenschein zu behalten. Im gleichen Jahr erhielten Ackervogt und Gärtner gemeinsam ein

neues Haus an der Seegebrücke (Neubau 1750).

130


Um 1710 sind Mieteinnahmen aus mehreren Häusern erzielt worden:

In Quarnstedt (Leinweber Balzer Saßen, in Gartow das kleine Haus vor der Seegebrücke (Leinweber

Jürgen Schulte), die Schmiede in Gartow (Erich Hohse) und die dortige alte Schmiede. Das

Haus im Elbholz wurde von hauseigenem Personal bewohnt.

Damit der für das Haus Gartow tätige Leinweber eine Wohnung erhielt, wurden für ihn 1720 im

alten Schafstall neben der alten Schmiede einige Räume hergerichtet. 1721 kamen noch zwei

Wohnungen hinzu. Im Jahre 1729 war der Neubau eines Leineweber-Wohnhauses für 366 Rtlr. mit

2 Stuben, 6 Kammern, Küche und Diele unumgänglich. Es trug Dachpfannen.

1721 begann der Neubau von Tagelöhnerkaten in Quarnstedt, wobei baufällige Gebäude repariert

wurden oder dafür mit Neubauten Ersatz geschaffen worden ist. Im Lauf mehrerer Jahre kamen

weitere Katen dazu. 1723 existierten 12 Katen.

Da das Haus Gartow in Gartow ein Försterhaus mit Wohnung, Hunde- und Rebhühnerstall erbauen

lassen wollte, ist 1723/24 für Jacob Schulze ein Wohnhaus errichtet worden, weil er den Bauplatz

zur Verfügung stellte. Bisher wohnten der Förster und der Vogt in Baracken „vorm Thore“. 1724/25

erfolgte der Neubau des Försterwohnhauses für 922 Rtlr. einschliesslich Ställen, Hundehof und

Rebhühnerstall, der sich vorher auf dem Vorwerk Quarnstedt befunden hatte.

Um 1729/30 folgt der Neubau eines Wohnhauses „auf der Schäfferey vor Gartow“ für den Gerichtsvogt

und den Pfandemann mit zwei Wohnungen, 1731 der Anbau einer Hirtenwohnung im

Elbholz an das Haus des Holzknechtes und 1733 ein Schafstallneubau.

Mietobjekte um 1730 waren die Schmiede (18 Rtlr.), das Gasthaus (60 Rtlr.), Leineweberhaus

(20 Rtlr.) und ein Haus auf der Freiheit vor Gartow (14 Rtlr.). Da das Hirtenhaus mit zwei Wohnungen

vor Gartow infolge Blitzschlages am 8.2.1734 niederbrannte, ist sofort ein neues „von 13

Verbind“ mit Hartdach und für 446 Rtlr. erbaut worden.

Mit der Aufwertung der Gartower Amtsverwaltung als „Geschlossenes Patrimonialgericht“ und der

damit verbundener Anstellung eines Amtmannes wurde 1743 für 270 Rtlr. im Torhaus des Vorwerks

eine Beamtenwohnung geschaffen.

Der Bau einer neuen Schmiede erfolgte 1755 „auf der sogen. Schäfferey“ für 786 Rtlr.

Der Gartower Försterhof erhielt 1757 erneut einen Pferdestall und 1758/59 mußte Ersatz für das

baufällige Fischerhaus im Elbholz geschaffen werden. Der Holzvogt im Elbholz erhielt 1761/62 ein

neues Wohnhaus (245 Rtlr.).

Um 1771 ist das auf der Schäferei belegene ehem. Leineweberhaus von Fräulein Christiane Sophie

v. Jagow angemietet worden. Die Übergangs-Schmiede wurde vom Zimmermeister Michel

Christoph Tege bewohnt.

Scharfrichterei, Schmiede, Gasthof und eine Wohnung in Quarnstedt waren 1812 fest vermietet

an Personen, die beruflich darin arbeiteten und in einem Pachtverhältnis zum Haus Gartow standen.

Vermietet waren außerdem:

Fischerhaus im Elbholz (Maurergeselle Joh. Heinr. Gührs), Ehem. Försterhaus vor Gartow (Friedensrichter

Dr. Ziegler), Ehem. Amtshaus (Dr. Zieglers Büro), Ehem. Verwalterhaus vor Gartow

131


(Steueraufseher Heins). Das Haus in Meetschow war nicht vermietet.

Um 1838 waren vermietet: Gasthaus, Schmiede, Neues Haus vor Gartow (Forstsekretär Haupt,

Aktuar Hölty, Witwe des Sekretärs Krüger), Ehem. Verwalterhaus vor Gartow (Witwe des Kutschers

Törper) und Fischerhaus im Elbholz (ehem. Fischer, nun Tagelöhner Schenk), Mieteinnahmen 353

Rtlr. Die Scharfrichterei taucht als Mietobjekt nicht mehr auf.

1850 sind Gasthof und Schmiede (280 + 50 Rtlr.) sowie das ehemalige Amthaus (Amtsassessor

Stölting für 108 Rtlr.) vermietet worden. Das Gebäude des ehemaligen Gerichts Gartow „nebst

Gefangenenwärter-Wohnung“ war nach Aufhebung des Gräfl. von Bernstorffschen Gerichts für

100 Rtlr. an die Landesherrschaft vermietet worden.

Vom Neuen Haus vor Gartow , wie auch vom ehemaligen Verwalterhaus vor Gartow, ist keine Miete

erhoben wurden, weil dort hauseigenes Personal wohnte.

Da das Gasthaus im Winter 1872/73 ersatzlos abgebrochen wurde, fielen auch die Mieteinnahmen

fort. 1876 waren vermietet: Die Hofschmiede, das ehemalige Verwalterhaus (Rademacher

Teichmann). 1890 waren nur die Hofschmiede und das ehem. Verwalterhaus vermietet. In Letzterem

wohnten Tischler Riechert, Briefbote Lüders, Forstgartenarbeiter Schulz zur Miete; eine Stube

hatte Ökonom Giesewell angemietet.

Folgende Objekte sind seit 1698 angekauft worden:

Schmiede (1698), Höfe in Quarnstedt: Sandecke (1699), Duncker (1700), Peter Bormann (1702),

Henrich König (1704), Claus Hasse (1721), Gasthaus in Gartow (1720), freie sogen. Dorfstätte auf

dem Wolfsahl von A.C. Hildebrandt, Gartow (1725), Dreiviertelhof Matthias Pagel, Holtorf (1719),

Halbhof Jirjahlke, Lomitz (vor 1800). In Gartow sind einige Bürgerstellen erworben worden: Cordt

(genannt 1812), Belitz (gen. 1812), Niebuhr (gen. 1822), Hildebrand (gen. 1822), Salge (gen.

1838). 1892 kam das Haus Nr. 5 hinzu.

Quellen und Literatur

1. Urkunde Nr. 102, 104.

2. GR 1702/03, S. 662 - 663

3. GR 1702/03, S. 818

4. GR 102/03, S. 777

5. GR 1715/16, S. 702 - 705

6. GR 1715/16, S. 612 - 613

7. GR 1725/26, S. 559, 568

8. GR 1725/26, S. 730

9. GR 1725/26, S. 736

132


Kirchen-, Schul- und Sozialwesen

Notizen zur Kirchengeschichte

Die Religionsbetätigung hat in Deutschland schon lange Tradition, davon zeugen mitunter sehr

alte Kirchen bzw. deren Vorgängerbauten, wobei die Feldsteinkapelle in Vietze wohl die älteste im

Gartower Bezirk ist. Von der frühen Kirchengeschichte in Gartow ist erstaunlich wenig bekannt.

1328 wird die Existenz einer Pfarrkirche erwähnt, also gab es Kirchenbedienstete und eine zugehörige

Kirchengemeinde. Danach vergehen rd. 200 Jahre ohne jegliche Nachrichten von Kirche

und Religionsausübung.

Nur am Rand wird die Kirche Gartow im 14. Jahrhundert zur Herrscherzeit der Johanniter erwähnt:

„In dem Landbuche Karls IV finden sich nur spärliche Angaben über Gartow, da der Kaiser hier keine

Abgaben zu erheben hatte. Gartow est ordinis Sancti Johannis Iherosolimitani (Gartow gehört

dem Johanniter Orden zu Jerusalem) heißt es dort.

Nur einige Einkünfte der Kirche in Gartow aus altmärkischen Dörfern werden noch angeführt. Aus

Benkendorf (südöstlich von Salzwedel) mußten 1 ½ Wispel Weizen geliefert werden und aus dem

Nachbardorfe Liesten 40 Scheffel Weizen. Thielbeer (südlich von Arendsee) hatte dem Altare der

heiligen Jungfrau Maria in Gartow 16 Scheffel Weizen zu geben. Es handelt sich hier wahrscheinlich

um Stiftungen der Herrn von Gartow….“ 1

Erst 1534, als eine landesweite Kirchenvisitation angeordnet wird, erscheint Gartow im Zusammenhang

mit der Kirche. Als der damalige Pastor Heinricus Mechow zu den Gartower Kirchenverhältnissen

befragt wurde, nannte er den Betrag von 30 Gulden Jahresbesoldung für seine Bemühungen.

Die Kirchenaufsicht übten als Patronatsherren Familienmitglieder v. Bülow aus, was die

Verwaltung der Kirchengüter mit einschloß. Der Pastor Mechow hatte das Gefühl, von denen v.

Bülow zu seinem Dienst gezwungen zu sein, war unzureichend über die Einkünfte der Gartower

Kirche informiert und war nicht eigentlich Repräsentant der Kirchengemeinde. Vermutlich haben

die v. Bülows ein eigenwilliges Regiment geführt. 2

Als 1658 eine General-Kirchenvisitation im Fürstentum Lüneburg durchgeführt wurde, war die

Kirche in Gartow davon offenbar nicht betroffen. Lediglich die Landkirchen Trebel und Prezelle

erscheinen in den erhalten gebliebenen Protokollen. 3

Kirche St.Georg zu Gartow, erbaut im Jahr 1724

133


Ab 1694, als Andreas Gottlieb von Bernstorff als oberster Kirchenaufseher sein Amt antritt, wird

die Überlieferung besser:

„Die erste Erwähnung des Patronats in Gartow findet sich in einem Verkaufsvertrag von 1321, in

welchem neben einem „verdendel des huses to der chartowe“ alle Rechte, auch am „Kerklene“

(Kirchlehen) veräußert werden. 1329 und 1331 wird von einem Pfarrer Dietrich von Gartow gesagt,

er sei zugleich Präpositus in Arendsee. Kirchlich gehörte Gartow aber zur Diözese Verden

und muß mindestens bis 1455 bei dieser geblieben sein. Der Johanniterorden übernimmt Gartow

mit allen Lehnsrechten „gheystlich und weltlich“, die ihm 1371 erneut bestätigt werden. Schon

damals scheint die Kirche zu Gartow Einkünfte aus der Altmark bekommen zu haben, mit diesem

Gebiet war das alte Gartow mindestens ebenso eng verbunden wie mit demjenigen um Lüchow

und Dannenberg…. Aus einer Schuldverschreibung von 1517 geht hervor, daß die Junker v. Bülow

„Patronen sinth der Parkerken Sancti Georgy thor Ghartow“ und des „obgenannten altaris aller

Christen“, demnach trug die Kirche zu Gartow schon vor der Reformation den Namen des heiligen

Georg wie noch heute…. Da nach Übernahme Gartows durch Bernstorff der Probst zu Lüchow als

Superintendent mit dem Käufer Kontakt aufnimmt, um die volle Inspektion über die zu Gartow

gehörenden Kirchen zu erlangen, versucht Bernstorff durch ein Abkommen mit dem Landesherrn

bzw. dem Konsistorium den Propst vor der endgültigen Durchsetzung seiner vermeintlichen Ansprüche

zu stoppen…“ Die Kompetenzen des Propstes zu Lüchow blieben auch in der Folgezeit

stark beschnitten, die v. Bernstorff hatten sich weitgehende Befugnisse in Kirchen- und Schulangelegenheiten

im Gartower Bezirk sichern können. Der Einfluss der Familie v. Bernstorff auf

Entscheidungen und administrative Fragen dauerte bis 1920, als Schul- und Kirchenverwaltung

getrennt wurden. Aber auch späterhin haben die v. Bernstorffs, aus der Tradition abgeleitet, eine

gewisse Kirchenaufsicht geführt. 4

Im Laufe der Zeit haben die Gartower Pastoren nicht nur religiöse Festtage wie die Reformationsfeier

Luthers, die Augsburger Konfession, der Augsburger Religionsfrieden, Osterfest, drei Bußund

Bettage, Verkündigung Maria sondern ferner Dankesgottesdienste wegen Friedenschlüssen

nach Kriegen und die „Hagelfeier“

am 1. April 1788 begangen.

Hatten sich Seuchen und „außerordentlich gemeine Landplagen“ gezeigt, sind danach zusätzliche

Bußtage angeordnet worden. Pastoren waren gehalten, Niemanden von der Beichte auszuschließen

und durften in Predigten und Katechismusstunden Niemanden namentlich benennen, der

gesündigt hatte. Auch waren sie verpflichtet, geschwängerten Frauen den Betrag von 1 Rtlr. auszuzahlen.

Sie hatten ferner darauf zu achten, daß „Ausländer“ ohne vorher eingereichte Bescheinigung

nicht getraut wurden, wie auch Verwandte 1. Grades nicht.

Geistliche unterstanden der weltlichen Gerichtsbarkeit, sie leisteten beim Antritt ihres Amtes einen

Eid auf den Landesherrn. Und sie unterlagen mit Beschränkungen der weltlichen Besteuerung.

Zweckmäßigerweise haben die Pastoren im Auftrag des Hauses Gartow bei den Predigten zu bestimmten

Tagen weltliche Vorschriften verlesen, wie z.B:

Wegen Desertion, ungehorsamer Kinder, Bettler, Sabbatsfeier, Verunreinigung der Wolle, Pferdedieberei,

Flachsarbeit, Geldwechselei, Hausdieberei, Branntweinsaufens, Hazardspiele, Bankrotte

und Heiraten.

134


Pastor Hölty unterschrieb damals als:

„Prediger und Beamter des Zivilstandes“ im Königreich Westfalen, zu dem damals offenbar auch

ein Teil der Altmark gehörte. … Offenbar ist der wirtschaftliche Niedergang hier in der Franzosenzeit

nicht so groß gewesen, wie infolge des 30 jährigen Krieges oder des Weltkrieges 1914 -1918.

Das geht daraus hervor, daß sowohl nach dem 30 jährigen Krieg, wie in und nach dem 1. Weltkrieg

ein Rückgang der Geburten zu verzeichnen ist, während in den Jahren 1801 - 1815 kein Rückgang

der Geburten zu beobachten ist. Im Gegenteil:

1811 sind in Gartow 64 Kinder geboren, die höchste Zahl von Kindern, die nach Ausweis der Kirchenbücher

seit 200 Jahren überhaupt während eines Jahres in Gartow geboren worden sind. Die

Pastoren mußten einige Zeit lang Kirchenbuchverzeichnisse an das Haus Gartow liefern. 5

Am 16. November 1924 wurde in Gartow feierlich das 200jährige Jubiläum des Bestehens der

Kirche gefeiert und mit dem Reformationsfest verbunden.

Neuerungen gab es in der Kirchenorganisation:

Die Bezirkssynode hieß nun Kreiskirchentag, die Landessynode entsprechend Landeskirchentag.

Der Kirchenkreis Gartow wurde aus den sechs Kirchengemeinden gebildet und war nunmehr der

Kreiskirchenverband. Ein Kreiskirchentag – der erste – wurde im Januar 1925 in Gartow begangen,

wobei Beschlüsse zur Einrichtung einer Kreiskirchenkasse, eines Wohlfahrts- und Jugendpflegeausschusses

gefaßt und verschiedene Regularien durchgesprochen wurden.

Auch zum Ablauf der Konfirmation meldete sich die Kirche im Mai 1926 zu Wort:

„….ihr lieben Kinder. Welche Erinnerung an jenem bedeutsamen Tag eures Lebens ist in euren

Herzen geblieben? Besonders günstig ist es bei den Kindern gewesen, in deren Häusern die äußerliche

Feier in bescheidenen Grenzen geblieben ist. Wenn alle Eltern es sich doch zur Regel

machen wollten, gerade an diesem Tage auch den Gästen keinen Alkohol vorzusetzen! Ist es denn

nötig, daß des Kindes Auge gerade an diesem Tage auf Weinflaschen, Biergläser oder auch Bierfässer

gerichtet wird? Das Kind hat eben seinen ersten Abendmahlsgang getan; es ist dafür hingewiesen

worden auf Martin Luthers Worte: „Fasten und leiblich sich bereiten ist wohl eine feine

äußerliche Zucht.“ Und nun folgt vom Mittag an bis in den späten Abend hinein Schmaus auf

Schmaus, Trunk auf Trunk?...“

Störungsfrei sollte ferner der Gottesdienst sein, wie der Superintendent Dr. Weerts aus Dannenberg

1926 forderte: „Wiederholt ist bei öffentlichen Umzügen mit Musik, Trommeln und Pfeifen

der Gemeindegottesdienst gestört, sowie durch öffentliche Vorführungen während der Kirchzeit

Ärgernis erregt worden. In solchen Vorkommnissen, die übrigens auch gegen die Polizeiordnung

betr. die äußere Heilighaltung der Sonn- und Feiertage verstoßen, drückt sich eine Mißachtung

der christlichen Sonntagsfeier aus, die in weiten Kreisen berechtigten Unwillen erregt …“ Dazu

paßt eine Erinnerung, die während des Kirchenkreistages 1927 in Gartow vorgebracht worden ist:

„….daß sich die Bezirkssynode Gartow schon einmal im Jahre 1871 genötigt sah, einen Zuruf an

ihre Gemeinden Gartow, Holtorf-Kapern, Prezelle, Restorf, Schnackenburg und Trebel zu richten,

in dem sie über die immer mehr um sich greifende Entheiligung des Sonntags bittere Klage führte

und zur Umkehr und Besserung aufforderte.“

135


Das Thema war 1926 aktuell und die Bezirkssynode brachte hierzu ihre Bemerkungen und Warnungen

vor:

„…Das wüste Sonntagstreiben, die schlechten Sonntagsfreuden haben schon so manche von

Euch in großes Leid gebracht, so manche schöne Jugendzeit verdorben, so manches Leben für

immer verkümmert. Seid fröhlich immerhin, seid fröhlich allezeit; so aber, daß Eure Sonntagsfreude

wie Eure Alltagsfreude Gott wohlgefall! Suchet die Sonntagsfreuden am rechten Orte! Da sind

sie nicht, wo viele sie suchen und oft teuer bezahlen müssen. Suchet sie jeden Sonntag in der

Kirche, suchet sie in der Bibel oder in anderen heiligen oder doch guten Büchern; suchet sie in

der Gesellschaft Eurer Lehrer oder Prediger, die sich dessen innigst freuen werden, suchet sie im

Kreise solcher Altersgenossen, die den Herrn lieb haben…“

Den Nationalsozialisten waren althergebrachte Kirchenrechte ein Dorn im Auge, 1934 ging es um

das Kirchenstuhlrecht:

„Die gegenwärtige Zeit, in der stärker denn je der Wille zu einer mit dem deutschen Volksleben fest

verbundenen Kirche erwacht ist, fordert die Abschaffung kirchlicher Rechte aus früherer Zeit, die

dem nationalsozialistischen Volksempfinden fremd geworden sind. So ist aus vielen Gemeinden

der Landeskirche der berechtigte Wunsch geäußert, die noch weithin vorhandenen Kirchstuhlrechte

aufzuheben, weil die über alle Standes- und Klassenunterschiede hinweg geeinten Glieder

unseres Volkes und damit auch unserer Kirche kein Verständnis mehr haben für kirchliche Rechte

und Einrichtungen aus der Vergangenheit, durch die solche Unterschiede – bewußt oder unbewußt

– noch aufrecht erhalten werden …“ Ohnehin hatte Adolf Hitler die Aussage gemacht: „Wir

haben den neuen Staat – den neuen Menschen müssen wir bilden“. 6

Von 1879 bis 1932 war mit der Pfarrstelle Gartow die Superindentur der Inspektion Gartow verbunden.

.Am 15. August 1933 mußte in Gartow ein außerordentlicher Kreiskirchentag einberufen

werden. Es ging um die geplante Teilung des 1869 eingerichteten Kirchenkreises (KK) Gartow,

auch von dessen Auflösung war die Rede.

Am 3. Februar 1935 führte Pastor Störmer aus Schnackenburg als kommissarischer Superintendent

in der Gartower Kirche eine Visitation durch. Der Synodalbezirk Gartow ist 1953 tatsächlich

aufgehoben und mit dem KK Dannenberg vereinigt worden. 2006 schliesslich wurden die beiden

Kirchenkreise Lüchow und Dannenberg zum gemeinsamen Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg vereinigt.

Sitz des Superintendenten ist Lüchow, das KK-Amt befindet sich in Dannenberg.

Friedhöfe

Im Verlauf der Zeit hat es in Gartow mehrere Friedhöfe gegeben: Der älteste und die längste Zeit

belegte Friedhof befand sich im direkten Umfeld der Kirche. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung

war es notwendig, ab 1722 zur Springstraße auszuweichen, wo ein Platz westlich der alten Post

als Friedhof diente. Obwohl 1762 aufgehöht, war er wegen Hochwassereinfluss zu niedrig und ist

1813 aufgegeben worden. Daher ist ein dritter Friedhof auf der Buchhorst eröffnet, auf welchem

am 30. April 1814 die erste Beerdigung stattfand. Dieser wiederum reichte ebenfalls nicht mehr

aus, so dass ab 1878 der noch heute im Gebrauch befindliche Friedhof in den Hahnenbergen

aufgeschlossen wurde.

Es war Elisabeth v. Bernstorff, die ein Grundstück in den Hahnenbergen zur Anlage eines neuen

Gemeindefriedhofes kostenlos zur Verfügung stellte. Eine Bedingung war jedoch damit verbunden:

die Familie v. Bernstorff hatte sich dort einen Erbbegräbnisplatz ausbedungen. Das wurde

nicht realisiert, jedoch sind Beschäftigte der Familie v. Bernstorff dort beerdigt worden, während

die Angehörigen v. Bernstorff ihren Privatfriedhof bei der Kirche anlegten.

136


Um die Einfriedigung zu finanzieren, sind weitere Erbbegräbnisplätze verkauft worden. Im Februar

1878 haben die Gartower Familien Albrecht, Bardien, Brüggemann, Dröge, Japp, Herbst, Krüger,

Könke, Meinke und Wellmann davon Gebrauch gemacht.

Nach den Bedingungen, die außerdem galten, war es Personen christlicher Glaubensrichtungen

erlaubt, in Gartow beerdigt zu werden. Angehörige anderer Konfessionen waren nicht zugelassen.

Sowie: „…der Beerdigung der Leichen der Selbstmörder bleibt es bei der hier Orts bestehenden

Sitte, daß dieselben an einem besonderen Orte beerdigt werden …“ Sind Familienbegräbnisse 10

Jahre lang nicht gepflegt worden, fielen die Grabstellen an die Kirchengemeinde zur Neuverpachtung.

Die Schenkungsurkunde von Elisabeth v. Bernstorff datiert vom 27. Mai 1878.

Ab Juni 1878 erfolgte relativ schnell eine Grabbelegung/Verkauf von Familiengrabstätten (22 Gräber).

Die Erstbepflanzung mit Bäumen geschah im April 1878 aus der Baumschule James Booth,

Hamburg-Kl. Flottbek.

1891 ist zur Friedhofsvergrößerung ein Grundstück des Schlossermeisters Adolf Waldow angekauft

worden, hierzu waren „Staatsgenehmigungen“ des Konsistoriums Stade und des Regierungspräsidenten

einzuholen. Eine Friedhofsordnung mit 31 Paragraphen vom 5. Mai 1892 regelte

den Betrieb. 1902 ist der Friedhof erweitert worden.

Seit Juni 2007 besteht, einem neuen Trend folgend, ein öffentlicher Friedhof „Ruheforst Elbtalaue“

im Elbholz, der von der Familie v. Bernstorff betrieben wird. Im Bereich gekennzeichneter Bäume

werden Bestattungsurnen beigesetzt, die sich im Verlauf der Zeit von selbst zersetzen.

2015: Heutiger Friedhof Gartow

137


Gemeindeleben

1699 haben der Drechsler Jürgen Ernst Gerberding und der Kleinschmied Arend Barles in Gartow

zwei wüste Bürgerstellen (Jacobsen bzw. Möllendorf) wieder neu bebaut. Wie die übrigen Bürgerstelleninhaber

mußten sie an die Kirche Gartow den „sogenannten Heyligen Geist zu Gartow“

entrichten. Da ihre Geldmittel für den Wiederaufbau nicht ausreichten, liehen sie sich vom Haus

Gartow Geld an. Dafür trat jeder von ihnen vier Stücke Land, drei in den Dannstücken und eines

auf Wolfshahl, an das Haus Gartow für immer ab. Gleichzeitig übernahm das Haus Gartow die

stetige Zahlung des Kirchenzinses dieser beiden Bürgerstellen.

1766 wurde das Cellische Gesangbuch eingeführt.

Am 23. August 1856 wies Amtsvorsteher Albers Graf von Bernstorff auf die Sabbatsordnung hin:

„Da die Sabbathsordnung vom 25. Januar 1822 unter Ziffer I,1 neben dem Verbote der Arbeiten

auf Äckern, Wiesen p.p. an Sonntagen bekanntlich die Bestimmung hinzufügt, daß „solche nur in

Nothfällen vor, zwischen und nach dem Gottesdienste geschehen“ dürfen; somit in Nothfällen die

gedachten Arbeiten durch die Verordnung ohne Weiteres gestattet werden, jedoch nirgends die

Obrigkeit zur Erlaubnis-Erteilung ermächtigt ist, so bedauere ich, die gebetene Erlaubnis zu dem

Morgen als am Sonntage vor Euer Hochgeboren beabsichtigten Erntearbeiten grundsätzlich nicht

ertheilen zu können….“ 7/8

1902 fand das Königl. Konsistorium in Stade die Vorgehensweise des Gartower Kirchenvorstandes

unangemessen und trug daher einen Beschluß von diesem nicht mit. Es ging um die nicht

näher erläuterte Beseitigung eines „Denkmals“ auf dem Grab des Abbauers Dippner aus Gartow.

Kirchliche Aktivitäten zur Hebung des Gemeinsinnes und Verbreitung des Religionsgedankens hat

es in der Gemeinde Gartow stets gegeben. Einige Beispiele aus der Zeit zwischen dem 1. und 2.

Weltkrieg mögen dies verdeutlichen:

Regelmäßig wurden z.B. Kollektengelder gespendet und für verschiedene Zwecke verwendet, so

im Oktober für das Diakonissenmutterhaus in Rotenburg. Bei den regelmäßig stattfindenden Missionsfesten

wurde reichlich Geld gespendet. Die Kirchengemeinde war insofern in das Kirchengeschehen

eingebunden, als Kirchenvorsteher Aufgaben übernahmen.

Sehr erfolgreich wirkte der Gartower kirchliche Frauenverein, begründet 1913 von der Frau des

Superintendenten Seevers. Alle vier Wochen trafen sich die 63 Mitglieder, die einen Beitrag von

1 - 2 Mark zahlten, um soziale Taten zu vollbringen. Während des 1. Weltkrieges wurden heimische

Soldaten mit Päckchen im Feld unterstützt, Kranken und kinderreichen Familien geholfen

und bei Kriegsende 1918 ist den Soldaten ein feierlicher Empfang bereitet worden. Mit Sachspenden

bedacht wurde ferner ein Feldlazarett an der Westfront, wo Gräfin Clara v. Bernstorff die

Leitung hatte.

1919 erhielten die Kirche und das Pfarrhaus in Gartow elektrische Beleuchtung, den Wiedereinbau

von Prospektpfeifen nahm die Firma Furtwängler + Hammer aus Hannover vor. Im gesamten

Kirchspiel mußten für kriegsmäßige Metallgewinnung während des 1. Weltkrieges 11 Kirchenglocken

und neun Orgelregister zwangsabgeliefert werden. Ein großer kultureller Verlust. Auch die

Kirchen blieben von der Zeichnung sogen. Kriegsanleihen nicht verschont, Gartow hatte daher

einen Verlust von 100 800 Mark zu verkraften.

Infolge des Krieges und seiner Nachwirkungen hatte das Religionsempfinden gelitten, wie berichtet

wird:

138


„…Viele sind gegen die Kirche gleichgültig geworden. Haß gegen die Kirche und Kirchenfeindschaft

sind jedoch nur bei Wenigen zu finden. Aber es wird viel an der Kirche und ihren Einrichtungen

kritisiert und herumgenörgelt…“, sowie „…Äußerlich angesehen vollzieht sich die Pflege und

Betätigung des religiösen Lebens jetzt wieder in denselben Formen und in demselben Umfange,

wie vor dem Kriege. In Gartow, wo die Gottesdienstbesucher allsonntäglich gezählt werden, ist es

geradezu auffällig, wie konstant, von der Kriegszeit abgesehen, die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher

ist…“ Die Zahl der Abendmahl-Teilnehmer war insgesamt gesunken, am wenigsten

jedoch in Gartow (minus 2,5%). Sorgen machte sich damals der Gartower Pastor nicht nur um

die berufstätigen Schiffer, die mitunter monatelang ihren Heimatorten und somit der Kirche fern

blieben sondern auch wegen der neuartigen „Freideutschen Jugend“, deren Mitglieder bürgerliche

Konventionen weitgehend ablehnten und sich auf dem Höhbeck konzentrierten. Sie hatten mit der

Kirche nichts im Sinn.

Unter kirchlicher Beobachtung stand auch das Gartower Armenhaus. Ende 1919 waren deren

letzte Insassen, der Schneider Hannes Spohn und der Ausrufer Ernst Ohnesorge verstorben.

Besonderes kirchliches Interesse galt der Jugend. Obwohl sie die „Kinderlehre“ regelmäßig besuchte,

ließ die Erziehung im Elternhaus zu wünschen übrig. Der Kirchenvertreter meinte hierzu:

„…Man läßt ihnen zu viel Willen. Auch wird hier und da wohl geklagt, daß die Kinder sich abends

zu lange lärmend auf der Straße umhertreiben…“ sowie: „…Die ledige Jugend scheint, wie es in

einem Berichte mit Recht heißt, vorläufig hoffnungslos von dem allgemeinen Vergnügungstaumel

erfaßt zu sein…Die Beteiligung der ledigen Jugend am Gemeindegottesdienst läßt sehr zu wünschen

übrig, besonders seitdem die Tanzlust ihr ganzes Sinnen und Denken ausfüllt…“

Als Folge der Kriegsereignisse hatte er einen weiteren moralischen Negativwandel beobachtet:

„…Treu und Glauben sind in der Kriegszeit weit und breit geschwunden. In erschreckendem Maße

mehren sich die Vergehen gegen das Eigentum. Diebstähle sind überall an der Tagesordnung.

Kleidungsstücke und Lebensmittel sind nirgends sicher. Es ist wiederholt vorgekommen, daß Rinder,

Kälber, Schweine und Schafe aus dem Stall oder von der Weide geholt und geschlachtet sind

… und: „Leider sind aber doch eine ganze Reihe von Fällen ehelicher Untreue bei Männern und

Frauen bekannt geworden. In einzelnen Fällen liegen Paare in Ehescheidung, besonders in der

Restorfer und Prezeller Gemeinde“ sowie schließlich: „Die meisten unehelichen Kinder entstammen

dem Verkehr mit Kriegsgefangenen.“

In Gartow gab es damals auch einen Jugendverein, dem etwa 20 männliche Jugendliche angehörten,

hinzu kam ein Jungfrauenverein. Im Sommer 1921 haben die Ehefrau des gräflichen Sekretärs

Beck und Schwester Elfriede aus Gartow vor jungen Mädchen im Pfarrhaus Trebel über religiöse

und moralische Themen gesprochen. Gräfin Clara von Bernstorff gründete in ihrem Wohnort

Schnackenburg in jener Zeit einen Verein junger Mädchen. 9

Als Generalsuperintendent Schwerdtmann aus Hannover im Juli 1921 eine Kirchenvisitation vornahm,

wählte der Gartower Superintendent Umland als Predigtthema: „Ihr Christen lernt am Landmann:

01. Wer ernten will, muß säen. Gottes Säeleute sind die Pastoren und Lehrer aber auch die Hauseltern

und Jedermann,

02. „Wer gesät hat, muß in Geduld auf die Ernte warten.“ Schwerdtmann hatte in Gartow an den

Bezirkssynoden der Jahre 1913, 1917, 1919 und 1921 teilgenommen und war am 2.3.1922 verstorben.

139


Superintendent Umland setzte sich in seiner Dienstzeit für die Gründung eines Gartower Missionsvereines

ein (Innere-, Volks- und Heidenmission):

„….Er soll dafür sorgen, daß in allen unseren Gemeinden durch Wort und Schrift die Kenntnis

und das Interesse für die Missionsarbeit jeglicher Art geweckt und gefördert werde …“ Der Verein

wurde dann auch 1923 gegründet.

Ein damaliger Höhepunkt war die Einweihung des Gartower Gefallenen-Gedenksteines zu Pfingsten

1923. Ein 200 Zentner schwerer Findling aus der Gemarkung Vietze erhielt einen neuen Platz

zwischen Kirche und Pfarrhaus, an dem eine Bronzetafel mit den Namen von 44 gefallenen und

vermißten bzw. an Folgekrankheiten verstorbener Kriegsteilnehmer angebracht wurde. Die Einweihungsfeier

geriet zu einem großen Spektakel, an dem außer dem Superintendenten Gemeindevertreter,

die Schule, Postamtsmitarbeiter, gräfliche Bedienstete, der Jugend-, Krieger-, Turn- und

Schützenverein sowie Veteranen von 1870/71 und der Jungfrauenverein teilnahmen. Graf Günther

v. Bernstorff enthüllte das Denkmal feierlich. Eine Ehrensalve des Kriegervereins, ein passendes

Lied vom Männergesangverein und ein Weihegedicht rundeten die Feier ab. 10

Kirche und Privathaushalte litten 1923 unter der galoppierenden Inflation, auch die Kirche. In der

Endzeit der Geldentwertung stopften die Kirchenbesucher ganze Bündel wertloser Geldscheine in

den Klingelbeutel und Spendenkasten. Silvester 1923 machte man sich die Mühe, den „Wert“ der

Kollekte auszurechnen: es waren 10 470 000 000 000 Mark!

1924 ließ Graf v. Bernstorff die beiden während des 1. Weltkrieges zum Einschmelzen abgelieferten

Gartower Kirchenglocken auf eigene Kosten ersetzen. Die kleine Uhrglocke stammte aus

der St. Petri-Kirche in Hannover, die zweite Läuteglocke wurde von der Celler Stadtkirche käuflich

erworben. Mühlenbaumeister Thiele aus Meetschow besorgte das Aufhängen der Glocken.

Die Wahl von Kirchenvorstehern war eine alte Tradition, unzählige Male geübt aber im Herbst

1924 war es erstmals möglich, auch weibliche Gemeindemitglieder zu wählen. Damals erlebte

Superintendent Umland den Besuch von Herzog Ernst August und Herzogin Viktoria Luise von

Braunschweig-Lüneburg mit, beide befanden sich auf einer Reise durch die Provinz Hannover und

kamen auch nach Gartow. Die mit dem Auto angereisten hohen Gäste sind von Honorationen aus

Gartow und einer mehrere hundert Menschen umfassenden Volksmenge begrüßt worden. Das

Herzogspaar besuchte das v. Bernstorffsche Familiengrab, besichtigten Kirche und Gefallenen-

Ehrenmal, nahmen Kaffee im Schloß zu sich und reisten wieder ab.

Am 16. August 1925 fand in Gartow wieder ein Missionsfest statt. Der Festredner Pastor Klose aus

Hollenstedt wählte als Vortragsthema: „Der Herr weint über Jerusalem“. Nach dem Gottesdienst in

der Kirche begaben sich die Gläubigen „unter Klängen des Posaunenchores“ zum Schützenplatz,

wo Lob- und Danklieder gesungen, Vorträge und Reden gehalten wurden. Dort sprach Pastor Konrades

vom Kalandshof aus Rotenburg über das Dilemma jener Zeit:

„…Es ist ja ein namenloser Jammer zu sehen, wie so viele Menschen in unseren Tagen den Glauben

an den lebendigen Gott verloren haben. Die Ursachen der ungeheuren Gottentfremdung in

unserem Volke sind mancherlei. Redner streifte kurz die schreckliche Wohnungsnot besonders

in den Großstädten, den Alkoholismus, die Vergnügungssucht und die Unzucht mit dem unheimlichen

Heer von Geschlechtskrankheiten, die unser Volk weithin ins Verderben bringen und es

gottlos und heillos machen ….“ 11

140


Der soziale Gedanke in der kirchlichen Tätigkeit erstreckte sich nicht nur auf die Linderung von

Not im eigenen Ort sondern die Gemeinde wurde grundsätzlich zu Hilfeleistungen sensibilisiert. So

z.B. im Dezember 1925, als in der Gastwirtschaft Grabow in Gartow ein Film zur Arbeit der Bethelschen

Anstalten gezeigt wurde. In Bethel sind damals 5000 Kranke versorgt worden.

Am 6. Dezember 1928 war Pastor Lemmermann aus Hannover in der Kirche Gartow und hielt

einen Vortrag über „den Lutherischen Gotteskasten“. Der Gartower Jungmädchen-Verein, geschmückt

mit Kerzen und Adventskronen, sowie der Frauenchor gestalteten den Gottesdienst sehr

feierlich. Der weitere Verlauf wird so geschildert: „…Nach der Verlesung sang ein dreistimmiger

Frauenchor das Lied: „Auf, auf ihr Reichsgenossen“. Nach einer zweiten Verlesung sang derselbe

Chor mit einem Solo von Frau Gräfin v. Bernstorff und Geigenbegleitung von Dr. med. Fraesdorff

das Lied: „Er kommt, er kommt, der starke Held“. Als Hauptgesang wurde von der Gemeinde der

Gesang gesungen: „Gottes Stadt ist fest gegründet“ und dann hielt Herr Pastor Lemmermann seinen

Vortrag im Anschluß an das Wort Joh. 6, 35: „Ich bin das Brot des Lebens“….“

Am 23. Februar 1930 erhielt die Gartower Kirche Besuch von Pfarrer Rumpold aus Weißbriach/

Kärnten, einem Vertreter des Gustav-Adolf-Vereins. Er informierte vormittags Kinder und sprach

abends vor Erwachsenen, zeigte Lichtbilder zur Arbeit der evangelischen Kirche in Kärnten.200

Jahre lang, bis 1781, wurden evangelische Gläubige dort unterdrückt. Pfarrer Rumpold nahm

83,34 Reichsmark an Spenden mit nach Hause.

Die hohe Arbeitslosigkeit, mit verursacht durch den von Spekulanten ausgelösten Börsensturz,

brachte viel Not in Deutschland, besonders aber in den Großstädten. Daher sammelte die Kirchengemeinde

Gartow im April 1931 für die Stadt Harburg-Wilhelmsburg Spenden ein, die mit

dem Auto nach dort transportiert wurden: 12 Zentner Getreide, 2 ½ Zentner Erbsen und Bohnen,

3 Zentner Kartoffeln, 130 Pfund Speck und Wurstwaren, 50 Pfund Eingewecktes, Mehl und Kolonialwaren,

Kleidungsstücke sowie 58 RM Bargeld (aus Gartow, Meetschow und Nienwalde).

Im Dezember 1931 berichtete der aus Schnackenburg gebürtige Pastor Dornblüth aus Kirchboitzen

in Gartow, Schnackenburg, Kapern, Prezelle und Trebel über die gegenwärtige Notsituation

der Hermannsburger Mission.

Zu einem weiblichen Publikum hingegen sprach am 23. Februar 1932 Fräulein Rehmert, Sekretärin

des Landesverbandes für die evangelische weibliche Jugend aus Hannover „über unsere Aufgaben

in der Gegenwart“ wie z.B.: „…Man merkt es nicht, daß die Fluten der Gottlosigkeit und der

Entsittlichung ganz unauffällig schon nahe herangetreten sind und heimlich ihre Macht entfalten.

Da gilt es die Augen offen halten und den Feind erkennen…“

Der Gartower Frauenverein besuchte im Juli 1933 die Witwe des verstorbenen Superintendenten

Umland, die in Lüneburg lebte, wohin ihr Mann versetzt worden war sowie dessen Grabstelle. Die

Witwe war langjährige Leiterin des Frauenvereins.

Die Nationalsozialisten waren daran gegangen, den kirchlichen Einfluß stark zurückzudrängen.

Die evangelische Frauenarbeit mußte reagieren und schloß sich als „Frauendienst der Deutschen

Evangelischen Kirche“ zusammen. Dieser war der „Reichsarbeitsgemeinschaft Deutscher Frauenverbände“

eingegliedert, die seit 1. August 1933 dem Reichsinnenministerium unterstellt war.

Wegen der Interessenkollision mit den nationalsozialistischen Zielen durften die kirchlichen Gruppierungen

keine Orts- und Jugendgruppen mehr gründen.

141


Trotz der Bevormundung durch den Staat hatte die Evangelische Frauenhilfe Gartow zum 1. Advent

1933 eine Feier für 50 ältere und einsame Frauen im Gasthaus Meyke eingeladen. Vom 18. bis

21. Februar 1934 war die Stadtmissionarin Fräulein Marcard in den Evangelischen Frauenhilfen-

Gruppen von Gartow, Schnackenburg, Trebel und Prezelle mit Vorträgen über ihre Arbeit tätig,

insbesondere Behebung von sozialen Nöten in Stadtgebieten.

Ende des Jahres 1934 gab es in Gartow zwei getrennte Adventsfeiern. Eine veranstaltet von der

Evangelischen Frauenhilfe Gartow in der Gastwirtschaft Krüger, insgesamt mit 170 Frauen, auch

von der Frauenhilfe Nienwalde. Dort sprachen die Ehefrauen von Dr. med. Fraesdorff und Superintendent

Umland und begleiteten die Feier. Wenig später fand in der Gastwirtschaft Kühn die

Adventsfeier der NS-Frauenschaft statt, wo der Gartower Pastor Auhagen eine kurze Ansprache

vortrug.

Im November 1935 begann mit 30 Teilnehmerinnen in Gartow ein Bibelkursus, der zu einer ständigen

Einrichtung werden sollte. Die drei ersten Abende führte Fräulein Lukas, Geschäftsführerin

des Deutschen Evangelischen Frauenwerkes aus Potsdam, durch. 12

Die Kirchengemeinden blieben von Reformbestrebungen auch in jüngster Zeit nicht verschont,

was im Wesentlichen seine Gründe in knapperen Finanzmitteln hat:

„Der Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg steht vor einer neuen Sparrunde: Die Landeskirche wird

im kommenden Jahr noch knapp 3,38 Millionen Euro überweisen und diese Summe dann bis

zum Jahr 2012 auf 2,85 Millionen Euro reduzieren… Ende 2012 wird es im Landkreis nur noch

insgesamt 15,25 Pfarrstellen und drei Regionaldiakonenstellen geben. In der Region Nord: drei

Pfarrstellen (Hitzacker II und Neu Darchau werden verbunden) und 0,5 Regionaldiakonenstelle.

In der Region Mitte: 5,25 Pfarrstellen (Quickborn/Damnatz und Langendorf sowie Lüchow III und

Plate werden verbunden) und in der Region Ost: drei Pfarrstellen und eine Diakonenstelle. Das

macht unterm Strich ein Minus von 2,5 Stellen. In der Region Ost ist der Schmerz über die Stellenreduzierung

am größten: Die Gemeinden Trebel und Gartow sind auf dem Papier längst nur noch

halbe Pfarrstellen, aber immer noch durch „ganze“ Pastoren besetzt …“ Der Gartower Pastor Eckhard

Kruse erlebte derartige Auswirkungen schon vorab, als er längere Zeit als Vertretungspastor

in Bergen/D. amtieren mußte.

Aber auch baulich gab es in letzter Zeit Veränderungen im Umfeld der historischen St. Georgs-

Kirche Gartow:

„…Im Rahmen der geförderten Maßnahmen wurde die Bausubstanz der Pfarrscheune sowie eines

weiteren bis dato als Garage genutzten Nebengebäudes saniert, der historische Glockenturm

restauriert sowie die Außenanlagen inklusive der Einfriedigung neu gestaltet. Ein zwischen Pfarrscheune

und Nebengebäude eingefügter Neubau verbindet beide Gebäude, so dass durch den

Neubau sowie Sanierung, inneren Umbau und Umnutzung der vorhandenen Gebäudesubstanz

ein modernes Gemeindezentrum umgesetzt werden konnte. Entstanden ist auf diese Weise ein

sehenswertes Gesamtensemble aus der in Backsteinbauweise errichteten Barockkirche mit dem

restaurierten Glockenturm, der umgebauten Pfarrscheune und dem modernen Gemeindehaus

für gut 80 Personen. Das Umfeld mit dem neu gestalteten Kirchplatz, hinter dem sich der alte

Pfarrgarten mit der großen Streuobstwiese anschließt, wurde ebenfalls in das schlüssige Gesamtkonzept

der Maßnahme mit einbezogen… Das „Evangelische Forum“ mit all seinen Aktivitäten wie

z.B: auch Kinonachmittage und -abende… ist in die vielfältige und umfangreiche Gemeindearbeit

mit einbezogen. In Zukunft ist es als Ort der Begegnung auch für alte Mitbürger und für Behinderte

vorgesehen und soll dabei die generationenübergreifende Kommunikation fördern. Das Gemein-

142


dehaus kann vormittags als „offener Seniorentreff“ dienen und wird als „Markt-Café“ zur Verfügung

stehen. Ein Schwerpunkt liegt in der Kinder- und Jugendarbeit. 13/14

Regelmässig treffen sich Frauen- und Altenkreis, die „Kleine Kantorei“, gegründet im Herbst 1999,

um alte und neue Kirchenvokalmusik unter ihrer Kanotorin Dorothea Tramitz einzuüben und zur

Aufführung zu bringen sowie der Posaunenchor unter der Leitung von Martina Klute.

2012: Kirchenchor Gartow, Kleine Kantorei

1953: Kirchenchor Gartow, Konzert mit Dietrich v.

Amsberg

Historischer Kirchenchor

143


Von großer Bedeutung ist die 1991 aufwendig restaurierte Hagelstein-Barockorgel. Erbaut hat

sie der Lüneburger Orgelbauer Johann Matthias Hagelstein. Mit ihren nord- und mitteldeutschen

Klangelementen hat sie zahlreiche Konzerte bereichert. Ab 2008 findet in jedem Jahr der „Gartower

Orgelsommer“ mit ständig steigenden Besucherzahlen statt.

Kreiskantor Axel Fischer schreibt: „Als die Kirche fertiggestellt wurde, wandte sich Graf Bernstorff

zunächst an den Orgelbauer Hans Hantelmann in Lübeck, der als Schüler Arp Schnitgers einen

guten Ruf genoss. Der Vertrag wurde am 28. Oktober 1733 geschlossen, Hantelmann starb jedoch

am 15. April 1735 während der Arbeiten. Dies führte zur Beauftragung von Johann Matthias

Hagelstein am 12. Dezember 1735. 1740 wurde ein zweimanualiges Werk mit Pedal und 23 Stimmen

in der St. Georg Kirche aufgestellt.“

Die Modernisierungsmaßnahmen haben jedoch keinen Einfluss auf eine Wertungskommission

gehabt, welche die Aufgabe hatte, Deutschlands schönste Dorfkirchen auszuwählen. Bereits im

Jahre 2005 hatte der Bund Heimat und Umwelt (BUH) einen entsprechenden Wettbewerb ausgeschrieben:

„…Grundlage war ein Appell an die Kirchengemeinden, ihre Dorfkirchen vorzustellen.

Annähernd 400 Einsendungen aus allen Bundesländern waren daraufhin beim BUH eingegangen.

Mitgemacht hat auch die Kirchengemeinde Gartow. „Eigentlich hatten wir das Ganze irgendwie

schon wieder vergessen“, erzählt Pastor Eckhard Kruse. Umso überraschter war er deshalb über

eine Urkunde, verbunden mit einem kleinen Geldpreis, die die Post nun ins Pfarramt brachte. Die

Kirchengemeinde habe ihre Kirche hervorragend präsentiert, lobt der BUH. Das Gotteshaus gehöre

zu den schönsten Dorfkirchen Deutschlands. In Niedersachsen wurden neben St. Georg Gartow

die Kirchen im ostfriesischen Dornum und in Lengerich im Emsland mit dem Prädikat „Schöne

Dorfkirche“ ausgezeichnet…Gartows barocke, denkmalgeschützte St. Georg-Kirche, 1724 erbaut,

hat unter anderem damit gepunktet, dass sie bis auf technische Notwendigkeiten wie den Einbau

einer Heizung keine Umbauten erfahren hat. Und auch die Hagelstein-Orgel hat den Gartowern

Pluspunkte beschert. Vielmehr noch aber hat das Gesamtensemble eine wichtige Rolle bei der erfolgreichen

Vorstellung des Gotteshauses gespielt, freut sich Eckhard Kruse. Dass sich die Kirche

in Gartow um die Menschen kümmere. Kruse nennt das „lebendige Kirche“.

Und es gab für die Kirchengemeinde Gartow noch eine weitere Auszeichnung:

„… Die Gemeinde hat sich deshalb an dem Umweltmanagement der Landeskirche „Der Grüne

Hahn“ beteiligt und sich nach den Regeln des „Eco Management and Audit Scheme“ kurz EMAS,

zertifizieren lassen – als erste Gemeinde im Kirchenkreis …“ Verbesserungen bei der Energieeffizienz

sollen den Verbrauch bei Strom, Gas und Öl reduzieren: „…In den nächsten drei Jahren

sollen deshalb der Strom- und Wasserverbrauch um jeweils 5% und der Wärmeenergiebedarf

um 15% gesenkt werden. Deshalb werden veraltete Lampen ausgetauscht, Fenster und Haustür

im Pfarrhaus ersetzt, Nebeneingänge der Kirche isoliert und geprüft, ob und wie die Umstellung

der kirchlichen Gebäude auf Fernwärme durch die Biogasanlage (Anm.: auf dem Gut Quarnstedt)

möglich und wirtschaftlich vertretbar ist.“ 15

Besoldung und Rechnungswesen

Der jeweilige Gartower Pastor erhielt vom Haus Gartow jährlich drei Faden Eichenholz als sogen.

„Christholz“, der Kantor die Hälfte. 16

Vom Hause Gartow wurde um 1710/11 Pastor Christoph Lehmann zu Michaelis mit

20 Rtlr. Barzahlung jährlich besoldet. Nach altem Recht hatte er Anspruch auf den Empfang von

6 Bratwürsten zu Weihnachten. Diese ließ er sich nicht in natura liefern sondern erhielt dafür den

144


Geldwert (6ggr.). Weitere 12 Rtlr. erhielt er in seiner Funktion als gleichzeitiger Pastor von Restorf.

Dieser Geldbetrag war gekoppelt mit der sogen. „Böselschen Hufe“, die im Austausch mit Pölitz an

das Amt Dannenberg gefallen war.

Am 11. September 1858 wandte sich der Gartower Pastor Freytag an den Grafen von Bernstorff:

„…um Berichtigung der rückständigen Pacht für die Pfarrländereien. Seit Jahren bin ich, weil diese

Pacht nicht zu den festgesetzten Terminen erfolgte, nie mehr gänzlich aus der Verlegenheit gekommen.

Notgedrungen habe ich Ew. Hochgeboren von Zeit zu Zeit Mitteilungen über meine drückende

Lage gemacht, in welche ich durch den erwähnten Umstand versetzt wurde. Es fehlt seit

langem schon oft der Groschen zu den kleinen Bedürfnissen des täglichen Lebens, unter welchem

Mangel meine Frau schwer leidet. Noch in diesen Tagen muß ich längst eingegangene, bedeutende

Verpflichtungen zu erfüllen und bedarf über das zur Ausrüstung meines ältesten Sohnes für

seine neue Lebensstellung, zur Berichtigung des Kostgeldes für die beiden anderen Kinder und

des Gesindelohnes unumgänglich einer für meine Umstände bedeutenden Summe. Ew. Hochgeboren

werden mir das Angeführte zur Entschuldigung gereichen lassen, wenn ich nochmals um

die Berichtigung der bis zum 1. Mai d.J. fälligen Pachtsumme sowohl für die Pfarräcker als für die

Pfarrwiesen dringend bitte…“

Die Personen, die mit der Kirchenrechnungsführung betraut waren (Pastor, Kantor, Kirchenjurat)

erhielten lediglich Anerkennungsbeträge, ebenso der Patron v. Bernstorff für Schreibgebühren,

wie auch der Fleckensdiener und Gerichtsdiener.

Für die Prüfung der Kirchenrechnung erhielten laut Anweisung vom 4. März 1763 der Amtmann

und Amtsschreiber ebenfalls Gebühren. Jährlich ein Mal, wohl bei Fertigstellung der Kirchenrechnung,

gab es eine Mahlzeit für 9 Personen, wobei auch eine halbe Tonne Bier konsumiert worden

ist. Die Ausgaben hierfür erscheinen ebenfalls.

Der Kantor erhielt in seiner Funktion als Organist eine Jahresbesoldung von 8 Rtlr., die beiden

Glockenläuter 2 Rtlr. zusätzlich zu dem Betrag, den sie ohnehin aus der

Bürgerrechnung erhielten.

Kantor Krug erhielt vom Haus Gartow vierteljährlich den „Hausdreyer“ für die Gartower Hospitalbürgerstelle,

also 3 Gute Groschen Anerkennungsgebühr, ferner zwei Ostereier. Pastor Hölty erhielt

„für Haltung der Betstunden und Catechismus Lehren“ im Hospital“ 16 Rtlr., eine Wurst und

6 Eier im Jahr. Der Organist, Küster und Schullehrer Bernhard Marwede erhielt vom Haus Gartow

jährlich eine Barbesoldung von 16 Rtlr. Auch er hatte Anspruch auf 3 Bratwürste zu Weihnachten,

die mit Geld abgegolten wurden. Ferner erhielt er für zwei inzwischen wüstgefallene Höfe in Quarnstedt

(Klitzing, Buncke) weitere 6 ggr. an Einnahmen. 17/18

Auch an den Bälgentreter wurde gedacht. Er bekam für seine Bemühungen als Naturalie 5 Himpten

Roggen. Seit 1704 hatte er nichts mehr zu tun, weil die Orgel in jenem Jahr wegen des Turmbaues

ausgebaut und noch nicht wieder installiert war.

Im gewissen Maße wurde ferner der Lehrer Schröder in Nienwalde unterstützt, er bekam jährlich

einen Zuschuß von 6 Rtlr. auf Anordnung des Grafen vom 31. Oktober 1762 „wegen der geringen

Anzahl seiner Schulkinder zur Beyhülfe“.

Dann gab es noch einen Türwärter namens Rump, der für seine Tätigkeit jedes Quartal 1 Rtlr. erhielt.

145


Der Hospitalküster Johann Friedrich Lange war für das Vorlesen und Vorsingen während der Gottesdienste

zuständig. Dafür erhielt er 2 Rtlr. jährlich. Schließlich erhielten die Kirchenjuraten vom

Haus Gartow ein Fuder „Kirchenrechnungs-Holtz“. 19

1711: Ausgaben an den Geistlichen pro Salario

146


1775: Ausgaben für Wein und Oblaten in der Kirche Gartow

147


Anhand einiger alter Kirchenrechnungen der Gartower Kirche soll versucht werden, die örtliche

Kirchenverfassung etwas zu verdeutlichen:

Früher galt als Registerlaufzeit der Zeitraum von Advent zu Advent, es wurde vom jeweiligen Kirchenjuraten

geführt. Zunächst kommt hier die Kirchenrechnung von

1775/76 zur Auswertung. Es waren Zahlungsrückstände, die zur Einnahme gerechnet wurden, zu

verzeichnen: Zinsen und Kirchstuhlmiete vom Hof des Joachim Henning Gausmann aus Nienwalde,

seit 1772 dazu die Zinsen von 1773; die der Hofnachfolger Jürgen Hinrich Schultze ebenfalls

noch nicht beglichen hatte. Auch hatte Letzterer die Zinsen von 1775 ebenso noch nicht beglichen.

Der in Konkurs geratene und „entwichene“ Jürgen Reinack aus Gartow war Zinsen rückständig

geblieben und bei der Konkursabwicklung erhielt die Kirche weiteres Kapital als Einnahme,

wie ferner von Gausmanns Hof aus Nienwalde. Es müssen daher außer den Zinszahlungen noch

andere Außenstände gegenüber der Kirche bei beiden bestanden haben.

Um mit Geldmitteln flüssig zu sein, hat sich die Kirche Gartow Ostern 1763 von benachbarten Kirchen

Gelder geliehen, wofür sie Zinsen zahlen mußte: Kapelle Lomitz (42 Rtlr.), Kirche Trebel (70

Rtlr.), Kapelle Volzendorf (46 Rtlr.), Kapelle Meetschow (70 Rtlr.), Kirche Restorf (50 Rtlr.), Kapelle

Prezier (98 Rtlr.), Kirche Holtorf (79 Rtlr.), Kirche Kapern (84 Rtlr.) und 1764 erneut von der Kirche

Holtorf (23 Rtlr.). Von der Gartower Stiftung zum Heiligen Geist sogar die Summe von 578 Rtlr.

Da offenbar dieses Geld noch immer nicht ausreichte, sind in den Folgejahren weitere Beträge

angeliehen worden: 1766 erneut von der Kapelle Prezier (56 Rtlr.), Kirche Trebel (57 Rtlr.), Kirche

Kapern (53 Rtlr.), Kirche Holtorf (37 Rtlr.). Ab 1769 ging man dazu über, sogar von Privatpersonen

Gelder anzuleihen, nämlich vom gräflichen Reitknecht Pflug (93 Rtlr.), vom Grafen v. Bernstorff

selbst (46 Rtlr.) und vom Fräulein v. Jagow (100 Rtlr.). 1770 sind von der Kirche Kapern 72 Rtlr.,

im Jahre 1771 von der Frau des Gartower Amtmannes Wolbrecht 72 Rtlr., 1774 von der minderjährigen

Tochter des Nachtwächters Jochim Buwäse aus Gartow 100 Rtlr., von den Erben des Jochim

Christoph Uhlenbrock 46 Rtlr. und erneut von der Stiftung zum Heiligen Geist 40 Rtlr., 1775 von

der Kirche Restorf 40 Rtlr., von der Kapelle Prezier 150 Rtlr. und schließlich von der Kirche Holtorf

100 Rtlr. angeliehen worden.Die letzte Geldaufnahme mit 400 Rtlr. wurde 1776 von Friedrich

Christoph Sannecke bezogen, so daß die Kirche Gartow insgesamt von 1763 bis 1776 die Summe

von 2608 Rtlr. Schulden bei diversen Gläubigern hatte.

Aber die Kirche Gartow verlieh ihrerseits ebenfalls Gelder und vereinnahmte die Zinsen davon. Der

Zins lag damals bei 5 Prozent oder 1 ½ Guten Groschen je verliehenen Reichsthaler. Aus Gartow

mußten daher Zinsen an die Kirche Gartow zahlen: Stephan Hinrich Belitz (Leihsumme 18 Rtlr.),

Johann Christoph Bennecke (16 Rtlr.), Jürgen Reinack, der später Gartow heimlich verließ (17

Rtlr.), Johann Christian Schlüters Witwe (32 Rtlr.), Joachim Dietrich Schultze (14 Rtlr.), Johann Levin

Ahnsorge (68 Rtlr.), Cord Hinrich Meyer (18 Rtlr.), Georg Christian Werner (14 Rtlr.) und Georg

Christian Werner (20 Rtlr.). Dazu kamen Christian Gäde aus Holtorf (2 Rtlr.), Johann Hinrich Lücke

(5 Rtlr.), Jürgen Hinrich Schultze (10 Rtlr.) und Conrad Hahlbohm (7 Rtlr.), Christoph Hinrich Muchau

aus Vietze (12 Rtlr.) und Johann Friedrich Ostermann aus Meetschow (1 Rtlr.). Ferner hatte sich

Graf von Bernstorff im Jahre 1763/1774 den hohen Betrag von 933 Rtlr. von der Kirche Gartow

geliehen, wie auch die Kapelle Gorleben 100 Rtlr. und die Kirche Trebel für den Einbau der Orgel

400 Rtlr. Das alles zusammen erbrachte 65 Rtlr. Zinseinnahmen. Die Einnahme von 12 ggr., die

der Flecken Gartow alljährlich am stattfindenden Gerichtstag an die Kirche abführen mußte, fällt

dagegen kaum ins Gewicht. Es war damals allgemeiner Brauch, in der Kirche seinen Sitzplatz zu

kaufen (Kosten zwei Rtlr.).

148


Wurde der Kirchenstand aufgegeben, waren einmalig 6 ggr. zu zahlen. Wer keinen Kirchenstand

kaufen wollte oder konnte, zahlte ein jährliches Mietgeld in Höhe von 3 ggr.. Frauen und Männer

saßen in der Kirche getrennt. Die vermietbaren „Manns-Stände“ befanden sich in der „mittelsten

Reihe“ und an der „Flecken Seite“. Gemietet waren in der „mittelsten Reihe“ (in Klammern: Nummer

des Sitzes) Plätze von: Johann Christoph Bennecke (79), Friedrich Dräger (80), Cordtsche

Hausstelle „betritt Prange“ (82), Johann Nork (84), Maler Willers (87), Joachim Hoyer (90), Friedrich

Hennings (92), Hartwig Friedrich Minte (94), Balzer Hinrich Kruse (95), Friedrich Riechert (97),

Nicolaus Lindhus (98), Friedrich Meyers Erben „betritt Bunncke auf ½ Jahr“ (99), Andreas Carl

Janecke (102), Johann Albrecht Hartwig (103), Hans Jürgen Hasse (104), Leopold Ziesenitz (105),

Landchirurg Pouloux (108), Jürgen Christoph Bormann (110), Joachim Friedrich Hildebrand (111),

Jürgen Hinrich Rohr „betritt Giegeler“ (112), Jürgen Werner (113), Johann Christian Spohn (114),

Johann Christian Pevestorf (115), Johann Friedrich Wiese (117), Johann Daniel Behne (118), Johann

Joachim Röhl (119) und Joachim Wilhelm Bischoff (120), sämtlich aus Gartow.

Die Gartower Männer saßen allesamt in einer Abteilung wie auch die Männer aus Nienwalde,

die in der Kirche an der „Flecken-Seite“ gesessen haben, ferner die Männer aus Meetschow, Quarnstedt

und Rucksmoor; die in anderen Kirchenabteilungen ihre Plätze hatten.

Hier jedoch interessieren die den Gartowern reservierten Kirchenstände, wobei die Reihe mit den

„Frauen-Ständen“ fortgesetzt wird:

Witwe des Peter Roost (115), welche „auf der Klappe“ sitzen mußte, Frau des Kutschers Lämmers

(115), die drei Witwen, die im v. Bernstorffschen Hospital wohnten und deshalb keine 3 ggr. Miete

zahlen brauchten: Witwe des Christian Gäde (116), des Jürgen Wilhelm Bennecke (118) und des

Joachim Gäde (117). Es folgen einige Stände, deren Miete das Haus Gartow zahlte, die Kirchenstandmieter

also Bedienstete des Hauses Gartow gewesen sind: Catharina Zincke (119), die Frau

des gräfl. Ackervogts Bobzien (120), die Frau von Johann Hinrich Klug (121), Frau des Försters

Eschrich (122), Frau von N.N. Rosenbohm (123) und Frau von N.N. Buße (124). An der Gartenseite

im Kircheninneren haben weitere Gartower Frauen ihre Plätze gehabt: Frau des Friedrich Bennecke

(75), Frau des Erdmann Schultze (76), Magd der Amtmannsfrau Wolbrecht (77), Frau des Andreas

Hildebrandt (78), Magd des Herrn Michaelis (79), Magd der Pastorenfrau Schultze (80), Frau des

Adam Jahnken (81), Magd des N.N. Waldau (82), Magd des H. Schröder (83), Frau des Christoph

Kayser (84), Magd des Herrn Torbiers (Törber?) (85). Die beiden Witwen Lehnert und Maak (118,

124) aus dem Hospital waren von der Kirchenstuhl-Gebühr befreit. In der Prieche an der „Flecken-

Seite“ befanden sich weitere „Manns-Stände“ der Gartower: Joachim Martin Niebuhr (2), Jacob

Schultze Witwe (3), Levin Ahnsorge (4), Johann Ludwig Suhr (5), Johann Christian Schlüter Witwe

(6), Samuel Wunderlich (7), Schneider Diehn (8), Friedrich Belitz (9), Cord Hinrich Meyer (10), Ahnsorge

jun. (11). „Die beyden Acker-Voigte“ (15), Holzknecht Niemann (16), Ackervogt Bobzien (17)

und der Ochsenknecht Schultze (18), waren ebenfalls frei von Gebühren. Weiterhin saßen dort:

Friedrich Bennecke (19), Joachim Adam Jahnke (20), Anton Fuhrmann (21), Valentin Kahle (23),

Johann Zierres (24), Friedrich Kröplien (25), Erdmann Schultze (26), Andreas Hildebrand (27), in

der „Prieche Gartenwärts“ haben Schmied Meyer (5), Invalide Joachim Maneke (6), Johann Lemke

(7) und der Nachrichter Schultz (8) gesessen. Damit ist die Liste nicht erschöpft, in der „mittelsten

Reihe“ nahmen Frauen und Männer gemischt ihren Platz ein: Jürgen Christian Werner (7), Johann

Wilhelm Hilgenfeld (12), Friedrich Hennings (14), Herr Davids (15), Louise Catharine Dingelstedt

(18), Andreas Hildebrands Stelle „betritt Bonncks Frau für ½ Jahr“ (20), „zur Cordschen Stelle

gehörig, betritt Witwe Sauerbrey“ (21), Friedrich Dräger (23), Ernst Leopold Ziesenitz (24), Johann

Ludwig Saur (26), der Kammerdiener Herr Meyer (27), Fräulein von Schultz „betritt Herr Willers

149


Frau“ (28), Johann Christian Spohn (29), dessen Tochter (30), Johann Christoph Bennecke (31),

Hartwig Friedrich Minte (35), Meyers Erben „betritt Witwe Frahm auf ½ Jahr“ (37), Johann Albrecht

Hartwig (38), N.N. Waldau (39), Joachim Röhl (40), Hinrich Christian Dannehl (41), Andreas Carl

Jahnecke (42), Hans Jürgen Hasse (44), Johann Wilhelm Hilgenfeld (45), Jürgen Hinrich Rohrs Witwe

(46), Margarethe Lehnchen (47), Joachim Hoyer (48), Friedrich Riechert (49), Jacob Schultze

Witwe (50), Joachim Wilhelm Bischof (51), Joachim Maneke (52), Johann Christian Pewestorf (53),

Georg Christoph Sörger (54), Hinrich Otto Adam Gartauer (55), Joachim Friedrich Hildebrand (56),

Julius Schulze Witwe (57), Jürgen Christoph Bormann (58), Joachim Prange (59), Hinrich Schönberg

(60), Johann Christian Schlüter Witwe (61), Zimmermeister Tege (62), Johann Levin Ahnsorge

(63), Nicolaus Lindhus (64), Cord Christoph Reinecke (66), Nachrichter Schultz Frau (67), Ludolph

Hildebrands Frau (69), Friedrich Kröplien (70), Gefreiter Johann Schmidt (71), Johann Norck (72),

Georg Valentin Kahle (73), Johann Kruse Witwe (74), Andreas Giegeler (75), Samuel Wunderlich

(76), Johann Friedrich Wiese Magd (77), Cord Meyer (78) und in den „Frauen-Ständen Fleckenwärts“:

Witwe Frahm (1) und die Magd des Försters Schultze (2), Magd des Herr Lotzow (22), Reitknecht

Friedrich Frahm (61), Frau des Schäfers Ahrens (62), Witwe des Invaliden Lange (72), Frau

des Invaliden Meinecke (73), Frau des Christoph Schütte (78), Frau des Wachtschützen Meinecke

(79), Johann Joachim Wegener (80) und „Gartenwärts“: die zwei Mägde des Amtmannes Werckmeister

(1, 2), die Magd des Amtsschreibers Kniep (3), Rönnebecks Frau (4), Dankerts Frau (8),

Die vier Frauen der Hofknechte (8, 9, 10, 13), Siemes Schultze Frau (14), Frau des Andreas Kruse

(15), Frau des Hans Bonhoff (16). Diese Personen gehörten als Dienstpersonal zum Haus Gartow

(Graf von Bernstorff). Im entfernteren Sinne zählten die folgenden Frauen

ebenfalls zum gräflichen Personal, da deren Männer niedrige Funktionen für das Haus Gartow

ausübten: Frau des Schmieds Meyer (19), Anna Ilsabe Pflughöfft (20), Niemanns Frau aus dem

Elbholz (21), Frau des Pfandemanns Koppe (22), die Frau des Gerichtsvogtes (25), die Witwe des

Fischers Bahlke aus dem Elbholz (26). Frau des Heubinders Guhl (27), Witwe des N.N. Gott sen.

(39), Herr Michaelis (46), die Frau des Nachrichterknechtes (62), Witwe Bahlke (66), Witwe des

Kuhhirten Peerts (67) und Witwe Rönneburg (68). Ferner bezahlte das Haus Gartow „6 Stände in

denen neu angebauten hohen Stühlen.“

Einnahmen ergaben sich auch aus dem Läutegeld der Glocke, als 1775/76 der Pächter des Vorwerkes

Rucksmoor, Bade und die Frau des Hofknechtes Schultze aus Quarnstedt verstarben. Es

sind jeweils 9 ggr. bezahlt worden. Diesen Betrag zahlten ferner auch Verwandte Auswärtiger, für

Kinder war die Hälfte aufzubringen. Bei Hochzeiten zuvor „lediger Leute“ mussten gemäß Kirchenordnung

8 ggr. für das Läuten bezahlt werden.

Von den Erbschaften Verstorbener vereinnahmte die Kirche den „100sten Pfennig“: das nachgelassene

Vermögen der verstorbenen Pastorenwitwe Gössel wurde mit 120 Rtlr. festgestellt und

davon 1 Rtlr. 4 ggr. 10 Pfg. als „hundertster Pfennig“ einbehalten. Auch vom Vermögen des verstorbenen

Balzer Christian Röhrs ist diese Abgabe erhoben worden. Dann kam es vor, daß anonyme

Geldgeschenke vereinnahmt werden konnten: „Den 7. Febr. 1776 ist von einem Unbekannten der

Altar beschenkt worden mit 2 Rtlr. 11 ggr. 1 Pfg.“

Es gab immer wieder Leute, die Geld für Arme spendeten. Hier diente der in der Kirche aufgestellte

Armenkasten, der besonders zu Weihnachten, Ostern, Johannis und Michaelis die Mildtätigkeit

herausforderte. Ferner kamen die sogen. „Becken-Collecten“ am Buß- und Bettag sowie Karfreitag

hinzu.

150


Von Graf v. Bernstorff gab es eine Anordnung, nur die Hälfte der Einnahmen, die dem Armenkasten

zuflossen, wieder an arme Personen auszuschütten. Dies betraf auch die „Becken-Collecte“.

Der Kirchenbetrieb erforderte allerdings auch Ausgaben. Dabei war die Leihsumme von 400 Rtlr.

zur Anschaffung der Orgel in Trebel zu Ostern 1776 eine einmalige, außergewöhnliche Ausgabe.

Nicht jedoch die Zinszahlung an den Grafen v. Bernstorff mit 23 Rtlr.Ausgaben entstanden für

die Reinigung der Altargeräte durch den Kantor, für Kreide „die Vasa sacra“ zu reinigen, Lichter

anzünden und Brot sowie Wein anzukaufen. Auch das Fensterputzen, Reparaturen in und am Gebäude

waren zu bezahlen. Damals erhielt Friedrich Ernst Steinmacher den Auftrag „64 Nummern

auf denen Priechen anzumalen“. Kleine Ausgabebeträge entfielen auf das Glockenfett, Wartung

der Stundenuhr durch den Kantor, der hierfür Baumöl benötigte. Der Kossater Hannover aus Nienwalde

hat damals die Kirchenuhr gängig gemacht, wobei der Uhrmacher Kahlebom die Uhr nur

reinigte.

Außer dem Leihkapital für die Trebeler Kirchenorgel waren die Zinszahlungen an etliche Gläubiger

der größte Ausgabeposten.

Gartower Pastoren

Pastor Umland unterzog sich 1924/25 der Mühe, die Gartower Kirchengeschichte etwas aufzuhellen.

Hier sein langer Bericht „Wenn die Gartower Kirchenmauern erzählen könnten:

„Ja, wenn die Gartower Kirchenmauern erzählten könnten, das würde gewiß eine interessante

Geschichte werden. Denn unsere Kirche steht nun schon 200 Jahre auf ihrem Fleck und es hat

sich gar mancherlei begeben, nicht nur in Gartows Mauern, sondern noch viel mehr in der großen

Welt. Wenn wir ein Menschenalter mit 30 Jahren ansetzen, so stehen wir jetzt in der siebenten

Generation seit dem Kirchenbau und in dieser Zeit wurden in unserer Gemeinde 7470 Kinder getauft.

Doch wer denkt noch an all die Menschenschicksale, die diese Zahlen in sich bergen und an

all die Stürme, die in den verflossenen 200 Jahren über unser Volk und Land dahingebraust sind?

Unsere Kirchenmauern sind stumm. So will ich denn einiges herausgreifen, was ich in alten Büchern

und Akten gefunden habe.

Als unsere Kirche gebaut wurde, herrschten in unserem Lande die Kurfürsten von Braunschweig

und Lüneburg, die aber seit 1714 zugleich Könige von England waren. Sie hatten ihre Residenz in

England und kamen nur ab und an in ihre hannöversche Heimat. Die Bevölkerung unserer ganzen

Gegend war nur arm, denn noch seufzte man unter den Nachwirkungen des schrecklichen 30

jährigen Krieges. Wir sehen das daraus, daß gegen Ende desselben weder die Restorfer noch die

Gartower das Gehalt für einen eigenen Pastor aufbringen konnten. Die Pfarre in Restorf ist daher

im Jahre 1644 mit der Pfarre zu Gartow verbunden worden: „Die Combination dieser beyden

Pfarren hat accurat ein secuculum (= 1 Jahrhundert) über existiert. Sie ist Anno 1644 … erfolget,

nachdem per tricennale bellum (= durch den 30 jährigen Krieg) der hiesigen Gegend Zustand so

schlecht geworden, daß weder zu Gartow noch zu Rehstorff ein besonderer und eigener Prediger

hat subsistiren können… Von Anno 1644 dauerte diese Combination bis Anno 1744. In diesen

seculo, welches gewiß ein merkwürdiger Umstand ist, sind nur 3 Prediger gewesen, welche beyde

Pfarren zugleich administriret

(=verwaltet) haben und in Gartow wohnhaft gewesen“ (aus der Restorfer Chronik). Sie sind in

Restorf begraben und ihre Grabsteine liegen zum Teil in der Kirche zu Restorf. Ihre Namen sind

Magister Jürgen Betichius (Bethke), kurzweg „Magister Jürgen“ genannt. Er ist noch selber hinter

dem Pfluge gegangen und hat sein Land gepflüget. Der zweite war Magister Lehmann, dessen Bild

noch heute im Restorfer Pfarrhause zu sehen ist, der dritte Prediger Gössel, der wohl in der Zeit,

151


als 1721 mit dem ganzen Flecken auch das Pfarrhaus in Gartow niederbrannte, vorübergehend in

Restorf wohnte. Gössel ist also der erste Gartower Pastor seit Erbauung der neuen Kirche.

Nachdem Marwede verstorben war, nahm sein Nachfolger Jacob Dingelstedt seinen

Dienst ab 1725 auf.

1744 kam Ehren Heinrich Wilhelm Bode aus Kirchberg im Wolfenbüttelschen als Pastor nach

Gartow, infolge Präsentation durch den „Krieges Rath Frey Herrn Andreas Gottlieb von Bernstorff

auf Gartow“. Die Bestallungsurkunde ist vom Konsistorium in Hannover „Nahmens Ihro Königl.

Majestät von Groß-Britannien und Chur Fürstlicher Durchlaucht zu Braunschweig und Lüneburg“

ausgestellt. In jene Zeit fällt der zweite große Brand von Gartow im Jahre 1764, über den ich

freilich nichts Näheres habe erfahren können. Pastor Bode war hier während des siebenjährigen

Krieges. Nach seinem Tod kam 1769 durch Präsentation des Herrn Grafen von Bernstorff Ehren

Lindner von Prezelle hierher. Zu seiner Einführung kam der Probst Dankwerts von Lüchow herüber,

denn die Pröbste von Lüchow hatten dazumal die Cura animarum (Sorge für die Seelen) über

die unter gräflichem Patronate stehenden Gemeinden Prezelle, Gartow, Restorf, zu denen später

auch Trebel und Holtorf-Kapern gekommen sind, wahrzunehmen. Zur Cura animarum gehörte das

Recht der Introduction (Einführung) und Visitation der Geistlichen, während im übrigen die Aufsicht

über Kirchen und Pastoren zur Gerechtsame des gräflichen Patronats gehörte. In damaliger

Zeit müssen die Wegeverhältnisse offenbar noch sehr schlecht gewesen sein, denn der Amtmann

Werkmeister in Gartow schreibt unter dem 11. April 1769 an den Probst zu Lüchow: „Hochwürdiger,

Hochgelehrter, Hochzuverehrender Herr Probst! Da der Weg von Lüchau hierher an einigen

Stellen etwas sandigt ist, so überkommen zu unserer Geschwindigkeit sechs Pferde. Der Fuhrmann

hat Befehl, sich diesen Abend um 7 Uhr bei Euer Hochwürden zu melden und die Zeit zu

vernehmen, um welche er morgen früh anspannen soll, sodann aber Dieselben in drey Stunden

ohnfehlbar herzufahren.“ Auffällig ist auch, daß der Amtmann Werkmeister den Probst zugleich

Superintendent Sr. Britannischen Majestät nennt.

Pastor Lindner starb hier im Jahre 1788. Er ist der letzte Pastor gewesen, der hier einen zum Tode

Verurteilten auf sein letztes Stündlein vorbereitet hat, nämlich den Pferdedieb Friedrich Ludolf

Wiese aus Niendorf (Nienwalde), der 1772 auf dem Galgenberg gehängt wurde.

Anno 1789, dem Jahre des Ausbruches der französischen Revolution, wurde auf die von Herrn

Geheimen Rath Graf v. Bernstorff geschehene Präsentation Ehren Levin Carl Hölty, gleichfalls

aus Prezelle, auf die Pfarre zu Gartow berufen. Er ist der letzte, dessen Bestallungsurkunde vom

Königl. Großbritann. und Chur Fürstl. Braunschweig-Lüneburgischen Konsistorio in Hannover ausgestellt

wurde. Pastor Hölty hat von allen Gartower Pastoren hier am längsten gewirkt (1789 -

1834), 44 ¾ Jahre. In seine Amtstätigkeit fällt die Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands

und der Befreiungskriege. Von 1807 bis 1813 gehörte auch Gartow zum Königreich Westfalen,

das Napoleon mit seinem Bruder Jerome als König geschaffen hatte. An diese Zeit erinnern noch

die auf der Pfarre sich befindlichen, nach französischem Muster eingerichteten Zivilstandsregister.

Damals gab es in Deutschland noch keine Standesämter. Alle Geburts-, Trauungs- und Sterbefälle

wurden noch von den Pastoren in den Kirchenbüchern beurkundet. Erst im Jahre 1874 wurden

auch in Deutschland allgemein die Standesämter eingerichtet. Während des letzten Krieges

(Anm.: 1914/18) kam zufällig ein französischer Geburtsschein in meine Hände. Er zeigte mir, daß

die Form der Eintragung in die französischen Geburtsregister noch heute genau dieselbe ist wie in

den von 1807 - 1813 hier auf Befehl der französischen Regierung geführten Zivilstandsregistern.

152


Leider läßt sich über die kirchlichen Zustände und das kirchliche Leben in den damaligen Zeiten

nichts ermitteln. Pastor Hölty scheint eine ehrwürdige Predigergestalt gewesen zu sein. Er hat

sich in seiner langen Amtszeit und zum Teil recht bewegten Zeitläuften die Liebe und Verehrung

seiner Gemeinde erworben. In den beiden letzten Lebensjahren wurde ihm in der Person seines

späteren Nachfolgers des Kandidaten der Theologie, Freytag, aus Ratzeburg im Lauenburgischen,

ein Adjunkt zur Seite gestellt, der ihm einen Teil der Arbeit abnahm. Pastor Hölty starb am 30.

September 1833 an Altersschwäche im Alter von 74 Jahren, 8 Monaten und 7 Tagen. Er hatte 44

¾ Jahre „dem Predigtamt in Gartow vorgestanden“.

In den Akten befindet sich noch ein Brief des Pastors Holste aus Restorf, in dem dieser an den

Probst zu Lüchow über die Beerdigung des Pastors Hölty berichtet. Wir entnehmen aus diesem

Briefe folgendes:

„Unsern alten lieben und in jeder Rücksicht würdigen Kollegen Pastor Hölty, von dessen Ableben

der Herr Graf Sie benachrichtiget hat, haben wir am Sonnabend Vormittag zur Ruhestätte begleitet.

Unser Herr Kirchen-Patron hat sich in der Tat bei diesem Sterbefall, ehrend für ihn selbst

sowie für den Vollendeten und dessen Familie mit Ruhm und Dank von Allen bedeckt. Er hat einen

leichten, schwarz angestrichenen Leichenwagen dazu zurecht machen lassen und oben mit einer

Decke von schwarzem Tuch, wolkenmäßig drappiert (man sagt von 60 Ellen) versehen lassen.

Er ließ die beiden Brüder – nach der Leiche mit seinem Gespann fahren, dann in 2 Karossen uns

Prediger. Dann kam der Herr Graf selbst in einem Wagen mit 4 Pferden, dann der Herr Amtmann

und Herr Hofmedicus. Dann folgten alle Schullehrer aus dem ganzen Gericht nach seiner Anordnung,

von uns besorgt. Darauf das ganze Forstpersonal, alles von ihm selbst so angeordnet, dann

die Bürger Gartows und wer sich sonst dem Leichenzug anschloß. Durchs Flecken gingen wir alle,

und vor dem Flecken stiegen alle in ihre Wagen. Beim Leichenwagen gingen bei jedem Pferde

des gräflichen Stalles ein Reitknecht oder Knecht, damit die etwas raschen Pferde in langsamem

Schritte gehalten würden. Nachdem auf dem Kirchhofe gesungen und dabei die Beerdigung beendet

war, hielt Herr Pastor Freytag eine kleine Rede in seiner Manier, doch recht passend. Darauf

stand meine Wenigkeit auf und hielt eine Rede ex corde (aus dem Herzen) als 39 jähriger Freund

des würdigen Entschlafenen. Comes (Graf) stand wie Alle mit unbedecktem Haupt im sehr großen

dreifachen Zirkel. Ich darf sagen: es gelang mir vom Herzen zum Herzen eindringlich, dies

Opfer meiner treuen Liebe dem Ruhenden darzubringen, der am letzten Tage seines Lebens mit

schmerzlichen Krämpfen in der Brust wie in den Füßen hat kämpfen müssen. – Die Frau Gräfin

hat am Tage seiner Beerdigung sein Grab sehr schön mit Gesträuchen und Blumen verzieren

lassen. – Das Alles hat der Edle auch ganz verdient.“… Ehe wir nun in der Kirchengeschichte von

Gartow weitergehen, wollen wir noch einiges aus der Amtszeit des Genannten nachholen…. Beim

Durchblättern der von Pastor Hölty mit großer Sorgfalt geführten Kirchenbücher sind mir noch zwei

bedeutsame Bemerkungen aufgefallen. Die eine interessiert besonders die Gartower. Bei dem am

27. April 1814 28 Jahre alt an der Schwindsucht verstorbenen und am 30. April 1814 begrabenen

Gerichtsdiener Johann Georg Heinrich Kubel steht zu lesen: „Er ist der erste, welcher auf dem

Kirchhofe in der Buchhorst beerdigt ist.“ Also 1814 ist der alte jetzt verfallene Kirchhof angelegt,

auf dem Gartow seine Toten bis 1878 begraben hat. Früher ruhten die Toten auch hier im Schatten

der Kirche. Freilich nötigten gelegentlich die Wasserverhältnisse unsere Vorfahren, ihre Leichen

auf höhergelegenen Plätzen zu bestatten. So fand Anno 1814 der 79 jährige Invalide Levin Ernst

Schulze aus Niendorf „wegen hohen Wassers in den Tannen unweit der Scharfrichterei“ seine

letzte irdische Ruhestätte…

153


Nach dieser Abschweifung kehren wir wieder zum Begräbnis des alten Pastor Hölty zurück. Er

schläft nun den langen Schlaf nach mühevollem Leben dem Morgen der Ewigkeit entgegen. Sein

Tod legte die ganze Amtslast auf die Schultern des jungen Pastors Freytag.

Bereits am 5. April 1832 hatte das Königl. Großbritann. Hannoversche Konsistorium zu Hannover

dem Kandidaten der Theologie, Johann Julius Peter Freytag aus Ratzeburg im Lauenburgischen

infolge von Präsentation durch den Kirchenpatron Grafen von Bernstorff zum Pfarr-Adjunkten ernannt

und zwar cum spe succedend: (mit der Hoffnung auf Nachfolge). In jenen Zeiten wurden

die Pastoren nicht pensioniert, wenn sie alt und gebrechlich wurden sondern sie erhielten einen

Adjunkten, der ihnen bei den Amtsgeschäften half oder wohl gar alle Arbeit abnahm; sie selber

aber blieben Inhaber der Pfarre bis zu ihrem Tode. Gar mancher junge Pastor, der mit Aussicht

auf Nachfolge bei einem alten Herrn angestellt war, hat jahrelang gegen eine geringe Vergütung

arbeiten müssen. Pastor Freytag ist nicht ganz ein Jahr Adjunkt gewesen.

Am 21. Oktober 1832 (18. Sonntag nach Trinitatis) wurde er feierlich in sein Amt eingeführt und

nach dem 30. September 1833 erfolgten Tode des Pastors Hölty ohne weiteres rechtmäßiger Inhaber

der Pfarre zu Gartow. Er hat seine ganze Kraft auf dieser einzigen Stelle verzehrt. Er ist hier

annähernd 40 Jahre tätig gewesen und lebt hier im Volksmund als „der alte Pastor Freytag“ fort.

Von 1789 - 1871 hat Gartow also nur zwei Pastoren gehabt: Hölty und Freytag.

Pastor Freytag ist hier in Gartow jung gewesen und alt geworden. Wenn ich jetzt in den alten von

ihm geführten Kirchenbüchern lese, so muß ich mich immer aufs neue darüber wundern, daß er

vom ersten bis zum letzten Tage mit der gleichen tadellosen Handschrift seine Bücher geführt hat.

Seine Handschrift war wie „gestochen“. Die gleiche Sorgfalt hat er auf die Kirchenvorstandsprotokolle

verwandt, die vom Jahre 1851 an hier vorliegen. Überblicke ich nun das Leben dieses treuen

sorgfältigen Mannes, wie es uns in den Kirchenbüchern und Kirchenvorstandsprotokollen sich

widerspiegelt, so muß ich sagen, daß wohl keiner der Gartower Pastoren es so schwer gehabt hat

wie Pastor Freytag. Freilich habe ich über seine ersten Amtsjahre nur wenig erfahren können. Nur

soviel steht fest, daß er von Anfang mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten hart hat kämpfen müssen.

Er war wie die meisten damaligen Pastoren auf den Betrieb der Landwirtschaft angewiesen

und hat in den ersten Jahren durch die damals gerade sehr häufigen Überschwemmungen fast

dauernd Mißernten gehabt. Bald fiel auch auf sein häusliches Glück ein dunkler Schatten. Seine

junge Frau, die ihm einen Sohn geschenkt hatte, erkrankte schon nach zweijähriger Ehe an der

Schwindsucht und starb am 17. November 1835 im blühenden Alter von 25 Jahren. Es ist Marie

Amalie Wilhelmine Freytag geb. Heimreich, deren Grabstätte noch heute auf dem jetzt verfallenen

Friedhof hinter der Buchhorst zu finden ist. Wer mal an einem Sonntag Nachmittag dorthin pilgert,

findet daneben noch ein zweites Grab. Darin ruht die zweite Lebensgefährtin des Pastors Freytag,

Wilhelmine Dorothee Franziska geb. Lehnert. Auch sie ist ihrem Manne im Tod vorangegangen. Sie

starb nach langem Leiden am 24. November 1863 im 63. Lebensjahre an der Wassersucht. Die

letzten acht Jahre hat Pastor Freytag einsam als Witwer zugebracht. In der zweiten Ehe wurden

ihm zwei Kinder, ein Sohn und eine dauernd kränkliche Tochter, geschenkt, die ihren Eltern dauernd

ein Gegenstand der Sorge war.

Vom Jahr 1851 an sind wir durch die Protokolle der Kirchenvorstandssitzungen genauer über

Amtslast und Amtssorgen des Pastors Freytag unterrichtet. Zwei Ereignisse waren es vor allem,

deren Folgen sich wie ein dunkler Schatten auf die zweite Hälfte seiner Amtszeit legten: die beiden

großen Brände von Gartow 1853 und 1859. In der Nacht vom 25. auf den 26. September

1853 brannte mit vielen anderen Gebäuden auch das Pfarrwitwenhaus nebst Zubehör vollständig

nieder. Am 29. August beschloß der Kirchenvorstand einmütig, das Pfarrwitwenhaus ebenso wie-

154


der aufzubauen, wie es vor dem Brande gewesen war. Statt des zuerst in Aussicht genommenen

Massivbaues hat man sich später doch der Kosten wegen zu einem Fachwerkbau entschlossen.

Durch die Brandversicherungssumme wurden die Kosten des Neubaues bei weitem nicht gedeckt.

Im Kirchenvorstandsprotokoll vom 29. August 1854 heißt es: „Da man sich nach Einsichtnahme

einer älteren Baurechnung des Pfarrwitwenhauses vollständig überzeugt hatte, daß zur Erbauung

des Pfarrwitwenhauses die eingepfarrte Gemeinde wie zu den anderen Geistlichen und Pfarrgemeinden

zu konkurrieren hätte, so wird dieses hier abermals feststehend anerkannt und beträgt

danach bei einem Bedürfnis von 100 Thalern der Beitrag: a) der Gemeinde Gartow 37 Thlr. 12

g.Gr.-Pfg., b) der sogen. Gutsgemeinde 25 Thlr.-g.Gr. -Pfg., c) der Gemeinde Niendorf 21 Thlr. 8

g.Gr. 6 Pfg., d) der Gemeinde Meetschow 16 Thlr. 3 g.Gr. 6 Pfg.

Nach diesem Beitragsfuß sollten also auch die Baukosten des Pfarrwitwenhauses aufgebracht

werden. Gerade dieser Beitragsfuß ist nun für Pastor Freytag eine Quelle vieler Unannehmlichkeiten

und Verdrießlichkeiten geworden. Es hat zu endlosen, höchst unerquicklichen Sitzungen

des Kirchenvorstandes und zu jahrelangen Prozessen geführt. Da die beteiligten Gemeinden sich

nicht gütlich einigten und auch nicht zahlten, so war der Kirchenvorstand dauernd in Zahlungsschwierigkeiten.

Man mußte bald hier, bald dort Geld aufleihen, um die drängenden Gläubiger zu

befriedigen. Trotzdem ist das Pfarrwitwenhaus wieder aufgebaut.

Die Ausführung des Neubaues wurde dem Maurermeister Thilow in Schnackenburg für 1200 Taler

übertragen, weil sein Angebot das niedrigste war. Maurermeister Eggert in Meetschow hatte 1730

Taler und Zimmermeister Könke in Gartow hatte 1310 Taler gefordert. Der Bau war endlich 1856

fertiggestellt. Auch ein Stallgebäude wurde im Jahre 1857 noch dazu erbaut. Der Streit über den

Beitragsfuß zu den kirchlichen Bauten ging immer noch weiter, besonders da die vier Erbschulzen

in Meetschow nicht zu bewegen waren, ihre volle Portion zu den Baukosten der geistlichen Gebäude

beizutragen. Da brach am 12. Januar 1859 das zweite große Brandunglück über Gartow herein,

dem mit vielen Bürgerstellen auch das Pfarrhaus und das Kantorat mit ihren Nebengebäuden

zum Opfer fielen.

Nun hatte Pastor Freytag auch sein Obdach verloren. Er mußte eine Notwohnung beziehen. Er

wohnte zuerst im gräflichen Vorwerk und, nachdem das Pfarrwitwenhaus frei geworden war, in

diesem. Auch Kantor Krug hat in einem gräflichen Hause (in welchem, ist nicht gesagt) ein vorläufiges

Unterkommen gefunden. Der Schul- und auch der Konfirmandenunterricht wurde jetzt

in das große Zimmer des Hospitals zum „Heiligen Geist“ verlegt. Wieviel Sorge und Mühe, Ärger

und Verdruß hat Pastor Freytag als Vorsitzender des Kirchen- und Schulvorstandes von dem Wiederaufbau

der Pfarre und des Kantorats mit ihren Nebengebäuden gehabt! Wieviel Streitigkeiten

zwischen den einzelnen beitragspflichtigen Gemeinden, wie viel Prozesse, Beschwerden, Verhandlungen

mit dem Amt, mit Rechtsanwälten, mit den kirchlichen Behörden, wie viel aufregende

höchst unerquickliche Kirchenvorstandssitzungen hatten sie im Gefolge! Von wie viel Arbeit und

heißen Kämpfen für die Rechte der Kirche zeugen die 180 eng vollgeschriebenen Großoktavseiten

des Protokollbuches über die Sitzungen des Kirchenvorstandes jener Jahre! Wie mußten jene

äußeren Geschäfte und Schwierigkeiten die Arbeitskraft des treuen Mannes zermürben und seine

Amtsfreudigkeit beeinträchtigen! Wenn ich heute in diesen vergilbten Blättern der Protokollbücher

studiere, so drängt sich mir unwillkürlich der Ausruf auf die Lippen: „Armer Pastor Freytag, wie hat

man dir das Amt schwer gemacht!“.

155


Gewiß soll nicht verschwiegen werden, dass Pastor Freytag in jenen Kämpfen nicht allein stand. Er

hatte abgesehen von zwei heftigen Widersachern im Kirchenvorstande treue Männer, die auf seiner

Seite standen. Gleich nach dem Brande schritt der Kirchenvorstand energisch zum Wiederaufbau

der geistlichen Gebäude. Zuerst wurde der Wiederaufbau des Kantorats in Angriff genommen.

Das alte Kantorat hatte der Kirche schräg gegenüber gestanden, von der Straße aus gesehen:

rechts neben Bürgermeister Beyer. Der Kirchenvorstand fand den Platz jedoch, da man jetzt gleich

ein zweites Schulzimmer und eine Wohnung für einen zweiten Lehrer mit in das Kantorat hineinbauen

wollte, zu beengt und erwarb nach einigem Hin und Her das gerade zum Verkauf stehende

Hildebrandsche Grundstück für 700 Taler.

Zunächst freilich hatte der Kirchenpatron Graf v. Bernstorff die Kaufsumme vorgestreckt, zugleich

aber den sofortigen Beginn des Neubaues dort gestattet, das ist auf der jetzigen Stelle. Das Pfarrhaus

sollte auf derselben Stelle wieder aufgebaut werden, wo das alte gewesen war. Beide Neubauten

wurden dem Zimmermeister Könke in Gartow übertragen: Das Kantorat für 2410 Taler und

das Pfarrhaus für 5626 Taler, obwohl Graf v. Bernstorff sich erboten hatte, ein gleich großes Pfarrhaus

in Eichenfachwerk für 4000 Taler erbauen zu lassen und Maurermeister Thilow in Schnackenburg

ein solches für 4525 Taler liefern wollte. Weshalb man in diesem Falle von der sonstigen

Gepflogenheit, immer dem Mindestfordernden den Zuschlag zu erteilen, abgewichen ist, habe ich

nicht erforschen können. Die vom Königlichen Amt in Gartow ausbezahlte Brandentschädigungssumme

betrug für das Kantorat 1600 Taler und für das Pfarrhaus 4250 Taler. Man sieht also,

daß die Gemeinde zu beiden Gebäuden erhebliche Zuschüsse zu leisten hatte. Da noch immer

die Beiträge der Gemeinden für das Pfarrwitwenhaus nicht bezahlt waren, weil man sich über

den Beitragsfuß nicht einigen konnte, so kann man sich leicht vorstellen, welche Schwierigkeiten

sich dem Pastor Freytag und dem Kirchenvorstande erst bei der Beschaffung der Bausumme für

das Kantorat und Pfarrhaus entgegenstellten, da die Gemeinden nicht zahlen wollten, so lange

die Frage nach dem Beitragsfuß nicht geklärt war. Man mußte sich kümmerlich helfen mit hier

und da aufgenommenen Darlehen. Die ganzen umständlichen, unerquicklichen Verhandlungen

im Kirchenvorstande drehten sich schließlich nur noch um die Fragen: Woher kriegen wir Geld,

um unsere Gläubiger zu befriedigen? Was müssen wir tun, um die Frage nach einem gerechten

Beitragsfuß zu entscheiden.

Es ist kaum glaublich, aber wahr, daß man über diese Frage von 1853 bis 1871 verhandelt, gestritten

und prozessiert hat. Pastor Freytag hat nicht mehr erlebt, daß die Gemeinden ihre Beiträge

zu den Neubauten der abgebrannten geistlichen Gebäude entrichtet haben. Gleich nach seinem

Tode hat dann freilich das Preußische Konsistorium die nach dem ursprünglichen Beitragsfuße

auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Beiträge nebst Zinsen und Zinseszinsen auf Heller und

Pfennig auf dem Zwangswege einziehen lassen. Wer kann sich noch wundern, daß Pastor Freytag

unter diesen fortwährenden Kämpfen und aufreibenden Geschäften allmählich alt und müde wurde

und daß ihm auf der Kanzel in den letzten Jahren oft die Freudigkeit und Frische fehlte! Pastor

Freytag wird von den alten Leuten, die ihn noch gekannt haben, als ein großer, ernster, strenger

Mann geschildert, der gelegentlich unartige Kinder auf der Straße zur Ruhe verwies, auch nicht

davor zurückschreckte, ihnen persönlich ein paar wohlverdiente Schläge zu verabfolgen. Im Konfirmandenunterricht,

den die Kinder zwei Winter hindurch besuchen mußten, gab er viel zu lernen

auf. 50 Gesänge mußten die Kinder auswendig lernen. (Unterstreichung des Verfassers)

156


Noch heute sind die Alten ihm dafür dankbar. Neulich traf ich einen alten Konfirmanden von Pastor

Freytag, der mir sogleich den Beweis lieferte, daß er noch die alten Kreuz- und Trostlieder,

wie er sie früher gelernt hatte, im Kopf hatte und seine Frau sagte dazu: „Uns Vadder kann mi so

schön trösten. He hätt all de Gesänge noch in Kopp.“ Unsere alten Leute erzählen auch noch, daß

Pastor Freytag bei einem Missionsfest in Rucksmoor einmal eine plattdeutsche Predigt gehalten

habe, die tiefen Eindruck machte. Er eilte so seiner Zeit voraus; denn heute ist es ja Mode geworden,

plattdeutsch zu predigen. In Hamburg, Lübeck und Bremen, in Mecklenburg, Pommern und

Schleswig-Holstein kann man heute zuweilen plattdeutsche Prediger hören…

Nach einer kurzen Vakanz, in welcher Pastor Walbaum aus Holtorf hier die Spezialvikarie führte,

wurde am 10. Dezember 1871 der Pastor Dr. Theodor Wilhelm Ferdinand Meyer, bis dahin in

Prezelle, als Pastor in Gartow eingeführt. Er ist der dritte Pastor, der von Prezelle nach Gartow

gekommen ist. Nicht ganz 5 Jahre, bis Anfang August 1876, hat er hier gewirkt. Seine Amtszeit fiel

in die ersten Jahre nach dem siegreichen Kriege gegen Frankreich. Auch die Kämpfe innerhalb

der Gemeinde um den Wiederaufbau der abgebrannten geistlichen Gebäude und seine Kosten,

die Pastor Freytags Lebenskräfte aufgerieben hatten, waren ausgekämpft und wir finden in den

Kirchenvorstandsprotokollen aus Pastor Meyers Zeit nichts mehr, was an die Stürme und Streitigkeiten

der früheren Zeit erinnert. Es handelt sich darin immer um sachliche Verhandlungen über

regelmäßig wiederkehrende Ausgaben des Kirchenvorstandes. Pastor Meyer konnte sich also in

ungestörter Ruhe seiner eigentlichen Berufsarbeit, der Predigt und der Seelsorge, widmen. Neben

seiner pastoralen Tätigkeit hat er auch in einer von ihm gegründeten Privatschule eine ersprießliche

Lehrtätigkeit entfaltet, deren seine noch lebenden Schüler sich gewiß dankbar erinnern werden.

Über das Leben des Pastors Dr. Meyer macht uns sein Sohn, Herr Pastor Ernst Meyer in Harburg-

Eißendorf folgende Mitteilungen: „Mein Vater wurde am 20. August 1825 als Sohn des Pastors

Ludwig Meyer in Stemmen geboren. Da seine Vorfahren väter- und mütterlicherseits seit dem

Jahre 1600 als Geistliche im Dienst der Hannoverschen Landeskirche gestanden hatten, ergab es

sich fast von selbst, daß auch er, nachdem er das Ratsgymnasium in Hannover absolviert hatte,

das Studium der Theologie erwählte. Nachdem er seine Examen bestanden hatte, war er bis zum

31. Jahre Hauslehrer in verschiedenen Orten, da bei der Erfüllung des geistlichen Berufs in jener

Zeit auf Anstellung lange gewartet werden mußte. In jener Zeit promovierte er zum Doktor philosophie

in Jena, 1855 wurde er Hospes im Kloster Loccum. Studiendirektor war dort damals der spätere

Superintendent D. Schultze in Winsen, mit dessen ältester Tochter er sich 1861 verheiratete.

1857 wurde er Pastor coll. in Isernhagen mit der Aussicht, nach dem Freiwerden der Pfarre dort

dauernd angestellt zu werden. Dort wurden ihm seine drei ältesten Kinder geboren. Als König Georg

V. von Hannover 1866 fortging, gab er dem Kirchenvorstand das Versprechen, wenn er wieder

zurückkehre, sollte die Gemeinde ihren ihr liebgewordenen Geistlichen behalten. Er kehrte nicht

zurück, so mußte mein Vater einem anderen Geistlichen Platz machen und 1867 die Pfarre Prezelle

bei Gartow übernehmen. Aber bis an sein Ende blieb er mit vielen Gemeindegliedern in reger

Verbindung, die ihn für treues Wirken in der Gemeinde im Gedächtnis treu behielten. Die Jahre in

Prezelle waren schwer, da er es nicht leicht hatte, bei der geringen Einnahme seine Familie – es

wurden ihm dort noch zwei Söhne geboren – zu erhalten. Er begrüßte es daher dankbar, als er auf

Präsentation des Grafen Bernstorff in Gartow 1871 die Pfarre in Gartow erhielt mit der Zusicherung,

daß er nach Abgang des Superintendenten in Restorf die Superintendentur Gartow erhalten

sollte. Der alte Graf Bernstorff war ein väterlicher Freund unserer Familie, was sich auch darin

zeigte, dass bei einem Sohn der Graf Ernst, bei der in Gartow geborenen Tochter Gräfin Elisabeth

(Schwester Elisabeth) Gevatterstelle übernahmen.

157


Die fünf Jahre seines Wirkens in Gartow waren jedenfalls die schönsten Jahre seines Lebens.

Eine gesegnete Wirksamkeit in der Gemeinde war ihm beschieden, die Gottesdienste waren gut

besucht; in dem Krankenhaus, das vom Grafen eingerichtet war, brachte ihm die Seelsorge große

Befriedigung. In einer Privatschule, die im Pfarrhause eingerichtet war, fand er Gelegenheit, seine

bedeutenden Sprachkenntnisse zu verwerten. Er gab selbst die meisten Stunden, von seinen vielen

Schülern stehen unter anderem noch Pastor Brüggemann in Handorf, Lehrer Breuk in Harburg

im Amte; vor allem bestand ein reger Verkehr mit dem gräflichen Hause, der auch nach seinem

Fortgang von Gartow nicht aufhörte besonders mit Schwester Elisabeth. Nebenbei führte er in

Vertretung auch die Geschäfte der Superintendentur. Aber auf die Dauer konnte dieser Zwischenzustand

nicht befriedigen.

So gern mein Vater auch in Gartow geblieben wäre, mußte er doch im Jahre 1876 das Angebot

des Reichsgerichtsrats v. Bülow annehmen, der ihn als Patron die Pfarre Marschacht anbot, da

sie schon an Gehalt allein die doppelte Einnahme der kleinen Pfarre Gartow bot. Dazu zwang ihn

schon die Rücksicht auf seine zahlreiche Familie. So nahm er denn schweren Herzens im August

1876 von seiner Gemeinde Abschied. 26 Jahre hat er dann die Pfarre Marschacht verwalten dürfen.

Als er dort 1901 sein 25 jähriges Jubiläum feierte, kam die Verehrung und Dankbarkeit der

Gemeinde in für ihn herzerfreuender Weise zum Ausdruck. Aber wenn er auch die letzten Jahre einen

Kollaborator zur Hilfe hatte, reichten seine Kräfte doch nicht mehr aus, die weit ausgedehnte

Gemeinde zu versorgen, so daß er ein Jahr später 1902 in den Ruhestand trat. Nur ein Jahr durfte

er sich in Uelzen der wohlverdienten Ruhe freuen, am 12. November 1903, wurde er 78 Jahre alt,

in die Ewigkeit abberufen.

Mein Vater (Umland) stand mit seinem ganzen Herzen im Pfarramt, es war ihm Herzensfreude, das

biblische Evangelium zu verkündigen. Der Anfang seiner Wirksamkeit fiel in die Erweckungszeit

unserer Kirche, mit Petri und Münkel war er eng befreundet und arbeitete in ihrem Sinn. Bescheiden

und anspruchslos machte er für sich keine Ansprüche sondern gab sich in Liebe zu Gott und

der Gemeinde ganz den Aufgaben seines Amtes hin. Gewiß wird der Same, den er treu ausgestreut

hat, aufgegangen sein und in vielen Herzen reiche Frucht getragen haben, vor allem auch in der

Gemeinde Gartow. Er ruhe in Frieden und das ewige Licht leuchte ihm.

Als Pastor Meyer Anfang August 1876 von Gartow nach Marschacht zog, übernahm zunächst Pastor

Jacobi in Trebel die Spezialvikarie für die erledigte Pfarre in Gartow. Am 24. Sonntag nach

Trinitatis (27. November) 1876 wurde der vom Kirchenpatron präsentierte und von der Kirchenregierung

bestätigte Pastor Julius Adolf Gustav Oswald Freybe aus Klein-Berkel feierlich als Pastor in

Gartow eingeführt. Er ist nicht lange in Gartow gewesen, nicht ganz drei Jahre, von allen Pastoren

in Gartow, deren Namen die Geschichte kennt, die kürzeste Zeit. Seine schwächliche Körperkonstitution

konnte das feuchte Niederungsklima in Gartow nicht vertragen. Ihm wird eine gute Predigtgabe

und großer seelsorgerlicher Ernst nachgerühmt. Einer seiner Konfirmanden sagte mir

kürzlich von ihm:

„Im Konfirmandenunterricht war er streng, er ließ nichts durchgehen, aber wir hatten ihn alle

gern.“ Aus seiner Zeit ist besonders zu erwähnen, daß er am 20. Mai 1878 unseren jetzigen Kirchhof

eingeweiht hat. Ein junger Mensch von 18 Jahren, Heinrich August Rudolf Schulze aus Gartow,

hat dort als erster seine letzte irdische Ruhestätte gefunden. „Mit dieser Beerdigung wurde der

neue Kirchhof vor den Hahnenbergen eingeweiht, schreibt Pastor Freybe zu diesem Fall ins Verzeichnis

der Begrabenen. Am 12. Juni 1879 verließ Pastor Freybe Gartow, um eine Pfarrstelle in

Hannover zu übernehmen. Er war später lange Jahre Superintendent in Wunstorf und lebte zuletzt

im Ruhestande in Hannover, wo er vor reichlich zwei Jahren in die ewige Ruhe heimgerufen wurde.

158


Nach seinem Fortgang führte der alte Pastor Walbaum aus Holtorf die Spezialvikarie der erledigten

Pfarre in Gartow. Die Vakanz dauerte nicht lange, denn schon am 7. September 1879 wurde

der Pastor Friedrich Ernst Julius Taube aus Bolzum feierlichst in das Pfarramt zu Gartow eingeführt.

Er war der erste Pastor in Gartow, der zugleich Superintendent und Kreisschulinspektor war.

Er hat hier nicht ganz neun Jahre lang gewirkt. Am 20. Juni 1888 siedelte er von hier als Probst

nach Lüchow. Über sein vielbewegtes und reichgesegnetes Leben macht uns sein ältester Sohn,

Oberlandeskirchenrat Arnold Taube, folgende Mitteilungen: Friedrich Ernst Julius Taube wurde in

Altenburg am 11. Januar 1837 als Sohn des Bürgers und Kastellans Johann Wilhelm Taube und

seiner Ehefrau Therese geb. Biedermann, geboren. In den schlichten, bürgerlichen, äußerlich und

innerlich gesunden Verhältnissen seines frommen und freudigen Vaterhauses erlebt er eine ebenso

bescheidene wie sonnige Kindheit, wurde 1851 in der Stadtkirche mit dem Denkspruch: „Dein

Leben lang habe Gott vor Augen …Gottes Gebot“ konfirmiert und konnte, da er auch in Altenburg

das Gymnasium von 1849 bis 1856 besuchte, bis zum Abiturientenexamen im Elternhause bleiben.

Dann folgten die ebenso fröhlichen wie fleißigen Studentenjahre von 1856 bis 1859 in Jena,

der Landesuniversität der Thüringer Staaten. Dort waren von besonderem Einfluß auf ihn die Vorlesungen

des berühmten Kirchenhistorikers Hase und vielleicht von noch größerer Bedeutung die

Tätigkeit des einst vielgenannten Professors Stoy, in dessen Seminar er während seiner ganzen

Studienzeit eifriges Mitglied war und von dem er seine große Liebe für Erziehung und Unterricht

und seine wundervolle Fähigkeit, mit Kindern umzugehen, so anregen und beeinflussen ließ, daß

an den vielen Orten seiner späteren Tätigkeit so viele mit Dankbarkeit davon reden können.

Die beiden theologischen Examina bestand Kandidat Taube in Altenburg vor dem herzoglichen

Konsistorium im Jahre 1861 und 1863. Sein Geschick führte ihn aber so, daß er vom Rechte der

Anstellung in der Heimat keinen Gebrauch machte. Durch Professor Stoy erhielt er beim Weggang

aus Jena eine Lehrerstelle am damals stark besuchten „Erziehungsinstitut“ des Dr. Felsberg in

Gronau an der Leine. Hier verlobte er sich mit seiner treuen Lebensgefährtin, der Tochter Anna

des Apothekers Horn in Gronau. Als er dann von 1861 bis 1863 in Diepholz als Hauptlehrer und

Schulleiter tätig gewesen war, wurde es ihm nahegelegt, in den Kirchendienst des Großherzogtums

Oldenburg einzutreten. Er wirkte dort in Huntlosen, Apen, Vechta und zuletzt in Oldenburg-

0sternburg als Hilfsgeistlicher. Es war die Zeit der ersten Liebe im Pfarramt, ein frischer Hauch von

der Erweckungsbewegung hatte seiner eigenen Art zu weiterer Vertiefung verholfen und indem die

bewegliche mitteldeutsche Art und die mit so wundervoller Geradheit und Offenheit verbundene

liebenswürdige und fröhliche Anlage, die Begabung, mit Menschen umzugehen und Freude zu

bereiten hinzukam, war diese Zeit der ersten Liebe von sehr starken Wirkungen. Vor drei Jahren

äußerte noch ein Geistlicher einer dieser Gemeinden, daß jetzt noch, nach fast 60 Jahren, der

Name dieses jungen Hilfsgeistlichen, der nur ein Jahr an diesem Orte geweilt habe, mehr genannt

werde als der Name aller Nachfolger. Das sind Dinge, auf die man nicht stolz sein kann….

Aber auch in Oldenburg kam es nicht zum endgültigen Wirken. Kennen gelernt hatte den jungen

Hilfsgeistlichen der Reichsgraf Bentinck aus Fridau bei Wien, der in Holland Güter besitzt. Es ist

die Familie, von der in den letzten Jahren so oft die Rede gewesen ist. Dieser Reichsgraf veranlaßte

Pastor Taube die Stelle als Schloßprediger in Fridau bei Wien und gleichzeitig die Aufgabe zu

übernehmen, in dem großen Bezirk nördlich von der Westbahn und in den nach Wien zuliegenden

Bezirken die zerstreuten Evangelischen zu einer Gemeinde zu sammeln. Man kann sagen, es waren

erste Anfänge, Jahrzehnte früher, ehe auch in diesen Gegenden die Los-von-Rom-Bewegung

einsetzte. Schön waren diese Jahre durch das Glück der jungen Ehe, schön auch dadurch, daß

man schaffen und wirken konnte, ohne durch Gesetz und Bevormundung gehemmt zu sein.

159


Aber es war keine Lebensstellung und vor allem gewann mein Vater nicht ein solches Vertrauen

zum österreichischen Volkscharakter, um sich auf die Dauer dort heimisch zu fühlen. So veranlaßte

ihn denn die Rücksicht auf den Wunsch der so entfernten Verwandten und dazu der Umstand,

daß er zur Hannoverschen Landeskirche mit ihrer ausgeprägten Art auf dem Gebiet des Glaubens

und kirchlichen Lebens sich hineingezogen fühlte, die Rückkehr ins Hannoverland zu erstreben.

Im Sommer 1870 wurde er in Bolzum in der Inspektion Sarstedt gewählt. Dort verwaltete er das

Pfarramt bis 1879, freudig der Gemeinde dienend, aber da die Arbeit seine frische Kraft nicht

ausfüllte, auch im weiteren Kreis unermüdlich tätig, anzuregen und neues kirchliches Leben zu

wecken.

Als man ihn zum Stiftsprediger in Loccum gewählt hatte, drängten sich – wie so manches Mal das

kirchlich Richtige störend – politische Momente dazwischen. Stattdessen wurde er einige Jahre

später als Superintendent nach Gartow versetzt, wo er vom Herbst 1879 bis zum Sommer 1888

seines Amtes gewaltet hat, und wo gewiß auch noch mancher lebt, der gern an das zurückdenkt,

was er ihm auf der Kanzel, in der Seelsorge, im Unterricht und im Verkehr von Mensch zu Mensch

gewesen ist. Wie viel Freude ging von ihm aus, wo immer er mit anderen zu tun hatte!

In Lüchow waren ihm dann noch 14 Jahre sehr angespannter und eifriger Arbeit vergönnt. Bei

seiner Lebhaftigkeit und inneren Teilnahme für alles, was seine Amtsbrüder, seine Gemeinde,

sein Volk betraf, rieb er sich frühzeitig auf. Am 23. Juli 1902 wurde er nach kurzem Siechtum

durch einen Schlaganfall mitten aus der Amtsarbeit abgerufen… Zwei besondere Vorkommnisse

aus Superintendent Taube`s Zeit mögen, weil sie allgemeines Interesse haben, hier noch erwähnt

werden. Besonders eindrucksvoll hat er die Feier des 400. Geburtstages Martin Luthers am 10.

November 1883 gestaltet. Bei dieser Gelegenheit wurde die jetzt zu einem herrlichen Baum herangewachsene

Luther-Linde bei der Kirche gepflanzt, die jetzt eine Zierde unseres Ortes (Gartow)

bildet. Sodann hat Superintendent Taube als Vorsitzender des Kirchenvorstandes in einem langwierigen

Rechtsstreit gegen die politische Gemeinde Gartow (Bürgermeister Könke) den freien

Platz zwischen Kirche und Pfarre, auf dem früher das Spritzenhaus stand, jetzt das Kriegerdenkmal

steht, als kirchliches Besitztum erstritten. Die umfangreichen Prozeßakten zeugen noch von

der Energie, mit der beide Teile ihr Recht verfochten haben.

Nach dem Fortzuge des Superintendenten Taube trat nun eine kurze Vakanz ein, in der wieder der

alte Pastor Walbaum in Holtorf die Spezialvikarie in Gartow übernahm.

Schon am 23. September 1888 wurde der bisherige Archidiakonus Pastor Johann Heinrich Seevers

in Lüchow als Superintendent in Gartow eingeführt. Etwas über 27 Jahre lang, also fast ein

Menschenalter hindurch, hat er hier seiner Ämter mit hingebender Treue und mit seelsorgerischer

Weisheit und Liebe gewaltet. Sein Bild steht bei der Generation, die gegenwärtig auf der Höhe des

Lebens steht, noch in lebendiger Erinnerung. Da es mir nicht mehr vergönnt war, den Verewigten

persönlich kennen zu lernen, so lasse ich hier ein kurzes Lebensbild des Superintendenten Seevers

folgen, das uns sein Sohn, Herr Hofbaurat Seevers in Gmunden, freundlichst zur Verfügung

gestellt hat: Johann Heinrich Seevers wurde am 24. Januar 1848 in Eitzendorf bei Hoya geboren.

Er stammte aus einer seit einigen Generationen dort ansässigen, aus Holland eingewanderten

Bauernfamilie, die es in kurzer Zeit verstanden hatte, sich in der neuen Heimat eine geachtete

Stellung zu erwerben.

Während sein älterer Bruder den väterlichen Hof übernahm, studierte er nach seiner Vorbildung

auf dem Dom-Gymnasium in Verden, Theologie in Leipzig und Göttingen. Nach bestandenem ersten

Examen war er zwei Jahre als Lehrer an der Schule in Lüchow angestellt. Nach bestandenem

160


zweiten Examen wurde er Rektor der Schule in Dannenberg. An dem Unterricht der Jugend hat

er große Freude gehabt. Auch später unterrichtete er gern und konnte als Kreisschulinspektor

seinen Lehrern ein erfahrener Berater sein.1875 erhielt Seevers vom Konsistorium die Aufforderung

zur Wahlpredigt in Sievershausen am Solling. Er wurde dort gewählt. Es kam aber nicht zur

Einführung, da er aus Lüchow die ihn völlig überraschende Nachricht erhielt, daß er vom Kirchenvorstand

einstimmig für die dort erledigte zweite Pfarrstelle gewählt worden sei. So ging er dorthin

und wurde im August 1875 in sein Amt eingeführt. In Lüchow hat er 13 Jahre mit dem von ihm

hochverehrten Probst Seebold in schönster Harmonie zusammen gearbeitet und sich die Liebe

der Gemeinde erworben.

Nach Seebolds Tode setzte die Lüchower Gemeinde alle Hebel in Bewegung, richtete auch eine

Eingabe mit seitenlangen Unterschriften an das Konsistorium mit der Bitte, dass Pastor Seevers

als dessen Nachfolger eingesetzt werden möchte. Es gelang aber nicht. Superintendent Taube aus

Gartow erhielt die Stelle und Seevers wurde dessen Nachfolger in Gartow. Im Herbst 1888 wurde

er dort eingeführt. Äußerlich besonders hervortretende Merkmale oder mit seiner Person im Zusammenhang

stehende Ereignisse sind aus dieser Zeit nicht zu erwähnen. Nennenswerte Schwierigkeiten

zwischen ihm und den Gemeindegliedern haben nicht stattgefunden. Der Schwerpunkt

seiner Tätigkeit lag in der Erfüllung der hohen Aufgabe seines Amtes, durch Predigt, Seelsorge

und eigenes Beispiel die ihm anvertrauten Seelen zu dem Einen, was not tut, hinzuführen….Die

Erziehung der Jugend lag ihm ganz besonders am Herzen. Sein ernster und liebevoller Konfirmandenunterricht

machte einen tiefen Eindruck auf seine Konfirmanden. Auch nach der Konfirmation

suchte er die jungen Christenseelen zu fördern und war über unausbleibliche Enttäuschungen

an ihnen sehr betrübt. Ein besonders hervortretender Charakterzug war seine peinlichste Wahrheitsliebe…..Was

Superintendent Seevers seiner Gemeinde und seine Gemeinde ihm war, kam

recht zum Ausdruck, als er im Jahre 1915 durch einen plötzlichen Verfall seiner Körperkräfte sich

gezwungen sah, sein Amt niederzulegen. Er konnte sich schwer dazu entschließen…. Nach seiner

Emeritierung sind ihm noch sechs Lebensjahre in Göttingen vergönnt gewesen, die er in Schwachheit

und Leiden mit nie klagender Geduld in zuversichtlichster Hoffnung auf seinen Erlöser ertrug.

In größter Gottergebenheit ertrug er auch in dieser Zeit den schmerzlichen Verlust seines jüngsten

Sohnes Paul, in Gartow geboren und aufgewachsen, der 1918 in der Irischen See sein kampfunfähig

gewordenes U-Boot neuester Bauart, nachdem die gesamte Besatzung es verlassen hatte, um

in die Gefangenschaft zu gehen, zusammen mit dem Ingenieuroffizier vor den Augen der Feinde

versenkte, damit es nicht in deren Hände geraten sollte, und dabei mit seinem Kameraden sein

Grab in den Wellen fand.

Nach dem Fortgange des Superintendenten Seevers von Gartow nach Göttingen, wo er seinen

Feierabend verleben wollte (am 10. März 1916), übernahm Pastor Schwietering aus Restorf die

Spezialvikarie, bis Pastor Umland von Hollenstedt, Kr. Harburg kommend, am 20. August 1916 in

seine Arbeit trat…“ 20

Am 2. Juni 1922, am 2. Tage vor Pfingsten, ist Superintendent Seevers sanft und friedlich zu

seinem Gotte heimgegangen… Es ist hier noch nachzutragen, daß Superintendent Seevers verheiratet

war mit Elisabeth Fulda, der im Jahre 1859 geborenen Tochter des Pastors Fulda in Schnackenburg.

In dieser sehr glücklichen Ehe wurden ihm vier Kinder geschenkt, außer den beiden

erwähnten Söhnen zwei Töchter.

Pastor Störmer aus Schnackenburg verwaltete kommissarisch die verwaiste Superintendenturstelle

in Gartow. Er trat am 1.4.1935 in den Ruhestand.

161


Pastor Auhagen verließ am 1.5.1936 Gartow und übernahm die Pfarre Meinersen, Kr. Gifhorn.

Weitere Pastoren waren in Gartow Friedrich-Heinrich v. Amsberg (1949 - 1973) und Gottfried Mahlke

(1974 - 1989). Seither verwaltet Pastor Eckhard Kruse die Pfarre Gartow.

Pastoren der Gemeinde Gartow seit der Reformation:

1543 Henricus Mechow, 1543 - 15.. Joachim Sander, 1633 - 1644 Johann Fien, Sohn des Pastors

in Moienburg im Alten Lande (?), nachher 2. Pastor in Dannenberg; 1644 - 1678 Georg Betichius

(Bätichen), auch Pastor in Restorf, 1678 - 1717 Magister Christoph Lehmann, auch Pastor in

Restorf, geboren am 20.2.1653 in Jüterbog, Sohn des Stanislaus Leman (Lemanowsky), vorher

Kandidat, gestorben im Dezember 1717, 64 Jahre alt; 1718 - 1743 Adolf Georg Gössel, vorher

Pastor in Radegast, gestorben am 10.12.1743; 1744 - 1768 Heinrich Wilhelm Bode (Rode?), vorher

Pastor in Kirchberg und Ildehausen, gestorben am 04.10.1768; 1769 - 1788 Daniel Gottlieb

Lindner, vorher Pastor in Prezelle, gestorben am 20.5.1788; 1788 - 1833 Levin Carl Hölty,

vorher Pastor in Prezelle, gestorben am 30.9.1833; 1833 - 1871 Johann Julius Peter Freytag,

geboren am 22.12.1797 in Ratzeburg, Sohn des Schiffsbooters Heinrich Friedrich F., gestorben

am 30.5.1871; 1871 - 1875 Theodor Wilhelm Ferdinand Meyer, vorher Pastor in Prezelle, nachher

Pastor in Marschacht; 1876 - 1879 Oswald Freybe, vorher Pastor in Kl. Berkel, nachher Pastor in

der Gartenkirche Hannover, nachher Superintendent in Wunstorf; 1879 - 1888 Friedrich Ernst

Julius Taube, vorher Pastor in Bolzum, nachher Probst in Lüchow; 1888 - 1915 Heinrich Seevers,

vorher Pastor Archidiakon in Lüchow, gestorben am 2.6.1922 in Göttingen; 1916 - 1932 Johannes

Wilhelm Umland, vorher Pastor in Hollenstedt, gestorben am 11.1.1933 in Lüneburg, 1937 - 1949

Joachim Ernst Oskar Hoffmann, geboren am 13.5.1909 in Regensburg, Sohn des Handelskammersyndikus

Dr. Walther H., vorher Pastor coll. in Bentheim, danach in Achim, danach in Hamburg-

Wilhelmsburg. 21

Kirchen- und Schulpatronate

Als das Geschlossene Gericht Gartow 1850 aufgehoben wurde, ist zwischen der Landesregierung

und dem Hause Gartow ein Rezess mit dem Datum 15. Juni 1850 errichtet worden, wobei in

Paragraph 7 die künftigen kirchlichen Zuständigkeiten geregelt waren. Demnach verblieben dem

Grafen von Bernstorff nach der Aufhebung folgende Rechte:

a) das vollständige Patronatrecht über die sämtlichen Pfarren im bisherigen Gerichtsbezirke, wie

es regelmäßig geübt wird und den Landesgesetzen entspricht, wobey jedoch dem Patrone ausdrücklich

zugesichert wird, daß solange die Landesgesetzgebung nicht ein Anderes mit sich bringt,

zu den erledigten Pfarr- und Schulstellen dem Königlichen Consistorio (Anm.: oberste Kirchenbehörde)

nicht mehr als eine Person präsentirt zu werden braucht und daß die Bestätigung ohne

erhebliche Gründe nicht verweigert werden soll,

b) das Recht des den einzuführenden resp. eingeführten Kirchen- und Schulvorständen für deren

Vermögens-Verwaltung, zunächst unter dem Königlichen Consistorio als oberer Instanz, Vorgesetzten

mit der Befugnis, die nach § 19 des Gesetzes über Kirchen- und Schulvorstände vom 14. October

1848 in den Fällen 1 - 5 einschließlich erforderliche Zustimmung, ohne vorgängige Anfrage

bey dem Königlichen Consistorio zu ertheilen, diejenige in dem Falle 6 aber bey den zuständigen

Behörden zu vermitteln so wie die nach § 21 desselben Gesetzes erforderliche Superrevision

ohne daß regelmäßig eine weitere Superrevision eintritt, vorzunehmen und

c) die Befugnis, das Königliche Consistorium auf wahrgenommene Mängel der Kirchen- und Schulverwaltung

in dem bisherigen Gerichtsbezirke aufmerksam zu machen.“

162


Erstmalig wurde Graf von Bernstorff 1887 die Wahl des Schulvorstandes in Pevestorf von den

weltlichen Behörden nicht überlassen. Diesen Vorstoß wagte die Königliche Regierung Lüneburg,

der eingelegte Protest vom Grafen war erfolgreich. Nunmehr vertrat man die Ansicht, daß der Graf

bei Neuwahlen von den weltlichen Behörden hinzuzuziehen sei. 1888 wurde der Graf erneut von

der Regierung in Lüneburg übergangen, weil seine Genehmigung zum Schulerweiterungsbau in

Pevestorf nicht eingeholt worden war. Mit Bedauern holte die Regierung beim Grafen nachträglich

die Genehmigung ein. Neues Ungemach bahnte sich 1890 an, als die Stellung des Grafen als

Vorgesetzter der Schulvorstände durch die Bestimmungen des Schulaufsichtsgesetzes vom 11.

März 1872 nicht mehr so sicher war. Besonders der § 1 dieses Gesetzes war deutlich formuliert:

„Unter Aufhebung aller in einzelnen Landestheilen entgegenstehenden Bestimmungen steht die

Aufsicht über alle öffentlichen und Privat-Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten dem Staate zu.

Demgemäß handeln alle mit dieser Aufsicht betreuten Behörden und Beamten im Auftrage des

Staates.“ Eine Mitaufsicht führten die Gemeinden und deren Organe bei der Schulaufsicht. Das

zuständige Ministerium in Berlin belehrte den Grafen am 5. März 1891, daß mit dem Gesetz vom

11. März 1872 „auch die bezüglichen öffentlich-rechtlichen Festsetzungen des Rezesses (vom 15.

Juni 1850) als aufgehoben angesehen werden.“

Das Recht, als Vorgesetzter der Schulvorstände zu wirken, verlor Graf von Bernstorff in Wehningen

am 5. März 1891.

Bessere Nachrichten gab es 1906, als die Königl. Regierung in Lüneburg zugunsten des Grafen

folgende Feststellung traf:

„Das Recht der Besetzung von Schulstellen…bleibt nach dem Gesetze vom 28. Juli 1906 betr. die

Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen für die Volksschule Gartow-Gut bestehen…“ Also nur

für die Gutsschule und nicht die Schulen in den umliegenden Dörfern. In diesen Fällen mußte sich

der Graf mit den weltlichen Behörden auf einen Bewerber einigen. Nach der Dienstanweisung des

Landeskirchenamtes in Hannover vom 20. Januar 1925, der Kirchenverfassung und der Kirchenkreisordnung

sind sogen. Kreiskirchenvorstände gebildet worden. Obwohl den Kirchengemeinden

die freie Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten zugestanden wurde, gab es zusätzlich den Kreiskirchenvorstand.

Dessen Aufgabe war: „Die Aufsicht über den Kirchenvorstand, das Selbstverwaltungsorgan

der Kirchengemeinde, soll darauf hinwirken, daß die großen Aufgaben der Kirchengemeinde

vollständig und zweckentsprechend erfüllt werden und dabei die in der Landeskirche

geltende Ordnung gewahrt wird.“ Am 29. Januar 1925 fand in Gartow der erste Kirchenkreistag

statt, den der Superintendent Umland leitete. Indessen versuchte das Landeskirchenamt dem

Grafen zu vermitteln, daß etliche kirchliche Zuständigkeiten durch die Reichsverfassung als erloschen

zu bezeichnen sind: „Es handelt sich dabei insbesondere um alle diejenigen Rechte und

Befugnisse, die über die den Patronen nach gemeinem evangelischen Kirchenrecht zustehenden

Rechte hinausgehen und als kirchenregimentliche Rechte anzusprechen sind. Mit dem Wegfall

der obrigkeitlichen Stellung der Berechtigten haben sie ihr wesentliches Fundament verloren und

sind deshalb undurchführbar geworden…“ Inwieweit der Graf davon betroffen war, sollte eine Besprechung

am 26. Februar 1925 klären. Der Graf war der Überzeugung, nach wie vor „das volle

Patronatsrecht im Sinne des kanonischen Rechts“ ausüben zu dürfen. Hinsichtlich der Amtsausübung

als Vorgesetzter der Kirchen- und Schulvorstände durch den Grafen wurde festgestellt,

daß die diesbezüglichen Bestimmungen infolge der Kirchengemeindeordnung vom 20. Dezember

1922 und des Staatsgesetzes betr. die Kirchenverfassung der evangelischen Landeskirchen

vom 8. April 1924 überholt sind. Ferner sind weitere Rechtsunsicherheiten besprochen worden.

Das Landeskirchenamt blieb bei seiner Ansicht, die Patronatsrechte des Grafen als erloschen zu

beurteilen: „…seinen ursprünglichen Charakter als ursprüngliches Hoheitsrecht hat aber dieses

163


sogenannte Patronatsrecht nicht verloren und müßte deshalb jetzt gemäß Artikel 137 Abs. 3 der

Reichsverfassung als erloschen angesehen werden….“ Ausgelöst wurde diese Fragestellung durch

die Wiederbesetzung der Pfarrstelle in Restorf. Natürlich legte Graf von Bernstorff Protest ein und

führte u.a. dazu aus: „…Im Laufe der Jahrhunderte ist das hiesige Patronatsrecht als solches und

nicht als kirchliches Hoheitsrecht von den kirchlichen Behörden angesehen und behandelt worden…“

Das Landeskirchenamt ließ sich aber nicht umstimmen: „…Wir halten es für ein Recht, das

auf Grund der dem Landesherrn zustehenden Kirchenhoheit durch Übertragung geübt wurde, jetzt

aber durch Artikel 137Absatz 3 der Reichsverfassung hinfällig geworden ist…“

In der Kirche Gartow hatte sich die Familie von Bernstorff gemäß der Schenkungsurkunde über

die Kirche zu Gartow an die Kirchengemeinde Gartow vom 10. Oktober 1724 das Eigentumsrecht

und die Erhaltung der Kirchenplätze und der Priechen auf dem Altarplatz reserviert. Eine allgemeine

Bauverpflichtung davon abzuleiten, wie es versucht wurde, ist vom Grafen zurückgewiesen

worden.

Der Umfang des Kirchenpatronats erstreckte sich auf die Kirchen und Kapellen:

Gartow, Meetschow, Holtorf, Kapern, Prezelle, Lomitz, Restorf, Vietze, Trebel und Gorleben. Die

Kirche in Lanze gehörte nicht dazu.

Das Realpatronat des Hauses Gartow war gemäß des Kaufvertrages vom 18. April 1694 in den

Besitz des am 6. Juli 1726 verstorbenen Premierministers Andreas Gottlieb von Bernstorff übergegangen

und seit dessen Tod ein Familienfideikommiss der von Bernstorffschen Familie geworden.

Das Recht wurde vertraglich verliehen. Wegen der Superintenturpfarre Gartow war das Recht des

Patrons, so lange die Superindentur bestand, durch ein Abkommen vom 20./23. Dezember 1869

mit dem Konsistorium beschränkt.

Dem Patron stand in allen Kirchen und Kapellen im Gartower Bezirk ein sogen. Patronats-Stuhl zur

Verfügung. Er war Vorgesetzter der Kirchen- und Schulvorstände und genehmigte deren Beschlüsse

und nahm „Superrevisionen“ in den Kirchen und Schulen vor. 22

Die Trennung von Schule und Kirche, die staatlicherseits weiterhin betrieben wurde, erfasste auch

Gartow: „Die Regierung in Lüneburg hat in Übereinstimmung mit dem Landeskirchenamt in Hannover

die organische Verbindung zwischen Kirchen- und Schulamt in Gartow mit dem 1. Januar

1930 gelöst. Herr Kantor Haberland ist vom gleichen Zeitpunkt an durch Privatdienstvertrag mit

dem Organisten-, Kantor- und Lektordienst betraut worden. Den Küsterdienst hat Herr Kirchendiener

Mahnke übernommen.“ 23

Im September 1939 hatte das Landeskirchenamt Veranlassung, erneut die Rechte des Grafen in

Frage zu stellen. Das Schulpatronat sei nach Ansicht dieser Behörde ohnehin erloschen, das Patronat

über die Kirchenmusiker- und Küsterstelle „würde seitens des Patrons nachzuweisen sein“.

Da anderenorts auf das Präsentationsrecht seitens Privatpatrone verzichtet worden ist, wurde

dem Grafen nahegelegt, es ebenfalls nicht mehr auszuüben. Am 22. November 1939 erklärte

der Graf bei der Kirchenvorstandssitzung in Gartow: „Die Küsterstelle Gartow steht unzweifelhaft

unter meinem Patronat. Ich gedenke keinesfalls auf dasselbe zu verzichten!“ 24

Kindergarten

„Bald wird es in Lüchow-Dannenberg keinen Kindergarten in kommunaler Trägerschaft mehr geben.

Der letzte, derjenige in Gartow, soll ab dem 1. August vom DRK übernommen werden. So

164


beschloss es der Gartower Samtgemeinderat bei seiner Sitzung am Dienstag im Haus des Gastes

einstimmig. Auch das Personal soll zum DRK überwechseln. Die Arbeitsverhältnisse werden ein

Jahr zu den bisherigen tariflichen Bedingungen fortgeführt werden, sieht es das Gesetz vor.

Gebäude und Gelände des Kindergartens sollen langfristig an das DRK verpachtet werden. Einig

war sich der Rat in dem Willen, sich beim künftigen Träger für die Fortführung der bisherigen Zusatzangebote

Zwergengruppe und Englisch im Kindergarten verwenden zu wollen.

Eine Übergabe des Kindergartens an das DRK geschehe im Geist der Strukturreform, die ja eine

Beschränkung der Kommunen auf ihre „Uraufgaben“ wolle, hatte Gartows Samtgemeinde-Bürgermeister

Friedrich-Wilhelm Schröder den Antrag vorgestellt. Dass die Samtgemeinde anders als

früher keinen Einfluss auf die ihr durch den Kindergarten entstehenden Kosten habe, spreche für

eine Übergabe an einen freien Träger, führte Schröder aus. Und unter diesen habe sich das DRK,

das bereits das dem Kindergarten benachbarte Seniorenheim führe, „förmlich aufgedrängt“. Die

räumliche Nähe verspreche Synergieeffekte: die Hausmeistertätigkeit oder die Mahlzeiten bei einem

späteren Ganztagesbetrieb im Kindergarten nannte Schröder als Beispiele dafür.“

„Einige Tränen musste Regine Schmidt-Köthke schon vergießen, als ihr am Freitagnachmittag in

Gartows Evangelischem Forum zahlreiche Kinder, Eltern und andere Gäste „Auf Wiedersehen“

sagten. Schmidt-Köthke war angesichts der Überraschungen, die ihr dort bereitet wurden und von

denen sie vorher nichts wusste, sichtlich gerührt. Doch die Gorlebenerin, viele Jahre Leiterin des

Gartower DRK-Kindergartens – bis vor wenigen Jahren eine Einrichtung der Samtgemeinde Gartow

– hinterlässt geordnete Verhältnisse. Mit kleinen Erdenbürgern und -bürgerinnen will Regine

Schmidt-Köthke auch weiterhin arbeiten, sie ist ab kommenden Mittwoch in der Dannenberger

DRK-Kinderkrippe „Liliput“ tätig. Und zwar für ein Jahr, dann geht’s in den verdienten Ruhestand.

Sie habe kindergartenmäßig in Sachen Erziehung schon alles gemacht, verriet Schmidt-Köthke

während ihrer Verabschiedung: „Doch die Krippenarbeit fehlt mir noch in meiner Sammlung. Deshalb

ist „Liliput“ für mich eine neue Herausforderung.“

Die beliebte Erzieherin hat 1977 als stellvertretende Leiterin des Gartower Kindergartens angefangen,

als Erika Szegedi 1996 die Leitung abgab, wurde Regine Schmidt-Köthke Chefin. Die Zusammenarbeit

mit ihren Kolleginnen sowie auch mit den Eltern habe ihr sehr viel Freude bereitet,

blickt sie auf die vergangenen 32 Jahre zurück…

Es könne sich wohl niemand so recht vorstellen, was es heiße, eine Kindertagesstätte zu leiten,

meinte Kai Christiansen, beim DRK-Kreisverband für solche und ähnliche Einrichtungen zuständig.

Da sei sehr viel Management erforderlich, die Aufgaben seien vielfältig, „und immer wollen

unzählige Kinder zu ihrem Recht kommen“. Regine Schmidt-Köthke habe all das in Gartow bravourös

gemeistert. Davon, dass Schmidt-Köthke den Gartower Kindergarten entscheidend mitgeprägt

habe, sprach SG-Bürgermeister Friedrich-Wilhelm Schröder. In pädagogischer Hinsicht sei unter

ihrer Leitung viel Gutes bewirkt worden. Seit seiner Inbetriebnahme Ende der 1970er-Jahre arbeitet

der Kindergarten eng mit der örtlichen Grundschule zusammen, hörten die Anwesenden von

der ehemaligen Schulleiterin Elke Steiling. Das geschehe zum Wohl der Kinder, Regine Schmidt-

Köthke sei von Anfang an einer der treibenden Motoren gewesen.“ 25

Abschied nehmen und doch nicht gehen. „Sie bleiben uns als Mitarbeiterin gottlob erhalten“,

freute sich DRK-Kreisverbandsvorsitzender Eberhard von Plato. Regine Schmidt-Köthke habe den

Übergang der Kindergarten-Trägerschaft von der SG Gartow zum DRK mit großem Engagement

mitgestaltet und sich den neuen Strukturen gestellt. Von Plato: „Sie haben bei all dem Neuen nie

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den Blick auf die Kinder in Ihrer Einrichtung verloren, immer auch die Bedürfnisse der Eltern gesehen

und waren stets für Ihre Kolleginnen da.“ 26

„Im Vordergrund stehe selbstverständlich das Wohl der Kinder. Ihnen müsse anregungsreicher

Raum geboten werden, „in der sie sich geborgen und wohlfühlen dürfen“. Das hat sich Maureen

Wiele auf ihre Fahne geschrieben. Die Arbeit mit den Kindern ist es, die sie nach Gartow geführt

hat – die Arbeit mit den Mädchen und Jungen des dortigen DRK-Kindergartens (KiGa). Seit dem 1.

April leitet die in Clenze lebende Maureen Wiele die Einrichtung an der Hahnenberger Straße. Sie

ist Nachfolgerin der vieljährigen Leiterin Regine Schmidt-Köthke, die seit einigen Tagen im Dannenberger

DRK-Kinderhort „Liliput“ tätig ist und zuvor mit großem Bahnhof verabschiedet worden

war.Die Arbeit mit Kindern sei schon immer ihr Ding gewesen, sagt die neue KiGa-Leiterin, und so

habe sie das Thema auch zur ihrem Studienschwerpunkt gemacht. Die Mutter einer zwölfjährigen

Tochter hatte von 1986 bis 1990 an der Fachhochschule Lüneburg Sozialpädagogik studiert und

sich danach in der Hansestadt zuerst der Hort- und Krippenarbeit zugewandt, später in Uelzen

einen Sprachheilkindergarten geleitet und nach der Familienzeit in Lüchow in der Jugend- und Erwachsenenbildung

gearbeitet. Auf die Bildung der Kinder und dass sie rechtzeitig auf ihr späteres

Leben vorbereitet werden, kommt es ihr an: „Dafür muss der Staat Geld zur Verfügung stellen.“

Die Kinder müssten schon früh alle möglichen Bildungschancen bekommen.

Der Wunsch, mit Kindern zu arbeiten, sei der eigentliche Antrieb, nun den Job in Gartow zu machen,

erzählt die Diplomsozialpädagogin. Im DRK-Kindergarten des Ortes sei nach ihrer Ankunft

freilich sehr viel Positives auf sie eingestürzt.

Die Eingewöhnungsphase habe sie wohl hinter sich, jedoch noch nicht die Phase der Einarbeitung.

So seien ihr beispielsweise die Namen aller 97 Mädchen und Jungen, die den Kindergarten täglich

besuchen, noch nicht geläufig. Maureen Wiele spricht davon, dass man sich inzwischen berochen

habe. Von ihren zehn Kolleginnen und ihrem neuen Arbeitgeber sei sie sehr herzlich aufgenommen

worden …“ 27

Inzwischen ist die Leitung des Gartower Kindergartens in die Hände von Kerstin Höltke übergegangen.

Einen weiteren „Kindergarten“ gibt es seit 2013 mit der Bezeichnung „De lütt Grashüppers“. Es ist

ein Projekt von der Elterninitiative Bildung für nachhaltige Entwicklung e.V. Betreuungsangebote

für Kinder unter drei Jahren werden in der Samtgemeinde Gartow im örtlichen Kindergarten und

bei Tagesmüttern und Tagesvätern vorgehalten. Einige Eltern wünschten sich für ihre Kinder eine

kleinere Gruppengröße. In der Krippengruppe im Kindergarten werden im Schnitt 15 Kinder betreut.

Berufstätigen Eltern fehlte eine flexible Nachmittagsbetreuung. Die Betreuung sollte gleichzeitig

auch zuverlässig, qualitativ hochwertig und sicher sein.

Schließlich schlossen sich einige Eltern zum gemeinnütigen Verein „Elterninitiative Bildung für

nachhaltige Entwicklung e.V.“ zusammen, mit dem Ziel ein Betreuungsangebot nach dem freilandpädagogischem

Konzept aufzubauen und eine Tagespflegeperson fest anzustellen. Die geeignete

Tagesmutter war bald schon gefunden: Annette Brandhorst aus Gartow. Sie hatte bereits eine

Kindergruppe in der Samtgemeinde Gartow geleitet, die „Rasselbande in der Rappelkiste“, und

hatte langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Kindern im Kindergartenalter. Mit der Förderung der

Festanstellung durch das „Aktionsprogramm Kindertagespflege“ des BMFSFJ konnte ihr eine Festanstellung

mit angemessenem Gehalt angeboten werden.

166


Im Zusammenhang mit einer weiteren Förderung vom Land Niedersachsen sowie durch großzügige

Spenden der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) und der Grünen vor Ort konnte sich

die Gruppe mit einem Bollerwagen, einem Spielgerüst für draußen sowie einer kompletten Ausrüstung

für ein Kinderzimmer mit Spielmöglichkeiten, Wickeltisch usw. einrichten.

Es gibt eine feste Morgengruppe mit fünf Kindern, die sich „De lütt Grashüppers“ nennen. Die

Kernzeit ist von 8 bis 12 Uhr, es können aber auch frühere sowie spätere Betreuungszeiten vereinbart

werden. Die Betreuung findet im Haus und im Garten der Tagesmutter Annette Brandhorst in

der Hahnenberger Str. 19 statt. Es gibt einen Hund, eine Katze und Hühner im Garten sowie eine

Pferdewiese und eine Koppel mit Eseln in der Nähe. Mit dem Bollerwagen kann Frau Brandhorst

mit den Kindern jeden Tag bei Wind und Wetter Exkursionen in die nähere Umgebung unternehmen

– z.B. in den Wald, zum Gartower See, auf den Wasserspielplatz am Campingplatz oder zum

Wochenmarkt am Freitag Vormittag. Am Nachmittag gibt es ein offenes, flexibles Betreuungsangebot,

das vor allem von den Eltern der ansässigen Unternehmen gern genutzt wird.

Schulen in Gartow

Die Existenz einer Schule in Gartow, vermutlich auf dem Areal der alten Wasserburg zu Zeiten der

v. Bülows, läßt sich relativ weit zurückverfolgen. Es ist einem Schreiben des Gartower Küsters

und gleichzeitigem Schulmeister Bernhard Marwede von 1702 zu verdanken, wenn wir auf einen

Schulbetrieb in Gartow Hinweise erhalten. Ausgelöst durch einen Streit, griff Marwede weit in die

Geschichte zurück und erwähnt ein „Schul-Register de Anno 1588“. 28

Bekanntlich waren früher der Kirchen- und Schuldienst miteinander kombiniert und der jeweilige

Kantor übte zugleich den Unterricht aus, der sich in den Anfängen des Schulwesens lediglich auf

den Katechismusunterricht erstreckte und das Religiöse und nicht unbedingt die weltliche Bildung

in den Vordergrund stellte. Das Lesen und Schreiben entwickelte sich in derartigen Unterrichten

erst nach und nach.

Auch in Gartow galt die „Dannenberger Schulordnung“ vom 18. August 1687, die einzuhalten war.

Die Unterweisung der Kinder in Religion und Unterricht lag damals ganz in den Händen der Kirche.

Zur Jahrhundertwende 1699/1700 bekam der

damalige Küster und Schulmeister Bernhard

Marwede aus Gartow außer seinem Schulgeld

von den Eltern und dem Küstergehalt

aus alter Tradition vom Haus Gartow jährlich

zu Weihnachten drei Bratwürste oder den entsprechenden

Geldwert von 3 ggr. Hinzu kamen

weitere 6 ggr. 9 Pfg. für zwei wüste Hofstellen

in Quarnstedt, die die Familie v. Bernstorff

aufgekauft hatte. Am 25. Mai 1700 zahlte die

Geheimrats-Frau v. Bernstorff an den Gartower

Kantor Düker das Schulgeld für acht Kinder armer

Eltern. Demnach hat Marwede Schulunterricht

gegeben und Düker die damals geläufige

Katechismuslehre. 29

Auf Marwede folgte Kantor Düker bis 1735,

29.11.1776: Quittung des Lehrers Georg Friedrich

Schröder

sein Nachfolger wurde Johann Jacob Dingel-

167


14.6.1703: Schreiben des Lehrers Bernhard Marwede

städt, danach dessen Sohn Johann Roger Ludewig

Dingelstädt und später der Kantor Tobias

Erhard Krug. 1765 unterrichtete außer Krug

noch der Küster Johann Friedrich Lange Gartower

Schulkinder.

1812 haben sich aufgrund der damals geltenden

französischen Gesetze alle Halb- und

Vollbürger in Gartow verpflichten müssen, die

anteilig von ihnen aufzubringenden Abgaben

zur Unterhaltung des Kantorats und der Schule

schriftlich anzuerkennen. Diese Verpflichtung

wurde in das französische Grundbuch hypothekarisch

eingetragen: „Beitrag behuf Baues und

Unterhaltung der Cantorat- und Schulgebäude,

Hof- und Gartenbefriedung p.p. jährlich um Ostern

zwey Eyer, quartaliter den Hausdreyer à

drey Pfennig, jährlich einen guten Groschen…“

Der Gesamtwert schwankte zwischen 17

Reichsthaler bei Halbbürgern und 33 Reichsthaler

bei Vollbürgern.

Verordnung vom 15.1.1765

Im Dezember 1812 wandte sich der Gartower Organist und Kantor Krug mit diesen Zeilen an den

Kirchenpatron Graf v. Bernstorff: „Die große Armuth, worin verschiedene in Gartow und Quarnstedt

wohnende Personen versunken sind, macht es diesen unmöglich, auch nur das geringe Schulgeld

für ihre zum Theil zahlreichen Kinder zu entrichten. Der Unterzeichnete hat auch wegen des in

der ehrerbietigst angelegten Note (Anm.: Verzeichnis) verzeichneten Schulgeldes alle Mittel, um

etwas zu erhalten, vergeblich versucht, hat aber durch öfteres Mahnen und durch Androhung der

Execution (Anm.: Zwangseintreibung) bisher nichts erhalten können. Würde auch durch würkliche

Exekution nicht das Geringste erhalten, da die Armuth der verzeichneten Personen bekanntlich zu

168


groß ist und der Zwangsbefehlträger insonderheit bey dem Nagelschmied Thiele keine Mittel zur

Ausführung der Execution vorgefunden hat.

Nagelschmied Thiele, der drei Schulkinder hatte, zahlte laut einem Vermerk noch nie das Schulgeld

„da er in der größten Armuth ist“.

Da ich nun selbst eine sehr zahlreiche Familie zu ernähren habe, und deshalb nicht im Stande

bin, das sauer verdiente Schulgeld gänzlich zu erlassen, so weiß ich mir in diesen Zeiten des fast

allgemeinen Geldmangels nicht anders zu rathen….“ 30

Kantor Krug bat daher den Grafen, anstelle der Säumigen das Geld aus der Kirchenkasse entnehmen

zu dürfen. Im November 1813 meldete er sich erneut, nunmehr in einer anderen Angelegenheit:

Im Schulhaus sind von feindlichen Soldaten „Hanseaten und Preußische Landsturm-Männer“ drei

Fensterscheiben zerstört worden. Da in der Stube wiederum andere Soldaten Quartier bezogen

hatten, beschwerten sich diese wegen der eindringenden Kälte. Der Graf sollte für die Behebung

des Schadens sorgen. 31

Im Oktober 1821 war der Gartower Pastor Levin Karl Hölty aufgefordert worden, sich zu den Schulverhältnissen

in Gartow, Nienwalde und Meetschow zu äußern:

I. Anzahl und Größe der Schulen

In der Parochie Gartow sind drei Schulen: 1. die Schule zu Gartow, wozu außer den Kindern des

Fleckens Gartow auch die Kinder aus Quarnstedt, Rucksmoor und dem Elbholze gehören. In dieser

Schule haben sich in dem Winter von Michaelis 1820 bis Ostern 1821 160 Kinder aus 90

Familien befunden, 2. die Schule zu Niendorf, in welcher 45 Kinder aus 22 Familien waren, 3. die

Schule zu Meetschow, worin sich die Anzahl der Kinder auf 44 aus 26 Familien belief.

II. Einkünfte der Schullehrer

…hat der Cantor und Schullehrer Krug zu Gartow seine sämtlichen Dienstemolumente ext. der

Wohnung als Küster, Organist und Schullehrer auf 240 Reichsthaler 8 ggr. 7 Pf. Conventionsmünze

angegeben und für Privatunterricht außer dem Hause noch 25 Rtlr.berechnet. Der Schullehrer

zu Niendorf gab seine sämtlichen Einkünfte ext. der Wohnung auf 45 Rtlr 1 ggr. 4 Pfg. Conv.Mze.,

gleichfalls ext. der Wohnung….Der Schullehrer Schulz zu Niendorf ist zugleich ein Drechsler und

der Schullehrer Freudenthal zu Meetschow ein Schneider, beide aber versichern, daß ihnen ihr

Handwerk aus Mangel an Kunden nicht so viel einbrächte, daß es als Nebenverdienst bemerkt

werden müßte.

III. Qualification und Prüfung der Schullehrer

Von den Dorfschullehrern wird verlangt:

01. daß sie richtig und fertig lesen und die gangbarsten Melodien der Gesänge singen können,

02. daß sie eine deutliche Hand schreiben und wenigstens die Anfangsgründe des Rechnens

verstehen,

03. daß sie im Stande sind, die Fragen und Sprüche des Katechismus zu zergliedern und den

Kindern die darin enthaltenen Wahrheiten abzufragen,

04. daß sie auch die Fähigkeit besitzen,

05. einigen gemeinnützigen Kenntnissen aus der Naturlehre, Naturgeschichte und Erdbeschreibung

nach den ihnen gegebenen Lehrbüchern bekannt zu machen. Die Lehrbücher,

die zu diesem Behuf in den beiden Dorfschulen gebraucht werden, sind: Gutmann oder

169


Sächsischer Kinderfreund, ein Lesebuch für Bürger und Landschulen von Thieme, Leipzig

1797 und das Handbuch der ersten und notwendigsten Kenntnisse für Kinder aller Stände,

Hannover 1805. Auch müssen die Schullehrer 4. da das Tafelrechnen in den Dorfschulen

nicht gelehrt wird, die Kinder wenigstens im Kopfrechnen etwas üben können. Nach diesen

Forderungen werden diejenigen, die sich um einen Schuldienst bewerben, von dem Prediger,

der dazu von den Herren Kirchenjuraten den Auftrag erhält, vor ihrer Anstellung geprüft.

IV. Umfang und Methode des Schulunterrichts

In den beiden Dorfschulen sind Gegenstände des Unterrichts: Lesen, Schreiben, Kopfrechnen,

Singen, Religion und ihre Geschichte und gemeinnützige Kenntnisse. In Hinsicht der Methode sind

die Schullehrer angewiesen, sich nach dem Handbuche für angehende Landschullehrer zur leichteren

Übersicht ihrer Pflichten und der zweckmäßigsten Methode für jede Art des Schulunterrichts

von dem Herrn Kirchenrath und Superintendenten Frank in Bardowick, Hannover 1802, zu richten.

In der Gartower Schule kommt zu obigen Gegenständen des Unterrichts auch noch Unterricht in

der deutschen Sprache (Anm.: man sprach außerschulisch wohl Plattdeutsch) und in schriftlichen

Aufsätzen, im mehrstimmigen Singen und im Tafelrechnen. Auch werden die Kinder mit den

Hauptbegebenheiten der älteren und neueren Weltgeschichte bekannt gemacht. Da in Gartow

das Schulzimmer zu klein ist, um alle Kinder fassen zu können, so haben die Kinder in zwei Schulen

verteilt werden müssen. In der sogen. großen Schule befinden sich die Kinder vom 9ten bis

14ten Jahre und in der kleinen Schule die Kinder vom 6ten bis 9ten Jahre. Wollen Letztere nach

vollendetem 9ten Jahre aber in die große Schule aufgenommen werden, so wird gefordert, daß sie

wenigstens nothdürftig lesen können. Die Kinder der großen Schule erhalten täglich 4 Stunden

Unterricht, Morgens von 8 bis 10 Uhr und Nachmittags von 1 bis 3 Uhr. Von 3 bis 4 Uhr wird gerechnet,

woran aber nicht alle Kinder theil nehmen. Die Kinder der kleinen Schule erhalten täglich

nur 2 Stunden Unterricht, Morgens von 10 bis 12 Uhr und werden in diesen beiden Stunden in der

Buchstabenkenntnis, im Buchstabieren und Zusammenlesen so wie auch in der Zahlenkenntnis

geübt. Auch werden mit ihnen zur Ermerkung des Denkens und zur Übung in hochdeutscher Sprache

Verstandesübungen angestellt. Eigentlichen Religionsunterricht erhalten diese Kinder noch

nicht, doch werden ihnen, wenn es die Zeit erlaubt, kurze moralische Geschichten erzählt, auch

lernen sie wohl kurze und ihnen fassliche Bibelsprüche auswendig. Die meiste Zeit muß aber von

dem Lehrer auf das Lesenlernen verwandt werden.

Schulszene

Schularbeiten

170


V. Sommerschulen

In den beiden Sommerquartalen wird hier so wie im ganzen Gericht Gartow nur ein Tag in der

Woche Schule gehalten und diese Einrichtung besteht auch erst seit dem Jahre 1799, da früher

gar keine Sommerschulen im hiesigen Gerichte üblich waren. Für diesen einen Tag erhält der

Schullehrer kein Schulgeld.

Im Flecken Gartow wird zwar außer diesem einen Tage auch noch an mehreren Tagen im Sommer

Schule gehalten und es wurde vormals für jedes Kind, wie im Winter, 6 Pfg. Cassenmünze

wöchentlich an Schulgeld bezahlt. Jetzt wird 1 ggr. Cassenmünze wöchentlich für jedes Kind an

Schulgeld entrichtet, da die Anzahl der Kinder, die an dieser Schule teilnehmen, gegenwärtig nur

gering ist. Denn da es den Eltern frei steht, ob sie ihre Kinder in diese Privatsommerschule schicken

wollen oder nicht, so geschieht dies von den ärmeren Eltern der Schulgemeinde auch gar

nicht und selbst nur wenige der Wohlhabenden lassen ihre Kinder an dieser Schule teilnehmen.

Es sind meistens nur die kleineren Kinder einiger Honorationen, einige Bürger und andere Ortsbewohner,

welche diese Schule besuchen. Zu wünschen wäre daher, daß auch im hiesigen Gerichte,

wie ich es glaube, im ganzen Lande der Fall ist, gesetzlich eingeführt würde, daß im Sommer, etwa

mit Ausnahme der Erntezeit, drei Tage Schule gehalten werden müßte und dem Schullehrer für

jedes Kind wöchentlich 3 Pfg. an Schulgeld bezahlt werden müßten.

VI. Schulprüfungen, Berichte, Dispensationen und Discription

Öffentliche Schulprüfungen finden auf beiden Dörfern nicht statt. Wenn der Prediger die Schule

besucht, wird zugleich eine Prüfung angestellt. In Gartow aber hat der Cantor Krug seit 1820 eine

öffentliche Prüfung eingeführt, welche in der Woche vor Ostern gehalten wird und beide Mal ehrvoll

für ihn selbst und für die Mehrzahl der Kinder ausgefallen ist.

Die Schullehrer sind gehalten dem Prediger von Zeit zu Zeit Bericht über die Fortschritte und das

Betragen der ihnen anvertrauten Schuljugend abzustatten und zugleich auch das Verzeichnis der

Absenten einzureichen. Es ist den Schullehrern in den Außendörfern nachgelassen, den Schulkindern

in Nothfällen Urlaub aus der Schule ertheilen zu dürfen, doch sind sie gehalten dies dem

Prediger nachher anzuzeigen. In Gartow erbitten sich die Kinder den Urlaub von dem Prediger.

Was die Schuldisciplin betrifft, so werden die Kinder, welche sich durch Unfleiß, Unachtsamkeit,

Plaudern, Neckereien und Störungen Anderer und ähnliche Unarten strafbar gemacht haben,

durch Heruntersetzen, Nachsitzen, vorzüglich wenn sie das ihnen aufgegebene Pensum zu Hause

nicht gelernt haben, durch Anschreiben ihres Namens an die Tafel, durch Stehen vor der Tür im

Schulzimmer usw. bestraft. Doch sind auch körperliche Züchtigungen nicht ausgeschlossen. Der

Cantor Krug hält sich ein Register, worin er den Fleiß oder Unfleiß, das Gute und schlechte Betragen

eines jeden Kindes von Woche zu Woche aufzeichnet, dieses zu Zeiten dem Prediger vorlegt,

von welchem dann auch bei Schulvisitationen und bei der jährlichen Schulprüfung Gebrauch gemacht

wird. Auch hängen in der Schule zwei Sittentafeln, auf der einen sind die Namen der Kinder

verzeichnet, die sich durch Fleiß und gutes Betragen ganz vorzüglich ausgezeichnet haben und

auf der anderen stehen die Namen derjenigen, von denen das Gegenteil gesagt werden muß.

171


VII. Anstellung, Kündigung und Entlassung der

Schullehrer

Im Gerichte Gartow werden die Schullehrer von

dem Herren Kirchenpatron (v. Bernstorff) angestellt,

ohne daß sie dem Königl. Consistorio

präsentiert oder von demselben bestätigt würden.

Die Schulstelle wird ihnen ohne Vorbehalt

einer etwaigen Kündigung verliehen und außergerichtlich

würden sie ihres Dienstes wohl

nicht entlassen werden können.

VIII. Stellung der Schullehrer gegen die Schulgemeinden,

dem Prediger und der Ortsobrigkeit

Die Schulgemeinde hat die Verpflichtung, den

Schullehrer als den der Schuljugend ihres Orts

vorgesetzten Lehrer zu ehren, kann die Beobachtung

seiner Schullehrpflichten von ihm

fordern, ist aber nicht befugt ihm Dienste und

Hülfsleistungen aufzuerlegen, die mit seinem

Amte nicht in Verbindung stehen. Der Schullehrer

hat den Prediger als seinen Vorgesetzten

zu betrachten und ist verbunden den Verfügungen

desselben in Schulsachen Gehorsam

zu leisten. Nach der im hiesigen Lande bestehenden

Observanz stehen die Cantoren, Küster

und Schullehrer, welche am Kirchorte wohnen,

unter dem Königl. Consistorio, die übrigen aber

unter der Ortsobrigkeit. Ob es im Gerichte Gartow

anders ist, ist mir nicht bekannt.

Körperliche Zurechtweisung

IX. Verpflichtung der Schulgemeinde zum Bau und Unterhaltung der Schulgebäude

In Niendorf und Meetschow muß jede Dorfschaft das Schulhaus ihres Orts bauen und im wohnbaren

Stande erhalten. Zur Erbauung und Unterhaltung der Schulgebäude in Gartow trägt aber das

ganze Kirchspiel bei….“ 32

1844 wandte sich Kantor Krug an Graf v. Bernstorff um Erlaubnis, daß die im Bezirk Gartow tätigen

Lehrer einer Witwen-Kasse beitreten dürfen, zumal im Königreich Hannover erste Schritte

dazu eingeleitet wurden. Etliche Lehrer hatten dafür bereits eine größere Geldsumme an den

Pastor Bödecker in Hannover übersandt. Hiervon waren 14 Schullehrer betroffen. Graf v. Bernstorff

erlaubte selbstverständlich ein solches Vorgehen. Von Juni bis November 1845 waren der

Witwenkasse beigetreten: Kantor Krug aus Gartow, Küster Roosch aus Prezelle, Küster Trommel

aus Restorf, Lehrer Meyerhoff aus Meetschow, Lehrer Bruns aus Nienwalde und Kantor Bruns aus

Trebel.

Am 26. Mai 1845 trat im Königreich Hannover das Volksschulgesetz in Kraft. Obwohl der Staat

nicht so ohne Weiteres über die Schulen im Gerichtsbezirk Gartow verfügen konnte, war es er-

172


wünscht, wegen Bildung von Schulbzirken auch das Gartower Gebiet einzubeziehen. Es war vom

Königlichen Konsistorium bereits ein Plan hierzu ausgearbeitet worden. Graf v. Bernstorff hatte

von sich aus vor, dem neuen Schulgesetz nachzukommen. Damit verbunden war eine höhere Dotierung

der Lehrergehälter, was die Gemeinden jedoch ablehnten. 33

Am 21. Februar 1850 ließ Graf v. Bernstorff durch Rundschreiben alle Schulvorstände und Lehrer

wissen: „…daß die Regierung unseren Ständen einen Gesetz-Entwurf vorgelegt hat wonach der

Unterricht in den Schulen künftig der Aufsicht des Predigers entzogen wird und von den weltlichen

Behörden beaufsichtigt werden soll. Wie nachtheilig dieses auf die Erziehung Eures Kindes einwirken

würde, glaube ich Euch nicht erst sagen zu müssen ... Es wird also in der That jede Aufsicht

fehlen und ob das für Euer Kind gut ist, könnt Ihr wohl am besten selbst beurtheilen…“ Graf v.

Bernstorff bereitete eine Petition zur Vorlage bei der Ständeversammlung gegen die Gesetzeseinführung

vor, die die Ortschaften unterstützen sollten. Der Protest der Ortschaften war bereits vom

Grafen vorformuliert worden: „…Da wir aber wünschen, daß unsere Kinder auch als wahre Christen

sollen erzogen und als solche von christlichen Lehren christlich sollen unterrichtet werden,

vor unserer weltlichen Staatsbehörde aber jedes Religionsbekenntnis jetzt gleiche Geltung hat, so

müssen wir dringend wünschen, daß diese Gesetzes-Vorlage nicht die Billigung der Hohen Ständeversammlung

erhalten möge…“ Die Fleckensgemeinde Gartow reagierte jedoch nicht wie erwünscht

und ließ am 4. März 1850 den Grafen wissen: „…daß selbige (Petition) aus dem Grunde

nicht unterschrieben werden kann, weil die darin enthaltene Opposition gegen unsere Regierung

sich nicht mit der von uns geprüften Regierungs-Vorlage im Einklange bringen läßt…“ 34

Auf Lehrer Tobias Erhard Krug folgten Carl Johann David Krug (um 1794) und Wilhelm

Krug. Bis 1851 wurden die Kinder aus Gartow zusammen mit denen der Gutsgemeinde gemeinsam

in einer einklassigen Schule von einem Lehrer unterwiesen. Ab 1851 erfolgte dann die Einsetzung

eines zweiten Lehrers. Zweite Lehrer sind gewesen: A. Imohr 1851 - 1853, Georg Wilhelm

Gothe 1853 - 1855, Adolf Georg Hermann Aschoff 1855, Schweinhagen 1857 - 1858 und provisorisch

Heinrich Hundt 1858 - 1859.

Lehrer H. Hundt wurde ab 1860 vom Haus Gartow besoldet (190 Rtlr./Jahr) und erhielt Holzlieferungen

im Werte von 53 Rtlr. Das Haus Gartow mußte dennoch 30% der Unterhaltungskosten

für die Fleckensschule in Gartow aufbringen. Im Jahre 1876 wurde die Schule aus dem ehem.

Amtshaus in das ehem. Dröge`sche Haus in Gartow, welches sich im Besitz des Hauses Gartow

befand, verlegt. Das Haus Gartow mußte sich damals an den Schulkosten in Holtorf (Lehrer Warneke),

Laase, Dünsche (Lehrer Siedenberg) und Trebel (Lehrer Wieland) beteiligen, weil es dort

über Grundeigentum verfügte. Lehrer Schulz erhielt 1890 ein Jahresgehalt von 825 Mark, sowie

Holzlieferungen im Werte von 112 Mark. Im Jahre 1921 sind vermutlich nur noch 15 Kinder in

der Gutsschule unterrichtet worden. Für Schüler aus Wirl und Klusbergen, die zur Schule Trebel

gingen, zahlte das Haus Gartow an die dortige Schulkasse jährlich 1000 Mark. 35

Ab 1860 kam es zur Trennung in eine bestehende „Fleckenschule“ Gartow und eine

„Gutsschule“. In der Fleckenschule unterrichteten als erste Lehrer:

Wilhelm Krug bis 1873, Schumacher 1873 - 1878 und Ferdinand Thölke 1878 - 1921 sowie als

zweite Lehrer: Mohwinkel bis 1871, Karl Ernst Korte 1871 - ?, Bellahn ? - 1881, Johannes Lühr

1881 - 1889, Lindeke 1889 - 1892, Friedrich Hinrichs 1893 - 1898, Vieregge 1898 - 1899, Neubauer

1899 - 1901, Frähmke 1901 - 1905, Kohrs 1907 und Otto Thölke 1907 - 1913.

173


In der Gutsschule fungierten als Lehrer:

Heinrich Hundt 1860 - 1889, Karl Schulz 1889 - 1902, Adolf Dohmann 1904 - 1909 und Ernst

Fromhage 1910 - 1920. Von 1911 bis 1930 waren Fleckens- und Gutsschule wieder (provisorisch)

vereinigt. In der Fleckensschule taten folgende 1. Lehrer Dienst: Ferdinand Thölke, Walter Menke

1921, Rudolf Haberland ab 1921 - 1948, als 2. Lehrer: Otto Thölke, Friedrich Schulz 1913, Walter

Wehmeyer 1914 - 1920, Albert Ohland 1920 - 1921, Walter Menke 1921 - 1924, Otto Röhr

1924 - 1930. In der Gutsschule führten Lehrer Ernst Fromhage und Walter Wehmeyer den Unterricht.

Seit 1922 gab es kirchliche Elternbeiräte, die frei gewählt wurden. Der Elternbeirat hatte die

Aufgabe: „Er hat mitzuwirken an der Erziehung der Jugend.“ Auch hierzu äußerte sich die Kirche

(1926): „…Es gilt, die Schule den Kampf der Parteien und allen parteipolitischen Bestrebungen

zu entreißen. Wir müssen daher alle bemüht sein, das herauszufinden, was uns allen gemeinsam

ist, die große Basis, auf der wir uns alle die Hand reichen können. Und dieser Grund liegt für mich

im christlichen Deutschtum. Wir müssen unsere Jugend erziehen zu all den Wesenseigenheiten,

die sich in das Wort „deutsch“ fassen lassen…“ und: „…die zwei wichtigsten Erziehungsfaktoren:

das Elternhaus und die Schule. Es ist von größter Bedeutung für die Entwicklung des kindlichen

Gemüts, welchen Geist es im Elternhause einatmet. An dieser Grundlage, die durch die elterliche

Erziehung geschaffen wird, kann die Schule nachher nichts ändern, sie kann nur weiterbauen auf

dem Boden, der ihr bereitet ist. Und viele Eltern machen es sich gar nicht klar, welch große Verantwortung

sie da zu tragen haben. Das kleine Kinderherz ist so empfänglich für alles, was es hört

und sieht und die ersten Eindrücke haben bleibenden Wert…“

Ab 1930 wurde die Volksschule Gartow eingerichtet, eine Gutsschule gab es nach Aufhebung der

Gutsgemeinde im Jahre 1929 nicht mehr. An dieser Schule unterrichteten als 1. Lehrer: Rudolf

Haberland (bis 1948), Walter Wehmeyer (ab 1948), als 2. Lehrer: Walter Wehmeyer (bis 1948)

und Johann Hermann (ab 1948), als 3. Lehrer: Johann Hermann 1946 - 1948, Helmut Hoins

1946 - 1948, Helmut Hoins 1949 - 1950 und Hermann Floment (ab 1950) und Werner Pinkes (ab

1947). Hilfslehrer waren ferner: Dick (1.2.1930 - 31.3.1930), Kruse (1.4.1930 - 30.6.1930) und

Walter Lühr (1.7.1930 - 31.3.1934). Schließlich muß noch der außerplanmäßige Lehrer Herbert

König (ab 1949) erwähnt werden.

Die beiden Schulhäuser (Fleckens- und Gutsschule) sind vermutlich 1857 erbaut worden. 36/37

Ehemalige Schule, Hauptstr. 5

174


1930 wurde die „Wanderhaushaltungsschule“ in Gartow wieder eröffnet, was auf die erfolgreichen

Bemühungen der Frau des Superintendenten Umland zurückzuführen war. Lüchow und Lanze

hatten ebenfalls Interesse gezeigt. Zwei Lehrgänge für junge Mädchen wurden angeboten, die

im Winterhalbjahr absolviert wurden. Lehrkraft war Clara v. Bernstorff aus Schnackenburg, die

auch Anmeldungen entgegen nahm. Das wöchentliche Schulgeld betrug 5 Reichsmark, mitzubringen

waren 2 Eier, halbes Pfund Mehl, ein Liter Milch, etwas Gemüse und Kartoffeln. Gelehrt wurde

Kochen, Backen, Einwecken, Nähen und Flicken sowie Schneidern. Ferner Kinder- und Krankenpflege,

auch Haushaltsbuchführung. Kenntnisse erhielten die jungen Mädchen außerdem in der

Gartenpflege und Viehzucht, denn, wie Gräfin Bernstorff schrieb:

„…wir Frauen sind gleichberechtigte und verpflichtete Bürgerinnen des Staates, Glieder einer

Volksgemeinschaft, für die wir mit verantwortlich sind. Wir lernen unsere Heimat und ihre Verhältnisse

kennen, die Pflichten und Rechte, die wir im öffentlichen Leben haben. Zur Grundlage und

zum Mittelpunkt unseres Handelns wird uns die Religion…“ 38

In den Jahren 1950/51 ist ein neues Schulgebäude im Ortsteil Hahnenbergen errichtet worden.

Die Schülerzahlen stiegen durch den Zustrom von Flüchtlingen stark an: 1939 = 97, 1945 = 226

(davon 110 aus Flüchtlingsfamilien), 1951 = 266 (127).

Gartow. Bürgermeister Henning leitete im Bürgermeisteramt eine Versammlung, um nach den

Richtlinien des Schulgesetzes einen „Schulzweckverband Gartow“ zu gründen. Den Schulzweckverband

stellen die Gemeinde und der Forstgutsbezirk dar. Zum 1. Vorsitzenden wählte die Versammlung

einstimmig Schulleiter Hauptlehrer König. Mitglieder sind Bahlke, Schmidt, Junack,

Henning, v. Oppen, Junker und ein noch zu wählender Lehrer, der auch stellv. Vorsitzender sein

wird. Die Verbandsversammlung setzt sich aus 6 Mitgliedern der Gemeinde zusammen. Hinzu

kommen 2 Personen für den Forstgutsbezirk. Die Wahl von Mitgliedern der Gemeinde soll auf

Vorschlag der politischen Parteien vorgenommen werden. Der im bisherigen Gesamtschulverband

tätig gewesene Kassierer Ahrens wurde für diesen Posten wiedergewählt. 39

1969 hatte der Schulzweckverband Gartow einen 16-sitzigen Kleinbus zur Schülerbeförderung im

Einsatz . Den neu angelegten Schulsportplatz nutzen die Gartower Schulen sowie die Sportvereine

Gartow-Prezelle und Nienwalde auch heute noch. Früher waren das Zollkommissariat Gartow und

die US-Army, die auf dem Höhbeck eine Funküberwachungsstation betrieb, ebenfalls Nutzniesser

der Anlage.

Todesanzeige Lehrer Walter Wehmeyer

175


(27.11.1956)

12.9.1957: Wettkampfergebnisse Schulsportfest in Gartow

176


Mittelpunktschule Gartow

Zweckverbandsversammlung am 13.10.1970:

„…Vor der Behandlung dieser beiden Anliegen stellte Rektor Koch der Versammlung die Lehrkräfte

vor, die im Schuljahr 1970 ihren Dienst an der Mittelpunktschule Gartow aufgenommen haben.

Es sind die Lehrerinnen Frau Heidrun Beißwenger, bisheriger Dienstort war Hamburg, Fräulein

Renate Meyer, Absolventin der Pädagogischen Hochschule Lüneburg, Frau Elke Steiling, bisher

tätig in Wiegboldsburg bei Aurich… Alle drei Lehrerinnen versicherten, daß sie sich im Kollegium

der Schule sehr wohl fühlen und daß ihnen die Arbeit sehr viel Freude bereite. Außer den drei

genannten Lehrerinnen nahm Frau Antje Thiede, Holtorf, am 1.8.1970 den Dienst als technische

Lehrerin an der Mittelpunktschule auf.

Zum Turnhallenbau gab Samtgemeindedirektor Borchardt einen Bericht über den Stand der Verhandlungen

mit der Kreisverwaltung und der Regierung in Lüneburg. Dabei konnte er als erfreuliches

Ergebnis melden, daß die zur Finanzierung eingeplanten Bundesmittel in Höhe von 100000

DM endlich bereitgestellt werden. Die Bereitstellung dieser Mittel erfolgte, nachdem Samtgemeindedirektor

Borchardt und Oberkreisdirektor Paasche entsprechende Verhandlungen in Bonn geführt

haben…. Während z. Zt. 14 Klassen in 12 Räumen unterrichtet werden, müssen im kommenden

Schuljahr durch starkes Ansteigen der Schülerzahl 17 Klassen in diesen 12 Klassenräumen

beschult werden. Hinzu kommt noch, daß Aufenthaltsräume für die Fahrschüler und ein Musikraum

dringend benötigt werden…. Zum Schluß der Versammlung dankte Rektor Koch den Verbandsmitgliedern

für den Beschluß vom 9.2.1970 zur Beschaffung eines Großraumbusses für

die Mittelpunktschule. Durch diesen Bus, der bereits seit dem 6.8.1970 eingesetzt ist, wurde eine

wesentlich bessere Beförderungsmöglichkeit der Schulkinder geschaffen.“ 40

1970 besuchten 406 Schüler/innen aus 20 Ortschaften die Mittelpunktschule in Gartow:

Gartow = 95, Nienwalde = 32, Schnackenburg = 33, Gummern = 3, Kapern = 23, Holtorf = 29,

Restorf = 18, Pevestorf = 14, Brünkendorf = 15, Vietze = 32, Meetschow = 6, Laasche = 6, Gorleben

= 21, Trebel = 8, Nemitz = 2, Marleben = 7, Gedelitz = 13, Prezelle = 21 und Lomitz = 28. 41

„Am 15. November 1970 nimmt Frau Bärbel Saugier aus Avignon in Frankreich vorübergehend

ihren Dienst an der Mittelpunktschule auf. Ab 1. Dezember wird der Lehrer z.A. Hans Jürgen Bosselmann

aus dem Ort Schülern bei Soltau eine Planstelle an der Mittelpunktschule in Gartow

übernehmen. Herr Bosselmann ist Absolvent der Pädagogischen Hochschule in Lüneburg.“ Im

Schuljahr 1970/71 gab es 406 Schüler:

„Die Anmeldung der 1971 schulpflichtig werdenden Kinder findet am Donnerstag, dem 13. Mai

1971 von 8.15 - 12.00 Uhr in der Mittelpunktschule statt. Schulpflichtig sind alle Kinder, die bis

zum 30. Juni 1971 das 6. Lebensjahr vollenden. Alle Schulpflichtigen bitte ich bei der Anmeldung

vorzustellen. Geburtsurkunden, Tauf- und Impfscheine sind mitzubringen. Auf schriftlichen Antrag

der Erziehungsberechtigten können auch Kinder, die in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1971

das 6. Lebensjahr vollenden, in die Schule aufgenommen werden, wenn sie die für den Schulbesuch

erforderliche geistige und körperliche Reife besitzen. Vordrucke für den Antrag auf vorzeitige

Einschulung liegen in der Schule bereit. Die Termine für die Überprüfung der Schulreife und Untersuchung

durch den Amtsarzt werden bei der Anmeldung bekannt gegeben. H. Koch, Rektor.“ (42)

Die Grundschule in Gartow legte sich 2007 ein Logo in Form eines Piratenschiffes zu, um die

Verbundenheit zwischen Schule und Schülern zu demonstrieren. Im November 2008 übernahm

Mechthild Rehwinkel die Leitung der Grundschule, nachdem ihre Vorgängerin Elke Steiling in den

Ruhestand getreten war.

177


Realschule

Am 2. Mai 1946 ist in den Räumen des Reichsarbeitsdienstlagers,

das seinen Standort auf

dem heutigen Hamburger Feriendorf an der

Hahnenberger Straße hatte, eine Privat-Mittelschule

unter Leitung von Studienrat Lüders mit

drei Klassen begründet worden. 43

1957: Anmeldung zur Mittelschule Gartow

Zehn Jahre später erschienen u.a. auch diese Meldungen zur Gartower Schulgeschichte:

„Gartow. Die Mittelschule hatte die Eltern zur Entlassung der 10. Klasse im Hotel Deutsches Haus

eingeladen. Der Schülerchor sang: Wie schön leuchtet der Morgenstern von Bach. Der Sprechchor

der 9. Klasse unter Leitung von Fräulein von Hörsten deklamierte „Stufen“ von Hermann Hesse.

Rektor Pudelko wies auf die Bedeutung dieser Abschiedsstunde hin und ermunterte die Abschiednehmenden,

nicht auf der erreichten Stufe stehen zu bleiben. Der Vorsitzende des Elternbeirates,

Forstmeister Junack , überbrachte den Dank der Eltern an das Lehrerkollegium. Bei der Aushändigung

der Zeugnisse erhielten Richter, Schulz und Feld für besondere Leistung eine Anerkennung

von der Schule. Nachdem der Chor unter Leitung von Fräulein Judith Franke das ostpreußische

Volkslied: Es dunkelt schon in der Heide vorgetragen hatte, folgte ein Feierspiel der 9. Klasse: Das

Erbe von Margarete Seidat.“ 44

„Eine gut besuchte Elternversammlung fand in der Mittelschule statt. Rektor Pudelko gab einen

Bericht über das Schuljahr. Durch die Instandsetzung von zwei Zimmern wurde für weitere Räumlichkeit

gesorgt. Der Ausbau wird laufend fortgesetzt werden. Mit viel Mühe und Liebe wurde von

älteren Schulkindern eine Garten-Grünanlage geschaffen, die bei der Elternschaft große Beachtung

fand. Die Stellenbesetzung ist augenblicklich sehr günstig und erlaubt einen Lehrplan, bei

dem außer Nadelarbeit alle Fächer besetzt sind. Für die oberen Klassen werden nun auch Kurzschrift-

und Maschinenschreib-Unterricht erteilt. Seit dem Schülerhöchststand (206) ist die Schülerzahl

etwas zurückgegangen. Dies ist bedingt durch die Abwanderung von Vertriebenen und die

Aufnahme von sieben Schülern in die Oberschule Lüchow … Forstmeister Junack gab einen Bericht

über die Tätigkeit des Elternbeirates ... Er schlug die Gründung eines Elternvereins vor… Der

vorläufige Vorstand: 1. Vorsitzender Junack aus Gartow, 2. Vorsitzende Frau Hoins aus Meetschow,

Kassierer Höper und Schriftführer Hoffmann aus Gartow…“ 45

Die ehemalige Mittelschule (heute Elbtalschule) beging im Mai 2006 ihr 60 jähriges Bestehen:

„…Sie entstand als private Mittelschule, gegründet von Eltern ein Jahr nach Kriegsende. Ab Mai

1946 wurden die ersten 46 Schülerinnen und Schüler nach einer Prüfung in drei Klassen eingeschult.

Unterrichtet wurde in einer ehemaligen Baracke des Reichsarbeitsdienstes am Gartower

Ortsausgang in Richtung Trebel. Aus heutiger Sicht waren die Bedingungen eher gruselig: Es fehlte

an Lehr- und Lernmitteln, die Schüler mussten nicht nur ihren Stuhl sondern auch Holz für den

Kanonenofen mitbringen. 25 Mark Schulgeld waren fällig. Die Klassenzimmer waren überfüllt,

1949 wurden bereits 132 Kinder unterrichtet, 1953 waren es dann 207. In die Schule kam man

entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad … Als der Landkreis 1958 die Mittelschule als Schulträger

übernahm, spendierte er drei neue Ölöfen für die Baracke. Ein neues Gebäude für die Kreisrealschule,

die „Backstein-Schule“, wurde erst 1965 eingeweiht. Rüdiger Paschke, seit 1963 Lehrer

178


in Gartow und ab 1972 bis 1998 Rektor, gestand, dass er am neuen Ort die Sanddüne als „Freiluftklassenraum“

schon vermisste. Mit der Einführung der Orientierungsstufe 1978 kam auch die

Hauptschule zur Realschule. Seit 2004 ist die Orientierungsstufe wieder Geschichte. Seitdem ist

es auf dem Schulhof leerer geworden, im 60. Jahr ihres Bestehens besuchen noch 134 Schülerinnen

und Schüler die Elbtal-Schule…“ 46

Die heutige Realschule mit Hauptschulzweig und (damaliger) Orientierungsstufe wird von Rektor

Gerhard Sprockhoff geleitet. Seine Vorgänger waren Jan Hild und Rüdiger Paschke, Letzterer ist

am 12. Juni 2007 verstorben.

2009: Elbtalschule Gartow, Schulstr. 5 - 7

Szola Podstawowa-Elbtalschule

Die Elbtalschule Gartow pflegt eine Partnerschaft mit der Schule Szola Podstawowa in Dretyn in

Polen:

„Die partnerschaftlichen Verbindungen zwischen der Gartower Elbtalschule und Szkola Podstawowa

in Dretyn sind im Laufe der Jahre schon sehr eng geworden, vom 12. bis 18. September 2004

gab es bereits die achte Begegnung. In diesem Jahr reisten 13 Jungen und 10 Mädchen im Alter

von 12 bis 17 Jahren ins ehemalige Pommern. Als „Chefs de Mission“ wirkten wieder Hans-Jürgen

und Helga Bosselmann sowie Gerhard Sprockhoff, als Gast war einmal mehr Gartows ehemaliger

SG-Direktor Hans Borchardt dabei, um sich ein Bild vom Zustand der von ihm initiierten Partnerschaft

zu machen. Als Trumpf erwies sich wieder einmal Busfahrer Waldemar Kiszkiel, der als

gebürtiger Pole gute Dienste vor allem bei persönlichen Kontakten der Jugendlichen leistete.

Die rund 550 km lange Anreise war bei 2 Stunden Pause locker in weniger als 12 Stunden zu

schaffen, in Dretyn warteten bereits Direktor Ryckiewicz mit dem Dolmetscher-Ehepaar Waldemar

179


und Agnes Zwiewka und vielen Schülern auf die deutschen Gäste. Schnell wurde Quartier in ausgeräumten

Klassenzimmern sowie Lehrmittelräumen genommen, nach dem Abendessen in der

Schulküche stand allseits freudige Kontaktaufnahme bzw. Wiedersehensfreude an.

Nach der offiziellen Begrüßung am Montagmorgen im Rahmen eines „Appells“ nahm ein abwechslungsreiches

Programm seinen Lauf. Gemeinsamer Unterricht in Deutsch, Geografie, Mathematik

und Sport, viele Wettkämpfe bei Sport und Spiel und Besuche in drei weiteren Schulen der Region

gehörten ebenso dazu wie zwei Grillabende mit Lagerfeuer und natürlich zweimal die beliebten

Discoveranstaltungen. Ausflüge nach Miastko, zum Gestüt nach Bialy Bor, die Besichtigung des

Wasserkraftwerkes bei Zydowo sowie einer Bernsteinschleiferei, eine Tagesfahrt an die Ostsee

mit Baden bei bis zu 2 m hohen Wellen bleiben unvergessen. Und dann natürlich Swierzno: als

ehemaliger Ort Groß Schwiersen, der Geburtsort Hans Borchardts, der hier sein Elternhaus zeigte

und besuchte und aus seiner Kindheit im ehemaligen Pommernkreis Rummelsburg berichtete.

Am vorletzten Tag stand schließlich noch eine gemeinsame Umweltaktion in und um Dretyn auf

dem Plan. Die Woche verging wie im Fluge und schon stand am Sonnabend die Heimreise an. Die

Traurigkeit beim Abschied wird allerdings von der Freude auf das Wiedersehen überdeckt, denn

vom 11. - 17. September 2005 kommen die polnischen Gäste in den Samtgemeindebereich Gartow.“

47

Gründer Hans Borchardt, Kapern, Lehrer Hans-Jürgen Bosselmann und andere Mitglieder wie

auch die Gastfamilien tragen aktiv zum Gelingen der deutsch-polnischen Freundschaft bei. „Hans

Borchardt, Gartows ehemaliger SG-Direktor und in Pommern geboren, wird mit der Bilanz des

von ihm gegründeten Projektes zufrieden sein: Seit zehn Jahren bestehen die partnerschaftlichen

Beziehungen zwischen der Elbtalschule Gartow und der Zespol Szkol (Gesamtschule) in Dretyn

im heutigen Pomorskie. Anfang September wurden die guten Beziehungen durch den 12. Besuch

einer Schülergruppe aufgefrischt. Die Gartower Gäste kamen dieses Mal mit einem besonderen

Geschenk und überreichten dem polnischen Direktor Miroslaw Ryckiewicz ein Schild der Schulpartnerschaft,

dessen Gegenstück in Anwesenheit des Förderers Hermann Lang wenige Tage vor

der Abreise mit kleiner Zeremonie an der Elbtalschule angebracht worden ist. Und dann natürlich

Swierzno: als ehemaliger Ort Groß Schwiersen, der Geburtsort Hans Borchardts, der hier sein

Elternhaus zeigte, besuchte und aus seiner Kindheit berichtete.

Seit mehr als 10 Jahren besteht zwischen der Elbtalschule Gartow und der Gesamtschule Dretyn

in Polen eine Partnerschaft. Im Jahre 2008 waren Gartower Schüler zum 12. Mal in Dretyn zu

Besuch, betreut vom Schulleiter Gerhard Sprockhoff, der Lehrerin Angelika Krüger und den Organisatoren

Hans-Jürgen und Helga Bosselmann. 48

Zur deutschen Gruppe gehörten 13 Mädchen und 6 Jungen, die unter Leitung der Lehrkräfte Gerhard

Sprockhoff und Angelika Krüger sowie der Organisation Hans-Jürgen und Helga Bosselmann

standen. Nach der angenehmen Anreise von etwa 540 km kam man am Sonntag über Miastko

(früher Rummelsburg) in Dretyn (Treten) auf dem Schulhof an und wurde von den polnischen

Gastgeberfamilien erwartet. Freundlich begrüßt und herzlich aufgenommen fanden fast alle im

Schulort Dretyn ihre Unterkunft, wobei die große Spanne der Unterbringung vom eigenen Zimmer

bis zum Schlafplatz auf dem Sofa in der Stube reichte. Die beiden 12-jährigen Mädchen Hannah

Sander aus Gartow und Antonia Gebauer aus Prezelle-Siedlung waren zum ersten Mal dabei und

wohnten bei Natalia Wabik, 13 Jahre, in Okunino, einem kleinen Nachbarort mit nur etwa 15

Häusern und einem idyllisch gelegenen See. Trotz der räumlichen Trennung von der deutschen

Gruppe fühlten sich beide wie zu Hause und lernten in einem familiären Tagesausflug die fast 60

180


km entfernte Stadt Szczecinek (Neustettin) mit Hallenbad und Einkäufen kennen.

Johannes Gäde ist erfahrener Austauschschüler, er war bereits zum zweiten Mal in Polen und

seine Familie war schon mehrfach Gastgeber für polnische Schüler. Der 16-jährige aus Prezelle

wohnte beim gleichaltrigen Przemyslaw Miszalowski in Dretyn in einem von mehreren Wohnblocks

für 12 bzw. 18 Familien. Statt des komplizierten Vornamens sprach er seinen Freund wie ortsüblich

mit „Mischa“ an. Auffallend für ihn war, dass die Leute viel zu Fuß unterwegs sind und auch

lange Strecken gehen, die hierzulande per Fahrrad oder sogar mit dem Auto gefahren werden.

Abends traf sich die Dorfjugend am Ortsrand beim Lagerfeuer und improvisierte sogar eine kleine

Disco im Freien.

Was die Kosten dieser deutsch-polnischen Begegnung betrifft, ist festzustellen, dass die Teilnehmerbeiträge

nur etwa ein Drittel abdecken. Derartige Begegnungen sind nur durchführbar, weil Zuwendungen

über die Samtgemeinde Gartow sowie Mittel aus der Sparkassenstiftung für Jugend,

Bildung und Sport bereitgestellt wurden und private Förderer das Projekt großzügig unterstützen.

Das abwechselungsreiche Programm sah mehrere Unterrichtsbesuche und Ausflüge vor. So wurden

das Gestüt und Trainingszentrum in Bilay Bor (Baldenburg), das Ostseebad Darlowko (Rügenwaldemünde)

besucht und eine Tagesfahrt in die Kaschubei unternommen. In einer Gedenk- und

Begegnungsstätte konnte die Gruppe das mit 36,83 längste Brett der Welt bestaunen und die

Faszination des auf dem Kopf stehenden Hauses erleben, das beim Begehen bei allen zu einem

permanenten Schwindelgefühl führt.

Für die sprachliche Verständigung bei offiziellen Anlässen war Deutschlehrerin Anita Wierzchon

zuständig, die durch Irro-Busfahrer Waldemar Kieszkiel bestens unterstützt wurde. Im privaten

Bereich benutzte man Deutschbrocken, englische Vokabeln sowie Hände und Füße und verständigte

sich durchaus erfolgreich. Die Kontakte unter den Schülern waren von Anfang an gut und

führten zu herzlicher Verbundenheit. So nahm es kein Wunder, dass beim Abschied viele Tränen

flossen. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen ist aber gegeben, denn der kommissarische Schulleiter

Gerhard Sprockhoff hat die polnischen Gäste für die Woche vom 6. bis 12. September 2009 zum

nächsten Besuch in die Gartower Region eingeladen.

2005 und 2007 wurde die Elbtalschule als „Umweltschule in Europa“ ausgezeichnet , weil sich

Gartower Schülergruppen an Naturschutzprojekten beteiligt haben. Seit 2008 gibt es in der Elbtalschule

das Ganztagesangebot, d.h. nach Beendigung der vorgesehenen Unterrichtsstunden wird

eine Betreuung bis in die Nachmittagsstunden angeboten (Kurse: Basketball, Schwimmen, Reiten,

Jonglieren, Deutsch, Mathematik, Englisch, handwerkliche Tätigkeiten, Erste Hilfeausbildung, Theater

usw.). In jenem Jahr war auch die Zukunft der Elbtalschule gefährdet, weil gemäß Schulentwicklungsplan

„bei einigen (Denk-) Modellen der Schulstandort Gartow für den Sekundarbereich

I (Haupt- und Realschule) aufgegeben“ werden sollte. Grund der Veränderungen sind sinkende

Schülerzahlen und dadurch gestiegene Kosten für den Schulbetrieb. 49

Ambulante Pflege

Der Begriff „Ambulante Pflege“ existiert erst seit gut 20 Jahren; die Gemeindekrankenpflege („Gemeindeschwester“)

gibt es bereits viel früher. Von ihren Mutterhäusern (z.B. Henriettenstift Hannover)

wurden Krankenschwestern zum Einsatz in einzelnen Gemeinden entsandt. Ende des 20.

Jahrhunderts öffnete sich der „Markt“ für freiberuflich tätige Pflegekräfte oder Pflegeunternehmen.

181


Seit Februar 1931 sind in Gartow und Schnackenburg alle vier Wochen Mütterberatungsstunden

abgehalten worden, die Medizinalassessor Dr. med. Harneck und der Frauenverein Gartow durchführten.

Kostenlos wurden Mütter über die Pflege und Behandlung der Säuglinge und der Kinder

bis zum schulpflichtigen Alter beraten.

1990 gründete Frau Jacqueline Behrens, Nienwalde, die „Hauskrankenpflege und Seniorenbetreuung“

mit Niederlassungen in Gartow und Lüchow.

Seit 1996 gibt es in Gartow und Umgebung die Diakoniestation mit ambulanter Pflege:

„Der gute Ruf.“

Das DRK ist ebenfalls mit einem ambulanten Pflege- und Seniorenservice vertreten.

Arzt und Apotheke

Der Feldscher Johann Schmidt in Gartow wurde vom Haus Gartow besoldet und versorgte hierfür

die in der v. Bernstorffschen Gutswirtschaft tätigen Arbeitskräfte. 50

Das Haus Gartow war seit 1694 stets erfolgreich bemüht, zur medizinischen Grundversorgung im

Gartower Gebiet einen Arzt und einen Apotheker zu Niederlassung in Gartow zu bewegen. Damit

der Arzt seine Existenz behaupten konnte, erhielt dieser vom Haus Gartow einen Garantielohn

und mußte die Bediensteten des Hauses Gartow bevorzugt und weitgehend kostenfrei behandeln.

Die Medikamente für die Behandlung von Bediensteten wurden 1730 ebenfalls vom Haus Gartow

bezahlt. Nach Möglichkeit ließen sich die Mitglieder der Familie von Bernstorff nicht von einfachen

sondern studierten Ärzten behandeln. Daher sind stets Verträge mit Dannenberger Ärzten

abgeschlossen worden, die ebenfalls jährliche Garantiesummen erhielten und sich verpflichteten,

zur Behandlung in Gartow zu erscheinen. Von 1814 bis 1838 wohnte der studierte Landphysikus

G.F.W. Ellisen in Gartow, der Weg in das Schloß war daher nicht weit. Während der örtliche Arzt um

1750 jährlich vom Haus Gartow einen Festbetrag von 12 Rtlr. erhielt, stieg dieser 1812 auf 100

Rtlr. und 1876 auf 1200 Mark.

Mediziner in Gartow

Ärzte

vor 1838 Dr. med. Gerh. Friedr. Wilh. Ellissen, gestorben 1838

1838 - 1850 Dr. med. Münchmeyer, danach in Peine

1850 - 1860 Dr. med. Schmidt, ab 1860 in Buxtehude

1860 - 1863 Dr. med. Schering, ab 1863 in Schnackenburg, 1868 in Bodenteich

1862 - 1868 Dr. med. Köneke, ab 1868 in Berlin

1868 Dr. med. Köneke kam im Dezember 1868 von Berlin zurück, nahm seinen

Wohnsitz in Schnackenburg für Dr. med. Schering, der nach Bodenteich zog.

1868 Dr. med. Schröder

1876 - 1890 Dr. med. Heinrich Degenhard, danach in Lüchow, starb dort an Typhus

1890 - 1896 Dr. med. Max Schwabe, danach Kreispysikus in verschiedenen Orten

1896 - 1911 Dr. med. Ernst Röhrs, danach in Hamburg, verstorben 1934

1911 - 1936 Dr. med. Hans Fraesdorff, danach auf der Insel Borkum

1944 - 1979 Dr. med. Ernst-August Herbst

1945 - 1948 Dr. med. von Zimmermann

ab 1950 Dr. med. Jürgen Wolf

1953 - 1976 Dr. med. Gerhard Neuschulz

1977 - 1988 Dr. med. Klaus Laenge

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1979 - 2004 Dr. med. Thomas Herbst

ab 1989 Dr. med. Jürgen Severin

2006 - 2008 Dr. med. Henning Wilhelm

ab 2009 Gemeinschaftspraxis Schweskau und Gartow

Dr. med. Kretschmer-Nowakowski, Gerda Scholz, Dr. med. Jonas Niemann,

Lars Kämpfer (Übernahme der Praxis Wilhelm als Zweitpraxis)

ab 2011 Dr. med. Jan Geldmacher

Zahnärzte

Dr. med. dent. Friedel Köster

Dentist Paul Tornow

1981 - 2009 Dr. med. dent. Jochen Herbst

ab 2009 Dr. med. dent. Bahram Shirkhani

ab 2013 Dr. med. dent. Katrin Schaal

Tierärzte

1912 - 1926 Dr. med. vet. Ketz

1926 - 1974 Paul Henning

ab 1974 Dr. med. vet. Matthias Herbst

ab 2008 Eva Maria von Tippelskirch

Seit 1739 ist in Gartow auch eine Apotheke präsent, deren Existenz wiederum der jeweilige Gartower

Arzt sicherte. Dort sind auch Essenzen zur Behandlung von Viehkrankheiten hergestellt

worden. Allerdings war die Apotheke Gartow nicht durchgehend besetzt, Vakanzzeiten entstanden

1741 - 74 und 1775 - 1801. Deshalb mußten 1750 der Apotheker Heller aus Lenzen oder aber die

Apotheker aus Lüchow und Dannenberg Medikamente liefern. 51

Am 2. Januar 1739 erhielt der Apotheker Johann Werner Müller vom Geheimrat von Bernstorff die

Konzession, in Gartow eine Apotheke zu betreiben, um Arzneien und Gewürzwaren zu verkaufen.

Seine Landapotheke existierte 2 Jahre.

Die Gartower Apotheke blieb nicht lange verwaist. Der Apothekergeselle Matthias Paxmann interessierte

sich für den Standort. Bevor er jedoch an die Übernahme denken konnte, forderten die

„Geheimbten Räthe“ des Königl. Großbrt. zur Churfürstlichen Braunscheigisch-Lüneburgischen

Regierung die Abnahme des Examens von dem Kandidaten. Nach bestandenem Examen erhielt

Matthias Paxmann die Konzession vom Freiherrn von Bernstorff. Es wurde eine jährliche Pachtsumme

von 8 Reichsthalern vereinbart. Lange hielt er es nicht aus in Gartow. Aus zeitgenössischen

Schriftwechseln geht hervor, dass Paxmann heimlich aus Gartow entwichen ist. Schuldenhalber

wurde die Apotheke in Zwangsbewirtschaftung genommen und geschlossen. Dieser Zustand hielt

bis 1774 an. Es fand sich kein Nachfolger.

Zu Johannis 1774 bat der Apotheker Johann Gottfried Paalzow um die Erlaubnis „eine offene zu

des hiesigen Orts und umliegender Gegend nutzen und Besten gereichende freie Apotheke zu

halten, daneben mit Gewürz und allen sonstigen Materialwaaren ohngehindert zu handeln …“ zu

dürfen. Auch Paalzow fand in Gartow kein wirtschaftliches Fortkommen und verließ den Ort schuldenhalber

nach einem Jahr.

Von 1775 bis 1801 blieb die Apotheke geschlossen.

183


Über Arendsee gelangte der Apothekergeselle Busso Harbord in den Flecken und begann mit Duldung

der hiesigen Beamten die Apotheke einzurichten. Da er sich aber nicht um die Genehmigung

der Regierung in Hannover bemüht hatte, untersagte man ihm bei Strafe den Betrieb. Harbord legt

vor dem Dannenberger Arzt und dem Apotheker sein Examen ab und erlangte die ersehnte Konzession,

allerdings nur für 3 Jahre. Danach wurde ein weiteres Examen fällig, denn man verlangte

von ihm, seine Kenntnisse in Chemie, Arzneiprüfung und Arzneimittelkunde zu vertiefen. Busso

Harbord erwarb in Gartow eine Bürgerstelle, etablierte sich und wurde sogar als Bürgermeister

gewählt. Als Harbord 1837 verstarb, wurde der Betrieb von seinem Stellvertreter Theodor Wolter

weitergeführt, der 1848 die Apotheke durch Kauf übernahm.

Nach dem Brand 1853 wurden Haus und die Apotheke in der Hauptstraße 18 neu errichtet. Noch

heute sind Teile dieser historischen Möbel in Gebrauch. Vor allem die alte Wand im Verkaufsraum

ist ein wichtiges Element im täglichen Betrieb. 1860 starb Wolter und hinterließ Frau und Kinder,

seine Witwe erbte Haus, Hof und Apotheke. 1862 heiratete der Apotheker Ludwig Zeddies die Witwe

Wolter und übernahm die Apotheke als Pächter bis 1868. Dann zog er mit Frau und Kindern

nach Kassel.

Im Mai 1868 bewarb sich der Pharmazeut Adolph Langemann um die Apotheke. Seine Nachfolge

trat am 1. Juni 1874 der „Candidat der Pharmacie“ Heinrich Ernst Hölty an. Da die Witwe Wolter,

verheiratete Zeddies, noch Eigentümerin der Apotheke war, schloß Hölty mit ihr einen Pachtvertrag

für 3 Jahre. Zur Verbesserung der Erwerbslage versah er neben dem Apothekendienst das

Amt des Fleischbeschauers in Gartow und der dazugehörenden Gutsgemeinde.

Als 1877 die Pachtzeit für Hölty ablief, übernahm der älteste Sohn der Witwe Wolter, Wilhelm Theodor

Wolter, die elterliche Apotheke. Er hatte in der Zwischenzeit seine Ausbildung zum Apotheker

abgeschlossen. Am 1. Juni 1877 begann sein Wirken in Gartow. Seit 1880 ist bezeugt, dass er

auch Lehrlinge ausbildete. Im Juni 1891 verkaufte Theodor Wolter die Apotheke an August la Rose

aus Celle. Er brachte einen reichen Erfahrungsschatz mit. August la Rose erwarb die Apotheke

plus Anwesen. Im September 1891 heiratete er die Försters-Tochter Ida Lauw aus Oerenburg.

Das Ehepaar la Rose bekam zwei Töchter: Elisabeth (geb. 1894) und Margarethe (geb. 1899). Am

23. März 1908 starb August la Rose 48jährig. Mehrere Verwalter lösten einander ab, bis mit dem

Schwiegersohn der Witwe Ida la Rose wieder Kontinuität in den Apothekenbetrieb kam. Herman

Thiele heiratete Elisabeth la Rose und übernahm, nach dem Studium der Pharmazie in Marburg,

am 1. April 1913 die Verwaltung der Apotheke und wurde 1914 ihr Besitzer.

Aus der Ehe mit Elisabeth gingen ebenfalls zwei Töchter hervor: Margarethe und Elisabeth.

Apotheker Thiele entwickelte sich dank seines Humors und Geselligkeitsdranges bald zu einem

Gartower Original. So soll es zu folgender Begebenheit gekommen sein:

Ende der zwanziger Jahre holte er sich in Lüchow von der Krankenkasse Rezepterstattungsgelder

ab. Auf der Rückfahrt mit dem Omnibus brachte er den Fahrer dazu, die Fahrt in Tobringen zu unterbrechen.

Der Bus hielt vor der Dorfgaststätte und Hermann Thiele verwendete die Rezepterstattungsgelder

für eine schnell improvisierte Feier. Die Stimmung soll außerordentlich gut gewesen

sein und der Bus traf erst mit mehrstündiger Verspätung in Gartow ein.

In Erinnerung geblieben ist er auch dank eines Heimatliedes, das er für den Schützenverein dichtete

und komponierte. Am 15. November 1952 starb Apotheker Thiele.

184


Die Nachfolge wurde von seinem Schwiegersohn Heinz Schulz angetreten, der seit 1947 mit Tochter

Margarethe verheiratet war. Da die Ehe kinderlos blieb, übertrug Heinz Schulz im Juni 1976

altershalber den Apothekenbetrieb an seinen Neffen Dieter Knabenschuh . In Gartow erinnert

man sich an einen lebenslustigen Apotheker, der Vorträge vor dem Kulturverein hielt, Ölbilder

malte und Bücher für Radwanderer schrieb. Von November 1988 bis 1991 war er Ratsherr in Gartow.

Im November 1998 starb Dieter Knabenschuh mit 55 Jahren. Mit ihm endete die 100jährige

Nachfolge der Familie la Rose, die auch der Apotheke ihren Namen „Rosen-Apotheke“ gab. Da es

keinen Nachfolger gab, übernahm die Verwaltung der Apotheke 1999 zunächst die Apothekerin

Steffens-Koll.

Im Jahr 2000 übernahm der Apotheker Helmut Krabusch Haus und Apotheke.

2009: Rosen-Apotheke Gartow, Hauptstr. 18

Bademutter/Hebamme in Gartow

1710/11: Eine Bademutter ohne Namensnennung, lebte damals im Haus von Henrich Brockhöfft.

Hebamme in Gartow:

„Wir gratulieren Frau Niemser in Gartow zum 35 jährigen Dienstjubiläum als Hebamme am 1. Juli

1956. Die als Flüchtling nach Gartow gekommene Hebamme ist trotz ihres Alters noch unermüdlich

tätig. Auf dem Fahrrad, das sie wieder benutzt, nachdem sie sich mit ihrem Moped nicht recht

anfreunden konnte, ist sie täglich zu wartenden Patienten unterwegs. Demnächst erreicht sie das

65. Lebensjahr und damit nach dem neuen Hebammengesetz Pensionsalter. Wenn es nach ihr

ginge, würde sie diese ihr liebgewordene Tätigkeit weitere Jahre ausüben.“ 52

185


Krankenverein

Bechthold von Bernstorff war Initiator zur Bildung eines „Kranken-Vereins für das Gericht Gartow“,

der am 24.3.1845 gegründet wurde und die Funktion einer Krankenkasse für die Arbeiterschaft

hatte. Der Verein hatte 1847 bereits 123 Mitglieder. Die finanziellen Belastungen erwiesen sich

für den Verein zu hoch, der Verein löste sich wieder auf. Bei der Neugründung am 16.10.1850

zahlte nun das Haus Gartow für jeden Arbeiter als Mitgliedsbeitrag einen Sockelbetrag und das

Mitglied einen geringen Anteil.

Obwohl das Haus Gartow für 46 Arbeiterfamilien die Beiträge zahlte, waren die Arzthonorare und

Apothekerkosten damit nicht zu decken. Der Verein löste sich wieder auf. 53/54/55

Krankenhäuser

Der Vorläufer eines Krankenhauses, das Hospital, war zwischen 1745 und 1747 in Gartow begründet

worden. Im zweistöckigen Haus waren damals insgesamt 27 Betten mit 37 Liegemöglichkeiten

in 12 Zimmern vorhanden. Als „Beth-Mutter“ und „Aufseherin“ im Hospital fungierte die Witwe

Worthmann, der der Küster Joh. Friedr. Lange ab 1760 als Verantwortlicher vorgesetzt wurde.

Das „Herrschaftliche Hospital“ befand sich auf der ehem. Elliesschen Bürgerstelle, die das Haus

Gartow erworben hatte. Zur Bürgerstelle bzw. zum Hospital gehörten ein kleiner Garten, Ländereien,

Anteil am Gemeindewald und die Braugerechtigkeit.

Aus den Einnahmen dieser Liegenschaften mussten Gemeinde- und Staatssteuern gezahlt werden,

die aber das Haus Gartow übernahm. Das Hospital befand sich 1888 im Haus Nr. 39.

Der jeweilige Gartower Pastor hielt zwei Mal in der Woche Betstunden im Hospital ab, es bestand

eine 36 Paragraphen umfassende Hausordnung, die recht religiös ausgeprägt war.

Der örtliche Arzt behandelte die Insassen kostenlos, berechnete jedoch Medikamente. Da das

Haus Gartow das Krankenhaus mit jährlich 500 Rtlr. finanzierte, wurden Bedienstete des Hauses

Gartow kostenfrei vom örtlichen Arzt behandelt. Der Arzt erhielt für seine Bemühungen im Krankenhaus

eine finanzielle Jahrespauschale.

Wann das Krankenhaus seinen Betrieb einstellte, ist nicht bekannt. Als das Hospital – nun auch

als Krankenhaus bezeichnet – in den Besitz von Emma von Bernstorff kam, bestimmte sie 1897

in ihrem Testament u.a.: „Das jetzt als Krankenhaus benutzte Haus Nr. 14 in Gartow mit dazugehörenden

Nebengebäuden und Garten hinter dem Hause … vermache ich meiner lieben Nichte

Gräfin Eleonora v. Bernstorff geb. v. Hohnhorst mit der Verpflichtung, daß sie dasselbe oder den

Mietsvertrag desselben in ähnlicher Weise wie bisher nur für Zwecke der Krankenpflege im Flecken

und den Dörfern des alten Gerichts Gartow verwende…“

Als Gräfin Emma am 27.6.1909 verstarb, ist in Verhandlungen erreicht worden, daß das Krankenhaus

nicht an Eleonora, sondern lt. Schenkungsurkunde vom 25.5.1911 an die Stiftung zum

heiligen Geist in Gartow fiel. Gleichzeitig sind das Emma von Bernstorff gehörende Kinder- und

Krankenpflegehaus Nr. 98 in Schnackenburg mit Grundbesitz ebenfalls an die Stiftung gefallen.

Das Gartower Krankenhaus (Hospital) sollte aus dem Zinsaufkommen des hinterlassenen Vermögens

finanziert werden. Aus den Zinsen eines weiteren Vermögens mußten „einige schwache Kinder

aus den Gemeinden des Alten Amts Gartow im Laufe des Sommers im hiesigen Krankenhaus

zeitweilig zur Stärkung ihrer Gesundheit verpflegt werden.“

186


Im Torhaus auf dem Schloßhof sollte 1891 weiterhin eine Tbc-Isolierstation eingerichtet werden.

Davon wurde jedoch Abstand genommen, stattdessen sind dort Pflegekräfte

untergebracht worden.

Es existierte noch ein weiteres Krankenhaus in Gartow:

Dieses Krankenhaus ist 1828 von Gräfin Thekla von Bernstorff gestiftet worden, es gehörte 1880

der Diakonisse Gräfin Elisabeth von Bernstorff. Weitere Gelder für das Krankenhaus stammten

aus der Steinbergschen Stiftung, die von Gräfin Elisabeth von Bernstorff verwaltet wurde. Das Gartower

Krankenhaus war keine staatliche, sondern eine private Institution. Emma von Bernstorff

leitete das Krankenhaus und ab 1887 Joachim von Bernstorff. Der Aufenthalt im Krankenhaus war

kostenpflichtig, Erwachsene zahlten um 1890 täglich 1,25 Mark, Kinder 75 Pfg. und Kleinkinder

50 Pfg. Es konnten verschiedene Pflegeklassen gewählt werden. 1880 waren 3 Plätze der 1. Klasse,

13 Plätze der 2. Klasse und 7 Kinderplätze vorhanden. Im Zeitraum von 1887 bis 1895 betrug

Gesamtzahl der Patienten jährlich 94 - 172 Personen. Obwohl 1896 die Schließung des Krankenhauses

bevorstand, gelang es zunächst, dieses zu erhalten. Später folgte die Finanzierung des

Krankenhausbetriebes von der Stiftung zum heiligen Geist in Gartow . Die Geschäftsführung hatte

inzwischen die gräfl. von Bernstorff`sche Registerkasse übernommen. Bis März 1936 existierte

das Krankenhaus noch. Wann und warum es aufgelöst wurde, ist z.Zt. ebenfalls nicht bekannt.

Das Krankenhaus-Gebäude befand sich auf dem Schlosshof im ehemaligen Amtshaus. 56/57/58

Weil um 1892 bereits Krankenhäuser in Dannenberg, Salzwedel, Seehausen und Arendsee existierten,

nahm die Belegung des Gartower Krankenhauses ab. Von den zwei Diakonissen aus dem

Henriettenstift Hannover mußte eine Gartow verlassen, ein Dienstmädchen war ebenso entbehrlich.

Andererseits gab es auch Bestrebungen, ein neues Krankenhaus zu erbauen, ein finanzieller

Grundstock bestand bereits.

Stiftung zum Heiligen Geist der Familien von Bülow und von Bernstorff

Auch die Familie von Bülow hat sich in sozialen Angelegenheiten betätigt. Andreas von Bülow

begründete 1556 die Stiftung „Zum Heiligen Geist“. Er hatte „beim Rath zu Salzwedel ein Capital

von 800 Florin mit der Bestimmung belegt, daß davon die jährlichen Zinsen an die Kirchen-Juraten

zu Gartow ausgeliefert werden sollen, die Befehl gehabt, solche auf keine andere Weise als zu

Gottes Ehren und Speisung und Kleidung etlicher armer Leute zu verwenden. Diese Zinsen nebst

anderen Revenuen (Einkünfte) sind dann auch alljährlich für Speisung und Kleidung armer Leute,

nämlich am Grünen Donnerstage, Michaelistage und auf Allerheiligen verwandt, wie ein altes

Rechnungsbuch von 1605 - 1624 ausweist. Bis 1721 sind die Einnahmen und Ausgaben in der

Gartower Kapellen-Rechnung, von da ab bis 1760 in der Gartower Kirchen-Rechnung berechnet,

darauf aber 1760 auf Verfügung des Herrn Landrat Freyherrn von Bernstorff von solchen separirt

und in eine besondere Rechnung gebracht worden…“

Bis zum Jahr 1794 war das Stiftungsvermögen trotz Zuwendungen an Arme auf 2476 Rtlr. angewachsen.

Im Jahre 1745 stiftete Charlotte Sophie von Bernstorff in Gartow ein Krankenhaus,

wobei das Bürgerhaus von Christian Ellies angekauft und für diesen Zweck hergerichtet wurde.

Das Krankenhaus-Stiftungsvermögen betrug 1768 genau 2120 Rtlr. Am 19. Februar 1771 stiftete

zusätzlich der Küster und gleichzeitiger Hospital-Schulmeister Johann Friedrich Lange ein

Kapital von 50 Rtlr. und am 10. Oktober 1777 laut Testament von Christiane Sophie von Jagow

weitere 100 Rtlr. Beide Stiftungen waren unter der Bezeichnung: „Heiligengeist-Stiftung“ zusammengefasst.

Bis zum Jahre 1863 war das Vermögen dieser kombinierten Stiftung auf 4817 Rtlr.

187


angestiegen. Ein Teil des Geldes war in Landesobligationen angelegt, einen Teil hatte sich Graf von

Bernstorff zu 3,5% Zinsen selbst angeliehen. Das Vermögen wurde später mit der „Mauchelschen

Obligation“ aus Schnackenburg gespeist. Mauchel war um 1817 Schiffsbauer und Halbbürger in

Schnackenburg. Neben den Zinseinnahmen, die im Jahre 1863 insgesamt 183 Rtlr. betrugen,

ergaben sich weitere Einnahmen aus verpachteten Ländereien der früheren Hausstelle von Christian

Ellies auf der sog. Himmelfahrtsweide, auf dem Serich, im Elsebusch und in der Buchhorst,

zusammen 19 Morgen. Diese Ländereien, aus der Verkoppelungsmasse stammend, waren 1852

der Bürgerstelle Ellies, später dem Hospital, zugewiesen worden. Jährlich kamen auf diese Weise

58 Rtlr. Einnahmen hinzu. Weitere 4 Rtlr. sind aus der Gartower Bürgerrechnung „alljährlich um

Advent an s.g. Kuhschneide-, Gras- und Hausgeld“ vereinnahmt worden. Mit diesen Einnahmen

haben 1863 26 sogenannte „Hospitalisen“, also unbemittelte Personen, Unterstützung erhalten.

Von den Einnahmen waren andererseits etliche Ausgaben zu tätigen, z.B. anteilig von der Bürgerstelle

Hospital Grundsteuer, Hauspacht, Kuhschneidegeld, Kirchenstandsgeld, Brandkassenbeitrag

und Heudienstgeld, Zuwendungen an den Pastor und Kantor und Unterstützungsgelder für

die Hospitalinsassen, die dort zeitweise über Monate oder gar Jahre im Hospitalgebäude wohnten.

Noch rüstige Personen erhielten eine Anerkennungsgebühr, wenn sie den Schloßhof sauber fegten.

Auch haben einige von ihnen in Gartenstücken Kartoffeln für das Hospital angebaut. Zusätzliche

Ausgaben fielen für die Bauunterhaltung an (Maurer, Zimmermann, Glaser, Schlosser) und die

Heizung und Beleuchtung. Zur Heizung sind jährlich 12 Faden Knüppel- und 16 Faden Stockholz

verbraucht worden.

Seit 1888 stand dem jeweiligen Besitzer des Hauses Gartow das uneingeschränkte Verwaltungsrecht

zu, die Stiftung zu führen. Ebenso stand seit jenem Zeitpunkt der Realgemeinde von Michaelis

(29.9.) bis zum 31. Mai ein Mithüterecht auf den zur Hospital-Bürgerstelle gehörenden

Acker- und Grünlandflächen zu.

Eine wesentliche Vermehrung erhielt die Stiftung am 25. Mai 1911 durch die großzügige Schenkung

der Gräfin Eleonore von Bernstorff geb. von Hohnhorst. Sie vermachte der Stiftung je ein

Grundstück in Gartow und Schnackenburg im Gesamtwert von damals 12750 Mark und dazu eine

Bargeldsumme in Höhe von 8000 Mark. Nach den Festlegungen der Gräfin diente „das Grundstück

in Gartow zu Zwecken der Krankenpflege in dem Flecken und den Dörfern des alten Amtes

Gartow, das Grundstück in Schnackenburg zu Zwecken der Kinder- und Krankenpflege in der Gemeinde

Schnackenburg“. Weiterhin war von ihr bestimmt worden: „Von den Zinsen eines Kapitals

von 5000 Mark sollen schwächliche Kinder aus den Gemeinden des alten Amtes Gartow im Krankenhause

zu Gartow im Sommer verpflegt werden“ und „Die Zinsen eines Kapitals von 3000 Mark

zum Besten der Kranken und Armen des alten Amtes Gartow verwendet werden“. An diese Schenkung

waren allerdings zwei Bedingungen geknüpft: ihre Bediensteten, der Diener Jochen Kruse

und Fräulein Marie Koch aus Gartow mußten im Bedarfsfall im Gartower Krankenhaus kostenlos

aufgenommen und verpflegt werden.

Mit der neuen Fassung der Stiftungssatzung vom 20.09.1966 ist eine Anpassung an die moderne

Gesetzgebung erfolgt, jedoch blieb die Zweckerfüllung erhalten. In Paragraph 2 wird hierzu ausgeführt:

„Ausschließlicher und unmittelbarer Zweck der Stiftung ist die Linderung der Not armer,

alter und kranker Menschen:

Ihrem ursprünglichen sozialen Zweck entsprechend, hat sich die Hilfe derselben zuerst an Bedienstete

oder ehemals Bedienstete der gräflich von Bernstorff`schen Guts- bzw. Forstverwaltung

zu richten, falls derartige Bedürftige nicht zu ermitteln sind, an Angehörige der Gemeinden Gartow,

Trebel, Prezelle und Rucksmoor.

188


Die Mittel sind ausschließlich und unmittelbar dazu bestimmt, „bedürftige“ Personen zu unterstützen,

die nicht nur vorübergehend, infolge ihrer körperlichen oder geistigen Gebrechen, auf die

Hilfe anderer Personen angewiesen, sowie Personen, deren Einkünfte nicht höher sind, als das

zweifache der Regelsätze oder Sozialhilfe, einschließlich der Mietbeihilfe, es sei denn, dass ihnen

nach dem Umständen zugemutet werden kann, ihr Vermögen zum Lebensunterhalt zu verwenden

und dieses Vermögen ausreicht, um ihre Lebenshaltung nachhaltig zu bessern.“

Und in Paragraph 5 wird konkretisiert: „Allgemeine Richtlinie für die Ausführung der Tätigkeit des

Vorstandes soll der Gedanke bleiben, daß auch in der Zeit eines sich ständig weiter entwickelnden

Sozialstaates das Denken für Zweck anderer, besonders in Not befindlicher Menschen, zu den

vornehmsten Pflichten eines jeden Bürgers gehört.

Inzwischen existiert die Stiftung nicht mehr, sie wurde laut Beschluß des Vorstandes vom 21.

August 1980 aufgehoben. Dieser war erst wirksam geworden, als die Bezirksregierung Lüneburg

als Aufsichtsbehörde am 1. Juli 1986 die Genehmigung dazu erteilte. Das Barvermögen floss dem

Johanniter-Altersheim in Dannenberg zu. Den Grundbesitz erwarb die Familie v. Bernstorff. Kuratoren

sind bis heute Johanniter-Ritter.

Senioren- und Pflegeheim

Die Anfänge des Heimes liegen in der unmittelbaren Nachkriegszeit, 1946 waren im Schloß Gartow,

welches zum Kreisaltersheim unfunktioniert wurde, 83 Personen untergebracht: Dieses

Altersheim wurde von Fräulein v. Bodelschwingh bis zum 1.4.1951 geleitet. Der Kreisausschuß

beschloss, mit Wirkung vom 1.4.1951 das Gartower Altersheim im Schloß auf den Kreis zu übernehmen.

Ein Teil der im Altersheim Meudelfitz Untergebrachten sollte nach Gartow verlegt werden.

Die bisherige Leiterin des Gartower Altersheimes, Fräulein v. Bodelschwingh, übernahm außerhalb

des Landkreises andere Aufgaben. Nach diesem Zeitpunkt übernahm der Landkreis die Trägerschaft

für das Heim. Oberschwester Charlotte Biebricher leitete das Heim bis Dezember 1953,

danach der Diakon Dietrich Heidemann.

Wie berereits zu anderen Zeitabschnitten berichtet Wilhelm Tege auch über das Gartower Altenheim:

XVIII. Folge

Wie kam es zu dem heutigen modernen Altenheim in Gartow?

Im Mai 1945 war unser Gartow in einem bösen Zustand. Fast ein Drittel des Ortes war von den

Engländern besetzt und beschlagnahmt; dazu die erdrückende Zahl der Evakuierten und Flüchtlinge.

Es war wirklich eine große Notzeit. Man wußte nicht wie man die Menschen alle unterbringen

sollte, man wußte oft auch nicht wie man sie satt kriegen sollte.

Im Schloß hatten die Engländer eine Unteroffizierschule eingerichtet und alle Räume belegt. Dazu

hatten sie viele Häuser beschlagnahmt oder sonstige Belegungen vorgenommen. Das änderte

sich erst ganz allmählich. Ab Februar 1946 belegten sie nochmal das ehem. RAD-Lager, das zwischendurch

als Flüchtlingsunterkunft und vom Oktober 1945 bis Februar 1946 als Flüchtlings-

Durchgangslager gedient hatte. 1947 räumten die Engländer schließlich auch das gräfliche

Schloß. Nachdem sie abgezogen waren sollte das Schloß zunächst zu Wohnungen ausgebaut

werden. Aber schnell zeigte sich, daß ein Umbau zu Wohnungen kaum durchführbar war, weil

die notwendigen Kochgelegenheiten nicht zu schaffen waren. Hierfür fehlte es damals sowohl an

Materialien wie an Mitteln. Dann war plötzlich das Wort „Altersheim“ zu hören. Bald kam es dann

auch zur Einrichtung eines Altesheimes unter Leitung von Fräulein von Bodelschwingh in Verbindung

mit den Bethelschen Anstalten.

189


Wegen Personalschwierigkeiten konnte das Heim in dieser Verbindung nicht sehr lange aufrechterhalten

werden. Der Oberkreisdirektor sorgte damals sehr für die Erhaltung des Heimes und

erreichte, daß es vom Kreis als Kreis-Altersheim angepachtet und übernommen wurde. Mit dieser

Maßnahme schuf der Kreis damals das eigentliche Fundament für das heutige Altenheim

Gartow. Bis 1968 haben Herr Heidemann und seine Frau das Heim geleitet und für den Kreis

verwaltet. Mit den Jahren und den eingetretenen veränderten Verhältnissen traten in dem alten

und holzreichen Schloßgebäude Mängel und Gefahren auf, die es ratsam und sogar erforderlich

erscheinen ließen, das Altersheim anderweitig unterzubringen. In Angst und Schrecken brachte

allein der Gedanke eines Feuerausbruches viele Jahre die Verantwortlichen. Wie hätte man die

alten Menschen bei einem etwaigen Brand des Haupttreppenhauses über die kleinen Neben- und

Wendeltreppen überhaupt noch lebend retten sollen? Es war nicht auszudenken wie schrecklich

ein solcher Brand hätte werden können. Da die gräfliche Familie zudem die Räume des Schlosses

gern wieder in eigene Benutzung nehmen wollte, kündigte sie das Mietverhältnis mit dem Kreis

Anfang der sechziger Jahre auf.

Damit setzte aber auch sofort der Kampf um das Kreis-Altersheim im Kreistag ein. Neben Gartow

wollten auch andere Orte das Heim unter ihre Fittiche nehmen. Aber wo sollte es überhaupt gebaut

werden können? Selbst in Gartow gab es sehr viele Meinungen dazu. Die Buchhorst, am Hamburger

Bahnhof, Hahnenberge waren im Gespräch. Die Frage löste sich ganz einfach dadurch, daß die

gräfliche Familie das Gelände in genügender Größe, dort wo es heute steht, an der Hahnenberger

Str. kostenlos zur Verfügung stellte. Das tiefliegende Gelände stellte an die Erbauer zwar gewisse

Probleme, die aber bei den Möglichkeiten der modernen Technik gut gelöst und überwunden

wurden. Das Heim ist mit allem erdenklichen Komfort erbaut und eingerichtet. Als erstes Haus in

Gartow besitzt es auch einen Fahrstuhl, der selbst Menschen mit einem Rollstuhl befördert. Für

die alten Insassen ist das Haus eine sehr segensreiche Einrichtung geworden. Es liegt nur knapp

180 m von der Post, als Ortsmitte gesehen, entfernt ab. Ein bißchen abseits und doch nicht so

völlig abgesondert, um nicht den Tagesablauf in unserem Ort beobachten zu können. Genau das

wird damit erfüllt, was die alten Menschen gern haben, nämlich: am täglichen Leben teilhaben zu

können. Aber was für Mühe kostete es und wie viel Schwierigkeiten waren zu überwinden, um es

zu diesem modernen Altenheim in Gartow kommen zu lassen. Viel Ärger haben unsere Vertreter

im Kreistag gehabt. Mit ganzem Herzen mußten sie sich für die Gartower Sache einsetzen, um die

vielen Widerstände zu überwinden.

Unser Bürgermeister und seine Freunde aus der Ecke „hinter den Tannen“ setzten sich zu ihrer

eigenen und unser aller Freude mit ihrem eisernen Willen schließlich doch durch, Wilhelm Kraasmann,

Adolf Hennings – Meetschow und nicht zuletzt Dr. von Oppen, als M.d.L. (Mitglied des Landtages)

waren die Männer, die unseren Bgm. Henning tüchtig und erfolgreich unterstützen. Auch

Oberbaurat Quis hatte sich rührig für den Bau in Gartow eingesetzt, wie auch Herr Architekt Pompl

sich größte Mühe und Arbeit machte, um diesen modernen Bau in Gartow entstehen zu lassen.

Diesem Zusammenwirken mit erfolgreichem Abschluß hat Gartow das schöne Altenheim zu verdanken!

Heute ist das Haus laufend voll belegt. Die Bewirtschaftung hat das DRK übernommen

und die örtliche Leitung Frau Behrend – einer Berliner Krankenschwester – übertragen. Sehr unterstützt

wird Frau Behrend von ihrem Ehemann und der Tochter von Erwin Tege – Frau Matzek

– als Wirtschafterin. Diese sorgt mit ihren Hilfskräften für das leibliche Wohl aller Insassen. Das

Heim erfordert, mit seiner Pflegestation, insgesamt die Beschäftigung von 18 Menschen, um allem

und allen gerecht werden zu können. So ist das DRK-Altenheim schon ein beachtlicher Faktor

im Gartower Leben geworden. Zu den heutigen 65 Betten kann jederzeit ein Flügelbau mit weite-

190


ren 30 - 35 Betten für eine Erweiterung sorgen, wenn der Bedarf es erfordert und die Baumittel

zur Verfügung stehen. Die Heimleitung wünscht sich den Anbau schon heute; ob und wann der

Wunsch Erfüllung werden wird?

Ganz Gartow erhofft es, für die Ruhe und Geborgenheit suchenden alten Mitmenschen, wie auch

die aktive Heimleitung und auch für die Gemeinde selber. Zur Erleichterung des Zuganges der Altenheim-Bewohner

hat die Gemeinde 1970 bereits einen gefahrlosen Gehsteig vom Heim an den

Ortskern heran geschaffen. Sie wird noch in diesem Jahr durch einen Gehsteig auf der Gegenseite

der gefährlichen Kurve der B 493 für eine weitere Entschärfung dieser Gefahrenquelle sorgen.

Für unsere alten Mitmenschen im Heim ist dasselbe, auch wenn sie aus anderen Heimatgebieten

stammen, zu einem Ruheort geworden, in dem sie kein Heimatweh mehr empfinden. Und für die

Männer, die sich vor Jahren für den Bau in Gartow einsetzten, ist die Entwicklung des Heimes zur

verständlichen Genugtuung für gehabte Sorgen und Mühen geworden.

Seit Anfang 2007 sind in dem Senioren- und Pflegeheim unter anderem diverse Pflege-Qualitätsstandards

neu definiert worden. Die Heimleitung sowie die insgesamt gut 50 Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter haben interne Fortbildungsveranstaltungen besucht. Das Ganze werde seitdem

fleißig in die Praxis umgesetzt, berichtet Bernd-Michael Kessel: „Es ist gewährleistet, dass unsere

Bewohnerinnen und Bewohner nach den aktuellen Pflegerichtlinien und -standards noch besser

versorgt und betreut werden.“ Jede Pflegetätigkeit werde nun auch dokumentiert und nachweisbar

mittels EDV archiviert.

In dem Gartower Senioren- und Pflegeheim des Roten Kreuzes wohnen derzeit 73 Menschen in

41 Einzel- und 16 Doppelzimmern. Die Zeiten der Dreibett-Zimmer sind seit einigen Monaten der

redensartliche Schnee von gestern. „Seit vielen Jahren ist das Haus mal wieder voll ausgelastet“,

freut sich Heimleiter Kessel. Die Bewohner profitieren zweifelsohne von der Mitarbeiter-Schulung

etwa auf der Grundlage nationaler Expertenstandards in der Pflege. In der Fortbildung durch eine

Firma aus Hannover ging es beispielsweise um den sogenannten Pflege-Knigge, in dem die Beziehung

zwischen Heimmitarbeitern und -bewohnern eine wesentliche Rolle spielt. Bernd-Michael

Kessel spricht von einer damit verbundenen Verbesserung der Servicequalität.

Etwa 80 Prozent aller Bewohner kommen laut Heimleiter aus dem Gartower Samtgemeindebereich.

Die Größe des Hauses sie für Gartow gerade die richtige. Im Moment lege man Wert darauf,

alle Zimmer herzurichten, sagt Kessel. Es müssen zum Beispiel noch diverse Kabel verlegt werden.

In über 50 Prozent der Zimmer sind die Arbeiten abgeschlossen.

2007 wurde es Zeit, die Einrichtung zu modernisieren:

„ab Gartow. Den Pflegedienst im Haus weiter verbessern, den Bewohnern den höchstmöglichen

Pflege- und Wohnkomfort bieten. Unter anderem das ist es, was Bernd-Michael Kessel am Herzen

liegt. Kessel ist seit September 2005 Leiter des DRK-Senioren- und Pflegeheimes Gartow. In der

Einrichtung hat sich viel getan: Vom Träger, dem Lüchow-Dannenberger DRK-Kreisverband, sind

in den vergangenen drei Jahren insgesamt gut 350.000 Euro in das Haus an der Hahnenberger

Straße zum Beispiel für Bau- und Umbaumaßnahmen investiert worden. Man sei auf dem richtigen

Weg, ist Kessel überzeugt. Die Zeiten, in denen Veränderungen zwar geplant, jedoch nicht

realisiert worden seien, „gehören der Vergangenheit an“.

Im März 2007 war im Senioren- und Pflegeheim der zweite Bauabschnitt in Angriff genommen

worden – die Deckensanierung und das ebenso umfangreiche Renovieren der Flure. „Der Speisesaal

und die Flure haben eine neue Deckenverkleidung und neue Beleuchtung erhalten“, ist vom

191


Heimleiter zu hören. Ende dieser Baumaßnahme: im Mai 2007. Anschließend erhielten die Flure in

den einzelnen Wohnbereichen neuen Glanz durch Farbe. Der Speisesaal wurde adäquat gedämmt

und in warmen Tönen gestaltet. Der Eingangsbereich des Heimes ist ebenfalls saniert worden.

„Die Einrichtung“, so Kessel, „sieht nun sehr freundlich und einladend aus“. Die Gesamtkosten

der zuvor genannten Baumaßnahmen belaufen sich auf rund 165.000 Euro. Im August erhielten

die nun ebenfalls in neuem Glanz erstrahlenden Bewohnerzimmer für etwa 55.000 Euro neues

Mobiliar: 55 bedienerfreundliche Pflegebetten sowie neue Schränke und Tische. Und was ist für

die nähere Zukunft geplant? „Da das Heim ein altes Haus ist, muss sicher über ein neues Dach

und die Erneuerung der Fahrstühle nachgedacht werden“, antwortet Bernd-Michael Kessel.“ 59

Stellvertretend für alle übrigen Heimbewohner mag hier der Lebenslauf von Albert Witt geschildert

werden, der am 16. Januar 2009 hundert Jahre alt wurde:

„tj Gartow. Respekt im Umgang mit anderen – das ist ein wichtiger Faktor, der das ganze Leben

von Albert Witt bestimmt hat. Vielleicht sind Ort und Zeit seiner Geburt ein Stück weit dafür verantwortlich,

denn Albert Witt wurde in Marienwerder in Ostpreußen geboren. Und zwar heute vor genau

100 Jahren, am 16. Januar 1909. Den größeren Teil des außergewöhnlichen langen Lebens,

auf das der Jubilar am heutigen Freitag zurückblicken kann, hat Albert Witt aber weit westlich von

seiner preußischen Heimat verbracht, nämlich im Landkreis Lüchow-Dannenberg, genau gesagt

in Weitsche.

Schon früh hatte Albert Witt, der zunächst das Gymnasium besuchte, nach dem Tod seines Vaters

den elterlichen Hof in Ostpreußen führen müssen – einen mit 80 Hektar für damalige Verhältnisse

großen Betrieb. 1941 wurde er dann in die Wehrmacht eingezogen und bei Stalingrad verwundet

– so dass er andernorts in einem Lazarett lag, als der Kessel geschlossen wurde. Später war Witt

in Frankreich eingesetzt. Auf dem Hof der Eltern von Volker Voss in Weitsche fand er eine Anstellung,

als er 1946 nach der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft auf der Suche

nach seiner Mutter und deren Schwestern in den hiesigen Landkreis kam. „Er hat meinen Mann

mit groß gemacht“, sagt Elke Voss über den Jubilar, und „er hat unsere Kinder mit groß gemacht.

Unser Verhältnis, das ist bis heute familiär“. Dem Hof in Weitsche sei Albert Witt sein Leben lang

verbunden geblieben, berichtet Volker Voss, daran habe sich nichts geändert, nachdem der unverheiratete

Jubilar 1975 in Rente gegangen war. Mit der Arbeit auf dem Hof sei damals aber nicht

Schluss gewesen. Bis Albert Witt 85 Jahre alt war, habe er sich selbstständig immer etwas zu tun

gesucht.

Mit einer Erinnerung belegt sei, wie wichtig Albert Witt der respektvolle Umfang mit anderen Menschen

gewesen ist: Am Tage der Konfirmation ihrer Kinder habe Albert Witt begonnen, diese zu

siezen, berichtet Elke Voss. Und erinnert sich an eine andere Seite des Wesens des Jubilars, seine

Tierliebe: „Manchmal hat er den Inhalt einer Fünf-Liter-Milchkanne an die Katzen verfüttert.“ Auch

andere Tiere habe er immer gut behandelt. Immer wichtig gewesen sei dem Jubilar auch gute

Kleidung – „in keinem Fall von der Stange“ habe die sein dürfen, sagt Elke Voss. Auf dem Hof Voss

war Albert Witt seit 1946 in leitender Stellung tätig – seine Lebensgeschichte hatte die Voraussetzungen

dafür geschaffen.

Nach der Pensionierung habe der 100-Jährige noch rund 30 Jahre in einer Altenteiler-Wohnung

gelebt. Erst 2006 sei er in das DRK-Seniorenheim in Gartow gezogen.Trotz der vielen Arbeit habe

Albert Witt auch immer Zeit für private Interessen gefunden, erinnert sich das Ehepaar Voss an

die vielen Jahrzehnte, die der Jubilar auf dem Hof gelebt hat. Alte Kulturen hätten ihn besonders

fasziniert, für die südamerikanischen Maya etwa sei Witt Experte gewesen. Briefmarkensammeln

192


war ein weiteres Hobby, und im TV verfolgte er intensiv das Sportgeschehen. Und im Urlaub ist Albert

Witt viel gereist – allerdings nie in seine frühere Heimat. Von dem früheren Hof seiner Familie

habe er sich aber ausführlich berichten lassen, nachdem das Ehepaar Voss dort zu Besuch war.

Zu seinem heutigen Ehrentag erwartet Albert Witt Gäste aus dem Kreis der Familie, Nichten und

Neffen, die in Schleswig-Holstein und Hamburg leben, und auch Elke und Volker Voss sind dabei.

Angekündigt hat sich auch Gartows Gemeindebürgermeister Hans-Udo Maury, der den Jubilar

ehren wird.“ 60

2015: DRK Senioren- und Pflegeheim Gartow

Im August 2008 beging das Senioren- und Pflegeheim Gartow sein 40jähriges Bestehen mit einem

Sommerfest:

„Bei üppigem Programm war es eigentlich unmöglich, nicht in Feierlaune zu kommen. Die Seniorinnen

und Senioren und ihre Gäste jedenfalls genossen den Tag von Beginn an. Das Organisatorenteam

um Heimleiter Bernd-Michael Kessel hatte mit der Programmauswahl den Geschmack

der Anwesenden getroffen. Wiederholter Beifall für die Künstler machte das deutlich – im Gartower

DRK-Senioren- und Pflegeheim, in dem am Sonnabend ein Sommerfest gefeiert wurde, und

das vor einem ganz besonderen Hintergrund: Die Einrichtung gibt es seit nunmehr 40 Jahren.

Glückwünsche und lobende Worte kamen von DRK-Kreisgeschäftsführer Matthias Hanelt. In dem

Haus habe sich seit seiner Öffnung viel getan, „baulich wie inhaltlich“. Es habe sich zum Wohl

der Bewohner kontinuierlich weiterentwickelt. Das von Ilka Wagener geleitete Cello-Quartett der

Musikschule machte in Sachen Unterhaltung den Anfang, und beispielsweise auch der Gartower

Männerchor, unter Mitwirkung des Männerchores Lüchow und von Horst Sielaff geleitet, das Duo

„Herzblatt“ und die „Wendland Dancers“ trugen zum Erfolg des Sommerfestes bei. Zahlreiche

Besucher nutzten zudem die Möglichkeit, hinter die Kulissen des Hauses und dessen Strukturen

zu schauen.“ 61

193


Quellen und Literatur

1. Wehde, E.: „Die Herrschaft Gartow unter dem Johanniterorden“ in: Gartower Heimatbote

August 1923

2. Kayser, Karl: „Die reformatorischen Kirchenvisitationen in den welfischen Landen 1542 -

1544“, Göttingen 1897, S. 542 - 543

3. Lange, Bernhard: „Die General-Kirchenvisitation im Fürstentum Lüneburg 1568“ in: Jahrbuch

der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte, 58. Bd., Blomberg/Lippe

1960, S. 41 - 80

4. Thoböll, Christoph: „Das Kirchenpatronat im deutschen Luthertum des 17. Jahrhunderts,

dargestellt am Beispiel des Patronatswechsels in Gartow im Jahre 1694“, Göttingen 1994

5. GR 1715/16, S. 487 - 488

6. Anonym: „Aufruf des Landeskirchentages betr. Aufhebung von Kirchenstuhlrechten“ in :

Heimatbote Gartow vom Juni 1934, S. 35

7. /

8. G 8 Nr. 18 „Diverse Gutsangelegenheiten 1856 - 1869“

G 8 Nr. 14 „Gutsgemeinde Gartow betr. 1850 - 1874“

9. Aus dem Bericht des Superintendenten über die kirchlichen und sittlichen Zustände im

Bezirk auf der Synode am 28.8.1919 in: Heimatbote Gartow November 1919

10. Gartower Heimatbote Juni 1923

11. Gartower Heimatbote September 1925

12. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.12.2007

13. Nieders. Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,

Referat 306, Hannover 2008, S. 29

14. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 21.6.2008

15. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 31.5.2008

16. GR 1813/14, S. 369

17. /

18. GR 1710/11, S. 473 - 474, GR 1813/14, S. 542

19. 19. A 8 Nr. 1 „Gartower Kirchenrechnungen von Advent 1775 bis Advent 1778“

20. Pastor Umland: „Wenn die Gartower Kirchenmauern erzählen könnten“ in: Heimatbote

Gartow, Januar - Mai 1925

21. Meyer, Philipp: „Die Pastoren der Landeskirchen Hannovers und Schaumburg-Lippes seit

der Reformation“, Göttingen 1941, 1. Bd. S. 303 - 304

22. Thoböll, Christoph: „Das Kirchenpatronat im deutschen Luthertum des 17. Jahrhunderts,

dargestellt am Beispiel des Patronatwechsels in Gartow im Jahre 1694“, Göttingen 1994

Conze, Eckart: „Von deutschem Adel. Die Grafen von Bernstorff im 20. Jahrhundert“,

Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart/München 2000, S. 109 - 113, 121 - 129; ders.: „Ritter,

Gutsbesitzer und Forstunternehmer“ in: 15. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises

Lüchow-Dannenberg, Lüchow 2001, S. 77 - 94, bes. S. 85

23. Gartower Heimatbote Februar 1930

24. G 7 Nr. 22 „Acte betr. den Rezess vom 1./7. Juli 1850 wegen kirchlicher Aufsichtsrechte

1887 - 1953“

25. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 30.3.2009

26. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 14.6.2007

27. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.4.2009

28. A 20 Nr. 3 „Küster und Schulmeister Bernhard Marwede Gehalt 1694 seq.“

29. Des Hauses Geld- und Korn-Register vom 1. May 1699 biß 1. May 1700, S. 560, 865

30. Sign.F 1 Nr. 1 „Flecken Gartow. An das Cantorat und die Schule zu Gartow“

194


31. Sign. F 1 Nr. 2 „Kirchen- und Schulsachen von Gartow und Meetschow 1812, 1813“

32. F 7 Nr. 6 „Bericht über die Verfassung und Verhältnisse der Schulen in der Parochie Gartow…“

von Prediger Levin Karl Hölty vom 26.10.1821

33. Sign. F 1 Nr. 7 „Diverse Kirchen-, Pfarr- und Schulsachen im Allgemeinen 1841 - 57“

34. /

35. Sign. F 1 Nr. 8 „Acta das Volksschulwesen betr. 1850“

36. /

37. Heimatmuseum Vietze: „Nachrichten über die Schulen zu Gartow“, erstellt von den Lehrern

Rudolf Haberland und Walter Wehmeyer; Laue, Heinrich: „Die Schulgeschichte unserer

Heimat“ in: Das Jeetzelschiff vom 5.12.1950, 16./17.12.1950, 25.1.1951, 8.2.1951 ff. und

4.10.1956 (Gartow)

38. v. Bernstorff, Clara: „Die Wanderhaushaltungsschule“ in: Heimatbote Gartow, September

1930, S. 71 sowie Mai 1931, S. 39

39. Neue Jeetzel-Zeitung vom 29.3.1956

40. Gartower Heimatbote vom 22.10.1970

41. Gartower Heimatbote vom 12.11.1970

42. Gartower Heimatbote vom 13.5.1971

43. Amt für Arbeitsleistung: „Das Werk des Reichsarbeitsdienstes in den Haushaltsjahren 1935

und 1936“, Heidelberg/Berlin 1937, Niedersachsen: S. 73 - 96

44. Neue Jeetzel-Zeitung vom 28.3.1956

45. Neue Jeetzel-Zeitung vom 19.5.1956

46. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.5.2006

47. Samtgemeinde-Bote Gartow von Dezember 2004

48. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 20.9.2008

49. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 10.10.2008

50. GR 1696/97, S. 389

51. Puffahrt, Otto: „250 Jahre Apotheke Gartow 1739 - 1989“, Gartow 1989

52. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 30.6.1956

53. /

54. /

55. G 23 Nr. 3 „Acten einen Kranken-Verein von 1845 - 48 betr.“

G 23 Nr. 5 „Die Einrichtung eines Krankenvereins im Okt. 1850“

Puffahrt, Otto: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff in und

um Gartow“, Gartow 1994, S. 280 - 286

56. /

57. /

58. G 23 Nr. 3 „Acten eines Kranken-Vereins von 1845 - 48 betr.“

G 23 Nr. 5 „Die Einrichtung eines Krankenvereins im Okt. 1850“

Puffahrt, Otto: „300 Jahre Haus Gartow 1694 - 1994. Wirken der Familie Bernstorff in und

um Gartow“, Gartow 1994, S. 280 - 286

59. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 21.2.2008

60. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 16.1.2009

61. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.8.2008

195


Um 1600: Herzogtum Lüneburg und die Grafschaft Dannenberg

196


Gartows Entwicklung bis zur Aufhebung der Gerichtsverwaltung

1850

Eine sicher datierte Urkunde zur Ortsgründung von Gartow existiert nicht. Allgemein wird die Nennung

von Conradus de Gartowe, der als Zeuge in einer Urkunde vom 6. November 1225 erwähnt

wird, als Indiz für das Vorhandensein zumindest eines Wohnsitzes des Conradus in Gartow angenommen;

zumal er sich „de“, also von oder aus Gartow stammend bezeichnet. Eine Siedlung muß

zu jenem Zeitpunkt nicht zwingend existiert haben, hat aber mit großer Wahrscheinlichkeit bestanden.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht möglich, ein exaktes Datum der Ersterwähnung

des Ortes Gartow festzulegen. So muß die Jahreszahl 1225 vorläufig mit den damit verbundenen

Unsicherheiten weiterhin die erste Erwähnung Gartows repräsentieren. 1

In der Urkunde von 1225 bestätigten die Markgrafen Johann und Otto dem Kloster Arendsee und

erweitern dessen Besitzungen um zwei Hufen…“

Unkommentiert und nur nachrichtlich mitgeteilt wird ein Passus aus der Chronik von Kloetze/

Altmark, in dem in einer Fußnote die Herren von Gartow erwähnt werden:

„1.) Gartow befand sich seit etwa 1250 unter lüneburgischer Hoheit im Besitze der „Herren von

Ghartowe“, aus dem Rheinischen stammend, die 1344 auch das Schloß Cloetze innehatten. Den

„van Badendike“ flossen die Einnahmen der Klöster Dambeck, Diestorf und Ebstorf zu. Auch diese

Familie stammt aus dem Rheinischen. Sie besaßen auch das magdeburgische Oebisfelde (Ostfelde)

als Pfandlehen“. 2

Ohne Begründung der Burg an der von der Natur vorgegebenen und den Menschen nutzbar gemachten,

strategischen, machtpolitischen Lage durch die Herren von Gartow wäre der Ort Gartow

vermutlich nicht entstanden. Die Wasserburg Gartow sowie der kontrollierbare Seegeübergang

hatten im Mittelalter so viel Bedeutung, daß beide eine zunächst kleine aber dann umfangreichere

Ortssiedlung Gartow nach sich zogen. Wie sich das Gemeinwesen und die bauliche Entwicklung in

den Anfängen gestaltet haben, bleibt im Dunkel der Geschichte. Auch von der Fortentwicklung der

anschließenden Jahrhunderte ist so gut wie nichts überliefert, auch nichts davon, ob es eine gemeindliche

Selbstverwaltung oder eine vom örtlichen Adel fremdbestimmte Verwaltung gegeben

hat. Immerhin steht fest, daß Gartow als Gemeinwesen stets der Überwachung, wenn nicht gar

einer willkürlichen Lenkung der jeweiligen Burginhaber unterlag. Als Durchgangs- und Marktort,

ebenso als adeliger Gerichtsstandort, erlangte Gartow eine die umgebenden Dörfer überflügelnde

lokale Bedeutung. Nur Schnackenburg als wichtige herrschaftliche Elbzollstätte und frühzeitig mit

dem Stadtrecht versehen, übertraf Gartow, das immer ein Flecken blieb, zu groß für ein Dorf, zu

klein für eine Stadt.

Konstituierung als Ort

Nachdem die bauliche Entwicklung des westlichen Umfassungs-Wassergrabens Gartow erreicht

hatte und diese aus Wasserburg, Vorwerk, Kirche und beidseitiger Straßenzeilenbebauung bestand,

dehnte sich der Ort in Verlängerung der Hauptstraße weiter nach Westen aus. Es entstand

der Ortsteil „Spring“. Danach stagnierte die Entwicklung, bis dann Ende des 18., Anfang des 19.

Jahrhunderts nach und nach die Siedlung Hahnenberge entstand.

In den mittelalterlichen Urkunden wird Gartow zwar erwähnt aber lediglich nur als ganzes Gemeinwesen

und es sind keine Vorgänge dokumentiert, die sich auf innerörtliche Käufe, Verkäufe, Vertauschungen,

Rechtsgeschäfte, Privilegien u.a.m. beziehen. Wenn Gartow erscheint, dann stets

im Zusammenhang mit dem örtlichen Adel und territorialen Angelegenheiten. So wird Gartow am

197


21. Juli 1319 als Ausstellungsort für die Urkunde:“Markgraf Waldemar von Brandenburg verleihet

dem Grafen Günther von Kefernburg und dessen Vetter Grafen Günther die von ihm den von Alvensleben

früher verpfändete Grafschaft Lüchow mit Schloss, Stadt, Dienstmannschaft, Lehnen

und Gebiete zu Lehen nach Herrenrecht“ genannt. 3

In der Urkunde vom 9. Februar 1321 werden von Gartow das Schloss, die Vorburg, das „Gerichte

im Dorfe“ und das Patronatsrecht erwähnt, was auf die Existenz einer gewissen Gerichtsverfassung

und eine Kirche hinweist. 4

Wie es dazu gekommen ist, daß Gartow in alten Urkunden zeitweise als „Städtchen“ bezeichnet

wurde aber den Status eines Fleckens besaß, ist heute nicht mehr zu ermitteln. In der Urkunde

vom 9. September 1364 wird Gartow das Prädikat „Städtchen“ zuteil, ohne je Stadtrechte verliehen

bekommen zu haben. Auch in der folgenden Urkunde vom 15. September 1364 ist vom

„Stedeken“ die Rede, ebenso 1371. 5

Sogar noch 1439 und 1441 bleibt die Bezeichnung „Städtchen“ in zwei Urkunden erhalten. 6

Rudolf Haberland vermutete, daß Gartow zumindest für eine gewisse Zeit das Stadtrecht inne

hatte und äußerte sich auch zum mittelalterlichen Zustand Gartows: „Nach der Urkunde von 1321

war Gartow damals ein Dorf. Es muß aber schnell aufgeblüht sein; denn schon in Urkunden von

1360, 1364 und 1371 wird Gartow ein „Stedeken“ genannt, und das bedeutete, daß es sich zum

Unterschiede von einem Dorf nun selbst verwalten durfte, daß es das Jus mororum, das heißt das

Mauerrecht, und die Marktgerechtigkeit besaß.“

Wann und von wem Gartow das Stadtrecht verliehen erhielt, ist unbekannt. Urkundlich belegt

werden kann nur, daß am 10. Oktober 1371 Herzog Magnus Torquatus dem Johanniter Orden das

Recht gab, Haus und Städtchen Gartow zu befestigen mit „Grawen, mit Planken, mit Muren, wo

em dat bequem is un behaglich“ (Pfeffinger). Wie weit das damals geschehen ist, wissen wir nicht.

Jedenfalls war Gartow später von einem wassergefüllten Graben und einem Wall umgeben, dem

vielleicht auch noch eine starke Holzplanke statt der Mauer aufgesetzt war. Auf dem Schloßplan

von 1695 ist noch ein „Wall hinter Majors Garten“ eingezeichnet, der wohl das Endstück des

Stadtwalles gewesen ist. Der letzte Rest des Stadtgrabens ist heute noch im Garten der Benekeschen

Gastwirtschaft (Hausnummer 25) erkennbar.

Wann Gartow die Marktgerechtigkeit erhielt, ist urkundlich nicht festzustellen. Aus einer Verordnung

Herzog Georg Wilhelms vom 30. Juli 1695 geht hervor, daß „von jeher“ in Gartow jährlich

drei Krammärkte abgehalten wurden und „vor dem Kriege“ – gemeint ist wohl der Dreißigjährige

Krieg – auch zwei Viehmärkte. Diese beiden Märkte wurden nun (1695), weil der „Geheimbte

Rat“ Andreas Gottlieb von Bernstorff „untertänigst“ darum „angehalten und gebeten“ hatte, zum

„gemeinen Nutzen und Besten“ wieder erneuert“, und zwar sollten dieselben am Dienstag nach

dem Sonntag Jubilate und am Montag vor Simon Judae, jedes Mal einen Tag vor dem zu dieser

Zeit stattfindenden Krammarkt abgehalten werden.

Daß Gartow um die Mitte des 14. Jahrhunderts zu einem Städtchen erhoben wurde, ist ein Beweis

dafür, daß es an Größe und Bedeutung weit über die anderen Orte des Heimatgebiets hinausgewachsen

war, mit Ausnahme von Schnackenburg. Doch blieb es im Vergleich zu den reichen Kaufmannsstädten

Niedersachsens wie Braunschweig und Lüneburg nur ein armseliges Ackerbürger-

198


-städtchen. Gartow wird keinen brunnengeschmückten Marktplatz, kein prunkvolles Rathaus,

keine hochragenden Torbauten gehabt haben. Klappernde Ackerwagen und brüllende, blökende

Viehherden zogen alltäglich durchs „Sandtor“, aber nur selten ein mit Kaufmannswaren schwer

beladener Planwagen. Nur eine einzige ungepflasterte Straße besaß das Städtchen Gartow, und,

wie es überall in den mittelalterlichen Landstädtchen war, so wird es auch in Gartow gewesen sein.

Schweine und mancherlei Federvieh vergnügten sich auf der Straße und fanden auf den vor den

Häusern liegenden Dunghaufen Gelegenheit, zu wühlen und zu scharren.

Die mit dem Giebel der Straße zugewendeten Holz- oder Fachwerkhäuser waren mit Stroh oder

Rohr gedeckt und hatten meistens weder Schornsteine noch Glasfenster. Die mit geöltem Papier,

Pergament oder geschabten Hornplatten meist nur notdürftig verschlossenen Lichtöffnungen ließen

nur dämmriges Licht in das Innere des Hauses.

Mag uns auch der Lebensstand unserer Gartower Bürger in dem Jahrhundert, da Gartow ein „Stedeken“

war, äußerst primitiv erscheinen, das 14. Jahrhundert war Gartows große Zeit; denn in diesem

Zeitabschnitt war unser Heimatstädtchen einige Jahrzehnte hindurch Residenz eines Johanniter-Herrenmeisters,

und Gartow wäre wohl nicht wieder auf die Stufe eines stillen Marktfleckens

hinabgesunken, wenn der Orden Gartow nicht so früh wieder als Ordenssitz aufgegeben hätte.“ 7

Die Entwicklung von Gartow in den ersten Jahrhunderten nach der Gründung nachzuzeichnen,

wird nicht nur durch das Fehlen von Schriftmaterial sondern auch von Karten und archäologischen

Ortskerngrabungen fast unmöglich gemacht. Ob es eine archivalische Überlieferung zu kommunalen

Vorgängen, auch nur im geringen Umfang, unter den Herren von Gartow und von Bülow

gegeben hat, kann verneint werden. Der Adel hatte lediglich ein Interesse daran, seine Privilegien

zu wahren und Kontrolle auszuüben. Nur bei Streitigkeiten konnten Schriftsätze entstehen, die

ohnehin nicht alle bis in unsere Zeit erhalten geblieben sind. Kriegerische Vorgänge, verbunden

mit dem Verlust von Überlieferung, mögen auch ihren Teil zur Geschichtslosigkeit mancher Epochen

beigetragen haben. Und so bleibt nur das Resultat, mit dem Wenigen Gartows Vergangenheit

etwas aufzuhellen, wenn es um die Zeit vor 1694 geht. Zwar nicht üppig aber bedeutend besser

ist die Überlieferung seitdem die Grafen von Bernstorff in Gartow ansässig sind. Nach damals modernen,

einer Amtsverwaltung nachempfundenen Register- und Aktenführungs-Richtlinien besteht

die Situation, ansatzweise etwas zur Ortsgeschichte zu erfahren. Vordergründig galt das Interesse

nach wie vor den eigenen Objekten und Plänen der von Bernstorffs. Entsprechend mager sind die

Mitteilungen zu ausschließlichen Gartower Angelegenheiten. Hätte die Gemeinde nicht so sehr in

der Abhängigkeit der Adelsfamilie von Bernstorff gestanden und diese nicht innerhalb des Ortes

alle wichtigen Einrichtungen besetzt und betrieben (von der Kirche bis zur Scharfrichterei), wäre

die Überlieferung noch dürftiger ausgefallen. Daher beziehen sich die nachstehenden Ausführungen

auf die Zeit ab etwa 1700. Von Fall zu Fall wird auch Quarnstedt einbezogen, sowohl das Gut

als auch die Arbeitersiedlung.

Der Flecken Gartow wurde um 1847 von etwa 30 Voll-Bürger- und 28 Halb-Bürgerstellen gebildet.

Ihre Anzahl erweiterte sich auch später nur geringfügig. Die Kirche und das Schloß gehörten nicht

dazu, jedoch Forsthaus, Gasthaus, Schmiede, Pfarrgebäude, Scharfrichterei/Abdeckerei und

Schule, dazu die Gerichts- und Gutsverwaltung, die in Gebäuden auf dem Schloßplatz, abgesetzt

vom Ortskern, untergebracht war. Diese Einrichtungen standen im Abhängigkeitsverhältnis zur

Familie von Bernstorff.

199


Um 1700: Bürgerstellen in Gartow. Gezeichnet von Deich-Conducteur Pflaumbaum/Otto Puffahrt

200


Öffentliche Einrichtungen

Brandschutz und Feuerwehr

Wie viele Orte in damaliger Zeit mußte auch Gartow viele Erfahrungen mit Schadenfeuern machen,

wie die Brände von 1721, 1764, 1853 und 1859 zeigen. Andererseits wurde schon frühzeitig

auf vorbeugenden Brandschutz geachtet.

Schon 1695 sorgte Andreas Gottlieb von Bernstorff dafür, daß in seinem Herrschaftsbereich eine

genügende Anzahl Feuerlöschgeräte (Eimer, Haken, Leitern) vorgehalten wurde. Zur Finanzierung

sollte eine „Collecte“, d.h. Erhebung von Geldbeiträgen von den Untertanen, durchgeführt werden.

Im Flecken Gartow fand bereits im Januar 1698 in den Bürgerhäusern eine Feuervisitation statt,

an der die beiden Bürgermeister und der Verwalter des Hauses Gartow teilnahmen. Da bei dieser

Gelegenheit viele Mängel zutage traten, ist sofort ein Nachtwächter (Schweinehirte Johann Bunken)

angestellt worden, der darauf zu achten hatte, daß zur Nacht alle Feuer gelöscht waren und

Diebstähle verhindert wurden. Der vom Flecken entlohnte Nachtwächter lief im Winterhalbjahr

seine Streife von 21.00 bis 3.00 Uhr, im Sommer von 22.00 bis 2.00 Uhr. Die Feuervisitationen

sollten alle Vierteljahr wiederholt und auf die Dörfer ausgedehnt werden und hierbei „so schlimme

Backöfen und Feuerstellen, wie auch schadhaffte Darren an gefährlichen Orthen haben, solche

sogleich bey der Visitation eingeschlagen, weggerißen und unbrauchbar gemachet“ werden.

Durch das Abbrennen von Heideflächen (Verbote der Landesregierung 1677, 1684, 1685, 1688)

entstanden ebenfalls vermeidbare Schäden. Sehr leichtsinnig waren im März 1698 die Prezeller

Einwohner, als sie eine Heidefläche in ihrer Feldmark anzündeten, eine Nacht lang brennen ließen

und sich um das Feuer nicht kümmerten. Der Feuerschein war so kräftig, daß der in Prezelle

einquartierte Leutnant Pfuhl berichtete, er hätte in seinem Zimmer einen Brief lesen zu können.

Einwohner aus Trebel und Nemitz löschten das Feuer, da es Waldungen bedrohte. Als Täter wurde

der Prezeller Schäfer vermutet, der seine Schafweide verjüngen wollte. Da die Dorfschaft trotz

Androhung von 80 Rtlr. Geldstrafe innerhalb von 6 Wochen keinen Schuldigen präsentierte, sind

12 Reiter vom Haus Gartow in Prezeller Haushaltungen einquartiert worden. Die Reiter und Pferde

mußten kostenlos verpflegt werden und das so lange, bis der Willen der Prezeller gebeugt war. Als

der dortige Gastwirt voreilig seinen Strafgeldanteil zahlte, bekam er Ärger mit den Einwohnern.

Nach kurzer Zeit zahlten die Prezeller lieber die hohe Strafe als den Täter zu verraten. 8

Die vom Haus Gartow eingeführten Feuervisitationen konnten jedoch den Brand vom 29.5.1721

nicht verhüten. Nach dem Brand ist sofort eine Feuerspritze angeschafft worden. Geheimrat v.

Bernstorff ordnete an, daß zur Bedienung und Wartung der vorhandenen Feuerspritze eine Mannschaft

geschult wird, die drei Mal jährlich übte und zugleich eine Funktionsüberprüfung vornahm.

Als Anreiz durfte sich die Mannschaft jährlich eine halbe Tonne Freibier aus v. Bernstorffschen

Brauerei abholen. 9

Bevor der Wiederaufbau begann, besichtigte im Auftrag des Geheimrats v. Bernstorff der Oberbaumeister

Borchmann die Brandstätte und machte Vorschläge besonders zur künftigen Anlegung

der beiden Schmiedebetriebe. Für den Wiederaufbau sind recht detaillierte Vorschriften zur

Anwendung gekommen, so sollte zunächst der im Gartower Ortskern vorhandene Quergraben

verfüllt werden. Geheimrat v. Bernstorff ordnete sofort an, daß eine Strohbedeckung der Häuser

nicht mehr gestattet wird und nur noch Dachziegel zu verwenden sind. Ferner durften die

zur Straße zeigenden Hausfassaden nur noch in Ziegelsteinen bestehen und es war verboten,

201


in den neuaufgebauten Häusern Backöfen anzulegen.1732 ist das Flachsrösten in Backöfen bei

10 Rtlr. Geldstrafe verboten worden. Backöfen, die den Wohngebäuden zu nahe standen, sollten

verschwinden. Nur den Bäckern blieb es gestattet, in Nähe ihrer Häuser Backöfen zu betreiben.

Es gab damals in Gartow vier Bäcker, deren Backöfen besonders feuersicher angelegt wurden.

Geplant war aber, zur Obsttrocknung zwei Gemeinschafts-Backöfen außerhalb des Tores zu errichten.

Scheunen und Ställe sollten nur noch separat von den Wohngebäuden errichtet werden und

möglichst aus Ziegelsteinen bestehen. Die vor dem Brand zur Straße hin befindlichen Misthaufen

mußten künftig auf die Hinterhöfe verlagert werden.

Der Bäcker, in dessen Haus das Feuer ausgebrochen war, wurde aus Gartow verwiesen.

Die neu zu errichtenden Häuser lehnten sich in den Abmessungen denen der Vorgängerbauten an,

sind aber neuerdings zweistöckig aufgeführt worden. Ein Teil der Holzkonstruktion mußte aus Eichenholz

bestehen (z.B. die Grundhölzer). Brandmauern und Schornsteine durften nur noch ohne

Verwendung von Holz erbaut werden, wobei Schornsteine nicht mehr seitlich, sondern nur noch

in der Dachmitte herausragen durften. Auf Anraten des Oberbaumeisters Borchmann durften nur

noch gemauerte Schornsteine betrieben werden, abweichenden Bauformen drohte der Abriß. Bis

dahin mußten sich die Gartower mit provisorischen Feuerstellen behelfen.

Als Richtmaß für die Haushöhen diente die Pflasteroberkante der Hauptstraße: die Unterkante des

Schwellenholzes hatte 0,29 m über der Straßenoberkante zu liegen. Vor dem Brand besaß Gartow

„keine richtigen Straßen“ und der Ort war „gantz irregulair gebauet“. Später wurden die „Gaßen

des Fleckens gantz regulair“ angelegt.

Die Baurichtlinien sind auch bei späteren Bauten

beachtet worden. So wurde 1748 bei einem

Hausneubau festgelegt, daß er im Einklang mit

der „Symetrie“ der anderen Häuser stand. Als

Töpfer Johann Matthias Sachse 1750 seinen

Brennofen zu nahe am Wohnhaus errichtete,

wurde dieser „von gerichtswegen niedergerißen“.

In jenem Jahr stellte die Gartower Bürgerschaft

in Eigenleistung die Verfüllung des Grabens

her, welcher den Ort in zwei Hälften teilte. Auf

dem neugewonnenen Gelände entstanden

Bauplätze. Gleichzeitig ist zur Seegeseite hin

ein neuer Graben um den gesamten Ortskern

wiederhergestellt worden. Vermutlich war er

z.T. verlandet oder versumpft.

Die Landesregierung hatte am 20.11.1752

eine „Brand-Assecurations-Ordnung“ für das

Fürstentum Lüneburg erlassen, die die Untertanen

zwang, ihre Gebäude gegen Brandschäden

versichern zu lassen. Dabei wurde die Versicherungssumme

in etwa vorgegeben: Voll-,

Dreiviertel- und Halbhöfner sollten ihre Wohn-

2009: Hauptstr. 38, 40, 42 (jetzt Rosenstr.)

2009: Springstr. 10

202


häuser mit 150 Rtlr. und die Brinksitzer mit 50 Rtlr. versichern. Recht hoch versichert waren in

Gartow das Pfarrhaus (800 Rtlr.), Schule (500 Rtlr.) und Hospital (300 Rtlr.). Später sind die Versicherungssummen

sowohl der Gebäude in Gartow als auch der auf dem Lande heraufgesetzt

worden. 1752 waren im Bezirk Gartow in 27 Ortschaften 363 Wohngebäude, 28 Nebengebäude

und 229 Scheunen feuerversichert.

Das Haus Gartow und der Flecken Gartow sowie die Dörfer zahlten anteilige Brandkassenbeiträge

in der Schadenshöhe, wie solche insgesamt während eines Jahres im Versicherungsgebiet

entstanden sind. Entstanden wenig Brände, fielen auch die Beitragszahlungen niedriger aus. Die

Gesamtversicherungssumme betrug 1752 rd. 140300 Rtlr. (davon Gebäude des Hauses Gartow =

50000 Rtlr.) im Gartower Bezirk und stieg im Jahre 1800 auf rd. 257000 Rtlr. an, um 1804 waren

es dann 350800 Rtlr. 10

Im Oktober 1763 wurde in Anwesenheit aller Dorfschulzen die Frage erörtert, für Gartow und die

umliegenden 24 Dörfer eine neue Feuerspritze anzuschaffen, wobei das Haus Gartow ein Drittel

und der Flecken sowie die Dörfer den Rest der entstehenden Kosten aufbringen sollten. Lediglich

Gartow fand sich bereit, Kosten zu übernehmen, die Dörfer sahen keinen Vorteil, weil sie zu weit

von Gartow entfernt lägen und keine Wasserstellen als Löschreservoire im Ortskern besäßen.

Im November 1764 brannten in Gartow erneut 14 Bürgerstellen nieder. Gartow erhielt auf Betreiben

und mit Geldbeteiligung des Hauses Gartow 1795/96 zwei neue Feuerspritzen sowie erstmals

ein massives Spritzenhaus. 1805 schenkte Graf v. Bernstorff der Gemeinde Gartow vier

große Wassertonnen für Feuerlöschzwecke, die auf Schlitten transportiert werden konnten. Die

Gemeinde verpflichtete sich zur ständigen Bereithaltung der zwei Feuerspritzen. 11

Nach den Bränden 1853 und 1859 sind in Gartow „Notgänge“, d.h. Feuergassen eingerichtet

worden. Beim Wiederaufbau sind geradlinige Gassen geschaffen worden. Frühzeitig wurden auch

Schornsteine in die gräflichen Wohngebäuden und die der Bediensteten eingebaut. Von 1795 -

97 sind mit erheblichem Kostenaufwand rd. 150 Blitzableiter auf Gebäuden des Hauses Gartow

installiert worden. 12

Um 1777 bestand der Flecken Gartow aus 72 Feuerstellen, hinzu kamen sechs Feuerstellen der

„Freyheit vor Gartow“ (vermutlich der Ortsteil Spring) und neun Feuerstellen des „Hof zu Gartow“,

also Wohngebäude in Quarnstedt. Demnach wurde Gartow aus 87 Feuerstellen gebildet. 13

Anzumerken bleibt noch, daß die zweistöckige Bauweise in Gartow einen wirtschaftlichen Grund

hatte: die Abgebrannten konnten den oberen Hausteil vermieten und kamen so zur Geldeinnahme,

um ihre Verluste abzudecken. 14

Größere Brandschäden im Gartower Gebiet (ohne Gartow selbst) sind in den folgenden Jahren

entstanden:

1757: Prezelle (4 Wohngebäude, 1 Scheune), 1758: Prezier (10 Wohn-, 7 Nebengebäude), 1763:

Tobringen (14 Wohn-, 3 Nebengebäude), 1777: Prezelle (4 Wohngebäude), 1779: Meetschow (8

Wohn-, 5 Nebengebäude), 1785: Marleben (9 Wohn-, 8 Nebengebäude), 1792: Vietze (2 Wohngebäude),

1793: Krautze (6 Wohn-, 5 Nebengebäude), 1794: Marleben (7 Wohn-, 5 Nebengebäude),

1795: Lomitz (6 Wohn-, 3 Nebengebäude), 1802: Lanze (26 Wohn-, 61 Nebengebäude).

203


Brände in Gartow

Auch Gartow blieb von verheerenden Brandkatastrophen nicht verschont. Die damals vorherrschende

Bauweise und feuernährende Baumaterialien begünstigten eine sehr schnelle Ausbreitung

von Schadensfeuern.

Am 29. Mai 1721 um 19.15 Uhr brach in der Bäckerei, im Haus der Erben von Hans Voß, ein Feuer

aus. Es konnte sich wegen des damals herrschenden Nordwestwindes rasch ausdehnen. Das

Feuer nahm seinen Weg zum Haus des Bürgermeisters Hillebrandt, dann zum Anwesen des Maurermeisters

Gerber, griff zum Pfarrhaus und zur Küsterei über, um dann die Gasse zu überspringen

und das Haus des Grobschmieds Ellies in Brand zu setzen. Durch diesen Brand ist fast der ganze

Ort samt Kirche eingeäschert worden.

In der folgenden zeitgenössischen Berichterstattung wird die Brandkatastrophe sehr emotional

geschildert: „Es war was Entsetzliches anzusehen, daß in solcher Geschwindigkeit das Feuer in

eine solche erschreckliche Glut ausgebrochen, daß kein Mensch so bald dazu kommen können.

So bald das Feuer ausbrach lieffen wir gleich zu und nahmen die neuen Wassersprützen zur Hand,

wie wir aber mit denselben vom Schloße hinunter gekommen, stand sogar Crusen Haus (Anm. der

gräfl. Verwalter), welches doch noch eine ziemliche Ecke von dem Orte, wo das Feuer aufging, belegen

war schon im Feuer und war alle menschliche Hülfe verlohren, also daß das ganze Flecken

zwischen dem Hauptgraben und der Seege von einer Brücken bis zur anderen mit Kirche und

Pfarrgebäuden insgesambt in die Asche geleget ist.“ Im Bericht heißt es weiter:

„…wie dann der hiesige Gerichtvogt erst am Freytag Morgen, wie derselbe im Begriffe war, den

kleinen silbernen Kelch (in der Kirche) nachzusehen, von einer plötzlich herabfallenden Mauer

augenblicklich erschlagen ward. Die Glocken sind gäntzlich zerschmoltzen und ist davon nichtes

übrig geblieben, als was nach diesem etwa noch unter denen Steinhauffen wieder zusammen

gesammelt werden möchte…“

Von weiteren Todesopfern oder Verletzten ist im Bericht nichts erwähnt. Bei einer späteren Befragung

wurden als Verletzte genannt:

Die Pastorenfrau, Sohn und Frau des Bürgermeisters Hillebrandt sowie mehrere nicht namentlich

genannte Personen.

Insgesamt sind 36 Bürgerhäuser nebst Stallungen und Scheunen, Kirche, Pfarr- und Pfarrwitwenhaus,

Küsterei und Lehnkrug zerstört worden. Nur die wenigsten konnten etwas Habe retten, vor

allem Betten.

Jenseits des Hauptgrabens (südliche Begrenzung der Ortslage) blieben 16 Gebäude (davon 12

Bürgerhäuser, Hirtenkate, Torhaus, Förster- und Scharfrichter-Haus) vom Feuer verschont. Personen

aus den Geestdörfern mußten noch tagelang Brandwache halten, um kleine Brände in den

Ruinen zu löschen.

Die Abgebrannten wurden in Quartiere der Dörfer Nienwalde, Holtorf, Restorf und Quarnstedt verteilt.

Am 29. Mai 1721 abgebrannte Bürgerstellen

01. Gerber, Gottfried, Maurermeister

02. Hildebrandt, Adam Christian, Bürgermeister und Ackersmann

204


03. Mauchel, Jochim, Ackersmann

04. Voß, Erben des Hans Voß, Schuster

05. Ellies, Hinrich, Bäcker

06. Wiese, Hinrich, Schuster

07. Bollmann, Christoph, Leinweber

08. Jahnke, Johann, gelernter Schuster, jetzt Tagelöhner

09. Cords, Jürgen, Friedrich, Buchbinder

10. Köpper, Jochim, Tuchmacher. Im gleichen Haus Kramer Rummel.

Köpper wohnte im Restorfer Pfarrhaus.

11. Kaulitz, Friedrich, Leinweber

12. Hilligenfeld, Brauer und Ackersmann

13. Möller, Johann Jochim, Grobschmied

14. Danehl, Jochim, Tischler

15. Baßar, Hinrich, Ackersmann

16. Krüger, Achatz, Ackersmann

17. Brockhöft, Hinrich, Schuster

18. Haße, Lorenz, Ackersmann

19. Bruhns, Christoph, Bäcker

20. Loeck, Christian, Bäcker

21. Gerberding, Hinrich Caspar, Drechsler

22. Barles, Arend, Kleinschmied

23. Ohnsorge, Hinrich, Ackersmann

24. Kubel, Anton. Dessen Witwe betrieb mit einem Gesellen eine Schlachterei.

25. Gudehus, Dietrich Ludolph, Witwe (Rademacher)

26. Ellies, Jacob, Grobschmied

27. Hildebrandt, Johann Nicolaus, Ackersmann

28. Ellies, Christian, Ackersmann

29. Minten, Thomas, Erben (minderjährige Nachkommen)

30. Bätche, Christian, Schneider

31. Reinke, Johann Andreas, Tischler

32. wüste Bürgerstelle (früher Minte)

Auch die Bewohner der verschonten Häuser mußten sich wegbegeben, weil dort die Miliz einquartiert

worden war, vermutlich um Plünderungen zu verhindern. Da auch die Kirche niedergebrannt

war, fanden die Gottesdienste künftig im Schloßarchiv statt.

Da der Wiederaufbau nur langsam voranging, setzte v. Bernstorff im September 1724 als Fertigstellungstermin

für alle wiederaufzubauenden Häuser das Jahresende 1725 fest. Wer bis zu diesem

Termin seinen Hausbau nicht begonnen bzw. noch kein Baumaterial geordert hatte, dessen

Bürgerstelle sollte für wüst erklärt werden.

Wenige Tage später wurde die Anordnung getroffen, auch die vom Brand verschonten Häuser mit

Dachziegeln einzudecken. War das nicht bis zum Jahresende 1725 geschehen, sollte das Strohdach

gewaltsam abgenommen werden. 1732 gab es dennoch einzelne Strohdachhäuser und als

letzter Umrüstungstermin galt der 1. Mai 1733. Dennoch gab es bis März 1735 vereinzelte Bürgerstellen,

die nicht wieder aufgebaut worden waren.

Etwas mehr als 40 Jahre waren vergangen, als Gartow erneut von einem Großfeuer heimgesucht

wurde. Offenbar haben die rigerosen Wiederaufbauvorschriften nach dem Brand von 1721 nicht

205


die notwendige Wirkung erzielt. Am 23. November 1764 brannten folgende 14 Bürgerstellen nieder:

Jochim Hildebrandt, Jochim Mauchel, Gottfried Ludolph Schultze, Daniel Christoph Spohn

(Kramer), Rimacks (Schlachter), Jochim Dieterich Schultze, Witwe Rincks, Cordts (Buchbinder),

Jüers (Schneider), Ludoph Kaulitz, Johann Wilhelm Hilgenfeld, Hinrich Schönberg, Hinrich Dannehl

und Nicolaus Lindhus.

Wiederum sind neue Bauvorschriften zum Wiederaufbau erlassen worden. Zum Beispiel wurde

die Seitengasse um 1,20 m verbreitert und die Geschoßhöhen festgesetzt (untere Etage 10 Fuß

hoch = 2,90 m; obere Etage 9 Fuß hoch = 2,61 m). Verfallene Hintergebäude durften nur noch mit

Genehmigung wieder neu und dann zum größten Teil massiv errichtet werden. Nachrichten über

die Entstehungsursache des Feuers und damit zusammenhängende Angaben sind nicht bekannt.

In Gartow befanden sich damals 48 Bürgerstellen.

Im Juli 1765 wurde ausgerechnet Zimmermann Jochim Dietrich Schultze beschuldigt, die neuen

Bauvorschriften mißachtet zu haben. Er hatte wohl aus Ersparnisgründen das untere Stockwerk

nur 9 Fuß hoch (Vorschrift: 10 Fuß) und das obere nur 8 Fuß (Vorschrift 9 Fuß) verfertigt. Eigentlich

hätte das Haus wieder abgebrochen werden müssen, aber da sich Schultze Verdienste erworben

hatte, durfte das neue Haus ausnahmsweise stehen bleiben. Trotzdem wurde er mit vierwöchiger

Gefängnisstrafe bei Wasser und Brot belegt.

Bis zu jenem Zeitpunkt waren vier Häuser noch nicht wieder aufgebaut: Hinrich Christian Dannehl

(Kirchenjurat), Witwe Rincks (auch Ring), Daniel Christoph Spohn (Kaufmann) und Johann Levin

Ahnsorge als Vormund für die Stockmann`schen Kinder.

Der verurteilte Zimmermann Schultze wandte sich mit einer Beschwerde an die Landesregierung,

die Kurfürstliche Kammer in Hannover. Er forderte Schadenersatz und ihm schlossen sich die Abgebrannten

Witwe Rincks, Spohn und Dannehl an, die wegen Geldmangel ebenfalls nicht die geforderte

Hausgröße verwirklichen wollten. Ihnen wurde der Weiterbau bis auf weiteres untersagt.

Nach einiger Zeit weigerten sich nur noch Schultze und Witwe Rincks, die Bauordnung zu beachten.

Schultze hatte zudem noch eine Anklage bei der Justizkanzlei Celle erhoben. Daher mußten

die Gartower Beamten Stellung nehmen, wobei es in einem Bericht u.a. hieß:

„Es hatten nemlich sämtliche Häuser keine Schornsteine, keine Scheerwände und das Feuer

konnte also vermittelst der unter dem Dache befindlichen trockenen Dachspäne in der größten

Geschwindigkeit von einem Hause zum anderen laufen und in wenigen Minuten vierzehn Wohnhäuser

anzünden. Ferner fand man, daß die Gaße so schmal war, daß man die größte Mühe

anwenden mußte, die gegenüber stehenden Häuser durch fleißiges Begießen für die Anzündung

zu bewahren.“

Nach dem Urteil vom 2.9.1766 wurde dem Freiherrn v. Bernstorff untersagt, Vorschriften zu Geschoßhöhen

bei Hausbauten zu erlassen; ferner mußte er die Gerichtskosten tragen. Er ging in

die Berufung und die Kläger Schultze sowie Witwe Rinck durften ihre Hausbauten bis zur endgültigen

Entscheidung nicht fertig stellen. Dazu war die Witwe ohnehin nicht fähig, da das Bauholz

inzwischen weitgehend unbrauchbar war. Im März 1768 lenkte sie ein und versprach v. Bernstorff

künftig „gegen dessen obrigkeitliche Verfügungen gehorsamer und folgsahmer zu seyn“. Wie mit

Schultze verfahren wurde, ist nicht bekannt.

206


Am 25.6.1853 waren durch Blitzschlag die Häuser von Kaufmann Hahn und Schuster Schulz abgebrannt

aber damit war die Brandserie nicht gebannt:

Es schien eine Ironie des Schicksals zu sein, daß Gartow noch zwei Mal Großbrände hinnehmen

mußte, obwohl große Anstrengungen zur Feuerverhütung unternommen worden waren. Über die

Entstehung, den Verlauf und die Schäden des Feuers vom 25. September 1853 ist nichts Näheres

bekannt. Es brannten insgesamt 98 Gebäude ab, 388 Personen wurden obdachlos. Die Feuerversicherung

mußte 58 867 Rtlr. Entschädigungsgelder bezahlen. Das Feuer entstand kurz nach

21 Uhr im Stallgebäude von Eduard Krüger (früher Tode`sche Bürgerstelle): „Die Flammen griffen

schnell um sich, verbreiteten sich bei starckem Südwestwinde rasch über einen großen Theil von

Gartow und wütheten bis 5 Uhr morgens, wo man endlich das Feuer bewältigte. Etwa 7/8 von

Gartow lag in Asche und Schutt.“

Am 25.September 1853 abgebrannte Bürgerstellen

01. Jünemann, Amtsgehilfe 31. Dankert, Postspediteur

02. Riege, Schuster 32. Schulz, Sattler

03. Hahn sen. und jun. Kaufmann 33. Leib, Instrumenten- und Uhrmacher

04. Albrecht, Doris 34. Honig, Marie

05. Albrecht, Ackerbürger 35. Götting, Bader

06. Honig, Böttcher 36. Frahm, Böttcher

07. Schlüsselburg, Schuster 37. Gerber, Maurermeister

08. Meyer, Schuster 38. Wellmann, Schlachter

09. Maaß, Arbeitsmann 39. Gehrke, Maurermeister

10. Köppe, Leineweber 40. Michaelis, Kaufmann

11. Spohn, Gastwirt 41. Krug, Kaufmann

12. Dr. Schmidt, prakt. Arzt 42. Schulz, Schuster

13. Wiese, Schneider 43. Riechert, Tischler

14. Hamann, Zimmermann 44. Küster, Drechsler

15. Köster, Schuster 45. Schönberg, Schmied

16. Maack, Tagelöhner 46. Bischoff, Schuster

17. Hildebrandt, Schuster 47. Harbord, Witwe

18. Lichtenberg, Tischler 48. Dankert, Witwe

19. Berdien, Witwe 49. Kruse, Witwe, Altsitzerin

20. Albrecht, Marie 50. Waldow, Schlosser

21. Schmidt, Kaufmann 51. Riege, Schuster

22. Könke, Schuster 52. Honig, Witwe

23. Wolter, Apotheker 53. Pfarrwitwenhaus

24. Lantz, Bäcker 54. Glimmann, Färber

25. Bark, Stellmacher 55. Giese, Bäcker

26. Giegeler, Schuster 56. Hohenstein, Schlachter

27. Köhncke`s Erben 57. Bade, Rademacher

28. Unbehaun, Schmied 58. Bennecke, Schuhmacher

29. Hammer, Glaser 59. Kubel, Schuhmacher

30. Härtel, Einnehmer

dazu folgende Mieter:

Meyer, Witwe

Wellmann, Witwe

Micheli, Schneider

Hoop, Tischler

207


Pevestorf, Schneider

Mengeles, Altsitzerin

Hennigs, Altsitzerin

Maschmann

Waldow, Altsitzer

Cottau, Franz

Hertel, Einnehmer

Bollmann, Tagelöhner

Rode, Nachtwächter

Lichtenberg, Tagelöhner

Wendt, Glaser

Guhl, Maurer

Liebi, Auditor

Diehle, Auditor

Meyer, Peter

Behrens

Pevestorf, Witwe

Steiling, Witwe

Kaiser, Elise

West

Sofort nach der Brandkatastrophe stellte Graf v. Bernstorff Wohnraum für die Abgebrannten und

die beim Wiederaufbau beschäftigten Handwerker zur Verfügung, desgleichen Unterbringungsmöglichkeiten

für das Vieh. Ferner offerierte er einen Kredit in Höhe von 1 500 Rtlr. zur Beschaffung

von Viehfutter und für erste Bedürfnisse. Da auch das Haus des Postspediteurs Dankert

vernichtet war, kam die Post in ein gräfl. Gebäude. Lebensmittel- und Kleiderspenden kamen nicht

nur aus der nächsten Umgebung, sondern auch aus Uelzen.

Am 21.11.1853 fand mit Beteiligung des Bürgermeisters F. Dröge zwecks Bauplatzverteilung und

Wiederaufbau eine Bürgerversammlung statt.

Zuvor hatte sich eine Baukommission gebildet, der folgende Personen angehörten: Graf v. Bernstorff,

Sattlermeister Schultze, Bäckermeister Krüger und Schmiedemeister Schönberg. Bei dieser

Versammlung wurde beschlossen, dass sich mehrere Bürger nicht mehr neu auf den Brandstellen

ansiedeln, sondern Bauplätze „nach dem Spring und in den Hahnenbergen“ erhielten: Schuhmacher

Bischoff, Tischler Lichtenberg, Schuhmacher Köhnke, Bürger Albrecht, Bäcker Krüger, Böttcher

Honig, Zimmermann Köhncke und Tischler Riechert.

Sehr wenig ist vom Brand, der sich in der Nacht vom 11. zum 12. Januar 1859 ereignete, bekannt.

Das Feuer brach beim Anwesen des Bürgers und Fuhrmanns Hildebrandt aus und zerstörte 20

Gebäude. Zu den Abgebrannten gehörten außer Hildebrandt der Bäcker Beyer, Kantor Krug, Pastor

Freytag, Bürger Lüders und das Haus Nr. 6, welches dem Grafen v. Bernstorff gehörte (früher

Ellissen). Einige Stunden später brannte noch die Scheune des Tierarztes Bethge auf dem Spring

ab. 15

Der verheerende Brand Gartows von 1721 sowie die Brände von 1764, 1853 und 1859 prägen

noch heute das Ortsbild mit seinen alten Fachwerkhäusern, was heute in der Baudenkmalpflege

seinen Niederschlag findet:

„…Der Wiederaufbau nach den Bränden bestimmt bis heute das recht einheitliche Ortsbild Gartows,

das noch einmal im April 1945 bei heftigen Kämpfen einige Gebäude durch Brand verlor.

Die vorwiegend traufständigen, selten giebelständigen Bürgerhäuser sind nicht mehr aneinander

gebaut, sondern durch geringe Abstände und zwei Notgassen aufgelockert. Die überwiegend

zweigeschossige Bebauung wird nur von wenigen bescheidenen eingeschossigen Gebäuden unterbrochen…..Rückseitig

bilden oft Querscheunen oder Ställe einen Hofabschluß, an den sich Gärten

anschließen. Das einzige ältere Gebäude ist das sogenannte „Neue Haus“ (Nr. 6), das heute

das gräfliche Forstamt beherbergt….Die früheste Bebauung im Ortsteil Hahnenberge begann bald

nach 1800, nahm aber erst gegen Ende des Jahrhunderts mit der Errichtung der Gewerbebetriebe

seinen entscheidenden Aufschwung….Die Springstraße war schon um 1800 an ihrem Anfang

mit einigen Gebäuden besetzt….Entscheidenden Auftrieb bekam die Bebauung der Springstraße

208


nach den Bränden Gartows in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zwecks Auflockerung der dichten

Bebauung der Hauptstraße wurden 1854 sechs dort abgebrannte Bürger zum Spring umgesiedelt….Beim

Ausbau (der Chaussee nach Dannenberg) in dem Jahre 1875 - 1877 wurde die Springstraße

kräftig erhöht und gepflastert…“ 16

Es dauerte nahezu 100 Jahre, bis in Gartow wieder ein großer Brandschaden auftrat. Es waren die

verhängnisvollen letzten Kriegstage im April 1945, die Feuerzerstörungen brachten. Infolge Panzerbeschuss

und dadurch ausgelöste Brände wurden an der Hauptstraße gegenüber der Kirche

zerstört: das alte Hospitalhaus (v. Bernstorff), das Haus von Theodor Beyer, daran nach Osten anschließend

zwei Wohnhäuser und eine Scheune aus v. Bernstorffschen Besitz, auf dem Schloßhof

das historische Torhaus und etliche Gebäude auf dem Gut Quarnstedt (Meierhof).

Am 12.08.1975 gab es im heutigen Gebiet der „Nemitzer Heide“ einen Großbrand im Wald zwischen

Prezelle, Gorleben, Lanze und Trebel. Die erste Meldung erfolgte vom Feuerwachturm Falkenmoor

aus.

In der Nacht vom 17.8.2012 brannte an der Springstrasse der Edeka-Markt von Volker Hildebrand

bis auf die Grundmauern nieder; vermutlich war es Brandstiftung.

Am 20.06.2013 gab es nachts ein mehrstündiges Gewitter im Raum Gartow. Am „Helk“ brannte

ein Wohnhaus bis auf die Grundmauern nieder. Die 91jährige Bewohnerin musste mit ansehen,

wie ihr gesamtes Hab und Gut in Flammen aufging.

Kirchenneubau nach dem Großbrand 1721

Am 29. Mai 1721 ist nebst 53 Bürgerstellen des Fleckens Gartow, den Pfarrgebäuden und dem

Küstergehöft auch die Kirche in Feuer aufgegangen. Nach älteren Nachrichten hat bereits im Jahre

1328 sich eine dem heiligen Georg geweihte Kirche in Gartow befunden. Ob diese 1721 noch

vorhanden war, oder ein späterer Bau 1721 dem Feuer zum Opfer fiel, wissen wir nicht.

1721 stand eine massive Kirche mit Kapelle und Grabgewölbe der v. Bülowschen Familie in Gartow.

Diese Kirche stand, wie sich aus dem Merianschen Bilde aus der Mitte des 17. Jahrhunderts

ergibt, weiter fleckenwärts. Wieviel von dem Kirchengebäude vom Feuer verschont geblieben war,

ist uns nicht bekannt. Jedenfalls sah man von einer Wiederherstellung des Gebäudes am bisherigen

Platze ab.

Nach dem großen Brand wurde, wie es damals üblich war, durch Kollektanten eine Kollekte für

den abgebrannten Flecken Gartow gesammelt, welche den Betrag von 5 381 Talern, 9 guten Groschen

und 9 ½ Pfennigen ergab. Diese Kollekte war in den Städten Hannover, Lüneburg, Lübeck,

Uelzen, Hamburg, Celle, Bremen sowie in den Ämtern Gartow, Lüchow, Schnackenburg, Wustrow,

Clötze gesammelt. Auch seine Königliche Hoheit, der Prinz Friedrich Ludwig spendete den Betrag

von 20 Talern.

Von diesen Geldern sind das Pfarrhaus für 1 570 Taler, das Schulhaus für 740 Taler und die Pfarrscheune

für 460 Taler neu gebaut worden; im Ganzen 2 770 Taler, während 3 000 Taler an die

abgebrannten Bürger verteilt worden sind. Für den Wiederaufbau der Kirche blieb nichts übrig, so

daß der damalige Kirchenpatron, der Königl. Großbritannische und Kurfürstliche Braunschweigische

Premierminister Andreas Gottlieb Freiherr von Bernstorff, den Wiederaufbau auf eigene

Rechnung unternahm.

209


Die Gesamtkosten betrugen 14 891 Taler. Zusätzlich leisteten die Mitglieder der Kirchengemeinde

Hand- und Spanndienste. Der Bau wurde nach Plänen des Oberbaumeisters Borchmann durch

den Gartower Amtmann Wolbrecht geleistet. Derzeitiger Geistlicher war Prediger G.A. Gössel, Bürgermeister

von Gartow und Kirchenjurat war Adam Christian Hildebrandt. Diese beiden haben

sämtliche Belege der Kirchenbaurechnungen unterschrieben. Der Bürgermeister Hildebrandt hatte

auch die Aufsicht über die Handdienste und die Bestellung der Spann- und Handdienste.

„Im Herbst 1722 hat man den Anfang mit der Abbrechung der alten Kirchenmauern gemacht und

am 8. September besagten Jahres, als am Tage Mariä Geburt, den ersten Stein zu dem neuen

Gebäude geleget“. Die noch stehenden Kirchenmauern der alten Kirche, Kapelle und Gewölbe,

einschließlich der Fundamente, wurden abgebrochen und die gewonnenen Materialien zum Wiederaufbau

der neuen Kirche verwendet. Zum Bau der Kirche, insbesondere zu dem Turmfundament,

wurden Feldsteine aus den Feldmarken Pevestorf, Vietze und Brünkendorf verwendet. 200

430 Mauersteine und 34 066 Dachsteine wurden verbraucht. Kiefern- und Eichenbauholz wurde

aus Havelberg, die oben erwähnten Mauer- und Dachsteine aus Pollitz, Dömitz und anderen Orten,

Kalk aus Wolfsburg und Fallersleben von dem Kalkbrenner Franz Spanuth aus Fallersleben, die

Quadersteine des „Frontispice“ aus Barsinghausen bei Hannover bezogen. Eine Reihe von auswärtigen

Handwerkern und Kunsthandwerkern wurden zugezogen, unter anderem der Bildhauer

Johann Christoph Ohm in Hannover für die Steinmetzarbeiten des „Frontispice“, der Zimmermeister

Joachim Kruse aus Celle, der Stukkateur Joh. Joachim Böttger aus Celle, der Dachdecker Joh.

Jacob Seifert, der Bildhauer Ahrendt Heinrich Burg aus Celle für die Schnitzereien des Altars, des

Predigtstuhles, der Taufe und der hölzernen Altarleuchter, der Bildhauer Joh. Heinr. Meyer aus

Celle zur Vermalung und Vergoldung dieser Gegenstände, der Maler Ernst Jäger für den Anstrich

des sonstigen inneren Holzwerkes. Die Kirchenuhr wurde von dem Meister Joh. Schubert aus Celle

geliefert, die Windfahne von dem Hofschlossermeister Borchers in Celle.

Manche Hindernisse traten der Arbeit entgegen, weil es in Gartow noch kein Sägewerk und kein

so entwickeltes Handwerk gab. Ein Teil des von Havelberg nach Schnackenburg anzuflößenden

Holzes kam wegen zu niedrigem Elbewasserstandes nicht rechtzeitig genug an, so daß die Zimmerarbeit

zeitweise eingestellt und den Zimmerleuten Wartegeld bezahlt werden mußte. Ein anderer

Teil des Bauholzes fror bei Schnackenburg in der Elbe fest und mußte zum Frühjahr wieder

losgeeist werden.

Als 1722 die Maurerarbeit wegen des Winters eingestellt werden mußte, wurde auf das Gemäuer

ein Interims (Übergangs-)dach von Stroh gemacht. Trotz aller Hindernisse gelang es, die Kirche

am 14. September 1723 zu richten und den Bau so zu fördern, daß am 1. Oktober 1724 die

Einweihung der Kirche stattfinden konnte. Die Kirche hatte nach der straßenwärts gelegenen Giebelseite

ein viel bunteres Aussehen als jetzt: „Die gesamten Quadersteine bestehen in Gesimsen,

Frucht- oder Laubwerk und Tür- und Fenstereinfassungen waren in Steinfarbe, die übrigen Felder

und Fensterrahmen weiß angestrichen. Desgleichen auch der Engelskopf oben im Frontispice mit

feinem Gold an Haar und Laubwerk vergoldet“.

Eine besondere Aufmerksamkeit erfordern noch die Glocken, von denen noch eine Läuteglocke im

Gewicht von ungefähr 13 Zentnern und eine Schlagglocke von 172 Pfund jetzt gebraucht werden.

Es wurden damals drei Läuteglocken und eine Schlagglocke von dem Stück- und Glockengießer

Joh. Christian Ziegner aus Lüneburg im Gesamtgewicht von rund 37 Zentnern gegossen, wozu 35

Zentner altes Glockenmetall von der abgebrannten Kirche verwendet wurden. Die Anfertigung der

Wappen und Inschriften auf den Glocken hatte Hieronymus Markus Brüllo aus Lüneburg übernommen.

Man hat damals anscheinend zunächst versucht, die Läuteglocken auf dem jetzigen

210


Uhrturm aufzuhängen. Das jetzt bei der Kirche stehende Glockenhaus ist erst später erbaut. Am

1. Oktober 1724 konnte dann die Einweihung der Kirche stattfinden, zu welcher der Kantor Wilken

aus Lüchow mit einigen Schülern zum Singen geholt wurde. 17

Die Übersetzung der lateinischen Portalinschrift an der Kirche lautet:

„Nachdem die alte Kirche mit dem Städtchen durch Feuer eingeäschert worden, ließ A.G. von

Bernstorff in den Jahren 1723 und 1724 diese neue erbauen.“ 18

Gasthof

Ein Gasthaus existierte bereits 1629 „mit der

Brawpfannen und andere Braw Geräthe“ sowie

dazugehörigen Ländereien und wurde nachweislich

am 12.6.1629 von Vikke Ellies für eine

Summe von 900 Florin gekauft. Dabei handelte

es sich um einen „alten Krug sampt den dabey

neuen Wohnhause nebst Stedings Akker und

was von alters dabey gewesen“. Später hat der

v. Bülowsche Verwalter Jacob Krusen das als

„Lehnkrug“ bezeichnete Gasthaus erworben

und noch bis 1720 betrieben. Der alte Gasthof

befand sich schräg gegenüber der Kirche direkt

an der Seegebrücke und wurde im Jahr 1872

abgebrochen. 19

1720 erwarb das Haus Gartow vom Verwalter

Krusen den Gasthof für 3000 Rtlr. und ließ sofort

Reparaturen duchführen. Die zum Gasthof

gehörenden Ländereien wurden ebenfalls erworben.

Weil der Zustand des Gasthofes baulich

sehr schlecht war, ist bereits 1721/22 ein

Neubau geplant worden, der als „Herrschaftliches

Haus“ völlig neu entstanden ist. Das alte

Gebäude brannte vorher ab.

Wirtshausszene

Das Gebäude besaß die Abmessungen 17,98 x 15,66 m „von 13 Verbind“, war zweistöckig errichtet

und mit 4 Schornsteinen versehen. Jedes Stockwerk hatte eine Höhe von 3,19 m. Das Fensterglas

wurde von der „Glaßhütte bey Dömitz“ bezogen, drei Eisenöfen sind in Celle gekauft worden.

Der Ofensetzer Großheim aus Hannover baute vier Kachelöfen auf.

Zusätzlich zum Wirtsgebäude wurde noch eine Scheune mit den Abmessungen 13,05 x 10,15 m

„von 5 Verbind“ und ein Pferdestall erbaut. Die Mauersteine stammten aus Dömitz und Damnatz.

Insgesamt wandte das Haus Gartow 1737 Rtlr. für diese Neubauten auf. 1733 folgte der Bau eines

Schweinestalles, 1737 für 318 Rtlr. der Neubau einer Scheune mit Viehställen. Die Neusetzung

eines Brunnens ist 1741 vorgenommen worden und Dachreparaturen wurden 1748 fällig.

Als weitere Bauten folgten 1755/56 eine Wagenscheune und ein kombinierter Kälber-, Schweineund

Hühnerstall.

211


Als Zubehör des Hauses Gartow ist der Gasthof stets verpachtet worden. Der jeweilige Pächter

fungierte gleichzeitig als Brückengeldeinnehmer. Nach dem Stand von 1814 war der Gasthof ein

Fachwerkbau (15 Fach lang, 11 Fach breit) mit zwei Stockwerken, Hartbedachung und Blitzableiter

(!) Die Gefache waren mit Ziegelsteinen ausgemauert und die Hausdiele gepflastert. Im Erdgeschoß

befanden sich eine Stube, eine Küche mit aufgemauertem Feuerherd mit 2 Eisenplatten, 6

Rosten, 3 Kaserollöcher und Kesselhaken, eine Speisekammer, eine kleine Stube mit schwarzgekacheltem

Windofen und dem Bierschrank, eine Gesindekammer, eine Stube neben der Diele mit

Schenkschrank und Eisenofen, eine Kammer neben der Diele und ein Keller mit zwei Luken zum

Hof. In der 1. Etage befanden sich drei Kammern, die Knechtskammer, eine Abseite, zwei Stuben

mit Kachelofen und ein Saal mit Kachelofen.

Die aus Fachwerk bestehende Scheune war 16 Fach lang, 8 Fach breit und 11 Fuß (3,20 m) im

Ständer hoch. Sie hatte Hartdach und eine Lehmdiele, worin eine Knechtskammer, eine Häckselkammer,

ein Pferdestall und die Dreschdiele Platz fanden. Daran angebaut waren eine Wagenscheune,

zwei Kuhställe und jeweils ein Fohlen- und Holzstall. Ferner befand sich dort der kleine

und große Schweinekoven. Eine Toilette („Abtritt“) mit zwei Sitzgelegenheiten und ein Brunnen

„mit 2 ½ Satz Velpker Sandsteinen“ mit einer Holzeinfassung rundeten die Baulichkeiten ab.

Zum Gasthof gehörten 14 Stücke Ackerland, 5 Wiesen und 2 Gärten mit einem Weinstock, zwei

Birn-, 10 Kirsch-, neun Birn-, 26 Apfel-, 20 Pflaumen- und je zwei Pfirsich- und Aprikosenbäumen.

Die Verpachtung erfolgte im Rhythmus von 6 Jahren, eine Kündigung konnte innerhalb von drei

Monaten wirksam werden, wenn der Pächter z.B. gegen Gesetze verstieß: „….sollte er sich wahre

Übertretung der Landesgesetze und obrigkeitlichen Verfügungen zu Schulden kommen lassen ….

oder sollte er in seinem Hause Unsittlichkeiten und Liederlichkeiten dulden oder gar befördern

oder verdächtige Personen und Effecten wissentlich beherbergen…“

Als Verhaltensmaßregel erhielt er die Weisung:

„Jedermann, so bei ihm einkehren will, willfährig und aufwärtig sein, jedem nach Standesgebühr

begegnen, sich mit Allem was in einer wohl eingerichteten Wirtschaft an guten Betten, Meublen,

Eßwaren, Getränken, Fütterung für Pferde p.p. gefordert werden kann, versehen halte ….“ Der

Pächter „unterwirft sich mit seiner ganzen Familie und allen seinen Leuten (Dienstpersonal) der

Gerichtsbarkeit des Hauses Gartow…“ und hatte darauf zu achten, daß niemand mit offener Flamme

in den Gebäuden umherging.

Das Personal bestand aus vier Dienstboten, je einem Knecht, Küchenmädchen und Schenk sowie

einem Mädchen zur Viehversorgung.

Die Pachtsumme von jährlich 200 Rtlr. wurde in vierteljährlichen Raten fällig. Reparaturkosten bis

zu 3 Rtlr. zahlte der Pächter selbst, darüber hinausgehend das Haus Gartow. Es verstand sich von

selbst, daß Bier und Branntwein von der Brauerei des Hauses Gartow zu beziehen waren. Wurde

ergänzend auswärtiges Bier bezogen, sind Gebühren erhoben worden. Um 1838 befand sich im

Gasthof bereits ein Billardtisch.

Jährlich sind etwa 80 Tonnen Bier und 38 Oxhöft Branntwein verkauft worden, wobei ein Quart

Bier (0,94 Liter) 1 ggr. und die gleiche Menge Branntwein 4 ggr. kosteten. Mit diesem Umsatz

konnte der Pächter einen jährlichen Reingewinn von rd. 600 Rtlr. erzielen. Um 1843/44 sind bereits

114 Tonnen Bier und 24 Öxhöft Branntwein konsumiert worden. Letzterer verminderte sich

erheblich, weil der örtliche „Enthaltsamkeits-Verein“ (Alkoholgegner) Wirkung zeigte und Gartower

212


Kaufleute Branntwein günstiger in Lüchow besorgen und in Gartow verkaufen konnten als der

Pächter. Wein ist nur wenig verkauft worden, weil er von den Konsumenten billiger von auswärts

bezogen werden konnte.

Die Fremdenzimmer-Vermietung erfolgte recht selten, da bisweilen mehrere Wochen vergingen,

bis sich ein Gast einfand.

Noch 1717 war der Gasthof an den Verwalter Jacob Kruse verpachtet, bis seine Erben den Gasthof

1720 an das Haus Gartow verkauften. Weitere Pächter waren: Johann Jochim Schulze (1724), Johann

Peter Göbbel (1733, 1743), Martin Friedrich Krüger (1747, 1750), Anton Christoph Feldmann

(1754, 1758), Maximilian Adam Lotzow (1764, 1768), Johann Martin Hahne (seit 1769, 1782,

1786 seine Witwe Sophia Eleonora geb. Rohr). Benedikt Friedrich Hahn (1791, 1813), Joachim

Carl Friedrich Haupt (1814 - 1838, ging zu seinem Schwager Strohkirchen nach Tressow/Meckl.),

Kaufmann Wilhelm Anton Krug (1838 - 45), Bäcker Eduard Krüger (1845, 1860, 1872).

Im Laufe der Zeit veränderte sich der an das Haus Gartow zu zahlende Pachtbetrag: 1723 = 60

Rtlr., 1809 = 88 Rtlr., 1829 = 300 Rtlr., 1843 = 265 Rtlr., 1856 = 300 Rtlr., 1870 = 240 Rtlr.

Das Kapitel Gasthof endet nach einer Eintragung von 1875 wie folgt: „Das Gasthaus ist im Winter

1872/73 abgebrochen. Die Ländereien und Wiesen, welche bis um Johannis 1838 dem Gasthause

beigelegt gewesen, werden jetzt von der gutsherrschaftlichen Landwirtschaft genutzt, der

Garten ist der Herrsch. Gärtnerei beigelegt“.

Gemeindewald

Als ortsnahes Gehölz galt jahrhundertelang der Forstort „Die Hahnenberge“ und „Der Helk“. Aus

beiden Holzungen wurde Bau- und Brennholz entnommen, ferner ist das Vieh zur Mast eingetrieben

worden. Heute bestehen von diesen Waldarealen nur noch Rudimente, da sie überbaut

wurden. Nach einer historischen Karte von 1699, gezeichnet vom Ingenieurkapitan Pauli, waren

„Die Hahnenberge“ ausgedehnter als „Der Helk“, zumal im letzteren Forstort bereits in der Vorzeit

Rodungen zur Gewinnung von Weideland vorgenommen wurden. „Die Hahnenberge“ befanden

sich fast ausschließlich auf grundwasserfernem Geestboden. Südlich davon dehnte sich, bis auf

ein weiteres Waldareal bei Rucksmoor, die große fast baumlose „Gartower Heyde“ aus. Im Südosten

wurde sie vom „Das grosse Mohr“ bei Wirl begrenzt.

Im Rezess über die Spezialteilung der Gemeinheiten des Städtchens Gartow vom 17. Juni 1854

sind auch Festlegungen zum Gemeindeforst Gartow enthalten. Dieser setzte sich aus den Einzelforsten

Elsebusch (14 Morgen), Helk (31 Morgen), Hahnenbergen zwischen dem Marlebener und

Trebeler Weg (53 Morgen), zwischen dem Prezeller und Trebeler Weg (33 Morgen) und dem Umschwang

(6 Morgen) zusammen. Insgesamt umfassten die Gemeindeforste 138 Morgen.

In den Hahnenbergen wurde ein Gemeindeplatz vor der Scharfrichterei vorgehalten. Dieser sollte

„soweit nicht dem Grafen von Bernstorff das Recht der Anpflanzung … zusteht, mit Birken und

Kiefern besetzt und müssen die durch Hauung entstandenen Blößen sofort wieder bepflanzt werden.

Der Holzbestand soll verkauft und der Ertrag zur Besserung der gemeinschaftlichen Wege

verwandt werden“.

Um den Gemeindeforst von den übrigen Grundstücken sichtbar abzuheben, ist um diesen ein

Graben hergestellt worden, der von den Beteiligten des Forstes anzulegen und zu unterhalten war.

213


Der Graben durfte nur Grundeigentum des Forstes beanspruchen. Somit war ferner der Aushub

zu einem Wall auf der Forstseite vorgesehen. Entgegen den übrigen Vorschriften bezüglich der

Pflanzabstände auf den künftigen Privatkoppeln war es erlaubt, „Baumholz“ zu pflanzen oder

stehen zu lassen, sofern es mehr als 16 Fuß (4,65 m) von den Forsten entfernt blieb. Die Höhe

der Bäume war auch hierbei nicht begrenzt. Jeder Teilforst erhielt nach der Spezialteilung einen

Entwässerungsgraben, 8 - 18 Fuß breit (2,32 m - 5,24 m).

Die Interessenten, also die Bürgerschaft von Gartow mit Ausnahme des gräflichen Scharfrichters

Miethling und seiner Nachfolger, waren verpflichtet, den Wald zu erhalten, gleichzeitig auch berechtigt,

diesen zu nutzen. Mit einem vollen Anteil beteiligt waren die Pfarre, das Kantorat, jeder

Vollbürger, das gräfliche Gasthaus und das gräfliche Hospital. Nur zur Hälfte dagegen jeder Halbbürger

und das Pfarrwitwentum. Ausgenommen ein Areal von 14 Morgen hinter dem „Eiskeller“,

welches als Schützenplatz diente, durfte der Gemeindeforst „nur zur Holzcultur und zu keinem

anderen Zwecke benutzt werden.“ Das war eine Fläche von noch 123 Morgen „welche einer regelmäßigen

forstlichen Bewirtschaftung zu unterwerfen sind.“ Vorgeschlagen wurde der Anbau von

anspruchslosen Kiefern auf dem kargen Sandboden „weil von keiner anderen Holzart ein sicherer

Ertrag erwartet werden kann.“ Als Umtriebszeit waren 60 Jahre vorgesehen.

Vorgeschrieben wurde die Erstanlage von Forstkulturen, beginnend von Osten nach Westen: „Der

Boden muß, nachdem die Erdstöcke rein ausgerodet sind, entweder im Herbste gepflügt oder mit

Plagghacken rein umgehackt werden. In diesem Zustande bleibt es dann bis zum Frühjahr liegen,

wo derselbe bei dem ersten Thauwetter etwa im Anfange des Monats April mit eisernen Eggen

kreuz und quer vorgeeggt, der Kiefernsamen darauf (pro Morgen etwa 7 Pfund) gleichmäßig ausgestreut

und mit hölzernen Eggen untergeeggt wird. Die Höhen und Sandstellen aber, welche nur

durch Pflanzung in Bestand zu bringen sind, müssten mit 2jährigen Kiefern bepflanzt und müssen

die Pflanzstellen in 4 füßiger Entfernung (1,16 m) voneinander schon im Herbste zu 1 Fuß (0,29

m) breit und 1 Fuß tief bereitet werden.

Nach geschehener Bepflanzung oder Besamung hört alle Nutzung zum 20ten Jahre auf, in welchem

Jahre die erste, im 40ten aber die 2te Durchforstung beginnt, darin bestehend, daß jedesmal

alles trocken gewordene Holz vorsichtig herausgehauen, alle drainierenden Stämme aber auf

einer Quadratruthe (21,7 qm) 20 bis 30 Stück bei der ersten und 6 bis 10 Stück bei der zweiten

Durchforstung bis zur Haubarkeit stehen bleiben. Hat der Bestand aber das 60te Jahr erreicht,

dann tritt der reine Abtrieb ein. Alle forstschädlichen Nebennutzungen als das Weiden des Viehes,

das Jigelharken und Plaggenhauen p.p. sind in der Gemeindeforst aufs Strengste untersagt und

verfällt der gegen dieses Verbot Handelnde in eine Strafe von 5 Rtlr.

Die Beaufsichtigung des Holzes liegt zunächst dem Bürgermeister zu Gartow und außerdem zwei

Forstinteressenten, welche durch jährlich zu erneuernde Wahlen zu bestellen sind.“

Sie hatten bei eigener Verantwortlichkeit auf die pünktliche Ausführung der obigen Vorschriften zu

achten. Bald danach wurde die Forstaufsicht jedoch von der Realgemeinde wahrgenommen. Der

jeweilige Bürgermeister war aber stets in die Entscheidungen eingebunden. 20

Im Landschaftsrahmenplan Gartow von 1977, aufgestellt von der Nieders. Landesentwicklungsgesellschaft

Hannover, wurde aufgrund der Planungen der Gesellschaft für Landesplanung Bremen,

verstärkter Laubholzanbau (zumindest Beimischung), stärkere Artenmischung und das Freihalten

von Waldtälern von dichtem Baumbewuchs vorgeschlagen. Besonderes Augenmerk galt

den Waldrändern:

214


„Die Entwicklung eines mehrschichtigen, mit Laubgehölzen durchsetzten Waldrandes soll bei

vorhandenen Beständen durch geeignete Maßnahmen gefördert werden. Bei Bestandsnutzung

sollten die Waldränder geschont werden und ihre positiven Wirkungen im Naturhaushalt erhalten

bleiben.“ 21

Um 1719: Plan der Gartower Forstorte Hahnenberge, Helk und Finckenholz,gezeichnet von C.L.v. Mackphaill

215


Gemeindewappen

Ein Wappen erhielt Gartow höchstwahrscheinlich

erst im 15. Jahrhundert verliehen, und

zwar das etwas abgeänderte Wappen der Herren

von Bülow, die Gartow von 1441 bis 1694

besaßen. Daß Gartow als Wappensiegel nicht

das Wappenbild der Herren von Chartowe, die

rote Greifenklaue im silbernen Felde, übernommen

hat, erklärt sich daraus, daß Landstädten

erst im 15. Jahrhundert von ihren Landesfürsten

ein Wappen verliehen wurde, und zwar das

meist etwas abgeänderte des Landesherrn.

Landesherren von Gartow aber waren, wie wir

noch sehen werden, von 1441 bis 1594 die

reichsunmittelbaren Herrn von Bülow, und so

weist denn auch das Wappen von Gartow die

goldenen Kugeln des Bülowschen Wappens

auf, doch nicht 14 Kugeln, sondern nur neun.

Siegel der Gemeinde Gartow vor 1945

Postwesen

Bei der Postbeförderung ergaben sich besondere Schwierigkeiten, weil Gartow von der Kaiserlichen

Post lange Zeit nicht angefahren wurde.

Kurz vor 1700 bestand für das Haus Gartow die Möglichkeit, Postsachen in Dannenberg aufzugeben

und mit der Amtspost befördern zu lassen. Allerdings mußte die jeweilige Post nach Dannenberg

gebracht und von dort auch geholt werden. Sofort bei Übernahme des Gartower Besitzes

ließ Graf von Bernstorff einen hauseigenen Postbeförderungsdienst zwischen Dannenberg und

Gartow einrichten, um einen regelmäßigen Zubringer- und Abholdienst gewährleistet zu wissen.

Durch seine politischen und wirtschaftlichen Tätigkeiten pflegte Graf von Bernstorff eine ausgedehnte

Korrespondenz sowohl nach Hannover als auch nach Preußen. Es war deshalb sicherzustellen,

daß Briefe den Empfänger schnell und sicher erreichten und er die an ihn gerichtete Post

auf schnellstem Wege erhielt. Daher war es ein Glücksfall für Gartow, daß sich die Grafen von

Bernstorff stets für den Anschluß Gartows an das Postsystem einsetzten. Letzlich lag es ja auch

in ihrem eigenen Interesse.

Aber auch der Einsatz von Boten bot sich an, die im Bedarfsfall Briefe zu auswärtigen Emfpängern

brachten. Für ihren Dienst erhielten die Boten, gestaffelt nach bewältigter Entfernung, unterschiedliche

Entlohnung.

Im Rahmen der dem Haus Gartow zustehenden Hand- und Spanndienste wurden die Hofinhaber

des Dorfes Gorleben ab 1695 mit der Postbeförderung betraut. Vermutlich erfolgte der Postdienst

im „Reihedienst“, d.h. jeder Hofinhaber in Gorleben wurde der Reihe nach eingesetzt, bis der Zyklus

von neuem begann. Die Postbeförderung wurde im Rahmen der abzuleistenden „Ordinairen

Dienste“ (gewöhnliche Dienste) vorgenommen, wobei der Transport von Briefen und kleinen „Paqueten“

(Pakete) als Handdienst angerechnet wurden.

Pakete und Sendungen, die nur mit Gespannen zu transportieren waren, zählten als Spanndienst.

Gemäß damaliger Gepflogenheit erhielten die Hand- und Spanndienstleistenden bei Beendigung

216


ihres Auftrages eine geringe Entschädigungszahlung („Pröven“). Für einen Handdienst zahlte das

Haus Gartow 6 Pf. und für einen Spanndienst 9 Pf. Prövengeld.

Die in Gorleben ansässigen Brinksitzer waren im Rahmen der „Extraordinairen Dienste“ verpflichtet,

mit ihren eigenen Gespannen Postsachen für das Haus Gartow von Gartow nach Dannenberg

und zurück gegen Entrichtung eines Prövengeldes zu befördern sowie 3 - 4 Meilen (1 Meile = 7,4

km) weite „Briefe-Reisen“ für das Haus Gartow zu verrichten. Zwei Mal wöchentlich fuhr ein Gespann

mit bis zu vier Pferden von Gartow nach Dannenberg. In den Registern werden sie oftmals

als „Postführer“ und „Briefträger“ bezeichnet. Ausgenommen von den Diensten waren der Fährmann

und der Lehnmüller.

Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt trat im Posttransport eine Veränderung ein:

An gewissen Wochentagen brauchte die Post nur noch von Pretzetze geholt zu werden, weil im

Haus des dortigen Försters „auff dem Pretzetzer Damme“ (Deich) eine Postumschlagstation eingerichtet

wurde. Vermutlich war der Förster zu Pretzetze vom Dannenberger Amtmann zu diesem

Nebendienst verpflichtet worden. Die Kosten für die Verbindung Dannenberg-Pretzetze zahlte das

Amt Schnackenburg. Der Grund zu dieser Einrichtung lag in der extremen Abseitslage des Amtes

Schnackenburg. Um Schnackenburg an den ämterinternen Briefverkehr effizienter anzuschließen,

wurde vereinbart, daß die für Schnackenburg bestimmte Post von Dannenberg bis Pretzetze – unweit

der Grenze zwischen Amt Dannenberg und dem Herrschaftsbereich des Hauses Gartow bei

Laase – gebracht wird.

Bei dieser Gelegenheit brachte der Dannenberger Postbote auch Briefe für Gartow mit und nahm

auf seinem Rückweg Briefe aus Schnackenburg und Gartow wieder mit. Den Transport zwischen

Pretzetze und Gartow besorgten die Gorlebener Untertanen. Bedienstete des Amtes Schnackenburg

brachten bzw. holten die Post aus Gartow.

Der Postbeförderungsdienst durch die Gorlebener dauerte bis zum 30. April 1750. Ab 1. Mai desselben

Jahres richtete die Königliche Post zwischen Dannenberg und Gartow eine eigene fahrende

Post ein. Die Hofinhaber aus Gorleben: J.C. Schulze, H.H. Meyer, H. Riesche, J.J. Meyer, C. Gödeke,

J.H. Schrampe, H. Gödeke, J.R. Buhmann, J.H. Schulze, J. Schrampe, J.C. Schröder, J.H. Schack

und Joh.H. Schack brauchten fortan keine Postfuhren mehr zu leisten. Statt dessen mußten sie

jährlich insgesamt 30 Rtlr. Dienstgeld an das Haus Gartow geben. Vorsorglich wurde dieser Vergleich

so abgefaßt, daß im Falle einer Aufhebung der königlichen Postverbindung die alte Regelung

wieder Gültigkeit hatte, d.h. die Gorlebener Postfuhren wieder aufzunehmen wären. Wie

richtig diese Überlegung war, zeigte sich schon 6 Jahre später, als der Dannenberger Posthalter

Ludewig am 17.12.1756 mitteilte, daß die Postverbindung zwischen Dannenberg und Gartow zum

Jahresende 1756 wegen Unrentabilität aufgehoben werden sollte.

Vom Neujahr 1757 an waren die Gorlebener gehalten, wie bisher die üblichen Postfuhren für das

Haus Gartow zu verrichten. Auch der damalige Gerichtsvogt Jacob Malchien Trahms aus Gartow

durfte sich wieder auf den (Fuß-)Weg nach Pretzetze machen. Nach zehn Jahren besann sich

die Königliche Post wieder darauf, eine ab 1.10.1768 in Kraft tretende Postverbindung zwischen

Dannenberg und Gartow anzulegen. Nur wenige Tage zuvor mußte ein Bote aus Gartow in dieser

Angelegenheit nach Dannenberg geschickt werden. Für die Gorlebener Untertanen endete nun

nach siebzigjähriger Tätigkeit der Postbeförderungsdienst für immer, da die Königliche Post die

Verbindung nach Gartow dauerhaft aufrecht erhielt. 22

217


Im April 1897 bestand zwischen Gartow und Lüchow zur bereits bestehenden noch eine zweite

Personenpostverbindung, d.h. ein Postkutschenkurs zur Post- und Personenbeförderung. Täglich

fuhr die Postkutsche um 7.25 Uhr ab und erreichte Gartow um 10.15 Uhr. Von Gartow ging es um

17.25 Uhr wieder zurück nach Lüchow, wo die Postkutsche um 20.15 Uhr eintraf. Seit 1893 war

sogar das Straßenkreuz Rondel als Haltestelle ausgewiesen.

Von der frühen Postkutschenzeit hat Harry Halbom

aus Dolgow eine romantische Geschichte

überliefert, die Gartow betrifft:

„Fast 60 Jahre liegt es zurück: „Kasten-Jochen“,

der Paketbriefträger Jochen Flügge, der auch

viele Jahre der Postillon Lüchow-Gartow war,

hatte sich gewünscht, noch einmal wie früher

den Gartower Personenpostwagen zu fahren.

Man hatte ihm den Silvester-Wunsch erfüllt.

Und ich durfte mit ihm nach Gartow fahren! Vaters

Regimentskamerad von der Garde in Potsdam,

der alte Haverland von der Talmühle (auf

dem Höhbeck), war benachrichtigt, ich sollte

für ein paar Stunden dahin abgeholt werden.

Das Märchen vom Dukatenmacher hatte sich

erfüllt. Frühmorgens fuhr ich mit Jochen los,

und es war sogar Posthalter Dehns Schimmel

mit im Gespann. Keiner blies das Horn so hell

wie Jochen. Schon an der Loger Ecke ging`s

los: „Ach du mein lieber Gott, muß ich schon

wieder fort auf die Chaussee ohne Kaffee!“

Aber nach der rührseligen „Post im Walde“-

Weise zog der Postillon die platte Flasche aus

der Brusttasche und blies darauf ein anderes

Liedlein. In Woltersdorf wiederholte sich alles

und dann noch dreimal bis Trebel.

Postkutsche

In Trebel bekam ich auf meinem Bock Gesellschaft, einen Jungen, wohl ein Jahr älter als ich; es

war ein Neffe Jochens. Wir wurden uns beide schnell einig, auch darin, daß er gleichfalls, statt in

Gartow zu bleiben, mit mir zu Talmühle kommen sollte.

Es war ein schöner Wintertag. Früher, so dünkt mich, sind die Weihnachts- und Altjahrstage, je,

die ganzen „Zwölfe“ immer voll Schnee und Eis gewesen. Auch in der elf Kilometer langen Forst

blies Jochen einmal so und einmal so und in Gartow nochmals. Dort stand der Vietzer Korbwagen

schon bereit. Jochen war so mit sich beschäftigt, daß er ohne Bemerkungen seinen Neffen Ernst

mit hinüberwechseln ließ. Weiter ging die Fahrt. Wie wunderschön war die weiße, schnee- und

eisglitzernde Fläche ringum. So tief einprägsam und majestätisch sind mir diese herrlichen Weiten

nie wieder erschienen, obgleich ich dort noch oft entlanggefahren bin. Nur einmal, als ich 50 Jahre

später dort oben bei untergehender Sonne Abendvesper hielt und Gartow ganz goldumbordet vor

mir lag, fühlte ich ähnliches. Die Fahrt Pevestorf - Vietze - Talmühle aber wurde mein Jugenderlebnis

von 1899.

218


Oktober 1878: Personenpostkurs Lüchow über Gartow nach Schnackenburg

Wie erschrak ich über den eisschollentreibenden Strom tief, tief zu meinen Füßen; wie sang der

Silberbach zu seinem Talsturze; wie brausten die hohen Baumkronen über mir. Ernst war nüchterner

und hielt sich an Haverlands schon etwas altbackenen Weihnachts-Butterkuchen. Der Talmühler

Tannenbaum hatte einen Musikfuß, der die beiden Lieder „Stille Nacht“ und „Großer Gott,

wir loben dich“ klingelte. Den hatten wir in Lüchow nicht. Vater hatte vielmehr ein Weihnachtsgärtchen

für den Christbaum gebastelt, so daß er wie weiland der Baum des Lebens und der Erkenntnis

ausschaute. Beides war er auch für mich, wenn ich ihn zum ersten Male sah und etwas später

heimlich ihn unten kahlgemacht hatte. Haverlands hatten eine echte Talmühlentanne, viel höher

und größer als unser Tannenbaum zu Hause. Ich schwelgte über ihn, Ernst war`s egal, ob groß

oder kleiner. Er hielt sich an den Butterkuchen, der reichlich vor uns lag.

Viel Ungewohntes und Schönes gab`s zu sehen. Und doch harrten wir beide, die wir das erste

Mal ohne Eltern gereist waren, schließlich auf den Abschied. Das Korbwägelchen kam wieder

und fuhr uns nach Gartow zurück. Und nach dem Besehen der Schaufenster und einigen kleinen

Zwischenfällen mit den Gartower Jungen kam dort dann auch Jochen Flügge hoch auf dem gelben

Wagen, mit Horn und Koffer und Sporn. Es dunkelte schon, als wir abfuhren. Ernst und ich, wir

hielten uns an den Händen. Er ist später auch ein solcher Postillon geworden und hat sich lange

dieselbe Strecke entlanggeblasen. Er bekam schließlich sogar vom Kaiser ein silbernes Posthorn

als Ehrengabe, das zuletzt über seinem Grab auf dem Seelhorster Friedhof in Hannover erklang.

219


Am Tage war wieder neuer Schnee gefallen. Auch während der Fahrt durch den immer finsterer

werdenden Tann schüttelte Frau Holle die Betten so, daß uns Jochen in die leere Kalesche stecken

wollte; aber wir waren rechte Jungen und blieben draußen auf dem Bock. Plötzlich ertönte eine

Glocke. Die Romantik der Stunde gab mir ein, es müsse ein Schloßglöcklein von Gartow sein. Jochen

hielt und trat vom gelben Wagen in die Tannen, eine Jungschonung, nicht weit von Rondel.

Und dort blies es gewaltig: „Ach wie laufen doch die Jahre, wie verschwindet doch die Zeit!“ Er blies

zwei Verse des alten Silvesterliedes und kam dann wieder auf den Wagen. In Trebel verließ uns

Ernst, und wir fuhren weiter. Nun läuteten rundum die Glocken. Da fragte mich der kleine, dicke,

rotgesichtige, im Alltag so nüchterne Mann, von dem ich nie geglaubt hatte, daß so viel Romantik

in ihm sei: „Weetst du, wat ick blast `ew?“ ich sagte die erste Strophe auf. Als ich dann schwieg,

fuhr er fort: „Doch du hast durch deine Güte wie ein Wächter mich bewahrt, daß der Tod die Leibeshülle

noch nicht in das Grab gebracht. Ach wie soll ich das versteh`n, da noch andre schlafen

geh`n und gar viele schon begraben, die noch nicht mein Alter haben.“ Und dann erzählte er bis

Lüchow von all seinen Fahrten durch den Gartower Tann. Von dieser Stunde an ist er für mich

ein ganz anderer Mann geworden. Und alle, die in dieser Geschichte mitspielen, sind schon nicht

mehr unter den Lebenden, mich ausgenommen, der ich die Geschichte aufschrieb“. 23

Um 1888 werden in Gartow der Briefträger

Christoph Johann Joachim Wolf und der Landbriefträger

Joachim Christoph Schrader genannt;

um 1917/18 auch der „Postaushelfer“

Heinrich Bade und August Mai. Landbriefträger

waren Hermann Warnecke, Otto Meyer, Heinrich

Buss, Wilhelm Wendig, Wilhelm Bohlmann

und Willi Ehlers sowie Postschaffner Heinrich

Lüders und Postverwalter Albert Behrens.

1936 der Posthelfer Otto Schaal, Postschaffner

Hermann Warnecke und die Witwe des Postschaffners

Wichtendahl.

Postaufgabeschein vom

8.5.1843

Postaufgabeschein vom 19.3.1845

220


Zur weiteren Postgeschichte von Gartow ist z. Zt. nur wenig bekannt, um 1852 werden in Gartow

als Postbedienstete die Personen Harbord und Dankert, erwähnt, wobei Ersterer schon 1843 verstorben

war. 24

Das Postamt in Gartow war lange Zeit im auffälligen Fachwerkgebäude an der Abzweigung Hahnenberger

Straße/Springstraße untergebracht. Dann erfolgte der Umzug der Poststelle in das neu

errichtete Gebäude der Tourist-Information (Elbtalaue-Wendland Touristik) Nienwalder Weg 1. Seit

September 2003 befindet sich eine Postfiliale im Geschäft der FDNF Fahrradtouristik in der Hauptstraße

19.

2009: Ehemaliges Postamt Gartow, Springstr. 1

Ratswall

Um die Ortslage Gartow herum hat es einen Lehmwall gegeben, der wohl nicht nur Verteidigungszwecken

sondern auch als Hochwasserschutzwall gedient haben könnte. Auf der im Jahr 1700

vom Geometer Pflaumbaum gezeichneten Karte ist ein Wall als rückwärtiger Schutz wohl gegen

einstauendes Hochwasser südlich der Hauptstraße in Begleitung des damals noch vorhandenen

und mit Wasser gefüllten Umfassungsgrabens im Verlauf der heutigen Straße von der Post Richtung

Schloß nach Nienwalde eingetragen.

Der Wall wurde noch vor 1720 abgetragen und der Graben eingeebnet. Auf dem alten Wallgelände

durften Bürger Häuser bauen, mußten aber „Ratswallgeld“ dafür bezahlen. In der “Rechnung

der Gartower Bürger von 1727/28“ heißt es unter dem Titel „vom Ratswall“: Der Bäcker Heinrich

Berk hat den halben Ratswall bebaut und gibt dafür jährlich 3 Taler“ ( Nutzungsentschädigung).

Der Schlossermeister Delius (Hausnummer 27) zahlte noch vor einigen Jahrzehnten jährlich

221


10,29 Mark Ratswallgeld an die Realgemeinde.

Noch bis in das 20. Jahrhundert hinein hat

der Einwohner Delius jährlich nunmehr in Mark

umgerechnet, den Betrag von 10,29 Mark an

die Realgemeinde Gartow gezahlt, welches als

„Ratswall“-Geld verbucht wurde.

1764: Beständige Einnahme vom Ratswall

Im April 1954 gelang ein kurzer Blick in den Untergrund des Ortskerns von Gartow, als Telefonkabel

repariert worden sind. Gegenüber von Alfermann war im Zuge dieser Arbeiten in 1,50 m

Tiefe altes Backsteinmauerwerk freigelegt worden. Es kam eine Sandaufschüttung von rd. 1 m

Mächtigkeit zum Vorschein, die am Ostende der Straße abnahm. In Höhe des Postgebäudes zu

Beginn der Hahnenberger Straße stieß man bei Bauarbeiten auf Teile eines alten Knüppeldammes.

Auch am Haus Delius sind im Untergrund senkrecht stehende etwa 1,50 m lange und 8 - 10

cm Durchmesser aufweisende Holzpfähle sichtbar geworden. Hier werden Reste des ehemaligen

Ratswalles vermutet.

Scharfrichterei/Abdeckerei

Scharfrichter wurden nicht nur im Strafvollzug beschäftigt, sondern ihre tägliche Arbeit bestand in

der Tierkörperbeseitigung bzw. der Verwertung der Kadaver sowie im Einsatz der Veterinärmedizin.

Infolge des großen Einzugsgebietes um Gartow und der Existenz vieler hundert Kopf Vieh auf

den Bauernhöfen und den Gutswirtschaften mit Vorwerken hatte der Scharfrichter stets Arbeit. Da

er die Tierhäute verwertete, wird er nebenher auch eine kleine Gerberei betrieben haben.

Seit 1692 bemühte sich das Haus Gartow gegen den Widerstand der Amtsverwaltungen in Schnackenburg

und Lüchow, eine Genehmigung zur Niederlassung eines Scharfrichters in Gartow zu

erhalten. Erst nach langen juristischen Querelen und Urteilsverkündungen am 1.12.1706 und

2.1.1715 durfte ein Abdecker angestellt werden. Mit dieser Entscheidung mußten sich die Untertanen

der Adelsfamilie von Plato in Lomitz, Gedelitz, Gr. Breese, Marleben, Nemitz, Trebel und

Tobringen nach Gartow orientieren.

Da die Abdeckerei ein „Lehn“ des Hauses Gartow war, mußte der Inhaber bei einem Besitzerwechsel

an das Haus Gartow jeweils 50 Rtlr. zahlen. Diese Gebühr wurde als „Lehnware“ bezeichnet.

Als Pachtgeld zahlte der Abdecker jährlich 30 Rtlr. sowie Hausmiete; das Haus Gartow war dafür

verpflichtet, die Gebäude instand zu halten.

222


Ungeachtet der juristischen Unsicherheiten

arbeitete bei der Besitzübernahme 1694 in

Gartow bereits der „Meister“ Valentin Wilhelm

Kannenberg.

Das unehrenhafte Amt des Scharfrichters übte

bereits ein Familienmitglied der Kannenbergs

(Leonhard) seit 1662 in Fallersleben aus, ebenso

ein weiteres Mitglied (Hans Martin) vor 1731

in Wolfenbüttel sowie Erhard Kannenberg bis

etwa 1755 in Dannenberg. Auch die Familie

Miethling stellte über die Zeitläufe Scharfrichter,

so Erich Christian Miethling seit etwa 1755

in Bockenem. 25

Scharfrichter

1699 wurde in Quarnstedt vom Hof Ahrends ein Stall abgebaut und als Kuhstall für die Abdeckerei

in Gartow wieder aufgebaut. Ein Jahr später erhielt Kannenberg für seine kleine Landwirtschaft

eine Scheune von „5 Verbind“, das Holz stammte von der abgenommenen „Cords Scheune“.

Mit Kiefernholz aus den Hahnenbergen ist 1706 ein völlig neues Wohngebäude errichtet worden,

weil das vorhandene „nicht allein sehr klein sondern auch dabey ganz baufällig und schon auf

Stützen“ befindlich war. Der Bau wurde 1707 fertig und kostete 297 Rtlr., im Jahre 1716 kam eine

neue Scheune hinzu. 1735 erhielt das Wohnhaus eine Hartbedachung, 1751 folgte ein Innenausbau.

Um die „Hatzhunde“ unterzubringen, errichtete der Gartower Zimmermeister Peter Witthöft

1737 einen Stall „von 5 Verbind“.

Die 1716 erbaute Scheune war 1756 baufällig und ist durch einen Neubau ersetzt worden. 74 Fuder

Fundamentsteine stammten vom Höhbeck, Mauersteine lieferte Otto Christoph Lucas von der

Ziegelei Pollitz, Dachpfannen Meister Salge aus Damnatz. Die Zimmerarbeiten verrichtete Meister

Teege und die Maurerarbeit Johann Zierris, beide aus Gartow.

Der Scharfrichter arbeitete nicht allein, er hatte als Hilfskraft einen „Knecht“. Ereigneten sich

beim Vieh unerklärliche Todesfälle, war es Aufgabe des Abdeckers, das Tier aufzuhauen und zu

visitieren“. Besonders während des Verlaufs von Viehseuchen gab es für den Abdecker viel zu tun.

Dieser Berufsstand wurde mitunter auch als „Nachrichter“ bezeichnet.

Im Laufe der Jahrhunderte blieb das jährliche Pachtgeld in Höhe von 30 Rtlr. unverändert, seit

etwa 1750 lieferte der jeweilige Scharfrichter dem Haus Gartow drei Paar Lederhandschuhe im

Jahr zusätzlich. Um 1890 verdoppelte sich die Anzahl der zu liefernden Handschuhe und der Abdecker

mußte vier große Hunde des Hauses Gartow mitfüttern.

Folgende Scharfrichter/Abdecker sind bekannt:

Valentin W. Kannenberg (1694, 1723), später dessen Witwe, Christoph Schultze, aus Putlitz stammend,

er heiratete 1739 eine Tochter der Witwe Kannenberg. Schultze verstarb am 29.3.1778

und hinterließ als Witwe seine Ilsabe Catharine geb. Pieper. Deren Sohn Johann Christoph Erdmann

Schultze übernahm die väterliche Tätigkeit ab 1795, davor kümmerte sich seine Mutter mit

Hilfe des Knechtes um die Scharfrichterei/Abdeckerei.

223


Um 1813 bekleidete dieses Amt Johann Dietrich Niebuhr und ab 1816 kaufte Johann Christian

Friedrich Miethling das Anwesen und arbeitete nunmehr als Scharfrichter. Am 9.12.1816 erwarb

C.F. Miethling für 1600 Rtlr. in Gold das Scharfrichteranwesen vom Haus Gartow und brauchte

keine Wohnungsmiete mehr entrichten. Das Anwesen bestand damals aus Wohnhaus, Scheune,

Stall, Backhaus, Lederhaus, Schweinestall, Garten und Wiese.Er war noch 1857 tätig. Nachfolger

wurde Hennings, danach kam bis 1885 August Hahn, der das Anwesen an Friedrich Miethling

verkaufte. Um 1893 wird August Miethling erwähnt, der die Abhängigkeit vom Haus Gartow zur

Jahrhundertwende mit einer Geldzahlung ablöste.

Am 17.7.1862 brannte das Scharfrichter-Wohnhaus nieder. Auf der alten Scharfrichter-Stelle nahe

am Verwalterhaus wurde 1805/06 ein neues herrschaftliches Haus vor Gartow mit zwei Etagen

für 3048 Rtlr. erbaut.

Weil die Ausübung der Scharfrichterei laut Gesetz vom 17.12.1872 aufgehoben worden war, hatte

nur noch die Abdeckerei Bestand.

Schmiede

Die Schmiede befand sich früher im Besitz der Familie v. Bülow und wurde an den Grobschmied

Claus Möller verkauft, der sie jedoch nicht lange betrieb und eine neue Schmiede innerhalb Gartows

anlegte. Nach seinem Tod verkauften dessen Erben die Schmiede 1698 an das Haus Gartow.

Sie wurde nach Herrichtung dem Deichmeister Krukenberg als Wohnung zugewiesen.

Die Schmiede und das Wohnhaus befanden sich auf der sogen. „adelichen Freyheit“.

1704/05 mußte das Wohnhaus neu errichtet werden. Dort zog nun der Gartower Federschütze

ein. In den Jahren 1705/06 ist eine neue Schmiede mit dem Material des alten, vor der Schloßbrücke

stehenden Backhauses bei der Schäferei Gartow, erbaut worden. Die alte Schmiede befand

sich nahe der Scharfrichterei und des Hirtenhauses.

Mit einer Kapitalzahlung an die Gartower Bürgerschaft im Jahre 1710 konnte das Schmiedewohnhaus

von Steuerzahlungen an die Gemeinde Gartow befreit werden.

Nach dem Tod des bisherigen Hofschmieds Erich Hohse ist die Schmiede 1710 um zwei Fach

für den neuen Schmied Jürgen Wilhelm Dittmer vergrößert worden. Schmied Dittmer hatte die

Schmiede und den Garten für jährlich 18 Rtlr. gepachtet. Nahe der Schmiede befand sich das sogen.

Leineweberhaus, das ebenfalls zum Haus Gartow gehörte und in dem der Leinweber Johann

Ebeling wohnte.

Um 1751 erscheint Hans Frahm als neuer Schmied. Die alte Schmiede wurde 1754 abgebrochen

und um in der Bauzeit keine Verzögerungen eintreten zu lassen, ist sofort eine „Interims-Schmiede“

erbaut worden. 1755/56 kam es für 786 Rtlr. zum Neubau „von 15 Verbind auf der sogen.

Schäferey“. Rund 300 Fuder Fundamentsteine kamen vom Höhbeck, 6300 Mauersteine von der

Ziegelei Pollitz. Folgende Handwerker waren beteiligt: natürlich der Schmied H. Frahm selbst, Zimmermeister

Michel Christoph Teege, Maurermeister Jochim Friedrich Dräger und Glaser Jürgen

Wilh. Behncken, alle aus Gartow.

In der „Interims-Schmiede“ nahm Zimmermeister M.C. Teege eine Mietwohnung.

224


Um 1772 wirkte der Schmied Jürgen Christoph Frahm, 1778/79 der „Chur-, Huf- und Waffenschmied“

Joh. Conrad Meyer und seit 1781 Jacob Christian Carl Ahnholz. Die Pacht von bisher 18

Rtlr. wurde ab 1804 auf 23 Rtlr. erhöht, als der neue Schmiedepächter Ernst Joh. Carl Fischer die

Schmiede übernahm.

Der Schmied Ahnholz erhielt bis 1782 jährlich etwa 120 Rtlr. für geleistete Schmiedearbeiten, die

das Haus Gartow als Aufträge an ihn vergab. Ferner erhielt er jährlich 36 Rtlr. für seine Funktion

als gleichzeitiger Tierarzt. Ahnholz hielt sich zwei Gesellen (8 - 16 ggr. Wochenlohn), damals kostete

ein Pfund Stahl 2 ggr. und eine Schiffslast (rd. 40000 Pfund) Steinkohlen 34 Rtlr.

Mit Vertrag vom 1.1.1823 verpflichtete sich Schmied Fischer nicht nur das Hufebeschlagen der

Pferde vom Hause Gartow vorzunehmen, sondern auch alle Reparaturen an Ackerwagen, Sturzkarren,

Eggen, Pflügen, Schlitten, Ketten, Hacken, Forken, Schaufeln, Beile, Eimer, Kartoffelmühle,

Häckerlings- und Kornsichtmaschine. Bezahlt werden mußten diese Arbeiten vom Haus Gartow

dennoch (jährlich 135 - 300 Rtlr.). Möglicherweise hatte der Vertrag nur zum Ziel bei den Arbeiten

bevorzugt zu werden. Die damalige Schmiede bestand aus Wohnhaus (Stube, drei Kammern,

Küche, Diele, Hausboden), Beschlagscheune und Garten. In der Schmiede befand sich die Esse,

Blasebalg, Amboß, Schleifstein, Kohlenkammer und verschiedene Gerätschaften. 26

Als Schmied Fischer im Jahr 1840 verstarb, ist als neuer Pächter Heinrich Jacob Bethge angenommen

worden, er zahlte 50 Rtlr. Jahrespacht. Später trat sein Sohn Adolf die Nachfolge an, er

zahlte nun 62 Rtlr. Pachtgeld. Auch Adolf Bethge verpflichtete sich ab 1891 zum Hufbeschlag der

12 Ackerpferde und zur Vornahme von Reparaturen. Wegen wirtschaftlicher Veränderungen auf

dem Gut Gartow ist Bethge ab 1897 von dieser Verpflichtung entbunden worden.

Ab 1.5.1900 pachtete Schmiedemeister Emil Kropp jun. für 250 Mark Jahrespacht die gräfl.

Schmiede, deren Wohnhaus noch heute am Nienwalder Weg existiert. Für 900 Mark im Jahr erledigte

er den Hufbeschlag und Schmiedearbeiten auf den Gütern Gartow und Quarnstedt. Um

1906 wird in den Pachtverträgen eine derartige Verpflichtung nicht mehr genannt. Sein Sohn Otto

Kropp war noch 1936 gräflicher Schmied. 27

Sparkasse

Nicht unmittelbar zur Förderung der Gesundheit gedacht, dennoch mit einem sozialen Grundgedanken

behaftet, war die vormals bestehende Gartower Sparkasse.

Thekla v. Bernstorff legte im August 1833 einen „Plan der für das Gericht Gartow errichteten

Ersparnis-Anstalt“ vor. Im Einleitungstext wird der Zweck dieser Anstalt beschrieben:

„Da sich zu allen Zeiten bewähret, daß – Sirach 19, V.1-: Wer ein Geringes nicht zu Rathe hält,

der nimmt für und für ab“, da man ferner sieht, daß an vielen Orten des In- und Auslandes Spar-

Kassen gegründet sind und zum Segen der Einleger gereichen: so wünscht Unterzeichnete für die

Unbemittelten, denen es schwer wird, ihre kleinen Ersparnisse sicher zinsbar unterzubringen und

für die oft selbst die Aufbewahrung mit Unsicherheit verbunden ist, eine ähnliche Ersparniß-Anstalt

zu gründen und hofft mit Gottes Hülfe hierdurch den Sinn für Sparsamkeit zu wecken und so

den Wohlstand zu befördern. Es werden bei Gründung dieser Ersparniß-Anstalt folgende nähere

Bestimmungen und Bedingungen festgesetzt: § 1 Die Spar-Kasse nimmt von jedem Dienstboten,

Tagelöhner, Handwerker, Schiffsknechte des Gerichts Gartow Summen von 6 Guten Groschen bis

100 Reichsthaler entgegen. Eine höhere baare Einlage, diese mag nun auf einmal oder nach und

nach geschehen, wird der Regel nach nicht angenommen. Die Einlagen werden jährlich mit 3 1/8

pro Cent, also der Thaler mit 9 Pfennig verzinset…“ Thekla v. Bernstorff leitete die Sparkasse. Es

225


waren stets gräfliche Bedienstete, die als Revisor oder auch als Kassenführer dienten wie z.B.

Amtmann Dr. Sarnighausen, Sekretär Boehm, Dr. Spiel, Amtsassessor v. Estorff, Sekretär Brüggemann.

28

Als die Sparkasse 1833 ihren Betrieb aufnahm,

waren die ersten Sparer der Gartenknecht

August Heinrich Barge (er zahlte 29 Rtlr.

ein), Dienstmagd Katharina Elisabeth Hinrichs

aus Restorf (40 Rtlr.) und Dienstmagd Karoline

Reitz (3 Rtlr.). Späterhin haben etliche Eltern

für ihre Kinder oder Mündel Geldbeträge eingezahlt.

Als Sparer waren Frauen deutlich überrepräsentiert.

Ein Teil der Spareinlagen wurde

zinsbringend in Preuß. Staatsschuldscheinen

angelegt. 1845 hatten bereits schon 70 Sparer

ihr Geld dort deponiert, die Gesamt-Spareinlage

betrug 3813 Rtlr. Allerdings war der sogen. „eiserne

Bestand“ nicht hoch. Damals erscheinen

zwei Sparer mit je 300 Rtlr. Guthaben an der

Spitze, es waren dies Tagelöhner J.C. Johnke

und Altsitzer Schröder, beide aus Prezelle. So

sehr erfolgreich war die Geschäftsführung, daß

bis 1847 etwa 1000 Rtlr. aus Überschüssen für

wohltätige Zwecke gespendet werden konnten.

Die Zahl der Sparer war kleinen Schwankungen

unterworfen, 1851 = 113, 1859 = 98, 1865 =

114 und 1867 = 93. Die Gesamt-Einlagesumme

bewegte sich zwischen 5329 und 7254

Rtlr. Im Jahre 1871 war die Anzahl der Sparer

auf 61 herabgesunken bei 2322 Rtlr. Gesamt-

Einlagesumme.

„Contra-Buch“ der Sparkasse des Gerichts(bezirks)

Gartow

Dieser Trend setzte sich leider fort: 1879 waren es nur noch 17 Sparer mit 688 Rtlr. und 1885 gar

nur noch neun mit 548 Rtlr., davon acht Frauen. Wann die Sparkasse dann ihre Tätigkeit einstellte,

ist z.Zt. nicht bekannt.

Im benachbarten Schnackenburg gab es seit dem 1. Juni 1848 eine private Sparkasse, ab 1. Mai

1855 eine städtische, die 1930 ihr 75 jähriges Bestehen begehen konnte.

Die Bereitstellung und Verwaltung von Geld sowie damit verbundene Geschäftstätigkeiten sind das

Fundament jeglicher Wirtschaftsentwicklung. Daher trat an die Stelle der Gartower Ersparnis-

Anstalt um die Jahrhundertwende eine andere Institution: Die Kreissparkasse für den Kreis Lüchow.

226


Nunmehr etablierte sich eine kreisweit agierende „Kreissparkasse“, die eine sehr erfolgreiche

Entwicklung aufwies.1905 verzeichnete sie Einlagen in Höhe von 1,136 Mio. Mark (Umsatz 4

Mio.). Es handelte sich zunächst um die „Kreis-Spar- und Leihekasse des Kreises Lüchow“ (Satzung

vom 5. April 1902), wo Günther Graf v. Bernstorff als Beisitzer im Vorstand fungierte. Im Jahre

1918 betrug der Umsatz schon über 70 Mio. Mark bei 24431 Mark Reingewinn. Und im Januar

1926 erscheint in der Zeitung die kurze Notiz: „Die Zweigstelle Gartow hat sich gut entwickelt und

im Jahre 1925 war schon ein Reingewinn von 7000 Mark vorhanden….“

Bereits 1906 existierte eine Annahmestelle für die Kreissparkasse in Gartow, sowie weitere in

Gorleben, Trebel, Schweskau, Bockleben, Lüchow, Krummasel, Clenze, Bergen/D. und Bahnhof

Schnega. Die Kreissparkasse für den Kreis Lüchow bestand seit dem 1. Oktober 1902, es galt die

„Satzung für die Kreis-Spar- und Leihekasse des Kreises Lüchow“ vom 5. April 1902. Am 15. Mai

1924 ist in Gartow dann „eine selbstständige Zweigstelle errichtet worden, um dem östlichen Teile

des Kreises Erleichterungen im Kassenverkehr zu schaffen“. 29

Im Geschäftsbericht der Kreissparkasse Lüchow von 1925 wird mitgeteilt: „Die Zweigstelle Gartow

war gezwungen, ihr Geschäftslokal zu verlegen. Zu diesem Zwecke wurde das Grundstück des

früheren Fuhrunternehmers C.F. Behrens käuflich erworben. Der Rechnungsführer Benecke ist

nicht mehr in unseren Diensten.“ In „Passiva“ registrierten die Mitarbeiter Stahlberg und Weede

unter Spareinlagen 45619 Reichsmark, unter Kontorrent-Konten 20661 RM, Hauptstelle 44072

RM, Reingewinn 6801 RM.

Nach der Bilanz vom 31.12.1925 verfügte die Zweigstelle Gartow über folgende Aktiva: Kassenbestand

= 748,81 RM; Postscheckkonto = 876,60 RM; Kontokorrent-Konten = 102578,89 RM;

Gemeinde-Darlehen = 617,30 RM; Handschein-Darlehen = 11600,87 RM und Wechsel-Konto =

739,75 RM, Gesamt = 117155,22 RM. Die Passiva bestanden aus: Spareinlagen = 45619,78 RM;

Kontokorrent-Konten = 20661,59 RM; Hauptstelle = 44072,27 RM; Reingewinn = 6801,58 RM;

Gesamt = 117155,22 RM. 30

Ende 1926 gab es in der Zweigstelle Gartow 419 Sparbücher mit 145429 RM (Durchschnitt 347

RM) und 179 Konten. Der Umsatz belief sich auf 1,491 Mio. RM nur im Scheck- und Kontokorrentverkehr

und der Gesamtumsatz lag bei 3,646 Mio. RM.

Im Zuge einer Verwaltungsreform sind 1932 die Landkreise Lüchow und Dannenberg zum Landkreis

Lüchow-Dannenberg vereinigt worden. Daher ergab es sich, am 1.April 1934 die 1902 gegründete

Kreissparkasse Lüchow in die Kreissparkasse Dannenberg zu integrieren, wie auch zum

1. April 1936 die Gemeindesparkasse Schnackenburg. 31

Von 1926 bis 1954 war Willy Stahlberg Zweigstellenleiter. In der Nachkriegszeit haben mehrere

Personen die Filiale der damaligen Kreissparkasse Lüchow-Dannenberg in Gartow geleitet. 39

Jahre lang war es Rudolf Goldnau bis 1998, danach Torsten Pils. 2003 fusionierten die Sparkassen

Lüchow-Dannenberg und Uelzen.

Verkehrsverbindungen im Raum Gartow

Gartow lag schon immer abseits der wichtigen Verkehrswege, aber auch nicht ganz davon abgeschnitten.

Zielpunkt aller den Gartower Raum durchlaufenden Straßen und Wege waren die

Lenzener und die Gorlebener Elbfähre. Der Weg von Gartow zur Lenzener Fähre war um 1695

vermutlich nur im Ort Gartow selbst und dem Seegebrücken-Damm gepflastert, im Übrigen handelte

227


es sich um reine Sandwege. Zwischen Quarnstedt und Restorf ist zudem die Deichkrone als Fahrweg

benutzt worden. Um diese Zeit führten weitere Wege über Holtorf nach Schnackenburg, nach

Nienwalde, Bömenzien, Kapermoor, Ziemendorf, Prezelle und Trebel sowie über Gorleben nach

Dannenberg. Zusätzlich existierten mehrere Heerstraßen, die das Gartower Gebiet durchzogen

oder direkt durch Gartow führten wie:

die Heerstraßen von Dannenberg nach Schnackenburg; von Schnackenburg über Gartow, Gr.

Breese und Lüchow nach Salzwedel; von Havelberg über Bömenzien, Gorleben nach Pretzetze und

von Seehausen über Prezelle, Trebel nach Pretzetze. Ferner bestand noch eine Landstraße von

Arendsee über den Klauksberg, Gartow, Holtorf zur Lenzener Fähre. Auch die Post- und Heerstraße

von Hamburg nach Leipzig verlief, unter Benutzung der Lenzener Fähre, über Holtorf, Kapern

und Bömenzien. Durch die Existenz der Lenzener Fähre wurde Gartow zum Durchfahrtsort bzw.

Zwangspunkt für Frachtfuhrwerke. Für den Verkehr mußten feste Wegedämme bei Quarnstedt,

Restorf und Pevestorf sowie eine stabile Brücke über die Seege in Gartow vorgehalten werden.

Die bauliche Unterhaltung oblag den Herren von Bülow. Bereits Herzog Magnus zu Braunschweig-

Lüneburg hatte dem Haus Gartow die Erhebung eines „Brükken- oder Wege-Pfennigs“ erlaubt.

Die Unterhaltungslast wurde Vicke von Bülow mit der Zeit zu schwer, so daß sich die Stadt Lenzen

1490 zur Instandhaltung des Wegedammes von der Fährstelle bis Pevestorf verpflichtete.

1742: Gartower Umland gezeichnet von Gottfried von Walthausen

Zwischen 1695 und 1699 ist die Lenzener Fähre flussaufwärts, nördlich von Holtorf, verlegt worden.

Daraus ergab sich ein Vorteil für die Brandenburger, weil Holtorf bis 1719 zu ihrem Territorium

gehörte. Der Fähre kam auch strategische Bedeutung zwischen den Ländern Preußen und Hannover

zu. Das blieb auch noch nach 1719 so. Bis 1719 lag das kleine, nur von der Stadt und Feldmark

gebildete Amt Schnackenburg als Enklave im preußischen Staatsgebiet, da auch die Dörfer

Kapern und Gummern noch nicht zum Kurfürstentum Hannover sondern zu Preußen gehörten.

228


1757 kam die in Gartow befindliche Steinpflasterstrecke „von der Gartower Fleckensbrücke vor

dem Spring anfangend bis zum Ende des sogen. Quarnstedter Dammes“ einschließlich der Seegebrücke

in die öffentliche Wegepflicht. Bisher mußte das Haus Gartow lt. Vereinbarung vom

22.8.1846 den Quarnstedter Fahrdamm unterhalten, den die unterhaltungspflichtigen Ortschaften

Holtorf, Kapern und Gummern im Laufe der Zeit geschaffen hatten.Nach der Wegeordnung

von 1719 hatten die Anliegergemeinden Wegeabschnitte innerhalb ihrer Gemarkung instand halten

müssen. Diese Straßen waren bis um 1850 in keiner Weise mit einem festen Belag versehen

und die bauliche Unterhaltung wurde nur minimal von den angrenzenden Gemeinden durchgeführt.

Lediglich die Ortsdurchfahrt Gartow mußte bereits vor 1800 mit Kopfsteinpflaster befestigt

werden, um sie befahrbar zu halten. Mit den Einnahmen des Wegezolls an der Seegebrücke wurde

der Quarnstedter Damm instand gehalten. Erst nach Inkrafttreten des Wegegesetzes vom 28. Juni

1851 und der Bildung von sogen. Wegebauverbänden konnten wichtige Straßenverbindungen

dauerhaft befestigt werden.

Im Bereich des Gartower Ortsteiles Hahnenberge wurde 1857 die erste „Kunststraße“ als Chaussee

im Gartower Gebiet ausgebaut. Von 1860 - 69 erfolgte der Chausseeausbau von Gartow nach

Schnackenburg, von 1863 - 71 von Lüchow nach Gartow und 1876 in der Feldmark Meetschow.

32/33

Das Hochwasser vom März 1855 hatte gezeigt, daß Gartow von der wichtigen Wegeverbindung

nach Trebel abgeschnitten werden konnte. Daher wurde beschlossen, die Straße nach Trebel im

niedrigen Niveau des Ortsteiles Hahnenberge hochwasserfrei zu erbauen, d. h. auf einen Damm

zu verlegen. Damals war gerade das Landstraßengesetz erlassen worden und fand in diesem

Bereich gleich Anwendung

Mit der Planung war die staatliche Wegebau-Kommission Uelzen (Techniker Voigts) betraut. Bei

dieser Gelegenheit wurde gleichzeitig die Landstraßentrasse zwischen Lüchow und Schnackenburg

grob festgelegt. Im Bereich Hahnenberge sind dabei Geländehöhen berücksichtigt worden,

die beim Hochwasser 1845/55 noch aus dem Wasser herausragten.

1855 fand unter Beteiligung von Wegebauführer Köhler und Graf v. Bernstorff in Hahnenberge

eine Ortsbesichtigung statt. Da der zum Hochwasserschutz existierende Schäferkampsdeich

„höchst brüchig“ war und seine Funktion nicht mehr erfüllte, ist mit dessen Bodenmaterial ein Teil

des Straßendammes geschaffen worden.

Dieser übernahm nun die Deichfunktion. Weiteres Erdreich stammte von den Sanddünen bei Hahnenberge

und vom gräflichen Ackerland. Der Boden ist mit Schiebkarren auf Laufbohlen in die

Einbaustellen befördert worden. Ferner mußten 370 Schachtruthen bindiger Boden durch „Auspüttung“

gewonnen werden. Im Straßendamm mußte ein Entwässerungs-Siel („Küpe“) verlegt

werden.

Im gesamten Gartower Amtsbezirk existierte 1856 nur die 4420 Ruthen (20,6 km) lange Landstraße

Kreyenhagen-Schnackenburg, die nur auf 1,5 km Länge leidlich befestigt war. Auf lediglich 700

m Strecke befand sich ein Steinpflaster. Die Instandhaltung erforderte jährlich recht hohe Kosten

(auf 4,66 m Länge = 1 ½ ggr., die unbefestigte Erdbahn dagegen nur 6 Pfg. je 4,66 m Länge).

Drei Schachtmeister (Bartels, Engelhardt und Korth aus Arendsee), ein Vorarbeiter (Hamann) und

eine ungenannte Zahl „Preußischer Erdarbeiter“ bewältigten den Bau. Die Gartower Amtsverwaltung

229


hatte am 16.10.1856 beschlossen, dem Grafen v. Bernstorff die obrigkeitliche Bauaufsicht zu

übertragen. Allerdings mußte er sich mit 792 m Teilstrecke und 2400 Rtlr. Kosten am Straßenbau

beteiligen. Für 14 Tage mußte der Verkehr im März 1857 über den Schloßhof geleitet werden.

Die Arbeiten, im Akkord ausgeführt, konnten im Dezember 1858 beendet werden. Erst im Sommer

1859 wurde die Steinschlagfahrbahn mit einer aus Woltersdorf herbeigeholten Straßenwalze

festgewalzt. Der neue Straßendamm erhielt 8,12 m Kronenbreite und an der südwestlichen Böschungsseite

eine Lehmabdeckung von 1,16 - 1,74 m Dicke. Insgesamt sind 2215 Schachtruten

Erdreich bewegt worden (1 Schachtrute = 6,38 Kubikmeter). Als befestigte Fahrbahn diente ein

3,48 m breites Steinpflaster, welches aus Grauwacke bestand und per Schiff aus dem Magdeburgischen

antransportiert wurde. Auf eine Ruthe Fahrbahnlänge (4,66 m) kamen neun Kasten

Steine.

Die überörtlichen Straßenplanungen waren 1857 soweit gediehen, daß die Trasse von Lüchow

über Loge, Woltersdorf, Oerenburg, Tobringen und Trebel nach Gartow planfestgestellt war. Nach

dem Ausbau der Strecke Gartow-Schnackenburg war geplant, die Straßenverbindung von dort

weiter nach Seehausen zu führen. 34

1860/61 ist die Wegeführung von Quarnstedt Richtung Kapern bis zur Höhe der zweiten Windmühle

ausgebaut worden. Die Straße wurde mit aus den Feldmarken Vietze und Brünkendorf

stammenden Steinmaterial befestigt.

Als Arbeitsleute waren Trupps eingesetzt, deren Wortführer Schulz aus Restorf, Bethke aus Kapern,

Camradt und Belitz aus Brünkendorf sowie Pevestorf aus Kapern waren. Der Vorarbeiter

hieß Hamann, die beiden Steinschläger namens Schulz stammten aus Salzwedel. Sie erhielten

pro Kasten verarbeiteter Steine eine Vergütung von 5 ggr. Die Steine sind mit Gespannen von den

örtlichen Bauern für 14 ggr. je Kasten antransportiert worden.

Da die Ausbaustrecke in 20 Ruthen-Abschnitte (93,20 m) unterteilt war, wurde die Anlieferung

von Steingrand ebenfalls abschnittsweise ausgeschrieben. Für 93,20 m Straße wurden 160 Kasten

Grand benötigt (je Ruthe 6 Kasten). An Schlagsteinen sind je Ruthe fünf Kasten verarbeitet

worden.

Um 1920: Gartow-Hahnenberge

230


Die Straßenbreite betrug wie in Hahnenberge 8,12 m, die nutzbare Fahrbahnbreite 3,48 m (Steinschlagbahn).

Der Sommerweg war 2,61 m breit, der Fußweg 2,03 m. Differenzen entstanden

noch wegen der Linienführung Richtung Kapern und Schnackenburg. Schnackenburg und Holtorf

versuchten im Januar 1861 eine Trassenänderung über Holtorf, Lenzer Fähre, alter Postweg am

Deich entlang nach Schnackenburg durchzusetzen. Als Rechtsbeistand wurde Advokat Culemann

aus Lüchow hinzugezogen. Peinlich war nur, daß der Bürgermeister Bruns aus Schnackenburg

bereits der Linienführung über Kapern zugestimmt hatte. Der Schnackenburger Bürgervorsteher

Abraham Meyer reiste gar zum zuständigen Ministerium nach Hannover. Da die Trassenführung

über Holtorf jedoch qualmwassergefährdet war, wies das Innenministerium am 15.5.1861 die Beschwerde

ab. Nach Fertigstellung der Straße mußte sie im Winter 1861/62 gesperrt werden, weil

durch den erhöhten Sommerweg die Straßenentwässerung versagte. Erst im Mai 1862 konnte die

Straße vom Wegbaukondukteur Hoebel aus Dannenberg abgenommen und dem Wegeverband

übereignet werden. Danach wurde der Straßenbau nach Kapern fortgesetzt.

Die Gemeinde Holtorf schlug 1862 ein Angebot des Grafen v. Bernstorff aus, die Straßenbefestigung

bis zur Abzweigung nach Holtorf anteilig zu bezahlen, falls Holtorf als Gegenleistung die

Unterhaltungslast mitträgt. Schwierigkeiten ergaben sich beim Straßenausbau innerhalb von Gartow.

Nach Planungen aus den Jahren 1863/64 sollte die 5,80 m breite Ortsdurchfahrt auf 4,64 m

Breite befestigt sein. Noch wichtiger war die Aufhöhung der Straße, die jedoch am Widerstand der

Bürgerschaft scheiterte, weil sie sich weigerte, die Bürgersteige ebenfalls aufzuhöhen. Lediglich

Graf v. Bernstorff ließ 1862 die Straße zwischen Kirche und Seegebrücke sowie zum Schloßhof

erhöhen. In den folgenden Jahren sind weitere Straßenbauten ausgeführt worden, so ab 1863

von Lüchow nach Loge und 1866 zwischen Tobringen und Trebel sowie 1871 zwischen Trebel und

Gartow. 1876 ist in der Feldmark Meetschow eine 3,5 m breite befestigte Fahrbahn zum Ausbau

gekommen. 35

In den Jahren 1862/63 wurde die Straße von Quarnstedt bis zur Brücke vor Kapern mit Steinmaterial

aus den Gemarkungen Vietze und Brünkendorf ausgebaut.

Die Ausschreibung sah vor, bei der Herstellung des Straßenplanums „die gute Mutter-Erde ein Fuß

dick (0,29 m) abzuborken, zurückzuwerfen und nachher wieder zu ebnen, den Sand unter weghohlen“.

Für die 875 m lange Strecke sind 1000 Kasten Steingrand und 800 Kasten Schlagsteine

verarbeitet worden. Ob die vorgesehene Anpflanzung von 350 Waldbäumen entlang der

Straße verwirklicht wurde, ist nicht bekannt.

Obwohl die Gemeinde Kapern gegen die Zerschneidung

der Gemeindeweide protestierte,

wurde die Straße in der vorgesehenen Linienführung

erbaut. Wie bereits zuvor, ließ Graf

v. Bernstorff die Straße mit der Nummernbezeichnung

10 im Auftrag der Wegebauverwaltung

für den Wegeverband Gartow ausbauen.

Er drängte 1863 auch auf den Weiterbau nach

Schnackenburg und den Ausbau der Wegeverbindung

Gartow-Tobringen.

Strassenwalze

In schlechter Verfassung war ferner der Weg von Gartow nach Restorf. Graf v. Bernstorff monierte:

„…daß der Weg von hier nach dem Höhbeck sich in einem schlechten, stellenweise ganz un-

231


fahrbaren Zustande befindet, namentlich beym Holzplatze des Zimmermeisters Köster zu Restorf

und der ganze Weg zwischen Restorf und Brünkendorf durch das Restorfer Feld, welches daher

kommt, daß das Wasser nicht ablaufen kann sondern in den Gräben verdampfen muß …“

Der Straßenbau von Kapern nach Schnackenburg erfolgte in kleinen Abschnitten. 1864/65 wurde

das Teilstück von der Schleuse Gummern bis Schnackenburg, 1867 - 69 Armenhaus Kapern bis

zur Schleuse Gummern und 1869 Ortsdurchfahrt Kapern ausgebaut.

Auf 212 Ruthen (988 m) Länge war im Herbst 1872 der Ausbau des Weges vom Buchhorster

Damm bis zum Tannhof geplant. Der Bau erfolgte abschnittsweise in den Jahren 1882 -1885. 36

Im Dezember 1883 bestand das Vorhaben, über die Institution Wegeverband die Ortsstraße

(Hauptstraße) in Gartow aufzuhöhen und neu zu pflastern. Die betroffenen 24 Anlieger beteiligten

sich an den Kosten. Es wurden neue Hochbordsteine gesetzt. Die bisher auf die Straße führenden

Abwasserrinnen und -röhren durften nicht mehr erneuert werden. Allerdings reservierten sich

die Anlieger künftig das Recht, bei Jahrmärkten vor ihren Häusern Verkaufsbuden aufstellen zu

dürfen. Die Fahrbahn durch den Ort erhielt eine Breite von 7 m, die Bürgersteige sind mit Velpker

Sandsteinen ausgelegt worden. Den Aufhöhungsboden stellte Graf von Bernstorff zur Verfügung.

Wegbauinspektor Hunnäus aus Uelzen fertigte die Entwurfsunterlagen, Landstraßenaufseher Hamann

aus Nienwalde führte im Sommer 1884 die örtliche Bauaufsicht. Es mußten 2800 qm altes

Steinpflaster aufgenommen sowie 1622 qm Pflasterbahn repariert werden. Die Baustrecke war

400 m lang. 37

1897 verhandelte der Kreistag in Lüchow über den Vorschlag des Gemeindevorstehers Wolter aus

Gedelitz „auf Ausbau der Landstraße Lüchow-Gorleben unter Abänderung der festgesetzten Richtungslinie

dergestalt, dass letztere über Marleben, Gedelitz nach Gorleben führen soll“.

Ein interessanter Lösungsvorschlag wurde dem Kreistag im Jahre 1906 unterbreitet:

„Der Landrat des Kreises Westprignitz hat im Jahre 1903 hierher mitgeteilt, daß die dortige Kreisverwaltung

beabsichtige, eine Chaussee von Lütkenwisch nach Bahnhof Lanz zu bauen, daß dieser

Plan jedoch nur Aussicht auf Verwirklichung habe, wenn auch von Interessenten in der Provinz

Hannover zu den auf etwa 120000 Mark geschätzten Kosten ein Beitrag von ein Viertel – 30000

Mark – gewährt werden würde. Der Landrat des Kreises Lüchow hat darauf erwidert, daß diesem

Vorschlag diesseits nur näher getreten werden könne, wenn in das Bauprojekt auch noch der Bau

einer Chaussee von der Schnackenburg gegenüber liegenden Fährstelle bis nach Lütkenwisch

aufgenommen würde. Der Kreis Westprignitz hat sich damit einverstanden erklärt und einen Bauplan

für diesen Teil ausarbeiten lassen, andererseits aber auch verlangt, daß dann die Beihilfe

seitens der hannoverschen Interessenten auf 33000 Mark erhöht würde mit der Begründung, daß

der vom Landrat des Kreises Lüchow verlangte Teil der Chaussee Schnackenburger Fährstelle bis

Lütkenwisch allein etwa 23000 Mark kosten würde…“. Der Kreis Lüchow wollte sich mit 11000

Mark an den Kosten beteiligen. 38

Der letzte Abschnitt der Straße Gartow-Dannenberg, von Gorleben bis Pölitz (alte Kreisgrenze),

ist in den Jahren 1906/07 befestigt worden. Erst 1908 erfolgte die Befestigung der Straße von

Quarnstedt nach Pevestorf zur Fähre. Zuvor war dieser Weg, der auf 700 m Länge über die Besitzungen

des Grafen von Bernstorff führte, mit Schranken gesperrt. Zur Benutzung mußte zuvor

eine Erlaubnis eingeholt werden. Zwischen 1905 und 1911 erfolgte die Befestigung der Straße

von Restorf nach Vietze. 39

232


Im Übrigen zahlte der Wegeverband des Bezirks

Gartow ein Darlehen zurück, welches

1880 mit 20000 Mark aufgenommen worden

ist. 1910 waren knapp 12000 Mark davon zurückgezahlt.

Außerdem kostete die bauliche

Unterhaltung der Straßen ständig Geld, so in

den Jahren 1913/14 auf der Strecke Gartow-

Dannenberg 15440 Mark. Dazu das Teilstück

der Straße Gartow-Schnackenburg innerhalb

des Aufsichtsbezirkes Gartow 3100 Mark. Erst

relativ spät widmete man sich dem Ausbau

der Nebenstrecken, z.B. nach 1919 „einer

Verbindungsstrecke zwischen der Landstraße

Gartow-Gorleben und der Landstraße Gartow-

Trebel abzweigend von ersterer Straße nahe

Meetschow in südlicher Richtung“.

3.7.1896: Amtliche Bekanntmachung zu Strassenbauarbeiten

in der Gemarkung Gorleben

1977 wurden Pläne bekannt, fußend auf Überlegungen in der nationalsozialistischen Zeit, eine

neue Autobahn Hamburg-Berlin zu realisieren. Sie sollte bei Lüneburg/Bardowick-Metzingen-Karwitz/Tramm-Trebel

an Gartow vorbei führen. Dies war die sogen. Südtrasse. Die Nordtrasse hingegen

wäre durch das Amt Neuhaus verlaufen. Wirtschaftliche Erwägungen waren besonders bei

der Südtrasse die Triebfeder, um den Landkreis verkehrlich besser anzuschließen. Es gab sofort

Proteste dagegen, um Landschaft und Natur nicht zu beeinträchtigen. Es blieb letztlich bei der

Absicht.

Dagegen wurde die Autobahn Hamburg-Berlin als Nordtrasse ab etwa 1980 verwirklicht. Sie quert

bei Gudow/Zarrentin die Landesgrenzen zwischen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern

und verläuft an Wittenburg vorbei nach Berlin. 1980 gab es Überlegungen, von Wittstock aus einen

Autobahnzubringer („Stichstraße“) bis in das Gartower Gebiet zu bauen. Auch dieses Projekt

ist nicht verwirklicht worden. 40/41

Als sich 1989 die deutsche Wiedervereinigung abzeichnete, sind im Gartower Raum als offizielle

Grenzübergänge Kapern-Bömenzien, Schmarsau-Schrampe und die Fähre Pevestorf-Lenzen eingerichtet

worden.

Wegegesetz und Öffentlicher Personennahverkehr

Im April 1897 verkehrte zwischen Gartow und Lüchow zur bereits bestehenden noch eine zweite

Personenpostverbindung, d.h. ein Postkutschenkurs zur Post- und Personenbeförderung. Insbesondere

Graf v. Bernstorff hatte wegen seiner Gutswirtschaft ein Interesse zur besseren Anbindung

an Post und Beförderungsmöglichkeiten. Daher beantragte er 1904 die Einrichtung einer

Personenpostverbindung Gartow-Dannenberg. Bisher hielten lediglich „fahrende Landbriefträger“

eine Verbindung zwischen Gartow und Gorleben sowie zwischen Dannenberg und Pretzetze. Viele

Jahre gab es keine Straßenbau-Weiterführung zwischen Gorleben und Pretzetze, dort verlief wie

seither nur ein oft grundloser Sandweg. Ursache war die dortige Amts-/Kreisgrenze, weil keine

der beteiligten Verwaltungen bis an die Grenze weiterbaute. Erst 1906/07 war es soweit, daß

auch endlich dieses letzte Teilstück befestigt wurde. Die Personenpost Gartow-Lüchow war keineswegs

ausgelastet und zählte „zu den teuersten des ganzen Direktionsbezirks“, weil jährlich ein

Zuschuß von 3000 Mark erforderlich war. So fuhr ab dem 1.4.1870 die Personenpost „zwischen

233


Lüchow und Schnackenburg aus Lüchow 5.20 Uhr früh, durch Gartow 8.20 - 8.35 Uhr vormittags,

in Schnackenburg an 9.35 Uhr vormittags, aus Schnackenburg 3.45 Uhr nachmittags, durch Gartow

4.45 - 5.00 Uhr nachmittags in Lüchow an 8.00 Uhr abends“. 42

Lange Zeit hat es gedauert, bis es eine durchgehend befahrbare Straßenverbindung zwischen

Laase/Pölitz und Gorleben, im Bereich der ehemaligen Kreisgrenze Dannenberg/Lüchow, gegeben

hat. Als diese letzte Lücke kraftfahrtechnisch geschlossen war, bildete sich eine private

Kraftwagen-Verkehrs-Gesellschaft, die gegen Entgelt Personen- und Güterbeförderung mit Kraftomnibussen

auf der Strecke Dannenberg-Gartow-Schnackenburg und umgekehrt durchführte.

Aus wirtschaftlichen Gründen mußte sie zum 1. Mai 1920 ihren Betrieb einstellen. Bis zum 1. November

1922 gab es noch einen eingeschränkten Omnibusbetrieb zwischen Gartow und Schnackenburg.

Auch dieser musste „infolge gänzlicher Unrentabilität“ eingehen und von da ab wieder

„die Kariolpost verkehren“. Auf der Kraftpostverbindung Lüchow-Gartow von 1920, die es ebenfalls

zwischen Lüchow und Clenze gab, verkehrten vollgummibereifte Postbusse. Es war die erste

„Kraftpostüberlandlinie“ im gesamten Bezirk der Oberpostdirektion Hannover, deren Busse diese

Bereifung besaßen.

Fahrer der ersten Stunde waren Karl Heise aus Gartow und Gustav Missuhn.

Gemäß der „Ordnung über die Erhebung von Vorausleistungen für die Wegeunterhaltung“, erlassen

am 20.12.1924 vom Kreisausschuss Lüchow, mußten Unternehmer eine Straßenbenutzungsgebühr

entrichten. Das eingenommene Geld wurde zur Bauunterhaltung verwendet. 43

1925 gelang es, die Buslinie Dannenberg-Gartow erneut zu beleben:

„Die Autopostverbindung Gartow-Dannenberg ist mit dem heutigen Tag (7.7.1925) in Betrieb genommen!

Am Sonnabend fand die feierliche Eröffnungsfahrt von Gartow aus statt, an der in drei

mit Eichen- und Birkengrün und Fähnchen geschmückten Postautos Herr Oberpostrat Herzog

aus Hannover, die Vorsteher der Postämter Dannenberg, Lüchow und Gartow, Vertreter der Stadt

Dannenberg, der Kreise Dannenberg und Lüchow, der Städte Gartow und Schnackenburg und

mehrerer Gemeinden des Elbebezirks teilnahmen. Unter der sicheren Führung der Fahrer Giese,

Heise und Missuhn ging die Fahrt von Gartow, von den dortigen Einwohnern freudig begrüßt,

über Laasche, Gorleben, Pölitz, Laase, Pretzetze, Gr. und Kl. Gusborn, Splietau, Nebenstedt nach

Dannenberg zum Postamt, wo die geräumige und recht praktisch eingerichtete, vom Magistrat zur

Verfügung gestellte Autohalle besichtigt wurde“.

Ein Jahr später (1926) bestanden die Kraftpostlinien Lüchow-Gartow-Schnackenburg, Lüchow-Gr.

Wittfeitzen, Lüchow-Clenze, Clenze-Schnega und Clenze-Bergen Bahnhof zusätzlich.

Schwierig wurde die Verkehrsentwicklung in der Zeit kurz vor dem 2. Weltkrieg, als ein Teil der

Busse mit Fahrern zum Bau des militärischen Westwalles eingesetzt wurde und dafür Busse aus

Salzwedel von Privatunternehmen angemietet werden mußten.

Inzwischen wurde geklagt: „Die Landstraßen unseres Kreises werden leider durch den anwachsenden

Kraftwagenverkehr, insbesondere den Verkehr der Lastkraftwagen, von Jahr zu Jahr stärker

abgenutzt…“ 1927 existierten außer der Kraftpostlinie Dannenberg-Gartow Verbindungen

nach Lüchow-Clenze-Bergen/D.; Lüchow-Gr. Wittfeitzen und Lüchow-Schnackenburg. 1931 war

ebenfalls eine Linie Lanze-Lomitz-Prezelle-Lüchow geplant.

234


Eisenbahn-Projekte

Die 1873/74 in Betrieb genommene Eisenbahnlinie von Lüneburg nach Berlin über Hitzacker,

Dannenberg, Dömitz und Lenzen sowie die ebenfalls nach Berlin führende Eisenbahnstrecke Uelzen,

Schnega, Bergen/D., Salzwedel umgingen den Gartower Bezirk. Daher bemühten sich die

Gemeindevertreter, einen Anschluß an das Eisenbahnnetz zu erreichen.

1873 wurde die Elbebrücke bei Kaltenhof nach Dömitz für den Verkehr freigegeben, jedoch nur für

den Eisenbahnverkehr, eine Straßenspur gab es nicht. Als 1928 wiederum der Bau einer weiteren

Elbebrücke zwischen Hamburg und Magdeburg geplant war, erinnerte man sich: „…Denn schon im

Jahre 1885 ist im Kreistage der alten Kreishauptmannschaft Dannenberg, die außer den Ämtern

Dannenberg und Hitzacker noch die Ämter Gartow, Lüchow und Neuhaus umfaßte, auf Antrag des

Grafen v. Bernstorff – Gartow folgende Resolution gefaßt worden: Seit Erbauung der Eisenbahnbrücke

bei Dömitz haben die Verkehrsverhältnisse des bisherigen Kreises sich dahin entwickelt,

daß es ein unabweisliches öffentliches Bedürfnis sei, die gedachte Brücke zum Gebrauch für

Fuhrwerk einzurichten. Besonders, da die Fähranstalten, welche diesem Bedürfnisse bisher abhelfen

konnten, nach und nach wegen Gefährdung ihrer Existenz eingegangen sind und eingehen.

Er beantrage, daß der Kreistag das öffentliche Verkehrsbedürfnis der Zulassung des Fuhrwerks

zur Benutzung der Dömitzer Eisenbahnbrücke bekunden und …an die Königliche Landdrostei zu

weiterer Veranlassung gelangen lassen möge – Der Kreistag anerkannte das Verkehrsbedürfnis

als ein dringendes und beschloß demgemäß …“ Bekanntlich ist erst 1936 eine Straßenbrücke

über die Elbe nach Dömitz erbaut worden. 44

Obwohl sich das Haus Gartow vehement für die Schaffung einer Eisenbahnverbindung in den

Gartower Raum einsetzte und auch Gelder für Planungen bereitstellte, scheiterten angedachte

Projekte ab 1893 bis 1918 an fehlendem Kapital. 1893 war eine Kleinbahnverbindung von Arendsee

über Ziemendorf, Gollenstorf, Bömenzien nach Gartow oder Schnackenburg im Gespräch.

Initiator ist offensichtlich Bürgermeister Müller aus Arendsee gewesen.

Kurz vor und nach der Jahrhundertwende kamen mehrere Bahnprojekte zur Diskussion, die auch

den Gartower Raum berührten.

Der „Eisenbahn-Bau und Betriebsunternehmer“ Max Hähn aus Berlin unterbreitete im März 1895

den erstgemeinten Plan zwischen Dannenberg und Gartow eine Kleinbahn erbauen zu lassen, sofern

die Gesamtkosten 1,5 Mio. Mark nicht übersteigen. Für den Bau sollte sich eine GmbH bilden.

Einige Monate später hielt der mecklenburgische Eisenbahn-Oberkontrolleur Kammann in Gorleben

einen Vortrag zum Projekt. Zur Finanzierung der Vorarbeiten bewilligte der Kreis Dannenberg

800 Mark, die Stadt Schnackenburg und Gartow jeweils 200 Mark, Gorleben 100 Mark und

Holzhändler Herbst in Gartow 25 Mark sowie Graf v. Bernstorff 300 Mark. Andere vorteilhabende

Gemeinden zeigten jedoch kein Interesse. („Das Interesse an dem Zustandekommen der projektierten

Kleinbahn erscheint hiernach in einigen Gemeinden ebenso wie bei einigen Gewerbetreibenden

weniger groß zu sein, als wir bisher angenommen haben“).

Dieses Projekt förderten besonders die Herren Könke, Bardien und Krüger aus Gartow sowie in

Schnackenburg Bürgermeister Neumann und Kaufmann Lerch.

Die Baukosten der 38 km langen Bahnstrecke waren auf 1,9 Mio. Mark veranschlagt, die jährlichen

Betriebskosten lagen bei 163000 Mark. Folgende Haltestellen waren vorgesehen: Neben-

235


stedt, Splietau, Gusborn, Pretzetze, Gorleben, Meetschow, Gartow und Nienwalde. Neben Personen

sollten Ernteerzeugnisse, Futtermittel, Schlachtvieh, Düngemittel und Holz befördert werden.

Allerdings wies die angestellte Wirtschaftlichkeitsberechnung bei einem Einzugsgebiet von 9.000

Personen, wenn davon jede Person jährlich drei Mal die Bahn in beiden Richtungen benutzt und

ferner 2 t Güter versendet und empfängt, bereits Unsicherheiten auf. Der Bahnhof Schnackenburg

hätte 3 km von der Stadt entfernt zwischen Kapern und Gummern gestanden, weil die Fortführung

der Bahnlinie über Gr. Wanzer, Aulosen, Pollitz, Deutsch, Gr. Holzhausen, Krüden und Vielbaum

nach Seehausen geplant war. Damals existierte ein Komitee, welches Kleinbahnprojekte zu verwirklichen

versuchte. Ihm gehörte auch Graf v. Bernstorff an. Das Komitee schlug ferner eine Verbindung

von Arendsee durch den Lemgow nach Lüchow oder Lübbow vor. Planerische Vorarbeiten

leistete die Hamburger Firma Lenz & Co. Im Mai 1894 waren die Planungen so günstig ausgefallen,

daß die geplante Bahnverbindung Arendsee-Pretzier bessere Chancen hatte als die südwärts

gerichtete nach Callehne. Ein anderes Projekt verfolgte das Ziel, eine Kleinbahnverbindung von

Schnega über Kiefen, Lüchow, Woltersdorf, Prezelle, Gartow nach Schnackenburg herzustellen.

Die Vorarbeiten für die Strecke Lüchow-Kiefen waren bereits fertig.

1897 gab es Pläne zum Bau einer normalspurigen Kleinbahn Dannenberg-Schnackenburg-Stresow:

„…Seitens des Landes-Directoriums zu Hannover, bei welchem der Antrag auf Anfertigung der

bezüglichen Vorarbeiten seitens der Magistrate Gartow und Schnackenburg eingereicht worden

ist, wird indessen gleichwohl zunächst eine Äußerung darüber gewünscht, ob der Kreis sich an

diesem Bahnunternehmen betheiligen wird. Nach der vom Landes-Directorium vorgenommenen

approximativen Berechnung stellt sich bei diesem Project – entgegen einer von den Interessenten

aufgestellten, welche mit einem erheblichen jährlichen Gewinn abschließt – eine jährliche Unterbilanz

von rd. 60000 Mark heraus. Deshalb verstellt mehrgenannte hohe Behörde zur Erwägung,

ob der Bau einer normalspurigen Kleinbahn in der gewünschten Richtung nicht an die finanziellen

Kräfte der Interessenten zu große Anforderungen stellt und nicht eventuell zur Ermöglichung eines

angemessenen Anschlußes der fern vom bisherigen Bahnverkehr liegenden Gartower Gegend

eine Kleinbahn nach Lüchow im Anschluß an das Project Lüchow-Uelzen sich vorteilhafter erweisen

wird.“ 45

Ein anderes Eisenbahnprojekt des Jahres 1897 war der Bau einer Bahnlinie von Schnega über

Clenze, Lüchow, Woltersdorf, Gartow nach Schnackenburg. Diese Kleinbahn, 68 km lang, sollte

damals 1,7 Mio. Mark kosten. Sie sollte über Kl. und Gr. Breese, Lanze, Prezelle, Gut Gartow,

Kapern und Gummern führen, wobei eine Brücke über die Seege erforderlich wurde. Nur Gartow

und Schnackenburg erhielten Bahnhofsgebäude, Kl. und Gr. Breese, Lanze, Prezelle und Kapern

waren lediglich als Haltestellen vorgesehen.

Als sich noch der Abbau von Kalisalzen bei Wustrow durch die Gewerkschaften Ilsenburg und

Wendland sowie der Bergbaugesellschaft Teutonia lohnte, war der Bau einer Industriebahn von

Wustrow über Lüchow in direkter gerader Linie zum „Kalihafen“ Gorleben geplant. Sie erhielt die

Bezeichnung „Kalibahn“, wurde aber wie andere Lösungen nicht verwirklicht. Der Gartower Raum

blieb bis heute ohne Bahnanschluß, abgesehen von der unbedeutenden Gartower Waldbahn. 46

Die „Eisenbahn-, Bau- und Betriebsgesellschaft Reymer & Masch“ aus Berlin hatte 1899 planerisch

eine Kleinbahnverbindung Osterburg-Bretsch-Bömenzien-Schnackenburg mit Haltestellen in

Bretsch, Höwisch, Priemern, Groß Garz, Pollitz, Aulosen, Bömenzien und Gummern fertig ausgearbeitet.

Gesamtkosten 2,15 Mio. Mark. Die beteiligten Gemeinden sollten davon nur 50000 Mark

aufbringen.

236


Fast sicher war 1901 der Bau einer Bahn mit 1 m Spurweite von Arendsee nach Stendal. Von

dort sollte ein Nebengleis über Ziemendorf und Wirl nach Gartow führen. Besonders Bockleben,

Schmarsau, Schletau, Lomitz und Prezelle zeigten an dieser Bahnlinie Interesse. Unter Berufung

auf das Gesetz über Privatanschlußbahnen und Kleinbahnen vom 28.7.1882 genehmigte das

Ministerium im Januar 1904 die Bahnverbindung nur als Normalspurbahn.

1909 folgte das Projekt einer Bahnlinie von Lüchow über Woltersdorf, Trebel, Gorleben nach Gartow.

Dieses Vorhaben war wohl nicht wirtschaftlich genug und es kam nicht zustande.

Eisenbahnunternehmer Hahn zog sich bald darauf mit seinem Angebot zurück und auch der Unternehmer

C. Kühnhold aus Berlin, der die Bahn ebenfalls erbauen und 15 Jahre lang betreiben

sollte, konnte sich nicht zum Bau entschließen.

Eine neuerliche Anregung im November 1909, die Bahnlinie zu verwirklichen, scheiterte an den

Kosten, der Rentabilität und dem Kleingeist der beteiligten Gemeinden (kaum Finanzen bereitstellen,

aber die Bahnlinie sollte die Orte direkt berühren).

Eine Bahnnebenlinie, die zwar weder Gartow noch Schnackenburg berührte aber indirekt den

Gartower Raum „eisenbahnmäßig“ versorgte, war die 1911 eröffnete Lüchow-Schmarsauer Eisenbahn.

Da Gartow und Graf v. Bernstorff einen gewissen Vorteil von der Bahn haben würden,

zahlten 1908 jährlich Betriebskostenbeiträge: Lomitz 68 Mark, Prezelle 81 Mark, Lanze 68 Mark,

Nemitz 34 Mark, Tobringen 107 Mark, Trebel 142 Mark und Graf v. Bernstorff 488 Mark. Letzterer

hatte großes Interesse an der Bahn, da er jährlich etwa 1000 - 1500 Festmeter Holz (1 fm = 12

Zentner Gewicht) zum Lüchower Bahnhof brachte und der Weg nun nicht mehr so weit war. Die

Lüchow-Schmarsauer Eisenbahn sollte ursprünglich bis nach Arendsee weitergeführt werden.

1918 war geplant, von Oerenburg aus für den Personen- und Güterverkehr ein Nebengleis

(Schmalspurbahn mit 60 cm Spurbreite) bis nach Schnackenburg zu verlegen. Die Trasse hätte

direkt parallel zur Chaussee gelegen und zwar auf dem begleitenden Sandweg. Aus Heeresbeständen

wären die Schienen geliefert worden. Da Graf v. Bernstorff eine finanziell günstigere und

privat betriebene „Waldbahn“ von Wirl nach Arendsee angeboten wurde, ist das Nebengleis auch

wegen Feuergefahr, zu geringer Spurweite und aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht verwirklicht

worden. 47

Mit dem Entstehen von zwei deutschen Staaten ab 1945 und der hermetisch abgeriegelten

Grenze wurden sämtliche bestehende Eisenbahnlinien, Straßen, Wege und Fährverbindungen

gekappt. Der gesamte Landkreis Lüchow-Dannenberg geriet in eine prekäre Abseitslage. Nach

dem 2. Weltkrieg mußten mühsam neue Verkehrsverbindungen errichtet werden. Die Post hat aus

eigennützigem Interesse den ländlichen Raum auch für die Personenbeförderung erschlossen.

So gab es 1956 die Postomnibuslinien Dannenberg-Gartow-Schnackenburg und Lüchow-Trebel-

Gartow-Restorf-Brünkendorf-Vietze. Damit war die Erreichbarkeit in die Kreisstädte Dannenberg

und später Lüchow sichergestellt. Die vertrauten gelben Postomnibusse stellten zum 31. Juli 1983

ihren Fahrdienst ein: „…ab 1. August 1983 werden nun die acht Busse des Postamtes Lüchow

und die bisher für die Post im Auftrag gefahrenen Privatbusse zusammen mit den roten Bussen

der Bundesbahn die bisherigen Linien befahren, wenn der Postreisedienst von der Bundesbahn

übernommen wird….Nachdem bereits am 1. Juli die Postbusse im Bereich Uelzen von der Bundesbahn

übernommen wurden, werden ab 1. August acht Postbusse und zehn Busse privater

Unternehmer auch in unserem Landkreis im Dienste der Bundesbahn fahren. Das ist das Ergebnis

237


eines Beschlusses der Bundesregierung vom 25. Juni 1980, die öffentlich-rechtlichen Busdienste

zu vereinigen…“ 48

In der Zeit von 1921 bis 1925 hatten Einwohner des Gartower Bezirks die Möglichkeit,mit dem

Dampfschiff nach Hamburg und zurück zu fahren, da diese ab 1921 bis Gorleben und bis 1925

sogar bis nach Wittenberge fuhren. 49

Seege-Brücken

Um 1780 existierte im Straßendamm von Gartow nach Quarnstedt eine zweite Seegebrücke, um

den Hochwasserabfluß zu verbessern, ist dann damals jedoch zugeschüttet und mit dem Damm

überbaut worden. 1865 verfügte die Seegebrücke über eine Lichtweite von 25 m, die bei Hochwasserabfluß

nicht ausreichte und dort starke Strömung verursachte. 50

Zur gefahrlosen Überwindung der Seege in Gartow war eine Brücke notwendig. Um die Brückenlänge

zu reduzieren, ist schon frühzeitig ein Straßendamm zwischen Gartow und Quarnstedt entstanden,

der hochwasserfrei lag. Die beiden Seege-Furten bei Restorf waren auf Dauer keine

Alternative. Die Seegebrücke in Gartow ist stets eine Holzkonstruktion gewesen, die nach einigen

Jahrzehnten zu erneuern war. Nach Angaben um 1810 besaß die Brücke 9 Pfahljoche und eine

Gesamtlänge von 96 Fuß (27,84 m).

Im Sommer 1856 wurde die Frage erörtert, wann der gebildete Wegeverband die Seegebrücke

in seine Unterhaltungspflicht übernimmt, nachdem der bisherige Weg Lüchow-Gartow-Schnackenburg

gemäß Verordnung vom 13.3.1855 und basierend auf das Landstraßengesetz vom

28.7.1851 zur Landstraße aufgestuft wurde. Bis zur Übernahme hatte Graf von Bernstorff diese

Brücke auf alleinige Kosten unterhalten müssen. Nicht berührt davon war die Unterhaltung des

Quarnstedter Dammes, die dem Grafen auch weiterhin oblag. In jenem Bereich war 1846 eine

feste Straßenbefestigung durchgeführt worden. Bei Abgabe an den Wegeverband erlosch für den

Grafen auch die künftige Erhebung des Brückengeldes, mit dem fällige Reparaturen finanziert

werden sollten. In der Amtsversammlung vom 21.8.1856 gab es Widerstände gegen die Übernahme

der Brücke, zumal sie reparaturbedürftig war. Zimmermeister Köster aus Restorf hat dann im

Oktober 1856 die erforderlichen Arbeiten vorgenommen, die Passage während der Bauzeit führte

über den Flurteil Serich.

Da Holzkonstruktionen anfällig gegen Verrottung sind, kam man 1863 auf die Idee, eine eiserne

Seegebrücke errichten zu lassen. Es sollte eine sogen. Gitterbrücke sein und über eine Tragfähigkeit

von reichlich 6000 Pfund netto Ladung, d.h. ohne „Wagen und Pferde“ verfügen. Sie ist dann

zeitnah errichtet worden und erfüllte ihre Funktion bis April 1945, als sie aus strategischen Gründen

von deutschen Soldaten gesprengt wurde, um amerikanische Vorstöße zu erschweren. Eine

provisorische Ersatzbrücke hat danach mehrere Jahre lang den Verkehr aufgenommen, wobei

sie beim Eisversatz im März 1947 zerstört und wieder aufgebaut werden musste. Heute führt die

1957 erbaute Stahlbetonbrücke über die Seege. 51

238


Um 1850 existierte im Ortsteil Spring eine kleine Brücke über den ehemaligen Ortsgraben. Um

deren Unterhaltungspflicht ging es damals, obwohl die Brücke gemäß Vereinbarung zwischen Bürgerschaft

und dem Haus Gartow vom 25.03.1848 dem Wegeverband überlassen war. Allerdings

war auch hier das Haus Gartow beteiligt, denn es hatte aufgrund alter Abmachungen für diese

Brücke das Bauholz zu liefern, wie auch das zu den Hirtenhäusern. Diese Verpflichtung wollte Graf

von Bernstorff loswerden, was ihm nicht sogleich gelang. Daher sind für eine Reparatur im Jahre

1858 unerwartete Kosten angefallen. 52

Die Seegebrücke war im Verkehr ein wichtiges Nadelöhr. Zur Bestreitung der Unterhaltungskosten

und des Straßendammes zwischen Gartow und Quarnstedt durfte das Haus Gartow ein Weggeld

von den Benutzern erheben. Die Taxe von 1710/11 lautete wie folgt:

1 Wagen oder Karre mit 1 Pferd = 6 Pfg., 1 Karre mit 2 Pferden = 1 ggr., 1 Wagen mit 2 Pferden

= 1 ggr. 3 Pfg., 1 Wagen oder Karre mit 3 Pferden = 1 ggr. 6 Pfg., 1 Wagen mit 4 Pferden = 2 ggr.,

1 Wagen mit 5 Pferden = 2 ggr. 6 Pfg., 1 Wagen mit 6 Pferden = 3 ggr., 1 loses Pferd = 4 Pfg., 1

Stück Horn- oder Rindvieh = 4 Pfg., 1 Schwein = 2 Pfg., 1 Schaf oder Ziege = 2 Pfg., 1 Schubkarre

= 4 Pfg., 1 neues Wagenrad = 2 Pfg., 1 Tragebündel oder Tragekorb = 3 Pfg. Bürger aus Schnackenburg

zahlten je beladenen Wagen = 9 Pfg., offenbar brauchten Fußgänger nichts bezahlen.

Im September/Oktober 1710 wurden z.B. registiert:

Hans Kachel aus Schnackenburg, Wilhelm Mohrhord aus Salzwedel, Hermann Schöling aus Teplingen

mit Kohl, Henrich Grüttert aus Clenze, Johann Mund aus Lenzen „mit Erdenzeug“, Ernst

Buße aus Lenzen mit Leder, Jürgen Schröder aus Bielefeld, Hans Michel Richter aus Arendsee,

Hans Otto Müller aus Thüringen, Nicolaus Weiß aus Arnstadt, Jacob Heße aus Salzwedel, Jochim

Dessow aus Arendsee, Zacharias Örtel aus Salzwedel usw. 53

Die Seegebrücke vor 1945

239


Brückenzoll an der Seegebrücke

Den Gartower Brückenzoll hat es schon vor 1595 gegeben, denn er wird im Zusammenhang

mit der Beschwerde des Gartower Organisten Hinrich Ricke an den Celler Herzog Ernst erwähnt:

„Von Unseres gnedigen Landesfürsten und Herrn wegen kann ein Zoll, wie vorhanden, im Städtlein

gelecht werden, weil itziger Zeit mit demselben es unrichtig zu gehet und nicht ordentlicher Weise

gehalten wird.“ Damit war die Familie von Bülow gemeint, die sich zu diesem Vorwurf äußern

mußte. Bereits am 25. Mai 1677 hatte die Landesregierung die von Bülow wissen lassen, daß der

Schnackenburger Zöllner in Gartow das Brückengeld erheben darf.

Im April 1669 war es wegen des Zolles zu einem Eklat gekommen. Nach Auskunft des Zöllners

in Schnackenburg, Hermann Dralle, haben die von Bülow eine Stange aufrichten lassen und ein

Schild angebracht: „Hier gibt man Zoll“. Von den Zolleinnahmen erhielten die von Bülow Zweidrittel,

die Bürgerschaft Gartow ein Drittel. Das Setzen der Zollstange bedeutete insofern eine

Neuerung, als eine solche im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde und es viele Jahre lang diese

nicht gegeben hatte. Die Landesregierung in Celle ordnete über den Schnackenburger Zöllner die

sofortige Entfernung der Zollstange an. Daraufhin kam der Zöllner mit einer Menge Einwohner aus

Schnackenburg und in kurzer Zeit war die Zollstange nicht mehr vorhanden. Diese Aktion wurde

durchgeführt, obwohl die Familie von Bülow mit ihren Bediensteten bei gespannten Gewehren den

Tumult beobachtete. Am nächsten Tag installierten die von Bülow eine neue Zollstange. Sie wurde

einfach aus dem Giebel des Bürgermeisterhauses ausgebaut. Die Landesregierung verfügte erneut

bei Strafandrohung von 100 Rtlr. die Entfernung der Zollschranke. Dann fand ein Gespräch

zwischen Curd von Bülow und dem Zöllner statt, wobei es zu keiner Einigung kam. Nach Anhörung

von Schnackenburger Bürgern ergab sich, daß sie in Gartow keinen Zoll geben mussten.

Die Landesregierung reagierte nun schärfer

und drohte Curd, Christoph und Joachim Christoph

von Bülow den Arrest an. Curd von Bülow

bat um Verschonung, wies jedoch auch darauf

hin, daß der Brückenzoll bis 1638 mit einem

Schlagbaum und Zollbrett erhoben werden

durfte. Daraufhin wurde die Arrestandrohung

zurückgenommen. Als Joachim Christoph von

Bülow wenig später mit dem Schnackenburger

Zöllner zusammentrifft, und diesem voreiligen

Gehorsam vorwirft, wird von Bülow zu 500,

später 200 und schließlich nur 100 Rtlr. Geldstrafe

verurteilt; die er auch zahlen muß.

Da die Einnahmen aus dem Brückenzoll versiegten,

bat die Gartower Bürgerschaft 1671

bei der Landesregierung um Erlaubnis, den

Brückenzoll wiederzubeleben. Währenddessen

wurde die Seegebrücke baufälliger, Reparaturen,

die sonst aus den Zolleinnahmen finanziert

wurden, konnten nicht bezahlt werden.

Erneut ist Curd von Bülow vorstellig geworden

aber auch 1674 war die Landesregierung nicht

1695: Zolltarif für die Passage der Seegebrücke

240


bereit, den Zoll wieder zuzulassen. Vielmehr wurde von Bülow (absichtlich oder unbeabsichtigt)

beschuldigt, sich ein Recht angemaßt zu haben.

Als die von Bülow von den Untertanen eine Geldumlage forderten und diese es mit „gutem Willen“

gaben, setzte die Landesregierung erneut eine Geldstrafe in Höhe von 200 Rtlr. fest. Offenbar sollten

die von Bülow gezwungen werden, die Brückenreparatur selbst zu zahlen. Wiederum bat die

Gartower Bürgerschaft, den Brückenzoll einzuführen. Nun jedoch kam ein anderer Gedanke zum

Zuge: die Landesregierung selbst werde den Zoll erheben. Als Zolleinnehmer meldete sich Caspar

Schröder aus Gartow, der jedoch eine Jahresbesoldung von 25 Rtlr. forderte, sowie Berechtigung

zum Bier- und Branntweinausschank. Im Jahre 1677 hat er im Auftrag des Schnackenburger Zöllners

den Brückenzoll erhoben. Die von Bülow sind davon nicht informiert worden. Allerdings kann

vermutet werden, daß 1683 die Zollerhebung unter Duldung des Schnackenburger Zöllners denen

von Bülow wieder gestattet wurde. Damals präsentierten die von Bülow eine Rechnung von 150

Rtlr. für den Neubau der Seegebrücke.

Seit 1677 erhob der jeweilige Schnackenburger

Zöllner den Brückenzoll in Gartow, dessen Einnahmen

bis 1682 von 17 auf 13 Rtlr. sanken

und danach bis 1693 zwischen 2 und 7 Rtlr.

jährlich lagen. Hierbei bestand die Abmachung,

daß die Landesregierung die große und kleine

Seegebrücke sowie den Fahrdamm unterhält,

die von Bülow das Bauholz dazu hergeben, die

Einwohner von Gartow Holtorf und Kapern die

damit verbundenen Hand- und Spanndienste

leisten und die Landesregierung die Zimmereiund

Sägelöhne bezahlt.

Landbote

Landtransport einer Jagdgesellschaft

241


Als sich die Gelegenheit bot, monierte der Schnackenburger Zöllner den Bauzustand der Brücke

und drohte mit obrigkeitlichen Sanktionen. Dagegen erklärten die von Bülow, das entspräche nicht

der Wahrheit, denn man habe kürzlich (vor 1677) einen schweren Mühlstein von 16 Pferden gezogen,

über diese Brücke transportiert.

Zum 2. November 1694 erreichte es Andreas Gottlieb von Bernstorff, den Gartower Brückenzoll

an sich zu bringen und die Einnahmen davon zu erheben. 54

Zu Zeiten der von Bernstorffs ist die Brückenzolleinnahme verpachtet worden:

ab 1725 an den Gartower Chirurgen Johann Georg Focke und ab 1762 an Maximilian Adam Lotzow

in Gartow.

Im Laufe des Jahres 1715/16 haben viele Personen und Fuhrwerke die Seegebrücke passiert.

Einige Beispiele mögen die Herkunft der Reisenden und das mitgeführte Transportgut verdeutlichen:

In 243 Fällen ist ein Brückenzoll erhoben worden. Sogar Adelige bzw. deren Beauftragte wie z.B.

Rat von Jagow aus Cadenberge und Herr von Quitzow aus Eldenburg, die Ochsen treiben ließen,

haben Zollgeld in Gartow entrichtet. Ebenfalls Zoll für Ochsen entrichtete Amtmann Grantze aus

Lenzen und Hans Wärncke aus Mödlich. Michel Peters aus Lenzen und Jochim Kählcke aus Lanze

führten Wagenräder mit sich. Im Mai 1715 sind viele Schuhmacher unterwegs gewesen, um

Märkte zu besuchen: Jacob Hacke, Berend Klaffenbach, Hans Henrich Bruhn, Hans Ohnsorge,

Hans Jürgen Wiesengarn und Peter Borck, sämtlich aus Lenzen, Johann Schröder, Gottfried Ahlefeld,

Balzer Martens und Christian Freye aus Arendsee. Töpferwaren führte Nicolaus Behne aus

Lüchow mit sich, Johann Unverfährt aus Wittenberge Böttcherwaren und Ernst Buße aus Lenzen

Lederartikel. Hanß Kachel aus Schnackenburg verzollte „2 Wagen mit Weißbrod und Töpfen“,

während Amtmann Georgi aus Pollitz und Amtmann Wiesenhaver aus Scharpenhufe Vieh treiben

ließen.

Melchior Küchler aus Salzwedel kam mit einem „Wagen mit allerhand kurtzen Wahren“, von vier

Pferden gezogen. Ebenfalls im Mai 1715 waren Dorothea Giese aus Hitzacker, Dorothea Pömers

aus Hitzacker, Anne Grete Wulf aus Lüchow, Dorothea Reimers aus Lüchow, Gertrud Ehrhard aus

Lüchow und Dorothea Schwohn aus Güstritz mit „Bandwaren und Spitzen“ unterwegs. Stephan

Cornibbes, angeblich aus Maastricht, führte Messer mit sich, Rötger Dronßborg aus Köln Seidenware

und Helm Gödecke aus Bielefeld Leinenerzeugnisse. Nicolaus Eisland aus Königsee mühte

sich mit einer Schiebkarre voller Siebe ab und Salomon Bendix aus Halberstadt führte 2 Tragebündel

Haare mit sich. 55

242


Quellen und Literatur

1. Riedel, Adolph Friedrich: „Codex diplomaticus Brandenburgensis“ – Sammlung der Urkunden

und Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Brandenburg

und ihrer Regenten – Bd. A 22, S. 3 Nr. III, Berlin 1862

2. Schulze, Ernst: „Chronik der Stadt Cloetze. Nach Urkunden, archivalischen und anderen

Quellen bearbeitet von ….“, Klötze 1900, S. 22

3. Sudendorf, H.: „Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg

und ihrer Lande“, Hannover 1859, Bd. 1, Urkunde Nr. 315

4. wie vor, Urkunde Nr. 343

5. wie vor, 3. Bd., Hannover 1862, Urkunde Nr. 237

6. Brosius, Dieter: „Wendländische Regesten 1298 - 1528“, Lüchow 1988, Urkunden Nr. 195,

210

7. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, Lüchow 1988,

S. 50 - 51

8. C 21 Nr. 1 „Verordnungen und Anstalten wider die Feuersbrünste“

9. Geldregister 1726/27, S. 611

10. C 24 Nr. 8 „Die Brandversicherungsgesellschaft betr. Varia im Gerichte Gartow“

11. C 23 Nr. 1, 2 „Die Wiedererbauung des Fleckens Gartow 1721 ff., 1764 ff.“

12. Puffahrt, Otto: „Verbesserung des Feuerschutzes in Gartow“ in:

11. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg 1986, S. 128

13. Scharf, Christoph Barthold: „Der Politische Staat des Churfürstenthum Braunschweig-Lüneburg

samt dazu gehörigen Herzogthümern und Grafschaften, in welchen dessen Städte,

Flecken, Dörfer…“, Lauenburg 1777, S. 22 - 23

14. G 8 Nr. 15 „Den Brand zu Gartow am 25.09.1853 betr.“

15. G 8 Nr. 19 „Acta betr. den Brand zu Gartow in der Nacht vom 11./12. Januar 1859 betr.“

16. Nieders. Landesverwaltungsamt, Institut für Denkmalpflege: „Denkmaltopographie Bundesrepublik

Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen, Landkreis Lüchow-Dannenberg 21“,

Braunschweig/Wiesbaden 1986, Gartow: S. 97 - 102

17. B.: „Der Gartower Kirche zu ihrem 200jährigen Bestehen“ in : Gartower Heimatbote November

1924

18. Gartower Heimatbote vom 3.9.1971

19. A 8 Nr. 1 „Nachrichten wegen des Hauses Gartow, welches Sr. Excell. der Herr Geh. Rath

von Bernstorff in ao. 1694 von denen H. von Bülow gekaufet“

20. Gartower Heimatbote März - Mai 1972

21. Landschaftsrahmenplan Gartow, Nieders. Landesentwicklungsgesellschaft Hannover, Hannover

1977, S. 85 - 88

22. Puffahrt, Otto: „Zum Post-Botenwesen des Hauses Gartow im 18. Jahrhundert“ in: Postgeschichtliche

Blätter Hannover/Braunschweig, Heft 10, 1987, S. 54 - 73

23. Halbom, Harry: „Silvesterfahrt durch die Gartower Tannen“ in: Neue Jeetzel-Zeitung vom

2.1.1957

24. Puffahrt, Otto: „Beschwerden und Verbesserungsvorschläge des Postkunden Bechthold von

Bernstorff, Gartow“in: Postgeschichtliche Blätter Hannover/Braunschweig, Heft 13, Febr.

1992, S. 15 - 28

25. Glenzdorf, Johann und Fritz Treichel: „Henker, Schinder und arme Sünder.

ErsterTeil. Beiträge zur Geschichte des deutschen Scharfrichter- und Abdeckerwesens“,

Erster Band, Bad Münder am Deister 1970, S. 445 - 446 – Kannenberg, S. 528 - 530 –

Miethling

26. G 10 Nr. 35a „Schmiede - Contracte 1839 - 1894“

243


27. G 10 Nr. 35b „Verpachtung der sogen. Hofschmiede auf der Schäferei 1895 - 1936“

28. G 20 Nr. 17 „Gartower Sparkassen - Sachen 1834 - 1887“

29. Jahresbericht der Kreisverwaltung Lüchow für 1924, S. 16

30. Kreissparkasse, Geschäftsbericht für das Rechnungsjahr 1925, S. 5

31. Weidner, Alfred: „Das Sparkassenwesen im Kreise Lüchow-Dannenberg“, Dannenberg

1966, S. 104

32. /

33. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, 2. Aufl.,

Lüchow 1988, S. 241 - 246 Puffahrt, Otto: „Wegeführungen in der Gartower Heide 1695,

Dargestellt auf 10 Grobkarten“, Lüneburg 2006

34. G 5 Nr. 4 „Acta, die Anlage einer Landstrasse nach den Hahnenbergen betr. 1850 - 1855“

G 5 Nr. 5 „Diverse Chausseebau-Contracte 1856 - 1875“,

35. G 5 Nr. 12 “Acta, die Umlegung des Gartower Straßenpflasters betr. 1862 - 1871“

36. G 5 Nr. 26 „Acta, den Buchhorster Damm betr. 1872 - 1885“

37. G 5 Nr. 28 „Acta, die Aufhöhung und Umpflasterung der Straße in Gartow betr. 1883 -

1884“

38. Kreistagsprotokoll Lüchow vom 16.3.1906

39. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 245 - 246

40. /

41. Gartower Höhbeck-Rundschau Nr. 35/1980, Nr. 38/1980, Nr. 40/1980

Gartower Höhbeck-Rundschau von Oktober 1977

42. Puffahrt, Otto: „Postkursänderungen 1867 - 1880 in den Landkreisen Lüneburg (mit Stadt),

Uelzen und Lüchow-Dannenberg“, Lüneburg 2004, S. 17

43. Jahresbericht der Kreisverwaltung Lüchow für 1927, S. 3 - 4

44. Jeetzel-Zeitung vom 7.6.1928

45. Kreistagsprotokoll Lüchow vom 11.3.1897

46. Gartower Höhbeck-Rundschau von Oktober 1977

47. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 104 -

105

48. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 29.7.1983

49. Trost, Heinz: „Die Lauenburger Dampfschiffe und ihre Nachfolger“, Wesselburen und Hamburg

1975, S. 32

50. G 4 Nr. 4 „Die Unterhaltung der Seegebrücke vor Gartow und deren Reparatur im Oktober

1856, 1856 - 1865“

51. G 4 Nr. 8 „Acta, die Seegebrücke in Gartow betr. 1862 - 1864“

52. G 4 Nr. 5 „Die Reparatur und Unterhaltung der kleinen Gartower Brücke vor dem Spring

sowie die Ablösung des dazu gehörenden Holzes betr. 1857 - 1859“

53. GR 1710/11, S. 167 - 182

54. B 49 Nr. 1 „Alte Nachrichten von dem Gartowischen Damm- und Weggelde…“

55. GR 1715/16, S. 171 - 177

244


Franzosenzeit

Als Franzosenzeit wird die in der Landesgeschichte relativ

kurze Zeitspanne bezeichnet, in der der Einfluß der französischen

Besetzung des Kurfürstentums Hannover von

1803 bis 1813 wirksam wurde. Obwohl nur von geringer

Dauer, war diese Zeit ein enormer Einschnitt im Leben

der damals Betroffenen. Angehörige fremder Herkunft mit

anderer Sprache und nicht bekannten Verhaltensweisen

brachten ab 1810 eine für deutsche Verhältnisse völlig

neue Verwaltungsstruktur und Rechtsauffassung mit, die

fortan angewandt werden mußte. Sie verlangten erhebliche

Anpassungen und bewirkten grundsätzliche Veränderungen

im öffentlichen Leben. Da diese Zeitspanne in der

geschichtlichen Überlieferung auch im Wendland bisher

wenig beachtet wurde, wird dieser Zeit über Gebühr viel

Textraum geschenkt.

Die politischen und militärischen Ereignisse, die der Besetzung

Hannovers vorausgingen, müssen hier nicht näher

erläutert werden. Die französische Besetzung deutscher

Teilstaaten erfolgte im Juni 1803. Gemäß des Tilsiter

Friedensschluss kamen die Fürstentümer Göttingen, Grubenhagen

und Osnabrück zum neugeschaffenen französischen

Königreich Westfalen und nach dem sogen. Pariser

Tractat vom 14. Januar 1810 sind die übrigen hannoverschen

Provinzen mit Ausnahme des Herzogtums Lauenburg,

dem neugegründeten Königreich Westfalen angegliedert

worden. Innerhalb des Königreichs sind ab Juli 1810

die Departements Nord-, Niederelbe- und Aller als große

Verwaltungsbezirke gebildet worden. Ab Dezember 1810

wurde ein größerer Teil dieser Gebietseinheiten vom Königreich

Westfalen abgetrennt und mit dem Staat Frankreich

vereinigt. Diese gehörten nunmehr zu den „Hanseatischen

Departements“.

Selbstverständlich funktionierten die Franzosen die vorhandene

deutsche Verwaltung auch in Gartow um, insbesondere,

um die Versorgung und Unterbringung ihrer Truppen

sicherzustellen und Steuern einzutreiben, damit die

hohen Kriegskosten finanziert werden konnten. Erst 1808

begannen die Drangsale und übermäßigen Steuerzahlungen

sowie Dienstleistungen für die Franzosen spürbar zu

werden. 1

Napoleon Bonaparte

245


Zunächst mußten Bewirtschafter/Hofstelleninhaber eine monatliche Kriegssteuer entrichten.

Dann gab es aberwitzige Steuern wie Tabaksgeld und Möbelsteuer, die die Franzosen vereinnahmten.

Ferner mußte Getreide für das Militär in besondere Magazine geliefert werden, wie auch Vorspannpferde

für Kriegsfuhren oder aber einzelne Einwohner und Gespanne aus Gartow wurden

zum Festungsbau in weit entfernte Städte (z.B. Magdeburg) geschickt.

Das Gesetzbuch Napoleons ist in den Fürstentümern Göttingen, Grubenhagen und Osnabrück am

1. Januar 1808 und in den übrigen hannoverschen Provinzen am 1. September 1810 eingeführt

worden. 2

Im Sommer 1803 begannen sich die Franzosen dem Ort Gartow zu nähern und das östliche Hannoversche

Wendland zu besetzen. Für diese Zeit liegen glücklicherweise historische Nachrichten

vor, die Günther Graf von Bernstorff im Januar 1914 zur Veröffentlichung freigab:

„…Auszüge aus den Briefen meines Urgroßvaters Joachim Bechtold Graf Bernstorff zu veröffentlichen,

welcher im Jahre 1734 geboren, in Gartow lebte und dort am 3. Dezember 1807 starb,

nachdem meine Urgroßmutter Magdalene geb. von Lowtzow bereits am 13. April 1803 verstorben

war. Diese Briefe sind an seinen zu Wedendorf in Mecklenburg lebenden einzigen Sohn Ernst

gerichtet…

„…Alles was weg soll, ist zu Schiff, welches am Holtorfer Deich nahe bei der Fährstelle lieget und

jede Stunde weiter absegeln kann, sobald die Umstände es erfordern, inzwischen da ruhig bleibet

bis man siehet, welche Wendung die Unterhandlungen nehmen, die jetzt endlich von Hannover

aus mit dem General Mortier angefangen werden, deren Erfolg noch niemand weiß und von welchen

man hoffet, daß dadurch das ganze Lauenburg nebst diesem Winkel des Cellischen an der

Brandenburgischen Grenze völlig frei bleiben werden. Gott gebe es, ich will es wünschen, mich

aber noch nicht zu sehr einer festen Hoffnung überlassen. In Hannover war am 4. noch alles in

größter Ruhe, für Gartow ist also fürs Erste noch gar nichts zu fürchten und wer vor Gram schlafen

kann, der kann sicher ruhen. Zu allen diesem Jammer kommt eine schreckliche Überschwemmung,

die Elbe ist so angewachsen, daß die Elbschiffe ganz bis hier an die See(ge)brücke segeln,

alle Wiesen sind schiffbar und das herrliche Gras verloren, die Ochsen schwimmen in der Ochsenkoppel,

alle Weiden der Restorfer, Laascher, Meetschower sind unter Wasser, das Vieh schreit vor

Hunger, dabei regnet es unaufhörlich. Das Hannoversche Staats-Ministerium hat sich in Ratzeburg

etabliert. 8. Juni 1803“

„Nun kommen auch französische Truppen nach Lüchow, Dannenberg, Hitzacker, Wustrow, so viel

bis jetzt bekannt, ein paar hundert Mann an jedem Ort, einige Offiziers mit den Furierschützen

sind schon angekommen, die Truppen selbst werden heute oder morgen erwartet, von Schnackenburg

und hier höret man noch nichts. 6. September 1803“.

„Gestern sind die ersten Franzosen hier gesehen worden, ein Offizier, ein Unteroffizier, 4 Infanteristen

sind nach Schnackenburg durchpassiert, um vom Zoll Besitz zu nehmen. Der Offizier ist eine

halbe Stunde im Amthause gewesen, um Vorspann zu verlangen, hat sich sehr artig betragen, sich

nach nichts umgesehen, ist sonsten nirgends gewesen, die übrigen 5 haben mit weniger Höflichkeit

8 Bouteillen Wein im Gasthause ertrotzet und ausgeleert, ich habe keinen davon gesehen,

weil ich eben ausgeritten war. 8. September 1803.“

246


„In Schnackenburg auf dem Amt ist zur Observierung des Zolls ein Leutnant, ein Unteroffizier, vier

Infanteristen. Gestern ist der Regiments-Chef, ein Oberster, der in Lüchow, Dannenberg, Hitzacker

das Kommando führet, auf ein paar Stunden hierher gekommen, pour me faire ha cour me presenter

ses respects (um mir seine Aufwartung zu machen und seine Achtung zu bezeugen), wie

seine Worte waren. Ein sehr höflicher, artiger Mann. Auf morgen Nachmittag hat sich der Leutenant

aus Schnackenburg melden lassen, den der Amtmann Jacobi ganz außerordentlich rühmt.

Dem Anschein nach bleiben alle Ritterschaftlichen Güter frei und es werden nur die Ämter, Städte,

Klöster, Zölle pp. besetzt, indessen ist keine Gewißheit darüber. 10.September 1803.“

„Hier kann man an nichts als an Lieferungen denken, wie die repartieret, beschaffet und weggeschicket

werden sollen. Wie es die Untertanen aushalten werden, weiß ich nicht und ist vor aller

Menschen Augen verborgen. Vom Roggen ist das Quantum noch nicht bestimmt, was ich und die

Pächter zu geben haben, weiß ich auch noch nicht, bloß Haber, Heu, Stroh bringet für die Untertanen

auf ein einziges Quartal 6 - 700 Taler bar Geld, hierzu die drückenden Kriegssteuern. Die

Lieferung wird 15 Meilen weit nach Celle verlanget. 20. September 1803.“

„Ich bin gestern um 8 Uhr hier (Anm.: in Dreilützow) angekommen und werde morgen nach Gartow

zurückkehren, wo ich noch alles in Ruhe vorzufinden hoffen darf, weil sämtliche Truppen aus

der ganzen dasigen Gegend weiter vorwärts gegen Lüneburg zumarschiert sind, wie es heißt, um

daselbst ein Lager zu beziehen, wie andere sagen, um über die Elbe zu gehen. Es ist eine sehr

scharfe Order ergangen: 1. alle preußischen Deserteurs anzuhalten, 2. keinen Russen, weder vom

Zivil- noch Militärstande passieren zu lassen sondern davon dem nächsten Offizier zur weiteren

Verfügung Nachricht zu geben. Dreilützow, 28. August 1804.“

„Da eben durch einen Expressen die angreifende Nachricht eingehet, daß morgen wieder alle

Dörfer des hiesigen Guts besetzet, die Predigers und Försters zu Holtorf, Trebel, Prezelle abermals

mit Offiziers beleget werden sollen, so kann ich gar nichts mehr schreiben. Nun fort mit aller Ruhe.

29. September 1804.“

„Von hier aus weiß ich nichts Gutes zu sagen. Dem Anschein nach wird nächstens wieder eine

schwere Einquartierung einrücken und des anhaltenden Frostes ohnerachtet steiget die noch

stets fest zugefrorene Elbe dennoch täglich auf eine fürchterliche Art. Wie wird sie erst alsdann

wachsen, wenn sie aufgehet, man muß bange werden, die Aussichten erregen Grausen. 19. Februar

1805.“

„Hier haben wir täglich nicht allein Regen sondern Wolkenbrüche, am 20. und 21., beide aus Osten,

beide nachmittags 4 Uhr. Beim Gasthause konnte man mit Kähnen fahren, die Ochsenkoppel,

alle Wiesen bis an die Gaarte (Anm. Seege), alle Restorfer, Laascher, Meetschower, Gorlebener

Wiesen gleichen einem offenbaren See. Zu Rucksmoor hat der Roggen bis an die Ähren im Wasser

gestanden, die nächste Koppel bei Rucksmoor, wo die Quitschbeerenallee ist, war noch den anderen

Tag über und über überschwemmt, nun brauche ich wohl keine Beschreibung von Quarnstedt

zu machen. 24. August 1805.“

„Eben kommt eine Estaffette mit der schreckenden Nachricht, daß die russische Armee unter dem

Grafen von Tolstoy ihren Rückweg hier durch nach Lenzen ins Brandenburgische nimmt. Am 18.

kommen hier 2 General-Majors, 6 Stabsoffiziers, 40 Obere Offiziers, 1671 Gemeine, 283 Pferde,

bleiben die Nacht hier und marschieren am 19. weiter.

Am 20. kommen hier 2 General-Majors, 4 Stabsoffiziers, 42 Obere Offiziers, 1796 Gemei-

247


ne, fast lauter Kosacken, 279 Pferde, bleiben

die Nacht hier und marschieren am 21. weiter.

Ob es zwar eine totale Unmöglichkeit ist, daß

ich 46 Offiziers mit 2 Generalen aufnehmen

kann, so werde ich doch so viele aufnehmen

müssen, daß kein Winkel übrig bleibt. Es werden

fürchterliche Tage sein und wie so viele

Gemeine in ohngefähr 40 Häusern zu verteilen

sein werden, also in jedes Haus über 40 Mann,

die zum Teil so klein und elend sind, daß sich

nicht 10 darin rühren können, und für beinahe

300 Pferde Raum an einem Orte zu finden, wo

alle Stallung ungefähr für 30 hinreichet, das

vermag ich nicht zu wissen und nicht zu machen.

Man wird des Lebens müde und satt,

sehnt sich nach einem Besseren. Amen. 11.

Februar 1806.“

Französische Soldaten

„Im Taumel der drückensten Unruhe kann ich mit matter Hand nur eine Zeile schreiben, daß ich

noch am Leben bin und daß das Haus von unten bis oben voller Menschen und voller großer

Läuse ist. Am Dienstag sind sie des Morgens hier eingerücket, ein Regiment hat hier zwei Tage

Rasttag gehalten, das heute weiter marschieret ist, nun rücket ein anderes Regiment ein und

bleibet bis…. Das ganze Hauptquartier, Generals, Obristen, Adjutanten, Majors, Canzelei, Pagen,

Doktors und so weiter, alles hier im Hause, welches nun von einem reinen Wohnhause in einen

Schweinestall umgeschaffen wird. Seit dem 18. (war ich) in keinem Bett! Ach, was erlebet man

im 73. Jahr, was muß man erdulden, wie muß man sich beugen, denn was die Herren wollen, das

wollen sie. 21. Februar 1806.“

„Es ist noch gar nicht ruhig, freilich weniger stürmisch als in dem fürchterlichen Grade der vorigen

Woche aber bald fällt dies, bald das vor, vorgestern ist ein gewaltiger Artillerie-Train von ungefähr

90-100 Kanonen mit 6, 8, 10, 12 Pferden bespannet, nebst einer zahllosen Menge Pulverkarren

und Munitionswagen vorbei marschieret. Wie voll es hier gewesen ist, läßt sich daraus abnehmen,

daß hier auf dem Schloßhofe in der einzigen Stube des Scheunenvoigts Jürgen Schultze 24 Soldaten

waren, im Gasthause 29, im Hospital 23 und so ferner. Ach, wie siehet es hier im Hause aus!

Ach meine schönen Betten! Die müssen alle in den Backofen, um die Läuse zu töten und wie das

Haus je wieder so rein werden könne, wie es vor dem 18. war, das weiß ich nicht. Es ist noch nie

so voll gepfropfet gewesen als in den 5 Tagen vom 18. bis 23. und noch nie so zugeschmutzet…

Über ihr Betragen kann ich übrigens gar nicht klagen, sie haben mich mit zuvorkommender Höflichkeit

behandelt und recht musterhafte Manneszucht gehalten. Im Exerzieren übertreffen sie an

Gewandtheit, Leichtigkeit, Pünktlichkeit alles, was ich gesehen habe, die Franzosen, Preußen pp.

weit, weit. Ich habe in 2 Posttagen nichts von Berlin erhalten. 25. Februar 1806.“

„Es schneit täglich und ganz gewaltig, wie wird es den Elbgegenden ergehen? Ohne die durchmarschierenden

russischen Truppen zu rechnen, sind in der einen Februarwoche hier und in einigen

Dörfern des Gutes einquartiert gewesen rund 90 Offiziers, über 5000 Gemeine, über 600 Pferde,

fast zu hart. 11. März 1806.“

248


„Die vorige Nacht hat es dick Eis gefroren und heute scheint viel Schnee in der Luft zu sein. Es

sterben schrecklich viel Bauernpferde und Kühe, die sich von der vorigjährigen beständigen Nässe

ganz faul gefressen haben und es ist sehr zu fürchten, daß noch viele, viele sterben. Der Landmann

ist ganz ruinieret auf mehrere Generationen. 12. April 1806.“

„Es fanget hier an, sehr unruhig zu werden und es stehen mir harte Tage bevor. Das ganze Tschammersche

Infanterie-Regiment, beinahe 2000 Mann stark, rund 100 Pferde, 43 Offiziers, viele

Artillerie, rücken morgen auf den Marsch von Stendal ins Lauenburgische hier ein und bleiben

bis zum 19. Die schrecklichste Lage ist dabei, daß sie die Truppen nicht auseinander legen, nicht

einen Schritt seitwärts tun, die Kompagnien nicht teilen wollen, so daß alle Last auf Gartow und

einige nahe Dörfer Niendorf, Holtorf, Capern fällt. Jedes Haus 30, 40, 50 Mann bekommen wird,

dagegen hilft nichts, ob man aus dem Hause heraus muß oder nicht, darauf wird nicht geachtet,

es soll und muß so sein. Man wird des Lebens nicht mehr froh, kann gar nicht mehr frei Atem

schöpfen, wird von allen Seiten gedrücket und gequälet. Es ist ein abscheuliches Schneegestöber

mit Sturm aus Norden. 15. April 1806.“

„Ich dachte gestern oder heute ins Mecklenburgische zu reiten aber eine angekündigte preußische

Einquartierung des Infanterie-Regiments von Treuenfels und des Kürassier-Regiments von

Reitzenstein, welche nach Harburg und Stadt beordert sind, macht alle Projekte zu Wasser. Der

Tag, wann sie kommen sollen, wird noch erst bestimmt werden. Der betrübte Ostwind weht immer,

alles verdorret, alles verwelket, es ist noch nicht eine Hand voll Gerste in der Erde, auch gar nicht

abzusehen, wann der Acker aufhören wird, ein Felsen zu sein. 24. Mai 1806.“

„Der Chef des zweiten Bataillons vom Tschammerschen Infanterie-Regiment hat mir aus Lauenburg

geschrieben, daß er bald „das unschätzbare Glück“, „die hohe Ehre“ zu haben wünsche, mir

mit dem ganzen Stab, sämtlichen Kompagniechefs in Gartow „ehrfurchtsvoll“ aufzuwarten, weil

sie nächstens in ihre alten Standquartiere zurückmarschieren zu müssen glauben. Hierzu täglich

die Ordre erwarteten, indem sie schon vorläufig davon aversieret wären, alles Brot backen, Haber-

Lieferung und so weiter mit dieser Woche aufhören sollte.

Extra angenehme Aussicht. „Unschätzbares Glück“, „hohe Ehre“, ein paar Tausend Mann im

Gute, 30 - 40 Pferde im Stall, anderthalb Dutzend Offiziers im Hause und am Tisch zu haben …

Dreilützow, 12. Juni 1806.“

„Nun sollen im Gute Gartow auch einige hundert preußische Reuter in Cantonierungs-Quartiere

geleget werden. Der Stab, welcher bisher auf dem Amthause zu Dannenberg sein Quartier gehabt,

soll es nun hier im Hause bekommen: ach welche Last wird das für mich sein, denn ob ich gleich

die Offiziers nicht speisen darf, so muß ich doch den Major, bei welchem sie alle essen, die Küche

einräumen oder welches ebenso abscheulich ist, mit ihm teilen und die Unruhe, welche im ganzen

Hause entstehet, ist eine Bürde, die mich recht peiniget, wozu ich aber leider nichts sagen darf,

weil ich nicht verlangen kann frei zu bleiben und die selbige Last, welche die königlichen Domainen

und die übrigen ritterschaftlichen Güter drücket, mit selbigem im gleichen Verhältnis tragen

muß… 18. Juni 1806.“ 3/4/5

Es ist an dieser Stelle unmöglich, die vielen Veränderungen nachzuzeichnen, die die zehnjährige

Besatzungszeit mit sich brachte. Daher müssen schlaglichtartig Fakten die Umwälzungen verdeutlichen,

wobei keine Vollständigkeit erreicht werden kann. Aber diese werden ausreichen, einen

ersten Eindruck zu vermitteln.

249


Auszugsweise wird aus einem Handbuch, welches sicher für die Ausführung der vielen neuen französischen

Bestimmungen notwendig gewesen ist, zitiert:

„Jeder Gemeindebezirk hat einen oder mehrere Friedensrichter, welche unmittelbar von den Bürgern

auf drey Jahre gewählt werde und Ihre vorzüglichste Function ist, die streitenden Partheyen

zu vereinigen; gelingt ihnen dieses nicht, so laden sie dieselben ein, ihre Sache durch Schiedsrichter

entscheiden zu lassen.“ (S. 13)

Justiz

„Jede Strenge, welche bey der Verhaftnehmung, während der Gefangenschaft oder bey der Vollziehung

der Urtheile angewendet wird, ohne daß sie vom Gesetze authorisiert ist, ist ein Verbrechen.“

„Jeder Bürger hat das Recht, individuelle Bittschriften allen Constituirenden Gewalten und besonders

dem Tribunate einzureichen.“ (S. 18)

„Es ist Pflicht des Staates, für die Erziehung derjenigen Kinder Sorge zu tragen, welche keine Eltern,

noch vermögende Anverwandte oder eigenes Vermögen haben….“ (S. 66).

„Da die Gesetzgeber Frankreichs Maaßregeln ergriffen haben, welche denjenigen Personen, die

ihrer Krankheit, Leibesgebrechlichkeit, ihres hohen Alters oder anderer auch nur vorübergehenden

Umstände wegen außer Stande sind, sich den Unterhalt ganz oder hinlänglich zu erwerben,

Verpflegung und Unterstützung von ihrer Gemeinde oder von dem Staate zu sichern, so ist das

Betteln mit allem Rechte verboten…“

(S. 75)

Kuppelei und Prostitution waren verboten. Die „Hurenwirthe“ und „Schanddirnen“ wie auch „Kuppler

und Kupplerinnen“ wurden festgenommen und bestraft. Sogenannte „Schandhäuser“ durfte

es ebenfalls nicht geben. (S. 80)

„Jede Zusammenrottung von mehr als fünfzehn Personen, die sich der Vollziehung eines Gesetzes,

eines gesetzmäßigen Zwanges oder eines Urtheils widersetzen, wird als eine aufrührerische

Zusammenrottung angesehen und als solche behandelt…“ (S. 83)

„Die persönliche Sicherheit der Bürger wird gefährdet, wenn sie gesetzwidrig ihrer Freyheit beraubt

und eingesperrt werden, wenn Angriffe auf ihr Leben, auf ihre Existenz geschehen, wenn sie

Verletzungen an ihrem Körper erleiden …“ Willkürliche Verhaftungen und geheimes Einsperren

waren nicht gestattet. (S. 87)

Gebietseinteilung

„Jedes Department hat einen Präfecten, einen Präfectur-Rath und einen allgemeinen Departements-Rath,

welche die Functionen ausüben, die bis jetzt von den Verwaltungen und Commissaren

der Departemente verrichtet worden sind … Der Präfect führt allein die Verwaltung…“ (S. 20)

„Jeder Gemeindebezirk hat einen Unter-Präfecten und einen Bezirksrath von elf Mitgliedern…“

(S. 23)

„Die Städte, Flecken und andere Ortschaften, in denen bis jetzt ein Municipal-Agent und Adjunct

waren und deren Bevölkerung sich nicht über 2500 Einwohner beläuft, haben einen Maire und

Adjuncten ... Die Maire und Adjuncten üben die Verwaltungs-Functionen aus, welche bis jetzt von

250


den Municipal-Agenten und Adjuncten verrichtet wurden; in Rücksicht der Policey und des Civilstandes

haben sie die Functionen, welche bis jetzt von den Municipal-Verwaltungen der Cantone,

den Municipal-Agenten und Adjuncten versehen wurden.“ (S. 24)

„Jede Stadt, jeder Flecken oder jede andere Ortschaft, in denen es jetzt einen Municipal-Agenten

oder Adjuncten gibt, hat einen Municipal-Rath. Er besteht aus zehn Mitgliedern in den Ortschaften,

deren Bevölkerung nicht über 2500 Einwohner beträgt ... Dieser Rath versammelt sich jedes

Jahr den 15. Pluvios und kann 15 Tage versammelt bleiben ... Er höret die Rechnung über die

Municipal-Einnahmen und Ausgaben ab, welche der Maire dem Unterpräfecten, der sie definitiv

abschließt, ablegen muß und ist befugt sie zu debattieren. Er bestimmt die Vertheilung der gemeinschaftlichen

Holzfällung, Weide, Ernte und Früchte. Er bestimmt die Vertheilung der Arbeiten,

welche zur Unterhaltung und Reparation der Güter nöthig und zu denen die Einwohner verpflichtet

sind…“ (S. 25)

„Die Errichtung eines Municipal-Rathes hat nothwendig geschienen, damit derselbe die Interessen

der Einwohner der höheren Behörde vorstellen, die Rechte derselben sicher stellen und die

häuslichen Angelegenheiten der Gemeinde in Ordnung halten könnte…“ (S. 36)

„Die Maire und Adjuncten sind also der Regel nach Verwalter und Policey-Beamte…“ (S. 56)Die

Errichtung der allgemeinen Departements-Räthe und der Gemeindebezirks-Räthe hat wesentlich

zum Zwecke, die Unparteylichkeit der Verteilung der Abgaben unter den Bezirken, Städten, Flecken

und Dörfern sicher zu stellen und diesen Operationen, von welchen die Billigkeit in der Verteilung

unter die Privat-Personen abhängt, das allgemeine Zutrauen zu erwerben.“ (S. 34)

Steuerzahlungen

„Jeder Bürger ist verbunden, seinen Antheil zur Bestreitung der Ausgaben beyzutragen, welche die

Staatsverwaltung erfordert… Kein Bürger kann also darüber klagen, daß er Abgaben zu bezahlen

hat, denn er entrichtet sie um seiner Sicherheit und um seines eigenen Vorteils Willen…“ (S. 337)

Im Jahre 1791 sind in Frankreich die sogen. direkten Steuern eingeführt worden, die wichtigsten

waren die Personal- und Grundsteuer sowie die Möbelsteuer. (S. 353).

„Die Personal-Steuer, bestehend in einem dreytägigen Arbeitslohne, soll auf jeden Einwohner jedes

Geschlechts, der seit einem Jahre in der Gemeinde wohnhaft ist, und seine Bürgerrechte

genießt und der nicht in die Classe der Armen gezählt wird, gelegt werden.“ (S. 411)

Es gab auch eine Luxussteuer („Somptuar“-Steuer), sie wurde von Luxuskutschen, überzähligen

Mauleseln und Pferden sowie überflüssigen Dienstpersonal erhoben. (S. 416)

Weiterhin mußte eine Patent-(Berufs-)Steuer bezahlt werden. Sie galt für Personen „welche Handel,

Gewerbe, Handwerke oder Professionen treiben“. Die Berufe sind verschiedenen Steuerklassen

zugeordnet worden. Ein Bäcker z.B. fand sich in der Klasse 5 wieder, ein Bürodirektor dagegen

in der Klasse 1 und ein Besenbinder in der Klasse 7. Bauern waren frei. (S. 420)

Für die Zukunft war kurioserweise eine Tür- und Fenster-Steuer geplant, sie bezog sich auf Einfahrt-

und Wagentore sowie auf Türen von Magazinen der Großhändler. (S. 470)

251


Personenstandsregister

In öffentlichen Registern durften „Benennungen und Ausdrücke, welche auf eine directe oder indirecte

Weise an das Lehnsystem, an den Adel oder an das Königtum zurückerinnern“ nicht eingetragen

werden. Geburten, Verheiratungen und Sterbefälle sind vornehmlich in Zivilstandsregistern

dokumentiert worden. (S. 574)

Dienstkleidung

„Die Maire (Ortsbürgermeister) tragen ein blaues Kleid und eine rote Ceintüre mit dreyfarbigen

Fransen, die Adjuncten tragen das nehmliche Kleid und eine rote Ceintüre mit weißen Fransen…“

(S. 711) 6

Als ob 777 Seiten nicht ausreichten, sind in der 2. Abteilung noch weitere Bestimmungen nach

französischem Recht enthalten. Hierzu einige Beispiele:

Forstpolizei

Angewendet wurde das französische Gesetz über die Forstverwaltung vom 29.9.1791. Es waren

drastische Strafen gegen Verstöße vorgesehen (S. 3). Ein Beispiel: „Wir verbieten jedermann, im

Umkreise oder an den Seiten unserer Waldungen (Anm.: Nationalwaldungen) Sand, Erde, Mergel

oder Thon wegzuholen oder in eine Entfernung von weniger als hundert Ruthen Kalk zu machen

ohne unsere ausdrückliche Erlaubnis; auch verbieten wir den Forstbeamten ein solches zu dulden.

Die Übertreter sollen eine Geldbuße von 500 Franken nebst der Confiscirung der Pferde und

des Geschirrs zu gewärtigen haben.“ (S. 28)

Auch das Jagen war untersagt. Mit den französischen Dekreten vom August 1789 war die ausschließliche

Jagdgerechtigkeit abgeschafft. (S. 79)

„Kein Ackersmann darf, wenn er mit Vieh im Bauen eines Ackers oder in irgend einer anderen Arbeit

begriffen ist oder wenn er das Vieh hütet, verhaftet werden …“ (es sei denn, er hat sich eines

Verbrechens schuldig gemacht). (S. 154)

„Kein Dünger, keine zum Feldbaue dienlichen Werkzeuge und Gerätschaften und kein zum Ackerbau

dienendes Vieh dürfen zur Bezahlung öffentlicher Steuern hinweggenommen noch verkauft

werden…“

„Wenn ein Ackersmann abwesend, krank oder zufälliger Weise außer Stande ist, selbst Ernte zu

machen und um diese Hülfe ansteht, so soll die Municipalität dafür sorgen, daß seine Ernte eingethan

werde …“ (S. 161)

„Keine Autorität darf die Feldarbeiten bey der Saat und Ernte aufhalten, noch dieselben in ihrem

ordnungsmäßigen Gange stören.“ (S. 162)

Forstverwaltung

Die Privat-Leuten zugehörigen Waldungen sollen künftighin dieser Verwaltung (Anm.: der staatlichen

Forstverwaltung) nicht mehr unterworfen seyn und es steht jedem Eigenthümer frey, solche

nach Gutbefinden zu verwalten…“ (S. 178)

252


Zivilstand

„Das zum Heyrathen gehörige Alter ist für die Mannspersonen fünfzehn und für die Mädchen dreyzehn

volle Jahre. Jede Person soll im zurückgelegten einundzwanzigsten Jahre großjährig sein“. Es

war ein Aufgebot zu bestellen, erst 8 Tage später durfte geheiratet werden. (S. 199)

Es galt die französische, republikanische Zeitrechnung: „Die gemeine Zeitrechnung ist in Rücksicht

auf die Geschäfte des bürgerlichen Lebens abgeschafft… Das erste Jahr der Republik hat um

Mitternacht, den 22. Sept. 1792 angefangen…“ Das hatte auch Auswirkungen auf die Municipalverwaltungen,

denn diese waren „verbunden, ihre Sitzungen nach der Decade zu bestimmen.. Die

Unter-Präfecten sind gehalten, diejenigen, welche sich mit ihren Sitzungen nach den Sonn- und

Feyertagen richten, zu denunciren.“ (S. 248, 251)

Es durften keine Adelstitel getragen werden, diese auch nicht im amtlichen Schriftverkehr erscheinen.

Auch das Zurschaustellen von Adelswappen z.B. auf Kutschen war verboten. Beamte

und Notare, die Adelsbezeichnungen im Schriftverkehr aufgenommen hätten, wären ihrer Ämter

enthoben worden. (S. 255)

Eingeführt wurden „republikanische“ Maßeinheiten wie Metre (m), Are (10 x 10 m), Stere (Holzkubikmeter),

Litre, Gramme usw. (S. 257)

Vermögende Leute in den Städten, die Schauspielhäuser besuchten, zahlten beim Eintritt eine

kleine Abgabe mit „zur Unterstützung der Armen.“ (S. 355)

Es bleibt dem Urteil des Lesers vorbehalten, aus den vorstehenden Fakten Rückschlüsse zu ziehen.

Die Eingriffe sind verglichen mit den vorher geltenden hannoverschen Gesetzen geradezu

umwälzend gewesen. Hier sind noch nicht einmal die weiteren Bestimmungen gemäß des Gesetzbuches

Napoleon ausgeführt (Code Napoleon), welches vom 1. Januar 1808 an den Status eines

bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Westfalen erhielt. Die mittelalterliche Leibeigenschaft,

wo sie noch galt, wurde abgeschafft. Notare wurden bestellt, das Ändern des Familiennamens

wurde verboten, Frondienste eingeschränkt, Jagddienste abgeschafft, die Ablösungsgesetzgebung

auf den Weg gebracht, das Jagdrecht eingeschränkt u.a.m. Nach der Befreiung wurden die

zuvor gültigen hannoverschen Gesetze wieder eingeführt. 7

Im Dezember 1808 kam ein Kontingent französischer Truppen nach Gartow. Es handelte sich um

Kürassiere, die vom 7. - 31. Dezember in Gartow Quartier nahmen. Auf dem Schloßhof wurde eine

ständige Wache eingerichtet, da ein französischer Offizier dort logierte. Ein durchreisender französischer

General war außerdem bei Gastwirt Hahn einquartiert, der zu verpflegen war. Im Mai 1809

hat das Schill`sche Streifcorps zum Schaden des Hauses Gartow vier Ochsen, Roggen, Hafer und

Erbsen gefordert und erhalten. 8

1809 mußte Gartow zeitweilig 760 französische Militärpersonen aufnehmen und verpflegen. Die

dafür notwendige Organisation übernahm eine Einquartierungskommission, der der Bürgermeister

(„Maire“) Harbord vorstand. Die ständige französische Wache auf dem Schloßhof gab es noch

1809/10. In dieser Zeit mußte der Gartower Gastwirt Hahn einen französischen Offizier nach

Gorleben und Trebel fahren. 9

Mit Datum vom 1. September 1810 wurde vorläufig die hannoversche Verfassung und somit

auch die Gerichtsbarkeit des Hauses Gartow aufgehoben, weil der Bezirk Gartow nunmehr zum

Königreich Westfalen gehörte und französische Rechtssprechung galt. Es kam zur Bildung von

253


Kantonen, kleinen Verwaltungseinheiten und Municipalräten in Städten und Flecken sowie zur

Wahl eines „Maires“ (Bürgermeister) und „Adjuncten“ (Stellvertreter). Der bisherige Verwalter des

Gerichtsbezirkes Gartow, Amtmann Dr. Ziegler wurde zum „Friedensrichter“ ernannt, der dem Gartower

„Friedensgericht“ vorstand und nicht mehr vom Haus Gartow sondern von der französischen

Republik besoldet wurde. Ebenso der v. Bernstorffsche Amtsschreiber Rudolph Seggel.Die Gerichtsdiener

Götz, Schulenburg und Tietz blieben jedoch bei der v. Bernstorffschen Gutsverwaltung,

wo sie offiziell als Nachtwächter auf dem Schloßhof und den Vorwerken fungierten.

Mit der neuen französischen Rechtssprechung war es nicht zu vereinbaren, daß Untersuchungsgefangene

in Ketten gelegt wurden. Daher erhielt der Gartower Schlosser Waldow den Auftrag, die

Ketten im Gefangenenhause abzusägen. 10

Mit Inkrafttreten der französischen Verfassung ist auch eine neue Steuer wirksam geworden: die

Exemtensteuer. Sie wurde auf bisher steuerfreie Grundstücke erhoben. 11

In der Franzosenzeit hatte Graf v. Bernstorff keinen leichten Stand: viele Untertanen weigerten

sich nun unter der Fremdherrschaft die früheren Dienste zu verrichten und führten jetzt Prozesse

gegen das Haus Gartow. Eine Aufzählung (Streitgegenstand in Klammern) mag hier genügen: Holtorf

und Kapern (Burgfestfuhren), Nemitz (Holzfällen), Trebel (Strohlieferung), Prezelle (Burgfestdienste),

Gummern (Weidestreit, Malz-fuhren) und Gartow (Gerechtsame Besitzstörung). Hinzu

kamen eine Menge Einzelklagen wie z.B. Bürgervorsteher Bade und Witwe Fährmann in Gartow

wegen Wiesenzins-Zahlungen. Außerdem weigerte sich die Gartower Bürgerschaft, den obligatorischen

Heudienst für das Haus Gartow zu verrichten. Nicht eine gutspflichtige Ortschaft war dabei,

die keinen Hader mit dem Haus Gartow hatte. 12

Dem Grafen blieb nichts anderes übrig, als diese Versäumnisse in der Hoffnung auf spätere Wiedergutmachung

wertmäßig in seinen Registern zu vermerken. Die Untertanen bezogen sich dabei

auf den Artikel Nr. 686 des Gesetzbuches Napoleons, welches die „Aufhebung der persönlichen

und unbestimmten Dienste“ (Königl. Dekret vom 23. Januar 1810) bestimmte. Den gräflichen

Bauaufseher Pevestorf in Quarnstedt blieb es nicht erspart, im August 1810 drei französische

Rekruten, im Oktober französische Jäger und im Dezember französische Infanteristen unterzubringen

und zu beköstigen. Bürger Dröge aus Gartow wurde im Rahmen einer Kriegsfuhre nach

Lüchow gesandt. Ob er zu den 20 Tagelöhnern gehörte, die Förster Schulze aus Trebel zum Schutt

wegräumen in der abgebrannten Stadt Lüchow schickte, wissen wir nicht. Aber es ist bekannt,

daß Graf v. Bernstorff zu den Unglücklichen 230 Brote bringen ließ, die der Gartower Bäcker Gille

herstellte. 13

Als Steuereinnehmer während der französischen Zeit fungierte der Einwohner Krug, bei dem alle

Steuern entrichtet werden mußten (Kriegssteuer, Exemtensteuer und als neue Steuer der Beitrag

zum Departementfond). 14

Als französische und hessische Truppen kurzerhand über die Elbe bei Dömitz gebracht werden

mußten, sind die „Cantons“ (Verwaltungseinheiten) Quickborn und Gartow zur Bestreitung der

angefallenen Kosten verpflichtet worden. Mehrmals kamen ferner Kriegerfuhren von Schnackenburg

über Gartow nach Dannenberg vor, wie auch eine Anforderung der Präfektur Magdeburg,

Kriegerfuhren abzuleisten. 15

254


Am 19. Mai 1810 ist der Gartower Bevölkerung seitens des Amtmannes, nun „Friedensrichter, Dr.

Ziegler , der Huldigungseid auf die französische Verfassung abgenommen worden. „Ich schwöre

Gehorsam und Treue dem Könige und der Konstitution so wahr mir Gott helfe und sein heiliges

Wort“. Die versammelte Menge hob die rechte Hand und sprach:“Wir schwören es“. Damit war sie

zu französischen Bürgern geworden. Bald darauf folgte eine neue Verwaltungseinteilung in Departements,

Distrikte und Kantone, wobei die Grenzen willkürlich gezogen wurden, um die geplanten

oder vorgegebenen Gesamt-Einwohnerzahlen zu erreichen. Aus Gartow und Schnackenburg entstand

ein Kanton, der dem Distrikt Salzwedel im Elbdepartement angegliedert war. Kanton - Vorsteher

(„Maire“) wurde v. Ramdohr mit Sitz in Gartow. Der Kanton Gartow mit 6091 Einwohnern

bildete sich aus folgenden Ortschaften und Siedlungen:

Gartow, Rucksmoor, Quarnstedt, Schnackenburg, Gummern, Holtorf, Kapern, Restorf, Brünkendorf,

Laasche, Pevestorf, Vietze, Gorleben, Meetschow, Nienwalde, Trebel, Gedelitz, Marleben,

Tobringen, Vasenthin, Gr. Breese, Dünsche, Liepe, Pölitz, Pannecke und Klautze. Zudem bildeten

mehrere Ortschaften „Communen“:

Nienwalde-Rucksmoor, Holtorf-Kapern, Meetschow-Vietze-Brünkendorf-Laasche, Gartow-Quarnstedt,

Restorf-Pevestorf, Schnackenburg-Gummern und Gedelitz-Pölitz-Gorleben. 16/17/18/19/20

Im Sommer 1812 beantragte die Gartower Bürgerschaft die Abholzung der mit Erlen bestandenen

Buchhorst, um dort Gärten anzulegen, ebenso eines Teiles des Elsebusches. Der zu Rate gezogene

Forstmeister v. Sebisch war mit dem Kahlschlag auf der Buchhorst einverstanden. Beide

Areale gehörten dem Grafen von Bernstorff zwar nicht eigentümlich aber er hatte auf den dortigen

Flächen ein Mitweiderecht. Es gründete sich darauf, daß er Besitzer mehrerer Gartower Bürgerhäuser

war. Da auch der Helk und Serich im Gespräch waren, wo v. Bernstorff ebenfalls Mitweiderechte

geltend machen konnte, weigerte er sich, dem Vorhaben zuzustimmen.

Damals leitete der „Maire“ v. Ramdohr dort das Gartower Gemeinwesen, unterstützt vom „Commune-Secretair“

Krug, dem Steuereinnehmer sowie den „Municipal-Räthen“ E.K. Hölty, B.F. Hahn,

J.C.D. Schmidt, P.N. Reichenberg und J.J. Dröge.

Der Ortsbürgermeister („Canton Maire“) von Gartow, von Ramdohr, sondierte im Auftrag des Unterpräfekten

in Salzwedel die Bereitschaft der Gartower Gemeinde, für die Einwohner Wiegrefe in

Gorleben, Schulze in Trebel und Schulze in Lomitz Entschädigungen zu zahlen, weil diese hart unter

fremder Einquartierung gelitten haben. Lediglich Graf von Bernstorff, der während einer Teilzeit

der französischen Besatzung in Berlin lebte und die Geschäftsführung des Gutsbetriebes seinem

Archivar Cleves übertragen hatte, wollte eine Zahlung leisten. Die Gartower Bürgerschaft dagegen

nicht und das aus zwei Gründen: es seien auch weitere Einwohner, wie z.B. der Gartower Gastwirt

Hahn belastet worden und den reitenden Förster Schulze aus Trebel wolle man nicht unterstützen,

weil der verstorbene Graf von Bernstorff es im Jahre 1804 verstanden habe, fremde Offiziere beim

Förster einquartieren zu lassen. 21

Die neu eingeführten französischen und später beibehaltenen Grund- und Personalsteuern waren

eine schwere Last für die Untertanen, die zudem noch mit 5% Zulage monatlich belegt war. Hinzu

kam ferner die Kriegssteuer. Wer nicht zahlte (offizielle Währung nunmehr Francs und Centimes),

erhielt Besuch vom sog. „Zwangsbefehlsträger“ Heine, der dann Pfändungen bzw. Zwangseintreibungen

vornahm. Gartow erhielt 1813 den Befehl 1000 Rationen Lebensmittel für französische

Soldaten in Dannenberg zu liefern.

255


1812: Verordnung zur Bildung neuer Verwaltungseinheiten

In Gorleben, Holtorf und Schnackenburg existierten französische „Blockhäuser“, wohl Wachgebäude.

Leutnant Froreich aus Dömitz orderte Branntwein sowie auch Arbeitskräfte zum dortigen

Schanzen. Eine einfache Schanze war auch am Elbedeich bei Schnackenburg errichtet worden, in

Gummern mußte für zwei Tage ein russischer Offizier beköstigt werden. Friedensrichter und späterer

Amtmann Dr. Ziegler fuhr nach Salzwedel, um dort Militärmäntel zu kaufen. 22

In den letzten Monaten der Besetzung kam es zu vielen Einsätzen der Gartower Untertanen, um

die französischen Truppen zu unterstützen. Die französische Militärkommandantur ließ im Juli

1813 durch die zuständige Unterpräfektur Salzwedel dem Gartower „Maire“ einem Befehl zur

Gestellung von 9 Schanzarbeitern zukommen. Daraufhin sind 9 Tagelöhner aus Quarnstedt nach

Werben (rd. 50 km südöstlich von Gartow an der Elbe) geschickt worden, wo sie 7 Tage lang

blieben. Um bereits im Vorwege ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, vergaßen die Franzosen

nicht, mitzuteilen, daß 500 französische Soldaten als sogen. „Executionstruppen“ in Salzwedel

stationiert seien, mit der Aufgabe, Arbeiter ggfl. zwangsweise auszuheben.

Im August 1813 orderte der Generalgouverneur in Magdeburg, Graf Limmarois, 71 Schanzarbeiter

und mahnte zugleich die Lieferung von Leinen zu Bandagen an. Der Gartower „Maire“ mußte wohl

oder übel diesen Forderungen nachkommen, da rigorose Bestrafungen die Folge waren. 23

256


Hinzu kamen die ständigen Einquartierungen fremder Soldaten, wobei die Franzosen sich weigerten,

in die Tagelöhnerhäuser des Grafen von Bernstorff in Quarnstedt einzurücken, weil deren

bauliche Beschaffenheit ungenügend war.

Ständig hielten sich in Gartow und Umgebung Soldaten auf. So lagerten im April 1813 etwa 100

Kosacken in Wirl, der Kosacken-General nahm Quartier im Schloß Gartow. Von Mai 1813 bis März

1814 befanden sich russische Truppen („Zernitschewsches Corps“) in Gartow, im Juni logierten

im Schloß „2 Colonels, 2 Obrist-Lieutenants, 14 Capitains sämtlich mit Bedienten und 212 Unterofficirs

und Gemeine“. In bunter Folge kamen und gingen Soldaten: Königl Preußische Truppen

(16.5.1813 - 20.02.1814), Russisch-Deutsche Legion (Sept. 1813), Kavallerie des Preuß. Landsturms

in Wirl (Sept. 1813), englische Truppen (Okt. 1813), Braunschweig-Lüneburgische Truppen

(Okt./Nov. 1810), der Divisions-General Kreutz mit 50 Mann (Dez. 1813) und schwedische Truppen

(Febr. 1814).

In Gartow bestand ein Fourage-Magazin, in welches die umliegenden Dörfer abliefern mußten. Die

drückenden Steuerzahlungen und Lieferungen veranlassten den Gartower „Maire“ im Juli 1813

zu folgendem Schreiben an den Unterpräfekten Westphal in Salzwedel, wobei Archivar Cleves berichtete:

„Wenn Gartow nicht ganz zugrunde gehen soll, so muß ich jetzt Hülfe haben. Meine Lage

ist critisch. Alle Einnahme - Quellen versiegen. Die Bauern sind so arm oder geben es vor, daß

sie keine Gefälle (Steuern) bezahlen. Aus Mecklenburg kann ich kein Geld erhalten… Gartow ist

leider ein Etappenort. Ganze Divisionen, Regimenter und Bataillons sind in kurzer Zeit hierselbst

durchmarschiert und einquartiert gewesen. Auf diese Art hat das Gut Gartow in dem verflossenen

Monat Junius außer dem ganzen Generalstabe des Herrn Generals Dufour beinahe 2000 Soldaten

und Unterofficire verpflegen müssen. Die Forderungen des Militairs sind ungeheuer…“ 24/25

Als die Gartower Gemeinderechnung vorgelegt wurde, entstanden damit wegen der veränderten

Verhältnisse gewisse Unstimmigkeiten:

„Das Flecken Gartow ist seit undenklichen Zeiten zur Rechnungsablage gegen den Besitzer des

Hauses Gartow verbunden gewesen und ist es noch jetzt…“ sowie: „Diese (Guts-)Besitzer sind

Grund- und Gutsherren über die Besitzungen der Bürger, die Bürger sind Guthsleute des ersteren….“

(Januar 1813).

Infolge der französischen Fremdverwaltung gab es die bisherige Patrimonial-Gerichtsbarkeit nicht

mehr, lediglich die Gutsherrschaft bestand weiterhin. Die Bürgerrechnungslegung betraf auch

nicht alle Gemeindemitglieder sondern nur solche, die im Abhängigkeitsverhältnis zum Haus Gartow

standen. Außerdem kollidierten vorherige hannoversche Gesetze mit dem französischen Code

Napoleon, was weitere Schwierigkeiten mit sich brachte.

Das Haus Gartow übte seit jeher die alleinige Aufsicht über die Kirchengüter und alle Kirchen- und

Schulsachen aus, mit Ausnahme der Seelsorge. Die im Gartower Distrikt befindlichen Schul- und

Kirchengebäude sowie der dort erteilte Unterricht unterstand nie dem zuständigen Superintendenten.

Daher gab es auch keine Spezialvisitationen, die Kirchenrechnungen wurden von Kirchenkommissaren

des Hauses Gartow abgenommen. Diese Abmachungen gründeten sich auf den Vergleich

vom 16.8.1697. In der Franzosenzeit versuchte man, den Ortsbürgermeister von Gartow als

weltlichen Kirchenkommissar einzusetzen, was von Bernstorff gemäß alter Abmachungen jedoch

verhindern konnte. Der Graf konnte bereits zuvor Schlimmeres verhüten.

257


Wegen der horrenden Abgaben und Steuerzahlungen, die die Untertanen aufbringen mussten

und das Kurfürstentum Hannover an den Rand des Ruins brachten, blieben etliche französische

Steuerzahlungen, nunmehr für hannoversche Zwecke, in Kraft wie z.B. Grund-, Personal-, Möbel-,

Fenster- und Türensteuer. Abgeschafft wurden Abgaben auf Salz, Bier, Brannwein, Tabak, Koloniawaren

und englische Manufakturwaren sowie die Patentsteuer.

Im Zuge der Rückzugsgefechte der Franzosen kam es im Kreisgebiet zu einer einzigen Berührung

mit den nachrückenden alliierten Truppen beim Gefecht an der Göhrde am 16. September 1813.

Bald danach kamen unentwegt alliierte Truppen auch durch Gartow, z.B. der General Kreutz im

Dezember 1813 mit dem polnischen Kriegsheer von Stendal/Osterburg nach Quickborn und später

nach Boizenburg, wie auch General Graf Benningsen der nach Dannenberg und wenig später

ebenfalls nach Boizenburg abgerückt war. Auch dieser gehörte dem polnischen Heer an. 26

Der Rückzug der „Grossen Armee“

Während der Kämpfe sind in Russland für Napoleon sechs Soldaten gefallen:

Joachim Christoph Kakerbeck, Pevestorf; Joachim Christoph Bollmann, Johann Joachim Reinecke,

Johann Jürgen Schulz, alle aus Nienwalde, Johann Georg Heinrich Lamprecht, Meetschow und

Dietrich Heinrich Hartje, Holtorf. Aus Gartow war kein Soldat dabei. 27

In der Abschlußschlacht von Waterloo am 15. Juni 1815 haben jedoch, soweit zu ermitteln, vier

Gartower Bürger ihr Leben gelassen:

Soldat Albert Hoppe vom 2. Leichten Bataillon der Königl. Deutschen Legion, Soldat Friedrich Köhne

und Soldat Andreas Stahlberg, 1. Leichtes Bataillon sowie der

Korporal Daniel Müller vom 5. Linien-Bataillon. 28

258


Quellen und Literatur

1. Welck, Stephan Freiherr von: „Franzosenzeit im Hannoverschen Wendland (1803 -1813).

Eine mikro-historische Studie zum Alltagsleben auf dem Lande zwischen Besatzungslasten

und Sozialreformen“, Hannover 2008, Schriftenreihe des Heimatkundlichen Arbeitskreises

Lüchow -Dannenberg, Bd. 17

2. „Sammlung von Gesetzen,Königl.Decreten,Staatsrath-Gutachten,Ministerialschreiben und

Instructionen zur Ergänzung des Gesetzbuches Napoleons für Westphalen, Hannover 1811

3. /

4. /

5. Gartower Heimatbote von Januar, März, April 1914

Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, Lüchow 1988,

2. Aufl., S. 189 - 206

Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 61- 64

6. Keil, A./Ph. Chr. Reinhard: „Vollständiges Handbuch für Maire und Adjuncten, für Policey-

Commissare, Municipal-Räthe, Contributions-Einnehmer…“, Köln im 10. Jahr der Republik

1. Abt., 777 S.

7. Sammlung von Gesetzen, Könige, Decreten, Staatsrath-Gutachten, Ministerialschreiben und

Instructionen zur Ergänzung des Gesetzbuches Napoleons für Westphalen, Hannover 1811

8. GR 1808/09, S. 348 -349

9. GR 1809/10, S. 367

10. GR 1810/11, S. 346 und 369

11. GR 1810/11, S. 397

12. GR 1810/11, S. 348 - 359

13. GR 1810/11, S. 565

14. GR 1811/12, S. 385 - 389

15. GR 1811/12, S. 397

16. /

17. /

18. /

19. /

20. Haberland, Rudolf a.a.o., S. 202 - 203

Vgl. auch: Thimme, Friedrich: „Die inneren Zustände des Kurfürstentums Hannover unter

französischwestphälischer Herrschaft 1806 -1813“, 2 Bde., Hannover 1893 - 95;

Schwartig, Albert C.: „Die Verwaltungsorganisation in Nordwestdeutschland während der

französischen Besatzungszeit 1811-1813“, Oldenburg 1936; Ernst, Angelika: „Lüneburg in

der Franzosenzeit 1803 -1813. Schicksal einer besetzten Stadt“, Lüneburg 1991;

Stubbe da Luz, Helmut: „Franzosenzeit in Norddeutschland (1803 -1814).Napoleons Hanseatische

Departements“, Bremen 2003

21. G 4 Nr. 1a „Rechnungslegung der Gemeinde Gartow 1813“

22. GR 1813/14, S. 360 - 367

23. Puffahrt, Otto: „Beiträge zur Geschichte des alten Amtes Gartow“, Gartow 1990, S. 61-64

24. /

25. Puffahrt, Otto a.a.o. S. 64; Haberland, Rudolf a.a.o., S. 189 - 208

26. v. Plotho, Carl: „Der Krieg in Deutschland und Frankreich in den Jahren 1813 und 1814“,

2. Teil, Berlin 1817, S. 323, 504

27. Haberland, Rudolf a.a.o, S. 206

28. Puffahrt, Otto: „In der Schlacht von Waterloo gefallene, verwundete und vermisste Soldaten

aus der Hannoverschen Armee“, Lüneburg 2004

259


Das Gemeinwesen Gartow im Wandel der Zeit

Gartow war nie ein größeres Dorf aber auch keine Stadt, vielmehr ein Flecken mit den Prädikaten

als Markt-, Kirch- und Verwaltungsort sowie Gutssitz. Besonders der Gutssitz derer v. Bülow,

vielmehr jedoch derer v. Bernstorff bis 1850 bestimmte die Bedeutung Gartows, zumal sich verschiedene

Handwerker und die Holzindustrie neben der traditionellen Landwirtschaft ansiedelten.

Es existierte stets auch ein Gartower Ratsgremium, welches zwar nicht ganz unabhängig von den

Gutsherren fungierte aber doch die Prinzipien der Selbstverwaltung nachlebte.

In Gartow gab es anfänglich zwei Bürgermeister. Ihre Wahl und die Aufgaben sind im Jahr 1697

dokumentiert worden.

Kurz nachdem der bisherige Bürgermeister Simon Joachim Walther am 28.3.1697 verstorben war,

begannen Aktivitäten zur Wiederbesetzung der vakanten Bürgermeisterstelle. Sofort wurde Freiherr

v. Bernstorff vom Gutsverwalter Kruse informiert, daß der Bürgermeister nicht mehr lebte.

Der Gewohnheit nach wählte die Gartower Bürgerschaft einen geeigneten Bewerber und präsentierte

ihn dem Haus Gartow, also Freiherrn v. Bernstorff. „Vor alten Zeiten“ hatte es in Gartow drei

Bürgermeister zugleich gegeben, die vom Hause Gartow ernannt wurden. Ratsherren gab es damals

noch nicht. Freiherr v. Bernstorff ordnete an, daß keine Wiederwahl stattzufinden habe, ehe

er nicht in Gartow gewesen ist. Da er in Celle seinen Regierungsgeschäften nachging, kam er nicht

sogleich nach Gartow. Daher schrieb die Gartower Bürgerschaft neun Monate später einen Brief

an ihn mit der namentlichen Nennung von acht Bewerbern, die die 1. und 2. Bürgermeisterstelle

besetzen wollten.

Einen Monat später kam v. Bernstorff nach Gartow und wählte zwei Bewerber aus: Caspar Schröder

und Hans Radcken. Diese beiden neuen Bürgermeister mußten unter Eid geloben „daß sie der

Herrschaft und dem Hauße Gartow wollen getreu, hold und gehorsam seyn, dero Gerechtsam und

Bestes erhalten und befördern, Schaden und Nachtheil aber, so viel an Ihnen, abwenden helffen

auch der Bürgerschaft und dem Flecken Gartow wohl vorstehen, dasjenige was ihnen befohlen

wird, fleißig außrichten, in Eintheilung der Dienste auch Contribution, Einquartierung und was dergleichen

mehr der Bürgerschaft obliegt, eine durchgehende Gleichheit halten und darunter keine

Freund- noch Feindschafft, Nutzen und Genuß ansehen…“

Am 6.11.1697 bedankten sich die neuerwählten Bürgermeister und die Bürgerschaft beim Freiherrn

v. Bernstorff für die Ernennung. Dem Hause Gartow gegenüber waren die Bürgermeister von

Dienstleistungen befreit, außer beim Bau von Kirchen- und Schulgebäuden.

Offenbar wechselten sich die beiden Bürgermeister Jahr um Jahr als 1. und 2. Bürgermeister ab,

da der jeweils amtierende 1. Bürgermeister am letzten Tag des Jahres mit dem Gartower Siegelstempel

im Schloß erschien, wo der Stempel dem anderen Bürgermeister überreicht wurde. Als

der Gartower Bürgermeister Meyer 1753 verstarb, mußten die Angehörigen die Bürgerlade mit

brieflichen Urkunden, Bürgerrechnungen, Siegelstempel und Geldbestand abliefern.

Eine dritte Respektsperson in Gartow war der sogen. „Bürgerrichter“, der „eigentlich nur ein Gartowischer

Raths-Diener ist, der auff Befehl der Bürgermeister die Bürgerschaft zusammen fordert

und waß sonst von denen Bürgermeisters der Bürgerschafft angedeutet werden muß, solches

260


ansaget auch dabey die Bürger zu des Hauses Gartow Heumachen auffordert und bey solcher

Arbeit commandiert…“ 1

Um 1700: Flecken Gartow mit Burg nach einer Zeichnung des Ingenieuroffiziers Rallen

Verwaltung nach dem Landgemeinde-Gesetz von 1859

Da die bisherige Verwaltung der Landgemeinden mit vielen Mängeln behaftet war, mußte sie neu

organisiert werden. In 85 Paragraphen sind verbindliche Regeln aufgestellt worden, um ein funktionierendes

Gemeinwesen zu erhalten. Das zuvor geltende Gesetz über die Landgemeinden vom

4. Mai 1852 erfuhr erhebliche Änderungen und wurde durch die neuen Gesetze ersetzt. Angewendet

wurde das neue Gesetz auch auf Flecken wie Gartow.

Wichtig war das Stimmrecht bei Abstimmungen in Gemeindeangelegenheiten.

In vielen Gemeinden gab es sog. Stimmordnungen, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes

bestanden und erst abgeändert werden sollten, wenn sich Klagen dagegen zeigten. Nach dem

neuen Landgemeindegesetz waren stimmberechtigt:

„Alle, welche in der Gemeinde ein Gut, einen Hof oder ein für sich bestehendes Wohnhaus eigenthümlich

oder nießbräuchlich besitzen, 2. Alle Männer, welche in der Gemeinde wohnberechtigt

sind und in derselben einen eigenen Haushalt führen“ (§ 8). Diese Männer (Frauen hatten kein

261


Stimmrecht) mußten „selbstständig, sonst unbescholten und nicht zu schweren Strafen verurtheilt“

gewesen sein. Der Status „bescholten“ wurde in diesem Zusammenhang näher erläutert:

„ (Personen) welche wegen eines nach der öffentlichen Meinung entehrenden Verbrechens bestraft

oder zur Untersuchung gezogen sind, ohne völlig freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt

zu sein…“ Wo die Grenze der Entehrung begann, legte die Amtsvertretung fest. Auf Antrag der

Gemeinde konnten Personen, auf die ein derartiger Makel zutraf, das Stimmrecht verlieren oder

aber im Zuge ihrer Rehabilitierung erneut zurückgewinnen (§ 9).

Ein weiteres Hemmnis war der Begriff „selbstständig“. Weite Personenkreise waren nicht abstimmungsberechtigt

wie z.B. die als „unselbstständig“ klassifizierten Personen; Minderjährige (unter

25 Jahren); Personen, die unter Vormundschaft standen; Personen, die in einen Konkurs verwickelt

waren; Personen, die aus öffentlichen Mitteln Armenunterstützung erhielten und „diejenigen,

welche in Kost und Lohn stehen“, also das Gesinde wie Knechte, Melker usw. Damit war der Kreis

der Stimmberechtigten auf die grundbesitzenden Bauern bzw. Hauseigentümer, Handwerker und

Mandatsträger beschränkt (§ 10). Das Stimmrecht war also nach wie vor an das Grundeigentum

gekoppelt. Wer viel davon besaß, hatte den größten Anteil am Mitbestimmungsrecht. Dieser Personenkreis

brachte in der Regel auch den Hauptanteil der Gemeindesteuern auf. Es war erlaubt,

zu den Abstimmungen Bevollmächtigte zu schicken. Witwen dagegen mussten sich von deren

volljährigen Söhnen vertreten lassen, ebenso vertraten Väter ihre minderjährigen Söhne, falls sie

Hoferben geworden sind. Auch die Vertreter mußten „unbescholten“ sein. Auf Gartow angewendet,

bildeten die Vollbürger und die Halbbürger gemäß ihres Besitzumfanges je eine stimmberechtigte

Klasse für sich. Auf den Dörfern galt der Grundsatz: „Regelmäßig soll das Stimmgewicht derjenigen

Grundbesitzer, deren in der Gemeinde belegener Grundbesitz so groß ist, daß er zur Bewirtschaftung

zwei Pferde oder mehr erfordert, überwiegen“. Da in Gartow nicht jeder Bürger über ein

Gespann verfügte, trat als Bemessungsgrundlage der Besitzumfang auf.

Jede Gemeinde war mit einem Gemeindevorsteher und einem Beigeordneten, der ihn unterstützte

sowie als Stellvertreter fungierte, versehen. Sie waren befugt, weitere Personen auf Gemeindekosten

zur Wahrnehmung einzelner Geschäfte anzunehmen (wie z.B. Boten, Nachtwächter, Feldhüter

oder Kassenführer). Es versteht sich von selbst, daß diese Personen ebenfalls „unbescholten“

sein mußten. Gastwirte durften ein Gemeindeamt in der Regel nicht ausüben (§§ 22 - 29).

Grundsätzlich war jedes Gemeindemitglied wählbar aber ein bestimmter Personenkreis durfte

die Wahl zum Bürgermeister ablehnen: Militärangehörige im Dienst, Geistliche und Schullehrer,

Ärzte, Apotheker, Personen über 60 Jahre alt, kranke und gebrechliche Personen und Personen,

die das Bürgermeisteramt bereits innehatten. Bei Letzteren waren drei Jahre Karenzzeit bis zur

Wiederwahl möglich und Bürgermeister, die dieses Amt bereits mehrmals ausübten, konnten eine

Wiederwahl für immer ablehnen. Sowohl der Bürgermeister als auch sein Stellvertreter wurden auf

ihren Dienst vereidigt, von den Verwaltungsbehörden beaufsichtigt und haben ihren Einsatz als

Ehrenamt zu betrachten. Ferner wurden sie besoldet und standen unter der Disziplinargewalt der

Verwaltungsbehörden (§§ 31 - 40).

In den Gemeindeversammlungen sind typische Belange behandelt und abgestimmt worden, wie

z.B. Angelegenheiten des Gemeindevermögens, Kreditaufnahme, Einführung, Veränderung und

Abschaffung von Gemeindesteuern, Aufnahme neuer Gemeindemitglieder, Prozeßangelegenheiten

u.a.m. Die Mehrzahl der Beschlüsse zu diesen einzelnen Beratungsgegenständen war erst

dann gültig, wenn die Verwaltungsbehörden diese bestätigten. Dieses Vorgehen war der Vorläufer

der Kommunalaufsicht.

262


In größeren Gemeinden, wie im Flecken Gartow, bildete sich statt der Gemeindeversammlung ein

Gemeindeausschuß/Gemeinderat. Auch der Gemeinderat wurde direkt von den stimmberechtigten

Gemeindemitgliedern gewählt (§§ 51 - 59).

Zum Gemeindevermögen konnten Grundstücke (Forst, Weide, Seeflächen, Hausgrundstücke,

Straßen und Wege) und Immobilien gehören. Nicht jedoch Genossenschaftsvermögen (Realgemeinde).

Das durchlaufende Gemeindevermögen in Form von Gemeindesteuern wurde zweckentsprechend

verwaltet. Schul- und Kirchengebäude sowie deren Grundstücke waren von derartigen

Steuererhebungen befreit, nicht aber Geistliche und Lehrer gemäß dem Gesetz vom 5. Juli 1856.

Ebenfalls Gemeindesteuern entrichten mußten sogen. „Ausmärker“, also Personen, die außerhalb

der Gemeinde beheimatet waren aber Grundeigentum oder Häuser in der steuerpflichtigen

Gemeinde besaßen (§ 65).

Innerhalb der Gemarkung übte die Gemeinde die „Orts- und Feldmarkspolizei“-Gewalt aus, jedoch

unter Aufsicht der Verwaltungsbehörden. Es war gestattet, bei Vergehen gegen Gesetze und

Bestimmungen Geldstrafen bis zu 1 Thaler (für Schadenersatz bis zu 3 Thaler) zu erheben oder

Pfändungen vorzunehmen (§§ 69 - 82).

Ohnehin hatten die Gemeinden nach dem Gesetz vom 5. September 1848 (§ 20) „das Recht der

eigenen Verwaltung ihres Vermögens, der Regelung ihrer übrigen inneren Gemeindeverhältnisse

und der Wahl ihrer Beamten (Bürgermeister) nach Maßgabe der Verfassung“.

1912 schlug Bürgermeister Bardien vor, bei Gelegenheit der geplanten Umpflasterung der Gartower

Hauptstraße zugleich die Bürgersteige mit Klinkern aus Wendisch-Wehningen zu versehen.

In einer Gesetzesergänzung zum Landgemeindegesetz galten Gemeinden als juristische Personen,

waren verantwortlich gegenüber den Armen in der Gemeinde, in der Verhinderung der Bettelei,

in der Verhinderung von sich ausbreitenden Seuchen bei Mensch und Vieh, Unterhaltung von

Wegen, Brücken, Wasserläufen, Deichstrecken und zuständig für den vorbeugenden Brandschutz.

Ortsfremde Personen durften nach sechsmonatigem Aufenthalt zu den „persönlichen Gemeindelasten“

herangezogen werden. Ausgenommen davon waren Soldaten, Lehrlinge und „in der Regel

diejenigen, welche in Kost und Lohn eines Anderen stehen“. Gemäß der Städteordnung war es

möglich, auch in Flecken über den Erwerb und Verlust des Bürgerrechtes zu befinden. 2

Gartower Ratsbuch

Die Gemeinde Gartow hat seit altersher ein Protokollbuch („Ratsbuch“ () geführt, deren

ältere Ausgaben sämtlich verschollen sein dürften. Glücklicherweise hat der Heimatforscher Behne

Auszüge aus dem ältesten Ratsbuch veröffentlicht, so daß zumindest ein kleiner Ausschnitt

Gartower Angelegenheiten vorliegt:

„…Auf der ersten Seite, dem ältesten Blatt, lesen wir: „Das Rath Buch zu Gartow ist angefangen

Ao. 1648“. Die folgende Seite bringt dann ein Verzeichnis der Bürger Gartows, die Hausgeld bezahlen

müssen, wahrscheinlich aus dem Jahre 1648, es fehlt hier leider der Name des Schreibers

und auch die Jahreszahl. Von den 28 Namen waren noch folgende zu entziffern: Rathke, Eggert,

Dunker, Wolter, Schultz, Bülow, Masche. 16 Bürger bezahlten damals je 6 sh (Schillinge) und die

übrigen zwölf bezahlten nur 3 sh. (Die spätere Gliederung in Vollbürger und Halbbürger ist hier

263


schon zu erkennen aber noch nicht ausgesprochen) ….Zum Vergleich sei hier hier schon darauf

hingewiesen, daß ein Verzeichnis der Voll- und Halbbürger aus dem Jahre 1772 schon 47 Namen

nennt. 1671 ist diese Liste dann von anderer Hand ergänzt und aus den 28 Namen sind schon 29

geworden. Darunter steht die Bemerkung: „Dieses hab ich nach den Nahmen die jedtz wohnen in

Gartow aufsetzen wollen und ist solches geschehen 1671 den 16. May.“

Damals hat der Bürgermeister Heinrich Dammann in das Ratsbuch geschrieben: „Des Rades

Buch in Gartow, darinnen benachrichtigt waß passiert und zu dieser Zeit gefellig. Daß Protocoll ist

absonderlich.“ Dann setzt er von neuem an: „Anno 1673. Des Montages vor Ostern in der Bürger

Gerichtstage wardt Ich zu Endts benanter zum Bürgermeister erwehlet, welches Ampt Ich nebst

B.M. Heinrich Kleffler aufgenommen, worinne unß der liebe Gott im Friede undt Einigkeit lange beisammen

leben laßen wolle.“ Und das letzte Viertel der Seite füllt allein seine Namensunterschrift:

„Heinrich Dammann.“

Nach dieser Einleitung soll aber nun gleich die Arbeit beginnen. Er überblickt noch einmal die Titelseite,

streut vorsichtig Sand darüber; denn der dicke Balken da unter seinem Namen, der wollte

gar nicht trocken werden. Nun gilt es, erst einmal einen Überblick über die von ihm zu verwaltende

Gemeinde zu bekommen. Hat sich der Vorgänger damit begnügt, die alte Liste von 1648 durch

Nachträge zu ergänzen, er legt ein neues Einwohnerverzeichnis an:

„Folgende sein anitzo Bürger und Einwohner in Gartow. Anno 1675, den 10. Marty. Vollpflichter:

Hanß Rathke; B.M. (Bürgermeister) Heinrich Kleffler; Hanß Mauchel; Jochim Eggert; Jochim

Dehnke; Kasper Schröder; Jochim Baßar jun.; Anton Grote; Jochim Baßar sen.; Jochim Masche;

B.M. Heinrich Dammann; Heinrich Rönnberg: Köhn Tödter; Jochim Ahnsorge; Jasper Kubel; Cordt

Lütkring; Heinrich Rohr; Georg Stähr; Hanß Ernst Bülow; Johann Bülow; Vike Bülow. Halbpflichter:

Jochim Wiese; Michel Bollmann; Jochim Schultze; Franß Schultze; Johann Brecker; Jochim Pewestorf;

Peter Zerner; Steffen Schultze; Heinrich Möller; Gabrigel Hohentopf; Samuel Rieke; Vicke

Reinke; Erwin Bülow; der Lehnkrüger. Einwohners: Jürgen Wiese, ein Schuster; Cordt Brockhöft,

ein Schuster; Conradt Gigelow, ein Schuster; Jürgen Heinrich Reinke; Hanß Meyer, ein Leinweber;

Gabriel Gl…., ein Bödger, ist ausgezogen, spricht seine Bürgerschaft auf, gibt jehrlich 3,-; ferner die

Bürgerschaft gewonnen Anno 1674; Hanß Jürg Heuser, ein Schlachter; Jacob Bruhen, ein Schuster;

Mattiaß Trumpf, ein Leineweber.“

Und nun möchte Bürgermeister Dammann auch einmal einen Überblick über Einnahmen und

Ausgaben der Gemeindekasse gewinnen. Er rechnet zusammen: „Folgende sein jehrlich im Gerichtstage

so den Montag vor Ostern, schudig: Zinsegelder: Hanß Mauchel 10 sh (Schilling); Anton

Grote 20 sh; Jochim Schultze 20 sh; Garten- und Landpechte: Christoffer itzo Jochim Eggert vorn

Heidthoff 6 sh; Heinrich Rönnberg vorn Heidthoff 3 sh; Heinrich Dammann vorn Heidthoff 3 sh;

noch B.M. Dammann vorn Hoff im Elsebusch 5 sh; Jochim Eggert vor seinen Kamp beim Worth im

Elsebusch 8 sh; Noch sein vier Garten im Elsebusch, der solche hat, gibt jährlich vor jeden 3 sh.

Hanß Rohr und Jochim Schultze aus Neyendorf geben jehrlich vor Ihre Lose 8 sh. ein jeder. Noch

geben Folgende Haußgeld aufm Gerichtstage alß Hanß Rathke 3 sh.; B.M. Heinrich Kleffler 6 sh.

Wir verzichten hier auf die Wiedergabe des vollständigen Verzeichnisses, da die Namen des oben

angeführten Einwohnerverzeichnisses hier wiederkehren. Es sind 17 Vollpflichter, die je 6 sh. zahlen

und die 14 Halbpflichter je 2 sh. „Noch gibt die Bürgerschaft jehrlich auff Ihrem Gerichtstage

von jeder tragenden und melkenden Kuh…ggr. (im Originaltext war keine Summe eingetragen)

oder da die Außgaben nicht können errichtet werden, muß mehr gesamlet werden, daß 3 Rthl. 12

ggr. herauskommen.“

264


Nach dieser Zusammenstellung der Einnahmen folgt nun „die Außgaben aufm Gerichtstage alsß

N.B. der Kirchen hierselbst zu Ablohnung der Leuter 4 fl. (Gulden) 16 sh.; dem Herrn Pastor 4 fl.

16 sh.; jedem Bürgermeister 2 fl., dem Richter 2 fl., der Bürgerschaft für 1 Gulden Bier. Die oben

4 fl. 16 sh., wo N.B. beysteht, wirdt folgender Gestalt außgegeben. Erstlich der Kirchen allhier 16

sh., dem Herrn Pastor 8 sh., dem Küster oder Schulmeister 8 sh., denen, die die Glocken leuten

3 fl. 8 sh.“

Damit hat Bürgermeister Dammann seine Arbeit im Ratsbuch beendet.

Er wird kaum in einem Tage damit fertig geworden sein; denn so viel Schreibarbeit hatte er seit

langer Zeit nicht auf einmal zu erledigen. Diese Verzeichnisse haben dafür aber auch die 24 Jahre

seiner Amtszeit ausgereicht, ja sie mußten sogar noch für seinen Nachfolger genügen, der mit

etwas weniger geläufiger Feder nur einige Ergänzungen und Nachträge vornahm. Auch die zuletzt

aufgeführten Bemerkungen und dem Strich über die Verteilung der der Kirche zustehenden 4 fl.

16 sh. scheint von Caspar Schröder zu sein, der sich uns zwei Seiten weiter als neuer Bürgermeister

vorstellt:

„Anno 1697 den 25.ten October hat der wohlgeborne Herr geheimbte Rath von Börnstorff mich

und Hanß Rathken zum Bürgermeister verordnet. Gott hölfe, das wir solches Ambt drey und fleißig

außrichten, damit es Gott und den Menschen möge wohl gefallen, auch das die itzige nachgesetzte

sämptlich Bürgerschaft möge billigen Gehorsam leisten, Caspar Schrödter.“

Aus den nun folgenden Einwohnerverzeichnis stellen wir nur die Namen heraus, die gegenüber

dem Verzeichnis von 1675 neu auftreten: Vollpflichter: Adam Christian Hillbrandt; Jochim Elließ;

Friedrich Kaulitz; Cordt Dietrich Bühlau; Heinrich Buß; Heinrich Bohrmann; Jacob Werner Hönings;

Johann Meier; Heinrich Brockhöft; Ludwig Dunker; Johann Christoff Bruns; Jürgen Ernst Gerberding;

Ahrendt Barleß; Johann Behrmann; Johann Niekolauß Hillebrandt; Christian Elließ; Thomas

Minte; Christian Bethge. Halbpflichter: Adam Jauningke; Jürgen Guhl; Hanneß Bernstorf; Jochim

Suhr. Unter den Einwohnern werden genannt Schuster, ein Maurer, ein Grobschmied, ein Böttcher,

Altsitzer und Tagelöhner.

Wenn wir nun noch einmal auf diesen Auszug aus dem Ratsbuch zu Gartow zurückblicken, so

tauchen eine ganze Reihe von Fragen auf. Da wird immer wieder von einem Gerichtstage gesprochen

und von Richtern, die wir uns aus der Gemeinde gewählt denken müssen. Sie werden wohl

nicht über die schweren Verbrechen als höchste richterliche Instanz eingesetzt sein, wohl aber

hatten sie die kleinen Streitigkeiten zwischen den Bürgern Gartows zu schlichten. Sie hatten eine

ähnliche Stellung wie heute das Schiedsgericht. Auf dem Gerichtstage, der jährlich am Montag vor

Ostern stattfand, kamen alle Bürger zusammen, um die Angelegenheiten der Gemeinde zu regeln,

dort wurde auch über Tausch, Kauf und Verkauf von Grundstücken, Häusern usw. verhandelt. Dort

mußte der Bürgermeister seiner Gemeinde gegenüber Abrechnung vorlegen, dort wurde auch der

Bürgermeister von der Gemeinde zu seinem Amte erwählt. Eine Bestätigung dieser Wahl durch

den Schloßherrn dürfen wir wohl als selbstverständlich annehmen. Erst bei dem zweiten uns dem

Namen nach bekannten Bürgermeister Caspar Schrödter finden wir dann die Bemerkung, daß

er zu seinem Amte nicht von der Gemeinde erwählt, sondern von dem Geheimrat von Bernstorff

ernannt wurde…

Bürgermeister Caspar Schrödter ist nur kurze Zeit im Amt gewesen. Wir verdanken ihm aber einen

ausführlichen Bericht über eine Gerichtssitzung aus dem Jahr 1700:

265


„Anno 1700 den 27. April haben die sämtlichen Bürger nebst dem Rath allhier aufm Hauße Gartow

bei dem hochgelehrten und wohlbestallten Richter, Herr Doctor…wie auch den Herrn Verwalter

Jacobus Kruse imgleichen auch den Herrn Kornschreiber Stürben ausgebeten umb Richtigkeit

zu treffen wegen des Rechts und der Gemeinde Wohl. Die obbenannten Herren haben in Seiner

Excellentz, dem Herren geheimten Rath von Bernstorff in Gegenwart der hiesigen sämtlichen Bürgerschaft

die Scheidung des Wohls (Grenze zwischen den Baustellen) geschlichtet und abgetreten

wie itzo von der gantzen Gemeinde bestimmt ist worden, nämlich der Brunnen soll auch mitten

im Scheide (auf der Grenze) sein, da denn die Hälfte des Brunnens Johann Meier gehörig und

die andere Hälfte zu denen Rats-Wohnungen gehörig sein soll, so lange aber Johann Meier den

Brunnen allein brauchet, so muß er auch den Brunnen in Baukosten allein erhalten, wenn aber

die Wohnung wieder bebauet sein, so müssen diejenigen, die darinnen wohnen, gleich in des

Brunnen Baukosten treten wenn es nötig ist, dafür haben sie zu gleichen Theilen mit Johann Meier

oder seine Nachkommen den Brunnen zu gebrauchen. Dieses ist also gerichtlich verabschiedet

worden, daß hinfüro der gantze Wohl (Baustelle) mitsamt der Stelle mitten vom Stein dann bis in

die Scheide dem Rath und der Gemeinde hinfüro verbleiben soll, wie es von alter her gewesen und

anietzo verbleiben.“

Da haben wir ein Beispiel dafür, wie vor 200 Jahren Streitigkeiten beigelegt wurden. Es handelt

sich um die Benutzung und Erhaltung eines Brunnens, der auf der Grenze zweier Grundstücke

liegt. Das eine Grundstück wird von dem Bürger Johann Meier bewohnt, das zweite ist zur Zeit

unbebaut und gehört scheinbar der Gemeinde und steht unter Verwaltung des Rates.

Auffallend in dem Schreiben ist auch die recht weitschweifige und umständliche Satzbildung. Der

Bürgermeister Schrödter hat wohl manches Schriftstück der Kanzleischreiber seiner Zeit gelesen

aber es gelingt ihm nicht, diese Sprache nachzubilden, nur an Umständlichkeit und Unklarheit

übertrifft er seine Zeitgenossen. Das trifft auch auf ein zweites Schreiben zu, in dem er die Arbeiten

der Bürger auf den Wiesen des Hauses Gartow aus dem Jahre 1701 berichtet. Er nennt

darin einen verstorbenen Bürgermeister Simon Jochim Wolters, den wir wohl als Vorgänger Dammans

ansprechen können, da in dem Einwohnerverzeichnis von 1648 auch der Name Wolters

vorkommt.

Mit einem neuen Titelblatt und ähnlichen Worten, wie wir sie schon vom Bürgermeister Dammann

her kennen, beginnt 1703 Adam Christian Hildebrandt seine Tätigkeit als Bürgermeister. Auch er

ist von Herrn Geheimrat von Bernstorff zu seinem Amte ernannt und bittet die Bürgerschaft um

billigen Gehorsam.

Einwohnerverzeichnis und Abrechnung über die Gemeindekassen fehlen aber einige kleinere Notizen

aus seiner Zeit mögen hier folgen:

„Anno 1711 den 16ten May ist Heinrich (Name unleserlich) im Beysein des Herrn Bürgermeisters

A.Ch. Hildebrandt, Jacob Werner Hennings und Heinrich Brockhöften zum Bürger-Richter angenommen,

dabei ihm dann bedeutet, daß er sich so wohl gegen das Haus Gartow wie auch gegen

Bürgermeister und Rath und gantze Rocksmoor 6 sh; Cordt Lütkring vorn Hoff im Elsebusch 7 sh;

Johann Bülow vor seine Bürgerschaft fein bescheidentlich aufführen soll, damit desfalls keine

Klage über ihn geführt werden möge, Gartow, ut supra, Bürgermeister und Rath hierselbst.“

Ein inhaltlich gleicher Bericht nur mit anderem Namen liegt dann noch aus dem Jahr 1714 vor.

Aber eine Bemerkung über einen Haus- und Bürgerkauf wollen wir hier noch wiedergeben:

„Johann Heinrich Höfer aus Wittenberge wird allhier untergesetztem Dato in Gartow Bürger, kauft

des seel. Thomas Minten Haus, giebet auch gleich sein Bürgergeld aus, als 1 ½ Rtlr., welches also

266


1763/64: Titelblatt zur Gartowischen Bürgerrechnung

zur Nachricht, Gartow den 13. Febr 1716, Bürgermeister und Rath hierselbst.“

1719 hatte der damalige Amtmann Grävemeyer der Bürgerschaft befohlen, ihre Schafherde abzuschaffen,

darauf begibt sich eine Abordnung von acht Deputierten zu dem Grafen von Bernstorff

nach der Göhrde, werden dort sehr gnädig aufgenommen und kommt zurück mit der Nachricht,

daß sie „wenn sie dazu Lust und Beliebung hätten, ihre Schafe nach dem Wirl zu treiben, könnten

sie solche alldort in der Hut und Weyde frey sein.“

1722 hat die Bürgerschaft einen neuen Kirchhof angelegt. Da kein geeignetes Land dazu vorhanden

war, tauschte man mit Johann Nikolaus Hildebrandt ein vorn auf dem Spring gelegenes Stück

Land gegen ein der Gemeinde gehöriges Stück Land „so an Heinrich Vesterfled (Zesterfleth) und

an Jürgen Hinrich Röhrs ihre Garten belegen“ ein.

Darunter lesen wir: „ist zufrieden mit dem Tausch Johann Nikolaus Hildebrandt, Gartow den 31.

Marty Anno 1722. Adam Christian Hildebrandt, Heinrich Brockhöft, Jacob Jürgen Giegeler, Johann

Christoff Bruhn.“

Die Neuanlage des Kirchhofs wird eine Folge des großen Brandes 1721 gewesen sein. Leider

bringt das Ratsbuch über den Brand keine weiteren Bemerkungen. Nur der Nachfolger als Bürgermeister,

Hanß Hilgenfeld teilt uns mit, daß die neue Kirche am 1. Okt. 1724 eingesegnet sei

und er selber an diesem Tage zum Bürgermeister „erwählet worden“. Damit beginnt eine etwas

schreibfreudigere Zeit, über die später berichtet werden soll.

Wir stellten schon mit Bedauern fest, daß uns das Ratsbuch über den Brand Gartows 1721 leider

keine Nachrichten übermittelt.

267


Aber als Hanß Hilgenfeld 1724 Bürgermeister wird, schreibt er:

„Im Jahre 1724, den 1. Oktober, als den 17. Trinitatis, ist unsere neue Kirche eingesegnet. Also bin

ich diesen Tag auch zum Bürgermeister erwehlet“…Hanß Hilgenfeld ist dann bis 1752 Bürgermeister

gewesen. Aus seiner Zeit finden wir noch eine ganze Reihe kleiner Aufzeichnungen:

„Den 21. März Anno 1728 haben die Bürger den Richter Jakob Schulzen und Johann Hildebrandt

hingeschickt, den Schafmeister zu Rucksmoor seine Schafe zu pfänden auf der Buchhorst. Da

ist er den andern Tag gekommen und hat sie wiedergeholt und für jedes Stück gegeben 1 ggr.

Pfandgeld“.

„1712 soll H. Möller aus Mödling (Mödlich), so Pferde gestohlen, aufgehängt sein.“

„Langhans ist um Ostern 1725 in Hahnenberge nicht weit von der Bürger Höltzung Elsebusch vor

dem ersten Berg am Ende der Schinderkuhle aufgehängt.“

„Anno 1729 den 25. März haben wir die Restörper Pferde gepfändet auf der Pfingstweide, da Johann

Ziems (Siems) der Schulze, für drei Stück 2 ggr. Pfandgeld gegeben. Den 26. dito haben wir

Christofel Meiers seine 8 Stück Rinder gepfändet, da hat er vorgegeben 7 ggr.“

1727 beschweren sich die Gartower Bürger über den Gastwirt, der die gräfliche Gastwirtschaft

(gegenüber der Kirche, nahe der Brücke) gepachtet hatte. Dieser weigerte sich, die Lasten und

Abgaben, zu denen jeder Bürger verpflichtet war, zu zahlen, wollte andererseits aber den Nutzen,

der den Bürgerstellen aus Holzverkäufen usw. zufiel, auch für sich in Anspruch nehmen. In der

Klageschrift heißt es u.a.:

„….daß der jetzige Gastwirt, solange er das Gasthaus bewohnet, sich zuwider gelegt die Onera

(Lasten) abzutragen, welche von so langer Zeit her, ja noch von seinem Vorgänger jederzeit richtig

sind erleget worden: als monatlich 3 ggr. Contribution, imgleichen alljährlich den Viehschatz, welcher

ohngefehr 8 ggr. austragen möchte, wie auch das Kuhschneidegeld, welches sich gleichfalls

jährlich auf 6 ggr. beläuft, und zwar danach als von dem Gastwirt viel Vieh gehalten wird. Solches

alles ist uns nun über anderthalb Jahr von der Contribution entzogen worden, da doch selbige jederzeit

hat völlig müssen bezahlet werden….Wann aber in der gemeine Holzung gekabelt wird, so

prätendiret (beansprucht) danach der Gastwirt aus diese anderthalb (Haus-) Stellen seine völlige

Holzung, welche ihm auch jederzeit ist gereicht worden…“

Die Antwort des Grafen von Bernstorff auf diese Klage lautet:

„Wenn der Gastwirt das Commode (Bequemlichkeit, Vorzug) der Bürgerstellen, die beym Gasthofe

ist, genießet, muß er auch das Incommode und auch die auf der Stelle haftenden bürgerlichen

Onera übernehmen“.

Aus dem Jahr 1741 haben wir den ersten Bericht eines gerichtlich beglaubigten Verkaufs eines

Ackerstückes. Christian Ellies aus Gartow brauchte Geld, um das Begräbnis seiner verstorbenen

Frau bezahlen zu können. Zu diesem Zweck wollte er ein Stück Gartenland verkaufen und findet

sich mit dem Käufer Joachim Dannehl zusammen auf dem Gerichtstage ein. Dort wird der Verkauf

bestätigt. In dem Bescheid heißt es: „Weilen des Herrn Kriegs-Raths von Bernstorff Hochfreiherrliche

Gnaden den Consens (Erlaubnis) hierzu selber erteilt haben, wie dem Gerichte bekannt ist,

so wird diese Verkaufung hiermit von Gerichtswegen bestätigt und dem Käufer Joachim Dannehl

diese Gartenkabel von Rechtswegen aufgetragen.“

268


1764: Gartower Bürgerrechnung – Beständige Einnahme aus „Haus-Pächte“

269


Als Nachfolger des obengenannten Bürgermeisters Hanß Hilgenfeld, der sein Amt bis 1752 verwaltete,

sind noch zu nennen:

1752 Johann Heinrich Meyer, 1753 Johann Heinrich Barge, 1770 Ernst Leopold Ziesenitz und

1772 Johann Wilhelm Hilgenfeld, vielleicht der Sohn des 1752 verstorbenen Hanß Hilgenfeld.

Aus dem Jahr 1757 ist noch eine Bemerkung erhalten, die des Humors nicht ganz entbehrt: Der

damalige Kantor Dingelstedt wollte Hochzeit halten, glaubte aber, die Kosten nicht aus eigenen

Mitteln aufbringen zu können, auch die Braut schien nicht gewillt, die Kosten der Hochzeitsfeier

allein zu übernehmen. Daraufhin stellt der glückliche Bräutigam einen Antrag, die Gemeinde möge

ihm die Kosten des Hochzeitsmahls erstatten und, da dieses abgelehnt wurde, wendet er sich nun

an den Amtmann, der ihm dann folgende Antwort erteilt: „Weil dem hiesigen Gericht nicht bekannt

ist, daß in den gedruckten Landes-Constititutionibus (Verordnungen) wegen der Hochzeitsmahlzeiten

für die Kirchenbedienten etwas gewisses verordnet sey, maßen die Verfügung, so in der

Lüneburger Kirchenordnung von Anno 1643 Cap. XII, 20 befindlich ist….“ Leider fehlen weitere

Nachrichten über diesen Fall und wir können nicht sagen, ob es dem Kantor Dingelstedt doch

noch gelungen ist, vielleicht auf Grund einer „hergebrachten ohnstreitigen Observantz“ sich einen

recht großen und billigen Hochzeitsbraten auf seine Festtafel zu stellen.

Die erste Brandversicherung in Gartow ist unter dem zuletzt genannten Bürgermeister Johann Wilhelm

Hilgenfeld gegründet. Es wurden zu diesem Zweck die Wohnhäuser, Scheunen und Ställe der

46 Bürgerstellen Gartows ihrem Werte nach abgeschätzt. Die Wohnhäuser sind mit 150 - 1500

Rtlr. veranschlagt. Nach 20 Jahren sind diese Wertangaben aber schon durchweg verdoppelt.

Ein Zeichen für die damalige Geldentwertung, wie sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts

allgemein zu erkennen ist. Das Verzeichnis der Versicherten enthält folgende Namen: Johann Wilhelm

Hilgenfeld, Johann Hinrich Meyer, Kammerdiener Meyer, Martin Niebuhr, Joachim Friedrich

Hildebrandt, Hennings, Jürgen Reinach, Gottfried Ludolf Schultz, Joachim Dietrich Schultz, Burchard

Sörgers, Johann Rode, Amtschreiber Kniep, Ludolf Kaulitz, Wiese, Hinrich Schönberg, Daniel

Cordes, Hinrich Christian Dannehl, Jürgen Hinrich Röhrs, Wilhelm Bischoff, Johann Joachim Röhls,

Hinrich Kruse, Christian Spohn, Friedrich Wilhelm Riecherts, Rönneberg, Belitz, Hans Jürgen Hasse,

Ernst Leopold Ziesenitz, Ludowig Waldau, Christoph Bormann, Andreas Gottlieb Bade, Christoph

Bente, Ebeling, Betke, Andreas Minte, Christian Schlüter, Nicolaus Lindhus, Friedrich Werner,

Cord Hinrich Meyer, Jacob Schulten, Levien Ahnsorge, Giegeler, Hartwig Hoyer, Ludwig Suhr, Christian

Pewestorff, Albrecht Hartwig, Friedrich Dräger, Gottfried Gerbers.

Eine damals bei Frauen vielfach angewandte Strafe scheint das Spinnhaus gewesen zu sein. So

wurde z.B. eine Frau aus Tobringen 15 Jahre ins Spinnhaus gebracht, weil sie ihrem Manne Gift

in den Kohl getan hat.

1772 ist der jetzige Glockenturm neben der Kirche erbaut. Nach dem Brande hatte man die Glocken

zunächst im Kirchtum untergebracht. Als nun der neue Glockenturm errichtet war, wurde mit

der Begründung, die Glocken seien jetzt schwerer zu läuten, auch die Entschädigung für die Läuter

erhöht (Oder ist vielleicht eine neue Glocke dazugekommen?). Bei dieser Gelegenheit wurden

auch die Beerdigungskosten neu festgesetzt: „…also bekamen sie nun dafür als Läuten und Kuhle

machen 12 ggr. Für eine große Leiche, so bei Tage begraben wird und groß Gefolge hat, bekommt

der Bürgerrichter, so das Bitten tun muß, 3 ggr. Bittet er nur die Träger allein, so nur 6 Pfg.

Der Bürgerrichter zapft das Folge- oder Trägerbier aus.“ Sollte damals auch in Gartow die Sitte

bestanden haben, daß man ein Begräbnis als Gelegenheit nahm, um ein Trinkgelage abzuhalten?

270


Nach der damaligen Kirchenordnung musste jeder Bürger in der Kirche seinen Kirchenstand gegen

eine jährliche Entschädigung von 3 ggr. mieten. Diese Bestimmung war aber scheinbar seit

längerer Zeit nicht mehr beachtet; denn am 8. Nov. 1790 stellt das gräfliche Gericht in Gartow fest,

daß ein großer Teil der Gartower Bürger keinen Stand gemietet hätten und mancher einen Stand

benutzte, der ihm nicht zukam. Darum wurde nun bestimmt „daß bei namhafter Strafe von Advent

dieses Jahres an: 1.) Jedermann sich einen Mietstand vom Kirchenjuraten anweisen lasse und

2.) niemand unter irgend einem Vorwand jemals einen anderen als den ihm angewiesenen Platz

betrete.“ Es folgt dann auch eine Neueinstellung der Kirchenstände und zwar am 23. November

mittags 2 Uhr, für die Einwohner Gartows und Quarnstedts, am nächsten Tage für Niendorf und

am 25. November für die Einwohner Meetschows. Es wurde bei dieser Neuverteilung auch das

Standgeld von 3 auf 6 und später sogar auf 8 ggr. erhöht, da die Nachfrage sehr groß war.

Im 17. und 18. Jahrhundert hat auch der

Amtmann als Verwaltungsbeamter große Bedeutung

für die Verwaltung Gartows und der

umliegenden Dörfer gehabt. Wir lesen seinen

Namen oft als Unterschrift und in zahlreichen

Listen oder Aufzeichnungen. Was er den Untertanen

zu verkündigen hatte, wurde auf dem

sog. Schulzentage, zu dem sich die Gemeindevorsteher

und der Bürgermeister Gartows einzufinden

hatten, bekanntgemacht. So heißt es

z.B. vom Jahre 1772: „Nachricht, was auf dem

Schulzentage von dem Herrn Amtmann ist vorgetragen

worden: 1772, d. 4 Febr. zum ersten

Mal aufm Schultzentag hingewiesen (Bemerkung

des Bürgermeisters Joh. Wilh. Hilgenfeld):

1764: Beständige Ausgabe sog. „OrdinaireRezeptur-

Gebühren“ für den Bürgermeister

01. Die Verordnung ist vorgelesen von Erneuerung der Sperlingsköpfe und Krähen, auch Hästerköpfe

wieder auf 6 Jahr (diese Vogelarten wurden als Schädlinge angesehen und für jeden

abgelieferten Kopf gab es eine Prämie).

02. Das die im vorigen Jahr im November extra ausgegebene Contribution im Monat Februar

bezahlt worden wäre (Kriegssteuer in Folge des Siebenjährigen Krieges).

03. Da die Unterthanen Holzlose zu verkaufen haben, so sollten sie die Brauhausschulden in

14 Tagen bezahlen.

04. Den 29. Febr. Carl And. Hildebrandten seine Schulden zu melden.

05. Da Leipen in Lomitz seine Güter verkauft worden, so sollen sich seine Schuldner melden.

06. Des Schäfers zu Lomitz, so allhier im Arrest sitzet, desgleichen seine Schuldner zu melden.

„1772 ist aufm Schultzentag kund gemacht: Wenn der Cantor, Küster, Schulmeister die Kinder

in der Schulstunde schreiben lassen, keine Bezahlung dafür haben sollen, sie sollen apart Stunden

dazu nehmen“. Von der Obrigkeit wurde damals nur gewünscht, daß die Kinder etwas Lesen

und Rechnen lernten. Schreibunterricht sollten nur die Kinder wohlhabenderer Eltern erhalten; sie

mussten dafür ein besonderes Schulgeld bezahlen.

Zwischen zahlreichen Aufzeichnungen über gefälltes Holz lesen wir dann noch kurze Worte über

Hochwasser, Deichbrüche und Überschwemmungen:

271


„1783 den 22. Januar ist auf dem Restorfer Damm am Binnenfelde Meyer und Steiling sein Deich

durchgebrochen vom großen Wasser 20 Ruthen lang (1 Ruthe = 4,66 m). Des abends 6 Uhr dem

Herrn Grafen sein Neudeich hinterm Quarnstedter Hof auch durchgebrochen, wovon alles vollgelaufen

auf Holtorf, Kapern, Gummern, Schnackenburger Felde. 1784 der Elbdeich zwischen Hohnstorf

und Artlenburg durchgebrochen, den 9. März der Alandsdeich bei Pollitz (gebrochen), stund

das Wasser ein Fuß (0,29 m) über unserer Brücke, den 10. März fiel es wieder.

1785 30. April war das Wasser so groß, daß es bis Schönberg sein Haus stand und diesseits die

Straßenränder von einem Ende bis zum anderen voll waren.

1786 den 20. Februar die Elbe zum zweiten Male vom Eis zugegangen, den 13. März angefangen

zu tauen und bei Grippel sich das Eis gesetzt, bis der Meetschower Graben (Seege) stund, worauf

das Wasser so plötzlich auflief, daß ich Pferde und Kühe aus dem Stall bringen mußte, um 4 Uhr

fiel es wieder, weil das Eis losgegangen und so wie es aufgelaufen, wieder weglief.“…

Zu Lebzeiten des Bürgermeisters Johann Wilhelm Hilgenfeld ist eine Feuerspritze angeschafft

worden. Im Juli 1795 hatte man nach langen Beratungen den Entschluß gefaßt, eine Spritze zu

kaufen. Eine Abordnung von drei Bürgern wurde nach Hannover geschickt und Gottfried Ludolph

Hildebrandt ist schon gleich mit vier Pferden nach Hannover unterwegs, um die Spritze abzuholen.

Nach etwa acht bis zehn Tagen kehrte die Spritzenkommission zurück, sie hatte sich in Hannover

auch gleich den Gebrauch der neuen Spritze erklären lassen. Täglich standen nun die Gartower

Schulkinder an der Straße nach Lüchow, um die Ankunft der Spritze abzuwarten. Die ganze Bürgerschaft

lief zusammen, als der Ruf erscholl:

„Die Spritze kommt, die Spritze kommt!“ An der Spitze der Bürgerschaft schreitet der alte würdige

Bürgermeister Hilgenfeld dem treuen Helfer in Feuersgefahr entgegen.

Wenige Tage später findet eine Versammlung der Bürger statt, in der festgesetzt wird, wer die

Spritze und wer die Schläuche führen soll und wer bei einem Brand an der Spritze arbeitet:

Als Spannhalter werden genannt: Gottfried Ludolf Hildebrandt, Christian Wilhelm Hasse, Christoph

Ludwig Bätche, Johann Christian Spohn, Johann Friedrich Ohnsorge und als „Arbeitsmannen

bey der Feuerspritze“: Diedrich Christoph Ludwig Waldau, Georg Anton Heinrich Meier, Christoph

Ernst Leopold Ziesenitz, Georg Friedrich Bohnke, Jürgen Heinrich Hamann, Ernst Heinrich Andreas

Schönberg, Georg Ernst Giese, Joachim Peter Schulz, Friedrich Wilhelm Hennings, Joachim

Hartwig Hoyer, Joh. Friedr. Gottl. Baade, Christian Wilh. Riechers, Jürgen Christoph Riechers, Joh.

Friedr. Bennecke, Gottl. Heinr. Christ. Sörger.

1797 bringt Bürgermeister Hilgenfeld noch eine Abschrift der gerichtlichen Entscheidung über

eine Klage der Bürgerschaft gegen den Schmiedemeister Heinrich Andreas Schönberg, der zu 1

Rtlr. Strafe verurteilt war, weil er im Bürgerholz Gras gemäht hatte. In einer zweiten Klage verlangt

die Bürgerschaft von demselben Schönberg 4 Rtlr. Weidegeld, weil er „zwei fremde ihm nicht zugehörige

Füllen auf ihre Weide (Gemeindeweide) gejagt.“

Drei Jahre später legt Bürgermeister Hilgenfeld sein Amt nieder. Seine letzte Eintragung berichtet

darüber: „1800, am 26. Juni abends 7 ½ Uhr bei dem Herrn Geheimrat von Bernstorff habe ich

von meinem Bürgermeisteramt abgedankt. N.B. wegen Alter und Schwäche halber.“

Mit dieser Bemerkung schließt ein arbeitsreiches Leben und ein wichtiger Abschnitt in der Entwicklung

Gartows ab.Nach dem Rücktritt Hilgenfelds führte sein Amt zunächst Ratsverwandter

Meimann weiter. Aber schon nach einem Jahre finden wir zum dritten Male in der Reihe der Bürgermeister

Gartows den Namen Hilgenfeld: „den 25. September 1801 bin ich in Gegenwart der

272


Bürger zum Bürgermeister erwählet und beeidigt, Carl Wilhelm Hilgenfeld. Von Johanni 1800 habe

ich den Bürgermeisterdienst verwaltet in Meimann seinem Namen, der ihm nicht vorstehen konnte

und den 25. Sept. 1801 aufgesagt hat und Meimann wieder Kirchenjurat geworden ist und ich

zum Bürgermeister beeidigt wurde. E.W. Hilgenfeld.“

Er ist mit seinen Niederschriften aber nicht weiter gekommen als zu Holzverkäufen, Verzeichnissen

usw. Ein Verzeichnis sämtlicher Bürgerstellen aus dem Jahr 1801 liegt vor:

Hans Christoph Gerber, Gottlieb Ludolph Hildebrandt, Gottlieb Sörger, Johann Peter Schultze,

Heinrich Otto Gartauer, Georg Ernst Giese, Friedrich Wilhelm Hennings, Johann Christ. Hildebrandt,

Cords, Witwe Kniep, Daniel Wiese, Carl Wilhelm Hilgenfeld, Bürgermeister; Ernst Heinrich

Schönberg, Johann Christ. Meimann, Joh. Georg Lindhuß, Joachim Christ. Sacks, Johann Heinrich

Döpner, Jürgen Heinrich Hamann, Peter Friedrich Honig, Johann Ludolph Bischoff, Friedrich

Christ. Gädke, Johann Joachim Röhl, Höger (ehemalig Pevestorf), Johann Höger, Röbers Witwe,

Jürg. Christ. Riechert, Johann Ludwig Kruß, Witwe Sauer, Spohn, Christian Wilhelm Riechert, Witwe

Niebuhr, Belitz (jetzt herrschaftlich), Johann Heinrich Giegeler, Fr. Konr. Behnke, Christian Wilh.

Haß, Johann Heinrich Ziesenitz, Busso Harbord (Apotheker), Georg Anton Heinrich Meier, Diedrich

Lud. Waldow, Lev. Chr. L. Badien, Johann Friedr. Gottl. Bade, Joh. Fr. Bente, Hildebrandt (jetzt

herrschaftlich), v. Schultzen (jetzt herrschaftlich), Hospital, Jacob Heinr. Beyer, Johann Joachim

Dröge, Joh. Wilhelm Salge, Gasthaus, Meimann, Kirchenjurat; Bade, Kirchenjurat; Christ. Wilhelm

Riechert, Bürgerrichter; Grabow, Pfandemann; Nagel, Kuhhirte; Kränau, Schweinehirte.

1810, 1815, 1838 finden wir Aufzeichnungen, daß Harbord (wahrscheinlich der 1801 genannte

Apotheker) Bürgermeister ist. 1847, 1852 und 1862 wird Bürgermeister Dröge genannt und

1875 Köhnke, aber alle Niederschriften unterbleiben jetzt. Nur 1864 unternimmt noch einmal H.

Bischoff einen Versuch, die Chronik Gartows zu vervollständigen. Er beginnt mit einer sehr umständlichen

Vorrede:

„Dieses alte Bürgerbuch ist ein Erbstück unserer Voreltern, es datiert sich von 1652, ist also über

200 Jahre alt und daher wohl wert, es auch unsern späteren Nachkommen zu überliefern. Es ist

zwar nicht regelmäßig fortgeführt worden, vielleicht eine Folge der in der damaligen Zeit noch

wenig in der Schreibkunst geübten Bürger….ich werde versuchen, die Beschreibung des großen

Brandes von Gartow von 1720 und auch den Brand von 1746, so viel ich aus alten Documenten

davon Kenntnis genommen und auch noch andere Merkwürdigkeiten, die der Nachwelt zu überliefern

wert sind, nachzutragen und dann von dem Jubeljahr 1800 die wichtigsten Merkwürdigkeiten

nach der Reihenfolge aufführen. Gartow im Juli 1864 H. Bischoff“

Das war gewiß eine lobenswerte Absicht des Schuhmachers Bischoff, von dem wir feststellen

müssen, daß er zwar kein Bürgermeister aber als Volksredner und gebildeter Mann zu seiner

Zeit bekannt war. Leider ist aber von seiner ganzen Arbeit nichts weiter geworden, er ist nicht

über die Vorrede hinausgekommen. Weshalb nicht? Wir wissen es nicht. Es folgen 78 leere

Seiten. Und wenn wir nun diese 78 leeren Seiten umgeblättert haben, dann ist unser Ratsbuch

zu Ende und wir sehen uns eigentlich einem großen Fragezeichen gegenüber. Wie viele

Fragen sind unbeantwortet geblieben, wie viele Fragen sind erst durch dieses Buch angeregt.

Es sind eigentlich alles nur kleine, scheinbar unbedeutende Tatsachen aus dem Gartow des 17.

und 18. Jahrhunderts…“ 3

273


3.11.1858: Eidesformel zur Beeidigung der Beamten in den Landgemeinden

274


Bürgermeister in Gartow ab 1673

1673 Heinrich Dammann und Heinrich Kleffler (zeitweise zusammen)

Simon Joachim Walther

25.10.1697 Caspar Schrödter und Hanß Rathken

1703 Adam Christian Hildebrandt

1.10.1724 - 1752 Hanß Hilgenfeld

1752 Johann Heinrich Meyer

1753 Johann Heinrich Barge

1770 Ernst Leopold Ziesenitz

1772 - 1800 Johann Wilhelm Hilgenfeld (evtl. Sohn von J. H. Hilgenfeld)

1800 Weiterf. durch Meine, Ratsverwandter

25.09.1801 Carl Wilhelm Hilgenfeld

1810, 1815, 1838 Harbord

1847, 1852, 1862 F. Dröge

1866 Schneidermeister Köster

1875 Köhnke oder Könke

1900 Adolf Bardien

Danach Aug. Schulz, dann Behrens dann Theodor Beyer

Bürgermeister in Gartow ab 1945

bis Mitte 1945 theodor Beyer (wurde nach Ende des Krieges vom Amt enthoben) da

nach kurzfristig Karl Heise (11.6.1945), wegen Krankheit Amtsaufgabe

ab 27.7.1945

Alfred Thier (v. Landrat ernannt)

ab Juli 1946

Paul Henning und Thier, Gemeindedirektor

1946 - 1956 (Nov.) Paul Henning

1956 - 1959 Ernst Schmidt (ab 1959 nach Wolfenbüttel), (später Schmidt-Maury)

1959 - 1972 Paul Henning

1972 - 1976 Paul Henning

1976 - 1981 Ernst Schmidt-Maury

1981 - 1986 Ernst Schmidt-Maury

1986 - 1991 Ernst Schmidt-Maury

1991 - 1996 Hans-Dietrich Schmieder

1996 - 2001 Horst Waldow

2001 - 2006 Horst Waldow

2006 - 2011 Hans-Udo Maury

2011 - Ulrich von Mirbach

Gartower Ratsprotokolle 1862 - 1866

Als der „Gartower Heimatbote“ am 8. Oktober 1970 wieder eingeführt wurde, nachdem er von

1913 - 1939 schon einmal erschienen war, gab es immer wieder auch Platz für geschichtliche

Beiträge. Bereits in der Nummer 2 ist eine Artikelserie „Vor über 100 Jahren“ erschienen. Vor allem

sind Auszüge aus dem Bürger- und Protokollbuch von Gartow ab 1862 veröffentlicht worden.

Die Kommunalverwaltung erfolgte nicht mehr in Abhängigkeit von der Gutsherrschaft, die 1850

aufgehoben wurde, sondern nach den Grundsätzen der Landgemeindeordnung vom 4. Mai 1852.

275


Das bedeutete weitgehende Selbstverwaltung. Um die damaligen Vorgänge zu veranschaulichen

und um einige Bürgernamen zu nennen, folgen (mitunter stark gekürzte) Auszüge:

16.12.1862

An der Sitzung im Gasthaus Hahn nahmen teil: Amtsrat Stölting, Amtvorsteher Schrader, Schlachtermeister

Wäge, Postverwalter Dankert, Rademacher Baark, Schuhmacher Bennecke, Zimmermeister

Könke, Gerichtsverwalter Wagener, Kaufmann W. Hahn, Buchbinder Wrede und Gastwirt

Hahn, sowie Bürgermeister F. Dröge. Amtsverwalter Schrader beantragte die Einsicht in frühere

Gemeindeabrechnungen, um festzustellen, wie hoch „das zu Gemeinde-Abgaben verwendete

Genossenschafts-Vermögen ist“. Dagegen protestierte der Bürgermeister, da bekannt sei, wofür

Ausgaben anfallen: z.B. zur Unterhaltung des früheren Hirten- und Armenhauses, Instandhaltung

von Feuerlöschgerätschaften, Besoldung des Bürgermeisters und Gemeindedieners.

2.1.1863

Bei der vorigen Sitzung war im Übrigen beschlossen worden, Ratsmitglieder, die den Sitzungen

unentschuldigt fernbleiben, für jede Unterlassung mit 5 Groschen zu bestrafen. Das so gesammelte

Geld floß der Armenkasse zu. Beraten wurde über die Aufnahme des Schneidergesellen Th.

Schulze als Bürger in Gartow. Da er aber mit 25 Jahren noch nicht volljährig war und bisher kein

Führungszeugnis vorliegt, ist sein Antrag abgelehnt worden.

31.1.1863

Zur Sitzung erschienen waren: Bürgermeister Dröge, Rathmann Waldow, Rathmann Hahn, Bürgervorsteher-Wortführer

Schrader, die Bürgervorsteher Köster, Waege, Wagener, Dankert, Bennecke,

Baark, Wrede, Leip, W. Hahn, Stölting, Könke. Seit dem 1.1.1863 war eine Trennung in Politische

Gemeinde und Interessenten-Gemeinde (Realgemeinde) erfolgt. Dann kam man zurück auf die

von Schrader geforderte Vorlage der Bürgerabrechnungen der letzten 5 Jahre, wobei das Gehalt

des Bürgermeisters von den 73 Rtlr. Gesamtausgaben 60 Rtlr. verschlungen hatte (daher die

Weigerung von Bgm. Dröge). Die Restausgaben bezogen sich auf Bürgerbotenlohn, Schreibmaterialien

und Besichtigung der Feuerstellen. In den Vorjahren kamen Ausgaben für die Anschaffung

von Feuerlöschgerätschaften hinzu (Ledereimer, Geld für Feuerwachen, Ausgaben beim Feuerlöschen).

Interessant ist für 1859 die Ausgabe zur Erneuerung der Kleidung (Rock und Hose) des

Gartower Nachtwächters. Immer wiederkehrend waren das Bürgermeistergehalt, Bürgerbotenlohn,

Schreibmaterialbeschaffung, Feuerlöschgerätschaften-Anschaffung und periodisch Ausgaben

für Wegebesserungen. Weiterhin wurde beschlossen, sich über die künftige Finanzierung des

Gemeindehirtenhauses, welches bisher als Wohnung für den Gemeindediener und Nachtwächter

diente, hinsichtlich der Bauunterhaltung zu beraten.

7.2.1863

Die Politische Gemeinde forderte nun von der Realgemeinde 20 Rtlr., die bisherige Gemeindedienerwohnung

(der Diener war zugleich als Pfänder tätig) mit Garten, das Armenhaus und das Spritzenhaus

mit Inventar. Es wurde beschlossen, der Politischen Gemeinde lediglich das Hirtenhaus

zur baulichen Unterhaltung zu überlassen.

15.2.1863

Der Amtsvogt und gleichzeitiger Bürgervorsteher hatte zwischenzeitlich eine neue Beitragsregelung

zur Finanzierung der Gemeindeausgaben erarbeitet und stellte diese vor. Sie wurde einstimmig

angenommen, weil sie „als für die Verhältnisse des hiesigen Städtchens passend“ befunden

wurde.

276


5.5.1863

Gemeinde-Vorstand und Bürgerausschuß hatten zum Verkauf „der sich im Concurs befindlichen

Giese`schen Bürgerstelle zu beraten“. Der Konkursverwalter Ludewig bei der Königl. Landdrostei

Lüneburg wollte Bürgerstelle und dazugehörige Ländereien getrennt verkaufen lassen. Der

Rat sprach sich dagegen aus und es „wünschenswerth sei, wenn ein entsprechender Theil vom

Grundbesitz bei den hiesigen Bürgerstellen verbleibe, indem auf denselben nicht unbedeutende

Deichlasten ruhten und es unter Umständen leicht möglich wäre, dass ganz eines Grundbesitzes

entblößte Stelle diese Lasten nicht tragen könnte“.

28.9.1863

Nun wurde in Bürgervorsteher Hahn und Waldow sowie die Mehrzahl in Bürgerdeputierte unterschieden,

nicht mehr Rathmann und Bürgervorsteher. Neu aufgenommen in die Gemeinde Gartow

wurden Klempnergeselle Carl Igel, gebürtig aus Berlin, Schuhmachergeselle Ludwig August

Sturm, gebürtig aus Gartow und Schneidergeselle Friedrich Franz Heinrich Behrends, gebürtig aus

Gartow. Abgelehnt dagegen ist die Aufnahme des Maurergesellen Ohnesorgen aus Lüchow „weil

kein Nachweis über deßen früheres Betragen vorgelegt werden konnte“.

Auch lieferte Schneidergeselle Behrends eine Arbeitsprobe, einen grauen Tuchrock, ab; welcher

von den Schneidermeistern Wiese und Köster für gut befunden worden ist.

25.10.1863

Drei Bürgerdeputierte waren der Sitzung ohne Begründung ferngeblieben und zahlten jeweils 5

Groschen Strafe. Beraten wurde über die Aufnahme des Dienstknechtes Heinrich Thoms aus Lanze.

Man vertagte sich „weil man bezweifelte, daß sich derselbe nach seinem bisherigen Betragen

allhier dauernd als Handarbeiter ernähren könne“. Er mußte wohl Bürgen beibringen.

9.1.1864

Die beantragte Aufnahme des Tagelöhners Friedrich Prigwitz aus Malchow/Meckl. wurde nicht

befürwortet „indem derselbe, so viel bekannt, eine auswärtige Person heirathen wolle, welche

bereits 2 außereheliche Kinder von anderen Männern habe und mit dem 3ten schwanger gehe“.

Eine Ablehnung erhielt auch der Dienstknecht Hase (wohl Hasse) „der Sohn des im hiesigen Armenhause

befindlichen Tagelöhners Hase“. Grund: „ indem der Antragsteller noch nicht 25 Jahre

alt sei, als ein durchaus nicht fleißiger Handarbeiter bekannt, überall kein Vermögen besitze, um

einen Hausstand gründen zu können und daher gerechte Bedenken getragen werden müßten,

daß er eine Familie ernähren könne“.

Der damals in Bremen tätige aber aus Gartow stammende Maurergeselle Wilhelm Wiech plante

sich in Bremen zu verheiraten. Dafür beantragte er in Gartow den sogen. Rüdeschein“, eine Art

Rückversicherung, falls er in Bremen kein Heimatrecht erwerben konnte. Dann durfte er Aufnahme

in Gartow finden.

Danach mußte man sich mit einer Beschwerde des Grafen von Bernstorff beschäftigen. Er war

der Auffassung, der Weg von Gartow über Buchhorst und Rucksmoor nach Wirl sei sein Privatweg.

Nun ist die Ansicht der Gemeinde Gartow dargelegt worden: „Von Gartow an der Landstraße bis

zum Handweiher am Hahnenberge entlang, dann links ab, den Prezeller Weg bis ans Bürgermoor,

daran vorbei, den Gorleben-Niendorfer Weg von der Buchhorst nach Rucksmoor bis zur s.g. Kartoffel-Bahn,

dann diese entlang bis in die s.g. Wirlsche Allee, wo der Weg dann in gerader Richtung

nach Wirl führt“. Dieser Weg sei ein öffentlicher und ohne Behinderung zu benutzen. Jedoch sollte

zugleich festgestellt werden, welche Wege innerhalb der Gemarkung Gartow als öffentlich zu bezeichnen

sind.

277


10.3.1864

Arbeitsmann Thoms aus Lanze hatte sich wohl bei der Amtsverwaltung über seine Ablehnung

beschwert, da ihm nun der Aufenthalt in Gartow gestattet wurde. Allerdings wirkte als Druckmittel

eine Erklärung des Verhaltens der Gartower Bürgervorsteher seitens der Amtsverwaltung. Da die

Begründung wohl schlecht ausgefallen wäre, wählte man lieber den bequemen Weg und nahm

Thoms auf. Zimmergeselle Hans Koch, Sohn des Gartower Gerichtsdieners erbat zu seiner geplanten

Heirat in Lenzen ebenfalls einen „Rüdeschein“ (wohl Rückschein), der ihm ausgestellt

worden ist.

Ferner wurde beschlossen, daß die neue Beitragsregelung zur Finanzierung der Gemeindeausgaben

auch für die An- und Abbauer in Gartow verbindlich wird. Weiterhin bestand Einvernehmen,

daß künftig der Bürgermeister und der Wortführer des Bürgerkollegiums die Sitzungsprotokolle

gemeinsam unterschreiben „um öffentlichen Glauben zu haben“.

6.10.1864

Nach gesetzlicher Vorgabe mußte ein Drittel der Gemeindeausschuß-Mitglieder ausscheiden oder

neugewählt werden. Wiedergewählt wurden: Kaufmann Hahn „als Mitglied des dreifachen Stimmrechttums“,

der Zimmermeister Könke „als Mitglied des zweifachen Stimmrechtums“ sowie neu

Schuhmachermeister Giegeler und Sattlermeister Hörnick.

3.2.1865

Der aus Gartow stammende Klempner Homann war in Harburg in Nöten: der dortige Magistrat forderte

einen Heimatrückkehrschein nach der neuen Vorschrift vom 3.4.1860, anderenfalls sollte er

nach Gartow zurückgeschickt werden. Allerdings hatte man in Gartow erfahren, daß Homann sich

in Harburg ein Haus gekauft und somit dort ein Heimatrecht erlangt habe.

7.2.1865

In dieser Sitzung ging es um die für Gartow eigentümlichen „Notgänge“, kleine Gassen bzw. Fluchtwege

bei Feuersgefahr, die beim Wiederaufbau des abgebrannten Gartow als künstliche Lücken

geschaffen wurden. Wer diese zu Privatzwecken benutzte, sollte dafür eine Gebühr bezahlen, was

man nicht einsah. Nur Drechsler Köster hatte angeboten, eine Zahlung zu leisten. Nach vorausgehender

Diskussion erging der Beschluß: „ daß Vorrichtungen getroffen, namentlich Hindernisse

eingegraben werden sollten, wodurch den Anliegern die Auffahrten auf ihre Höfe von den Nothgängen

aus unmöglich gemacht würde.“ (ausgenommen Köster). Die Notgänge befanden sich im

Eigentum der Politischen Gemeinde Gartow.

4.7.1865

Dem Tagelöhner Friedrich Nieß aus Gummern wurde ein Zuzugsrecht nach Gartow verweigert

„indem der p. Nieß wegen seiner Kurzsichtigkeit und Körperschwäche nicht die Garantie biete,

daß er als Tagelöhner für die Dauer im hiesigen Orte, wo Mangel an Arbeitern nicht vorhanden sei,

Arbeit finden werde“. Dagegen wurde Frau Dr. Westphal aus Hamburg ein zeitweiliges Wohnrecht

in Gartow erlaubt.

Die Sitzung ist vorzeitig abgebrochen worden, als Bürgervorsteher Leip der Versammlung vorhielt

„seien es Schöppenstedter Streiche, wenn das Bürgervorsteher-Collegium beschlossen habe, auf

öffentlicher Straße Pfähle schlagen zu lassen“ (die Notgänge wurden für Fuhrwerke gesperrt). Die

Versammlung fühlte sich daraufhin beleidigt, forderte Leip zum Gehen auf, was Leip verweigerte.

Daraufhin wurde die Sitzung „zur Verhütung weiterer Beleidigungen“ geschlossen. Dann entschuldigte

sich Leip.

278


20.7.1865

Die Notgänge beschäftigten das Bürgervorsteher-Kollegium weiterhin. Uhrmacher Leip wollte man

es nicht verzeihen, daß er die Bürgervorsteher beleidigt habe. Aber da war in der Zwischenzeit

noch etwas dazugekommen: Leip und Könke hatten wohl die Sperrpfähle beschädigt, wobei Könke

als Zimmermann wohl wußte, wie das anzustellen ist. Auch Ackerbürger Schaal war in diese

Angelegenheit verwickelt. Bürgervorsteher Giegeler mußte erklären, daß er mit Könke in geschäftlicher

Verbindung stehe und befangen sei. Wenig später jedoch, auf weiteres Befragen, stellte er

sich gegen Könke. Gegen Leip und Könke lagen Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung vor.

19.9.1865

Zu neuen Bürgervorstehern wurden gewählt: Kaufmann Krug (für den ausgeschiedenen Amtsrichter

Stölting), Holländereipächter Meineke aus Quarnstedt (f.d. Gerichtsvogt Wagener), Zimmermeister

Brunneß (f.d. Uhrmacher Leip) sowie Postverwalter Dankert, der wiedergewählt wurde.

2.12.1865

Das Zuzugsrecht nach Gartow erhielten Arbeitsmann Carl Hasse und der Dienstknecht Christian

Carmienke aus Jameln. Gastwirt Hahn erklärte „seinen Austritt aus dem Magistrate“, wobei seine

Begründung dafür akzeptiert worden ist. Für die ihren Posten aufgebenden Drechsler Köster und

den verstorbenen Böttcher Honig sind als neue Armenvorsteher die Bürgervorsteher Brunneß und

Waege gewählt worden. Genehmigt wurde ferner der Verkauf einer 5 Morgen großen Wiese auf der

Pfingstweide vom Halbbürger Köhnke an der Halbhufner Schulz in Nemitz.

8.1.1866

Neu gewählt als Bürgervorsteher wurde Schneidermeister Köster. Beraten wurden die künftigen

Gemeindeausgaben (Bürgermeistergehalt 60 Rtlr., Gehalt Bürgerdiener 4 Rtlr., Feuerstellenbesichtigung,

Baukosten 12 Rtlr., Wegebesserung 12 Rtlr., Nebenanlage-Beiträge 34 Rtlr., Brandkassengeld

2 Rtlr., Hebammen-Beitrag, Schreibmaterialien). Recht hoch mit 20 Rtlr. ist der Zuschuß

zur Armenkasse gewesen („wurde unter dem Vorbehalte bewilligt, daß demnach nicht mehr zugeschoßen

werden sollte, als das Bedürfnis durchaus erfordere und werde erwartet, daß hierüber

am Schlusse des Jahres näherer Nachweis geliefert würde“).

18.1.1866

Dem Maler Carl Krüger aus Rucksmoor, seinerzeit sich jedoch in Prag aufhaltend, wurde für sich

und seine Familie in Gartow ein Wohn- und Bürgerrecht bewilligt.

10.3.1866

Der Gartower Grenzaufseher Kraft bat für seinen in Hamburg als Amtsvogt tätigen, am 7.2.1838

in Hameln geborenen Sohn Carl Eduard Kraft um die Ausstellung eines Domizil- bzw. Rückkehrscheines,

weil er in Hamburg heiraten wollte. Dieser Bitte wurde entsprochen. Abgelehnt dagegen

wurden gleichartige Gesuche vom Tischler Heinrich Rückert, der in Harburg wohnte und vom Tagelöhner

Friedrich Hennings aus Restorf.

13.3.1866

Um gesetzlichen Vorgaben nachzukommen, ist für Gartow eine Stimmordnung festgelegt worden.

Gemeindemitglieder, die bei der ersten Umlage 19 ggr. und mehr beitrugen, erhielten ein vierfaches

Stimmrecht, solche von 11 - 19 ggr. ein dreifaches, solche von 5 - 11 ggr. ein zweifaches und

solche, die mindestens 5 ggr. beitrugen, ein einfaches Stimmrecht bei Abstimmungen in Gemeindeangelegenheiten.

279


11.5.1866

Erneut wurde zur Erteilung von Domizilscheinen beraten, genehmigt worden sind die Gesuche des

Gartower Färbergesellen August Albrecht und der Witwe Goedecke, ebenfalls aus Gartow. Sie wollte

sich in Kapern verheiraten, aber die dortige Gemeinde verlangte einen Schein für ihre 7jährige

Tochter, die aus 1. Ehe stammte. Nicht genehmigt wurde das Gesuch vom Gartower Tischlergesellen

Miethling, der seinerzeit in Kaierde im Braunschweigischen arbeitete. Begründung: „da der p.

Miethling noch militairpflichtig und bei den gegenwärtigen Aussichten zum Kriege leicht einbeordert

werden könne, wodurch die demnächstige Frau desselben ohne Ernährer sei und leicht dem

hiesigen Flecken zur Last fallen könnte, derselbe auch als Geselle bislang keine Garantie böte,

eine Familie nachhaltig ernähren zu können.“

28.7.1866

Zu beraten war über die Forderung der Amtsverwaltung, dem Abverkauf folgender Gartower Grundstücke

zuzustimmen: eine Wiese auf der Pfingstweide vom Tischler Louis Riechert, desgleichen

vom Tischler Lichtenberg an den Kossater v. Ahsen in Tobringen und der Meinertschen Bürgerstelle

mit ca. 20 Morgen Wiesen und Acker an den Gartower Färber August Albrecht. Es erfolgte

Zustimmung, weil „noch genügend Grundstücke bei den Stellen verbleiben werden, um die Reichslasten

davon tragen zu können.“

4.9.1866

Gewählt wurden Vertreter für die Stimmrechtsklassen, nämlich: Kaufmann Schmidt und Schuhmacher

Heinrich Bennecke (für das vierfache Stimmrecht), Gastwirt Hildebrandt und Böttchermeister

Carl Honig (dreifaches) und Arbeitsmann Greßmann (einfaches). Kaufmann Schmidt ist

ferner zum Wortführer des Bürgervorsteher-Kollegiums gewählt worden.

13.11.1866

Der Postverwalter Dankert legte sein Amt als Gemeinderechnungsführer nieder, als Nachfolger

wurde Zimmermeister Bruneß gewählt. Dienstknecht Dipner aus Ranzau, der die Tochter des

Hauswirts Jaat aus Trebel heiraten wollte und in Gartow die Thomsche Abbauerstelle käuflich erworben

hatte, erhielt keinen Domizilschein. Obwohl er 80 Rtlr. anzahlte, bot er „keine genügende

Sicherheit und durch Stellvertretungs-Contract nicht zu ersehen war, ob die Summe von 250 Rtlr.

noch vorhanden sei.“ Einen solchen erhielt jedoch der Gartower Leineweber Schulz „welcher das

Haus der verstorbenen Marie Honig gekauft und auf Versicherung des Bürgervorstehers Giegeler

eine Anzahlung von 200 Rtlr. geleistet“ hatte. Dem Antrag des Maurergesellen W. Gerber, aus

Gartow stammend aber in Harburg arbeitend, auf Ausstellung eines Trauscheines konnte nicht

entsprochen werden, da hierfür die Gemeinde nicht zuständig war.

Drechslermeister Köster war noch immer erbost über die Sperrung des Feuernotganges bei seiner

Hausstelle. Die drei Bürgervorsteher Schmidt, Dankert und Hildebrandt sollten eine Lösung

suchen. Uhrmacher Schulz erwartete eine Strafe, weil er ohne vorherige Anmeldung bei der Gemeinde

den Kutscher Pinneberg bei sich aufgenommen hatte.

20.12.1866

Dienstknecht Chr. Timm aus Holtorf gedachte sich in Gartow zu verheiraten und beantragte daher

einen Domizilschein. Als Rückversicherung verlangte jedoch die Bürgerschaft einen Rückschein

der Gemeinde Holtorf, falls aus der Heirat nichts wird. Arbeitsmann Joachim Teege aus Laasche,

der in Gartow bisher „ ungesetzlich“ gewohnt hat, wurde in Bezug auf seine Bedürftigkeit nicht in

Gartow aufgenommen.

280


Am 20. Februar 1893 erlangte das „Ortsstatut für die Gemeinde Gartow“ Gültigkeit. In 15 Paragraphen

wurden die Gemeindeverhältnisse geregelt, wobei das vorher geltende Ortsstatut vom 22.

Mai 1875 aufgehoben worden ist. Es entspricht in etwa den zuvor berichteten Bestimmungen, jedoch

in damals aktualisierter Form. Gleichzeitig wurde ein „Statut betreffend die in der Gemeinde

Gartow zu erhebende Hundesteuer“ in Kraft gesetzt. 4

Bürgergrundstücke im Flecken Gartow. Gezeichnet aus der Erinnerung von Oberförster Schmidt

281


Bürgerstellen im Flecken Gartow. Gezeichnet aus der Erinnerung von Oberförster Schmidt

282


Gemeinde-Ausschuss

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmte ein Gemeindeausschuß die Geschicke von Gartow

mit, wie die nachfolgenden Paragraphen erkennen lassen:

§ 1 Jedes Gemeindemitglied, welches im Flecken Gartow einen selbstständigen Haushalt führt,

sowie jeder auswärts wohnende Besitzer einer Bürgerstelle, eines Wohnhauses oder sonstigen

Grundstückes ist verpflichtet, zu den Gemeindelasten beizutragen.

§ 2 Die Beiträge zu den Gemeindelasten werden nach Umlagen erhoben. Bei der Ermittlung der

Umlagen wird der ganze jährliche Betrag der Grund- und Gebäudesteuer von den im Gemeindebezirk

belegenen Grundstücken und Gebäuden und die Hälfte des Betrages der Klassen- und klassifizierten

Einkommenssteuer, zu welcher Beitragspflichtige veranlagt ist, dergestalt zu Grunde

gelegt, daß von der wirklich zu entrichtenden ganzen Grund- und Gebäudesteuer mit Hinzurechnung

der Hälfte der Klassen- und klassifizierten Einkommenssteuer oder wenn weder Grund- noch

Gebäudesteuer entrichtet wird, von der Hälfte der Klassen- und klassifizierten Einkommensteuer

a) von den ersten 3 Mark und darüber 1 Mark 50 Pfg., b) von jeder vollen Mark mehr 50 Pfg. als

Beitrag gehoben werden. Überschreitende, nicht eine volle Mark ausmachende Steuerbeträge

kommen nicht in Berücksichtigung.

Besitzer von Gebäuden und Grundstücken, welche nicht im Flecken Gartow wohnen, und weniger

als 3 Mark Grund- und Gebäudesteuer für diese Grundstücke und Gebäude zu entrichten verpflichtet

sind, haben als jährlichen Beitrag zu den Gemeindelasten zu entrichten, wenn sie weniger

als 2 Mark an Grund- und Gebäudesteuer zu zahlen haben = 50 Pfg. und wenn sie 2 Mark und

darüber an Grund- und Gebäudesteuer zu zahlen haben = 1 Mark. Gemeindemitglieder, welche,

weil ihr jährliches Einkommen den Betrag von 420 Mark nicht erreicht, von der Klassensteuer

befreit sind, haben eine jährliche Abgabe von 50 Pfg. zu bezahlen.

§ 3 Die nach § 2 zu 3 Mark und weniger beschriebenen Abgabepflichtigen haben nur eine Umlage

im Kalenderjahre zu berichtigen. Von den zu mehr als 3 Mark veranlagten Abgabepflichtigen sind

so viele Umlagen zu leisten als zur Hebung des Bedürfnisses erforderlich sind. Bei Berechnung der

zweiten und jeder ferneren Umlage fällt jedoch der besondere Beitrag von 1 Mark 50 Pfg. für die

ersten 3 Mark der veranlagten Steuern hinweg und wird nur für jede Mark der veranlagten Steuern

5 Pfg. als Beitrag gehoben.

§ 4 Die Ermittlung der annehmungsfähigen Steuerkraft soll nach dem amtlichen Steuerrollen

des abgelaufenen Kalenderjahrs geschehen, unbeschadet jedoch der durch den Ab- und Zugang

Beitragspflichtiger veranlassten Veränderungen. Die Listen, in welchen die heranzuziehende Steuerkraft

eines jeden Beitragspflichtigen verzeichnet ist, sind vor Hebung der ersten Umlage 8 Tage

öffentlich auszulegen. Innerhalb dieser 8tägigen Frist können Reklamationen bei dem Bürgermeister

des Fleckens Gartow oder bei dem Kgl. Amte Lüchow angebracht werden, später erhobene

Reklamationen bleiben unberücksichtigt. Über die erhobenen Reklamationen entscheidet in

erster Instanz das Kgl. Amt Lüchow.

§ 5 Die Hebung der Umlagen geschieht in der Regel in vierteljährlichen Raten. Zur Deckung unvorhergesehener

Ausgaben können jedoch auf Beschluß des Gemeindeausschusses zu jeder Zeit

Umlagen ausgeschrieben werden.

§ 6 Die stimmberechtigten Gemeindemitglieder werden in 4 Classen geteilt. In der ersten Classe

mit 4 fachem Stimmrecht gehören diejenigen, welche zu den Gemeindelasten als erste Umlage

2 Mark 80 Pfg. und darüber beizutragen, zu der zweiten Classe mit 3 fachem Stimmrecht diejeni-

283


gen, welche 2 Mark bis exclusive 2 Mark 80 Pfg., zu der dritten Classe mit zweifachem Stimmrecht

diejenigen, welche über 1 Mark 50 Pfg. bis inclusive 2 Mark und zur vierten Classe mit 1 fachem

Stimmrecht diejenigen, welche mindestens 50 Pfg. als erste Umlage beitragen. Die Classen werden

jährlich nach den Beitragslisten berichtigt und kommen rücksichtlich der Auslegung derselben

und des Reklamationsverfahrens die Bestimmungen des § 4 zur Anwendung.

§ 7 Die Fleckensgemeinde wird vertreten durch einen Ausschuß, welcher besteht aus drei von

den Stimmberechtigten der ersten Classe, drei von denen der zweiten Classe, zwei von denen

der dritten Classe und einem von denen der vierten Classe gewählten Mitgliedern. Die Gewählten

brauchen nicht zu der Classe der Stimmberechtigten, von welchen sie gewählt sind, zugehören.

Jede Stimmrechts-Classe wählt für sich und ist daher zu den Wahlen nur die Ladung der Mitglieder

der betreffenden Classe erforderlich. Die Gemeindebeamten werden von der Gesamtheit der

stimmberechtigten Gemeindemitglieder gewählt.“ 5

Gemeinde-Finanzen

Nach altem Herkommen war die Gartower Bürgerschaft verpflichtet, Buch über Einnahmen und

Ausgaben in Gemeindeangelegenheiten zu führen sowie eine Rechnungslegung zu betreiben. Exemplarisch

wird die Bürgerrechnung von 1829 näher vorgestellt. Aus den Vorjahren war ein Überschuß

von 133 Rtlr. erwachsen. Zur Einnahme kamen jährlich von den Bürgerstellenbesitzern die

Hauspacht, der Gartenzins für Gartenbenutzung und das „Kuhschneidegeld“. Unabhängig davon,

ob Kühe gehalten wurden oder nicht, mußte es entrichtet werden. Der Betrag von 3 ggr. je Bürgerstelle

wurde unter der Bezeichnung „eiserne Kühe“ kassiert. Das zweite „Kuhschneidegeld“

wurde von denjenigen Bürgerstellen erhoben, die „milchende Kühe“ hielten. Für eine Kuh mußten

im Jahr 6 Pfg. gezahlt werden.

Eine weitere Einnahme stellte die „Gartenmiete“ dar, die von den Gärten 1 - 3 erhoben worden

ist. Die Nutzung hatten der Kuhhirte Maaß, der Schweinehirte Audorf und im Torgarten der Pfandemann

Gödecke. Sie zahlten eine reduzierte Abgabe, so lange sie ihren Dienst zum Wohl der

Gemeinde durchführten. Eine Person zahlte jährlich 3 Rtlr. für die Benutzung des „Rathswalles“.

Beim Wechsel des Bürgerstelleninhabers war es üblich, daß der Annehmende einmalig 1 Rtlr. 12

ggr. als sog. „Weinkaufsgeld“ zahlte. Erfolgte der Wechsel unter Gartower Einwohnern, mußten nur

18 ggr. bezahlt werden. Einige wenige Einwohner entrichteten ferner ein „Bullengeld“, das betraf

nur Leute, die kriegssteuerfreies Land, wie z.B. die Bürgerweide, nutzten, nämlich Kurschmied

Fischer, Pfandemann Wiech, Scharfrichter Miethling und Holzwärter Lehna.

Kurios ist die geringe Einnahme durch das Entleihen des Gemeinde-Leichentuches, das nur an

Fremde verliehen wurde. Die eine Hälfte der Gebühr erhielt der jeweilige Bürgermeister, weil er das

Tuch aufbewahrte, die andere Hälfte wurde von der Gemeinde vereinnahmt. Damit waren die Einnahmen

im Sterbefall nicht erschöpft, es sind auch „Grabstellengelder“ erhoben worden. Die Gartower

Bürger waren davon befreit, Fremde aber zahlten für ein ungetauftes Kind 1 ggr. 6 Pfg., für

ein Kind unter einem Jahr 3 ggr., für ein Kind von 1 - 6 Jahren 6 ggr., für ein Kind von 6 - 10 Jahren

12 ggr., für Kinder über 11 Jahre 16 ggr. Dieses Geld wurde auch fällig, wenn die Verstorbenen

nicht auf dem Friedhof Gartow begraben worden sind, ausschlaggebend war der Sterbeort.

Eine weitere Einnahme wurde aus Grasverkäufen erzielt, insbesondere von der Pfingstweide. Dagegen

waren die Verkäufe von der Wiese „hinter des Bürgers Spohns Hause“ und vom „alten

Kirchhofe“ unbedeutend. Auch Weidegeld konnte vereinnahmt werden. Als letzte Einnahme er-

284


scheint die „Bier-Accise“, die Biersteuer aus Gartow. Von jeder in Gartow gebrauten Tonne Bier

erhielt die Gemeinde 2 Pfg., bei jährlich 50 Tonnen ergab sich zwar keine große Summe aber es

war eine weitere Einnahme.

Von den Einnahmen erhielten Pastor und Kantor eher symbolische, sehr geringe Zuwendungen:

jährlich jeweils 6 ggr. Beide sind hauptsächlich vom Haus Gartow besoldet worden. Zwei Bälgentreter,

die für genug Luft der Kirchenorgel sorgten, bekamen jeweils 3 Rtlr. Vergütung. Für das Hüten

der Schweine des Pastors und des Kantors auf der Gemeindeweide ist der Hirtenlohn aus der

Bürgerrechnung bezahlt worden. Ebenfalls eher symbolisch, erhielt die Kirche als Institution jährlich

einen kleinen Betrag. Schließlich fielen noch Ausgaben für die Kirche an, soweit die Gemeinde

hieran zu beteiligen war: Da ist zunächst die Brandversicherungsprämie, die der Kirchenjurat

Hildebrand weiterleitete; fällig wurde auch die Haussteuer für das Hirtenhaus. Bezahlt wurden

aus der Gemeindekasse ebenfalls kleinere Reparaturen in Kirche und Schule. Kirchenvorsteher

Hildebrand war mit der Rechnungsführung betraut. Die Gemeinderechnungen sind dann von der

Gartower Amtsverwaltung überprüft worden. 6

Mit 12 Rtlr. erhielt der jeweilige Bürgermeister für seine Mühewaltung den höchsten Betrag. Der

jeweilige Bürgerrichter, der den Arbeitseinsatz der Gartower Pflichtigen leitete, erhielt eine Aufwandsentschädigung.

Da in Gartow im Rahmen des vorbeugenden Feuerschutzes regelmäßig

Visitationen, also Schauen ob Ledereimer und Feuerpatsche vorhanden waren, durchgeführt wurden,

gab es hierfür ebenfalls Geld aus der Gemeindekasse.

Einen größeren Betrag erhielt das Gartower Armenhaus zum Heiligen Geist, welcher den Bürgern

unter der Bezeichnung „Zinsen- oder Hausgelder“ abgefordert worden ist. Das Geld ist dann für

einige Jahre vom Pastor vereinnahmt worden, weil er die Armenhausrechnung führte. Auf Anordnung

der Gerichtsverwaltung ist dem Pastor dieses Geld schliesslich versagt worden.

Von den Einnahmen mußten auch Reparaturen und die Brandversicherungsprämie für das Hirtenhaus

in Gartow bezahlt werden. Nachweislich hatten Tischler Pevestorf und Glaser Benecke

geringfügige Verbesserungen vorgenommen. Nicht zu vergessen sind die Gemeindebullen, von

denen es zwei alte und einen jungen gab. Kurschmied Fischer sorgte für die „Verschneidung“ der

alten Bullen und ließ den jungen zur Ader. Die Apotheke Gartow lieferte gegen Entgelt Arzneien,

wenn die Bullen erkrankten.

Sehr gering waren die Gebühr zur gerichtlichen Anmeldung des Gemeindepfänders Gödecke aber

er erschien ebenfalls in der Rechnung.

Die Abrechnungen über die Einnahmen und Ausgaben der Gemeindekasse müssen den Neid der

heutigen Gemeinderechnungsführer erwecken. Wie einfach und übersichtlich ist das alles: zusammen

etwa 14 Gulden Einnahmen, die dann an die Kirche, die Bürgermeister und den Richter

zu verteilen waren. Daß der Pastor, der Bürgermeister und der Küster noch weitere Einkünfte in

Form von Naturallieferungen empfingen, ist bekannt. Wenn wir nun den Kaufwert dieser Geldsumme

feststellen wollen, kommen wir in Schwierigkeiten. Wohl können wir sagen, daß 24 Schilling

zu einem Gulden gehörten und der Gulden einen etwas geringeren Wert hatte als der Taler. Daß

das Geld in der Zeit nach dem 30jährigen Krieg sehr hoch im Wert stand, ist wohl selbstverständlich.

Einen Garten kaufte man damals für 8 Rtlr. und eine wüste Baustelle wurde 1716 für 6 Rtlr.

verkauft, so daß die 14 Gulden Gemeindeeinnahmen mehreren 100 Reichsmark in neuerer Zeit

entsprachen.

285


Die Gemeindeabgaben mußten von der Gesamtheit der Gartower Bürgerschaft aufgebracht werden.

Um diese zu begleichen, sind mehrmals im Jahr sogen. Umlagen, also Abschläge, erhoben

worden.

Der Gartower Bürgermeister war um 1896 zugleich Vorsitzender der Einkommensteuer-Veranlagungskommission.

Auf Grundlage der Einkommensteuer, die für Gartow 1621 Mark betrug, errechnete

sich die Gemeindesteuer. Umgelegt auf 301 Morgen Gemarkungsfläche ergaben sich

1923 Mark. Für die Gutsgemeinde Gartow sind 2746 Mark Einkommensteuer ermittelt worden,

bei 111 Morgen Gemarkungsfläche fiel wegen der höheren Einkommensteuer die Gemeindesteuer

mit 2858 Mark höher als bei der Fleckensgemeinde aus.

1898 wurde das Gesamteinkommen von Gartow auf 4094 Mark geschätzt. Als Einkommensteuer

mußten 92 Mark, an Grundsteuer 115,65 Mark und an Gebäudesteuer 53 Mark aufgebracht werden.

Insgesamt ergaben sich jedoch 1724 Mark zahlbarer Gemeindesteuer im Jahr. Schon 1910

wurde zur Aufbringung dieser Steuer ein Hebesatz von 200% festgesetzt.

Belastungen für den Gartower Gemeindehaushalt konnten sich ergeben, als die Amtsversammlung

am 7. Juli 1859 beschloß, künftig die medizinische Behandlung armer Mitbürger nicht mehr

aus der dazu vorgesehenen sogen. „Neben-Anlage“ zu bezahlen. Die Verpflegung und ärztliche

Behandlung sollte nunmehr die Gemeinde übernehmen. Lediglich für „Irrsinnige, Blinde und Taubstumme“

waren Unterstützungen aus der „Neben-Anlage“ zu erwarten.

Nach dem Stand von 1885 zahlte der Flecken jährlich 101,48 Mark Grundsteuer in die Staatskasse,

die Gutsgemeinde dagegen 4305,02 Mark. Gartow hatte damals 772 Einwohner.

Aus nicht mehr bekannten Gründen beherbergte Tischler H. Hamann den Schuhmacher Kaiser

auf vier Monate und den „alten“ Kuhhirten Nagel dauernd. Dafür erhielt Hamann aus der Gemeindekasse

Hausmiete. Auch erscheinen Ausgaben als „Erziehungskosten“ für Elisabeth Thiel, die

Joachim Jürgen Gödecke kassierte. In diesem Zusammenhang ist ferner das Schulgeld, wie auch

Geld für Schulbücher an den Kantor H.W. Krug gezahlt worden.

Eine weitere Ausgabe entstand durch die bei Hochwasser notwendigen Deichwachen und für

eventuelle Deichreparaturen. Ebenso sind Deichstrafen bei Versäumnissen gezahlt worden. Das

Herstellen von Deichverteidigungsmaterial und die Talglichter für die Deichwache sind ebenfalls

in dieser Rubrik aufgeführt. Inbegriffen war ferner die Unterhaltung einer „Küpe“ (kreuzende Rohrleitung)

auf dem Spring. In die Zuständigkeit der Bürgerschaft gehörte auch die Unterhaltung der

Weidezäune u.a. auf der Pfingstweide wie auch das Weidenkröpfen.

Grundstücksverkehr und Bürgerstellen

Im Zusammenhang mit einem Grundstücksverkauf am 20. März 1672, als die Witwe des Gartower

Bürgers und Schusters Hanß Schultze (Anna geb. Balken) an den Meister Nicolaus Helmkampf

einen Garten verkaufte, wird ein Ortssiegel erwähnt.

Vom Original-Wachssiegel sind nur noch kleine Reste vorhanden, so dass sich kein Bild des früheren

Aussehens mehr ergibt. Erst das Ortssiegel von 1684 ist gut erhalten.

286


Siegel der Gartower Verwaltung 1684/1702

Das Siegel, welches der jeweilige Bürgermeister in Verwahrung hielt, durfte lt. Anweisung von A.G.

v. Bernstorff vom 30. Juni 1700 nur nach Absprache mit dem Haus Gartow für Kauf- und Verschreibungsbriefe

benutzt werden. 7

Um 1814 existierten in Gartow 53 Bürgerstellen, einschließlich Hospital, Gasthaus, Schule, Kirche,

Pfarre und die Abdeckerei. Diese Stellen ließen insgesamt 473 Himpten Einfall(HE) oder umgerechnet

236 Morgen Acker, einschliesslich der Heidstücke, bewirtschaften. Mit 41 H.E. verfügte

die Kirche mit Abstand über das meiste Ackerland, gefolgt von Erdmann Schmidt mit 30 H.E (Stand

1847). Ein Himpten Einfall entspricht etwa einer Fläche von 12,5 a. Die Gartower Bürgerstellen

wurden in 30 Voll- und 28 Halbbürgerstellen unterschieden. 8

Zu jeder Bürgerstelle gehörten Gärten, Ackerland, Grünland, Weide- und Forstanteile („Antheil an

dem Bürgerholze, sowohl Ellern als Tannen gleich einem jeden Vollbürger in Gartow“). 9

Beispielhaft wird hier die Bürgerstelle vom Abdecker Joh. Diedrich Niebuhr, (Vorbesitzer Tischlermeister

Joachim Peter Schulze) in Gartow näher vorgestellt. Auf ihr ruhten – wie bei den übrigen

Gartower Bürgerstellen auch – folgende Reallasten (Stand 1832/33):

• Grundsteuerbeiträge für das Hausgrundstück, landwirtschaftlich genutzte Flächen und

den Anteil an der Gemeindeweide.

• Häusersteuer

Beides zahlbar als „Landesherrliche Abgaben“ an die damals in Gartow bestehende Steuerrezeptur.

Zu den „Bürgerlasten“ gehörten auch Beitragszahlungen zur Reparatur des Hirtenhauses, der

Seegebrücke, der Erhaltung von Deichen und Gräben, Bezahlung des Hirten, Nachtwächters und

Pfandemannes, Zahlungen an die Gartower „Bürgerrechnung“ sowie „Handdienste in der Bürgerschaft“

und bei vorkommenden Fällen Dienstleistungen zur Gefangenenbewachung am örtlichen

Gefängnis und Aufnahme von Militärpersonen („Einquartierung“). Für das Haus Gartow waren

Heudienst und Bauerhaltungsdienste hinsichtlich der Deiche abzuleisten, ebenso ein Wiesenzins

zu entrichten. Beiträge und Abgaben waren ferner an die örtliche Geistlichkeit zu leisten: an den

Pastor eine Wurst zu Weihnachten und 6 Eier zu Ostern. Bei Einsetzung eines neuen Pastors waren

zusätzliche Gebühren fällig (u.a. für den Antransport seines Hausrats). Der Kantor erhielt zu

Advent eine „stehende Hebung“, auf Johannis den „Hausdreier“ und zu Ostern zwei Eier. Weitere

Beiträge wurden fällig zur Bauunterhaltung des Pfarr-, Pfarrwitwen- und Schulgebäudes. Außerdem

waren für die Bürgerstelle Nr. 34 Brandversicherungsgelder zu entrichten.

Damit ergab sich eine erhebliche Abgabe- und Dienstleistungsverpflichtung für Gartower Bürgerstelleninhaber.

287


Weil J.D. Niebuhr die Bürgerstelle heimlich verlassen hatte, wurde sie 1816 vom Haus Gartow

käuflich erworben.

Zwischen der Fleckensgemeinde Gartow und der gräflichen Gutsverwaltung gab es einen regen

Grundstücksverkehr. Allein im Zeitraum von 1832 bis 1845 welchselten in neun Verkaufsaktionen

36 Grundstücke ihren Besitzer. Hierbei verkaufte Graf v. Bernstorff Liegenschaften, kaufte andererseits

andere von Gartower Bürgern auf. Einige blieben in der gräflichen Gutswirtschaft Ackerland,

andere wiederum sind aufgeforstet worden. Am 6.11.1832 kaufte v. Bernstorff vom Bürger

Schönberg drei Grundstücke, am 15.2.1835 eines vom Bürger Giese, am 1.2.1839 je eines vom

Bürger Bardien, Bürgermeister Harbord, Bürger Dröge sowie Sattler Schulz usw.

Der Scharfrichter Miethling hingegen erwarb von v. Bernstorff am 18.9.1842 zwei Grundstücke,

verkaufte jedoch ein anderes an v. Bernstorff. 10

Es ist zu beachten, daß das Gemeindegebiet des Fleckens Gartow nicht auch den Gutsbezirk Gartow

unter v. Bernstorffscher Verwaltung umfaßte. Zum Gutsbezirk gehörte die gesamte Feldmark

Quarnstedt, der Gartower Forst und weite Teile in der Seegeniederung. Daher war das Gemeindegebiet

des Fleckens Gartow flächenmäßig nicht umfangreich.

Gartow um 1700: Rechts die Wasserburg

Geburtsbescheinigung (ausgestellt vom Gartower Rat)

„Wir, Bürgermeister und Rathmänner des Städtleins Gartow im Königlich Großbritannischen und

Churfürstlich Braunschweig-Lüneburgischen belegen geben nechst Darbietung unser Respectiv

freund- und willige Dienste hierdurch jedermänniglichen zu vernehmen, daß heute dato für Unß

dem sitzenden Rath erscheinen: Heinrich Brockhoefft und Christoph Bollmann respect Rathsverwandter,

Kirchenvorsteher auch Bürger und Leinweber hieselbst und mit ausgestreckten Armen

288


und mit aufgehobenen Fingern beschworen und dargethan, daß Johann Christoph Pevestorf von

seinem Vater Hans Pevestorf, auch Bürger und Leinweber allhier und seiner Mutter Margaretha

Mahnkens in einem unbefleckten Ehe-Bette, echt und recht, ehelich und ehrlich, Teutsch und

nicht Wendischer Nation geboren und so viel ihnen wissent jeder Zeit aufgeführet, daß er in ehrlichen

Gilden und Gewerken aufgenommen zu werden, wohl würdig. Wann muß dann derselbe

gebührend ersuchet und gebethen, von dem Allem, was die Zeugen wissentlich bezeuget und

ausgesaget, ihnen darüber ein Attestatum in forma probande zu ertheilen, so haben wir ihme solches

nicht versagen können noch wollen, sondern deßen petito deferiret. Als gelangt demnach an

alle und jede Zünfte und Gewerken insonderheit aber der Löblichen Leineweber-Gilde zu Lüchow

unser respectiv freund- und dienstwilliges Bitten nicht allein unsern testimonio nativitatis vollkommen

Glauben beyzumessen, sondern auch ein solches dem Impretanten fruchtbarlich genießen

zu laßen und ihm auf sein Begehren in ihrer Zunft und Gilde auf- und anzunehmen. Wir erbieten

Unß dagegen einen Jeden nach Standes Gebühr ein solches hinwiederumb zu praestiren. Zu deßen

mehren Urkund haben wir diesen Geburts-Brief unter unserm großen Insiegel ausgefertiget.

So geschehen und gegeben Gartow auf den Tag Maria Verkündigung, war Ostern Eintausend Siebenhundert

und Zwantzigsten Jahres.“ 11

Gemeinde- und Gutsangelegenheiten

Mit der Installierung der Amtsverwaltung in Gartow war die Landesregierung vor Ort präsent. Ihre

Vertreter (Amtsvorsteher, Amtsgerichtsvorsteher und Amtsvogt) achteten sehr sorgfältig auf die

Einhaltung gesetzlicher Vorschriften – auch die Grafen von Bernstorff bekamen das zu spüren.

Die Amtsversammlung war ein Zusammenschluß der einzelnen Ortschaften in den Königlichen

Ämtern, wie z.B. das Amt Gartow-Schnackenburg. Graf von Bernstorff nahm hierbei eine Sonderstellung

ein, weil er mit seinen Gütern Gartow, Gedelitz und Gummern gemäß Pragraph 11 des

Gesetzes vom 28. April 1859 in diesem Gremium eine eigene Stimme geltend machen konnte.

Alle drei Güter waren „landtagsfähig“. 12

1849 sind Verhandlungen geführt worden, um das Haus Gartow an den Gemeindesteuern der

Fleckensgemeinde Gartow zu beteiligen. Für diesen Zweck sollten die Besitzungen des Hauses

Gartow, die verstreut lagen, an benachbarte Gemeinden angeschlossen werden. Eine Vereinigung

der gräflichen Besitzungen mit denen des Fleckens Gartow schien allerdings untunlich: „…daß

das Gut Gartow mit dem Vorwerk Quarnstedt und der Jägerei im Elbholze nebst dazu gehörigen

in einem Complex geschlossenen belegenen Ländereien selbstständig bestehen bleibe, da das

Gut seinem Umfange nach sich hierzu eignet…und die Verbindung eines Landgutes mit der städtischen

Commune Gartow, der Verschiedenartigkeit, der Verhältnisse wegen nicht zweckmäßig

erscheint …“

Am 22. Dezember 1849 verfügte die Königliche Landdrostei Lüneburg die Angliederungen der

gräflichen Güter an die Nachbargemeinden, während Quarnstedt und Gehöft Elbholz selbstständig

blieben. Dafür wurde jedoch die gräfliche Scharfrichterei auf Veranlassung der Landdrostei

vom 11. September 1849 dem Flecken Gartow zugeordnet. Dagegen sträubte sich die Bürgerschaft

und legte Beschwerde beim Innenministerium ein. Das Ministerium wünschte 1850 Aufklärung

darüber, wie die von Gartow befindlichen, im gräflichen Besitz stehenden, Häuser dem

Flecken einverleibt werden können. Dazu antwortete Graf von Bernstorff: „ Die anderen mir vor

Gartow gehörigen Gebäude, in denen meine Officianten wohnen, haben weiter gar keine Verbindung

mit der Bürgerschaft als daß sie behuf ihrer ursprünglichen Zwecke auf bürgerlichem Grund

und Boden aufgebaut und ihnen auch aus demselben Grunde wegen ihres durch ihr Geschäft mit

289


der Bürgerschaft habenden Zusammenhangs ein Weiderecht zugelegt wurde aber keinerlei sonstige

bürgerliche Berechtigung, wie sie die Scharfrichterei und alle sonstigen bürgerlichen Besitzungen

genießen. Dieses Weiderecht aber und somit der letzte Verband, den sie bislang mit dem

Städtchen hatten, erlischt in zwei Jahren, wogegen die Scharfrichterei in allen ihren bürgerlichen

Berechtigungen verbleibt.“

Am 27. Juni 1850 verfügte das Innenministerium die Eingliederung sowohl der Scharfrichterei als

auch der übrigen gräflichen Hausgrundstücke in die „Stadtgemeinde Gartow“. 13

Nach einer Entscheidung des zuständigen Ministeriums war das „Städtlein Gartow“ von der Ableistung

von Hoheitsdiensten befreit. Es handelte sich hierbei um Militäreinquartierungen während

Übungen und in kriegsvorbereitenden Fällen. Nicht davon verschont blieb die Gutsgemeinde

Gartow, sie wurde der Leistung von 13 Vollhöfen gleichgesetzt (1 Vollhof mußte 12 Einquartierungstage

im Jahr erdulden) und mußte 156 Einquartierungstage zur Verfügung stellen. Später

wurde diese Verpflichtung auf 81 Tage reduziert. Allerdings ist der Flecken Gartow ab 1869 dann

doch noch zur vorübergehenden Aufnahme von Militär verpflichtet worden. 14

Am 28. Oktober 1856 beantragte Graf von Bernstorff bei der Amtsverwaltung die Ablösung folgender

Berechtigung:

„Der Bürgerschaft Gartow steht auf mehreren (dem Hause Gartow) gehörigen Wiesen in der Gegend

des Wolfsberges und Elbholzes belegen, ein Nachweide-Recht gemeinschaftlich mit den

Kühen des Vorwerks Quarnstedt vom Michaelis-Tage jeden Jahres zu.“ Nach Ansicht des Grafen

ergaben sich dadurch für ihn bzw. die Bewirtschaftung Unzuträglichkeiten. Amtsvorsteher Albers

in Gartow, zugleich Vorsitzender der Ablösungskommission, bestätigte den Posteingang. 15

Graf von Bernstorff hatte am 20. April 1857 Veranlassung, sich bei der Amtsverwaltung zu beschweren:

„Ich muß Ihnen mitteilen, daß die jugendliche Bevölkerung Gartows sich so unpassend im hiesigen

sog. Englischen Garten (Schloßpark Gartow) bey den Besuchen desselben an Sonn- und Festtagen

benimmt, daß ich mich zu den allerstrengsten Controll-Maßregeln leider veranlaßt sehen

muß…“

1857 mußten auch die Einwohner Gartows regelmäßig persönlich „zur Mutations-Beschreibung

der persönlichen directen Steuern pro 1857/58“ in der Amtsverwaltung erscheinen. Dazu bestand

eine Verpflichtung: „haben die in ihren Steuer-Verhältnissen eingetretenen Veränderungen

bei Vermeidung der gesetzlichen Nachtheile anzuzeigen, auch die vorschriftsmäßigen Declarationen

abzugeben.“ Ähnliches galt für die eventuelle Erhöhung der Feuerversicherungssumme für

Häuser.

Um die Häusersteuer-Erhebung akutell zu halten, mußten dazu Verpflichtete „vorgekommene Neubauten

der Wohnhäuser, wesentliche bauliche Veränderungen sowie Eigenthumsveränderungen“

der Amtsverwaltung mitteilen. Dasselbe galt für die neue Grundsteuerveranlagung.

Kurios ist der Brief von Heinrich Köhnke vom 3. November 1857 an den Grafen von Bernstorff, in

dem er den Grafen um Vermittlung einer Arbeitsstelle bat „da ich willens bin, Amerika zu verlassen“.

H. Köhnke lebte damals in Wolwich, Canada West, Post Office Elmira.

290


Am 21. August 1860 wandte sich der Gartower Bürgermeister F. Dröge an den Grafen von Bernstorff:

„seit einigen Tagen habe ich es gesehen und in Erfahrung gebracht, daß von den Gespannen

Euer Hochgeboren zum Behuf des Gutes Sand von den bürgerlichen Sandbergen abgefahren

wird. Da nun nach dem Übereinkommen vom Jahre 1848 das Recht der Sandabfuhr nur bis Januar

1860, auf 10 Jahre sich vom Hause Gartow reserviert ist, so ersuche ich Euer Hochgeboren

recht freundlichst, ein weiteres Abfahren von Sand nicht anordnen zu wollen.“ 16

Am 30. Dezember 1868 formulierte F. Giese aus Gartow einen Brief an den Grafen von Bernstorff,

der Einblicke in Zustände der damaligen Zeit zuläßt: „… den Herrn Grafen v. Bernstorff zu bitten,

ob Sie wohl nicht die Güte haben möchten und mich in ihre Arbeit nehmen oder ob Sie sonst eine

Stelle für mich hätten. Ich muß leider offen bekennen, daß ich nicht gerne mit vielen Menschen zusammen

arbeiten möchte, weil ich früher Besitzer eines Hauses auf dem Spring gewesen bin, und

die Leute mit denen ich dann zusammen komme, nur Spottreden über mich halten. Ich verstehe

alle Arbeiten und werde dieselben gewiß zur Zufriedenheit des Herrn Grafen vollführen. Der Herr

Graf gibt ja so vielen Leuten Arbeit, also hoffe ich auch, daß der Herr Graf mich auch nicht vergißt;

denn ich habe eine große Familie von 6 Knaben, wovon der Älteste beim Herrn Amtshauptmann

von Hugo ist. Von den anderen ist noch keiner aus der Schule und da habe ich meine große Noth

mit, und hier in Gartow ist es schlecht und nichts zu verdienen…“ 17

Im Mai 1881 sind Grenzberichtigungen erfolgt, wobei als Verhandlungsführer Bürgermeister Könke

und als Beauftragter des Grafen der Sekretär Brüggemann auftraten. Ebenfalls anwesend war

der Katasterkontrolleur Assemann, der Nachvermessungen veranlaßte. Die Grenzberichtigungen

hatten ihre Ursache in der neuen Grundsteuerveranlagung der Gemeinde Gartow. Als Grenzenanweiser

fungierte der alte Ackervogt Schaal.

Die alten Vermessungsregister stimmten mit den neuen Vermessungsergebnissen nicht mehr

überein. So umfasste die Fläche nach der Grundsteuer-Mutterrolle bis 1861 für den Flecken Gartow

184 Morgen, um 1880 jedoch 220 Morgen. Das Haus Gartow hatte seit 1861 in der Fleckensgemeinde

26 Morgen käuflich erworben, so daß diese Flächen nunmehr zur Gutsgemeinde gehörten.

Insgesamt gehörten dem Haus Gartow jedoch 156 Morgen Fläche in der Fleckensgemeinde.

Der Gesamtbesitz des Hauses Gartow war mit 23914 Morgen ermittelt. Innerhalb des Fleckens

Gartow gehörten dem Haus Gartow die Bürgerstellen Nr. 38, 39, 42, 43, 44, 64, 65, 66 und 71,

also neun Hausstellen sowie auch die Nr. 37 des Vollbürgers Friedrich Johann Meinke. Die Haus

Nr. 39 gehörte zur Stiftung Heiliger Geist. Auf Grund der Grundsteuerveranlagung mußte das Haus

Gartow für seine in der Fleckensgemeinde belegenen Flächen auch zu den Kommunalsteuern

Gartows beitragen.

Im September 1889 gab es Unstimmigkeiten zwischen der Realgemeinde Gartow, vertreten durch

den Bürgermeister Könke und den Halbbürger Heinrich Baark und dem Grafen von Bernstorff,

vertreten durch den Holzhändler C. Herbst. Es war wegen nicht erfüllter Sandlieferung seitens des

Grafen zu einem Prozess gekommen. Nun kam ein Vergleich zustande, nach dem der Graf an die

Realgemeinde einmalig 700 Mark Abfindung zahlte. Die Prozesskosten trugen beide Parteien je

zur Hälfte. 18

Grenzfestlegungen

Im Rezeß von 1595 war festgestellt worden, daß die Buchhorst als Forstort „verhauen“, also ziemlich

abgeholzt sei. Die Gartower Bürgerschaft sollte nunmehr in die Hahnenberge ausweichen

aber künftig die dortigen Holzbestände schonen. Dennoch war es ihr gestattet, dort ihr Vieh wei-

291


den zu lassen. Im benachbarten Junkernholz durfte sie Holz für die Brückenreparaturen und zu

ihren Häusern „wie bißhero und von Alters geschehen“ entnehmen.

Die Flurteile Zirach, Helk und Brudersteig sollten geschont werden, da dort Aufforstungen vorgenommen

wurden. Auch hier war eine Weidegerechtigkeit für die Gartower Bürgerschaft zugestanden

worden, jedoch durften auch die von Bülows dort mitweiden.

Stets ist der Rezeß von 1730 als Grundlage zur Beilegung von Streitigkeiten aber auch als Nachweis

von Verabredungen (Grenzen) zitiert worden. Nach dem Stand und der Ansicht der Bürgerschaft

war dieses die Hude und Weide „auf der Haide zwischen denen Hahnenbergen und den

Trebelschen Tannen und zwar der Länge nach von denen Hahnenbergen bis an die Wildbahn vor

den Trebelschen Tannen, so wie in der Breite vom Klauenberge und der Meetschower Grenze bis

an den von Gartow nach Prezelle gehenden Weg. Auch hat die Bürgerschaft den freien Haide- und

Plaggenhieb in diesem Revier…desgleichen die Huth und Weide in den Hahnenbergen, dem Helke,

dem Brudersteig und der Haid-Riethe…“ ferner: „…die Huth und Weide beim Umschwang, in der

Länge von der Tränk- oder Waßer Kuhle bis an den alten Weg von Gartow über die Buchhorst nach

Rucksmoor und in der Breite, vom Umschwang und den Wolfshahlschen Bürger-Ackerstücken bis

an die gegenüberliegenden Rucksmoorschen Koppeln und den Bürgermoor-Stücken“ und „die

Schweine-Hude (im ebengenannten) Revier desgleichen in den Hahnenberg und dem Helk…das

Recht in den Gräfl. von Bernstorffschen Holzungen ihre Bienenstöcke gegen Erlegung des gewöhnlichen

Flucht-Geldes aussetzen zu dürfen … aus den Gräflich von Bernstorffschen Forsten auf vorgängiges

Ansuchen unentgeltlich die Nothdurft an Bauholz zu Brücken und andern notwendigen

gemeinen Bauten.“

Aus Sicht des Hauses Gartow, vertreten durch Oberförster Schröter, gab es wenig Übereinstimmungen,

wie z.B. „…wird der vormalige Alte Prezeller Weg, jetzt der Lüchower Weg genannt und

ist durch Zeugen zu beweisen, daß über diesen jetzt Lüchower Weg genannten Weg seit undenklichen

Zeiten niemals das Gartower Bürgervieh gehütet worden ist…“ Schröters Ausführungen enden

mit der Feststellung: „Observanzmäßig ist seit undenklichen Zeiten nur zu der Brücke nördlich

vor dem Flecken und zu dem Hirtenhause die Nothdurft an Bauholz gegen Erlegung der Anweisungsgebühr

in den Gräflich von Bernstorffschen Forsten angewiesen und gegeben worden. Das

Fällen und Anfahren dieses Holzes muß die Bürgerschaft verrichten.“

Dann gab es noch eine Instruktion des früheren Premierminister Andreas Gottlieb von Bernstorff,

datiert vom 22. November 1723, für den damaligen Amtmann mit der Maßgabe „denen hiesigen

Bürgern soll auf keine Weise zugelassen werden, auf der Heide ihr Vieh zu hüten, es sey denn,

daß sie schriftlich mit des Bürgermeisters und vier, fünft der ältesten Bürger Unterschrift, darum

bitten, sonsten sie mit der Zeit ein Recht desfalls attribuiren würden.“ Dazu ist ein namentlich

nicht unterzeichneter Vermerk hinzugefügt worden, der zwar allgemein gehalten ist aber doch

Einsichten anderer Art gewährt:

„Wenn ein Mann wie Andreas Gottlieb von Bernstorff dieses verordnete, so wußten die Bürger

auch nicht einen Schein von Recht vor sich haben oder nur zu haben vermeinen, sonst hätte er,

der in Gartow Alles aufs Reine brachte und nicht streitig ließ, unfehlbar einen Prozeß angefangen

oder sich verglichen. Nach seinem und Georg I Tode und bei den bekannten ungünstigen Gesinnungen

des Nachfolgers auf dem Thron gegen die Erben des verstorbenen Premierministers, welche

er auf jede Weise öffentlich verfolgte (durchgestrichen: kränkte und arm machen wollte) wurden

nun freilich alle Mittel, alle Gelegenheiten benutzt, um Vorteile auf Kosten des Hauses Gartow

zu erlangen! So entstand 1727 ein Prozeß über die Weyde in der gedachten Heide, welcher (trotz

292


jener Stimmung und obgleich das Haus Gartow damals und seitdem fast alle Prozesse verloren

hat) nach Abgabe des Rezesses von 1730 dennoch in Posserorio gewonnen wurde.“

Im Oktober 1812, zur Franzosenzeit, beharrte die Gartower Bürgerschaft auf ihren Weide- und

Holzwerbungsbefugnissen besonders in der Raumenheide gemäß dem Rezeß vom 17. Oktober

1595. Der Einwand des Hauses Gartow, die Raumenheide sei nunmehr ein kultivierter Forstort,

mochten die Gartower nicht anerkennen, da diese um 1730 „ganz von Holtz entblößet gewesen“.

Das Haus Gartow selbst habe damals im Rezeß festschreiben lassen: „Land in dieser Heide auszubrechen

und urbar zu machen, auch einige Kathen für Dienstleute dahin zu bauen, deren Vieh

sodann der Mithude ebenfalls genießen sollen.“ Angeblich durfte das Haus Gartow ein Fünftel der

Raumenheide aufforsten aber nach Meinung der Gartower sei viel mehr Fläche zur Forst gezogen

worden.

Gemäß einer Aufstellung von 1814 war der Gartower Bürgerschaft die Ausübung der Weidegerechtigkeit

in der Buchhorst, im Elsebusch und auf dem Serich gestattet. Diese Abmachung beruhte

auf Festlegungen vom Rezeß von 1595 zwischen denen von Bülow und der Bürgerschaft. Damals

war den in Gartow wohnenden Bediensteten der von Bülow erlaubt, ihr Vieh mit auf die Gartower

Weide zu bringen. Dieses Recht übernahmen auch die von Bernstorffs. Aber 1814 haben deren

Bedienstete nach Ansicht der Gartower Bürgerschaft zuviel Großvieh eingetrieben (Förster, Verwalter,

Pfandemann, Schmied, Scharfrichter). Die Stückzahl schwankte zwischen 25 und 35. Dazu

kamen eine ungenannte Zahl von Schweinen und Gänsen.

Auf dem Serich war die Lage noch prekärer, denn dort trieben die 12 Quarnstedter Tagelöhner, der

Windmüller, der Pächter und der dortige Hirte zusätzlich 64 Kopf Rindvieh ein. Schließlich war es

soweit gekommen, daß etwa 155 Kopf Rindvieh, deren Halter nicht aus der Bürgerschaft stammten,

zuviel auf den Wiesen gewesen sind. Die Gartower selbst hielten etwa 120 Kopf auf der Weide.

Das übermäßige Aufkommen von Vieh aus Quarnstedt erklärt sich daraus, daß bis etwa 1808

lediglich die 12 Tagelöhnerfamilien Vieh eintrieben, danach aber auch die Familien, die zusätzlich

bei ihnen als Einlieger eingezogen waren.

Im März 1817 sind die Grenzen zwischen dem Flecken Gartow und den Besitzungen des Hauses

Gartow genau festgelegt worden. Amtmann Meier, Leutnant Lindner, Oberförster Schröter und

Pfandemann Wiech (Letztere als Vertreter des Grafen von Bernstorff) begingen mehrere Tage lang

das Revier, welches anschließend mit Nummernpfählen gekennzeichnet worden ist.

1819 kam es zu einem Prozeß wegen dieser Weideangelegenheit, ein Jahr später kam der Gedanke

auf, gemäß der Gemeinheitsteilungs-Ordnung eine Separation zu planen. Beide Parteien

sollten ihre eigenen künftigen Reviere erhalten. Hierzu war das Königl. Oberlandes-Ökonomie-

Kollegium in Hannover einzuschalten und am 6. März 1820 unter Bürgermeister Apotheker Busso

Harbord die ganz überwiegende Mehrheit hierfür gewesen ist. Die gewünschte Teilung kam jedoch

erst im Wege eines späteren Rezesses am 25. März 1848 zustande. 19

Bereits 1870/71 gab es Grenzfeststellungen mit den Nachbargemeinden Holtorf, Kapern, Gummern,

Schnackenburg und Gartow Gut. 20

Seit 1885 ist der Gutsbezirk von einem Vorsteher in gräflichen Diensten verwaltet worden, es

existierte sogar ein Amtsschild mit der Bezeichnung Gutsgemeinde Gartow. Der Gutsverwalter

war damals den Gemeindevorstehern in den Dörfern gleichgestellt und hatte deren Rechte und

293


Pflichten, z.B. das Führen des Melderegisters gemäß der Kreisordnung des Landkreises Lüchow.

Realgemeinde Gartow

Aus den Verkoppelungsverfahren im 19. Jahrhundert entstand Gemeinschaftseigentum wie z.B.

Wege, Gräben, Sand- und Tongruben aber auch Areale aus Acker- und Grünland sowie Waldflächen.

Dieses Gemeinschaftseigentum ist bis in unsere Zeit hinein erhalten geblieben und wurde

als Realgemeinde (heute Realverband) bezeichnet und verwaltet. Die Realgemeinde existiert in

Gartow bis heute.

Am 21. September 1908 gab sich die Realgemeinde ein Statut mit 13 Paragraphen, in denen der

Vorsitz, die Wahlen und die Geschäftsführung geregelt sind. Wichtig sind hier die Paragraphen

9 und 10: „Die gemeinschaftlichen Holzungen unterliegen außer den Rezeßbestimmungen hinsichtlich

des Forstbetriebes und der Benutzung der Aufsicht des Staates…“ (§ 9) sowie: „Die Realgemeinde

ist verpflichtet, die im Gemeindebezirke vorhandenen Wege, soweit sie nicht von der

politischen Gemeinde oder einzelnen Privatpersonen zu unterhalten sind, insbesondere also die

Koppelwege mit den dazu gehörigen Gräben, Sielen und Brücken sowie die Abzugsgräben nach

Maßgabe der Bestimmungen des Teilungs- und Verkoppelungsrezesses in ordnungsmäßigem Zustande

zu erhalten …“ (§ 10). Der Realgemeindeanteil war an das Eigentum der besitzenden Bürgerstellen

in Gartow gebunden. Beim Verkauf von Bürgerstellen ging der Realgemeindeanteil auf

den neuen Erwerber über.

Als das Statut 1908 errichtet wurde, waren folgende Realgemeindemitglieder bei der entscheidenden

Verhandlung, die Kreissekretär Beinhorn aus Lüchow führte, anwesend:

Holzhändler Christian Herbst, Ackerbürger Carl Schulze, Kaufmann August Schulze, Schmiedemeister

Adolf Bethge (zugleich als Vertreter der Waldowschen Erben und des Drechslermeisters

Köster), Schuhmachermeister August Meyer, Ackerbürger Adolf Bardien (zugleich als Vertreter des

Kaufmanns Dankert in Hamburg), Uhrmacher K. Horstmann, Schuhmachermeister W. Bennecke,

Zimmermann Heinrich Röhl, Stellmachermeister Heinrich Baark, Holzhändler Chr. Berdien, Ackerbürger

Karl Hahn und Schlossermeister R. Delius. W. Bennecke und H. Baark waren damals Realgemeindevorsteher.

Insgesamt 44 Bürger, je zur Hälfte Vollbürger und Halbbürger waren Mitglieder sowie Pfarre, Kantorat

und Pfarrwitwentum, auch das Hospital und Graf v. Bernstorff.

Graf v. Bernstorff (51,53 ha) und die Pfarre Gartow (43,44 ha) hielten den umfangreichsten Grundbesitz,

gefolgt von Emilie Wellmann (18,17 ha), Kaufmann August Schulze (14,37 ha) und Gastwirt

Andreas Krüger (14,28 ha).

Der Grundbesitz ist nicht zu verwechseln mit den Realgemeindeanteilen, die aus 19 Einzelflächen

mir rd. 37 ha Grundfläche bestanden, wobei das Hahnenberger Holz mit 14,12 ha die umfangreichste

Einzelfläche war. Mit mehr als jeweils 8 ha gehörten weitere Forstflächen im Hahnenberge

und das Helk-Moor dazu. Ebenso der Elsebusch, der alte Friedhof, drei Sandgruben, die Wiesen im

Seerig und Quotum, auch das Haselholz und diverse Acker- und Grünländereien.

Zu den Aufgaben der Realgemeinde gehörte die Aufsicht über den Gemeindeforst, auch die über

die zahlreichen Gräben in der Gemarkung. Im Januar 1896 wurde beschlossen, die jährliche Abgabe

von 12 Mark an die Stiftung zum Heiligen Geist ablösen zu lassen. Dafür mußte einmalig der

25fache Betrag gezahlt werden.

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Die Realgemeinde hat „Dauernde Lasten und Einschränkungen des Eigentums“ zugunsten Dritter

eintragen lassen:

„Die obrigkeitlich bestätigte Schützengilde zu Gartow hat das Recht, auf diesen Grundstücken ihre

Versammlungen und Feste abzuhalten“. und „Dem Abdeckerei-Besitzer August Miethling steht für

seine Person und seine Besitznachfolger in der Abdeckerei das Recht zu, zu Reparaturen seiner

jetzt vorhandenen Gebäude und zum Neubau den Lehm zu benutzen. Falls er aber seine alten

Gebäude vergrößert oder die Zahl derselben vermehrt, so muß er den Mehrbedarf an Lehm von

seinen eigenen Grundstücken nehmen“.

Unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg wandte sich der Realgemeindevorstand (A. Bethge, Bennecke,

H. Baark) an den Grafen von Bernstorff, um seine Zustimmung für die Zurverfügungstellung

von Bauplätzen in Gartow zu erlangen. Damals herrschte nach Meinung der Realgemeinde „Wohnungsnot“

in Gartow. Im April 1919 war bereits bekannt, daß eine Autopostverbindung Dannenberg-Gartow

in Planung war. Für den Busfahrer sollte ein Wohnhaus und für den Omnibus eine

Halle errichtet werden. Als geeignete Stelle war das Grundstück „Unter den Eichen“ vorgesehen.

Der Graf wurde gebeten, das Grundstück zu verkaufen und die dortigen Eichen beseitigen zu lassen.

21

Auflösung des Gutsbezirkes Gartow

Schon 1919 bestand die Möglichkeit, eine Gutsgemeinde freiwillig aufzulösen. Damals wurde

protokolliert: „…Durch die in Aussicht genommene Beseitigung derjenigen Gutsbezirke, welche

die gesetzlichen Voraussetzungen zur Auflösung nach bisherigem Rechte nicht vorliegen, werden

die gesamten öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des platten Landes eine tiefgreifende Umgestaltung

erfahren, sie bedarf also vor ihrer Durchführung sorgfältiger Vorbereitung… Zu prüfen ist

bei jedem einzelnen Gutsbezirk, ob er zweckmäßig durch Umwandlung in eine Landgemeinde

als Kommunalbezirk zu erhalten ist oder aber, ob und in welcher Weise er ganz oder teilweise

mit anderen Gemeinden zu vereinigen ist. Die Interessen der Beteiligten werden dabei tunlichst

miteinander auszugleichen sein, weswegen ihnen selbstverständlich Gelegenheit zur Äußerung

zu geben ist. Die Herstellung möglichst leistungsfähiger Gemeindebezirke ist dabei überall anzustreben…“

(Berlin, 30. April 1919). Damals wies der Gutsbezirk Gartow eine Fläche von 6 250 ha

(!) mit 230 Einwohnern auf. Er verzeichnete folgende Steuereinkünfte: 11 112 Mark Einkommen-,

4 305 Mark Grund-, 189 Mark Gebäude- und 8 Mark Gewerbesteueraufkommen. Das waren 15

614 Mark Einnahmen, denen folgende Ausgaben gegenüber standen: Kreissteuern 10 000 Mark,

Schulunterhaltung 4000 Mark, Gemeindevorsteher 500 Mark, Wegebesserungen 500 Mark und

Verschiedenes 600 Mark, je Jahr.

1920: Kraftfahrlinie Gartow - Lüchow

295


Ehemalige Gemarkung von Gartow

1773: Gartow mit südwestlichen Flächen, gezeichnet von Breckenfelder

296


Erst 1927 wurden die Bestrebungen zur Auflösung der Gutsbezirke konkreter und dringlicher. Es

mußten nun statistische Nachweise zur Leistungsfähigkeit dieser kleinen Verwaltungseinheiten

beigebracht werden. Nach dem Stand vom 20. September 1928 ergab sich folgendes Bild: Gebietsumfang

= 6 455 ha, davon 393 ha Ackerland, 807 ha Wiesen und Weiden, 4 846 ha Wald

und 409 ha Sonstiges (Unland, Wege, Gräben usw.). Die Einwohnerzahl wurde mit 225 angegeben,

der Grundsteuer-Reinertrag mit 15 000 Thalern.

Vor der Auflösung des Gutsbezirkes Gartow verfügte der Flecken Gartow nur über einen geringen

Flächenumfang unmittelbar um die Ortslage herum. Da der zuvor eigenständige Gutsbezirk dem

Flecken angegliedert wurde, ergab sich anschließend eine große Ausdehnung der Gartower Gemarkungsfläche,

zu der auch die umfangreichen Quarnstedter Flächen bis zur Elbe gehörten. Im

Amtsblatt der Regierung Lüneburg vom 17. September 1929, S. 188 ist zu lesen:

„Das Preußische Staatsministerium hat mit Wirkung vom 30. September 1929 beschlossen, daß

von dem Gutsbezirk Gartow ca. 1 287 ha in die Gemeinde Gartow Flecken und ca. 15 ha in die

Gemeinde Prezelle eingegliedert werden. Der restliche Teil des Gutsbezirkes in Größe von 5 153

ha bleibt als Gutsbezirk Gartow Forst bestehen…“

Die Gutsbesitzer in Preußen waren von der Reform nicht sonderlich erbaut und lehnten diese

mehrheitlich ab. Zu Weihnachten 1927 ließ der Landesverband preußischer Waldbesitzer in Berlin

u.a. verlauten: „Nachdem es sich als nicht möglich erwiesen hatte, den Entwurf einer neuen Landgemeindeordnung

zu verabschieden, haben die Regierungsparteien als Ersatz einen „Gesetzentwurf

über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechtes“ angenommen.

Der Staatsrat hat am 15. Dezember 1927 der Vorlage zugestimmt, so daß die im Entwurf enthaltenen

Bestimmungen über die Auflösung der Gutsbezirke damit Gesetzeskraft erlangt haben….Die

jetzt vorgesehene Regelung ist eine nahezu schematische und durch politische Gesichtspunkte

maßgeblich beeinflusst….Die zuständigen Instanzen arbeiten mit Hochdruck daran, die Auflösung

so schnell irgend möglich durchzuführen. Die vorgesehenen Fristen sind außerordentlich kurz…“

Graf v. Bernstorff wies am 31. Dezember 1927 in einem Schreiben an den Lüchower Landrat auf

eine frühere Verfügung der Landdrostei Lüneburg vom 11. September 1849 hin, nach der „die

Verbindung eines Landguts mit der städtischen Commune Gartow, der Verschiedenartigkeit der

Verhältnisse wegen“ als nicht zweckmäßig erachtet wurde. Daher legte Graf v. Bernstorff am 18.

Januar 1928 „in schärfster Weise Einspruch“ ein und „beantrage die Belassung des bisherigen

Gutsbezirkes als einen Unterbezirk zur abgesonderten Anlegung und Unterhaltung von Gemeindewegen“.

Offizielles Schild

„Gutsvorsteher“

17.9.1929: Amtliche Bekanntmachung zur Eingemeindung von Teilen des

Gutsbezirkes Gartow in den Flecken Gartow und in die Gemeinde Prezelle

297


Aufgrund von Finanznöten im Deutschen Reich und zur Vereinfachung der Verwaltung ordnete die

damalige Staatsregierung mit dem „Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts“

vom 27. Dezember 1927 die Auflösung der bis dahin bestehenden 11894

Gutsbezirke an. Übrig blieben zum Stichtag 1. August 1930 nur noch 275 Gutsbezirke, die meisten

davon Forstgutsbezirke, wie z.B. der Forst Gartow. 22/23/24/25

Immer deutlicher zeichneten sich Lösungen für die neue Ordnung ab, wie im März 1928:

„… Je nach dem Grade der Dringlichkeit ist festzulegen, ob die neue Landgemeinde die Wege

innerhalb 5, 15 oder 20 Jahren nach der Bildung der neuen Landgemeinde unter Aufsicht des

Kreisausschusses auszubauen hat. Die Bäume und die Grasnutzung auf sämtlichen Gemeindewegen

verbleibt wie bisher dem Anlieger, während die neue Landgemeinde für die Unterhaltung

zu sorgen hat. Die neue Landgemeinde hat sich zu verpflichten, die Wohnhäuser sowie sonstige

Gebäude auf Anforderung an die elektrische Überlandzentrale anzuschließen … Soweit erforderlich,

Abmachungen wegen Übernahme der bisherigen Gutsschule durch die neue Landgemeinde“.

Die Forstgutsbezirke blieben jedoch erhalten.

Ein neuerlicher Protest des Grafen am 27. Februar 1928 konnte die Auflösung des Gutsbezirkes

Gartow jedoch nicht verhindern. Am 8. Oktober 1928 machte das Landratsamt Lüchow die Vereinigung

bzw. Zusammenlegung von 10 bisherigen Gutsbezirken im Kreis Lüchow öffentlich bekannt.

Der Landesverband Preußischer Waldbesitzer versuchte noch am 26. Oktober 1928 wenigstens

den Forstgutsbezirk Gartow als selbstständige Einheit zu erhalten, was dann auch gelang. Der

Gutsbezirk Gartow wurde von 1885 - 1900 vom gräfl. Privatsekretär Brüggemann, von 1900 -

1919 vom gräfl. Rechnungsführer Rudolf Kleine und von 1919 - 1928 vom gräfl. Sekretär Emanuel

Beck (gest. 9.7.1928) geleitet. 26

Der Forstgutsbezirk Gartow besteht heute noch als Gemeindefreies Gebiet, wobei die Siedlungen

Rondel, Falkenmoor und Rucksmoor zur Gemeinde Gartow und Wirl zur Gemeinde Prezelle gehören.

Die Hauptstrasse 1895, 1900 und 2009 (Hs. Nr. 22, 24)

298


Quellen und Literatur

1. D 8 Nr. 1 „Acta betr. die Bestellung des Bürgermeisters, Rathmänner und Kirchenjuraten im

Flecken Gartow … 1697 - 1753“

2. Gesetz, die Landgemeinden betreffend, von 28. April 1859 nebst Bekanntmachung des

Königl. Ministeriums des Innern,die Regelung der Verhältnisse der Landgemeinden betr.

vom 28. April 1859

3. Behne: „Aus dem Ratsbuch von Gartow“ in: Heimatbote Gartow März - Mai 1931

4. wie vor, G 8 Nr. 29

5. G 8 Nr. 29 „Statuarische Bestimmungen über die Vertheilung der Abgaben, das Stimmrecht

und die Bildung eines Gemeindeausschusses im Flecken Gartow“

6. G 8 Nr. 25 „Gartower Bürgerrechnung 1829“

7. D 8 Nr. 1 „Neben Acta betr. von dem Gebrauch des Raths-Siegels von 1672 - 1730“

8. G 18 Nr. 10 „Den mit der Gartower Bürgerschaft abgeschlossenen Rezeß wegen Aufhebung

der ihr in den Forsten des Hauses Gartow zuständig gewesenen servitutischen und sonstigen

Berechtigungen 1848 ff.“

9. Einnahme-Belege zum Geldregister 1832/33

10. G 7 Nr. 19 „Acta Grundsteuer-Verhältnisse der Gutsgemeinde Gartow 1855 - 1865“

11. D 8 Nr. 1 „ Acta betr. von dem Gebrauch des Raths-Siegels von 1672 - 1730“

12. G 8 Nr. 20 „Die Ausführung des Gesetzes über die Amtsvertretung betr. 1859“

13. G 8 Nr. 9 „Acta die Aufhebung der Exemtionen und der Anschluß der Güter an die Gemeinden

betr. 1848 - 1855“

14. G 8 Nr. 11 „Acta betr. die Heranziehung der bisher Befreiten zu den Hoheitsdiensten

1848 - 1875“

15. G 8 Nr. 18 „Diverse Gutsangelegenheiten 1856 - 1869“

16. G 8 Nr. 18 „Diverse Gutsangelegenheiten 1856 - 1869“

17. G 8 Nr. 14 „Acta betr. die Gutsgemeinde Gartow 1850 - 1874“

18. G 8 Nr. 29 „Acte betr. das Beitragsverhältnis und das Stimmrecht in der Gemeinde Gartow-

Flecken 1881 - 1923“

19. G 13 Nr. 3 „Varia betr. Streitigkeiten über Hud und Weide-Sachen in Gartow 1816 - 1818“

20. G 14 Nr. 1 „Grenzfeststellungen mit der Gemeinde Holtorf 1870, Brünkendorf 1870, Kapern,

Gummern, Schnackenburg und der Gutsfeldmark 1871“

21. G 8 Nr. 29 „Acta betr. das Beitragsverhältnis und das Stimmrecht in der Gemeinde Gartow-

Flecken 1881 - 1928“

22. /

23. /

24. /

25. Preuß.Gesetzsammlung 1927, S. 211, § 11 (1), Syndikus Steinberg: „Die Auflösung der

Gutsbezirke, ihre Auswirkungen insbesondere die Auseinandersetzung“, Landgemeindeverlag

Berlin 1928 Wagener, Frido: „Neubau der Verwaltung“, 2. Aufl., Berlin 1969, S. 99 - 113

– Schriften der Hochschule Speyer, Bd. 41

26. G 8 Nr. 36 „Auflösung des Gutsbezirks Gartow 1927 - 1933“, Conze, Eckhard: „Von deutschem

Adel. Die Grafen von Bernstorff im 20. Jahrhundert“, DVA Stuttgart/München 2000,

S. 90 - 93

299


Gartows Entwicklung von 1853 - 1971

Lokalhistorische Begebenheiten im Raum Gartow von 1853 - 1930

Elektrifizierung

Gemäß einem Beschluß des Kreises Lüchow von 1919 wurde im Kreisgebiet eine Überlandleitung

für die Stromversorgung gebaut. Das Verteilernetz und die Anlagen sind in Gemeinschaftsarbeit

von den Elektro-Großfirmen Pöge, Bergmann und Brown-Boveri hergestellt worden.

In Gartow jedoch war man dieser Entwicklung aber schon etwas voraus, wie Dipl.-Ing. Rolf Oppermann

aus Wernigerode in einem Schreiben vom September 2006 an die Samtgemeinde Gartow

mitgeteilt hat:

„Der spätere Elektromstr.-Ing. Karl Oppermann aus Nöschenrode Kreis Wernigerode hat beim Ingenieur

Otto Leopold vom 1.4.1912 bis 30.9.1915 gelernt, in Wernigerode die Fortbildungsschule

vom 18.4.1912 bis 24.3.1915 besucht und erhielt den Lehrbrief als Maschinenschlosser.

Vom 13. Oktober 1915 bis 13. Januar 1916 war er bei der Elektrofirma Ernst und Heine in der Westernstrasse

in Wernigerode tätig. Dann wechselte er zur Halberstädter Elektrizitätsgesellschaft

Schneising & Co. in deren „Bauabteilung Salzwedel“. Unter dem Ingenieur Hellmann hat er für den

Sägewerksbesitzer W. Werth in Gartow einen Dynamo eingebaut, ein Ortsnetz errichtet und mehrere

Hausinstallationen ausgeführt weil es infolge der englischen Blockade kein Petroleum mehr

gab und Strom für die Beleuchtung oder auch für das elektrische Plätteisen nötig war.

Karl Oppermann wohnte in Krügers Hotel, wo ihn Graf Bernstorff besuchte, der ganz energisch

versuchte, an das Ortsnetz angeschlossen zu werden. Es fiel schwer, dem Grafen klar zu machen,

dass bei 110 V Gleichstrom über eine 4 km lange Freileitung keine nennenswerte Leistung übertragen

werden kann. 1956 fuhr ich meinen Vater Karl nach Gartow. Er zeigte mir den Weg zum

Gutshof und ich bestätigte ihm, dass der 18-jährige Jungmonteur mehr von Elektrizität verstanden

hatte als der energische Graf.

Am 6.10.1916 wurde über das Ortsnetz das Aufmaß gefertigt und am 11.11.1916 erhielt mein

Vater über seine Firma den Stellungsbefehl und am 14.11.1916 das Zeugnis.

Am 21.1.1919 bestätigt ihm „Mit Gruß“ Ingenieur Hellmann von der Bauabteilung Salzwedel von

Schneising & Co. in einem Schreiben, dass er die Arbeit jederzeit wieder aufnehmen könne. Das

Schreiben war an den Gefreiten Carl Oppermann, Nachr. Ersatzabt. 16, 1. Demobilisierungskompanie

Kelbra-Kyffhäuser gerichtet.

Am 15.4.1919 bescheinigt ihm Herr Hellmann auf einem Briefbogen von Schneising & Co., dass

er vom 25.2.1916 bis 15.11.1919 als Elektromonteur beschäftigt, und in der Zwischenzeit im

Felde als Telegrafist in einer Fernsprechabteilung eingezogen gewesen war. Der gleiche Ingenieur

Hellmann unterschrieb dann auf einem Briefbogen der „Wendischen Elektrizitätsgesellschaft Hellmann

& Friedrich“ in Salzwedel, dass Karl Oppermann vom 21. Mai 1919 bis 1. Sept. 1919 mit

Schwachstromprojekten und Revisionszeichnungen beschäftigt worden war.

Vom 1.4.1920 bis 31.12.1923 arbeitete Karl Oppermann bei den Hirschkupferwerken in Ilsenburg.

Er war dort mit dem Um- und Ausbau des gesamten Schwachstromnetzes beschäftigt. Nach

dem Konkurs der Hirschkupferwerke war er bei der Fa. Wilhelm Bäcker, Burgstrasse 46 in Ilsenburg

mit der Projektierung und Ausführung von Licht und Kraftanlagen beauftragt. In dieser Eigen-

300


schaft hat er das Ortsnetz des Dorfes Abbenrode im Laufe des Jahres 1924 geplant und errichtet.

Anschließend besuchte er den ersten Meisterkursus für Elektroinstallationsmeister und bestand

am 15.12.1925 die erste Meisterprüfung für Elektroinstallateure der Handwerkkammer Magdeburg,

seit 1929 war er Meisterbeisitzer.

Nach 10-jähriger aktiver Meistertätigkeit wurde er 1935 vom VDI zum Ingenieur berufen. Im September

1939 einberufen wurde er bald Oberfunkmeister des Beurlaubtenstandes auf dem Truppenübungsplatz

in Altengrabow. Von dort zur Heeresnachrichtenschule in Glatz: Die Prüfung zum

Techn.Inspektor (N) kam dem Ingenieurexamen an einer staatlichen Ingenieurschule gleich. Seit

1947 wieder in Wernigerode wurde er 1965, nach 17-jähriger Mitgliedschaft in der Kammer der

Technik für seinen uneigennützigen Einsatz geehrt. Seine Beiträge zur Gestaltung von Strasse und

Ortsnetz von Wernigerode sind bei der KdT Kammer der Technik archiviert.

Er starb 1974, 2 Tage nach seinem 76. Geburtstag in Wernigerode.“

Mit dem in der Sägerei Werth produzierten Strom wurden die Werth`schen Betriebsgebäude und

ein Teil der Ortschaft Gartow beliefert.

Im Juni/Juli 1920 ist in Gartow durch die BBC mit dem Ausbau des Ortsnetzes begonnen worden,

wozu sich eine Genossenschaft zur Aufbringung der Kosten bildete. Damals sind auch die umliegenden

Ortschaften bis nach Schnackenburg mit Ortsnetzen versehen worden.

Durch die Elektrizifizierung wurden Begehrlichkeiten auch in der Altmark geweckt: Bömenzien,

Drösede, Gollenstorf, Deutsch, Kl. und Gr. Aulosen, Gut Aulosen, Wanzer sowie Dorf und Gut Pollitz

und Gut Scharpenhufe bildeten eine Genossenschaft mit dem Ziel, sich an die E-Versorgung des

Kreises Lüchow anzuschließen. Im Kreis Osterburg bildete sich die „Lichtgenossenschaft Nordaltmark

eGmbH“.

Gänzlich unbekannt war die Stromversorgung im Kreisgebiet jedoch nicht, denn in Lüchow existierte

das schon 1905 gegründete „Lüchower Elektrizitäts-Büro“ von Ing. Otto Meier in der Kalandstr.

5 in Lüchow.

Um 1920 gab es mehrere E-Installationsbetriebe, so das Ingenieurbüro Rennwanz aus Stendal,

welches in Gartow ein Baubüro unterhielt, wie die BBC ein solches in Wustrow betrieb. In Lüchow

hat die Firma C. Tribiahn, Karl-Schulz-Str. 4 und das „Technische Büro elektrischer Anlagen“ Theo

Kubiak, Drawehner Str. 5, elektrische Licht- und Kraftanlagen installiert. Ferner war das „Elektrotechnische

Installations-Büro“ Hans Rohde aus Salzwedel, Schäferstegel 49, von der Überlandzentrale

Lüchow zum Bau von Elektroanlagen konzessioniert.

In Lüchow gab es bereits vor 1920 ein städtisches Elektrizitäts-Werk. Im Februar 1920 hatte der

Kreistag wegen Errichtung einer GmbH zur Erzeugung und Abgabe von elektrischem Strom Beschlüsse

gefaßt, die auch den Verkauf des städtischen E-Werkes an der Seerauer Straße an das

Kraftwerk Lüchow GmbH. regelten. Stadt und Landkreis zahlten jeweils 100000 Mark Geschäftsanteile

und waren somit am Gewinn zu gleichen Teilen berechtigt. Die Stadt Lüchow erhielt für das

E-Werk 600000 Mark und gab es am 1. April 1920 ab. Der Kreisausschuß bestimmte ferner, daß

die Kosten für die Hausanschlüsse bei elektrischen Zuleitungen künftig von den Hausbesitzern

zu tragen sind. Die überregionale Elektrizitätsversorgung wurde 1920 auch im Kreis Dannenberg

301


fortgesetzt. Für ihren Aufbau ist eine Anleihe über 4,5 Mio. Mark zu 4,5% Zinsfuß bei der Landesbank

Hannover aufgenommen worden; eine zweite Anleihe in Höhe von 2,5 Mio. DM folgte bald.

Die Ingenieure Dr. Ludwig und Dr. Gieseking, bauten die E-Versorgung als Techn. Leiter maßgeblich

auf.

Im Vorgriff auf eine vollflächige Versorgung

hatte die Überlandzentrale Lüchow 1920 einen

günstigen Liefervertrag über 3,5 und 7,5

PS-Motoren für die Landwirtschaft abgeschlossen.

Die Motoren mit Kupferwicklung und Anlasser

sollten rechtzeitig zur Dreschperiode zur

Verfügung stehen. Im März 1920 wurde mit

dem Bau der Überlandzentrale der Kraftwerk

Lüchow GmbH neben dem bestehenden städtischen

E-Werk begonnen. Mit zwei gebrauchten

Krupp`schen Schiffsdieseln von je 800 PS

und entsprechenden Drehstromgeneratoren

kam die Eigenerzeugung mit einer Spannung

von 3000 Volt in Betrieb. Die Überlandverteilung

erfolgte mit einem Hochspannungsnetz

von 15000 Volt. Der Strombedarf für das mit

Gleichstrom betriebene Ortsnetz Lüchow wurde

durch eine Gleichrichteranlage sichergestellt.

Um 1903: Elektrische Kücheneinrichtung

Im Juli1922 waren im Kreis Lüchow etwa 230 km Hochspannungsleitungen fertiggestellt. Von den

188 Gemeinden und Gutsbezirken im Kreis Lüchow hatten 162 einen E-Anschluß. Die meisten

Ortsnetze waren soweit fertig ausgebaut, dass es notwendig wurde, Transformatorenhäuschen

errichten zu lassen. Gebaut wurden 78 gemauerte Transformatorenhäuschen, deren Mauersteine

aus der Ziegelei Güstritz stammten sowie Mast-Trafostationen mit einer Gesamt-Transformatorenleistung

von rd. 2 000 PS. Als Hausinstallationen waren 3 588 Anlagen mit 23 000 Glühlampen

und 424 E-Motoren ausgeführt. Kosten: 35 Mio. Mark .

Der Strom war damals recht teuer: Ein Kilowatt Lichtstrom kostete 4 Mark, ein Kilowatt Kraftstrom

zwei Mark. Auswärtige zahlten für beide Stromarten gemeinschaftlich drei Mark. Lichtstrom war

eigentlich ein Luxusartikel.

Als 1926 durch Überlastung der beiden Schiffsdiesel Kurbelwellenbrüche entstanden, mußte

über einen Fremdstrombezug nachgedacht werden. Man knüpfte an eine bereits bestehende

Hochspannungsleitung von 60 000 Volt vom Wasserkraftwerk Oldau bei Celle an und verlängerte

diese 1926 von Uelzen bis Lüchow.

Der lückenlose Ausbau der Niederspannungsnetze scheiterte am Kapitalmangel der Überlandzentrale

infolge der fortschreitenden Inflation. Daher schritten die Gemeinden zur Selbsthilfe, indem

sich im Kreis Lüchow Elektrizitäts-Genossenschaften bildeten.

1930 ist die Überlandzentrale Lüchow für 531 000 Reichsmark an die Hastra (Hannover-Braunschweigische

Stromversorgungs-AG) verkauft worden, wobei die Anlagen des ehem. Zweckverbandes

einen geschätzten Wert von 300 000 RM darstellten.

302


Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde kein Strom mehr über die alte, baufällig gewordene Hochspannungsleitung

Oldau-Uelzen-Lüchow geleitet. Im Sommer 1956 erfolgte der Bau einer neuen

60000 Volt-Hochspannungsleitung auf 45 km Länge von Lüneburg-Rettmer nach Dragahn. Bauherr

war die Preußen-Elektra Hannover, die Bauausführung besorgte die Starkstrom-Anlagen AG,

Bauabteilung Gifhorn.

Bereits vor dem 2. Weltkrieg kam die Stromverteilung in den Umspannwerken Lüchow und Sarchem

(1938/39) von 60 000 Volt auf 15 000 Volt zur Ausführung. In den Jahren 1949/50 wurde

die, als zweite Sicherheit, von Lüneburg kommende 30 000 Volt-Leitung vom Nordteil des Landkreises

bis nach Lüchow fortgesetzt.

21.9.1928: Bekanntmachung der Überlandzentrale Lüchow-Dannenberg zu Stromtarifen

303


1935:Kostenanschlag von Elektromeister Alfred Thier, Gartow

Gartow 1900 - 1930: Aus der Sicht von Wilhelm Tege

Eine lebendige Schilderung von Ereignissen und Vorgängen ist Wilhelm Tege aus Gartow zu verdanken,

der in einer Artikelserie im Gartower Heimatboten aus eigenem Erleben und aus seiner

Sicht viel Lokalhistorisches und somit Wissenswertes veröffentlicht hat. „Wie hat sich Gartow von

1900 bis 1970 verändert?“ „Wer waren die führenden Männer in diesen Jahren?“ „Wie war der

Verkehr?“ „Wie war die Schule?“ „Und wie lebte es sich hier bei uns?“

Ich werde versuchen dies alles in einigen Folgeberichten zu schildern.

304


I. Folge 1900 - 1905

Bürgermeister war damals Adolf Bardien, Vollbürger, Schlachtermeister und Landwirt. Die Landwirtschaft

besorgte sein Stiefvater namens Wede. Als dieser starb, gab Bardien die Schlachterei

und die Landwirtschaft auf. Er wurde Sparkassenrendant der Dannenberger Kreissparkasse in

Gartow. Bardien war ein großer, grober Mann. Er war nur zu sprechen, wenn einer Geld brachte.

Wer Geld holen wollte, den fertigte er kurzerhand oben an seiner Treppe ab. Doch hatte er auch

einen Gegner.

Es war die Spar- und Darlehnskasse, welche von einem Mann namens Scharnhorst geleitet wurde.

Das war ein sehr freundlicher Mensch und hatte dadurch einen sehr guten Zuspruch. Bürgermeister

Bardien lebte in seinem Grundstück Hauptstr. 35, dem heutigen Wendig-Huss`schen Hause

Hauptstr. Nr. 12. Die Hausbank des langbärtigen alten Bürgermeisters, auf der er in späteren

Jahren oft mit seinem bestickten Käppchen und seiner bis zur Erde reichenden Tabakspfeife zu

sehen war, überlebte noch den II. Weltkrieg.

Dann hatten wir hier eine dreiklassige Bürgerschule und daneben die Gutsschule. Die Gutsschule

hatte etwa 30 Schüler, die Bürgerschule etwa 70/75 Schüler. Lehrer der Bürgerschule war über

Jahrzehnte unser Kantor Thölke. Er betrieb nebenbei auch noch eine Landwirtschaft. An der Gutsschule

amtierte damals ein Lehrer Schulz, der jedoch wenig populär war. Unser Verkehr war auch

geregelt. Der Fuhrmann Ohnesorge fuhr jede Woche nach Lüchow, wenn es not tat auch alle 14

Tage zweimal in der Woche, und holte die Fracht ab. Zu diesen Touren fuhr er in der Morgenfrühe

zwischen 2 und 3 Uhr los und kam erst in der folgenden Nacht wieder zurück. Bei der hiesigen

Post waren damals 8 bis 9 Landzusteller beschäftigt, die alle umliegenden Dörfer zu Fuß mit

Post versorgen mußten. Bis nach Prezelle-Wirl, über die Bergdörfer und bis nach Gorleben-Laase

marschierten diese Männer täglich mit den Postsachen, ganz gleich welche Witterung herrschte.

Nach Dannenberg fuhr die „Kleinpost“ mit einem Pferd bespannt, jedoch nur bis Laase, wo dann

die Umspannung erfolgte. Diese „Kleinpost“ fuhr morgens um 07.00 Uhr hier ab, sie nahm auch

Passagiere mit. Erst abends gegen 6 Uhr kam sie hier wieder an.

Nach Lüchow fuhr die „Hauptpost“ ebenfalls gegen 7 Uhr morgens ab und kam ebenfalls abends

gegen 6 Uhr wieder an. Dann fuhr dieser Wagen aber noch weiter nach Schnackenburg und kam

von dort am nächsten Tage zu 7 Uhr früh wieder zurück. Um 10.00 Uhr kam ein Briefpostwagen

von Lüchow, spannte bei Krug (heutiges Bürgermeisteramt) aus, futterte ab und fuhr am Nachmittag

gegen 3 Uhr wieder nach Lüchow zurück.

Kaufleute hatten wir reichlich genug. An der Spitze Heinrich Schulz (heute Hecht´s Lokal). Er hatte

das größte Geschäft und belieferte auch die Krämer in den umliegenden Dörfern. Dann kam der

Färber Albrecht, der daneben auch noch eine Landwirtschaft betrieb auf dem Grundstück Hauptstraße

8 (heute Nr. 11/Dr. Neuschulz).

Beyers (heutige Brückenschänke) waren gleichzeitig Gastwirte, Bäcker, Kaufleute und dazu auch

noch Landwirte. Gastwirte damals: Heinrich Schulz (Hecht), Köhns Gasthaus, Krügers Hotel (Dt.

Haus) und Anton Krug sowie Beyers. Unsere Feuerwehr mit Brandmeister Carl Appelt an der Spitze

war sehr auf der Höhe.

Ein Jahr hatte die Hauptstraße, im anderen Jahr die Springstraße mit der Handspritze zu üben. Mit

der Handspritze waren wir noch bis 1920 tätig. Wir haben mit dieser auch noch den großen Brand

1920 im nachbarlichen Holtorf bekämpft, und auch viele andere Brände in Gartow und Umgebung

mit ihr gelöscht.

305


Gastwirtschaft Aug. Schulze/Otto Behnke

Um 1895: Blick in die Hauptstrasse

In der Umgebung gab es auch viel Neues damals. Das erste Fahrrad kam 1902 nach Prezelle.

Ein Järnecke, der in Berlin Soldat war, brachte es mit. Und auch eine Haarschneidemaschine kam

durch ihn nach Prezelle. Der erste Getreide-Selbstbinder kam 1903 nach Restorf, zu dem Bauer

Fritz Ernst (jetzt Hof Roost). Ich höre es heute noch, wie ein alter Bauer sagte: Na, Fritz, in 50

Jahren ist auch der Sack mit dran; dann ist das Korn im Sack und du brauchst ihn nur noch zuzubinden.

Den Alten deckt lange der Rasen und Korn kam schon 1940 auf den Schulenburgschen

Betrieben aus der Mähmaschine in die Säcke. Eines war besser als heute:

Es war eine ruhigere Zeit. Alle hatten Arbeit, lebten zufrieden und bescheiden, obwohl alle große

Familien hatten. Der Verdienst war nicht groß. Ein Arbeiter bekam je Tag zwei Mark bei 10/11

stündiger Arbeitszeit. Die Gesellen bekamen 2,50/2,75 Mark.

Wenn alles gut geht und gesund bleibt, lasse ich die Fortsetzung bald folgen.

II. Folge 1905 - 1910

Kirchlich wurden wir damals von Superindenten Seevers betreut. Die Gemeinde hatte mit diesem

ein sehr gutes Verhältnis. Er war ein sehr großer starker Mann, ein guter Prediger und hatte eine

sehr schöne Stimme, sein Gesang war herrlich und erfüllte die Kirche. Pastor Seevers hatte 3

Kinder. Der älteste Sohn wurde Baumeister und baute später die Heizung in die Kirche ein. Die

Tochter heiratete einen Superintendenten Meier in Lüneburg. Der jüngste Sohn Paul war als Soldat

Marine-Offizier auf einem U-Boot und wurde bei der Versenkung seines U-Bootes allein von der

ganzen Besatzung nicht gerettet.

An Schlachtereien hatten wir damals drei, die von Schramm, von Bosse und von Köhn (heute Werner

Schultz). Dazu kamen vier Bäcker: Lauxmann, Suhr, Honig und Konditor Meyer. Also ließ es

sich schon leben. Auch sonst gab es Arbeit genug. Es waren 2 Schmiedewerkstätten vorhanden:

Otto Kropp hatte 2 Gesellen und einen Lehrling in der gräfl. Schmiede am Schäferkamp. Er hatte

die sehr umfangreichen Arbeiten für das Schloß und das Gut zu verrichten.

Schmiedemeister Bethge arbeitete mit seinem Sohn August und einem Lehrling. Auch er hatte seine

volle Beschäftigung. Auch 3 Stellmacher hatten wir damals. Meister Baark arbeitete mit seinem

Sohn Heinrich. Von den Stellmachern Carl Schaal und Theodor Schaal, war Theodor gleichzeitig

noch Fleischbeschauer.

306


Wir kannten aber auch unser Vergnügen zu damaliger Zeit. Der Kriegerverein, wurde von Kaufmann

August Schulz geleitet. Dieser war ehemaliger Goslarer Jäger, was ihn mit sehr viel Stolz erfüllte.

Dazu gehörte auch der Oberförster Pabst, der Nachfolger vom Oberförster Carl Junack, ein

großer, schneidiger Mann. Als großer Patriot hielt er zu Kaisers Geburtstag und anderen Anlässen

ganz wichtige Reden. Er sprach meist vom „Erbfeind“ und „Deutschland über alles“. Wir erlebten

es dann ja auch bald.

Aber alles wurde doch durch die Schützengilde in den Schatten gestellt. Die Musik zum Schützenfest

– 12 Mann stark – kam von Arendsee. Das Fest des Jahres war immer sehr gut besucht.

Es war immer ein richtiges Volksfest, weil jung und alt mitmachte. Mitglied der Gilde konnten nur

Hausbesitzer und selbständige Handwerker werden bzw. deren über 21-jährigen unverheirateten

Söhne. Aber mit den vielen Gästen waren es immer sehr vergnügungsreiche Tage. Die Schützenkönige

von 1900 - 1914 die jährlich zu regieren hatten waren:

1900/Th. Hörnig, 1901 E. Ohnesorge, 1902/H. Baark, 1903/Wi. Schulz (Tischler), 1904/R. Delius,

1905/Ad. Bardien, 1906/H. Meyer, 1907/Kuno Johns, 1908/Karl Horstmann sen., 1909/C.F.

Behrens (Molker), 1910/W. Bennecke, 1911/J. Schenk, 1912/Ad. Bethge, 1913/W. Teege und

1914/O. Seeger. Diese deckt alle schon der Rasen.

Auch die Sedan-Feier (2.9.) wurde immer zu einem schönen Fest. Wir Kinder hatten schulfrei dazu.

Der Kriegerverein marschierte jeweils voran. Die Krieger von 70/71 mit den Orden und Gedenkmünzen

des Feldzuges (Sedan, Gravelot, Vionville usw.) an der Spitze des Zuges mit viel Musik.

Der Kommandant August Schulz hielt die Festrede, die mit einem Hoch auf den Kaiser und auf die

Verdienste der Veteranen die Feier abschloß. Wir Jungens aber waren stets um die Veteranen herum,

versuchten die Worte auf den Orden und Münzen zu entziffern und uns von den Helden etwas

erzählen zu lassen. Wir ahnten noch nicht, daß viele von uns in einigen Jahren nicht mehr leben

würden. Der Kriegerverein und die Veteranen hatten aber auch einen besonders harten Gegner.

Die Hauptstrasse im Mittelpunkt vieler Festumzüge

307


Das war der Sattler Karl Spohn (Bruder von Hannes Spohn). Karl Spohn war stolzer Welfe,der mit

den Preußen nichts zu tun haben wollte, sie missachtete und sie bekämpfte, wo er es nur konnte.

Dann kam noch im Herbst der große Markt dazu, der immer sehr interessant war. Die vielen Buden

aus Salzwedel, Lüchow und anderen Orten, in denen alles mögliche angeboten wurde. Besonders

auffallend war damals das Angebot der verschiedenen Kohlarten durch die hochbeladenen Kohlwagen

aus Kolborn und den sonstigen Kohldörfern. Wer hat damals bloß den vielen Kohl gegessen?

Die Kohlbauern waren am Abend meist so sehr betrunken, daß sie kaum noch Geld übrig

hatten und die Pferde den Weg nach Hause allein finden mußten.

Aber auch die Technik meldete sich in Gartow an. Der Zimmermeister August Herbst fuhr hier das

erste Motorrad und hatte den Führerschein Nr. 1 in unserem Kreis Lüchow.

Das Geschäft von Meister Herbst war nur ein Zimmereibetrieb. Die Sägerei folgte erst später. Die

Zimmerei war aber außerordentlich umfangreich und erstreckte sich bis weit in die Altmark und

in die sonstige Umgebung von Gartow hinein. Auch Großbauten, wie die „Chemische“-Fabrik in

Salzwedel (Neukranz) und das „Waldfrieden“-Hotel wurden von der Firma Herbst erbaut. In Hitzacker

hauptsächlich baute die Firma damals in Eichenfachwerk. Das hierzu benötigte Eichenholz

kam zum größten Teil per Kahn aus Ostpreußen und z.T. auch aus Polen. Es war ein sehr gutes,

mildes Eichenholz. Den ganzen Winter hindurch wurde vorgearbeitet, damit ab März die Bauten

gerichtet werden konnten. In einer Woche wurden oftmals drei solcher Bauten von uns gerichtet.

So waren damals 35 - 40 Zimmerleute bei der Fa. August Herbst beschäftigt. Das war eine gute

Verdienstquelle für die Zimmerleute, die bei einem Stundenlohn von 30 Pfg. in 10-stündiger Arbeitszeit

gutes Geld verdienten. Mehr war auch in Lüchow und Dannenberg nicht zu verdienen.

August Herbst war ein kluger Mann. Mit seinem Grundsatzwort: „Große Männer sehen über Kleinigkeiten

hinweg“ imponierte er nicht nur seinen Leuten sondern auch vielen anderen Menschen.

Aber wo sind alle diese Zimmerleute geblieben? Von ihnen leben nur noch der damalige Geselle

Wilhelm Lämmerhardt in Nienwalde und die beiden damaligen Lehrlinge Wilhelm Tege und Hermann

Törber in Gartow. Krieg und Zeit haben ihre Ernte unter ihnen gehalten. Auf die dieser Zeit

folgenden Kriegsjahre komme ich in den Fortsetzungen noch besonders zu sprechen.

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1914: Geschäftsanzeigen von Karl Horstmann, Rudolph Delius, Ad. Höft, W. Meins

309


III. Folge 1910 - 1915

Etwa 1910 änderte sich bei der Fa. August Herbst manches. Meister August Herbst übernahm von

seinem Bruder Christian das Sägewerk. Christian Herbst, der auch in Lüchow eine Holzhandlung

hatte, zog nach Lüneburg und hatte dort einen sehr erfolgreichen Holzhandel. Jetzt hatte sich die

Firma August Herbst sehr ausgedehnt. So fanden nun etwa 80 - 85 Männer Brot und Lohn bei ihr.

Es gab genug Aufträge, so daß das Geschäft wirklich gut florierte. Es wurden neue, moderne Gatter,

auch das erste Horizontalgatter, aufgestellt, sowie die Hobelerei und Tischlerei eingerichtet.

So etwa um 1905 herum war der Zimmermeister Werth, der erst in Pevestorf wohnte, nach Quarnstedt

gezogen. Dort hatte dieser zunächst ein Gatter und eine Kreissäge aufgestellt. Auch Meister

Werth hatte recht gut zu tun, so daß bei ihm etwa 15 - 20 Männer Arbeit fanden. Damit hatten

wir alle in Gartow unsere gute Arbeit. Gesundheitlich wurden wir von Doktor Röhrs betreut. Herr

Röhrs war ein Bauernsohn aus Tripkau und ein Pferdenarr dazu. Er hatte immer mehrere Pferde.

Timmen-Vater war sein sehr gewissenhafter Kutscher. Ich sehe sie heute noch, wenn sie im Winter

in ihren großen Pelzen die Dörfer abzuckelten. In der noch heute bestehenden ROSEN-Apotheke

wurde der Apotheker la Rose von seinem Schwiegersohn Hermann Thiele abgelöst. Herr Thiele

hatte in Marburg studiert. Es war ein Glück für Gartow und seine Umgebung, daß dieser humane

Mann nach Gartow kam. Er nahm an allem teil. Er tat viel für unsere Heimat. Die Umbildung des

alten Friedhofes an der Buchhorst zum heutigen Ehrenhain war seine Idee. Das schöne Lied der

Schützengilde hat er verfaßt und sich durch jährliches Singen des Liedes beim Frühstückmorgen

der Gilde ein bleibendes Denkmal gesetzt.

Lebensmittelgeschäft Franz Alpermann

Gruss aus Gartow: Gasthaus und Warenhandlung

Ferdinand Platte

Wir hatten auch ein Krankenhaus (heutiges „altes Krankenhaus“ – Hauptstr.), welches unter Leitung

von Gräfin Emma stand. Die Gräfin hat es vorbildlich geführt. Es war zeitweilig so belegt, daß

sie noch eine Etage in Nachbar Meyer`s Haus zugepachtet hatte. Gräfin Emma hat hier viel Gutes

getan, sie konnte für Leute sorgen und hatte besonders Kinder sehr gern. Zu Weihnachten haben

wir manche schöne Stunde bei ihr erlebt. Der Hauptspaß für uns war, wenn sie anfing Weihnachtsbäume

zu verteilen. Die Familien, die viele Kinder hatten, kriegten zuerst einen Baum. Sie sagte,

es wäre für sie ihr Weihnachten, wenn sie allen eine Freude machen könne.

In der Gutsschule gab sie Handarbeitsunterricht, wozu alle Mädchen gern hingingen, auch die

bürgerlichen Kinder. Das tat sie alles auf eigene Rechnung; sie hatte auch noch Hilfe dabei.

Auch sonst war zu der Zeit an alles gedacht. So hatten wir hier auch ein Hospital (Stiftung Heiliger

Geist). Das Haus zwischen Beyer und dem Neuen Haus (Forstamt heute) ist 1945 leider abgebrannt.

Hauptsächlich wohnten in dem Hospital alte Leute vom Schloß und dem Meierhof, aber

auch Bürgerliche, die in Not geraten waren. In dem Hospital gab es ein großes Gemeinschafts-

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zimmer. Dort hielt Pastor Seevers zu Weihnachten Bibelstunde ab; das war immer eine wirkliche

Feierstunde.

IV. Folge

Dies ist die IV. Folge bis zu Anfang des Krieges 1914/18, also das Ende der alten guten Zeit. Zu

dieser Zeit hatten wir einen Gendarm Drewing. Der hatte wegen seiner treuen Pflichterfüllung

viele Freunde, wurde aber von uns Jungen sehr gefürchtet. „Nehmt den Hut ab, geht anständig,“

so korregierte er uns. Wir gingen ihm aus dem Wege, wo es nur ging. Seine Hauptarbeit waren die

Handwerksburschen, die hier bettelnd rumvagabundierten. Auf dem Schlosshof im Pförtnerhaus

war das „Hundeloch“, das sehr oft besetzt war. Wir Jungen wußten das ganz genau. Am nächsten

Morgen brachte Drewing die Burschen zu Fuß nach Lüchow. Auch war hier damals eine Herberge

bei Vater Hildebrand, auf dem Spring, wo Willi Schu. heute wohnt. Die Herberge ging ein, als Hildebrand

starb. Von da an wurden diese Leute im Armenhaus untergebracht.

Alle Monat einmal tagte das Amtsgericht hier. Amtsrichter von Goeben war ein alter ehrwürdiger

Richter. Er kam immer jeden Donnerstag um 3.00 Uhr hier zum Dienst an, damit die Schiffer

abends hierher kommen konnten. Und freitags tagte er so lange, wie Bedarf war. Bei Krug`s wohnte

er. Das Gericht tagte bei August Schulz (heute Central-Hotel). Auch wollen wir Herrn Kronenberg,

den Schreiber, nicht vergessen. In ihrer langen Amtszeit kannten sie jeden persönlich. Doktor

Röhrs verließ leider Gartow und zog nach Hamburg. An seiner Stelle kam Dr. Fraesdorf, der Ostfriese

war. Seine Frau stammte aus dem Hause Doornkat. Er hat hier das erste Auto gefahren, einen

Wanderer. Sein Chauffeur war Fritz Schlüter, der erst vor einiger Zeit hochbetagt verstarb.

Die Jagd in der Gemeinde hatte damals der Zimmermann Heinrich Röhl gepachtet, nach ihm ein

Herr Weidemann aus Hamburg, der Gerichtsassessor war. Damals gab es wohl in unserer Jagd

auch noch mehr Wild. Vier Jäger schossen an einem Nachmittag 7 Hasen allein beim Drücken.

Meister Werth seine Pacht war abgelaufen in Quarnstedt. Baugeschäft und Sägewerk wurden

nach Hahnenberge verlegt. Das Grundstück mußte von 8 Eigentümern zusammengekauft oder

getauscht werden. Auch kaufte Meister Werth die Könke`sche Bürgerstelle (heute Johns-Sander).

Er stellte auch noch ein zweites Vollgatter auf. 1913 gab es einen frühen Winter und die ersten

Weihnachtsboten ließen sich früh sehen. Die ersten waren Johann Behls und seine Mutter aus

Nienwalde. Sie waren Zichorienbrenner. Im Armenhaus und bei Schraders wurde gebrannt, auch

in Quarnstedt brannte man Zichorie. Wir Jungens mußten dazu immer eine Karre voll Holz hinbringen,

sonst ging das Brennen nicht los.

Dann kamen die Schornsteinfeger aus Lüchow hierher. Die wohnten auf der Schornsteinfegerbude

bei Köhns. In der „schwarzen Bude“ blieben sie ungewaschen etwa 8 Tage.

Auch kam der Sämereien-Mann aus Bardowick. Ein Vater Mund war es, mit großem Vollbart. Für

uns Jungens war er besonders interessant, weil er eine Gramm-Waage hatte. Wenn offenes Wetter

war, kam Tierarzt Nitschke aus Lüchow mit seinem Fuchs in aller Ruhe angetrabt. Er wohnte

bei Krügers. Wenn hier alles in Ordnung gebracht war, fuhr er wieder in Ruhe los. Auch der alte

Mansfeld aus Lüchow kam mit seinem Planwagen nach Gartow. Er war unser Freund, kaufte Hasen-

u. Karnickel-Felle und Schweineborsten, wodurch wir uns Geld machten. Ferner kam noch

Schornsteinfegermeister Düker aus Lüchow und kontrollierte die Räucherkammern. Er freute sich

sehr, wenn alle gut geschlachtet hatten, weil er selber immer behauptete mit seinen Schweinen

Pech gehabt zu haben. Aus Mitleid gab Mutter ihm dann eine Wurst mit und die Räucherkammer

war dann auch in Ordnung.

311


1913 war das letzte Weihnachtsfest vor Kriegsausbruch, zu dem die Weihnachtslichter brannten.

Alle waren froh, keiner litt Not. Es konnte ja keiner wissen, daß die gute Zeit zu Ende war und viele

Jahre kein Weihnachtsbaum mehr brannte. Zu Ostern 1914 war in Gartow noch mal Hochbetrieb;

wie alle Jahre, wenn hier vom alten Amt Gartow die Konfirmanden geprüft wurden. Es dauerte

eine Woche. Alle Konfirmanden kamen mit Pferd u. Wagen aus den Nachbarorten. Es wurde stets

zu einem Geschäft für das ganze Gewerbe in Gartow. Ostern 1914 waren hier mehr Soldaten auf

Urlaub wie sonst. Es waren 2 neue Armeekorps aufgestellt, was auch zu merken war. Sonst ging

alles seinen Weg. Otto Seeger, Hermann Törbers Schwiegervater, wurde Schützenkönig. Er ahnte

nicht, dass er es 5 Jahre bleiben würde.

Dann kam das Attentat von Serajewo am 28. Juni 1914. Alle Welt hielt den Atem an und mancher

ließ den Kopf hängen. Auch starb in der Schweiz in einem Sanatorium der große Sozialistenführer

August Bebel. In allen Städten wurden große Gedächtnisfeiern veranstaltet in denen zu Ehren

ihres verstorbenen Führers die Sozialisten gedachten.

In Frankreich wurde Jaures, der große Sozialist und Friedenskämpfer, von Kriegstreibern auf offener

Straße erschossen. Beide Kämpfer für den Frieden erlebten das Schicksal der Welt nicht

mehr. Jetzt ging es mit Riesenschritten in das Kriegsverderben hinein. Am 2. August kam der erste

Mobilmachungstag. Der Kaiser hielt eine Rede an sein Volk, in dem er den bekannten Ausspruch

machte:

„Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur noch Deutsche“

Und dann begann das harte Ringen der Völker um Deutschland herum.

V. Folge Die Kriegsjahre 1914/18

Mit der Mobilmachung veränderte sich auch in Gartow sofort das Leben. Alle militärpflichtigen

Männer mussten sofort zu ihren Garnisonen einrücken. Aber alle hofften auf einen schnell beendeten

Feldzug. Wer die Mobilmachung in einer Garnison erlebte, hoffte zuversichtlich auf einen

raschen Sieg.

An die Waggons der zu den Grenzen rollenden Bahnzüge war groß mit weißer Kreide angeschrieben:

„Wir haben Urlaub nach Paris“ – „Zum Schweineschlachten sind wir wieder zu Hause“, – „Jeder

Schuß ein Russ, Jeder Stoß ein Franzos“ und dergleichen Mehr. Aber eine Woche später, wie

die ersten Verlustlisten herauskamen, wurde die Stimmung schon ernster. Es folgte der Einmarsch

nach Belgien hinein. Die Forts von Lüttich waren schnell genommen. Die „Dicke Berta“, das bis

dahin unbekannte 42 cm-Kaliber-Geschütz von Krupp, hatte mit einem einzigen Schuß ganze

Arbeit gemacht und die starken Forts aufgabereif geschossen. Der dann aber einsetzende Franktireurkrieg

brachte dem deutschen Heer schmerzliche Verluste bei. Zum Schweineschlachten war

noch keiner wieder da; sondern der Grabenkrieg war plötzlich da.

In Ostpreußen waren große russische Armeen eingebrochen. In der Tannenbergschlacht und der

masurischen Winterschlacht gelang es sie zurückzudrücken und z.T. auch sie zu vernichten. Der

Sieg blieb aber zunächst nur eine Hoffnung. In der Heimat war inzwischen die Zwangswirtschaft

mit den Lebensmittelkarten eingeführt. Alles wurde spürbar knapp. Auch wurden alle jungen Leute,

die bisher noch nicht militärpflichtig waren, gemustert.

Im Seekrieg hatten wir vor Helgoland Ende August die kleinen Kreuzer Köln, Ariadne und Frauenlob

verloren. Dafür hatten wir im U-Bootkrieg gute Erfolge. U 9 unter seinem Kommandanten Otto

312


Weddingen versenkte in einem Zuge 3 große englische Kreuzer. Auch im Kaperkrieg gab es gute

Erfolge. Der kleine Kreuzer Emden unter Kapitän Müller führte einen sehr erfolgreichen Handelskrieg

im indischen Ozean.

Zuhause aber wurde alles immer knapper, immer mehr Leute wurden eingezogen und die Verlustlisten

wurden immer länger. An ein schnelles Kriegsende war nicht mehr zu denken. Wir bekamen

immer mehr Feindgegner. Italien war aus dem Dreibund ausgeschieden und hatte sich auf die

Seite unserer Gegner geschlagen. Rumänien und Griechenland erklärten uns den Krieg. So kam

es schon bald zu einem Dreifrontenkrieg. Die Österreicher waren schwer angeschlagen. Die Bulgaren

waren bald ganz fertig. Aber die Türken schickten uns das 2. osmanische Korps. Das waren

gute Soldaten.

Inzwischen wurde nach dem Gold auch sonstiges Metall und Eisen eingesammelt. Die Einsammlung

und Abgabe der Kupferkessel stieß auf sehr großen Widerstand. Auch die Kirchenglocken

wurden eingesammelt und eingeschmolzen. Man konnte kaum noch etwas kaufen, nur noch tauschen.

Bislang waren noch alle Anstrengungen unserer Gegner abgewiesen worden. Aber die Zahl unserer

Soldaten wurde immer weniger. Überall wurde durchgeprüft, wo noch diensttaugliche Menschen

zu erfassen waren. Sogar die Etappendienststellen wurden durchgekämmt. Die Marine mußte

viele junge gesunde Leute an das Heer abgeben, soweit sie nicht Berufsseeleute waren, so etwa

25/30000 Mann. Es waren voll einsatzfähige junge Leute. 1916 war das große Unternehmen um

Verdun, das beiden Seiten größte Verluste kostete. Das bekannte Gebeinhaus entstammt diesen

schweren Kriegstagen. Die Flandernschlachten und das Champagneunternehmen wurden zu einem

militärischen Erfolg, nach dem der Kaiser ein Friedensangebot an die Westmächte machte.

Das Angebot stieß jedoch auf Ablehnung und hatte keinen Erfolg. Am 6.4.1917 erklärte uns auch

noch Amerika den Krieg. Ende Juli erschienen die Amis an der französischen Front. Sie brachten

uns nicht nur den Kartoffelkäfer mit, sondern waren auch sehr gut ausgerüstet. Besonders mit

weittragender Artillerie und den gefürchteten Brisanzgranaten.

Inzwischen war Rußland zusammengebrochen. Im Herbst kam jedoch nochmals die Brussilow-

Offensive, zeitlich zugleich mit dem großen Angriff der Italiener an der Isonzo-Front. In den Isonzoschlachten

mußten wir Deutschen die Österreicher vor allem sehr mit Artillerie unterstützen, um

einen Zusammenbruch zu verhindern. Die Gefahr war sehr groß, wurde aber noch mal gebannt.

Ende April wurde der Kemmel in Flandern von uns gestürmt. Das Dorf Kemmel war trotz schwersten

Beschusses nicht zu erobern. Hier am Kemmel wurde mit Gelb- und Blau-Kreuz-Gas geschossen.

Es war furchtbar! 8000 Mann wurden gefangen genommen; die Hälfte davon konnte nicht

mehr sehen. Im Sommer kam dennoch die letzte große Durchbruchoffensive bei Reims in Gang.

Sie brachte uns aber trotz großer Anfangserfolge nicht den erhofften Sieg.

Im September hielt der Kaiser seine letzte große Rede an sein Volk, vor der Belegschaft bei Krupp.

Er hoffte noch auf den Endsieg, der dem deutschen Volk die größte Freiheit bringen sollte. Im

Oktober kamen die „14 Punkte“ des amerikanischen Präsidenten Wilson heraus, nach denen die

Westmächte bereit sein wollten einen Frieden mit uns zu schließen.Mit Ausbruch der Revolution

dankte der Kaiser ab und ging nach Holland. Dann kamen die Waffenstillstandverhandlungen und

der Waffenstillstand. Was mußten wir schon jetzt alles abliefern. Nicht nur ungeheure Mengen an

Waffen auch Lokomotiven, Waggons u.a. nahm man uns weg. In den dann folgenden Friedensverhandlungen

richtete sich niemand mehr nach den „14 Punkten“ von Wilson.

313


Aber zu Weihnachten 1918 waren doch wenigstens der größte Teil der gebliebenen Soldaten wieder

in der Heimat oder auch schon zu Hause. Nach über 4 Jahren hatte der Krieg endlich ein Ende,

wenn auch ein sehr böses Ende für uns. Aber zu Weihnachten 1918 waren doch wenigstens der

größte Teil der gebliebenen Soldaten wieder in der Heimat oder auch schon zu Hause. Nach über

4 Jahren hatte der Krieg endlich ein Ende, wenn auch ein sehr böses Ende für uns. Aber alle waren

auch so kriegsmüde, daß alle über das Ende des Krieges froh waren.

Wir erinnern uns noch sehr gut an den Ausspruch des Deutschenhassers Clemenceau, der damals

sagte: „Es gibt Millionen Preußen zuviel. Bevor die nicht vernichtet sind, gibt es für Frankreich keine

Sicherheit und Ruhe.“ So sah es am Kriegsende wirklich aus.

Der erste Soldat, der 14/18 fiel, war ein bayr. Sergeant aus der Garnison Metz, der erste Offizier,

der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Bauer.

So sah ein Landser, wie ich, damals den Ablauf des Krieges 14/18 in groben Zügen.

Gefallene und Vermisste des 1. Weltkrieges aus Gartow

Gefallene

Schulz, Karl (22.10.1914), Griese, August (2.11.1914), Berdien, Otto (20.1.1915), Hahlbohm, Wilhelm

(24.3.1915), Blütling, August (1.6.1915), Philippi, Otto (17.7.1915), Griese, Ernst (1.8.1915),

Ölschläger, Heinrich (8.8.1915), Kuttnick, Robert (18.4.1916), Giese, Karl (10.6.1916), Behrens,

Hermann (21.8.1916), Schulze, Wilhelm (18.9.1916), Schulze, Karl (20.9.1916), Frahm,

Julius (18.12.1916), Schulze, August (14.2.1917), Greuel, Heinrich (7.3.1917), Baltzer, Hermann

(8.3.1917), Timme, Rudolf (23.4.1917), Frahm, Adolf (28.6.1917), Weidner, Hugo (3.7.1917),

Stroermann, H. (10.7.1917), Reinhardt, W. (14.7.1917), Lange, Wilhelm (14.7.1917), Hahn, Adolf

(29.9.1917), Dankert, Fr. (10.10.1917), Füllgraf, Arthur (6.4.1918), Saack, Friedrich (29.5.1918),

Heuer, Emil (5.6.1918), Mielau, Hermann (13.6.1918), Seevers, Paul (20.7.1918), Kleine, Fritz

(Sept. 1918), Nagel, Albert (10.9.1918) und Bohlmann, Adolf (3.11.1918).

Vermisste

Schmidt, Otto (14.10.1914), Blütling, Wilhelm (24.11.1914), Schmidt, Ernst (26.1.1916), Waldow,

Adolf (28.7.1916) und Teege, Friedrich (3.9.1916).

Infolge Kriegsbeschädigung starben

Lüders, Gustav (28.6.1916), Schumann, G. (7.1.1919), Widera, Josef (3.3.1920), Renner, Karl

(27.7.1920), Heuer, Karl (26.2.1921) und Giese, Wilhelm (7.8.1921).

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„Übersicht über die Blutopfer unserer Gemeinden im Weltkrieg 1914/18“

315


VI. Folge 1920 - 1925

Der Krieg war zu Ende und ich dachte an meine schöne Schulzeit, in der wir vieles gelernt hatten.

Als ich in den Krieg auszog, waren alle Kisten noch voll und schwer. Als ich wiederkam war alles

leer. So ging es uns jungen Leuten damals. Aus uns waren inzwischen Männer geworden, die 4 - 6

Jahre Soldat gewesen waren und fast alle Länder in Europa gesehen hatten.

In der Heimat war schwer wieder Fuß zu fassen, denn es fehlte an allem. Aus unseren Kleidungsstücken

waren wir rausgewachsen und zu haben war zunächst kaum etwas. Es war für uns eine

schwere Zeit, aber es hat sich alles wieder eingespielt. Hier gilt der alte Satz „Gartow adeliger

Sitz“. Da auch das Bauhandwerk darniederlag, so ging alles, war arbeitsfähig war, in die Forsten

arbeiten und fand sein Brot bis sich wieder alles etwas eingespielt hatte. Sogar die Schiffer

arbeiteten in der Forst mit. Man kannte ja noch keine Arbeitslosenunterstützung usw. – „Keiner

brauchte zu hungern, aber auch keiner kann dabei Millionär werden,“ sagte Graf Günther von

Bernstorff damals. Hier hieß es ganz einfach: Bist du Gottes Sohn, dann hilf dir selbst. Aber dann

kam ein gutes Erntejahr, das die ganze Lage verbesserte. Die Fa. August Herbst war wieder recht

gut beschäftigt. Die Fa. W. Werth fing an, sich auf Feldscheunenbauten zu spezialisieren, besonders

in der Altmark. So waren wir dann auch bald wieder voll beschäftigt. Aber unsere Mark fing

an schwächer und wertloser zu werden.

Wir wurden jetzt aber auch moderner in Gartow. Wir bekamen einen Tierarzt, Dr. Ketz. Auch ein

Töpfermeister, Karl Scheel, war aus Wittenberg zugezogen. Karl Scheel behauptete immer, daß er

Dr. Ketz zum Doktortitel verholfen habe. Als er den Tierarzt einmal studierend und nachdenkend

an der Elbe getroffen habe, habe er ihm die Fortpflanzung einer Wasserfliege erklärt und dadurch

zu seiner Doktorarbeit beigetragen. Auch ein Berliner Zahnarzt, Paul Tornow, kam in der Zeit nach

dem Kriege nach Gartow, gründete eine gut gehende Praxis, die er bis heute noch hier ausübt.

Während des Krieges hatten wir auch einen neuen Superintendenten (Umland) aus Hollenstedt/

Nordheide bekommen. Der alte Bürgermeister Adolf Bardien ging jetzt in den Ruhestand. Sein

Nachfolger wurde Kfm. August Schulz, der einstimmig dazu gewählt wurde. Leider war er ein kranker

Mann; er hatte seelischen Kummer. Zwei seiner Söhne waren im Krieg gefallen und er selber

starb bald an einem Magenleiden. Dann folgte Lehrer a.D. Behrens als Bürgermeister. Der hatte

auch die Geschäftsführung der Spar- und Darlehnskasse im jetzigen Hause Hauptstr. 30 (Alpermann)

inne.

Die Jagd hatte damals Georg Meyer gepachtet. Er war Jäger mit Leib und Seele und brüstete sich

oft, bessere „Kronen“ an der Wand als der Forstmeister zu haben. Wir hatten viele Wildschadensfälle,

aber Georg hielt die Feldmark „sauber“. Obwohl er Gartower war, kannte er die Feldmarkgrenzen

nicht so genau. Sein Lieblingsbezirk waren das Binnenfeld und die Gegend um den

Wolfsberg. Der gräfl. Forstverwaltung hat er manchen Kummer bereitet. Leider ist die heutige Jagd

doch lange nicht mehr so gut und interessant wie damals zu Georg Meyer‘s Zeiten.

In den Nachkriegsjahren wurde auch hier eine Gewerkschaft gebildet. Die Leitung hatten Adolf

Järnecke und Heinrich Hoppe. Auch eine Ortsgruppe der SPD bildete sich; ihr Leiter wurde Wilhelm

Kraasmann. Die Hauptmänner waren Karl Seibt, August Schleese und Hermann Tiemann.

Inzwischen war die Geldentwertung bis zur Inflation fortgeschritten. Von den Hunderten, über die

Tausender bis schließlich in die Billionen lernten wir noch mal rechnen. Täglich, zuletzt fast stündlich,

änderten sich die Umrechnungswerte. Es war eine böse Zeit für jedermann, wie auch für

unsere Gastwirtschaft. Als schließlich die Rentenmark eingeführt wurde, fehlte es zunächst noch

316


an genügend flüssigen Zahlungsmitteln. Die gräfliche Verwaltung erhielt die Genehmigung zur

Ausgabe von „Notgeld“, um die örtlichen Schwierigkeiten einigermaßen überbrücken zu können.

So haben wir mal kurze Zeit auch „Gartower Geld“ im Umlauf gehabt.

Gegen Ende des Jahres 1923 wurden die ersten Kraftfahrzeug-Postbusse eingeführt, die nach

Lüchow und Dannenberg liefen. Unser erster Bus-Fahrer war Karl Heise. Karl Heise hatte viel Ärger

mit seinen Bussen, weil der ganze Bus-Betrieb noch zu sehr in den Kinderschuhen steckte. Wenn

er morgens mit seinem hartbereiften Bus durch die Hauptstraße über das Kopfsteinpflaster fuhr,

dann wackelte das Geschirr in den Häusern so, daß man meinte, es klingelte irgendwo. Aber Karl

erlebte später auch bessere Bus-Zeiten und wurde schließlich sogar Gartows erster Kilometer-

Millionär bei der Bundespost. Er lebt heute noch als angesehener Bürger in seinem Haus in Hahnenberge.

Die Forstverwaltung hatte nach dem Kriege einen Oberförster Köhler; er war Thüringer und ein

recht umgänglicher Herr. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Forstmeister Carl Junack sen.

ging er aber hier wieder weg. Anschließend wurde er Heilkundiger. Sein Nachfolger wurde Oberförster

Rädecke, der lange Zeit in Gartow blieb. Als Mitglied des Rates der Gemeinde Gartow hat

er viel Gutes für Gartow getan.

Um diese Zeit, eben nach der Inflation, wurde hier das elektrische Ortsnetz angelegt. Die Firmen

Werth und Herbst erzeugten selbst elektrischen Strom. Die Fa. Werth belieferte zunächst auch

noch die gräfliche Verwaltung mit Strom. Es war ein richtiges Theater um die Elektrifizierung. Sitzung

um Sitzung wurde abgehalten, mit vielen Streitigkeiten und Diskussionen, bevor man zu

Rande kam. Die Leute waren sehr mißtrauisch, bis Meister Hörning den verhandelnden Ingenieur

Dr. Giesecke fragte, ob und wo er überhaupt einmal studiert habe. Das löste große Heiterkeit aus,

trug aber sehr zur Beruhigung bei.

Dann hatten wir auch mal sehr hohen Besuch. Der Herzog von Cumberland mit seiner Gemahlin

waren hier. Das war sehr aufregend. Die Herzogin freute sich sehr, daß hier so viele Freunde und

Kinder zur Erholung aufgenommen waren. Die Kinder waren durch den Luisenbund, den die Herzogin

leitete, hierher gekommen. Stolz machte ein 10jähriges Mädchen aus Hannover, das die

Herzogin kannte, vor der erfreuten Herzogin ihren Knicks und wünschte ihr „schön`guten Tag.“

Der alte Welfe Karl Spohn rief dem Herzog zu: „Jage die Preußen raus, wir schaffen es wie bei Langensalza!“

Dazu bedankte er sich beim Herzog für das Veteranengeld, das er nach seiner Meinung

vom 2. welfischen Inf. Rgt. und nicht von den „Preußen“ erhielt. Dann bestellte er auch noch einen

schönen Gruß an seinen alten Rgt.-Kommandeur.

Die Familie Miethling gab das Privileg der Abdeckerei ab. Der Käufer war ein Herr Gehrke aus

Mecklenburg. Die Abdeckerei war in der Forst; die Ecke heißt heute noch Schinderkuhle. Da sah

es toll aus. Die Tiere wurde enthäutet; auch wurden Flechsen aus dem Fleisch der Tiere gemacht,

als Futter für die gräfl. Hundemeute. Die Kadaver der Tiere blieben liegen, als Fraß für die Füchse

und die Wildschweine. Gehrke hatte einen Prozeß mit der Forstverwaltung, weil er den Platz

eingefriedet haben wollte. Er verlor aber den Prozeß, zog nach Lüchow und übernahm dort die

Kreisabdeckerei. Fortan holte er alles mit Lastzügen zusammen. Mit den Anliegern in L. bekam

er bald wieder einen Prozeß, den er ebenfalls verlor und dadurch auch dort bald am Ende seiner

Kunst war. Schließlich führte er auch um das Privileg noch einen langen Prozeß, den er nach meiner

Erinnerung aber gewann.

317


Auch hatten wir einen Toten zu beklagen, der meilenweit bekannt war. Manchen Spaß haben wir

mit ihm gehabt. Das war Hannes Spohn, ein verkrachter Schneider. Leider ist er elendig zu Grunde

gegangen. Über diesen Mann werden wir noch einen besonderen Bericht später folgen lassen.

Dann ging auch unser ehrenwerter Kantor Thölke in den Ruhestand. Sein Ruhesitz war hier in

Gartow das Chr. Herbst`sche Haus, in dem heute Dr. Herbst seine Praxis hat. Er hatte noch eine

gute Landwirtschaft und war ein noch sehr rührig tätiger Mann.

Als Nachfolger kam der Lehrer Rudolf Haberland aus Niendorf (Nienwalde heute) zu uns als Kantor.

Er heiratete hier eine Lehrerin aus Harburg und lebte sich schnell hier bei uns ein. Er wurde

auch zum Ratsmann gewählt, als der er sich ebenfalls viel Verdienste erwarb. Wir hatten zu der

Zeit eine Schulkrise durchzumachen. Gutsschule und Bürgerschule hatte zusammen nur noch 58

Schüler, weil Prezelle die Schüler aus Wirl für sich beanspruchte.

Danach durften wir in Gartow nur 2 Lehrer haben. In einer vielstündigen Sitzung in Lüneburg

wurde schließlich durchgesetzt, daß Gartow eine 3klassige Schule und damit auch einen dritten

Lehrer behielt. Der dritte Lehrer wurde Herr Lührs, den aber die Gemeinde besolden sollte. Nur

dadurch, daß Herr Lührs gleichzeitig die Fortbildungsschule übernahm und Graf Günther v. Bernstorff

den verbleibenden Restbetrag zahlte, konnte die dritte Lehrerstelle erhalten und die Krise

überwunden werden.

Die Prezeller wollten sich immer noch nicht beruhigen. Ihre Vertreter August Hussmann und Pastor

Rauterberg forderten und setzten auch durch, daß die aus Wirl anfallenden Grundsteuern fortan

Prezelle zufielen; es waren ganze 72 Mark jährlich.

Herr Haberland war ein sehr rühriger Mann. Für den damaligen Heimatboten schrieb er sehr viele

Artikel. Seine Schüler gingen gern zu ihm in die Schule. Einmal in der Woche hielt er eine Unterrichtsstunde

mit dem Thema: „Was gibt’s Neues in Gartow?“ Das tat er, um seine Unterlagen für

die von ihm begonnene „Heimatgeschichte“ zu erweitern. Die Jungens mußten ihm helfen zu erforschen,

was noch aus alter Zeit zu erfahren möglich war.

Der Vater R. Haberland, der in Restorf Kantor gewesen war, verlebte hier in Gartow seinen Ruhestand.

Viele Gartower waren seine Schüler in Restorf gewesen. Er war ein leidenschaftlicher

Botaniker; man sah ihn fast immer mit einem Strauß in der Hand. Es freute ihn sehr, wenn jemand

sich für seine Leidenschaft mit interessierte und Verständnis dafür aufbrachte. Um 1930 haben

wir ihn zur Ruhe getragen.

Sein Sohn Rudolf ist 1968 in Dannenberg im Johanniterheim verstorben und hier in Gartow beigesetzt

worden. Mit seiner dreibändigen Heimatgeschichte hat er sich ein bleibendes Denkmal

gesetzt. Das muß hier zwar erwähnt und gewürdigt werden, aber darüber kann in diesem Rahmen

nicht berichtet werden.

VII. Folge 1925 - 1930

Inzwischen war Theo Beyer Bürgermeister geworden. Zur Hilfe stand ihm als Gemeindebote Karl

Seibt allein zur Verfügung. Beyer war ein sehr sparsamer Herr. Er hat viel für seinen Heimatort

Gartow geleistet.

Es gab hier damals viel Aufregung. In Meetschow wurde nach Öl gebohrt. Es wurde hierum viel

Wind gemacht, was aber wenig später schon im Sturm endete. Viele Leute wollten schnell reich

werden.

318


Sogar eine Leitung zur Elbe war vorgesehen. Ein Herr Streithoff sah den Himmel offen. Bald aber

gab es große Enttäuschungen. Alle Aktien, die sehr zahlreich verkauft waren, wurden völlig wertlos.

Hier gilt das Sprichwort: „Wer Wind säet, der wird Sturm ernten.“

Auch die Molkerei wurde von einer sich bildenden Genossenschaft Herrn Streithoff für 16000

Mark abgekauft. Herr Streithoff wollte für Oerenburg Maschinen kaufen, die täglich 80 fm Holz

verarbeiten sollten. Es blieb aber nur bei einem frommen Wunsch.

Bei der Firma August Herbst hatte der Sohn Walter sein Studium abgeschlossen und trat als Diplom-Ingenieur

in das Geschäft ein. Das machte sich sehr bald bemerkbar. Das Baugeschäft bekam

einen recht guten Aufschwung. Er verstand es besonders, seine Mitarbeiter klug einzusetzen.

1925 hatten wir auch das große Schützenfest mit dem 75-jährigen Jubiläum der Schützengilde.

Auch das Kinderschützenfest wurde in diesem Jahr gegründet, bei dem Herr Schulenburg der

Leiter war. Alle Kinder aus Gartow und seiner Umgegend machten freudig mit. König konnte aber

nur ein Junge aus Gartow werden, der sich seine Königin wählen durfte. Es war wirklich sehr gut

durchdacht von Meister Schulenburg; als Fest für die Kinder aufgezogen. Der erste Kinderkönig

war 1925 Kurt Fraesdorf, es folgten ihm 1926 André Thorey, 1927 Werner Grothe, 1928 Karl

Schaal, 1929 Ernst Gauster.

Auch wurde 1925 die Joppen-Kompanie ins Leben gerufen. Der Jubiläums-König wurde nach hartem

Kampf Harry Schulenburg. Diesem folgten in den nächsten Jahren Arnold Schramm, Wilhelm

Füllgraf, August Bethge und Karl Schaal sen.

Zum Schützenfest hatten wir sehr großen Zuspruch aus Arendsee, Lüchow, Schnackenburg und

allen umliegenden Orten. – Der alte Mai war immer sehr erbost, daß die Schützengäste aus den

Nachbarorten nicht in Uniform erschienen, sondern nur Schützenhüte aufhatten. Zu unserem

Schrecken war Vater Mai auch immer Tanzordner. Wenn es auf dem Saal dann nicht so ging, wie

er es haben wollte, dann wurde er saugrob. Die Musik kam seinerzeit aus Trebel. Kurzèn Papa, wie

wir ihn nannten, war ihr Kapellmeister. Er war uns allen sehr zugetan und spielte für die Jugend,

was sie sich wünschte. – Gern wurde damals gespielt: „Das haben die Weiber so gerne“ oder

„Wenn das der Petrus wüßte“. Wenn ich dieses so schreibe, dann möchte ich noch mal 60 Jahre

jünger sein. Die Jugendzeit ist doch das Beste, was es gibt.

1926 war ein böses Jahr. Von Juni bis August stand das Wasser von Deich zu Deich. Der Buchhorstdamm

brach und das Wasser schoß in die Feldmark. Alles Vieh mußte weggebracht werden.

Alle Wiesen und Weiden standen, wie auch die halbe Feldmark, unter langanhaltendem Wasser.

Man versuchte das Wasser von der Feldmark

abzupumpen. Es war vergebliche Liebesmüh

und hatte keinen Erfolg. Im August folgt noch

eine große Hitze. Die Seegewiesen lagen voll toter

Fische, bis hoch an die Deich ran. Es stank

fürchterlich. Ein früher Winter folgte diesem

traurigen Sommer. 1927 war es ein bitteres

Jahr, durch die Folgen des Hochwasservorjahres.

Die vielen Leberegel brachten verlustreiche

Krankheiten beim Vieh. Diese Verluste

Sommerhochwasser 1926

319


trafen besonders die kleinen Viehbesitzer sehr hart. Obschon Dr. Ketz sein Bestes tat, waren die

Verluste nicht zu verhindern.

Die Kuhkasse, ein Verein auf Gegenseitigkeit im Kirchspiel Gartow hatte 152 Mitglieder. Der Verlust

für die Kuhkasse betrug in diesem Jahr über 7000 Mark und konnte kaum aufgebracht werden.

Aber es wurde geschafft. Die ehrlichen und tüchtigen Männer des Vorstandes, Adolf Blütling-Nienwalde

und Adolf Fintelmann-Meetschow haben uns das hierzu notwendige Geld damals

persönlich besorgt und dafür gerade gestanden. Dabei müssen wir auch an Vater August Herbst

denken, der uns dabei sehr geholfen hat. Zu allem Überfluß kam auch noch eine Lungenseuche

beim Rindvieh hinzu. – „Aber der Herrgott schickt nicht mehr Kälte, als die Leute Schuhwerk haben“.

– So sind wir auch damit zu Ende gekommen.

Es kamen auch wieder gute Jahre, in denen wir bei der Kasse nur 72 Mark Umlage zu heben

brauchten.1928 ging es uns schon wieder besser. Leider verließ uns Dr. Ketz, was wir alle sehr

bedauerten. Er hat uns immer gut vertreten, besonders beim Kreistierarzt, mit dem wir immer viel

Krach hatten. Das war kein guter Mensch.

Auf den Nachfolger von Dr. Ketz waren wir sehr gespannt. Es kam ein junger Mann, der sich als

Tierarzt vorstellte und den wir heute noch hier haben. – Nachdem die ersten Bedenken überwunden

waren, kamen wir gut mit ihm aus. Wir sind froh, daß wir unseren Paul Henning heute noch

haben. Leider wird auch er älter. Wir werden in einer späteren Folge über das Zusammenleben mit

ihm noch näher berichten. – Meister Werth hatte jetzt Kummer. Sein ältester Sohn Wilhelm wurde

zu Grabe getragen. In Niendorf kaufte er zu der Zeit 147 ha Wald vom Krügerschen Hof. Vorher

hatte er vom Niemannschen Hof in Niendorf 72 ha und später von Gehrke 42 ha Wald gekauft. Da

machten die Niendorfer sich Sorgen, daß er eine eigene Jagd haben wollte. Aber die Grundstücke

lagen nicht zusammen, so daß das nicht ohne weiteres ging.

In Gartow wurden die neuen Bürgervorsteher

gewählt. Hier ging es schon etwas parteimäßig

zu. Zum ersten Mal errang die SPD eine Mehrheit

in der Gemeindevertretung. Aber Theo Beyer

blieb Bürgermeister. Unter ihm wurde weiterhin

sehr sparsam gewirtschaftet. Damit wurde

den Leuten, die sich Gedanken machten, der

Wind aus den Segeln genommen.

um 1935: Kreuzung Hahnenberger Str./Springstr./

Otto-Telschow-Str. (Hauptstraße)

Vor 1900: Die Hauptstrasse , links Kaufmann Johns

um 1920: Die Springstraße

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Gartow im Dritten Reich

Gartow 1930 - 1945: Aus der Sicht von Wilhelm Tege

VIII. Folge 1930 - 1939

Von 1930 an ging es uns allen in Gartow recht gut. Die Betriebe hatten durch viele Aufträge recht

gut zu tun und wir damit unser gutes Auskommen.

Die Fa. Werth hatte in Wittenberge einen Großauftrag erhalten; nämlich die Viehmarkthalle zu

bauen. Allein schon damit war sie lange voll ausgelastet. Dazu kamen weiterhin ihre Scheunenbauten.

Auch die Fa. Aug. Herbst war außerordentlich gut beschäftigt. Sie hatte sehr viele Aufträge in der

Altmark, daneben mehrere Schulbauten in dem hiesigen Kreis. In Dannenberg wurde von ihr die

Genossenschaftsbank gebaut; ein Bau, der große Anforderungen an Meister und Gesellen stellte

und ihnen durch seine Eigenschaften oft Kopfzerbrechen und Kummer machte.

Die Regierung Papen betrieb die Zusammenlegung von Landkreisen. Das betraf auch uns hier, da

hierbei die Frage, ob Lüchow oder Dannenberg Kreissitz werden sollte, entschieden werden mußte.

Beide Städte machten große Reklame im Kampf um die Stimmen für den Kreissitz. Viele, viele

Sitzungen und leidenschaftlichste Debatten gab es darum. Gartow war zum Zünglein an der Waage

dabei geworden, da das Amt Gartow erst in den neunziger Jahren zum Kreis Lüchow gekommen

war. Historisch gehörten wir nach Dannenberg hin. Es gab aber auch noch andere Vorschläge zur

Kreisbildung. Eine Gruppe mit Herrn Werth an der Spitze, wollte einen „Elbekreis“ bilden, der von

Werben bis Neudarchau reichen sollte. Auch der alte Forstmeister Junack teilte diese Ansicht und

unterstützte sie.

Die Lüchower schickten eine Kommission nach der anderen zur Regierung und sammelten Unterschriften

für den von ihnen geforderten Kreissitz. Die Dannenberger, mit ihrem Bürgermeister

Dr. Dr. Nörtelmann an der Spitze, verteidigten ihre Forderung nach dem Kreissitz sehr geschickt

und auch hartnäckig. Sie setzten alles in Bewegung, um ihn zu erhalten und erreichten schließlich

auch einen Stimmungsumschwung für Dannenberg. Lüchow erhielt damals sehr viel Grundsteuern

aus der Gartower Forst. Sonst hatten sie nur noch ihre Domäne Königshorst, die aber nichts

einbrachte und für sie ein Zuschußbetrieb war. Dannenberg aber hatte die Forsten Landwehr, die

Lucie und die Göhrde, die lukrativer waren.

Um uns bei diesem Streit etwas rauszuhalten, haben wir dann Graf Günter von Bernstorff zu einer

Sitzung eingeladen, um seine Meinung zu hören. Der Graf entschied sich für Dannenberg. So

wurde dann auch Dannenberg zur Kreisstadt des neuen Kreises Dannenberg, dem der bisherige

Kreis Lüchow angeschlossen wurde.

Zu dieser Zeit schied Gräfin Eleonore von uns. Große Trauer gab es im ganzen Ort und seiner

Umgebung. Bei allen sehr beliebt, war sie eine mehr als bescheidene Frau gewesen. Vor allem

war sie sehr kinderlieb gewesen und hatte alle Kinder genau gekannt. – Im Hospital hatte sie eine

Nähschule eingerichtet, jede Woche 4 Stunden, in der sie 2 Schneiderinnen beschäftigte, die den

Mädchen das Nähen beibrachten. Sie hatte eine große und sehr würdige Beerdigung. Pastor Rauterberg

aus Prezelle hielt die Trauerrede mit dem Text Jesajas 54/1 „Die Einsame hat mehr Kinder,

als die einen Mann hat.“ Der Spruch war gut und zutreffend für die Gräfin gewählt. Sie war eine

Frau, die jedem eine Freude machen wollte und ihn am liebsten auch noch beschenkte.

321


Für sie galt wirklich: Matthäus 6 Vers 3: „Laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut“.

Trotz ihrer angeborenen Bescheidenheit lebte sie uns dieses Wort wirklich vor. Ihre Bescheidenheit

ging so weit, daß sie als „Gräfin-Mutter“ noch viele Jahre nach dem I. Weltkrieg in Holzschuhen

durch den Ort ging. Fuhr sie wirklich mal irgendwo hin mit der Eisenbahn, dann nur in der IV.

Klasse. Gottlob hat sie die gottlose Zeit nicht mehr erlebt. Bei der Fa. Herbst erlebten wir leider

einen schweren Betriebsunfall, der unserem Mitarbeiter Louis Bauch das Leben kostete. Er hinterließ

eine Witwe mit 2 Kindern. Der Fall ging uns allen sehr nahe, war er doch ein sehr bescheidener,

ruhiger Mann.

Als die Herbst`sche Mühle überholt wurde,

dankte der alte Müller Berdin ab. Sein Nachfolger

kam aus Mecklenburg. Es war Gustav

Wolter, der die Mühle in Schwung hatte und beachtlich

erfolgreich wirkte.

Die Fa. Werth schloß dem Sägewerk ein Holzpflasterwerk

mit zahlreichen Maschinen, sowie

einer Imprägnierungs- und auch einer neuzeitlichen

Trocknungs-Anlage für das Holz an. Wie

der Sohn Christian Werth als Bauingenieur in

die Firma eintrat, wurde diese als offene Handelsgesellschaft

W. Werth & Sohn eingetragen.

Dazu wurden einige Lastzüge angeschafft und

moderne Trecker gekauft.

Die Fa. Aug. Herbst stellt sich ebenfalls um.

Hatte sie so lange das Holz mit eigenen Elbschiffen

nach Hamburg verfrachtet, stellte sie

sich auch auf Schnellverkehr um und kaufte

dazu ebenfalls Lastzüge und Trecker, die die

Lücke schlossen.

Leider wurde unser Superintendent Vater Umland

krank und gab seinen Dienst auf. Er zog

nach Lüneburg mit seiner Frau wo er später

verstarb. Als Nachfolger kam Pastor Hoffmann

hierher. Noch zu Umlands Zeiten hatten wir hier

ein großes Missionsfest, das sehr gut besucht

war, worüber sich Herr Umland noch sehr freute.

Die Bockwindmühle an der Springstr.

(1907 abgebrochen)

Aber nun machte sich die neue Zeit auch bei uns bemerkbar. Zuerst kam ein Trupp junger Leute,

die bei Hechts einquartiert waren. Diese nannten sich Jungdeutscher Orden. Auch begann es mit

der NSDAP, die Propaganda machte.

Desgleichen fingen die Kommunisten an wach zu werden. Diese kamen aus Salzwedel. Alle wollten

sie das Beste für uns. Aber wir stellten uns taub. Namentlich der Kommunismus lag uns nicht.

Hier muß ich an ein Wort von Stalin erinnern, der einmal sagte: „Für die Deutschen paßt der Kommunismus,

wie für die Kuh der Sattel!“

322


Uns wurde von allen eine gute Zukunft versprochen; es sollte alles besser werden. Aber die Vernunft

sagte uns: es kann nicht gehen, was sie alles versprechen. Die Leute wollten über ihren

eigenen Schatten springen. Leider aber machten doch viele Bürger und angesehene Leute mit

ihnen mit, was wir in unseren Kreisen sehr bedauerten.

IX. Folge

Jetzt wurde aus dem Jungdeutschen Orden der freiwillige Arbeitsdienst gebildet. Durch den großen

Bankkrach in New York kam es zu dem „schwarzen Freitag“, bei dem die DANAT-Bank krachen ging

und ein großes Durcheinander an den Börsen entstand. Dr. Brüning war zu der Zeit unser Reichskanzler.

Die Folgen waren verheerend. Das Geld wurde sehr, sehr knapp und die Arbeitslosigkeit

stieg so an, wie es sich vorher keiner hätte vorstellen können. Die Gemeinde konnte die obdachlosen

Arbeitslosen, die jeden Tag ankamen, kaum noch unterbringen.

Zu dieser Zeit wurde in Gartow ein Zweckverband gebildet. Es ging um den Arbeitsdienst. Alle Orte

des Amtes waren dabei, auch Laase und weiter abliegende Orte. Es wurde dafür und dagegen gesprochen.

Man konnte aber keine Einigung zustande bringen. Schließlich sollte Landrat v. Tettau

dazu gehört werden. Dieser war kein Freund davon, warnte uns und machte uns auf die möglichen

Folgen aufmerksam. Hauptgegener waren Bgm. Hennings, Vietze und Otto Barge, Laase. Aber die

Mehrzahl der Gemeindevertreter wollte nun mal bauen und zwar das auch sofort. Träger für den

Aufbau eines Arbeitsdienstlagers wurde so der Bodenkultur-Zweckverband mit Bgm. Beyer als

Vorsitzenden. Die alte Sandkuhle an der Chaussee nach Lüchow machte der Arbeitsdienst baureif.

Von den 4 Baracken bauten die Firmen Herbst und Werth je zwei Stück. Die übrigen Arbeiten

wurden so vergeben, daß jeder ansässige Handwerker ein Los bekam.

So um 1933/34 wurde der Reichsarbeitsdienst durch Gesetz gebildet. Nach Gartow kam die Abteilung

180/5. Hugo Neumeister war der Abteilungsführer; später wurde er aber wieder Soldat.

Der Staat zahlte seine Miete für das Lager an den Zweckverband. Der Zweckverband war sehr

großzügig und lieferte von sich aus noch Fahrräder und Spaten an den Arbeitsdienst. Die erste

größere Arbeit führte der Arbeitsdienst an der Elbe und zwar am „Bösen Ort“ durch.

Zu dieser Zeit brannte das Kesselhaus auf dem Sägewerk Herbst ab, so daß die Sägerei einige Zeit

ausfiel, die Zimmerei aber trotzdem noch leidlich weiterarbeiten konnte.

Als dann Reichspräsident Hindenburg verstarb, wurde Hitler auch noch Reichspräsident. Jetzt war

der Weg frei, der uns ins Verderben führte. Mit der Arbeit wurde es sogar noch besser. Die Firma

Werth war mit der Holzpflasterei sehr beschäftigt und auch die Zimmereien hatten voll zu tun. Die

Fa. Aug. Herbst arbeitete zeitweilig in 2 Schichten, weil in der Zimmerei so viel vorlag. Das Viehhaus

in Quarnstedt erhielt ein neues Dach, was lange Zeit dauerte.

Auch wurde ein alter Pferdestall zum Schweinestall umgebaut. Auch das Herbst`sche Hobelwerk

lief auf vollen Touren, so daß neue Maschinen gekauft und aufgestellt werden mußten. Herr Werth

kaufte damals 35 ha Elbwiesen in der Garbe. 1936 wurde das Rheinland wieder von uns besetzt.

Hitler verkündete die Wehrfreiheit und Wehrpflicht, was mit gemischten Gefühlen aufgenommen

wurde. In Berlin fanden die Olympischen Spiele statt, während gleichzeitig in Spanien der Bürgerkrieg

entflammt war. Auch war in diesem Jahr der Einmarsch in Österreich, das befreit werden

sollte, erfolgt. Jetzt gingen auch die Judenverfolgungen los. Die SA tat sich dabei besonders hervor.

Die Ermordung des Diplomaten Rath in Paris gab den ersehnten Vorwand dazu. Es war ein

furchtbares Kapitel.

323


1937 starb Graf Günter von Bernstorff. Sein Tod wurde allgemein sehr bedauert, hatte er doch

für Gartow-Flecken immer eine offene Hand gehabt. Besonders das Schulwesen lag ihm immer

sehr am Herzen. Sein Nachfolger war sein Bruder Graf Gottlieb von Bernstorff, der Großvater des

jetzigen Grafen Andreas von Bernstorff. Graf Gottlieb hat hier wohl die schwerste Zeit mit durchgemacht,

die je ein Bernstorffer in Gartow durchmachen mußte. Seine Landwirtschaft in Quarnstedt

wurde unter Aufsicht gestellt (Schwerdtfeger), was den alten Herrn sehr kränkte. Auch blieben

Schikanen mancherlei Art nicht aus. Der Graf mußte sich sagen lassen, weil er kein NSDAP-Mann

sei, wäre er auch kein Deutscher. Das hat er nur mit einem inneren mitleidigen Lächeln beantwortet.

Auch alle Mitglieder des Gemeindeausschusses, die rot angehaucht waren, mußten ihre Posten

aufgeben, weil sie dem 1000jährigen Reich einen unermeßlichen Schaden zugefügt hätten.

So sagte man uns das jedenfalls.

Hitler hatte inzwischen eine starke Wehrmacht aufgestellt und fiel nach dem Münchener Abkommen

mit Chamberlain usw. über die Tschechoslowakei her. Natürlich wollte er sie „befreien“; namentlich

das Sudetenland. Jetzt lief die Propaganda auf Hochtouren. Die Judenverfolgungen wurden

immer gottloser. Ihre Synagogen wurden abgebrannt, ihre Geschäfte geplündert. Tausende

von ihnen wurden umgebracht. Es ist heute noch beschämend, was damals stattfand. Auch hatte

sich Hitler eine Leibgarde aufgestellt; das war die SS, in schwarzer Uniform. Beim Röhm-Putsch

1933 hatte sie schon die SA in Schach gehalten. – Das Memelland wurde auch wieder besetzt.

Währenddessen ging es uns in Gartow gar nicht schlecht. Es gab überall Arbeit genug. Auch die

Forstverwaltung unter Oberförster Rädecke war sehr gut beschäftigt.

Die Fa. Aug. Herbst baute große Hallen in Salzwedel und bei Postdam einen Autobahn-Bauhof,

der aus mehreren Großbauten bestand. Bei Bremen wurden sogar Fliegerhallen von ihr erstellt.

Es war alles ganz schön, wenn nur die Diktatur nicht gewesen wäre. Wir „alten Kämpfer“ auf der

„verkehrten“ Seite wurden immer beobachtet und bewacht. Aber hier gilt das alte Bibelwort: „Kann

ein Mohr seine Haut ändern oder ein Panther seine Flecken?“

1939 warfen große Ereignisse ihre Schatten voraus. Alle Handwerker wurden zum Bau des Westwalles

geholt, was sich hier schnell auswirkte. Die Fa. Herbst hatte ihre großen Bauten noch nicht

abgeschlossen, weil sie immer wieder vergrößert wurden.

Im Herbst 1939 war es dann soweit, daß die Herren am Ziel ihrer Wünsche waren. Der Krieg mit

Polen war da.

Not war noch nicht bei uns, aber das Unglück nahm seinen Lauf.

Gartow wurde nun zu einer kleinen Garnison. Das Arbeitsdienstlager wurde doppelt belegt. Alle

Säle und großen Räume wurden beschlagnahmt und durch aufgestellte Bauformationen usw. belegt.

So viele Männer hatte Gartow überhaupt noch nicht gesehen und beherbergt. Wir hatten nun

aber auch eine restlose Diktatur.

Im Gemeinderat wurde jetzt die braune Farbe vollends Trumpf. Die Bürgersteuer war schon eingeführt,

viele andere Schikanen, die mir im einzelnen entfallen sind, folgten zu unserem Leidwesen

bald. Wir gingen bösen Zeiten entgegen.

324


X. Folge

Im August 1939 kamen nachts die ersten Gestellungsbefehle für Soldaten von Salzwedel in Gartow

an. 80 Mann aus Gartow und 22 aus Nienwalde wurden einberufen. 20 Offiziere und auch

Mannschaften quartierte man im Schloß ein. Alle machten sehr ernste Gesichter; alles ging sehr

lautlos zu. Die Springstraße glich einem Heerlager. Auch wurden Lebensmittelkarten und Bezugscheine

ausgegeben.

Am 1. September, morgens um 5.00 Uhr, hatte der Krieg mit Polen begonnen. Um 10.00 Uhr

vormittags hielt der Führer seine Reichstagsrede in Berlin und erklärte: „Wir sind in Polen überall

auf dem Vormarsch.“ Alles stand Kopf und die Welt hielt den Atem an. Wir mußten alle zu Luftschutzübungen,

auch mußte ab sofort alles strengstens verdunkelt werden. Schule war nicht mehr

und fiel lange Zeit aus. In Gartow war schnell Vieles ausverkauft. Aber in Berlin war das wohl nicht

so schlimm. Der Reichsmarschall Hermann Göring sagte: „Wenn ein feindlicher Flieger bis nach

Berlin durchkommt, dann will ich Meyer heißen.“ Er hatte sich aber doch mächtig geirrt. Es kam

nicht nur einer, sondern unzählige aus Berlin. Im Frühjahr 1940 hatten wir als Folge des kalten

und sehr schneereichen Winters sehr mit dem Hochwasser zu tun und unter ihm zu leiden. Dabei

wirkte sich auch das Qualmwasser sehr aus. Auf dem Schloßhof und dem Meierhof mußte mit

Kähnen gefahren werden. Holzmieten schwammen weg und viele sonstige Schäden traten ein. Am

10. April kam die Nachricht, daß deutsche Truppen in Dänemark einmarschiert und in Norwegen

gelandet seien. Jetzt wurden auch die Arbeitskräfte empfindlich knapp. Auf dem Meierhof und den

Sägewerken arbeiteten viele Polen, später dann auch Russen. Ein großer Sturm im November ließ

40000 fm Holz zu seinem Opfer werden. Ein Trupp von 20/25 Polen, der in Rucksmoor in einer

Baracke untergebracht war, arbeitete den Windbruch auf. Durch viele Rüstungsaufträge gab es

in Gartow richtigen Hochbetrieb. Die Firma Herbst mußte sich auf ein Spezialhallenbau für die

„Weserflug“-Gesellschaft einstellen. Das war ganz schwer zu bewältigen, weil einfach zu wenig

Fachkräfte da waren. Anläßlich des 70. Geburtstages von Herrn Werth wurde auch das 50-jährige

Bestehen des Unternehmens gefeiert. Es war trotz des Krieges sehr großzügig aufgezogen und

Herr Werth ließ es an nichts fehlen. Das Fest begann schon um 7.00 Uhr morgens mit Musik.

Aber im November traf die Firma Werth ein schweres Unglück. Ein Großfeuer vernichtete mit allem

Inhalt die Säge- und Hobel-Halle, die Tischlerei, die Getreidemühle und auch das Kesselhaus. Die

Ursache des Brandes wurde nie richtig festgestellt. Die Wiederanschaffung der verbrannten Maschinen

war natürlich sehr schwer und zum Teil gar nicht zu machen.

Wir hatten aber auch ein frohes Ereignis. Auf dem Schloß waren zwei junge Grafen angekommen.

Alle Gartower freuten sich mit der Familie von Bernstorff darüber. Als ich dem Großvater, Graf Gottlieb,

zum Familiennachwuchs gratulierte, sagte er: „Ja nun hat die Bernstorff`sche Eiche wieder

neue Zweige.“ Leider haben die beiden jungen Grafen ihren Vater kaum richtig kennengelernt.

Hierbei muß erwähnt werden, daß die mustergültig geführte gräfliche Forst doch das A und O für

Gartow war und wohl auch bleiben wird. Dann hatten wir hier in Gartow mit Andreas Thorey den

ersten Ritterkreuzträger unseres Kreises, das er für seine Tapferkeit bei der Eroberung von Krasnodar

erhalten hatte. In seinem letzten Urlaub hat er uns seine Erlebnisse hierbei noch persönlich

erzählt. Leider ist er später auch noch gefallen. Die Molkerei hatte inzwischen das Höper`sche

Haus neben der Molkerei gekauft und ließ es abbrechen, um die Molkerei danach erweitern und

modernisieren zu können.

Im Juni 1943 verunglückte der Platzmeister der Firma Werth – Carl Ahrendt – tödlich. Carl Ahrendt

war so etwa 50 Jahre die rechte Hand von Herrn Werth gewesen und hatte dessen unbeschränktes

Vertrauen besessen. Sein Tod wurde allgemein sehr bedauert, weil er immer ein hilfsbereiter

u. dabei bescheidener Mann gewesen war.

325


Er wurde von der Kundschaft und seinen Mitarbeitern noch geschätzt. Das Holzpflasterwerk der

Firma Werth lief jetzt auf Hochtouren, so daß zeitweilig 124 Mann bei der Firma beschäftigt wurden.

An einem Sonntagmorgen im Juni kam die Nachricht, daß der Krieg nun auch mit Rußland begonnen

hätte. Wieder hielt alles den Atem an, hatten doch alle gedacht und gehofft, es wäre zu

einer wirklichen Verständigung mit Rußland gekommen. Es war ein Trugschluß, der bittere Folgen

brachte.

Nun gab es immer weniger Zuteilungen auf die Lebensmittelkarten und die Bezugscheine. Auch

wurde immer mehr eingesammelt, Wollsachen, Flaschen und noch mancherlei mehr. Die große

Läuteglocke wurde aus der Kirche geholt. Durch einen Bautrupp wurde die Kupferleitung des

Ortsnetzes und der Überlandleitungen abgenommen und durch Eisenleitungen ersetzt. Die 1925

gegründete Privatschule wurde aufgehoben. Das Arbeitsdienstlager wurde der Hitlerjugend als

Wehrertüchtigungslager zur Verfügung gestellt. Dann gab es auch wieder etwas mehr auf die Lebensmittelkarten.

Aus Rußland wurden große Kesselschlachten gemeldet. Es gab aber auch mehr

und mehr Rückschläge. So in Afrika und bei Stalingrad, dabei stand im Westen die Invasionslandung

bevor. Auch in Italien ging es zurück. Unsere Lage war sehr ernst – aber nicht hoffnungslos,

wie Goebbels es sah und sagte. Die Bombenangriffe wurden immer zahlreicher und heftiger. Hamburg

hatte als eine der ersten Städte darunter sehr gelitten. Man mag es gar nicht schildern, wie

die Leute oft hier ankamen, fast nichts am Leibe. Viel Leid kam über das ganze Volk. 1944 ging es

mit dem „totalen Krieg“ trotz verzweifelter Anstrengungen immer weiter bergab. Im Winter 44/45

brachen die Gegner in unser eigenes Land ein. Viele Flüchtlinge kamen auch zu uns nach Gartow.

Alle mußten zusammengepfercht untergebracht werden. Die Not wurde immer größer. Im April

waren die Russen dann bis zur Elbe heran. Vom Westen kamen die Amerikaner. In und um Gartow

herum gab es Schiessereien und Verluste. Ein Teil des Schloßhofes und die großen Scheunen

auf dem Meierhof brannten ab, desgleichen Ställe und Scheunen an der Hauptstraße, sowie das

Hospital, Beyers und die Gebäude vor der Seegebrücke. Das Schützenhaus wurde von der letzten

kleinen Gruppe deutscher Soldaten in die Luft gesprengt. Das war sogar noch ein Segen für die

Bevölkerung, weil der dort gelagerte Schnaps nur noch mehr Unglück über uns gebracht hätte.

Schließlich wurden auch noch unsere Seegebrücke und die Schleuse bei Restorf gesprengt. Das

war völlig sinnloser Wahn. Im Mai kam dann das endgültige Ende des Krieges, aber damit auch die

Ungewißheit, was nun werden und über uns kommen sollte.

1945: Nach Sprengung zerstörte Seegebrücke. Zeichung von

K.H. Schwerdtfeger

326


Lebensmittelmarken im 2. Weltkrieg: Bezugsausweis für Speisekartoffeln

Kriegszeit 1942 - 1945

Der um die Heimatgeschichtsforschung so verdienstvolle Lehrer Rudolf Haberland aus Gartow hat

vorausschauenderweise zahlreiche Notizen zur nationalsozialistischen Zeit in Gartow niedergelegt.

Sie beginnen im Dezember 1942 und werden hier auszugsweise wiedergegeben.

Mit zunehmender Kriegsdauer stieg die Zahl der gefallenen Soldaten. Das Ehepaar Hermann und

Auguste Waldow, Gartow, erhielt am 19. Dezember 1942, also kurz vor Weihnachten, die traurige

Nachricht aus dem Osten:

„Sehr geehrter Herr Waldow!

Wie Ihnen der Truppenteil wohl schon mitgeteilt hat, wurde Ihr Sohn, der Gefreite Hermann Waldow,

am 16.12.1942 bei den schweren Kämpfen im Osten durch Kopfschuß schwer verwundet. Er

kam am 17.12.1942 mit ausgezeichneter Wundversorgung in unser Kriegslazarett. Schon bei der

Aufnahme wurde festgestellt, daß es sich um eine unmittelbar lebensbedrohende Verwundung

handelte. Trotz großer Bemühungen mehrerer fachkundiger Ärzte konnte unser mit allen Kräften

erstrebtes Ziel, das Leben Ihres Sohnes zu erhalten, nicht mehr erreicht werden und er ist am

18.12.1942 um 12.30 Uhr ohne Schmerzen sanft entschlafen. Die Beisetzung findet auf dem

Heldenfriedhof in Smolensk bei der Narwa-Kaserne mit militärischen Ehren statt. Mit aufrichtigem

Mitgefühl (Vorgesetzter, Unterschrift).“

Rudolf Haberland, der den Gefallenen von der Schule her kannte, notierte hierzu:

„Die Trauerfeier fand am 10. Januar 1943 in der Kirche zu Gartow statt. Hermann Waldow wurde

am 6.4.1922 in Gartow geboren. Er besuchte von Ostern 1928 bis Ostern 1936 die hiesige Volks-

327


schule und erlernte das Zimmermannshandwerk bei W. Werth in Gartow. Am 2.10.1941 wurde

er zum Wehrdienst in ein Pionierkorps in Magdeburg eingezogen. Am 30.3.1942 trat er die Fahrt

nach Rußland an.“

Einige Tage zuvor erschien in der Zeitung folgende Todesanzeige:

„Gartow, den 4. Januar 1943. Wir erhielten die tieftraurige Nachricht, daß unser inniggeliebter

Sohn, Bruder, Großsohn, Neffe und Vetter, der Gefreite Hermann Waldow am 18.12.42 sein junges

Leben im Alter von 20 Jahren für Führer, Volk und Vaterland hingab. Er wurde auf einem Heldenfriedhof

im Osten mit militärischen Ehren beigesetzt. In tiefer, stiller Trauer: Hermann Waldow

und Frau Auguste geb. Appelt nebst Kindern und allen Verwandten. Die Trauerfeier findet am 10.

Januar 1943, um 10 Uhr in der geheizten Kirche statt.“

Am 8. Januar 1943 erhielt das Ehepaar Otto und Elisabeth Beneke aus Gartow ebenfalls eine

Todesmeldung ihres Sohnes Walter von dessen Vorgesetzten:

„Bei einem Angriff auf einen wichtigen Abschnitt wurde das Fahrzeug, in dem Walter als Funker

Dienst machte, von einem russischen Panzer beschossen. Ein Geschoß durchschlug das Fahrzeug

und tötete Walter sofort. Zwei weitere Funker desselben Fahrzeugs wurden schwer verwundet. Am

18.12.1942 nachmittags wurde Walter in Tennowyj, 30 km nordöstlich Kotelnikow an der Eisenbahn,

südwestlich Stalingrad unter militärischen Ehren beigesetzt.“ (Vorgesetzter, Unterschrift).

Am 18.1.1943 erschien die Todesanzeige mit folgendem Wortlaut:

„Wir erhielten die traurige, immer noch unfaßbare Nachricht, daß unser einziger, lieber Sohn,

guter Bruder und Enkel, der Oberfunker Walter Beneke im Alter von 21 Jahren am 17. Dezember

1942 den Heldentod im Osten starb. Er gab sein junges, blühendes Leben, wir unser Teuerstes

fürs Vaterland. In tiefer Trauer: Otto Beneke und Frau Elisabeth geb. Schulze, seine liebe Schwestetr

Elisabeth und Großmutter und alle seine Lieben, die um ihn trauern. Mit den Angehörigen

trauern wir um einen tüchtigen, treuen Mitarbeiter. Betriebsführer und Gefolgschaft der Firma

August Herbst, Gartow. Die Trauerfeier findet am Sonntag, den 24. Januar, vorm. 10 Uhr, in der

geheizten Kirche zu Gartow statt.“

Fast zeitgleich kam die nächste Gefallenennachricht in Gartow an. Empfängerin war Elsbeth

Warnecke in Kapern, sie formulierte folgende Todesanzeige:

„Gartow, Kapern, 16. Januar 1943. Hart und schwer traf uns die traurige, unfaßbare Nachricht,

daß mein inniggeliebter, unvergeßlicher Mann, meiner zwei kleinen Kinder herzensguter Papi,

unser lieber Schwiegersohn, Bruder, Schwager, und Onkel, der Oberschütze Walter Warnecke bei

den schweren Kämpfen in Afrika im 34. Lebensjahre am 24. November 1942 fürs Vaterland den

Heldentod fand. In tiefem Schmerz: Elsbeth Warnecke geb. Bäthke, Elsa und Friedel Warnecke

nebst Eltern und Geschwistern. Trauerfeier am Sonntag, den 31. Januar um 13 Uhr in der Kirche

zu Gartow.“

Lehrer Haberland ergänzte:

„Walter Warnecke wurde am 13. April 1942 zur Wehrmacht eingezogen und ist am 24. November

in den Rückzugskämpfen bei Agedabia in Libyen gefallen. Er war Zimmermann bei der Firma August

Herbst und wurde nicht nur von seinen Arbeitskameraden sondern auch von seinem Arbeitgeber

hoch geschätzt. Mit seiner jungen Frau trauern auch 2 Töchter im Alter von 3 und 7 Jahren

um den Tod des Vaters.“

Es folgen weitere ausgewählte Notizen von Rudolf Haberland:

328


„Am Abend des 16. und 17. Januar (1943) überflogen feindliche Flieger unsere Gegend zu Angriffen

auf Berlin. Am 16. wurden zwei, am 27. fünfundzwanzig feindliche Bomber abgeschossen.

Auch deutsche Flugzeuge mit roten, gelben und grünen Lichtern überqueren jetzt häufig des

Nachts unser Heimatgebiet.“

„Am 30. Januar (1943) fand um 15 Uhr anläßlich des 10. Jahrestages der Machtübernahme im

Krügerschen Saale eine Kundgebung der Partei statt. Der stellvertretende Kreisleiter Krome aus

Wustrow und der Kreispropagandaredner Landwirtschaftsrat Keller aus Lüchow wiesen auf die

Bedeutung des Tages und den Ernst der Lage hin. Wir hätten in Afrika und Russland Rückschläge

erlitten, müßten aber auch solche mit starkem Herzen hinnehmen. Der bisherige stellvertretende

Ortsgruppenleiter Adolf Schulz aus Holtorf wurde wegen Arbeitsüberlastung von seinem Amt entbunden.

An seine Stelle trat Parteigenosse (Pg) Otto Schwerdtfeger aus Quarnstedt. Ortsgruppenleiter

Emil Könecke ist Soldat in Afrika.“

„…Sehr unangenehm bemerkbar macht es sich auch, daß seit dem 4.7.1941 Dentist Tornow und

seit dem 1.10.1941 auch Zahnarzt Dr. Köster wieder zur Wehrmacht eingezogen worden sind.“

21.3.1943

„Heute gedachten wir wie überall im Reich der gefallenen Helden (Heldensonntag). Die kirchliche

Feier fand um 9 ½ Uhr in der Kirche statt, die Feier der Partei um 15 Uhr am Ehrenmal. Kreispropagandaleiter

Keller aus Lüchow hielt die Gedenkrede. Ein Kriegsappell der Partei im Krügerschen

Saal schloß sich an. Auch in dieser Versammlung sprach Pg. Keller, Lüchow. Er zeigte in seinen

Ausführungen die Notwendigkeit der totalen Mobilmachung und wies auf den Ernst der Lage hin.

Nicht nur im Osten hätten wir schwere Abwehrkämpfe zu bestehen, es drohe auch im Westen eine

feindliche Invasion.“

25.3.1943

„Heute wird bekannt, daß der Arbeiter Joachim Schulz verhaftet worden ist und gestern morgen

durch den Landjäger Schmidt nach Lüneburg abgeführt wurde. Es soll sich um politische Vergehen

handeln. Am 3.4. wurde Schulz, wie man sagt, wegen mangelnder Beweise wieder freigelassen.“

„ (März 1943) In den letzten Nächten hörten wir wieder öfters das Brummen von Flugzeugen, besonders

stark gestern abend zwischen 10 und 11 Uhr. Wie aus dem heutigen Wehrmachtsbericht

hervorgeht, sind es gestern abend wohl wieder feindliche Flieger gewesen, die einen Angriff auf

Berlin unternommen haben. Im Laufe des Februar und März haben wieder Luftschutzübungen

stattgefunden.“

30.3.1943

„Gestern abend zwischen 11 und 12 Uhr hörte man wieder das tiefe Motorengebrumme schwerer

feindlicher Bomber und heute Mittag brachte der Wehrmachtsbericht die Meldung, daß Berlin und

Orte in Westdeutschland angegriffen wurden. Doch erlebten die Anglo-Amerikaner dieses Mal eine

schwere Abfuhr. 27 Bomber wurden abgeschossen, nach einer amtlichen englischen Meldung

sind sogar 33 Flugzeuge nicht wieder nach England zurückgekehrt. Heute morgen wurde die Landwacht

alarmiert. Bei Marleben sollte ein feindlicher Fallschirmspringer abgesprungen sein. Doch

stellte sich das später als ein Irrtum heraus: ein losgerissener Fesselballon hatte seinen Weg über

Marleben genommen und man hatte diesen für einen Fallschirm gehalten. Zahlreiche feindliche

Flugblätter sind über Nienwalde, Schnackenburg und anderen Orten abgeworfen worden und bei

den hiesigen Landjägern, wie es Vorschrift ist, abgeliefert worden.“

329


8. April 1943

„Gestern ist gegen 14 Uhr auf den Serigwiesen, etwa ½ km von der Laascher Ziegelei entfernt,

ein deutsches Flugzeug, eine Heinkel 111, notgelandet. Es mußte eine Bruchlandung vornehmen,

da einer der beiden Motoren aussetzte. Wie mir von den heute aus Salzwedel eingetroffenen Flugplatzmonteuren

erzählt wurde, kam das Flugzeug aus dem Osten und ist in Stalingrad zur Bergung

von Kranken und Verwundeten eingesetzt gewesen. Von den 8 Mann der Besatzung (4 Mann

Besatzung, 4 Urlauber) ist niemand verletzt worden. Die Beschädigungen am Flugzeug sind nicht

erheblich. Nur die Propeller waren stark verbogen. Da das Flugzeug sich in ostwestlicher Richtung

über einen Graben (1 m breit) gelegt hat, der Boden sehr naß ist und ein unangenehmer kalter

Nordwind bläst, ist das Abmontieren des Flugzeugs eine recht unangenehme Arbeit. Am 8. und

9. April wurden die beiden Flügel von Monteuren aus Salzwedel und Perleberg abmontiert, am 9.

abends wurde der Rumpf abgeschleppt.“

10.4.1943

„Auch ein Zeichen der Zeit! Das Auto der Gaufilmstelle, die in Abständen von 14 Tagen bis 3 Wochen

auch in Gartow im Krügerschen Saale stark besuchte Filmvorführungen veranstaltet, wird

wegen Mangel an Benzin von einem Pferdegespann von Ort zu Ort gezogen.“

„Am Sonntag, den 11.4.1943 wurde im Krügerschen Saale das 10 jährige Bestehen der Ortsfrauenschaft

Gartow gefeiert. Zeitungsausschnitt: „Zu einer schlichten Feierstunde aus Anlaß der

Wiederkehr des 10 jährigen Gründungstages der Ortsfrauenschaft Gartow hatten sich zahlreiche

Frauen am letzten Sonntag aus allen Zellen der Ortsgruppe sowie Vertreter der Partei im festlich

gerichteten Krügerschen Saale eingefunden. Nach der Begrüßung sprach der Stellv. Ortsgruppenleiter

Schwerdtfeger zu den Frauen und wies besonders auf die notwendige innere Haltung

hin, die die Einsatzbereitschaft der deutschen Frau jetzt im Kriege unter Beweis zu stellen hat.

Es geht nicht an, heute noch lange zu überlegen, ob der Arbeitseinsatz für die eine oder andere

Frau in Frage kommt, sondern es ist selbstverständlich, daß gearbeitet wird, wo es nottut. Die

Ortsfrauenschaftsleiterin Hennings appellierte in ihren Ausführungen erneut an die Tatkraft der

deutschen Frau, die im Kriege auch die Kampfgefährtin des Mannes ist. Sie dankte den langjährigen

Mitarbeiterinnen, besonders der Leiterin Johns, für die geleistete treue Arbeit in Gartow. Einen

umfassenden Rückblick über die Entwicklung der Ortsfrauenschaft gab anschließend die Parteigenossin

Johns. So viel auch in den Jahren für den Aufbau geleistet wurde, desto mehr verpflichtet

uns die Gegenwart, weiterhin mit allen Kräften alles zu tun, was der Führer von uns fordert.

Größer als alle Not ist die Treue und alles Große in der Welt ist nur durch Treue geworden! Ein

Musikstück, Prolog und gemeinsam gesungene Lieder umrahmten die erste Hälfte der Feierstunde,

die mit den Liedern der Nation endete. Mit frischen Liedern und netten Volkstänzen des BDM

(Bund Deutscher Mädchen), einigen fröhlichen kleinen Vorträgen und Gesangsstücken wurden

die Frauen bei der anschließenden Kaffeetafel erfreut. Es war ein schöner Nachmittag, der ein

Auftakt zu weiterer gemeinsamer Arbeit in der NS-Frauenschaft sein soll.“ 1

„Am 20.4.1943 fand im Krügerschen Saale eine schlichte Feier anläßlich des 54. Geburtstages

des Führers statt, an der auch die hiesige Arbeitsdienstabteilung teilnahm.“

„Am Vormittag wurden im Köhnschen Gasthause 101 Gasmasken für Männer und Frauen verkauft.

Die ersten Gasmasken wurden vor etwa einem Jahr verkauft.“

330


„Heute, am 2. Ostertag, war in Gartow kein Gottesdienst. Ob das wohl schon einmal vorgekommen

ist, so lange die Kirche steht?“

„Die Jugendherberge Gartow hat aufgehört zu bestehen. Heute Vormittag (am 2. Ostertag!) wurden

die 20 Betten und das übrige Inventar von Lastwagen aus Lanze abgeholt, um dort zur Einrichtung

eines neuen Landdienstlagers verwendet zu werden. Die Überführung geschah auf Anordnung der

Gebietsführung der Hitler-Jugend in Lüneburg, der seit dem 1. November 1942 sämtliche Jugendherbergen

und Landdienstlager des Gebietes unterstehen. Die Jugendherberge wurde 1925 (?)

von dem Deutschen Jugendherbergsverband, Gau Nordmark (Altona) eingerichtet. Sie sollte jugendlichen

Wanderern für billiges Geld ein Unterkommen bieten. Es zahlten seit 1933 Schüler und

Mitglieder von Hitler-Jugend-Gruppen 20 Pfennig, Inhaber von „Bleibenausweisen“ 30 Pfg., alle

anderen 50 Pfg. Die Herberge wurde nie stark besucht (1929 = 55 Übernachtungen, 1931 = 88,

1932= 127, 1933 = 89, 1934 = 125, 1935 = 180, 1936 = 126, 1937 = 117, 1938 = 118, 1939

= 33, 1940 = 23, 1941 = 4, 1942 = 0), aber gerade deswegen fühlten sich die jugendlichen und

erst recht die älteren Wanderer in unserer Herberge sehr wohl. Der Herbergsvater, Herr C. Dorsch,

hat manches Dankschreiben erhalten. Herbergsleiter war der Unterzeichnete (Rudolf Haberland).

1930 wurde die Jugendherberge dem Landesverband Hannover des Reichsverbandes für Deutsche

Jugendherbergen unterstellt, dann dem Landesverband Nordsee (Oldenburg) unterstellt. Mit

dem 31. Dezember 1941 hörten die Landesverbände des Deutschen Jugendherbergswerks auf zu

bestehen. Die NSDAP nahm die Deutschen Jugendherbergen in ihre Obhut.“

1. Mai 1943

„Auf Anordnung des Reichsministers für Propaganda und Volksaufklärung herrschte am heutigen

Nationalen Feiertag des deutschen Volkes Arbeitsruhe wie an Sonntagen. Veranstaltungen fanden

nicht statt. Der Tag sollte ausschließlich der Entspannung der schaffenden Bevölkerung dienen.“

„Am Dienstag ,11. Mai, fanden in Dannenberg wieder Musterungen älterer Jahrgänge (1897,

1898, 1899) statt. Auch verschiedene Gartower wurden kriegsverwendungsfähig befunden und

rechnen mit ihrer baldigen Einziehung.“

5. Juni 1943

„Seit gestern Abend stehen wieder Posten der Landwacht, verstärkt durch sonstige Männer aus

dem Orte, an der Straßengabelung bei der Alten Post. 67 englische Offiziere sind aus dem Gefangenenlager

Eichstätt bei Nürnberg entwichen. Wie jetzt bekannt wird, sind gelegentlich der großen

Fahndung im März dieses Jahres im Reich über 13900 Personen (Kriegsgefangene, Fahnenflüchtige,

steckbrieflich Verfolgte usw.) festgenommen worden.“

„Zum Militärdienst eingezogen wurde Alfred Schulz, am 25. Juni Otto Pewestorf, Adolf Schleese,

Johann Niemann. Am 28. Juni fand auf dem Schützenplatz wieder eine Pferdemusterung statt.“

Juli 1943

„Gelegentlich einer Dienstversammlung der Bürgermeister in Lüchow am 13. Juli, zu der auch die

Gendarmen und Vertreter des Reichsluftschutzbundes eingeladen waren, ordnete der Landrat als

örtlicher Luftschutzleiter an, daß in allen Orten des Kreises, die nicht ausreichend Luftschutzraum

zur Verfügung haben, Deckungsgräben zum Schutz der Bevölkerung gegen Luftangriffe in kürzester

Zeit anzulegen seien. Da auch in Gartow nicht genügend Luftschutzkeller vorhanden sind, muß

auch hier der Bau von Deckungsgräben in Angriff genommen werden.“

331


„Am 20. Juli hatte der Ortsbauernführer Gastwirt und Landwirt Adolf Krüger die Landwirte und

Bauern Gartow zu einer Versammlung eingeladen. Es wurde bekanntgegeben, daß die Ortsbauernschaft

in diesem Jahre 7530 Doppelzentner Kartoffeln abzuliefern hat (3000 dz wurden im

vergangenen Jahr geliefert). Es sind also für den Morgen Land bei einer Anbaufläche von 250

Morgen 65 Zentner abzuliefern von den Betrieben, die über 1 Morgen anbauen. Das ist viel, da

voraussichtlich die Ernte nicht so gut ausfallen wird, wie im vergangenen Jahre. Es wurden auch

Meldungen über Schweinemastverträge entgegen genommen (1 Schwein = 3 Zentner Korn, 3

Zentner Zuckerschnitzel).“

„Am 22. Juli früh von 4 bis 8 Uhr fand eine Fahndung der Landwacht, des Gartower Arbeitsdienstlagers,

der Polizei und der Förster nach entwichenen Kriegsgefangenen usw. statt. Im Walde bei

Rucksmoor wurde ein Ballon gefunden, bei Vietze zwei entwichene ukrainische Arbeiter festgenommen.“

„Am 26. Juli 1943. Wie eine Bombe schlug heute morgen die Rundfunknachricht vom Rücktritt

Mussolinis ein. Überall ein erregtes Fragen: Was bedeutet das?, welche Folgen hat das? Und

manchmal hört man auch den schicksalschweren Satz: Das ist der Anfang vom Ende: 2.) Erschütternd

sind auch die Nachrichten, die aus Hamburg kommen. In der Nacht vom 24.7. zum 25.7. ist

Hamburg bombardiert worden. Die ersten Flüchtlinge aus Hamburg sind in Gartow eingetroffen

(Verwandte von Gastwirt Köhn). Wer Verwandte in Hamburg hat, kann weder telephonisch noch

telegraphisch Verbindung mit ihnen bekommen. Heute soll Hannover bombardiert worden sein.“

30. Juli 1943

„Hamburg ist seit dem 25.7. wiederholt bei Nacht und am Tage bombardiert worden, auch in letzter

Nacht wieder und wieder meldete der Wehrmachtsbericht von heute Mittag schwere Verwüstungen

und hohe Menschenverluste. Die stolze Hansestadt Hamburg ist nur noch ein Schutt- und

Ruinenfeld. Zahlreiche Flüchtlinge trafen auch in Gartow auf Lastwagen ein und wurden hier untergebracht,

meist bei Verwandten und Bekannten. Fast alle haben nur das nackte Leben gerettet

und das Zeug, was sie trugen. Einzelne Frauen kamen im Nachthemd, ohne Schuhe und Strümpfe

hier an. Überall sieht man verweinte und vergrämte Gesichter. Die ungeheuerliche Katastrophe

von Hamburg hat nur das Gute zur Folge, daß man jetzt mit größerem Eifer als bisher an den Ausbau

von Luftschutzkellern und Deckungsgräben geht. Heute und morgen vormittag sind 50 Mann

vom Reichsarbeitsdienst für die Ausschachtung von Deckungsgräben eingesetzt.“

1.August 1943

„Bei der Alten Post steht wieder ein Posten der Landwacht, um nach den zahlreichen Kriegsgefangenen

zu fahnden, die aus Hamburg entwichen sind…“

„Am 18. August fand im Parteilokal wieder ein Kriegsappell der Partei statt, an dem auch der neue

Kreisleiter Hermann teilnahm. Nach kurzen Begrüßungsworten des Ortsgruppenleiters Schwerdtfeger

hielt derselbe einen ausführlichen Vortrag über die allgemeine Lage. Er brachte zum Ausdruck,

daß wir zur Zeit noch in einem Wellental stünden, daß es aber wieder aufwärts gehen würde,

daß umfangreiche Vorbereitungen zu einem Schlag gegen England getroffen wurden und das

der Krieg erst zu Ende sei, wenn der Sieg errungen wäre.“

„Sonnabend, den 21. August. Der Zustrom der Flüchtlinge aus Hamburg, Hannover und Berlin

ebbt allmählich ab. Die ungeheure Erregung, in der sich die Bevölkerung zu Anfang des Monats

befand, hat sich gelegt. 180 Flüchtlinge aus Hamburg waren zeitweise in Gartow untergebracht,

332


einzelne sind schon wieder nach Hamburg zurückgekehrt, dafür sind andere aus Hamburg, Berlin

und Hannover gekommen. In den letzten Nächten hörte man häufig starkes Motorengebrumme

von Flugzeugen, auch wohl mal das Schießen der Flak, irgendwo weit in der Ferne. Jedesmal

glaubte man, es müßten wohl englische und amerikanische Bomber gewesen sein, die zu einem

Großangriff auf Berlin unsere Gegend überflogen hätten. Man erwartet doch nun nach Hamburg

auch einen Angriff auf Berlin. Der Wehrmachtsbericht hat jedoch noch nichts von einem Angriff

auf Berlin gemeldet. Feindliche Flugzeuge haben in letzter Nacht auf Wiesen, Weiden und Feldern

mit 3 cm breiten Stanniolstreifen überklebte, 8 cm breite und etwa 30 cm lange Papierstreifen abgeworfen.

Die Papierstreifen sollen vergiftet sein. 4 Deckungsgräben sind fertig. Die übrigen sind

wohl ausgehoben worden, aber die Verschalung und Überdeckung fehlt noch.“

2. September 1943

„Nun endlich ist in den Schulbetrieb etwas Ruhe gekommen. Der Zustrom der Schüler aus luftbedrohten

Orten scheint aufgehört zu haben. Heute wird unsere Schule besucht von:

14 Schüler aus Hamburg, 2 aus Wesermünde, 3 aus Hannover, 4 aus Berlin, 2 aus Celle, 1 aus

Düsseldorf, 2 aus Magdeburg, 2 aus Köln, zusammen 30 Schüler. Dazu kommen 129 Schüler

aus Gartow und 22 Schüler der Oberstufe aus Nienwalde, so daß jetzt in den 4 neugebildeten

Klassen 181 Kinder zu unterrichten sind…. Heute um 11 Uhr hielt der Oberst-Feldmeister und

Abteilungsleiter des hiesigen Arbeitsdienstlagers für die Jungen des 7. und 8. Schuljahres einen

Aufklärungsvortrag über die Aufgaben des Arbeitsdienstes….“

Erntedankfest 3. Oktober 1943

1.) Gut besuchte kirchliche Feier (Pastor Hoffmann),

2.) Um 3 Uhr Feier der Partei im Krügerschen Saale (Ansprachen des Ortsbauernführers, des Bezirksbauernführers

Schulz, Holtorf, des Arbeitsdienst-Lagerführers Oberstfeldmeister Kleinhammer

und des Ortsgruppenführers Schwerdtfeger, Lieder eines Jungmädchenchors, vierhändiges

Klavierspiel, Gedichtvorträge). Weitere Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse: Seit dem 1.

Oktober fährt am Sonntag und Dienstag jeder Woche überhaupt kein Postauto mehr. Auch das

Auto Bömenzien-Seehausen, das auch kräftig von Gartowern benutzt wurde, und sogar jeden Tag

fuhr, verkehrt bis auf Weiteres nicht mehr. Der Andrang zu den großen Postautos am Montag, Mittwoch

und Sonnabend ist so groß, daß häufig bis zu 15 Personen zurückbleiben.“

„Flugzeugunglück bei Wirl am 5. Oktober 1943. Am 5.10. 12.15 Uhr mußte auf einer Moorwiese

bei Wirl eine Heinkel 177 (4 Motoren, 2 Propeller) notlanden. Sie war um 10.30 Uhr vom Lechfeld

abgehoben und befand sich auf dem Wege nach Kopenhagen. Sie mußte notlanden, weil zwei

Motoren versagten und ein Motor in Brand geriet. Die Maschine hatte bei der Landung noch eine

Geschwindigkeit von 170 km/Std., streifte mit dem linken Flügel einen Eichbaum, geriet in einen

tiefen Graben und brannte vollkommen aus. Von der 8 Mann starken Besatzung waren drei sofort

tot und ein Mann wurde schwerverletzt geborgen. Otto Schulz, Springstr., vermißt 9.10.1943.“

20.10.1943

„Große Aufregung in Gartow heute abend. Von 19 ½ bis 21 ½ Uhr brummten unaufhörlich Flugzeuge

über den Wolken. Es regnete, trotzdem viele Leute auf der Straße. Aufgeregtes Rufen, wenn

sich irgendwo ein Lichtschein in den Fenstern zeigte. Hin und wieder ein Aufblitzen am Himmel,

besonders im Süden. Um 21 ¼ Uhr plötzlich ein leichter Explosionsknall, dann wurde es taghell. In

Richtung Wittenberge ein heller Feuerschein, der erst jetzt (22 Uhr) erloschen ist. Was hatte das

Ganze zu bedeuten? Ein Angriff auf Berlin oder auf Wittenberge?“

333


23.10.1943

„Der Einflug feindlicher Flugzeuge am Abend des 20.10. war doch kein Angriff auf Berlin. Eine

ganze Reihe von Orten, darunter auch Landgemeinden, wurden nach dem Wehrmachtsbericht mit

Bomben belegt. Auch südlich von Gummern ist am sogenannten Roten Peek eine Sprengbombe

zum Abwurf gelangt, hat jedoch nur eine Starkstromleitung durch ihre Splitter etwas beschädigt.

Von den etwa 100 südlich Gummern und Stresow abgeworfenen Brandbomben, meist Stabbrandbomben,

hat eine eine Strohdieme bei Gummern in Brand gesetzt, daher der helle Feuerschein.

Am Morgen des 21.10. fand man überall abgeworfene Silberpapierstreifen, die die deutschen

elektrischen Meßgeräte stören sollen.“

„Am 9. November Heldengedenkfeier der Partei im Parteiheim, am 14. November öffentliche Feier

bei Krüger. Es sprach der Kreispropagandaleiter Landwirtschaftsrat Keller aus Lüchow. Er sprach

sehr zuversichtlich aber doch nicht überzeugend. „Wir haben uns in Rußland nicht aus Schwäche

zurückgezogen, wir wollten die Russen nur hinter uns her locken“. Dabei mußte er allerdings zugeben,

daß die Lage in Rußland nicht gerade rosig sei. Die Russen waren ja auf dem Vormarsch

nach Shitomir. Auch von einem vernichtenden, ja kriegsentscheidenden Schlag gegen England

sprach er wieder.“

20. Dezember 1943

„Eine heftige Detonation erschreckte heute 11.20 Uhr die Einwohnerschaft Gartows. Fenster und

Türen sprangen auf, es sollen sogar Blumentöpfe von den Fensterbänken gestürzt sein. Bis jetzt

ist nicht bekannt, was es gewesen ist – Es soll eine Explosion in Dömitz gewesen sein, 6 Tote soll

es gegeben haben.“

„Seit dem 1. Januar 1944 ist nun Gartow auch Sitz der größten Angestellten-Krankenkasse

Deutschlands geworden. Die Barmer Ersatzkasse ist vom dauernd luftbedrohten Bremen nach

Gartow übergesiedelt und hat in den oberen Räumen des Rathauses Büroräume eingerichtet für

17 Angestellte (jeweils Mädchen und Kriegerfrauen). Die jungen Damen haben Wohnungen im

Schloß erhalten.“

„Kriegsappell am 26. Januar 1944 im Köhnschen Gasthause, geleitet von dem stellvertretenden

Ortsgruppenleiter Schwerdtfeger. Es wurde bekannt gegeben, daß in Gartow 10 sogenannte Behelfsheime

errichtet werden sollen für Bombengeschädigte, in

Gorleben zwei. Der Jahrestag der Machtübernahme (30. Januar) soll in Lüchow durch eine große

Kundgebung am 29. Januar begangen werden. An dieser Kundgebung zum „Tag des ewigen deutschen

Reiches“ sollen auch aus Gartow Hoheitsträger und Mitglieder der Partei teilnehmen.“

„Manöver auf dem Höhbeck, 23. - 25. Februar 1944. Am 23., 24. und 25. Februar 1944 war der

Höhbeck Schauplatz einer größeren Manöverübung. Am Vormittag des 23.2. durchzogen Grenadierabteilungen,

von Salzwedel kommend, Gartow. Mittags erfolgten „feindliche“ Fliegerangriffe

u.a. auf Trupps, die sich am Westausgang von Quarnstedt und in Restorf „festgesetzt“ hatten. Dabei

wurde von einem tieffliegenden Flugzug zur Markierung eines Bombenabwurfs versehentlich

eine Patrone auf das Dach des letzten Hauses in Quarnstedt geworfen. Im Nu stand das Strohdach

im Brand. Da keine langen Leitern zur Hand waren, war ein Löschen unmöglich. Das Dach und

die Dachgeschoßräume brannten nieder. Der untere Teil des Hauses blieb erhalten, auch konnte

sämtliches Mobiliar der Bewohner des Hauses gerettet werden. Es wohnten in dem Hause die

Familie des Gutsarbeiters Kruppa, des Gutsarbeiters Gartz und Patora.“

334


„Bombenabwurf bei Holtorf am 4.3.1944 etwa 4 Uhr morgens. Vier Bomben, darunter ein Blindgänger,

wurden abgeworfen. Zwei Bomben explodierten auf einer Wiese zwischen dem Westausgang

des Dorfes und dem Elbdeich, eine 100 m nördlich des Gasthauses in Holtorf. Etliche Fensterscheiben

wurden zertrümmert. Sprengstücke wurden wohl auf den Höfen gefunden, richteten

aber keinen Schaden an.“

25.3.1944

„Seit einigen Tagen bringt der Rundfunk stündlich eine Meldung über die Luftlage. Gestern abend

wieder Flugzeug-Gebrumme. Terrorangriff auf Berlin.“

1. April 1944

„Seit dem 1. April ist in Gartow endlich wieder eine Zahnbehandlung möglich. Der staatlich geprüfte

Dentist Karl Heinz Jezek hält in der Praxis des Dentisten Tornow Sprechstunden ab. So

haben die Bemühungen des Bürgermeisters und der Leiter von größeren Betrieben endlich Erfolg

gehabt. Auch Tierarzt Hennings ist Ende März aus dem Militärdienst entlassen worden und übt

seine Praxis wieder aus.“

19. April 1944

„Der gestrige Dienstag wird zu den Tagen gehören, die man in Gartow nicht vergessen wird. Von

etwa 13 ½ bis 16 Uhr überflogen weit über 1000 feindliche Flugzeuge Gartow und Umgebung

meist in westöstlicher Richtung. Förster Harms hat 21 Pulks gezählt und mit dem Fernglas beobachtet.

Zu jedem Pulk gehörten 24 viermotorige Bomber und 48 Jäger. Die Flugzeuge flogen meist

in großer Höhe, die Jäger oft so hoch, daß sie mit dem bloßen Auge kaum erkannt werden konnten.

Es war ein schauerlich-schöner Anblick… Zum ersten Male gab gestern gegen 2 ¼ Uhr die auf

dem Rathaus angebrachte Alarmsirene durch ein dreimaliges Aufheulen „Voralarm“ und gegen 4

Uhr durch ein langandauerndes gleichmäßiges Heulen das Signal „Entwarnung.“

Etwas nach 4 Uhr konnte man in Richtung Wittenberge das Aufsteigen von mächtigen Rauchpilzen

beobachten und bald zeigte eine breitgelagerte Rauchwolkenbank das Aufkommen von Großbränden

in Wittenberge an. Bis nachts um 2 Uhr war der rot leuchtende Himmel noch von der Seegebrücke

aus zu beobachten. Bei Wirl wurden von den feindlichen Flugzeugen Brandbomben abgeworfen,

die einen größeren Waldbrand hervorriefen. Bei Prezelle soll ein amerikanisches Flugzeug

abgestürzt sein. Die Bevölkerung war von diesem Einflug einer so großen Zahl von Flugzeugen tief

beeindruckt, zumal deutsche Jäger kaum in Erscheinung traten. Man ist allgemein der Meinung,

daß bald etwas Durchgreifendes geschehen muß, wenn nicht unsere gesamte Rüstungsindustrie

lahmgelegt werden soll.

Im Wehrmachtsbericht hieß es heute über diesen Angriff: In den Mittagsstunden des 18. April

drangen starke nordamerikanische Bomberverbände unter Jagdschutz bis in den Raum von Berlin

vor. In verschiedenen Orten, besonders in Rathenow, entstanden Schäden und Verluste unter der

Bevölkerung. Trotz schwerer Abwehrbedingungen wurden 44 Flugzeuge, darunter 40 Viermotorige

Bomber, abgeschossen. Also von 500 Bombern 40 = 8%. Das ist nicht viel. Die Perleberger Jäger,

so erzählt Pötter Scheel, waren über Berlin zum Schutz der Reichshauptstadt eingesetzt. Flugplatz

in Perleberg wurde bombardiert.“

Auch Rudolf Haberland mußte einen herben Verlust hinnehmen:

„4. Mai 1944. Und gestern, am Vortage meines Geburtstages, erhielt ich die Nachricht, daß mein

lieber, guter, einziger Junge, Rudolf Haberland für seine geliebte Heimat gefallen ist. Wozu lebt nun

man noch auf dieser Welt?“

335


8.5.1944

„Nun auch Wilhelm Kraasmann und der Mann von Elsa Winter vermißt. Eine Hiobsbotschaft jagt

die andere. Seit Januar hat auch Robert Schrader nicht mehr geschrieben…“

27.6.1944

„Am letzten Sonntag (24.6.44) hatten wir zwei Heldengedenkfeiern in Gartow, am Nachmittag um

14 Uhr eine kirchliche für Rudolf Born aus Nienwalde, am Vormittag 10 ½ Uhr eine von der Partei

veranstaltete für den Zellenleiter Fritz Scheffler aus Meißen (Schwiegersohn von Kaufmann Kuno

Johns). Die letztere fand im Krügerschen Saale statt in Gegenwart des Kreisleiters. Die Gedenkrede

brachte der Hauptgemeinschaftsleiter Martin Wulf aus Hitzacker zur Verlesung. Wie groß sind

doch noch die weltanschaulichen Gegensätze in unserem Volke, daß nicht einheitlich gestaltete

Feiern gehalten werden können!...“

„Am 15. Juli 1944 waren 127 Evakuierte in Gartow untergebracht, davon 54 aus Hamburg, 28 aus

Berlin, 11 aus Hannover.“

24. Juli 1944

„Versammlung der Luftschutzhauswarte am 18.7. Verteilung auf Deckungsgräben und Keller

durchgesprochen. Alarmordnung neu festgesetzt. Damit die Arbeit auf dem Felde und in den Sägewerken

möglichst wenig gestört wird, soll auch bei Vollalarm die Arbeit weiter gehen und der

Verkehr auf der Straße nicht unterbrochen werden. Nähern sich aber feindliche Flieger während

des Alarms, so hat sich jedermann in Deckung zu begeben. Eisengitter vor den Fenstern der Luftschutzräume

sind zu entfernen.“

1.8.1944

„Typisch für die Deutsche Kriegsberichterstattung jetzt: die deutschen Truppen hielten den feindlichen

Angriffen stand, setzten sich dann aber einige Kilometer ab.“

2. August 1944

„19 Evakuierte (Frauen und Kinder) trafen heute wieder aus Hamburg ein und wurden in Gartow

untergebracht. Der letzte Angriff auf Hamburg am 28. Juli hat manche Mutter doch geneigter gemacht,

Hamburg zu verlassen.“

28.9.1944

„In der Nacht vom 25. zum 26. September morgens zwischen 3 und 4 Uhr wurden viele Einwohner

Gartows aufgeschreckt durch ein starkes Schießen. Wie sich herausstellte, fand südlich und

westlich von Gartow, zum Teil auch in den Straßen Gartows eine Übung von Luftlandetruppen aus

Salzwedel statt.“

„Gestern abend (27. Sept. 1944) große Kundgebung im Krügerschen Saale. Der Kreisleiter Pg.

Hermann sprach. Ausgehend von dem Verrat Finnlands, Rumäniens und Bulgariens und der dort

beginnenden Schreckensherrschaft des Bolschewismus, zeichnete er ein Bild von den Zuständen,

die uns bevorstehen, falls es den Feinden gelingen sollte, Deutschland zu überwältigen. Der Feind

stehe an den Grenzen des Landes und die schnelle Inbesitznahme Frankreichs und Belgiens

durch die Anglo-Amerikaner habe uns alle überrascht. Aber damit wäre der Krieg doch noch nicht

verloren. Neue Divisionen, neue Waffen und die unerschütterte Moral des Deutschen verbürgten

den Endsieg.“

336


7. Oktober 1944

„Seit Montag, den 25. September besteht im ehemaligen Zierauschen Ladenraum eine Nähstube!

Durchschnittlich 15 Frauen sind dort täglich beschäftigt die Seidenhüllen erbeuteter Fallschirme

trennen und zu Meterbahnen zusammen zu nähen. Es sollen Blusen daraus hergestellt werden.

6 Jungmänner der Hitler-Jugend mußten am 5. Oktober sich zu Schanzarbeiten in Dannenberg

stellen…“

10.10.1944

„Am 30. September wurde das ehemalige Arbeitsdienstlager mit etwa 70 Kindern der Deutschen

Schule in Utrecht (Holland) belegt. Sie mußten bei der Annäherung der feindlichen Armeen fluchtartig

Holland verlassen, da auch die Möglichkeit bestand, daß durch Luftlandetruppen den Deutschen

und den deutsch gesinnten Holländern die Flucht ins Reich versperrt werden konnte.“

„Am Donnerstag, den 2. November, waren gegen 20 Uhr einige sehr starke Detonationen hörbar.

Fenster und Türen zitterten. Wie jetzt bekannt wird, sind über Arendsee Bomben abgeworfen

worden, ohne jedoch Schaden anzurichten. Am Montag, dem 30. Oktober, wurden volkssturmpflichtige

Männer aus Gartow zu Schanzarbeiten in die Gegend von Cuxhaven befördert. Die in der

Notiz vom 7. Oktober genannten Jungmänner der Hitlerjugend sind nach 26 tägigem Einsatz nach

Gartow zurückgekehrt. Sie haben in der Gegend von Cuxhaven und bei Seemoor (Stade) Schützengräben

und Geschützstellungen ausgehoben…“

5.11.1944

„Am Sonntag, den 29.10., 9 Uhr trat der Volkssturm der Ortsgruppe Gartow auf Anordnung des

Kreisleiters Hermann im Krügerschen Saale zwecks Erfassung aller männlichen Deutschen der

Jahrgänge 1926 bis 1884 zu einem Appell an ….“

9.11.1944

„Heute Nachmittag wurde der für die Gefallenen dieses Krieges geschaffene Heldenhain und das

Ehrenmal eingeweiht: Um 15 Uhr stellte sich der Festzug am alten Kriegerdenkmal bei der Kirche

auf. Dann erfolgte der Abmarsch. Es war ein langer Zug, der sich über die Buchhorst zum

Ehrenmal bewegte, voran die Fahnen der Partei und der Organisationen. Die Weiherede hielt Pg.

Apotheker Thiele, der sich um die Herrichtung des Ehrenhains besonders verdient gemacht hat.

Nachdem auch noch der stellvertretende Ortsgruppenleiter Schwerdtfeger und der Kreisleiter Hermann

gesprochen hatten, wurde die Feier mit dem Absingen der Nationalhymne geschlossen.“

„Am 12. November 1944 fand auf dem Schützenplatz die Vereidigung des Volkssturmbataillons

Gartow statt. Im Holtorfer Achterbusch ist ein Blindgänger entdeckt worden. Wahrscheinlich ist er

am 2. November zum Abwurf gelangt….“

22.12.1944

„Großes Aufsehen erregte es, daß in der vorletzten Woche nun auch zwei junge Mädchen aus

Gartow als Flakhelferinnen eingezogen worden sind: Frieda Franke und Adeline Mahnke. Auch

die marschfähigen Volkssturmmannschaften haben Sonntags mit ihren Übungen begonnen… Am

8.11.1944 ist in Süd-Ungarn der Unterscharführer in der Waffen-SS Otto Tege gefallen. Wieder der

einzige Sohn der Eltern …“

337


1. Januar 1945

„Ein deutsches Jagdflugzeug mußte wegen eines Motorschadens auf den Seerichwiesen östlich

der Seegebrücke notlanden. Fahrgestell und Propeller büßte es ein aber der Flugzeugführer blieb

unverletzt. Scharen von Männern, Frauen und Kindern begaben sich heute Nachmittag zur Unfallstelle,

die jedoch durch Posten der Landwacht in einem Umkreis von 50 m abgesperrt worden war

(Focke-Wulf-Maschine vom Flugplatz Gardelegen. In 4.500 m Höhe Panne, ohne Feindberührung

gehabt zu haben. Bruchlandung).“

3. 1. 1945

„Axel von Zimmermann, Sohn des Arztes Dr. von Zimmermann, tödlich mit dem Flugzeug abgestürzt

am 24. Dezember; Unteroffizier und Flugzeugführer…“

6.1.1945

„Am 5. und 6. gelinder Frost. Gestern drei Mal Alarm, gegen 9 Uhr abends starkes Schießen im

Südwesten. Seit dem 1. Dezember wieder Strippenzieher (Anm. Fernmeldesoldaten) im Ort einquartiert

(1 Monteur, 2 deutsche und 10 litauische Soldaten). Starkstromleitungen in der Nähe

des Ortes wurden begradigt und statt der Kupferdrähte Eisendrähte angebracht.“

22.1.1945

„Der erste Volkssturmmann aus Gartow (Otto Benecke) muß sich morgen in Lüneburg stellen.

Jeden zweiten Sonntag vormittags und nachmittags übt der Volkssturm. An den Abenden finden

dann Führerbesprechungen statt….Seit Wochen bleibt aus Ersparnisgründen der elektrische

Strom öfters aus. Nun sind auf Anordnung der Reichsstelle für Elektrizitätswirtschaft für das Versorgungsgebiet

der Stromversorgung Lüchow Stromsperrstunden auf jeden Mittwoch von 7.50 bis

11.30 Uhr und an jedem Sonnabend von 16.30 bis 18.30 Uhr.“

28.1.1945

„Die ersten Flüchtlinge aus den bedrohten Ostgebieten sind in Gartow eingetroffen (Lisa Große,

Verwandte von Hollnagels). 10000 Flüchtlinge sollen in den nächsten Tagen im Kreise untergebracht

werden, so wird erzählt. Die Bevölkerung ist in banger Sorge… Die Lage im Osten wirkt sich

auch auf die Verkehrsverhältnisse aus. Eil- und Schnellzüge fuhren in der vergangenen Woche für

den öffentlichen Verkehr überhaupt nicht. Vor allem aber war eine vollständige Briefsperre für alle

Briefe außerhalb der Kreise Dannenberg und Salzwedel wirksam…“

30.1.1945

„Heute, am Tage der Machtübernahme, stehen die Russen westlich Driesen, 150 km von Berlin.

Eine schlichte Feier der Partei im Köhnschen Gasthause wies auf den Ernst der Stunde hin.

Drei Parteigenossen, die sich besonders verdient gemacht haben im Dienste der Partei wurden

mit dem Kriegsverdienstkreuz II. Klasse ausgezeichnet: die Frauenschaftsleiterin von Gartow Pg.

Johns, der Pg. Paul Harms (Förster) und Zellenleiter Kunstmaler Adolf Schlawing in Vietze. Außerdem

erhielt noch eine ganze Reihe von Volksgenossen, die im November v. Js. an Schanzarbeiten

beteiligt waren, das Schutzwallabzeichen.“

11.2.1945

„Immer mehr Flüchtlinge kommen aus dem Osten. Seit Tagen werden auch in Gartow 250 - 300

erwartet. Immer neue Räume müssen beschlagnahmt werden. Das Umlagesoll für Evakuierte und

Bombengeschädigte ist für Gartow vom Landrat auf 614 festgesetzt worden. Bisher waren in Gartow

etwa 300 untergebracht. Heizmaterial wird für die vielen Zurückgeführten nicht genügend

338


beschafft werden können. Seit Wochen schon sammeln Frauen und Kinder mit Genehmigung der

Forstverwaltung Holz im Walde aber die Ausbeute ist naturgemäß nur gering und das Holz ist auch

naß. Seit einigen Tagen sind die Elbfähren mit Militärposten besetzt, die den Übersetzverkehr

überwachen sollen. Man spricht von Auflösungserscheinungen an der Front. Seit gestern befindet

sich die 1. Kompanie des Volkssturmbataillons Gartow in Alarmbereitschaft. Bis zum 14. muß

gemeldet werden, wie viel Gewehre, Koppeln usw. in der Kompanie vorhanden sind. Eine Uniformierung

ist z. Zt. nicht möglich. Die Kompanie soll sich zum Einsatz in der Heimat bereit halten,

ist doch eine Revolte der hier untergebrachten Polen und anderen Ausländer nicht unmöglich.

Verschiedentlich sind schon Gewehre, Revolver usw. aus Jagdhütten (z.B. Nienwalde) gestohlen

worden…“

20. Februar 1945

„Am Sonntag, dem 18.2. sind nun viele, viele Flüchtlinge aus dem Osten nach Gartow gekommen,

so viel, daß sie nicht alle in den bereit gestellten Quartieren untergebracht werden konnten. 50

erhielten im Lager ein Notquartier. Im alten Schulraum Telschowstr. 5 ist eine Frau mit 13 Kindern

einquartiert worden. Ein Kind ist an Erschöpfung gestorben. Nach allem, was die Geflüchteten

erzählen, haben sich erschütternde Tragödien im Osten abgespielt.“

16. März 1945

„Zu den seit 14 Tagen bei Hechts einquartierten 36 Mannschaften einer Luftwaffenabteilung, die

am Plattensee/Ungarn in Stellung lagen, sind nun seit gestern 106 Mann Panzertruppen in ihren

schwarzen Uniformen im Krügerschen Saal einquartiert. Sie sind aus Elbing nach schweren Kämpfen

entkommen und sollen sich nun hier erholen. Noch immer treffen einzelne Flüchtlinge aus dem

Osten hier ein, auch Wagen von Trecks durchfahren dann und wann noch den Ort. Es werden wohl

etwa 900 Bombengeschädigte, Evakuierte und Flüchtlinge jetzt in Gartow untergebracht sein. Die

Flüchtlinge aus dem Osten bringen in der Regel fast nichts mit. Es fehlt vor allem an Betten. Auch

die Verpflegung bereitet große Schwierigkeiten. Es ist aber eine Gemeinschaftsküche eingerichtet

worden in einem Raum des alten Krankenhauses, die Mittags ein warmes Essen liefert…“

20.3.1945

„Gestern abend veranstalteten die hier einquartierten Soldaten in Gemeinschaft mit der Frauenschaft

und dem BDM einen Bunten Abend im Krügerschen Saale. Es gab Kartoffelsalat und

Eier, belegte Brote, Eier-Kognak, Vorführungen und Tanz, während im Osten und Westen unsere

Soldaten verbluten …“

24.3.1945

„Heute Nachmittag 15 Uhr fand im Krügerschen Saale die feierliche Verpflichtung der 14 jährigen

Jungen und Mädel und ihre Übernahme in die Hitler-Jugend und den Bund Deutscher Mädel statt.

Sie war zugleich die Schulentlassungsfeier der Partei. Die Verabschiedung der Schulentlassenen

geschah durch Lehrer Haberland“.

Am 25.3.1945 waren hier in Gartow 1 056 Flüchtlinge, Ausgebombte und Evakuierte untergebracht.“

2

Kämpfe in und um Gartow

Eine vom Militärhistoriker Karl-Heinz Schwerdtfeger, Escheburg, vorangestellte Übersicht zur militärischen

Lage in den letzten Kriegstagen im April 1945 verdeutlicht die Situation genauer als die

Tagebucheinträge von Rudolf Haberland.

339


Er hat die militärischen Ereignisse in und um Gartow bereits in der von ihm 1955 veröffentlichten

„Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“ geschildert. Darum erscheint hier nur

eine eingeschränkte, lediglich auf Gartow bezogene Berichterstattung von Karl-Heinz Schwerdtfeger.

Kampfgeschehen in und um Gartow. Vorausgehende Geschehnisse:

„Am Mittwoch, dem 11. April 1945, waren mit einem „Kübelwagen“ ein deutscher Oberst gemeinsam

mit seinem Adjutanten und Fahrer aufgetaucht. Dieser Oberst besuchte im Eiltempo einzeln

alle Bürgermeister oder Ortsverantwortlichen zwischen Schnackenburg und Gorleben und teilte

denen zu deren Schrecken knallhart mit, daß das Gebiet um den Höhbeck von Schnackenburg

bis Gorleben als sogenannter Brückenkopf Lenzen zum Kampfgebiet bestimmt worden sei. Allen

Anweisungen des Militärs sei widerspruchslos und unverzüglich Folge zu leisten.

Der absolute Höhepunkt war jedoch die Forderung des Oberst, daß sämtliche ausländischen Einwohner

aus dem vorgesehenen Kampfgebiet innerhalb von 24 Stunden über die Elbe nach Norden

abzuschieben seien! Dann wollte er von jedem Ortsverantwortlichen dessen Unterschrift als

Empfangsbestätigung unter den auf einem Blatt geschriebenen Befehlen haben.

Ob irgendeiner der Bürgermeister seine Unterschrift gegeben hat, ist fraglich. Denn vermutlich

jeder gab zu bedenken, daß in der kurzen Zeit von 24 Stunden eine Evakuierung der vielen ausländischen

Einwohner des betreffenden Ortes nicht durchführbar sei. Daraufhin wurde jeder Bürgermeister

vom Oberst einzeln und persönlich verantwortlich gemacht für das Wohlverhalten seiner

im Dorf befindlichen Ausländer. Er soll wörtlich gesagt haben:

„Sie persönlich haften mit Ihrem Kopf, falls Ihre Ausländer dummes Zeug veranstalten sollten!“

Es betraf die 14 Orte Schnackenburg, Gummern, Kapern, Holtorf, Nienwalde, Quarnstedt, Gartow,

Restorf, Pevestorf, Brünkendorf, Laasche, Meetschow, Vietze und Gorleben.

Bald danach, beginnend noch am gleichen Tag, fand eine Rundum-Beratung der betreffenden

Bürgermeister statt. Als Ergebnis dieser Beratung einigte man sich auf folgende Verhaltensweise:

01. Die Bevölkerung nicht ausdrücklich über bevorstehende Kampfhandlungen im vorgesehenen

Gebiet informieren, um jede Panik zu vermeiden, Geheimhaltung sei aber nicht nötig.

02. Ausländer in den Orten unter keinen Umständen über die Elbe oder sonst wohin abschieben,

aber zu Wohlverhalten ermahnen und auf die angedrohte Todesstrafe bei Zuwiderhandlungen

hinweisen.

03. Weisungen des deutschen Militärs nicht widersprechen, Anordnungen der Besatzungsmacht,

wenn dann der Feind das Gebiet eingenommen hätte, sofort erfüllen.

Alle Beteiligten der Beratung waren überzeugt, daß bevorstehende Kämpfe höchstens einen Tag

dauern würden, und sie hofften, daß alles ohne Zerstörungen der Dörfer abliefe.

Außer den direkt beteiligten Ortsverantwortlichen haben nur wenige andere Einwohner des nordöstlichen

Kreisgebietes Lüchow-Dannenberg von diesen Vorgängen erfahren. Zu Panikzuständen

in der Bevölkerung ist es nicht gekommen und die vielen Ausländer wurden nicht über die Elbe

nach Norden abgeschoben. Mit zwei Ausnahmen:

Die in Meetschow lebenden Polen (Anzahl unbekannt) wurden nach dem 17. April 1945 über die

Elbe abgeschoben, nachdem drei von ihnen, von den im Forsthaus Wirl befindlichen Amerikanern

nach Meetschow zurückkommend, am Waldrand von deutschen Soldaten aufgegriffen, als be-

340


waffnete Spione erkannt und anschließend „auf der Flucht“ erschossen wurden. (Nach diesem

Vorfall befand sich der Meetschower Bürgermeister in großer Gefahr, ebenfalls erschossen zu

werden. Denn er hatte ja das Wohlverhalten seiner im Dorfe lebenden Ausländer garantieren müssen!)

Und am 21. April 1945 sollen auf Verlangen deutscher Soldaten die in Holtorf befindlichen

Polen (Anzahl unbekannt) in großer Eile über die Elbe abgeschoben worden sein.

Die Militärische Lage am 17. April 1945 (Karte: Karl.Heinz Schwerdtfeger)

Die in Kapern auf den Bauernhöfen arbeitenden französischen Kriegsgefangenen hatten keine

Bewachung und entschieden sich erst am 19. April 1945 in geschlossener Gruppe in ihr Stammlager

nach Arendsee zurückzumarschieren. Was ihnen dann auch problemlos gelang. Hingegen

sind (nach amerikanischen Berichten) in Nienwalde und in Bömenzien einige russische Kriegsgefangene,

die bei den Bauern als Landarbeiter beschäftigt waren, im Dorf zurückgeblieben, die sich

dann am 15. April 1945 sofort den Amerikanern als ortskundige Pfadfinder zur Verfügung gestellt

haben. (Ein Verstoß gegen die Regeln der Genfer Konvention).

341


Zur verständlichen Schilderung des teilweise verwirrenden Ablaufs der Kämpfe bei der Besetzung

des Wendlandes durch die Amerikaner ist folgende Erläuterung vorauszuschicken:

Die nördliche Altmark als das zum Wendland angrenzende Gebiet muß für die militär-historische

Betrachtung der Vorgänge mit einbezogen werden, da von dort aus die Vorstöße der Amerikaner

ab 20. April 1945 nach Nordwesten zur Einnahme des Kreises Lüchow-Dannenberg erfolgten.

Aber auch geschichtliche Ursachen für die militärischen Ereignisse sind in die Betrachtung mit einzubeziehen,

da sonst die einzelnen Geschehnisse, isoliert betrachtet, kaum Verständnis finden.

Geschichtliche Daten

Im Hauptquartier der Westalliierten in Reims fand am 13. April 1945 (ein Tag nach dem Tod von

Präsident Roosevelt) ein Treffen aller Armee-Befehlshaber der Westalliierten (Amerikaner, Briten

und Franzosen) statt. Dort teilte der Oberfehlshaber der Westalliierten, General Eisenhower, seinen

Armee-Kommandeuren mit, daß er bereits Ende März per Fernschreiben Stalin (eigenmächtig

und insgeheim) zugesichert hatte, seine Truppen nur bis zur Elbe vorstoßen und dort an der

Elbe auf das Heranrücken der Roten Armee warten zu lassen. Die bis dahin geltende Planung zur

Eroberung der Reichshauptstadt Berlin wurde damit zum großen Ärger der Briten (Churchill und

Feldmarschall Montgomery) aufgegeben.

Auch der Dreisterne-General Simpson, Befehlshaber der 9. US-Armee, mußte enttäuscht seinen

Befehl an die bereits in höchster Alarmbereitschaft für den Sturmangriff auf Berlin an der Elbe

befindlichen Truppen abblasen.

Geplant war für das XIII. US-Korps der Brückenschlag über die Elbe bei Sandau/Wulkau am 14. April

1945 mit drei Ponton-Brücken für Infanterie und Panzerfahrzeuge. Auf Weisung von Eisenhower

und folglich auf Befehl des Kommandeurs vom XIII. US-Korps, General Gillem, mußte Brückenschlag

und Angriff in Richtung Berlin am 15. April 1945, um 2 Uhr nachts, letztendlich abgeblasen

werden.

Feldmarschall Montgomery wurde von Eisenhower angewiesen, mit seiner 2. Britischen Armee

nach Norden einzuschwenken, und eine Front gegen die Rote Armee an der Linie Dömitz-Ludwigslust-Schwerin-Wismar

zu bilden. Wegen akuten Personalmangels erhielt Montgomery von Eisenhower

die 8. US-Luftlande-Division zugeteilt, die später dann auf Montgomerys rechter Flanke

eingesetzt wurde.*

Bis zum 13. April 1945 war geplant, die Reichshauptstadt Berlin in einer Zangenbewegung von

Norden und Süden her einzunehmen. Feldmarschall Montgomery sollte mit der 2. Britischen Armee

von Norden her über Mecklenburg und Brandenburg ins Zentrum von Berlin vorstoßen. Die

9. US-Armee sollte mit dem XIX. Korps von Magdeburg her in den Süden Berlins vorrücken, und

mit dem XIII. Korps über Brandenburg a.d. Havel und Potsdam die westlichen Bezirke von Berlin

erobern. Der sowjetische Großangriff an der Oder begann erst am 16. April 1945!

Das Kreisgebiet Lüchow-Dannenberg (Wendland) war ab Anfang April und blieb bis zum 19. April

1945 als Kampfgebiet der 5. britischen Infanterie-Division (VIII. Korps, 2. Armeegruppe, Feldmarschall

Montgomery) zugeteilt. Die Abgrenzung zur 9. US-Armee verlief ungefähr entlang der Grenze

zwischen der Altmark und dem Wendland bis Schnackenburg/Elbe.

* Das war die 8. US-Infanterie-Luftlandedivision, die mit Lastenseglern zur Landung hinter den feindlichen Linien

ausgebildet, aber seit der „Operation Market-Garden“ nicht mehr eingesetzt, nun aufgefrischt als Reserve zur

Verfügung stand. Das waren keine Fallschirmspringer, obwohl diese Einheit als „Airborne Corps“ bezeichnet wurde!

342


Die 2. britische Armee wurde jedoch ab der Weser, an der Aller und später vor Uelzen in schwere,

verlustreiche Kämpfe verwickelt und wurde dadurch im Vormarsch beträchtlich aufgehalten.

Die Amerikaner überrannten in einem Gewaltmarsch hingegen an Montgomerys rechter Flanke

mit der 5. US-Panzerdivision, beiderseits Braunschweig durchstoßend, die nördliche Altmark in

nur zwei Tagen (11. und 12. April 1945) in einem Rutsch.

Da nun die 5. US-Panzerdivision (Combat Command R) parallel zur südlichen Kreisgrenze des

Wendlandes am 12. April 1945 über Seehausen bis zur Wittenberger Elbbrücke und Werben vorgeprescht

war, befand sich deren linke Flanke nun etwa ein bis zwei Tage lang völlig ungedeckt

gegen eventuelle deutsche Angriffe. Denn die britischen Truppen lagen zu diesem Zeitpunkt noch

weit zurück und die zur Begleitung der 5. US-PD vorgesehene 84. US-Infanteriedivision befand sich

da erst teilweise im Raum Braunschweig und mit ihrer Masse in der Stadt Hannover.

Zur Abschirmung (screening) und Sicherung

dieser für die 5. US-Panzerdivision ungedeckten

langen linken Flanke wurde nun in großer

Eile das gepanzerte Aufklärungsregiment, 11th

US-Cavalry Group, mit dessen zwei Bataillonen,

36th Squadron und 44th Squadron, eingesetzt.

Aber deren eilige Verlegung in die vorgesehenen

Flanken-Sicherungspositionen für den neuen

Auftrag dauerte wenigstens zwei Tage. Durch

diese neue Situation, daß nämlich die britischen

Truppen nach Norden abschwenkten,

blieb das Kreisgebiet Lüchow-Dannenberg für

einige Tage noch von der Besetzung verschont.

Erst am 19. April 1945 erhielt deshalb das XIII.

US-Korps, mit den drei Divisionen (5. Panzer,

29. und 84. Infanterie) das Dreiecksgebiet des

Kreises Lüchow-Dannenberg (Wendland) ungefähr

von Dähre, über Zernien bis Neu Darchau/

Elbe einerseits, und von Dähre über Salzwedel

und Arendsee bis Schnackenburg/Elbe andererseits,

als Gefechtsstreifen zugeteilt.

Die Militärische Lage am 21. April 1945

Auf Seiten der deutschen Verteidiger hatte man dem Ansturm der Amerikaner nur wenig entgegenzusetzen.

Spätestens nach dem Zusammenbruch der Weserfront gab es auf deutscher Seite keinen

durchgehenden Frontverlauf mehr. Die Verteidigung beschränkte sich auf einzelne Ortschaften

und auf wichtige Verkehrsknotenpunkte. Oftmals ließen sich örtliche Kommandeure mit ihren

Einheiten von den Amerikanern in der Absicht willig einkesseln, sobald sie abgeschnitten waren

und somit nicht mehr von Militärgerichten belangt werden konnten, sich und ihre Einheit den Amis

kampf- und formlos zu ergeben. Denn nach den Katastrophenerlassen („Panikbefehlen“) der letzten

Kriegsmonate war es den deutschen Befehlshabern bei Todesstrafe verboten, zu kapitulieren.

Deutsche Trümmer-Einheiten, die in verzögernden Rückzugsgefechten gegen die angreifenden

Amerikaner Widerstand leisteten, wurden meistens überrannt und lösten sich danach rasch auf.

Alles strebte zur Elbe, um der drohenden Gefangennahme zu entgehen. Es war eine geschlagene

343


Armee auf der Flucht. Da es keine Frontlinie mehr gab, und da keine Funk- oder Fernsprechverbindungen

zu den verschiedenen Widerstandsnestern untereinander existierten, handelten die

einzelnen Kommandeure der zusammengeschmolzenen Einheiten meistens nach eigenem Gutdünken.

Anfang April wurde die sogenannte ZV-Division mit ihren beiden Artillerie-Regimentern

z.b.V.901 und z.b.V.902 für den Infanterie-Einsatz umgebildet.*

Während das Art.Rgt.z.b.V.901 aus der Eifel mit seinen acht Batterien personell nahezu vollzählig

in ihr vorgesehenes Sammelgebiet kommen konnte, gelang nur den Mannschaften von zwei Batterien

des Art.Rgt.z.b.V.902 beim Rückzug aus Holland das Durchkommen. Diese umfunktionierte

ZV-Division war planmäßig für die Elbefront-Verteidigung zwischen Gaarz (südöstlich von Dömitz)

und Lütkenwisch vorgesehen, einschließlich Brückenkopf Lenzen.

Am 3. Mai 1945 hielten sich an der Elbe bei Gorleben Soldaten der 29. US-Infanterie-Division auf,

die auf ihre Ablösung durch die 84. US-Infanterie-Division warteten. Zuvor hatte sie die deutsche

ZV-Division, Soldaten einer V2-Raketen-Einheit, bei Wootz in Gefangenschaft gebracht, nachdem

diese deutsche Einheit sich angesichts des verlorenen Krieges ergeben hat. Sie wurde in das provisorische

Gefangenenlager Gorleben verbracht, wo dann rd. 11 000 deutsche Soldaten kampierten.

Am späten Nachmittag des 3. Mai kam eine Abordnung der russischen Streitkräfte vermutlich

an der Fährstelle Lenzen vom Ostufer der Elbe zu den Amerikanern, um die örtliche Kapitulation

zu feiern.

Dazu die Geschichte der 29. US-Infanterie-Division, 29 LET`S GO!, auf Seite 259:

...Am Abend überquerten Generalmajor Chapurkin, Kommandeur der 5. Garde-Kavallerie-Division,

ein Chef des Divisionsstabes, und ein Kriegsberichterstatter der „Pravda“ den Fluß, um das Treffen

formal und offiziell zu begehen. Sie wurden begrüßt durch Brigade-General William H. Sands.**

Das Treffen fand statt in einem Herrenhaus des 15. Jahrhunderts, dem Gefechtsstand des Blauen

Bataillons vom 175. Regiment. (Schloß Gartow)

Unvermeidliche Toasts auf den Präsidenten, den früheren F.D. Roosevelt, und auf die immerwährende

Freundschaft der Alliierten wurden getrunken. General Sands beschenkte den genannten

russischen General mit den Sternen seines Ranges. Im Namen der 9. Armee eine Armee-Pistole

Kaliber 0.45, und von General Gerhardt, der nicht an diesem wichtigen Treffen teilnehmen konnte,

weil er zum Hauptquartier der 9. Armee zu einer dringenden Besprechung abberufen worden

war, wurde eine „tommy gun“, dekoriert mit dem Divisions-Symbol und der Beschriftung „Elbefluß

1945“, überreicht. …“ 3

Kein Deutscher ist am Nachmittag des 3. Mai 1945 Augenzeuge dieser Zusammenkunft der alliierten

Sieger im Schloß Gartow gewesen. Denn die gesamte Zivilbevölkerung war ja ausnahmslos

nach Trebel, Prezelle, Lomitz und anderen Orten zwangsevakuiert worden. Ein fünf Kilometer breiter

Streifen entlang des westlichen Elbufers war auf Befehl von General Gillem (Kommandeur des

XIII. US-Korps) von allen Zivilisten geräumt worden. Diese Zwangsevakuierung erstreckte sich von

Tangermünde flussabwärts bis Neu Darchau. Erst am 7. Mai 1945 durften die Zwangsevakuierten

in ihre Dörfer zurückkehren.

* ZV-Division ist besser bekannt als die V2-Division, die aus mobilen Stellungen in der Eifel und in Holland bis Ende

März 1945 die V2-Überschallraketen abgefeuert hatten.

** Anmerkung des Verfassers: Befehlshabender Offizier der Divisions-Artillerie im Namen von General Gerhardt.

344


Einige Stunden später stattete Brigade-General Sands mit ein paar Offizieren den Russen in Lenzen

einen Gegenbesuch ab. Erst in der Nacht kehrte er mit Anhang von dort zurück. Die Amerikaner

waren in Eile, da der Abmarsch der Truppe nach Bremen unmittelbar bevorstand. Aber

ist durchaus nachvollziehbar, daß die Amis nicht ohne diese vorgezogene Siegesfeier mit ihren

sowjetischen „Waffenbrüdern“ von der Elbefront abziehen wollten. 4

Rudolf Haberland berichtet in seinem Tagebuch:

3. April 1945

„Ein Offizier der Organisation Scheer war gestern und heute in Gartow, um Quartiere vorzubereiten

für den Stab einer Abteilung die hier arbeiten soll. Auch die beiden Schulräume hier im Schulhaus

wurden beschlagnahmt. Gestern Mittag wurde eine Kompanie des Volkssturms alarmiert, weil

man einen feindlichen Fesselballon gesichtet zu haben glaubte. Es war jedoch ein deutscher, der

in geringer Höhe die Wälder und Felder überflog und mit seinem nachschleifenden Halteseil die

Starkstrom- und Telegraphenleitungen zwischen Gartow und Nienwalde zerriß.“

Donnerstag, den 12. April 1945

„Am 1. April wurde von der Partei der „Werwolf“ aufgerufen. Ferner wurde angeordnet, daß Hakenkreuzfahnen,

Hitler-Bilder usw. „sicherzustellen“ seien. – Seit Gestern durchfahren, aus der

Altmark kommend, Wehrmachtsautos mit deutschen Soldaten in endlosen Kolonnen Gartow in

Richtung Dömitz, nur selten ist die Straße davon frei. Amerikanische Panzer sollen in Salzwedel

eingedrungen sein. Widerliche Szenen spielten sich auf dem Schützenplatz ab. Seit etwa einem

Jahr lagern dort im Schützenhause Zehntausende von Flaschen mit Likören. Wem sie gehören,

weiß niemand mit Sicherheit zu sagen. Gestern und heute nun wurden die riesigen Vorräte, um sie

dem anrückenden Feind nicht in die Hände fallen zu lassen, flaschenweise, auch kistenweise an

die Bevölkerung verteilt, ohne jegliche Kontrolle, auch an Russen und Polen. Zeitweise gab es ein

wüstes Gedränge, auch zu Prügeleien kam es. Schließlich wurde das Schützenhaus, in dem immer

noch einige hundert Kisten lagerten, auf Befehl eines Hauptmanns vom Streifendienst durch

Handgranaten in Brand gesetzt. Es brannte bis auf die Grundmauern nieder.“

Freitag, den 13. April 1945

„Heute früh wurde das Maschinenhaus des Sägewerks A. Herbst von Tieffliegern beschossen. Es

gab nur leichte Beschädigungen am Dach. Ein kleiner Brand konnte schnell gelöscht werden. – In

den noch rauchenden Trümmern des Schützenhauses wühlen Männer, Frauen, selbst Kinder nach

heilgebliebenen Flaschen mit „Genever“ und anderen Likören. Daneben steht weinend der 70jährige

Schlossermeister Schubart aus Hamburg, der in einem Nebenraum des Schützenhauses eine

Notwohnung erhalten hatte und nun wieder alles verloren hat, da man ihm keine Zeit ließ, noch

vor der Sprengung die wenigen mühsam zusammengebrachten Möbelstücke aus seiner Wohnung

zu holen. – Kolonnen von russischen Kriegsgefangenen werden zur Lenzener Fähre geführt. Über

den „Spring“ und den Seerig trotten ältere deutsche Soldaten in größeren und kleineren Haufen

ohne Führung, ohne Waffen ebenfalls der Elbe zu.“

Sonnabend, den 14. April 1945

„In letzter Nacht zwischen 24 und 1 Uhr Geschützdonner in Richtung Wittenberge.

Der Volkssturm hat den Befehl erhalten, unnützes Blutvergießen zu vermeiden, da nicht genügend

Waffen und Verbandszeug vorhanden seien. Die Panzersperre Bömenzien ist von der Wehrmacht

übernommen worden. Um 14 Uhr trifft die „amtliche Nachricht“ ein, daß Salzwedel vom Feinde

eingenommen wurde und feindliche Panzer auf Lüchow vorstoßen. In Gartow ist die Kompanie

345


Lehmann abgelöst worden durch einen Zug der 8. Kompanie des Füsilier-Bataillons z.b.V.901 unter

der Führung des Leutnants Fuchs.

Gefechtsstand war das Sägewerk Werth. Das Bataillon 901 war eine Einheit, die in Lenzen und

Salzwedel aus versprengten Soldaten aller Waffengattungen zusammengestellt worden war, vorwiegend

aus Soldaten der Fallschirmjägerabteilung Gardelegen und des Panzerbekämpfungskommandos

Stendal. Die Züge der 8. Kompanie waren verteilt auf Gartow und die Höhbeckdörfer.

Kompanieführer war ein Oberleutnant Bader. Sein Gefechtsstand war die Gastwirtschaft Voß in

Brünkendorf. Bataillonsführer war Hauptmann Nabenhauer.

Drei Gartower Einwohner Hermann Junack, Christel Junack, Walter Herbst, die am 11. und 12. April

von der Gestapo verhaftet und nach Lüneburg gebracht worden waren, wurden gestern wieder

freigelassen.“

Sonntag 15. April 1945

„Am Sonntag erschienen gleich nach Mittag feindliche Panzerwagen aus südlicher und östlicher

Richtung und konnten trotz Gegenwehr in den Ort eindringen. Der gräflich-Bernstorffsche Meierhof

war zuvor in Brand geschossen worden. Es brannten dort 4 große Scheunen nieder, mehrere

Stallungen und außerdem das am Elbholzdamm gelegene Vierfamilienhaus mit den Nebengebäuden.

Die alte Hauptstraße wurde stark beschossen, es wurden viele Gebäude leicht beschädigt

und außerdem fielen der Beschießung zwei Menschenleben zum Opfer.

Der Feind zog sich wieder zurück und ein stärkeres deutsches Kommando besetzte den Ort wieder.

Die Bevölkerung hatte größtenteils den Ort verlassen und floh in die Wälder. Hier wurden in

aller Eile Bunker gebaut und die zum Leben notwendigen Dinge hinausgeschafft. H. Schulenburg,

Einheit Lehmann, wurde hier abgelöst und in Restorf eingesetzt. In Gartow eine örtliche Sicherung

in Stärke eines Zuges, die den Auftrag hatte, schwächeren Feind abzuwehren und zu sichern nach

Nienwalde und der Buchhorst. Um ½ 12 Uhr wurde ein leichter amerikanischer Geländewagen

beobachtet an der Buchhorst. Feuerbefehl für ein Maschinengewehr von einem Hauptmann gegeben

(Kommandant aus dem Brückenkopf Lenzen). Zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags nähern

sich ein Spähwagen und leichte Panzer mit 7,5 cm-Kanonen Gartow. Die deutschen Soldaten

zogen sich zurück, Panzer bis zum Meierhof (Quarnstedt) gefahren. Hahne, Bataillonsführer der

Volkssturmkompanie Gartow.“

„Nach ruhiger Nacht und stillen Morgenstunden treffen Nachrichten ein, daß amerikanische Panzer

Bömenzien erreicht haben. – Zwischen 14 und 15 Uhr nähern sich zwei leichte Panzer und

ein Spähwagen von Rucksmoor her auf dem Buchhorster Wege Gartow. In der Gartower Kirche ist

gerade Gottesdienst. Eben hat Pastor Lieberg aus Trebel die Predigt begonnen, da hört man plötzlich

heftiges Maschinengewehrfeuer, das aber bald wieder abbricht. Der Gottesdienst wird geschlossen.

Große Erregung überall. Wird es zu einem Kampf um Gartow kommen? Der Volkssturm

kann und will Gartow nicht verteidigen. Leutnant Fuchs aber hat den Befehl, mit seinem Zuge den

Gegner in Gartow aufzuhalten, damit Zeit gewonnen wird, hinter der Elbe eine neue Widerstandslinie

aufzubauen, so sagt man. Die feindlichen Panzer haben sich zwar wieder zurückgezogen.

Werden sie mit Verstärkung wiederkommen? Etwa eine Stunde vergeht in banger Erwartung. Da

setzt plötzlich südwärts Gartow eine heftige Schießerei ein. Was nun? es ist nicht mehr möglich,

in den Wald zu flüchten, wie viele es sich vorgenommen hatten. Schnell werden einige mit den

notwendigsten Sachen gefüllte Koffer ergriffen, und dann geht es in die Luftschutzkeller. Erwartungsvolles,

ängstliches Schweigen. Dann und wann wird die Stille unterbrochen durch Schüsse

eines Panzergeschützes. Ein Panzer rollt durch die Hauptstraße. Die Häuser zittern. Wieder einige

346


Schüsse. Der Panzer kommt zurück. Und dann wird es allmählich still. Alle verlassen die Keller. Der

Meierhof brennt und das Eishaus auf dem Schloßhof. Dicke Rauchwolken wälzen sich, vom leichten

Ostwind getrieben, von den brennenden Ställen und Scheunen des Meierhofes auf das Dorf

Quarnstedt zu. Auch das erste Arbeiterwohnhaus in Quarnstedt und einige kleine Ställe geraten in

Brand. Am Abend liegen auf dem Meierhof drei Scheunen, ein Pferde- und ein Schweinestall, ein

Schafstall und die Stellmacherei und Schmiede in Schutt und Asche. 250 Schafe, 200 Schweine

und zwei Pferde haben in den Flammen den Tod gefunden.“

In der Hauptstraße (von 1933 bis 1945 Telschowstraße genannt) hat eine Granate eine dicke

Linde vor dem Hause Nr. 12 (Wendig) zerschmettert, ein paar Häuser weiter hat eine andere

einen Starkstrommast durchschlagen. Ein Gewirr von Drähten liegt am Boden, zahlreiche Fensterscheiben

sind zertrümmert, das gräfliche Haus Springstraße 2 hat einen Volltreffer erhalten.

Im Wendigschen Hause Nr. 12 ist eine 81jährige Frau Brandt durch einen Granatsplitter schwer

verwundet worden, ebenso im Hause Nr. 28 (Delius) die zu Besuch weilende älteste Tochter des

Schlossermeisters Delius, Frau Jochmann. Beide sind ein paar Tage später gestorben.

2009: Ehem. v. Bernstorffsches „Neues Haus vor Gartow“, Springstr. 4

Die feindlichen Panzer haben nach dem kurzen Angriff den Ort wieder verlassen, und ein stärkeres

deutsches Kommando hat Gartow wieder besetzt. Gegen Abend werden Vorbereitungen

zur Sprengung der Seegebrücke getroffen. Frauen, Männer, Kinder mit schwer bepackten Handwagen,

Fahrrädern und Kinderwagen verlassen fluchtartig den Ort, um die Nacht im Walde zu

verbringen. Man fürchtet einen neuen Panzerangriff auf Gartow oder gar ein Luftbombardement.

– Um 19.45 Uhr zerreißt eine ohrenbetäubende Detonation die Abendstille, die Seegebrücke ist

allen Gegenvorstellungen zum Trotz gesprengt worden. Es folgt eine sternenklare, kalte Nacht.

Über dem Meierhof liegt noch immer die Feuerlohe der brennenden Scheunentrümmer. Dann

und wann Flugzeuggebrumme, jenseits der Elbe Leuchtraketen, „Weihnachtsbäume“, blutigroter

Feuerschein. Um 2 Uhr Stille.“

347


Montag, den 16. April 1945

„Seit gestern sind in Nienwalde amerikanische Panzer stationiert. Feindliche Spähwagen zeigen

sich wiederholt süd- und ostwärts Gartow. Einige wagen sich sogar bis zur gesprengten Seegebrücke

und zur gleichfalls zerstörten „Eisernen Brücke“ oberhalb des Schlosses vor. Um 9.30 Uhr

nähert sich von Kapern her ein amerikanischer Spähwagen dem Meierhof. Soldaten einer Maschinengewehrstellung

vor dem Quarnstedter Transformator versuchen zu flüchten. Der Spähwagen

stoppt. Ein Amerikaner springt heraus. Der Füsilier Fritz Lindemeyer, geb. am 19.9.1927 aus Nürnberg,

wird niedergeschossen. Am Transformator wurde ihm eine vorläufige Ruhestätte bereitet.“

Dienstag, den 17. April 1945

„Ein nebeliger Morgen, dann warmer Sonnenschein. Um 10 Uhr eine heftige Kanonade aus Richtung

Wittenberge. Kurz nach 12 Uhr stoßen feindliche Panzer von Nienwalde her auf Gartow vor.

Von der hinteren Straße aus nehmen sie die Hauptstraße unter Feuer. Der Kirchturm und die Kirchenuhr

werden getroffen. Die Zeiger der Uhr bleiben um 12.35 Uhr stehen. Bald brennen die vier

Scheunen von Hauptstraße 17 (Giese), 19 (Schaal), 21 (Bergschlossbrauerei), 23 (Krüger) und

die Bäckerei H. Schneider (Hahnenberge 1). Dem tatkräftigen Eingreifen einer Löschmannschaft

gelingt es, ein Übergreifen des Feuers auf die Wohngebäude der Hauptstraße zu verhindern.

Ein amerikanischer Panzer und zwei Panzerspähwagen dringen von der „Alten Post“ her in die

Hauptstraße ein, gefolgt von einem starken Trupp Infanterie. Die Häuser werden nach deutschen

Soldaten und Waffen durchsucht. Russische Kriegsgefangene helfen dabei. Besonders ein Kriegsgefangener

aus Nienwalde, der als Milchfahrer Gartow gut kennengelernt hat, tut sich dabei hervor.

Er bezeichnet überall die Häuser, deren Bewohner „gutes oder schlechtes Mensch“ gewesen

sind, und dementsprechend werden Bewohner und Häuser von den Amerikanern behandelt.

Um 16 Uhr wird der Ort von Bürgermeister Beyer dem Feinde übergeben. Die Bevölkerung wird

aufgefordert, weiße Fahnen zu zeigen, alle Waffen abzuliefern und sich den Anordnungen der

Besatzungstruppen zu unterwerfen.

Gegen Abend jedoch ziehen sich die Amerikaner wieder aus Gartow zurück. Deutsche Soldaten

besetzen wieder den Ort, und die weißen Fahnen werden wieder eingezogen.

Nachtrag: Bürgermeister Beyer geriet an diesem Dienstag in größte Gefahr, erschossen zu werden.

Man machte ihm den Vorwurf, voreilig Gartow den Amerikanern übergeben zu haben. Es gelang

ihm jedoch zu entkommen und sich in den nächsten Tagen bis zur endgültigen Besetzung Gartows

durch die Amerikaner im Wald und in den Waldorten verborgen zu halten. So entging er dem

Schicksal Bürgermeisters Bäthges in Kapern, der am 20. April dort erschossen wurde. – Auch der

Buchhalter Heinz Gutjahr vom Sägewerk Werth, der angesichts der brennenden Scheune zwei

deutschen Unteroffizieren gegenüber die Bemerkung machte, daß doch jeder Widerstand nutzlos

sei, entging nur mit knapper Not dem Tod durch Erschießen.

Gefallen sind während der Kampfhandlungen am Dienstag von deutschen Soldaten der Kraftfahrobermaat

Friedrich Häcker aus Mettmann am Rhein und der Kraftfahrobergefreite Siegfried

Thiele (Ort unbekannt). Beide gehörten der Marineeinheit „Puma“ an, die in Gorleben stationiert

war, und waren in den Vormittagstunden dieses Tages an einem Vorstoß dieser Kampfgruppe

gegen Nienwalde beteiligt. Sie fanden im „Wolfssahl“ den Tod, höchstwahrscheinlich durch den

Beschuß amerikanischer Panzer.“

348


Mittwoch, den 18. April 1945

„Ein Tag ohne besondere Ereignisse. Gartow wie ausgestorben. Um 13 Uhr schlagen einzelne Granaten

auf den Seerigwiesen ein. Deutsche Artillerie von jenseits der Elbe schießt sich ein, so meint

man. In den späten Nachmittagstunden steigen mächtige Rauchwolken hinter dem Höhbeck auf.

Sind es brennende Dörfer? Um 20 Uhr kein Deutschlandsender zu hören, aber der Werwolf-Sender

gibt Stimmungsberichte und Stimmungsmusik („Lever dot as Slav!“, „Kein schöner Land“). Und

dann nächtliche Stille, dann und wann nur unterbrochen von dem Gebrumm einzelner Flugzeuge.“

Donnerstag, den 19. April 1945

„Ein schwaches Kommando deutscher Soldaten hält noch immer Gartow besetzt. Am Abend verbreitet

der Deutschlandsender zum Geburtstag des Führers (20. April) eine Ansprache des Propagandaministers

Dr. Goebbels, in der er ausführt, daß die Situation ohne Vergleich und Beispiel sei.

Das deutsche Volk setze aber sein Vertrauen auf die eigene Kraft und Gottes Hilfe. Die „perverse

Koalition“ der Feinde werde zerbrechen, und Gott werde Luzifer in den Abgrund schleudern. Nach

dem Kriege werde Deutschland herrlicher denn je wieder aufblühen.“

Freitag, den 20. April 1945

„Die meisten Bewohner Gartows halten sich noch immer in den Wäldern und in Falkenmoor und

Rucksmoor auf. In Falkenmoor ist eine Gemeinschaftsküche für die Geflüchteten eingerichtet worden.

In Gartow sind stundenweise eine Schlachterei (Schramm) und eine Bäckerei (Dotschko)

geöffnet.

Gegen 13 Uhr überfliegt ein starkes feindliches, von Jagdflugzeugen begleitetes Bombengeschwader

Gartow. In den Nachmittagsstunden werden von deutschen Soldaten auf dem Buchhorster

Damm und dem Nienwalder Weg Minen gelegt. Der Straßenausgang nach Hahnenberge wird bei

der sogenannten „Bullenwiese“ durch gefällte Bäume gegen Panzer gesperrt.“

Sonnabend, den 21. April 1945

„Schon in den frühen Morgenstunden dieses trüben, nebeligen und regnerischen Tages mehren

sich die Anzeichen, daß ein neuer Angriff auf Gartow bevorsteht. Starkes Motorengeräusch im

Walde bei Rucksmoor und Falkenmoor zeigt, daß er wieder aus dieser Richtung erfolgen wird.

Eine schwache deutsche Vorpostengruppe am Englischen Garten sichert den Weg nach Nienwalde

und nach der Buchhorst. Das Wachlokal dieser Gruppe ist die sogenannte Frühstücksstube

im gräflichen Pferdestall auf dem Schloßhof. Eine zweite Vorpostengruppe benutzt das gräfliche

Forsthaus (Wohnung des prakt. Arztes Dr. v. Zimmermann) am Ortsausgang nach Hahnenberge

als Wachraum. Unmittelbar am Transformator, dem Arzthause gegenüber, befindet sich ein Maschinengewehrposten.

– Zwischen 10 und 11 Uhr nähert sich amerikanische Infanterie von der

Buchhorst und von Falkenmoor her dem Ortsrande. Die deutsche Vorpostengruppe am Englischen

Garten (Führung Unteroffizier Ruppenthal aus Wiebelskirchen an der Saar) sieht plötzlich die Amerikaner

in Schützenreihe auf kurze Entfernung vor sich. Nur wenige Schüsse kann sie abgeben,

dann muß sie sich unter dem Feuer amerikanischer Schnellfeuerwaffen durch den Schloßpark

auf das Gut Quarnstedt zurückziehen. Das Schloß wird vom Feinde besetzt. Ein Gegenstoß einer

kleinen Gruppe deutscher Soldaten (etwa 10 Mann) von Quarnstedt aus unter Führung von Unteroffizier

Ruppenthal über die Trümmer der Seegebrücke hinweg erreicht nur den Hofraum der

gräflichen Scheune gegenüber der Kirche. Hier wird Unteroffizier Ruppenthal durch Maschinengewehrfeuer

des Feindes aus den Fenstern des Oberförsterhauses am Westrande des Schloßhofes

schwer verwundet und von seinen Kameraden, die zum Teil auch schon verwundet waren und die

Stellung nicht mehr halten konnten, durch das Wasser der Seege ins Gutshaus von Quarnstedt

349


getragen, wo er mit anderen Verwundeten von der Frau des Gutsverwalters Schwerdtfeger betreut

und verpflegt wurde.

Gefallen sind in diesen Kämpfen, soweit es sicher festzustellen war, drei deutsche Soldaten, nämlich

der Fallschirmjäger-Feldwebel Esser, Obergefreiter Karl Roslawski aus Duisburg und ein unbekannter

Soldat. Feldwebel Ernst (?) Esser wurde durch Kopfschuß getötet bei dem Versuch, der

hart bedrängten Gruppe Ruppenthals am Englischen Garten zu Hilfe zu eilen. Karl Roslawski fiel

auf der Rasenfläche südlich der ehemaligen Registerkasse. Nur wenige Schritte davon entfernt

ereilte der Tod den Kameraden und guten Freund Roslawskis, den unbekannten Soldaten. Wie

anderswo, z.B. bei Restorf, so wurden auch hier die Gefallenen auf Lastkraftwagen von den Amerikanern

fortgeschafft; es wurde jedoch nicht gestattet, denselben die Erkennungsmarken und

Soldbücher abzunehmen. Roslawski fand seine letzte Ruhestätte auf dem von den Amerikanern

angelegten Ehrenfriedhof Senne I bei Bielefeld. Schwer verwundet durch Oberschenkelschuß wurde

auf dem Schloßhof Leutnant Fuchs. Er wurde in ein Lazarett nach Lenzen gebracht.

In blutigen, verlustreichen Kämpfen wurde am 21. April um den Besitz des Schlosses und des

Schloßgebietes gerungen. Ohne Kämpfe dagegen geriet der Ortsteil Hahnenberge in die Gewalt

des Feindes.

Zwischen 10 und 11 Uhr drangen amerikanische Infanteristen von Falkenmoor her in Hahnenberge

ein, durchsuchten einzelne Häuser nach deutschen Soldaten und „Nazis“ und besetzten,

vorsichtig an Hecken und Häusern entlangschleichend oder von Baum zu Baum springend, die

Sägewerke. Kurze Zeit darauf folgten Panzer. In den ersten Nachmittagstunden wurde das „Forsthaus“

durch einen feindlichen Panzer in Brand geschossen. Es wagte niemand zu löschen, da im

Hause große Mengen von Tellerminen und Panzerfäusten lagerten.

21.4.1945: Die Häuser in der Hauptstraße 2 brannten später ab

350


Erst als die Amerikaner sich in Gartow festgesetzt hatten, begann die deutsche Artillerie zu feuern.

Die amerikanische Artillerie bei Rucksmoor und auf der Buchhorst blieb die Antwort nicht schuldig.

Hochauf spritzte das Wasser der Seege von den einschlagenden Geschossen der deutschen

Artillerie. Einige Gebäude in Gartow (Gemeindehaus, Sparkasse) erhielten Treffer, und bald brannte

die gräfliche Scheune gegenüber der Kirche. Da nicht gelöscht werden durfte, griff der Brand

auch auf die gräflichen Häuser (Wedekind, Hasse und Griese), auf das Haus Nr. 2 (Beyer, Strahmann)

und das gräfliche Hospital über. Amerikanische Soldaten warfen noch Handgranaten in

das brennende Beyersche Gebäude und in das Hospital. Nur mit Aufbietung aller Kräfte gelang es

beherzten Männern und Frauen, das sogenannte „Neue Haus“ (Nr. 6), zu retten, zunächst immer

noch stark von den Amerikanern am Löschen gehindert. Während noch der Brand in den eben

genannten Häusern wütete, entstand ein neuer Brandherd in den Häusern, die den Schloßhof

nach Westen hin abgrenzten. Auch hier durfte nicht gelöscht werden, und sämtliche hier befindlichen

Gebäude wurden ein Opfer des Feuers: das Oberförsterhaus, eine Autogarage, ein Stall- und

Scheunengebäude, die Registerkasse (Wohnung des Försters Hosp) und auch das sogenannte

Reitbahngebäude.

Als die Nacht einbrach, hatten starke amerikanische Verbände Gartow besetzt. Im Ort und um

denselben wurde Artillerie zusammengezogen. Durch die Nacht bellten die Abschüsse amerikanischer

Batterien. Feuerschein leuchtete von Brünkendorf her. Der Kampf um den Höhbeck hatte

begonnen.“

Sonntag, den 22. April 1945

„In den frühen Morgenstunden geriet der Pferdestall auf dem Schloßhofe in Brand. Die Gartower

Feuerwehr durfte löschen, so daß das Feuer auf den Brandherd beschränkt blieb.

Der Ort Gartow glich einem Heerlager; fast in jedem Hause hatten sich amerikanische Soldaten

einquartiert. Im Arbeitsdienstlager war ein Lazarett eingerichtet worden. In den Vormittagsstunden

kam der Befehl, daß Gartow bis zum Abend von der noch im Orte gebliebenen Zivilbevölkerung

geräumt werden müßte. Der Räumungstermin wurde jedoch später noch etwas hinausgeschoben.

– Inzwischen hatte der Kampf um den Höhbeck seinen Fortgang genommen. Den ganzen Tag über

tobte ein erbittertes Artillerieduell. Geschosse der deutschen Artillerie schlugen bald hier, bald

da ein, zum Glück meist ohne große Zerstörungen anzurichten. Die Westwand der Kirche wurde

getroffen. Viele Hunderte der kleinen Fensterscheiben zersprangen. Auch die Orgel erlitt durch

Sprengstücke leichte Beschädigungen. – Vom Höhbeck wurden die ersten deutschen Gefangenen

eingebracht, verdreckt, bleich, zu Tode erschöpft. In der Nacht zum Montag trafen fortwährend

amerikanische Panzer und Infanterie zur Verstärkung der Höhbeck-Angriffstruppen ein. Blutigroter

Feuerschein stand über brennenden Wohnstätten in Pevestorf, Brünkendorf und Restorf.“

Montag, den 23. April 1945

„Wieder treffen deutsche Kriegsgefangene, etwa 30, körperlich und seelisch in traurigster Verfassung,

in Gartow ein. – In den Vormittagsstunden wird bekannt, daß Gartow, die Forstorte und die

Waldlager der Geflüchteten bis abends 18 Uhr zu räumen sind, und bald bewegt sich ein unendlich

langer, trauriger Zug von Männern, Frauen und Kindern über Falkenmoor und Rondel auf Wagen

oder zu Fuß, mit schwer bepackten Handwagen, Kinderwagen, Schiebkarren und Fahrrädern

durch die Wälder nach den den Evakuierten zugewiesenen Dörfern Prezelle und Lomitz. Dort fanden

die von Entbehrungen, Aufregungen und den Strapazen des langen Fußmarsches erschöpften

Flüchtlinge in Scheunen, Ställen, Waschküchen und Schuppen notdürftig ein Unterkommen. Kranken

und Verletzten war der gleichfalls geflüchtete Gartower Arzt Dr. von Zimmermann, der durch

351


5.5.1945: Zurückflutende deutsche Soldaten

den Brand seines Hauses alles verloren hatte, ein liebevoller, nimmermüder Helfer.

Der Kampf um Gartow war zu Ende. Unendliches Elend und Leid hat er gebracht. Acht Wohnhäuser

(Bäcker Schneider, Bürgermeister Beyer, sechs gräfliche Häuser), elf große Scheunen und

Viehställe, viele kleine Ställe und andere Baulichkeiten sanken in Schutt und Asche. Große Vorräte

aller Art gingen verloren. Zwei Frauen (siehe 15. April) starben nach schwerer Verwundung. An den

Folgen der Entbehrungen und Strapazen in den Waldlagern und auf der Flucht starben nach kurzer

Krankheit der Schlachtermeister Köhn, Frau Johanna Appelt und Frau Schubart aus Hamburg.

Wieviel deutsche Soldaten in den Kämpfen den Tod fanden, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt

werden. – Tapfer haben unsere Soldaten gekämpft, und nicht leicht haben sie dem Feinde

den Sieg gemacht. Das mag folgender Bericht einer amerikanischen Armeezeitung vom 25. April

über die Einnahme Gartows am 21. April zeigen:

„The Third Battalion met ist heaviest opposition at Gartow, where roads blocks covered by small

arms fire made house to house fighting necessary. By night fall, however, the town was leared,

along with Niendorf, Kapern and Holtorf. The First Battalion cleared Tobringen, Gr. Trebel, Kl. Trebel,

Clautze, Marlauben, Gedelitz, Laase, Gerleben, Vietze and Meetschow.”

In deutscher Übersetzung:

“Das 3. Bataillon stieß auf heftigsten Widerstand in Gartow, wo die versperrte Straße, gedeckt

durch das Feuer leichter Waffen, es nötig machte, Haus für Haus zu nehmen. Trotzdem war der

Ort bei Einbruch der Nacht gesäubert, ebenso Niendorf, Kapern und Holtorf. Das 1. Bataillon säuberte

Tobringen, Gr. Trebel, Kl. Trebel, Clautze, Marleben, Gedelitz, Laase, Gorleben, Vietze und

Meetschow.“ 5

Von Karl-Heinz Schwerdtfeger liegt eine Schilderung eigener Erlebnisse zum Kriegende vor. Er

wohnte im April 1945 auf dem Gut Quarnstedt. Die Bediensteten des Gutes und die Bewohner von

Quarnstedt flüchteten beim Feindbeschuß zum Wolfsberg, ein Wäldchen etwa 1,5 km nördlich von

352


Quarnstedt:

„Auf dem Wolfsberg befinden sich ungefähr 65 Personen. Mehrheitlich Frauen und Kleinkinder.

Nur wenige Männer. Zum Beispiel hat die noch 15 Köpfe betragende Resthausgemeinschaft des

Gutshauses lediglich drei männliche Personen: Mein Vater, mein zweijähriger Bruder und ich

selbst, der ich als Zwölfjähriger nicht mehr zu den Kindern zähle, aber von den Erwachsenen auch

noch nicht für voll angesehen werde.

Ungefähr 75 Quarnstedter sind in der Elbholzsiedlung untergekommen. Sie sind am Sonntag nach

dem großen Brand einfach weitergezogen. Ursprünglich sollten nur die Melker im Elbholz Quartier

nehmen, weil die Viehherde des Gutes östlich der Allee auf die Koppel vor dem Wald getrieben

worden ist. Somit haben die Melker einen kurzen Weg zur Herde. Alle übrigen Quarnstedter sollten

auf dem Wolfsberg die weiteren Kriegshandlungen abwarten. So war es ursprünglich geplant.

Denn man muß damit rechnen, daß aus militärischen Erwägungen die Elbdeiche von unseren

Truppen gesprengt werden. Zwar befindet sich der Elbwasserpegel in diesen Apriltagen auf mittlerer

Höhe. Doch ist nicht auszuschließen, daß kurzfristig eine Hochwasserwelle von der Oberelbe

kommt. Dann wären sämtliche Niederungen zwischen Quarnstedt und Elbe überschwemmt und

unpassierbar. Der bewaldete Sandhügel des Wolfsbergs mit der Höhe von 20m über Normal-Null

hingegen bliebe dann hochwasserfrei, weil er ungefähr die Höhe der Elbdeiche aufweist. Übrigens

wäre bei Hochwasser die Elbholzsiedlung auch nicht überflutet worden.

Schon zu Beginn des Großbrandes am Sonntag sind einige Quarnstedter über die Elbholzallee

nach Norden geflüchtet. Die Alten und Gebrechlichen sind vermutlich gleich zum Elbholz gezogen.

Wahrscheinlich wurden alle diejenigen, die bei Lösch- und Rettungsarbeiten nicht helfen konnten,

von den besonnenen Männern vorsorglich aus der Gefahrenzone weggeschickt. Wie die 75 Leute

im Elbholz untergebracht sind, ist mir nicht genau bekannt. Jedenfalls soll niemand unter freiem

Himmel sein Nachtlager haben. Jeder Schuppen, jeder Stall und jede Stelle auf den Dachböden

der drei Häuser ist für Schlafplätze hergerichtet.

15. 4. 1945: Feuersturm Gut Quarnstedt (Rekonstruktionsversuch von Karl-Heinz Schwerdtfeger)

353


Im Forsthaus Wiencke befindet sich der Kompanie-Gefechtsstand. Dort nächtigen einige Soldaten.

Also werden keine Quarnstedter Flüchtlinge in diesem Haus untergebracht sein. Ich bin zwar häufig

im Elbholz, doch außer Sichtkontakt habe ich dort kaum ein Gespräch mit Quarnstedtern. Über

das Leben der Elbholzer kann ich also nicht berichten.

Nun zum Wolfsberg-Flüchtlingslager:

Sehr wahrscheinlich ist die polnische Familie Bialecki zu Beginn des Brandes ihrer Unterkunft ohne

Löschversuche nach Norden geflüchtet. Sie haben sich als erste auf dem Wolfsberg gleich vorn

am Waldrand unter den alten Buchen niedergelassen. Aus Tannenzweigen haben sie sich eine Art

niedrige Hütte errichtet und diese ringsum lückenlos mit einem Geflecht aus Tannen umgeben.

Das sind acht Bialeckis und seit Dienstag ist Czechas Freund Josef (bei Schlachtermeister Arnold

Schramm beschäftigt) hinzugekommen. Als am Sonntag gegen Abend die anderen Quarnstedter

den Wolfsberg erreichten, sollen die Fuhrleute den Bialeckis gesagt haben, daß der Lagerplatz

weiter hinten im Walde zwischen den Sandhügeln vorgesehen war. Doch die Bialeckis hätten nicht

mehr umziehen wollen. Aus unerfindlichen Gründen haben die Quarnstedter dann nur 100 Meter

weiter das Hauptlager aufgeschlagen. Weiter westlich im Hügelgelände des Wolfsberges wäre

weitaus besserer, weil natürlicher, Schutz gegeben. Pferde und Wagen sind in einer Bodensenke

abgestellt, inmitten der drei Hauptgruppen. Nicht eng beisammen, sondern weiträumig auseinander

haben Familien, Gemeinschaften und Gruppen ihre Lager eingerichtet. Die Deutschen sind

mit den Italienern in einer großen Gruppe zusammen. Die Volksdeutschen aus Besserabien und

Wolhynien sowie die Slowaken und Kroaten lagern davon etwa 60 Schritte entfernt in größerer

Gemeinschaft. Teilweise schlafen sie unter den abgestellten Ackerwagen. Kontakte zueinander

bestehen nur zwischen der deutsch-italienischen und der volksdeutsch-slowakisch-kroatischen

Gruppe. Die polnische Familie Bialecki sondert sich ab.

Trinkwassermangel ist auf dem Wolfsberg ein großes Problem. Fehlendes Trinkwasser wird mit

Milch ausgeglichen. Die Elbholzer schneiden in dieser Hinsicht viel besser ab, denn dort gibt

es Trinkwasser aus dem Brunnen. Täglich wird auf dem Wolfsberg davor gewarnt, Wasser der

Schaugräben zu trinken. Die Brühe könnte auch abgekocht Seuchen wie Typhus oder Ruhr verursachen.

Und eine Seuche ist das Allerletzte, was man im Waldlager haben möchte. Kruppa holt

Wasser im Eimer aus dem südlichen Schaugraben, die Frauen hingegen gehen zum nördlichen

Waldrand und schöpfen Wasser aus dem Abflußgraben, weil sie offenbar Angst haben, in Richtung

Quarnstedt zu gehen. Mehrfach wird dieses Wasser dann durch Tücher gefiltert, bevor es zum

Waschen oder vielleicht auch zum Kartoffelnkochen verwendet wird.

Wie gesagt ist Milch in ausreichender Menge vorhanden. Jede Arbeiterfamilie hat das Recht, zwei

eigene Kühe zu halten. Die große Quarnstedter Koppel steht für das private Milchvieh uneingeschränkt

zur Verfügung. Nicht alle Familien besitzen zwei Kühe. Die slowakische Familie Slastan

hat zum Beispiel nur eine Kuh und die polnische Familie Bialecki hat gar keine. Keine Ahnung,

weshalb sie keine eigene Kuh haben wollen.

Sehr schlecht wäre es sowohl den Wolfsbergern als auch den Elbholzern ergangen, wenn nicht

einige für den nötigsten Nachschub an erforderlicher Verpflegung sorgen würden. Die wenigen

Helfer bleiben unauffällig, aber es sind immer dieselben.

Während manche Flüchtlinge die Mangelperiode klaglos ertragen, glauben andere bereits am

Verhungern zu sein, sobald sie zwei Tage lang nichts Festes in den Magen bekommen haben.

Möglicherweise tun sie nur so, um bei den anderen Mitleid zu erwecken. In Notzeiten verhalten

sich Menschen eben sehr unterschiedlich.

354


Täglich tauchen im Waldlager Wolfsberg deutsche Soldaten auf. Sie durchstreifen meistens zu

zweit das weite Gebiet zwischen Höhbeck, Elbe und Quarnstedt. Vermutlich kommen sie wegen

der Frauen ins Lager. Sie erhalten dann Milch oder auch Milchsuppe. Dann schäkern sie eine Weile

harmlos mit den Frauen herum. Manche machen einen mehr verwegenen als unerschrockenen

Eindruck. Manchmal erscheinen auch angetrunkene Soldaten. Die reden dann besonders albern

mit den jüngeren Frauen herum. Man hat diese unbekümmert erscheinenden Burschen allgemein

gern. Da ich selbst tagsüber selten im Lager bin, bekomme ich von diesen Besuchen nur wenig

mit.

Wie die ansehnliche Zahl der Kinder und Halbwüchsigen im Waldlager die Zeit totschlägt, kann ich

nicht beantworten. Weiß ich nicht, weil ich zu viel unterwegs bin. Möglicherweise sind Spielereien

der Kinder längst vorüber, wenn ich erscheine. Doch da scheint es kein fröhliches Kinderlachen

im Lager zu geben.

„…Ungeachtet des Gefechtslärms in Gartow kocht Antonia die übliche Milchsuppe mit Haferflockeneinlagen.

Auch ungeachtet des jammernden Geschreis einer ängstlichen Evakuierten, man

solle das Feuer löschen, weil der Rauch den Amis unser Waldlager verraten könne. Antonia kann

rauchloses Feuer unterhalten und Umberto treibt jeden Tag trockenes Feuerholz auf. Die Arbeiterfrauen

bestimmen, das Feuer werde nicht gelöscht. Es sei doch klar zu erkennen, daß der aufsteigende

geringe Rauch des Lagerfeuers schon in den Baumkronen so verteilt wird, daß er von

weitem nicht entdeckt werden kann.

Ich gehe zum Waldrand. Drüben in Gorleben brennt es, dort steigen Rauchwolken auf. Über Gartow

ist jedoch keine Rauchfahne zu sehen. Bis hierher zum Wolfsberg fliegen anscheinend keine

verirrten Kugeln. Da sind doch nur die Vorposten in Gartow, wie der Sani gesagt hat. Der in Lenzen

aus Versprengten neu aufgestellte Zug. Können höchstens 22 Mann sein. Ob die Quarnstedter

vielleicht auch nach Gartow vorgerückt sind? Zur Verstärkung oder so?

Nun kann es ja durchaus möglich sein, daß Artilleriefeuer bereits vorher eingesetzt hat. Möglicherweise

ist das wegen der anderen Knallerei nicht besonders aufgefallen. Jedenfalls beginnt feindliches

Ari-Feuer. Mindestens zwei Batterien feuern abwechselnd Salven. Weil sich die Abschüsse

überdecken, kann man nicht mit letzter Gewissheit heraushören, ob die Batterie aus vier oder aus

sechs Geschützen besteht.

Die Stellung der einen Batterie liegt unzweifelhaft in der Gegend von Nienwalde. Die andere muß

sich in der Gegend um Forsthaus Rucksmoor befinden. Wir können nur nach der Richtung des

Schalls vermuten, wo die feindliche Ari steckt. Die Einschläge liegen zwischen Gartow und Quarnstedt

in der Seege-Niederung. Wir haben freie Sicht auf Gut Quarnstedt, doch die Einschläge

der Granaten sehen wir nicht.

Zuerst sind die Abschüsse zu hören. Laut und dumpf: Wumwum, wum. Sie überlagern sich. Bevor

das Echo von Waldrändern zurückgeworfen wird – nach ungefähr einer halben Sekunde relativer

Ruhe –, beginnt ein gurgelndes Pfeifen, das schnell lauter wird und zu einem Orgeln anwächst.

Dann folgen prasselnd die Detonationen der Einschläge. Obwohl diese Einschläge gute 1000 Meter

entfernt liegen, machen sie gewaltigen Krach.Neben mir der Unteroffizier beobachtet ständig

mit seinem Feldstecher das Gutsgelände. Hat die Arme winklig aufgestützt, murmelt von Zeit zu

Zeit etwas vor sich hin. Er müsste wegen des Lärms laut schreien, wenn wir anderen etwas verstehen

sollen.

355


Weil ich überhaupt keine Ahnung habe, wie es nun weitergehen wird, ist er meine Bezugsperson,

nach deren Verhalten eigene Handlungen angepaßt werden. So störe ich ihn nicht mit lästigen Fragen,

sondern beobachte ihn und hänge demzufolge an seinen Lippen. Mehr erratend als verstehend

deute ich seine Selbstgespräche. Da dürften mehr als zwei Batterien beteiligt sein. Feldhaubitzen,

mittleres Kaliber. So langsam müßten die mal anfangen, das Feld zu räumen. Ich glaube,

er meint damit die Vorposten in Gartow. Im Getöse der Ari geht die Knallerei von Handfeuerwaffen

unter. Soweit man das Gutsgelände überblicken kann, ist dort keinerlei Bewegung festzustellen.

Es sind keine Dreck- oder Wasserfontänen zu sehen. Alles ist so aufregend. Von Langeweile kann

wahrhaftig nicht die Rede sein. In Gartow, wenige hundert Meter vor uns, toben Kämpfe. Aber man

kann davon nichts – überhaupt nichts – sehen. Man befindet sich am Rande des Geschehens und

lauscht dem gewaltigen Lärm.

Ich glaube fest, daß die feindliche Artillerie irgendwann wegen Munitionsmangels eine Feuerpause

einlegen muß. Denn das gibt`s doch gar nicht, daß die Amis stundenlang ohne Pause weiterfeuern

können. Solche Mengen an Munition werden sie sicherlich nicht zur Verfügung haben! So

lauere ich auf eine Feuerpause. Will dann sofort nach vorn zum Gutshof rennen, aus dem Splitterschutzbunker

die restlichen Konserven holen und damit schnell zum Wolfsberg laufen. Werde

mich nicht davon abhalten lassen.

Eine Feuerpause legen die Amis jedoch nicht ein. Nach etwa einer Stunde untätigen Herumliegens

verliere ich die Geduld und laufe zum Wolfsberg zurück. Erleichtert nehmen die drei mein freiwilliges

Weggehen zur Kenntnis. Wie es scheint, haben sich dort auf den Wolfsberg die meisten inzwischen

an die Knallerei gewöhnt. Jedenfalls hocken sie nicht mehr verängstigt in ihren Erdlöchern.

Das Lagerfeuer hat nur noch schwache Glut. Weil ich vom langen Liegen auf dem nassen Waldboden

fröstele, will ich ein paar trockene Zweige auflegen.

Entsetztes Geschrei unserer evakuierten Frauen: „Kein Feuer! Um Gotteswillen kein Feuer!“ Verblüfft

denke ich, naja, dann läßt man das eben! Kann man nichts machen! Die Arbeiterfrauen wie

alle anderen im Waldlager auch haben das Angstgeschrei gehört und schütteln verächtlich die

Köpfe über soviel Angst der Stadtfrauen. Das sind die Frauen Kruppa, Garz, Weber und Ode, die

ihre Köpfe zusammenstecken, flüstern. Und ich warte sehnlichst auf eine Feuerpause der feindlichen

Artillerie…“ 5

Erneut liegen auch für diese Zeit Tagebuchaufzeichnungen von Rudolf Haberland vor. Sie erlauben

es, sich in die damalige Situation hineinzuversetzen:

Mittwoch, den 20. Juni 1945

„Heute Vormittag wieder große Aufregung. Die Russen sollen nun wirklich die Altmark besetzen.

In Salzwedel sollen sie schon sein. Gestern ist schon das Vieh vom Gut Scharpenhufe zum Meierhof

Quarnstedt gebracht worden. Einzelne Flüchtlinge durchfuhren auf Wagen Gartow. Auf dem

Schloßhof halten Wagen mit Möbeln. Russen erscheinen nicht mehr in unseren Elbdörfern. Die

Engländer, die seit einigen Wochen die Wacht an der Elbe übernommen haben, überwachen besser

die Elbübergänge. Bei Gorleben und an der ehemaligen Lenzener Fähre wurde sogar des

Nachts mit Scheinwerfern der Elbstrom beleuchtet. Auch Polen und anderen Ausländern gestattet

man nicht mehr Übergriffe, wie das Entwenden von Fahrrädern usw. Von den 12 Engländern, die

seit dem 4. Juni im Schloß einquartiert sind, sieht man nur abends einige im Orte. Am Tage haben

sie ihren Dienst in Gorleben (Anm.: Gefangenenlager mit deutschen Soldaten) zu versehen. Sie

sind sehr zurückhaltend im Gegensatz zu den Amerikanern und erlauben sich keinerlei Übergriffe.

356


Bürgermeister Beyer ist seines Amtes vom Landrat enthoben worden, weil er Nazi war. An seine

Stelle ist der Postauto-Chauffeur Karl Heise getreten. Auch Kaufmann Johns, der auf dem Bürgermeisteramt

als Hilfskraft tätig war, mußte schon vor Wochen aus demselben Grunde seinen

Posten aufgeben. Nur Fräulein Suhr und Frau Eggert sind geblieben, neu hinzugekommen sind als

Hilfsarbeiterinnen Fräulein Wilhelm (Flüchtling aus Berlin) und Fräulein Gisela Thier.

Als Hilfspolizisten fungieren in der Gemeinde der Arbeiter Gustav Wolter und Studienrat Lüders

(Flüchtling aus Berlin, Beinamputierter), kenntlich an einer weißen Armbinde mit dem Aufdruck

MG. Sie haben für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Daneben ist nun aber schon wieder die ordentliche

Polizei in ihren ehemaligen Dienstbezirken tätig (Herr Wedekind und ein Polizei-Oberleutnant),

allerdings noch ohne Waffen. Auch an der Spitze der Kreisverwaltung stehen jetzt neue Männer.

Schon in den ersten Tagen der Besetzung hat die amerikanische Militärregierung für den Landkreis

ein Komitee eingesetzt, das die Geschäfte des früheren Landrats zu führen hat. Landrat ist

Bürgermeister a.D. Scheer aus Dannenberg.“

Donnerstag, den 14. Juni 1945

„Noch immer kennzeichnet das Wort Unsicherheit am besten die Lage. Noch immer ist nicht entschieden,

wie die Grenzen der Besatzungszonen verlaufen werden. Wilde Gerüchte liefen in den

letzten Tagen wieder um, genährt durch schlecht abgefaßte oder falsch verstandene Rundfunkmeldungen,

andere Nachrichten erhalten wir fast gar nicht. Amerikanische Militärzeitungen bekommt

man sehr selten zu Gesicht. Noch immer wollen die Gerüchte nicht verstummen, wonach

unser osthannoverscher Zipfel von Russen besetzt wird. Nun allerdings haben sich die Gemüter

wieder etwas beruhigt. Unsicher sind auch immer noch unsere Landstraßen. Wer mit dem Rad

fährt, läuft Gefahr, daß ihm sein Rad von Polen weggenommen wird. Auch in Nienwalde erschienen

noch verschiedentlich morgens früh schon Polen, um nach Schnaps zu suchen und gelegentlich

auch andere Sachen mitzunehmen. Erst als etliche von ihnen sich eine gehörige Tracht Prügel

von den Niendorfern geholt haben, hat die Drangsalierung der Niendorfer aufgehört.

Die Schule ist noch nicht wieder eröffnet worden. Auf Anordnung der Militärregierung werden die

10 - 14jährigen Schulkinder jetzt mit Arbeiten beschäftigt, die für die Allgemeinheit von Nutzen

sind. In Gartow haben die Schüler seit dem 9. Juni auf dem Meierhof Quarnstedt verschiedene

Haferfelder vom Hederich gesäubert und die beiden Schulklassen, die während des Seegebrücken-Baues

mit Amerikanern belegt waren, gründlich gereinigt. Jetzt sind wir dabei, auf dem Weg,

der über die Seerigwiesen führt, die Löcher die die Amerikaner für ein Geschütz dort ausgehoben

hatten, wieder einzuebnen (Knaben) und das Gewirr von Telephondrähten, das sich noch immer

am Kirchplatz befand, zu beseitigen. Auch Einebnung von Splittergräben auf der Ziegenweide.“

Donnerstag, den 21. Juni 1945

„Heute Vormittag 9 Uhr sind die in Gartow noch wohnhaften Holländer, Belgier und Luxemburger

mit einem englischen Lastauto heimbefördert worden. Heute in englischer und deutscher Sprache

ein Plakatanschlag an der Post, daß vom 20. Juni ab ein beschränkter Brief- und Postkartenverkehr

durchgeführt wird. Zugelassen sind Briefe bis zu 20g im Verkehr mit Verwaltungsbehörden,

Industrie, Handel und Gewerbe. Der Postverkehr ist allgemein zugelassen. Es dürfen jedoch nur

Briefe und Postkarten für Orte in den Oberpostdirektionen Hannover und Braunschweig (Postgau

20) versandt werden…“

357


Freitag, den 29. Juni 1945

„Fast kein Tag vergeht ohne eine Beunruhigung oder Aufregung. Vor ein paar Tagen sollten die

Russen schon ihren Einzug in Salzwedel gehalten haben, es war nichts

davon wahr, noch immer sind die Grenzen der Besatzungszonen nicht bekannt. Heute nun erfahren

wir, daß 200 Engländer mit 25 Offizieren in Gartow morgen oder übermorgen einquartiert

werden sollen. Da bleibt für uns wohl nur noch die Waschküche oder die Scheunendiele als Wohnplatz.

Und heute endlich hat auch die östliche Hälfte der Hauptstraße elektrisches Licht erhalten!

…Solange das Gefangenenlager in Gorleben besteht, erscheinen bettelnde (deutsche) Soldaten

in unseren Dörfern, um zur Ergänzung der kärglichen Lagerbeköstigung Kartoffeln oder Brot zu

erhalten. Auch die Häuser der Springstraße und der Hahnenberger Straße wurden oft von ihnen

aufgesucht, so viele wie in den letzten Tagen sind aber noch nie da gewesen. In manchen Häusern

der Springstraße waren gestern wohl 10 Soldaten, um um Brot, Kartoffeln, Mittagbrot usw. zu bitten.

Armes Deutschland, das das Schauspiel bettelnder Soldaten erleben muß!

Täglich trifft man auf den Straßen Soldaten, meist schwer bepackt, mit Rucksäcken oder anderen

Tragevorrichtungen, die in die Heimat zurückkehren wollen. In Gartow erhalten sie in der Gemeinschaftsküche

ein warmes Mittagessen, anderswo sind sie auf die Mildtätigkeit der Dorfbewohner

angewiesen. Vielen aber ist die Rückkehr in die Heimat verschlossen, da sie von Russen besetzt

ist und niemand weiß, was ihnen da geschehen wird.“

Sonntag, den 1. Juli 1945

„Ein Tag großer Entscheidungen für unsere Heimat! Heute nacht 12 Uhr hat der Russe die Altmark

besetzt! Das ist nun wohl wahr. Ganz unwahrscheinlich aber erscheint es doch, daß Nienwalde

nach einer beim hiesigen Kommandanten vorliegenden Karte zum russischen Gebiet geschlagen

sein soll. Der Amtsvorsteher Baarck ist nach Dannenberg gefahren, um dort darüber Erkundigungen

einzuziehen. Bei Reske liegen schon die großen Grenzschilder mit der Aufschrift: Britisches

Gebiet oder Russische Zone. Heute nacht zwischen 3 und 5 Uhr morgens ist nun auch ein Teil

der angekündigten englischen Einquartierung eingetroffen. Die Häuser Nr. 76 (Schröder) und das

kleine Häuschen am Eingang zum Schloßhof (Schweizer) mußten binnen einer halben Stunde

geräumt sein. Die armen Leute! Und wen es wohl noch im Lauf des Tages trifft? Viele Leute haben

schon die notwendigsten Sachen gepackt, um schnell ausziehen zu können. 22 Uhr – Die Spannung

hat sich ein wenig gelöst. Nienwalde ist – britisches Besetzungsgebiet, ebenso Gummern,

das ebenfalls irrtümlicherweise den Russen zur Besetzung freigegeben war. Die Nienwalder, die

schon nach Gartow geflüchtet waren, sind wieder zurückgekehrt, und morgen werden die Grenzschilder,

die schon auf dem Weg zwischen Gartow und Nienwalde, bei Neu Rucksmoor, am alten

Dorf und anderswo gesetzt waren, wieder beseitigt werden und auf der alten Grenzlinie zwischen

Hannover und der Altmark aufgestellt werden. Auch der englische Posten, der am Buchhorster

Damm den Weg nach Nienwalde sperrte, ist wieder eingezogen worden. Statt Gartow hat nun Nienwalde

Einquartierung erhalten und wir dürfen hoffen, vor allzu starker Einquartierung verschont

zu bleiben.“

Dienstag, den 3. Juli 1945

„…Russen in Stresow (100 Mann) und in Bömenzien! Am Sonntag ist der Pastor Behrens aus

Schnackenburg und zwei andere Schnackenburger, die mit zwei Engländern über die Elbe gefahren

waren, um für die Engländer unter englischem Schutz einen Kahn zurückzubringen, von den

Russen festgenommen worden und bis jetzt noch nicht zurück. Die Engländer kehrten zurück…“

358


Sonnabend, den 14. Juli 1945

„Wieder Tage schrecklicher Unruhe und Sorge. Gestern kam die Nachricht aus Gorleben, daß

innerhalb einer Zeit von 8 bis 14 Tagen das Kriegsgefangenenlager aufgehoben werden soll. Daraus

schließt man, daß unser Zipfel doch den Russen übergeben werden soll. Manch einer, der

hier nicht viel oder nichts zu verlieren hat, denkt an Flucht. Wer meint, aus irgendeinem Grund

hier bleiben zu müssen, denkt mit Schrecken an die Zukunft. Nur wenige scheinen die Besetzung

unseres Heimatgebietes durch die Russen herbeizusehnen.

Seit dem 9.7. haben wir eine ziemlich starke englische Besatzung in Gartow. Das ganze Schloß

mußte geräumt werden und für 56 Personen mußten neue Unterkunftsräume gesucht werden,

ebenso auch für die Forstkasse und die Registerkasse (Anm. der gräflichen Verwaltung). Nur der

Herr Graf selber mit seiner Familie durfte in der Wohnung des Försters Harms weiter wohnen.

Es sollen etwa 100 Engländer im Schloß und im Haus des Malermeisters Schröder (Springstr.)

einquartiert sein. In den Gasträumen des Gastwirts Köhn ist eine Kantine für die Engländer eingerichtet

worden. Dort gibt es auch Bier aber nur für Engländer. „The Royal George“ nennt sich, wie

ein großes Schild ausweist, die Gaststätte für die Herren Engländer.“

Montag, den 16. Juli 1945

„Die Lage hat sich etwas beruhigt. Über den Schweizer Rundfunksender Beromünster will man

gehört haben, daß die Russen unseren Zipfel verlangt, die Engländer aber abgelehnt haben. Und

auch hier spricht alles dafür, daß die Engländer nicht gewillt sind, unser Heimatgebiet den Russen

zu überlassen. Zwischen Bömenzien und Kapern ist eine Panzersperre errichtet worden, auch im

Nienwalder Grenzgebiet wird die Grenze befestigt (Stacheldraht). Nach Trebel sollen 200 Engländer

gekommen sein und nach Lüchow sogar eine Panzer-Division. Das Gorleben-Lager soll wegen

seiner ungünstigen Lage und seiner schlechten sanitären Verhältnisse aufgegeben werden aber

nur zum Teil. Das Lager A an der Elbe soll als SS-Lager bleiben. Dies alles spricht dafür, daß wir

britisch bleiben und dafür wollen wir dankbar sein…

…Pastor Behrens aus Schnackenburg ist nun wieder zurück. 11 Tage ist er von den Russen festgehalten

worden. Vor dem GPU-Richter hat er gestanden, ist mit Eisenstangen geschlagen worden,

um ihn zu einem Geständnis zu bringen; daß er ein englischer Spion sei und ist dann endlich

freigelassen worden. Nach Schnackenburg aber durfte er nicht wieder zurückkehren. Es ist ihm

jedoch gelungen, bei Lütkenwisch das Ufer der Elbe zu erreichen und schwimmend an das diesseitige

Ufer zu gelangen. Aus allem geht hervor, daß zwischen Engländern und Russen durchaus

keine Freundschaft herrscht und ein neuer Krieg durchaus im Bereich der Möglichkeit liegt. Gott

gebe, daß unser Heimatgebiet dann nicht Kriegsschauplatz wird.

Die Sperrzeit, innerhalb derer niemand die Straße betreten darf, ist verlängert worden. Sie beginnt

jetzt schon um 10 Uhr abends und endet um 4.45 Uhr morgens. Aber die englischen Soldaten

dürfen jetzt auch mit Erwachsenen sprechen! Bisher war es ihnen nur erlaubt, mit Kindern zu

sprechen und zu spielen…“

Dienstag, den 17. Juli 1945

„Nach und nach kehren unsere Soldaten zurück, meist nach wochenlanger, entbehrungsreicher

Gefangenschaft, in zerschlissenen Uniformen, abgemagert, ein Bild des Jammers…Aber viele unserer

Soldaten kehrten noch nicht zurück, manche haben auch noch kein Lebenszeichen gegeben

und Eltern, Frauen und Kinder sorgen sich und manche Träne fließt …“

359


Freitag, den 27. Juli 1945

„Von Zeit zu Zeit geht immer wieder die Schreckenskunde durch Gartow: Der Russe kommt! Als am

19.7. die englischen Grenzposten bei Nienwalde zurückgezogen wurden und ein deutscher Polizist

dort eingesetzt wurde, da war nach Meinung der Leute daran nicht zu zweifeln. Als vorgestern

Hamburger Kinder sich bereithalten mußten, innerhalb 1 Stunde nach Hamburg zurückgebracht

zu werden, da war es gewiß. Und nun, so weiß man zu erzählen, ziehen die Engländer schon die

Privatautos aus dem Verkehr, damit sie vor den Russen gerettet werden können. So tauchen immer

wieder neue Gerüchte auf und die Leute kommen aus der Unruhe nicht heraus…“

20. August 1945

„Die Brennholzknappheit macht vielen Leuten Sorge und Kohlen gibt es gar nicht. Täglich begeben

sich Männer, Frauen und Kinder zu Fuß oder mit Fahrrädern in den Wald bis nahe an die Königsbrücke

bei Wirl, um dort das Brandholz zu fällen und zu entasten, welches der große Waldbrand

vom 17.5. zurückgelassen hat … denn die Brot-, Fleisch-, Fett- und Zuckerrationen sind gering, nur

die Kartoffeln können etwas reichlicher zugemessen werden. Es gibt zur Zeit wöchentlich nur 125

g Fleisch, 125 g Fett und Brot. Zucker gab es im vorigen Monat 1000 g, in diesem Monat nur 750 g

für den Normalverbraucher. Raucherkarten (Anm. Tabak) erhalten jetzt nur noch die Männer aber

meistens verfallen sie, da die Kaufleute keine Rauchwaren haben. So herrscht Mangel an allen

Ecken und Enden und es sieht nicht so aus, als ob es bald besser wird. Noch immer fehlen viele

hundert Scheiben Fensterglas und nur wenige Brandplätze sind aufgeräumt…“

31. August 1945

„…Am Dienstag (28.8.) veranstaltete die englische Besatzung einen Tanzabend, zu dem Vertreter

der Gemeinde sowie junge Mädchen und Frauen eingeladen waren. Auf den Kriegsbrandstätten

Gartows ist nunmehr das erste Haus gerichtet worden. Es ist das Haus des ehemaligen Bürgermeisters

Theodor Beyer…“

12. September 1945

„Heute Nachmittag haben die Engländer auf einer Wiese am alten Jungfernstieg unserer Schuljugend

ein Sportfest veranstaltet, das von der Schule und den Engländern gemeinsam vorbereitet

war ... der 10. September brachte eine erhebliche und darum mit Freuden begrüßte Verbesserung

unseres Verkehrswesens. Vom 10. Sept. ab fährt regelmäßig jeden Morgen um 7 Uhr ein großer

Omnibus nach Dannenberg und kehrt in den Nachmittags- oder Abendstunden nach Gartow zurück.

Da der Andrang sehr groß ist, ist zunächst noch für jede Fahrt eine Zulassungsbescheinigung

des Bürgermeisters erforderlich. Seit einiger Zeit verkehrt auch schon ein Zug zwischen Dannenberg

und Uelzen, so daß nun schon von Dannenberg nach Hannover mit dem Zug gefahren werden

kann. Der Zugverkehr zwischen Dannenberg und Lüneburg ruht noch immer, da die Jeetzelbrücke

noch nicht wieder hergestellt ist… Auch die Streichhölzer sind so knapp, daß die Kaufleute, wenn

sie einmal welche haben, immer nur 5 Stück verkaufen.“

6. Oktober 1945

„Heute neue englische Besatzung gekommen. Wieder das Schloß und das Haus von Malermeister

Schröder („Alte Post“) belegt. Am späten Nachmittag ein Anschlag am Schwarzen Brett der

Bürgermeisterei, daß sämtliche Evakuierte und Flüchtlinge sich auf Befehl der Militärregierung

zum Abtransport bereithalten. Nur diejenigen Personen, die in Gartow eine wichtige Beschäftigung

gefunden haben, brauchen nicht fort. Große Aufregung. Wirklich ein sehr harter Befehl! Manch

einer hat wochenlang im Walde Brandholz geschlagen, um im Winter eine warme Stube zu haben.

Andere haben fleißig für den Winter Obst und Gemüse eingeweckt, Saft gekocht, Obst gedörrt,

360


Kartoffeln gesammelt usw. Und nun sollen die Armen das Alles zurück lassen, da nur 15 kg Gepäck

mitgenommen werden darf? Wie verlautet, soll zunächst das ehemalige Arbeitsdienstlager

geräumt werden, um als Auffanglager für Zwangsumgesiedelte (Schlesier?) aus dem Osten hergerichtet

zu werden.“

10. Oktober 1945

„Gestern sind etwa 250 Evakuierte und Flüchtlinge durch englische Autos abtransportiert worden.

Es war ein schweres Abschiednehmen für manche. Wohin sie gebracht worden sind, ist noch nicht

bekannt. Das ehemalige Arbeitsdienstlager ist vollständig geräumt worden zur Aufnahme von 300

Personen…“

Mittwoch, den 17. Oktober 1945

„… Das ehemalige Arbeitsdienstlager ist zu einem Auffanglager für Ost-Flüchtlinge geworden, die

aus dem russischen ins britische Besatzungsgebiet überführt werden sollen. Bis jetzt sind aber

erst 24 Flüchtlinge eingetroffen, die ohne Genehmigung der russischen Behörden heimlich über

die Grenze gegangen sind …“

29. Oktober 1945

„Die neue britische Besatzung hat im Laufe der letzten 14 Tage weitere Räume beschlagnahmt:

eine Schulklasse, die beiden Frühstücksräume bei Werth und Herbst, die 1. Etage im Dotkoschen

und Schröderschen Hause. Der Grenzverkehr ist immer noch sehr stark…“

26. November 1945

„Seit 2 ½ Wochen ist die Grenze zwischen der russischen und britischen Besatzungszone zeitweise

(meist nur einige Stunden) geöffnet für Evakuierte aus dem Westen, die in der russischen Zone

untergebracht waren und nun zurückkehren dürfen. 2 850 Personen sind bis heute durch das

Gartower Auffanglager gegangen…“

Gefallene und Vermisste des 2. Weltkrieges aus Gartow

Gefallene

Selchorn, Wilhelm (10.9.1939), Jaerneke, Martin (6.11.1939), Wendig, Ernst (7.12.1939), Sydow

von, Joachim (22.5.1940), Mencke, Alfred (25.6.1941), Baark, Wilhelm (6.7.1941), Junack,

Werner (20.7.1941), Malinowski, Ewald (31.10.1941), Malinowski, Richard (1941), Lindemann,

Horst (11.11.1941), Voss, Alfred (25.11.1941), Koppermann, Paul (19.1.1942), Klemm, Kurt

(10.2.1942), Junack, Karl (24.2.1942), Koppermann, Karl (5.3.1942), Thorey, Edgar (8.3.1942),

Köhn, Friedrich (19.3.1942), Krüger, Adolf (29.3.1942), Flüchter, Stephan (31.5.1942), Jagow, Erich

(29.8.1942), Warnecke, Walter (22.11.1942), Beneke, Walter (17.12.1942), Waldow, Hermann

(18.12.1942), Eggers, Hans-Joachim (20.1.1943), Matern, Friedrich-Wilhelm (13.2.1943), Schrader,

Werner (7.3.1943), Schramm, Albert (21.4.1943), Greibke, Walter (12.7.1943), Prinz, Erich

(11.8.1943), Schulz, Otto (11.9.1943), Bütow, Heinz (23.9.1943), Hermann, Rudolf (5.11.1943),

Junack sen., Carl (22.11.1943 in Berlin), Scheffler, Fritz (21.1.1944), Mahnke, Ernst (29.2.1944),

Jahn, Willi (5.4.1944), Haberland, Rudolf jun. (15.4.1944), Schrader, Friedrich (21.6.1944), Schulze,

Adolf (26.6.1944), Bütow, Erich (20.8.1944), Ellerhausen, Otto (21.8.1944), Schmidt, Hans-

Jürgen (26.8.1944), Tege, Otto (8.11.1944), Jahn, Karl (16.12.1944), Zimmermann von, Axel

(24.12.1944), Fricke, Kurt (23.1.1945), Kruyk, Kurt (29.1.1945), Bahls, Hermann (30.1.1945),

Bahls, Erika (30.1.1945), Zilensky, Karl sen. (Febr. 1945), Langer, Heinrich (24.2.1945), Stegemann,

Willi (26.2.1945), Stroermann, Karl (18.3.1945), Frahm, Friedrich (März 1945), Stroermann,

Friedrich (16.4.1945), Jochmann, Lieschen (17.4.1945), Schröder, Hermann jun. (20.4.1945),

361


Köhn, Günther (20.4.1945), Uetzmann, Ernst (20.4.1945), Sandmann, Alfred (24.4.1945), Sydow

von, Heinrich (April 1945), Köhn, Erich (7.5.1945), Schmidt, Erich (3.11.1945), Schäfer, Walter

(Dez. 1945), Bernstorff von, Joachim (9.1.1946), Schröder, Hermann sen. (15.4.1946), Zilensky,

Karl jun. (12.4.1947), Rau, Erwin (18.4.1948), Eggert, Friedrich (29.7.1948), Grau, Reinhold

(30.1.1952) und Meyer, Georg (ohne Angabe). Laut Inschriften auf zwei Steinquadern auf dem

Alten Friedhof/Kriegsgräbergedenkstätte Gartow-Buchhorst, Stand 3.3.2009.

Von einigen Gefallenen sind nähere Umstände ihres Todes bekannt:

Mencke, Alfred: gef. bei Gorki-Baark, Wilhelm: gef. bei Botawo an der Stalinlinie – Waldow, Hermann:

gef. bei den schweren Kämpfen im Osten bei Orel – Beneke, Walter: gef. bei einem Angriff

der Russen in der Nähe von Stalingrad – Warnecke, Walter: gef. im Afrika-Korps Rommel – Schrader,

Werner: gef. im Verlauf der Abwehrkämpfe in Mossoroff Beirak südlich des Donez durch Brustschuß

– Mahnke, Ernst: gef. durch MG-Garbe im Brückenkopf Nettuno/Italien – Haberland, Rudolf

jun.: gef. durch Panzerabwehr-Kanonentreffer in Galizien, beerdigt in Sciamka – Schaal, Friedrich:

gef. bei einem Fliegerangriff in Belgien – Thorey, Andreas: gef. im Osten bei Abwehr eines feindlichen

Panzerangriffs durch Kopfschuss – Ellerhausen, Otto: gef. bei Zambrow/Südostpreußen

–Stoermann, Friedrich: gef. in Ketschendorf bei Fürstenwalde durch Fliegerangriff – Köhn, Erich:

gef. durch Kopfschuß bei Ober-Colmnitz/Dresden – Köhn, Günter: gef. bei Eversen/Rotenburg

durch Brustschuß – Schröder, Hermann gest. als Kriegsgefangener in Brest-Litowsk – Ützmann,

Ernst: gef. in Varos/Jugoslawien – Schöller, Olga Sophie: gest. 21.12.1947, aus dem Warthegau

„Sie starb vor Freude über die Rückkehr ihres Gatten aus der Gefangenschaft in Russland“ – Jochmann,

Lieschen geb. Delius: gest. 17.4.1945 „Die Verstorbene war zu ihrem Vater nach Gartow

geflüchtet, wurde hier am 14. April schwer verwundet und starb am 17. April 1945“ – Brandt,

Marie geb. Wendig: gest. 20.4.1945 „Die Verstorbene wurde bei den Kampfhandlungen in Gartow

schwer verwundet und starb alsbald…“

Bei den Kämpfen in den letzten Kriegstagen sind folgende auswärtige Soldaten gefallen und

ebenfalls auf dem Ehrenhain beigesetzt worden:

Lindemeyer, Fritz, Panzergrenadier, geb. 19.9.1927 in Altenspeckfeld, gef. 16.4.1945 in Gartow,

2. Unbekannter Soldat, 3. Hempel, Georg, Reiter, geb. 18.3.1927 in Sproitz/OS, gef. 24.4.1945 in

Damnatz, 4. Bender, Herbert, Reiter, geb. 2.3.1927 in Guckheim/Westerwald, gef. 22.4.1945 in

Damnatz, 5. Jendryscyk, Franz, Matrosen-Obergefreiter, geb. 14.2.1923 in Bottrop, gef. 25.4.1945

in Damnatz, 6. Löffelbein, Gerhard, Leutnant, geb. 9.10.1911 in Tanner, Kr. Thorn, gef. 6.5.1945

in Damnatz, 7. Riegler, Karl, Oberkanonier, geb. 7.10.1924 in Mönichwald, gef. 22.4.1945 in

Damnatz, 8. Geil, Otto, Unteroffizier, geb. 3.9.1916 in Mannheim, gef. 24.4.1945 in Damnatz, 9.

Schaube, Kurt, Gefreiter, geb. 13.9.1912 in Öls/Schlesien, gef. 24.4.1945 in Damnatz, 10. Pongratz,

Alois, Soldat, geb. 19.2.1927 in Grabitz, gef. 24.4.1945 in Damnatz, 11. Blödorn, Max Alexander,

Grenadier, geb. 5.8.1928 in Wahrlang, Kr. Ueckermünde, gef. 22.4.1945 in Damnatz, 12.

Connert, Fritz, Untersturmführer, geb. 16.12.1912 in Hermannstadt/Rumänien, gest. 26.5.1945

in Damnatz, 13. Hampe, Erich-Karl, Oberschütze, geb. 8.11.1922 in Ascherleben, gest. 27.6.1945

in Gorleben, 14. Neher, Willi, Füsilier, geb. 3.1.1925 in Mannheim, gest. 16.7.1945 in Gorleben,

15. Wallnöfer, Engelbert, Obergefreiter, geb. 17.6.1913 in Prad/Tirol, gest. 14.7.1945 in Gorleben,

16. Schumacher, Karl, Flieger, geb. 26.4.1903 in Leipzig, gest. 13.5.1945 in Gorleben, 17

Reimer, Bruno, Wehrmachtsbeamter, geb. 8.9.1899 in Danzig, gest. 26.7.1945 in Gorleben, 18.

Fingerhut, Hugo, Obergefreiter, geb. 2.8.1911 in Letmathe, Kr. Hagen, gest. 16.5.1945 in Gorleben,

19. Kanitz, Hermann, Gefreiter, geb. 16.3.1892 in Berlin, gest. 3.6.1945 in Gorleben, 20.

Volke, Josef, Grenadier, geb. 20.2.1911 in Kunzendorf, Kr. Glatz, gest. 29.7.1945 in Gorleben, 21.

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Sill, Walter, Wachtmeister, geb. 25.3.1917 in Mangschütz, Kr. Brieg, gest. 22.4.1945 in Prabstorf,

22. Krede, Hermann, Obergefreiter, geb. 12.1.1907 in Dortmund, gef. 25.4.1945 in Prabstorf,

23. Unbekannter Soldat, gef. 22.4.1945 in Zadrau, 24. Unbekannter Soldat, gef. 22.4.1945 in

Kl. Heide, 25. Röder, Walter, Obergefreiter, geb. 25.10.1909 in Stedten, gef. 22.4.1945 in Kl.

Heide, 26. Wilkens, Heinrich, Soldat, geb. 7.1.1927 in Drostendamm, gef. 22.4.1945 in Zadrau,

27. Unbekannter Soldat, 28. Durchgestrichen! : Wittenberg, Georg, geb. 17.6.1927 in Heise, gef.

22.4.1945 in Zadrau, 29. Walter, Hans, Grenadier, geb. 14.3.1927 in Grohn b. Vegesack, gef.

22.4.1945 in Zadrau, 30. Fleige, Konrad, Schütze, geb. 19.11.1909 in Hildesheim, gef. 24.4.1945

in Langendorf, 31. Werner, Ernst, Soldat, geb. 17.4.1905 in Traben-Trarbach, gef. 22.4.1945 in

Langendorf, 32. Unbekannter Soldat, gef. April 1945 in Langendorf, 33. Dammayr, Johann, Gefreiter,

geb. 28.6.1924 in Schwertberg/Österreich, gef. 23.4.1945 in Kaltenhof, 34. Thiele, Karl

Siegfried, Obergefreiter, geb. 17.5.1922 in Rittersberg/Erzgebirge, gef. 17.4.1945 bei Nienwalde,

35. Bonkatz, Fritz, Soldat, geb. 21.5.1912 in Berlin-Steglitz, gest. 7.9.1945 in Grippel, 36. Unbekannter

Soldat, gef. April 1945 in Langendorf, 37. Riha, Johann, geb. 7.1.1903 in Wien, gest.

22.5.1945 in Laase, 38. Bickert, Erich, Hauptmann der Luftwaffe, geb. 9.7.1912, gef. 28.4.1945

in Holtorf, 39. Sureck, Hans, Leutnant der Luftwaffe, geb. 20.3.1915 in Posen, gef. 28.4.1945 in

Holtorf, 39 a. Landgraf, Arnold, Unteroffizier, geb. 22.2.1918 in Berlin, gef. 23. oder 24.4.1945

bei Holtorf, 40. Grünert, Martin, Leutnant, geb. 10.2.1913 in Chemnitz, gest. August 1945 bei

Holtorf, 41. Lichtenthäler, Karl, Gefreiter, geb. 1.5.1921 in Leutzert, gef. April 1945 bei Pevestorf,

42. Janke, Erich, Gefreiter, geb. 8.2.1907 in Berlin-Neukölln, gef. 23.4.1945 in Restorf, 43. Dietze,

Heinz, Soldat, geb. 1926, gef. im Mai 1945 bei Kapern, 44. Ziegelmeier,. Johann, Soldat, geb.

4.9.1919 in Rudenshofen, gef. 1.5.1945 in Holtorf, 45. Hoffend, Josef, Soldat, geb. 25.4.1904

in Urmitz, gef. 1.5.1945 in Holtorf, 46. Stüpp, Hans, Obergefreiter, geb. 26.6.1919 in Immigrath,

gest. 19.5.1945 bei Holtorf, 47. Paul, Albert, geb. 26.12.1909 in Langula, gef. April 1945 in Vietze,

48. Meyer, Hinrich, Soldat, geb. 19.7.1912 in Neuenkirchen, Kr. Ortelsburg, gest. 21.6.1945

bei Vietze, 49. Haase, Georg, geb. 28.10.1921 in Grenzen/Ratibor, gef. 22.4.1945 in Tramm,

50. Strunck, Gotthard, Obergefreiter, geb. 20.7.1900 in Lübeck, gef. 22.4.1945 in Penkefitz, 51.

Unbekannter Soldat. Ferner auf dem Gemeindefriedhof: Schmidt, Edgar, Kriegsgefangener, geb.

20.3.1920 in Lipire, gest. 12.5.1943 in Gartow; Tadschimraton, Kutlierasch, Kriegsgefangener,

gest. 22.12.1942 in Gartow und van Deyk, Jenny, Tochter des Fremdarbeiters Franz van Deyk, geb.

27.5.1943 in Mecheln, gest. 2.12.1944 in Gartow; gemäß der Gräberliste Gartow vom 18.1.1971.

Die bei den Kämpfen gefallenen amerikanischen Soldaten sind nicht in deutscher Erde bestattet

worden. Gemäß eines hohen Befehls wurden sie auf Militärfriedhöfen außerhalb Deutschlands

zur letzten Ruhe gebettet.

Vermisste

1942: Rückborn, Wilhelm, 1943: Reske, Friedrich; Baark, Heinrich; Timme, Heinrich;

Giese, Günter; Wilzki, Walter; Pfeil, Herbert; Schulz, Otto; 1944: Kraasmann, Wilhelm;

Abbas, Hans-Jürgen; Thissel, Willi; Mahnke, Adolf; Schrader, Friedrich; Mencke, August; Wiswedel,

Wilhelm, 1945: Martens, Waldemar; Sassenhagen, Hartwig; Thoms, Hermann; Mahnke, Hermann;

Mencke, Adolf; Bach, Johann; Griese, Gerhard; Luckner, Karl; Hahlbohm, Friedrich; Stegemann,

Willi; Tiemann, Werner; Urban, Otto; Pfand, Fritz; Jensen, Günter; Frahm, Friedrich; Timme,

Wilhelm; Besenbiel, Otto; Holz, Erich; Marek, Egon; Niemann, Hermann; v. Sydow, Heinrich; Schulenburg,

Erich und Järnecke, Hans-Herbert.

Die Zeitpunkte der Vermisstenmeldung sind laut Ehrentafel in der Kirche Gartow nicht angegeben.

363


Inschrift am Ehrenmal Alter Friedhof/Kriegsgräbergedenkstätte Buchhorst:

„Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßet für seine Freunde…“

Es gehört offenbar zu den Unglücken in der Menschheitsgeschichte, in Kriege verwickelt zu werden,

die viele Menschen mit dem Tod bezahlen müssen. Die Gefallenen und Vermissten des 1.

Weltkrieges 1914 - 1918 sind auf einem Gedenkstein von 12 Tonnen Gewicht, genannt. Das Ehrenmal

wurde 1922 am Kirchhof in Gartow errichtet und im Sommer 2003 zum Friedhof Buchhorst

versetzt. Der 1949 angelegte Friedhof Buchhorst wurde 1955 zum schönsten Ehrenfriedhof

Norddeutschlands erklärt.

Quellen und Literatur

1. Zeitungsbericht vom 15.4.1943

2. Notizen vonRudolf Haberland, Auszüge

s.a. derselbe: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“,

Lüchow 1988 2. Aufl. S. 307 - 344

3. Dokument: „29 LET`S GO!“ Genehmigung zur auszugsweisen Veröffentlichung in dieser

regionalgeschichtlichen Abhandlung erteilt durch „The Battery Press“, Nashville Tennessee,

sowie persönlich durch den Autor Joseph H. Ewing. Rodegast, Günter: „Das Treffen an der

Elbe. Amerikaner und Sowjets begrüßten sich 1945 in Wittenberge und Gartow“. (3)Prignitzer

Heimat Nr. 48 (2. Halbjahr 2010), S. 16 - 17

4. Schwerdtfeger, Karl-Heinz: „Kriegsende im Wendland. Gefangenenlager Gorleben.

Entstehung des Lagers bis zum Abzug der 29. US-Infanterie-Division und Übergabe der

Lagerverwaltung an das 333. US-Infanterie-Regiment (84. US-Division) sowie die Notwendigkeit

zur Erweiterung des Lagers 26. April bis 4. Mai 1945“, Escheburg 2007/2010,

S. 30 - 31, Verlag Books on Demand, Norderstedt Bd. I „Kriegsende im Wendland. Erlebte

Geschichte. Eine zeitgeschichtliche Momentaufnahme“, 343 S., Bd. II „Kriegsende im

Wendland. Brückenkopf Lenzen. Die militärgeschichtlichen Ereignisse, detailliert von der

Bildung bis zur Aufgabe des deutschen Brückenkopfes 12. April bis 24. April 1945“, 179

S., Bd. III „Kriegsende im Wendland. Vorstoß der 5. US-Panzerdivision. Brückenkopf Dömitz.

Die militärgeschichtlichen Ereignisse über die Einnahme des Kreises Lüchow-Dannenberg

durch die 5. US-Panzerdivision und die 29. US-Infanteriedivision im mittleren Abschnitt des

Dreiecksgebietes Wendland von Salzwedel ausgehend bis nach Neu Darchau/Elbe. 20.

April bis 26. April 1945“, 136 S., Bd. IV „Kriegsende im Wendland. Gefangenenlager Gorleben

Entstehung des Lagers bis zum Abzug der 29. US-Infanterie-Division und Übergabe der

Lagerverwaltung an das 333. US-Infanterie-Regiment (84. US-Division) sowie die Notwendigkeit

zur Erweiterung des Lagers. 26. April bis 7. Mai 1945.“

5. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“,

2. Aufl., Lüchow 1988, S. 318 - 26

364


Das neue Bundesland Niedersachsen

Unmittelbare Nachkriegszeit und Wohnungsnot

Die in den letzten Kriegsmonaten einsetzende Flüchtlingsbewegung aus den deutschen Ostgebieten

klammerte auch Gartow nicht aus. In Gartow herrschte bereits drangvolle Enge in den

Wohnhäusern und mit zunehmender Anzahl der Flüchtlinge wurden bereits Abstellkammern, Flure,

Dachböden und sogar Stallungen mehr schlecht als recht zu Aufenthaltsräumen hergerichtet.

Graf Gottlieb v. Bernstorff, der in Gartow und Umgebung mehrere Wohnhäuser für sein Personal

besaß, wurde nun zunehmend mehr in die Pflicht zur Unterbringung von Flüchtlingen genommen.

Das, obwohl durch Feindbeschuß einige gräfliche Gebäude in Gartow und Quarnstedt zerstört

worden sind. Allerdings waren dem Grafen selbst Grenzen gesetzt, da einige Gebäude zur Aufrechterhaltung

des Gutsbetriebes benötigt wurden. Das war u.a. die Gutsschmiede, die nach Verzicht

des Schlossermeisters Otto Entler aus Brünkendorf im August 1945 der Gartower Kollege

Bertold Schulz übernahm. Im Schmiedewohnhaus lebte noch die Witwe des 1940 verstorbenen

Gutschmieds Kropp, Dorothee geb. Reinecke. Sie konnte sich nicht entschließen, in ihr Haus in

Tobringen zurückzukehren, weil sie „den Widerstand der in ihrem Gebäude untergebrachten Evakuierten

fürchte“ und auf die Rückkehr ihrer beiden in Kriegsgefangenschaft geratenen Söhne

wartete.

Zunächst mußte der Graf an sich selbst denken, da er mit der Rückkehr ehemaliger Arbeitskräfte

aus dem Kriegsdienst rechnete. Daher wandte er sich im Herbst 1945 an die örtliche Wohnungskommission,

deren Vorstand der damalige Bürgermeister gewesen ist. Er bat um Ausquartierung

einiger seiner Mieter, zumal im April sechs seiner Häuser mit zusammen 12 Werkwohnungen

zerstört worden sind. Darunter auch der Post-Kraftwagenunterstellungsraum.

Räumen sollte das Ehepaar Fey mit sechs Kindern, untergebracht im Verwalterhaus Nr. 65; die

Witwe Frahm, deren verstorbener Mann Handwerker in Gartow gewesen ist; Witwe Gauster ohne

Kinder, deren Mann Ferdinand ebenfalls verstorben und früher beim Grafen beschäftigt war; dort

zog nun Familie Krüger aus Rucksmoor ein. Dann gab es noch ein im Auftrag des Grafen errichtetes

Behelfsheim im Ortsteil Hahnenberge, wo die Familie Fetzer mit drei Kindern, die Familie

Mankel mit fünf Kindern und die Familie Stegewald mit zwei Kindern weichen sollten. Neu zog Frau

Tiessel mit zwei Kindern ein. Auch Gottlieb v. Bernstorff war sozusagen zum Flüchtling geworden:

sein Schloß und die Büroräume seines Gutsbetriebes hatte die englische Besatzungstruppe beschlagnahmt,

die seit Juli 1945 dort residierte. Die Truppe benutzte 15 Wohn- und 28 Schlafräume,

vier Küchen, zwei Badezimmer und drei Vorratsräume.

Im Oktober 1945 trafen sich Bürgermeister Thier, Kantor Haberland und Schulvorstandsmitglied

Appelt sowie der Graf und vereinbarten den Bau einer vorläufigen Baracke auf dem Schloßhof.

Zur Herstellung einer Fäkaliengrube sind die vier obersten Steinschichten einer ehem. Scheune

und einer Splitterwand des 1943 errichteten Bunkers für die gräfliche Familie und des Personals

benutzt worden.

Als sich der Landrat in Dannenberg – der schon Sorgen genug hatte – sich auf das Gesuch des

Grafen nicht meldete, erneuerte er dieses wenig später und zeigte an, wie sehr er bereits hilfreich

tätig gewesen ist. „…Ich habe während des Krieges durch mietfreie Aufnahme von Evakuierten,

Ausgebombten und Flüchtlingen in großer Zahl sowie durch den Bau von vier Behelfsheimwoh-

365


nungen das Möglichste zur Linderung der Wohnraumnot beigetragen. Ich bin vom Kriegsschluß

durch Zerstörung von 22 Großgebäuden mit u.a. 12 Werkwohnungen und Beschlagnahme von

Wohnraum durch die Besatzungsmacht selbst in größte Betriebs- und Raumnot geraten…“.

Der ehemalige Bürgermeister Beyer, der im gräflichen Haus Nr. 14 in Gartow wohnte, zog bald

darauf in sein neues Haus um. Das Haus Nr. 14 war in Gartow das ehem. gräfliche Krankenhaus.

Am 16. Februar 1946 beantragte Gottlieb v. Bernstorff bei der Kreisverwaltung in Dannenberg

Entschädigungszahlungen für die rd. 2000 qm beschlagnahmten Wohnraum. Vom 5. Juni bis 5.

Juli 1945 war im Schloß die „Britische Entlassungs-Kommission für das Lager Gorleben“ untergebracht,

wobei noch die Namen Major Belsher und Capitain Mac Garth erinnerlich sind. Als das Ehepaar

Emil und Margarete Bezjak in zwei notdürftig ausgebaute Bodenstuben in der Gutsschmiede

einzog, verpflichtete es sich „die Bodenstuben in völlig unbeschädigtem Zustand zu unterhalten

und Herd oder Ofen selbst zu stellen. Außer Abort auf dem Hof gehören weder Nebenräume noch

Stallungen und Garten zur Wohnung. Treppe und kleiner Vorraum muß mit dem Mitbewohner

Schwinge gereinigt werden…“

Die gräfliche Familie wohnte seit einiger Zeit wieder im Schloß. Seit Ende April 1947 war das gesamte

Obergeschoss des Haupthauses zum Kreisaltersheim umfunktioniert worden und entsprechend

belegt. Wiederum mußte Graf Gottlieb v. Bernstorff seine Räumlichkeiten zur Verfügung

stellen.

Gottlieb v. Bernstorff erfuhr im November 1947 vom beabsichtigten Auszug von Frau Köberle

aus einer Wohnung im ehemaligen Krankenhaus. Dort sollte nunmehr der Tischler Kurt Wiedebusch

einziehen, der für den Gutsbetrieb tätig war. Der Gemeindedirektor Thier konnte jedoch

dem Wunsch des Grafen nicht nachkommen „ da jeglicher Wohnraum den Bestimmungen des

Kontrollratgesetz Nr. 18 (Wohnungsgesetz) unterliegt.“

Im September 1948 wurde Karla Järnecke, Mutter von zwei Kindern aufgefordert, die Wohnung

im ehemaligen Brauhaus zu räumen. Dafür sollte der gräfl. Forstsekretär Robert Sander, der im

Elbholz wohnte, dort einziehen. Sie weigerte sich jedoch auszuziehen.

Das Kreiswohnungsamt in Dannenberg verfügte im November 1948 die Einweisung der Familie

Mielke in das Haus der Gutsschmiede, Schäferkamp 2. Dort wohnten aber bereits die Familien

Dittmer und Schubert. Der Gesetzgeber hatte mit der Verordnung vom 8.10.1948 Zuzüge in Gemeinden

von Zuzugsgenehmigungen abhängig gemacht, um eine Entspannung auf dem knappen

Wohnungsmarkt zu erreichen.

Der Graf musste einen Raum für die gewerbliche Berufsschule Gartow zur Verfügung stellen, um

den Kreisberufschuldirektor Albin aus Lüchow zufrieden zu stellen. Und im Dezember 1948 war

immer noch das Haus Gartow Nr. 66 (Alter Forsthof) von den Engländern beschlagnahmt. Zudem

weigerte sich Frau Järnecke weiterhin, ihre Wohnung aufzugeben, ebenso verhielt sich die Familie

Hosp. Im Haus Gartow Nr. 64 wohnten die Witwe Lüders und der Postschaffner a.D. Warnecke,

auch sie sollten ausziehen. Sobald die Engländer im August 1949 das Haus Gartow Nr. 66 freigegeben

hatten, zog Forstmeister Hermann Junack mit seiner Familie ein. Im Haus Hauptstrasse Nr.

38 wohnte seit 1945 die Familie Maslo.

Im November 1949 wohnten im Schloß Gartow auch die Familie v. Oppen mit vier Kindern und der

Hausangestellten Liselotte Urban sowie die Grafenfamilie selbst, dazu Thora v. Bernstorff, Ursula

366


v. Loesch sowie Sophie v. Walter und Irmgard Pritzlaff, die beiden Hausangestellten. Hinzu kamen

Fräulein v. Mickwitz, Frau Sickel und 83 Insassen des Kreisaltersheimes, so daß rd. 100 Personen

auf dem Schloßhof wohnten.

Im Dezember 1949 waren die Wohnungen im Haus Nr. 64 nach dem Ableben der Witwe Berdien

von Fräulein Meta Werner und ihrem kranken Onkel und Frau Taruttis belegt.

1949 wurde der Erweiterungsbau des gräfl. Behelfsheimes am Prezeller Weg fertig. 1

Gartow 1945 - 1950: Aus der Sicht von Wilhelm Tege

XI. Folge

Ich muß erst noch mal von den letzten Kriegstagen sprechen. – Der Krieg war nun bis in unsere

engere Heimat getragen worden. Das brachte uns viel Kummer und Leid. – Im November 1944

war noch unser Ehrenhain durch Herrn Apotheker Thiele in feierlicher Ruhe eingeweiht worden.

Aber schnell kamen von da an immer mehr Sorgen auf uns zu. Im Januar 1945 brach die Ostfront

zusammen. Schnell waren die Russen bis an die Oder heran. Hier bei uns kamen Hunderte von

Flüchtlingen an, bei bitterer Kälte. Dabei hatten wir große Kohlen- und Feuerungs-Not. Auch Strom

musste sehr gespart werden; oft wurde er stundenlang abgesperrt. Der Volkssturm wurde gebildet

und in Gartow bald in Alarmbereitschaft gelegt. Immer mehr Flüchtlinge kamen an. An eine

Unterbringung war bald nicht mehr zu denken. Das Arbeitsdienstlager wurde mit ihnen belegt.

Jetzt kamen auch die Feindflieger zu uns hierher; warfen auch einige Bomben, aber meistens ins

Gelände. Dannenberg traf es am schwersten: 87 Dannenberger fielen durch die Bomben und rd.

30 Häuser wurden dort total zerstört. Auch einen Flüchtlingstreck aus Ostpreußen traf es dort

grausam. Dann wurde der „Werwolf“ als letzter Kriegsersatz aufgerufen. Hakenkreuzfahnen und

Hitlerbilder sollten aber sichergestellt werden. Am 13. April 1945 wurde das Kesselhaus der Fa.

Aug. Herbst aus der Luft beschossen. Der entstehende Brand war unerheblich und konnte schnell

gelöscht werden. Walter Herbst, Forstmeister Junack und seine Schwester Christel wurden von

der Gestapo verhaftet, weil man sie verdächtigte, etwas gegen das Regime getan zu haben. Man

brachte sie in den Waldemarturm in Dannenberg und das Gefängnis in Lüneburg. Nach 3 Tagen

waren sie aber wieder zurück. Dann kamen die Ami-Panzer und schossen den Meierhof, den

Schlosshof, sowie ein Haus in Quarnstedt und die Nebengebäude an der Hauptstraße in Brand.

An Löschen war nicht zu denken; die Amis ließen es auch nicht zu. Durch den Beschuß wurden

hier 2 Frauen getötet und zwar Frau Brand im Bardien`schen Hause Hauptstraße 12 und Frau

Jochmann, eine Schwester von Fräulein Rosa Delius, im Delius`schen Hause Hauptstraße 28. –

Bürgermeister Beyer wurde schließlich unter Feinddruck gezwungen, unter Bedingungen, die man

ihm auferlegte, die Übergabe von Gartow zu erklären. Dadurch geriet er noch in die große Gefahr

erschossen zu werden. Es gelang ihm aber, rechtzeitig in den Wald zu entkommen und sich dort

versteckt zu halten. Die übrige Zivilbevölkerung hatte Gartow fast restlos verlassen, hauste z.T.

im Wald oder war in die Dörfer „hinter dem Wald“ geflüchtet. Aus dem Radio kamen immer noch

große Töne: „Deutschland wird nicht untergehen, sondern aufblühen“ usw. Jetzt redete Goebbels

plötzlich von Gotteshilfe, was bei ihm sonst doch nur Volksverdummung gewesen war. Auch sagte

er noch am 19. April im Radio: „Berlin ist deutsch und Wien wird wieder deutsch“. Dabei wurde

doch überall um uns herum so geschossen, daß es furchtbar war es zu erleben. Dann wurde ein

größerer Trupp Deutscher als Kriegsgefangene durch Gartow gebracht, die an Leib und Seele am

Ende ihrer Kräfte waren; wir konnten ihnen ja aber auch nicht helfen. Auch die Amis hatten viele

Verluste; ihre Gefallenen fuhren sie alle weg. Die Schießerei von der anderen Seite der Elbe her

machte uns fix und fertig. Es war ein widerliches Streufeuer, das den Amis auch sehr lästig war und

ihnen immer wieder Verluste brachte.

367


Als die Kämpfe in und um Gartow zu Ende waren, durften wir wieder zurück. Es war ein trauriges

Wiedersehen mit unserem Heimatort, das nicht alle überstanden. Schlachtermeister Köhn, Frau

Johanna Appelt und Frau Schubert aus Hamburg, haben es nicht überlebt. Nun fing es aber auch

an wieder freundlicher zu werden. Im Mai wurde mit Hilfe eines amerikanischen Pionierzuges

durch die Fa. Aug. Herbst eine stabile Holzbrücke über die Seege gebaut. Das Arbeitsdienstlager

wurde im Oktober als Flüchtlingsdurchgangslager eingerichtet. Wilhelm Junack, Paul Adamek und

Dr. Herbst schleusten dort mit ihren Helferinnen täglich bis zu 1000 Flüchtlinge und mehr durch,

bis die Engländer das Lager im Februar 1946 wieder besetzten. – Die Restorfer Schleuse war

inzwischen wieder hergestellt. Auf Lebensmittelkarten und Bezugsscheine gab es nur noch sehr

wenig; alles wurde kompensiert. Selbst die Streichhölzer wurden abgezählt. Die wirtschaftliche

Not war noch sehr groß. Kein Hemd, keine Hose waren zu kriegen. Dazu eine grenzenlose Wohnungsnot,

die immer wieder viel Ärger bringende Wohnungsbeschlagnahmungen zur Folge hatten.

Jedes Loch mußte ausgenutzt werden. Die Engländer waren auch nicht blöde. Sie hausten böse

in der gräfl. Forst und holzten mehrere hundert Hektar herunter. Das Holz verluden sie nach England.

Aber ein Unglück kommt meist nicht allein; so damals. Die Raupen fraßen zur gleichen Zeit

wohl über 1000 Hektar des gräflichen und auch des angrenzenden bäuerlichen Waldes kahl. Ein

schreckliches Bild, das sich damals zwischen Rucksmoor-Prezelle-Rondel für unsere Augen bot.

Aber wer sieht heute noch etwas, wenn er es nicht miterlebt hat, merkt er es gar nicht mehr. Dem

Raupenfraß folgte ein sehr, sehr trockener Sommer, der zu der Katastrophe sein übriges tat.

XII. Folge

Das politische Leben hatte auch wieder begonnen. Erst setzte die Militärregierung Karl Heise

als Bürgermeister ein. Dann ernannte sie einen Gemeinderat mit Alfred Thier als Bürgermeister

und Gemeindedirektor, den wir hier bisher überhaupt nicht kannten. Alles ging nach englischen

Vorschriften. Im September 1946 gab es dann die ersten freien Wahlen nach dem Kriegsende.

Danach wurde Tierarzt Paul Henning zum Bürgermeister gewählt und Alfred Thier blieb Gemeindedirektor.

Während der ernannte Gemeinderat 14 Ratsherren stark war, wurde bei der ersten Wahl

nur noch 12 gewählt. Von hier kamen P. Henning, H. Baark und W. Kraasmann in den Kreistag

herein. Nachdem die Engländer das Gartower Schloß freigaben, wurde im Schloß ein Altersheim

durch die Betheler Anstalten eingerichtet. Fräulein von Bodelschwingh war die erste Leiterin des

Heimes, aus dem später dann das Kreisaltersheim Gartow wurde.

Inzwischen hatte es im Winter 1946/47 beim Hochwasser eine schwere Eisstauung in der Elbe

gegeben. Das Wasser stieg in der einsetzenden Nacht so schnell und gefährlich an, daß die Bevölkerung

von Hauptstraße und Spring ihr Vieh nach Hahnenberge in Sicherheit bringen mußte.

Bei Uhrmacher Horstmann und in Quarnstedt lief das Wasser über die Straße. Das Haus von Otto

Järnecke bekam das Wasser in die unteren Wohnräume. Der Meierhof geriet in große Gefahr und

rüstete zur Flucht auf den Höhbeck. Von Restorf her rasten die riesigen Eisschollen die Seege herauf

und prallten wuchtig gegen die hölzerne Seegebrücke. Nachts gegen 1 Uhr wurde die Brücke

dann unter großem Getöse fortgerissen. So gab es etwas Luft, das Wasser konnte sich nun frei in

die Garte (Seegeniederung) ergießen. Zwei Stunden später fiel das Wasser dann wieder so schnell

wie es gestiegen war. Die Eisstauung in der Elbe war wohl durch die Engländer gesprengt worden

und damit die große Gefahr beseitigt worden. Aber einen so schnellen Wasseranstieg hatte noch

keiner der Lebenden erlebt.

Mit der Währungsreform im Juni 1948 änderte sich plötzlich vieles; es war wie ein Wunder. Rätselhaft

wie es kam, aber plötzlich war alles zu haben, alle Läden waren wieder voll von Ware. Die

Lebensmittelkarten und Bezugscheine hatten ausgedient.

368


Man konnte und durfte auch wieder frei seine Schweine schlachten.

Wie lange hatte es das alles nicht gegeben und wo kam das alles mit einem Mal überhaupt her? –

Der Kummer allein war noch, daß Tausende und Tausende von deutschen Soldaten immer noch in

Rußland als Kriegsgefangene festgehalten wurden. Aber auch das mußte ja mal ein Ende haben;

aber es dauerte doch noch sehr lange, bis der Russe sie frei ließ.

Die Fa. Werth baute jetzt auch wieder ein festes Dach auf ihr Sägewerk und dazu noch eine große

Bretterhalle. 1948 wurde der Sohn Heinrich Werth (Dipl.Ing.) als Mitinhaber in die Fa. W. Werth

& Sohn aufgenommen. Unter seiner Leitung hatte die Zimmerei sehr gut zu tun. In Hamburg-

Wandsbek richtete sein Bruder Christian einen großen Holzplatz, mit Auslieferungslager und moderner

Holzhandlung ein. Herr Heinrich Werth war ein sehr großer Baumfreund. Im Helk legte er

eine große Baumschule an. Viele heutige Pappeln in Gartow und Umgebung stammen aus seiner

Baumschule. Überall sorgte er dafür, daß Pappeln und andere Bäume angepflanzt wurden, so

auch längs des Springweges bis zum Schützenplatz. Das, und vielerorts sonst noch, war sein Werk

und sein Handeln.

Am 25. November 1950 verstarb Herr Wilhelm Werth, der Begründer und Seniorchef der Firma

Werth & Sohn. Es war sein Wunsch, in der Sägehalle aufgebahrt und von dort aus zur letzten Ruhe

gebracht zu werden. Unter großer Beteiligung und Anteilnahme der ganzen Bevölkerung fand seine

würdige Beisetzung am 29. November 1950 statt.

Mit Herrn Wilhelm Werth ging damals ein Mann von uns, der für viele Leute immer wieder Arbeit

und Brot geschaffen hatte. In seiner Berufszeit hat er über 60 Lehrlinge ausgebildet, von denen es

viele bis zum Meister und Unternehmer gebracht haben. Mit seinem Handwerk hat Herr Werth für

Gartow viel Segensreiches getan und sich immer ganz besonders für das Wohl seiner Mitarbeiter

eingesetzt.

Er war ein humaner Geschäftsmann, er wußte aber auch seinen Vorteil im Handel zu wahren. Von

allen Menschen mit denen er es zu tun hatte, ob arm oder reich, wurde er sehr hoch geschätzt.“

Gartows Entwicklung 1947 - 1948

Am Beispiel derJahre 1947/48 wird versucht, das öffentliche Leben im neu geschaffenen Bundesland

Niedersachsen anhand verschiedener Anweisungen der britischen Besatzungsmacht zu

verdeutlichen:

Die öffentliche Verwaltung lag in den Händen der Militäradministration, wobei deutsche Verwaltungsangestellte

die eigentliche Arbeit unter Aufsicht der Briten verrichteten. Als damalige Verantwortliche

erscheinen H.C. Cleaver, Lt. Col. for Regional Economic Officer HQ Military Government

Land Niedersachsen, J. Vaugham Read for Regional Labour Controller Manpower Branch

in Hannover sowie das Zentralamt für Wirtschaft in der britischen Zone als Weisungsbefugte der

verschiedenen niedersächsischen Ministerien.

Die eingesetzten Entnazifizierungsausschüsse im Land führten für jeden erwachsenen Deutschen

Überprüfungen durch, ob jemand durch das NS-System wenig bis stark belastet war. War die überprüfte

Person allzu sehr in vorherige NS-Organisationen eingebunden, erhielt sie keinen öffentlichen

Dienstposten und wurde nicht in leitende Tätigkeiten übernommen.

Es war für den ersten Oberkreisdirektor Scheer in Dannenberg mit seiner kleinen Verwaltung sehr

schwierig, das öffentliche Leben im mit Flüchtlingen überfüllten Landkreis voranzubringen.

369


Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Mangel an Lebensmitteln, Bewirtschaftung von Lebens- und Bedarfsgütern,

Aufbau der Wirtschaft und das Funktionieren der Verwaltung verlangten großen Einsatz.

Dazu kamen die Regelungen der Militärregierung, die anfangs eine wirtschaftliche Weiterentwicklung

hemmten. Auch hier ist es nur beschränkt möglich, einen Eindruck der damaligen

Verhältnisse zu vermitteln.

Infolge haltloser Zeiten hatten sich Geschlechtskrankheiten übermäßig ausgebreitet. In der Instruction

Nr. 62 der Kontrollkommission für Deutschland wurde am 12.12.1946 bestimmt, daß das

deutsche Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 18.2.1927 sowie die Verordnung

zur Änderung des Gesetzes vom 21.10.1940 fortgelten. Geschlechtskranke waren verpflichtet,

sich zu melden (der Name blieb anonym) und behandeln zu lassen. Dazu mußte jedoch die

Wohnungsanschrift genannt werden („Jeder Versuch des Patienten, den Arzt über seine Persönlichkeit

zu täuschen, ist strafbar.“). Gemeldet werden musste vom behandelnden Arzt an das zuständige

Gesundheitsamt jeder Fall von Gonorrhoe, Lues und Ulcus molle. Penicillin als Impfstoff

war nur bei Dr. Erwin Wolf, Ausweichkrankenhaus Meudelfitz, zu erhalten. Wegen des Mangels

nahm die ansteckende Tuberkulose (Tbc) enorm zu und zwar um 400% seit 1945.

Aber es gab weiteres Wichtiges zu tun:

z. B. die Koordinierung des Wiederaufbaues, wofür der Nds. Minister für Aufbau und Arbeit am

8.11.1946 einen Erlaß zur Aufstellung von Ortsplanungen, insbesondere Flächennutzungs-, Bebauungs-

und Aufbaupläne veröffentlichte. Bis dahin ist noch nach den Fluchtlinienplänen von

1875 verfahren worden. Mit Installierung der Abteilung Städtebau, Wohnungs- und Siedlungswesen

in Hannover erfolgte ein gezielter, geordneter Aufbau kriegszerstörter Gebiete.

Zum 1.1.1947 ist die wirtschaftliche Vereinigung der britischen und amerikanischen Besatzungszone

als erster Schritt „zur Erzielung der wirtschaftlichen Einheit ganz Deutschlands“ wirksam

geworden, die am 2.12.1946 in New York vereinbart wurde. Unter Hinzuziehung deutscher Dienststellen

sollte die Selbstständigkeit beider Zonen hinsichtlich der Wirtschaft bis Ende 1949 vollzogen

sein. Als Koordinierungsstelle wurde eine von Deutschen eingerichtete Außenhandelsstelle

geschaffen, um die Einfuhren lebenswichtiger Güter und von anderem Wirtschaftsgut zu ermöglichen.

Die Ausstattung mit Finanzmitteln war gesichert: 29,3 Mio. Dollar zahlten die Briten, weitere

14,5 Mio.Dollar entstanden aus den Einnahmen der Ausfuhren. Auch die Amerikaner beteiligten

sich an der Finanzierung. Gleichzeitig wurden die Handelsbeschränkungen mit dem Ziel gelockert:

„die Ausweitung der deutschen Ausfuhr zu erleichtern“ ferner „Zum gleichen Zweck sollte sobald

wie durchführbar ein Wechselkurs für die Mark festgesetzt werden, eine Finanzreform sollte in

Deutschland in nächster Zeit durchgeführt werden und der Austausch aller Technik und geschäftlicher

Mitteilungen zwischen Deutschland und anderen Ländern sobald wie möglich erleichtert

werden….“

Ein großes Problem waren die vielen Flüchtlinge in Niedersachsen, die Staatskommissarin für das

Flüchtlingswesen, Martha Fuchs, meinte dazu: „…Zu den Opfern dieser Notzeit gehören in erster

Linie die Flüchtlinge, Vertriebenen, die Ausgebombten und die Evakuierten. Wir wollen sie nicht zu

Hoffnungslosen ohne Heimat werden lassen. Sie sind unsere Brüder und Schwestern! Das über

uns hereingebrochene Unglück ist von einem solchen Ausmaß, daß kein Beispiel aus der vergleichenden

Völkergeschichte herangezogen werden kann, um ihm zu begegnen…“

Am 20.4.1947 erfolgte in Niedersachsen die Landtagswahl mit folgendem Ergebnis: SPD = 65

Abgeordnetensitze (von insgesamt 149), CDU = 30, NLP = 27, FDP = 13, KPD = 8, Zentrumpartei

= 6, DRP = 0.

370


Die Ernährungsfrage überlagerte damals alle anderen Überlegungen, ohne deren Lösung war

ein wirtschaftliches Wachstum schlechterdings möglich. In ländlichen Gegenden war der Hunger

durch Schwarzschlachten usw. nicht so ausgeprägt aber dafür mehr in den Städten. Der sogen.

„Schwarze Markt“, eine illegale Tauschbörse, lieferte Fleisch- und Molkereiprodukte für hungrige

Städter; jedoch nur gegen viel Geld, Wertsachen und Tauschobjekte. Wer sich das leisten konnte,

hob seine Kalorienzufuhr bis zu 300 über die üblichen Rationssätze zusätzlich an. Der Hunger im

Land war noch gegenwärtig und nicht nur in Deutschland, die enormen Kriegskosten und Zerstörungen

in anderen Ländern hatten die Weltversorgungslage empfindlich getroffen. Daher war es

lediglich möglich, den täglichen Kalorienbedarf für Menschen im Durchschnitt auf nur 1550 Kalorien

zu halten, eine Verbesserung auf 1880 Kalorien (Normalverbraucherwert) wurde angestrebt.

Zur Sicherstellung einer ausreichenden Kartoffelversorgung wurde die Kartoffelernte 1947 bis auf

die Pflanzkartoffeln beschlagnahmt und zur Verteilung gebracht. Die Bauern als Erzeuger durften

bis 300 kg je Kopf und Jahr einbehalten. Die Verbraucher durften davon nur 2,5 kg pro Kopf und

Woche bevorraten, sowie 100 kg je Kopf im Jahr einkellern. Auf den Feldern galt ein Betretungsverbot,

um Diebstählen vorzubeugen, es sind daher Sperrgebiete ausgewiesen worden (z.B. Kehdinger

Land). Auch die Preise für Kartoffeln waren festgesetzt: 50 kg weißfleischige Sorten sind mit

2,75 RM, gelbfleischige mit 3,05 RM vergütet worden. Die Sorten „Sieglinde“ und „Viola“ kosteten

bis zu 1 RM mehr. Die Kartoffelernte war 1947 so gut, daß in Niedersachsen 818000 t abgeliefert

werden konnten. Das waren 140000 t mehr als 1946, so daß nunmehr auch Berlin-West beliefert

werden konnte.

In den Amtlichen Bekanntmachungen der

Kreisverwaltung Dannenberg heißt es weiter:

„Am 1.7.1947 wurde die Verordnung Nr. 16

der Militärregierung betr. das Wohnungswechselverbot

aufgehoben. „Zum Wohnungstausch

nach Burg auf Fehmarn wird eine Familie mit

3 Personen gesucht. Interessenten werden gebeten,

umgehend auf dem Kreiswohnungsamt

(Zimmer 9) vorzusprechen.“

„Die Seifenkartenabschnitte der 106. Zuteilungsperiode

sind zur Belieferung freigegeben

worden. Die Gültigkeit der Abschnitte wird bis

zum 9.11.1947 lt. Wirtschaftsamt 6.11.1947

befristet.“

6.11.1947

„Schutz der Jugend. Es besteht Veranlassung,

die Polizeiverordnung zum Schutze der Jugend

vom 10.6.1943 in Erinnerung zu bringen. Besonders

wird auf § 5 dieser Verordnung hingewiesen,

nachdem der Aufenthalt in Räume, in denen

öffentliche Tanzlustbarkeiten stattfinden und die

Teilnahme an öffentlichen Tanzlustbarkeiten

371


in Räumen und im Freien Minderjährigen unter 16 Jahren verboten und Minderjährigen im Alter

von 16 bis 18 Jahren nur in Begleitung des Erziehungsberechtigten oder seines Beauftragten bis

23 Uhr gestattet. Der sogenannte Kindertanz ist grundsätzlich verboten. Von der Vorlage von Anträgen

auf Genehmigung solcher Veranstaltungen ist daher abzusehen.“

17.11.1947

„Stromeinschränkung für das Winterhalbjahr 1947/48:

Der Herr Nieders. Minister für Wirtschaft und Verkehr hat im Einvernehmen mit dem Hauptlastverteiler

für das Land Niedersachsen folgende Anordnung erlassen: 1. Für die gesamten Industriebetriebe,

Handwerksbetriebe, Handel und Gewerbebetriebe ist eine Stromentnahme täglich

in der Zeit von 16.30 Uhr bis 20.30 Uhr verboten. 2. Sämtliche Geschäfte, Büros und Behörden

dürfen täglich ab 16.30 Uhr eine Stromentnahme nicht vornehmen. 3. Ausnahmebestimmungen:

Nur in den dringendsten Fällen darf bei Anlegung eines strengen Maßstabes den unter Ziffer 1

genannten Stromabnehmern in der Sperrzeit ein Minimum von Notstrom zugestanden werden.

Diese Anordnung tritt ab Montag, den 3.11.1947 in Kraft und ist unverzüglich allen beteiligten

Stellen bekannt zu geben.“

17.11.1947

„Verkaufszeiten. Für die Zeit vom 3.11.1947 bis einschließlich 14.2.1948 hat der Herr Regierungspräsident

in Lüneburg folgende Einheitsverkaufszeiten festgesetzt: a) für alle Lebensmittelgeschäfte

und Friseure: 8 - 16 Uhr durchgehend, b) für alle anderen Geschäfte: 9 - 15 Uhr durchgehend.

Die wöchentlichen verkaufsfreien Nachmittage werden beibehalten.“

20.11.1947

„Hoover-Schulspeisung. Der Herr Nieders. Kulturminister hat mitgeteilt, daß die Hoover-Spende

mengenmäßig nicht ausreicht, um allen notleidenden Schülern zu helfen. Die Schulen der kleineren

Städte und ländlichen Gebiete können daher vorerst noch nicht in die Hoover-Speisung

eingeschlossen werden.“

11.12.1947

„Kiefernzapfengewinnung. Für die Wiederaufforstung der riesigen Kahlschläge

(Anm.: durch die Besatzungsmacht) werden große Mengen Kiefernsamen benötigt. Die Forstverwaltung

legt daher Wert auf die Hilfe der Bevölkerung beim Einsammeln der Kiefernzapfen und

gewährt den Sammlern eine Brennholzprämie von 1 Raummeter Holz für 6 Zentner abgelieferte

einwandfreie Zapfen. Die Sammler setzen sich am besten vor Beginn des Sammelns mit dem zuständigen

Revierförster in Verbindung.“

11.12.1947

„Weißbrot auf Krankenmarken. Im Einvernehmen mit dem Landesernährungsamt Hannover ist an

folgende Bäckereien kanadisches Mehl für die Herstellung von Krankenbrot für die Belieferung

der Krankenzusatzmarken geliefert worden: Schneider, Gartow; Osterwald, Clenze; Rath, Lüchow;

Schulz, Hitzacker; Dettmers, Dannenberg ...“

11.12.1947

„Bewirtschaftung von Zündhölzern. In der 109. Zuteilungsperiode (8.12.1947 bis 4.1.1948) ist an

alle Versorgungsberechtigten ohne Altersbegrenzung eine Schachtel Zündhölzer abzugeben ...“

372


16.12.1947

„Einschränkungen im Straßenverkehr. Der Herr Nieders. Minister für Wirtschaft und Verkehr hat

durch Verordnung vom 6.11.1947 bestimmt, daß

01. die Beschränkungen im Straßenverkehr, angeordnet durch die Erlasse vom 21. und 22.

August 1947, bis auf weiteres nicht gelockert werden können,

02. Fernverkehrsgenehmigungen für Klein- und Kleinstfahrzeuge bis zu 1 Tonne Laderaum

nicht mehr erteilt werden dürfen, auch nicht für den Werkverkehr,

03. der Verkehr von LKW mit einer Tragfähigkeit bis zu 2 Tonnen während der Sperrstunden

(Sonnabend ab 18 Uhr bis Montag 4 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen) künftig nur

mit einer besonderen Befreiungsbescheinigung zulässig ist, die nur beim Nachweis eines

volkswirtschaftlichen Bedürfnisses erteilt werden darf,

04. jede Fernfahrt schriftlich zu beantragen und gleichzeitig das Fahrtenbuch vorzulegen ist.“

Damals unterlag der Kraftfahrzeugverkehr ebenfalls Einschränkungen (Mangel an Reifen, Ersatzteilen,

Kraftstoffe), es durften nur Fahrzeuge verkehren, deren Führer eine Benutzungsberechtigung

hatten. Zudem galt: …Zu allen Fahrten über Entfernungen von mehr als 80 km und in der Zeit

von sonnabends 18.00 Uhr bis montags 4.00 Uhr muß eine Befreiungsbescheinigung des für den

Standort des Fahrzeuges zuständigen Straßenverkehrs-Hauptamtes eingeholt und auf der Fahrt

mitgeführt werden…

Kostbar war elektrischer Strom, der wie viele andere Produkte, bewirtschaftet wurde. Bahnte sich

in den Kraftwerken eine Überlastung an, kam es zu Stromsperren, die Stunden aber auch Tage

anhalten konnten. Darunter litten nicht nur Privathaushalte sondern vielmehr Industrie- und Gewerbebetriebe.

Die Stromlieferungseinschränkungen endeten im April 1947, dennoch war der

Verbrauch „nur unter Anwendung größter Sparsamkeit zulässig … Um wirtschaftliche Fortschritte

zu erkennen und lenkend eingreifen zu können, waren Industriebetriebe mit mehr als 10 Beschäftigten

gehalten, Produktionsmeldungen abzugeben.

Ab Januar 1948 wurde Oberkreisdirektor Oskar Lübbert mit der Führung des Landkreises Dannenberg

betraut.

26.1.1948

„Ausgabe von Braunkohlenbriketts. An den nachstehend aufgeführten Personenkreis gelangt ab

sofort je 1 Zentner Briketts zur Verteilung: Familien mit Kinder bis zu 1 Jahr auf den Abschnitt 7

der Brennstoffkarte und Vorlage der Kennkarte des Kindes. Kriegsversehrte der Stufen II, III und

IV … Kranke mit amtsärztlichem oder vom Amtsarzt gegengezeichnetem Attest …“

20.2.1948

„Die Firma Hartwig Lensch in Wursterheide, Kr. Wesermünde, errichtet auf dem früheren Flugplatz

Nordholz eine Kachelbrennerei mit angeschlossener Fabrikation transportabler Kachelöfen und

Kachelherde. Genannte Firma sucht Töpfer, Brenner, Kachelformer und Schlosser. Zuzug und Werkunterkunft,

auch für Verheiratete, ist möglich. Meldungen sind schriftlich an die obengenannte

Firma zu richten …“

24.3.1948

„Wohnungstausch. Zum Wohnungstausch nach Nemitz wird eine in Dannenberg-Stadt oder nächster

Umgebung wohnhafte vier- bis siebenköpfige Familie besucht. Nemitz liegt in einer Waldgegend

im Amtsbezirk Trebel. Es sind gute Arbeitsmöglichkeiten für Forst- und Waldarbeiter vor-

373


handen. Die Gegend bietet die Möglichkeit zum Sammeln von Waldbeeren und Pilzen. Dort steht

eine Wohnung, bestehend aus eigener Küche, heizbarem Wohnzimmer (10 qm) und heizbarem

Schlafzimmer (20 qm) sowie Nebengelaß zur Verfügung…“

„Auf Anordnung des Landeswirtschaftsamtes Niedersachsen in Hannover dürfen die bisher in der

britischen Zone gültigen Bezugsmarken für Schule und Schuhreparaturmaterial der Serie A 446

vom Handel bis zum 31.3.1948 angenommen und beliefert werden …“

21.4.1948

„Die Führer der Freiwilligen Feuerwehren als Leiter auf der Brandstelle sind nach § 303 c des

Reichsstrafgesetzbuches befugt, wenn es notwendig erscheint, auch Zivilisten zur Brandbekämpfung

heranzuziehen…“

Die Überfüllung der Gemeinden in Niedersachsen mit Flüchtlingen, die unzureichenden hygienischen

Zustände und das Fehlen von ursprünglich benutzten Hilfsmitteln, begünstigten die Seuchengefahr.

Daher wurden 1947 Schutzimpfungen gegen Bauch- und Paratyphus durchgeführt,

wobei für Personen von 3 - 60 Jahren eine Pflicht dazu bestand. Als Krankheitsüberträger waren

Ratten bekannt, die in der Zeit vom 1.10.1947 bis 30.4.1948 landesweit bekämpft worden sind.

5.5.1948

„Geschützte Naturdenkmale. u.a.: „23. Kroneneichen, Graf Bernstorff, Gartow, am Wege nach

Nienwalde“.

12.5.1948

„Mit dem Viehauftrieb und den schlechten Aussichten in der Fleischversorgung ist mit einem verstärkten

Anreiz zu Viehdiebstählen und Viehabschlachtungen auf Weiden zu rechnen. Die Polizeibeamten

des Kreises sind angewiesen, bei Streifen und Dienstmärschen zu jeder Tages- und

Nachtzeit ihr besonderes Augenmerk dem Weidevieh zu schenken…“

19.5.1948

„Fliegenbekämpfung. Wie im vorigen Jahr findet

auch im Sommer 1948 eine allgemeine

Fliegenbekämpfung statt. Die Durchführung

der Fliegenbekämpfung habe ich übertragen

a) für die Städte Lüchow und Hitzacker und die

Amtsbezirke Gartow, Trebel, Schmarsau, Gusborn,

Lüchow und Hitzacker der Firma Christlieb

in Hamburg …“ 1

27.10.1949: Vom Landkreis genehmigte Mietpreiserhöhung

der Wohnung H. Warnecke, Gartow

374


Aufbauzeit 1950 - 1954

Zeitungsmeldungen in gekürzter Form, die Gartow betreffen. Aus ihnen ergibt sich eine Übersicht

der wichtigsten Ereignisse, die damals als erwähnenswert galten. Es fehlen jedoch kommunalpolitische

Angelegenheiten, Sport- und Kulturnachrichten.

29.4.1950

Der British Resident Mr. Willcocks besuchte die Mittelschule und unterhielt sich mit den Schülern

in englischer Sprache.

9.6.1950

Einen Betriebsausflug unternahmen 75 Betriebsangehörige der Sägewerksfirma Werth nach Hamburg

(Hafenrundfahrt, Tierpark Hagenbeck, Fischmarkt).

13.6.1950

Die Gartower Schützengilde feierte ihr 100 jähriges Bestehen. Die älteste Urkunde ist die Schießliste

vom 1. Schützenfest am 18. August 1850. 1925 wurde vom Malermeister Schulenburg das

Kinderschützenfest ins Leben gerufen.

4.7.1950

Die Zahl der Gartower Mittelschüler war vom 1.5.1946 bis Ostern 1950 von 45 auf 166 angestiegen.

Schulleiter war Studienrat Lüders. Die Trägerschaft hatte der am 1.10.1949 gegründete

Schulzweckverein.

10.7.1950

Da eine Badeanstalt an der Seege wegen der in diesem Wasserlauf reichlich vorhandenen Sinkstoffe

als unzweckmäßig erachtet wurde, ist die Errichtung der Anlage am Nienwalder Weg in

Aussicht genommen worden.

27.7.1950

Etwa 80 Forstbeamte und Waldbesitzer aus dem Kreis Gifhorn weilten zu einer Lehrwanderung

im Bereich des Gräfl. v. Bernstorffschen Forstamtes in Gartow (Leitung Forstmeister Hermann

Junack).

8.8.1950

Die Gartower Mittelschule wurde von 167 Schülern (98 Jungen, 69 Mädchen) besucht. Sattlermeister

Willi Müller übernahm vom Sattlermeister Friedrich Frahm, Springstr. 81 das Sattler- und

Polstergeschäft.

11.9.1950

Im Elbholz wurde ein Luftballon gefunden, der anläßlich einer Ausstellung in London aufgelassen

wurde.

18.9.1950

Vom Zollgrenzdienst im Bezirk Gartow wurden zwei Ostzoneneinwohner aus Wahrenberg aufgegriffen,

die eine 10 Zentner schwere Kuh über die Grenze gebracht hatten und gegen Westgeld

verkaufen wollten. Die beiden Wahrenberger Einwohner sind dem Amtsgericht Lüchow übergeben

worden. In letzter Zeit sind mehrere Fälle von Viehschmuggel aus der Altmark in den Kreis

Dannenberg festgestellt worden.

375


27.9.1950

Das Kaufhaus Korte in Gartow veranstaltete im festlich geschmückten Saal der Gastwirtschaft

Krüger eine wohlgelungene Modenschau, bei der von Gartower Mannequins Mäntel und Herbstkleider

vorgeführt wurden, zu denen die Firmen Horstmann und Könnecke, beide Gartow, passenden

Schmuck bzw. Lederwaren gestellt hatten.

2.10.1950

Apotheker Hermann Thiele feierte sein 50 jähriges Berufsjubiläum (Inhaber der Rosen-Apotheke).

14.10.1950

Wiedereröffnet wird die seit 1941 stillgelegene Gastwirtschaft Otto Benecke, die im Jahre 1875

von A. Schulze gegründet wurde. Neuer Pächter ist Franz Grunwitz aus Hitzacker.

25.10.1950

Seit 30 Jahren befuhr Busfahrer Karl Heise aus Gartow Buslinien im Kreisgebiet, seit einigen Jahren

auch die Strecke Lüchow-Gartow. Mit dem Postomnibus fuhr er sechs Mal die letztgenannte

Strecke. Die Jungfernfahrt Gartow-Lüchow vor 30 Jahren absolvierte Heise ebenfalls, als er mit 28

km/h von Lüchow nach Gartow fuhr.

3.11.1950

Die höchste Auszeichnung für alle Uhrmacherlehrlinge des Bundesgebietes erhielt der Gartower

Lehrling Erhard Flöter, der beim Uhrmachermeister Karl Horstmann im 2. Lehrjahr stand. Auch der

zweite Lehrling in diesem Betrieb, Roland Rudat, errang einen Spitzenplatz.

16.11.1950

Am 17.11. fand beim Gastwirt Krüger ein Gerichtstag des Amtsgerichtes Lüchow statt.

2009: Haupstraße 21, Ehem. Gasthaus Krüger, links

376


25.11.1950

Sägewerksbesitzer Wilhelm Werth verstarb im Alter von 80 Jahren.

1.12.1950

Das letzte von acht seit 1945 erbauten Häusern am Gedelitzer Weg wurde gerichtet (Sägewerksarbeiter

Niemann).

2.12.1950

In Gartow wurde Sägewerksbesitzer und Zimmermeister Wilhelm Werth unter großer Anteilnahme

der Bevölkerung auf dem Gartower Friedhof beigesetzt. Wilhelm Werth wurde 1871 als Sohn des

Zimmerers Christian Werth in Pevestorf geboren. Mit 19 Jahren war er bereits in Pevestorf selbstständiger

Bauunternehmer. Im Jahre 1902 siedelte er nach Quarnstedt und 1913 nach Gartow-

Hahnenberge um. Als Seniorchef der Firma Werth & Sohn besaß er in ganz besonderem Maße das

Vertrauen der Belegschaft und nahm bis zuletzt regen Anteil an der Entwicklung des Werkes, das

durch seinen Sohn Christian ein neues Unternehmen in Hamburg entstehen ließ.

2.1.1951

35 Interessenten aus Gartow und Umgebung schafften sich eine Kartoffeldämpfanlage Marke

Oekonom mit einer Tagesleistung von 180 Zentnern an.

20.1.1951

Der Pferdezuchtverein Gartow feierte sein 75 jähriges Bestehen. Am gleichen Tag beging der Reitund

Fahrverein Gartow sein 30 jähriges Jubiläum.

2.2.1951

Wegen des Grenzgängerverkehrs hat die Wechselstube Lüchow in Gartow eine Annahmestelle für

Ostmark zum Umtausch in Westmark eingerichtet.

5.2.1951

Das im Gartower Schloß untergebrachte Altersheim kündigte das Mietverhältnis mit Graf von Bernstorff

zum 1.4.1951.

13.2.1951

Geschlossen wurde das Einzelhandelsgeschäft Törber und dessen Zweigniederlassung in Hahnenberge.

Wenige Tage später eröffnete die Firma Korte in Hahnenberge eine neue Verkaufsstelle.

15.2.1951

In Gartow wurde ein Forstverband gegründet, 1. Vorsitzender war Heinrich Meyer, Meetschow.

7.3.1951

Für 100 Kinder der Volksschule und 55 Kinder der Mittelschule hat die Milchspeisung begonnen.

12.3.1951

Der Forstverband Gartow (1500 ha Bauernwald) stellte einen eigenen Förster ein.

28.4.1951

Zum neuen Deichhauptmann des Gartower Deich- und Wasserverbandes wurde Bauer Fritz Thiede

aus Holtorf gewählt.

377


5.5.1951

Von den 178 Gartower Mittelschülern stammten 51% aus Flüchtlingsfamilien.

21.5.1951

Zur Behebung der wirtschaftlichen Erschwernisse wurde der Bau einer Eisenbahnlinie nach Gartow

gefordert.

2.7.1951

In Gartow gab es noch 29 Wohnungssuchende. Über die Seege führte immer noch eine englische

Notbrücke, der Neubau einer massiven Brücke war geplant.

3.7.1951

In Gartow existierte eine Jugendbücherei.

Auf Antrag der Kreisverwaltung und der Regierung in Lüneburg wurden der Raum Gartow-Schnackenburg

und Wustrow-Teplingen als Notstandsgebiet anerkannt.

10.8.1951

Auf der Strecke Lüchow-Gartow-Vietze setzte die Post einen neuen Mercedes-Omnibus ein.

31.8.1951

Die Besiedlung bzw.Bebauung des Puttloser Moores wurde erneut aufgegriffen.

14.9.1951

Die Freiwillige Feuerwehr veranstaltete einen Werbeabend.

24.10.1951

Auf einer Versammlung der Kuhhalter von Gartow wurde die Gründung einer Stierhaltungsgenossenschaft

Gartow beschlossen.

21.11.1951

Die Gartower Volksschule wurde als Neubau eingeweiht.

4.12.1951

Elektromeister Paul Pfeiffer richtete einen Verkaufsladen für elektrische Geräte ein.

10.12.1951

Bei Gastwirt Krüger in Gartow veranstaltete die Oberpostdirektion Hannover für die Beteiligten

des neu erbauten zweiten Funkturmes auf dem Höhbeck ein Richtfest. Der 150 m hohe Stahlgittermast

ist in der kurzen Zeit von fünf Wochen von einer Berliner Spezialfirma errichtet worden.

21.12.1951

Bürgermeister Hennings, der seit 1946 dieses Amt innehatte, wurde wiedergewählt,

ebenso sein Stellvertreter Architekt Otto.

4.3.1952

Dem Forstverband Gartow gehörten 74 Mitglieder mit einer Gesamtfläche von 1400 ha an. Er

verfügte über 100 ha Neukulturen und 36 ha Nachbesserungen.

378


26.3.1952

Der Pferdezucht-Verein Gartow und Umgebung bestand 76 Jahre. 1951 wurden auf der Gartower

Station 71 Stuten gedeckt.

17.4.1952

Flüchtlinge arbeiteten im Stundenlohn bei Forstkulturarbeiten in den Revieren Trebel, Rucksmoor,

Falkenmoor und Gorleben.

24.4.1952

Malermeister Heinrich Schulenburg war verstorben. Er begründete 27 Jahre zuvor das Gartower

Kinder-Schützenfest, welches seither immer begangen wurde.

Es wurde eine Ortsgruppe des Heimkehrerverbandes gegründet, die alle Ortschaften der Umgebung

einschließlich Schnackenburg umfaßte. 1. Vorsitzender wurde Lehrer König, Gartow.

11.6.1952

Die Bauarbeiten für ein 35 m langes und 15 m breites Schwimmbad wurden begonnen. Initiator

war Bürgermeister Hennings. Die Arbeiten erfolgten in Eigenleistung durch Gemeinschaftsarbeit.

12.8.1952

Seinen 74. Geburtstag feierte der Gendarmeriewachtmeister a.D. Fritz Wedekind. Er wurde 1914

von Wilhelmsburg nach Gartow versetzt und versah seitdem den Dienst im Bezirk Gartow-Schnackenburg.

13.8.1952

Zur bereits vorhandenen TS 8 erhielt die Freiwillige Feuerwehr ein LF 8 mit Vorbaupumpe.

Bei Ausschachtungsarbeiten für das Schwimmbad wurden ein Handmahlstein und ein Stück Bernstein

gefunden, die dem Museum Vietze übergeben wurden.

15.8.1952

Der Arzt Dr. Jürgen Wolf verstarb am 12.8. an einer Herzthrombose. Er hatte die Praxis von Dr. v.

Zimmermann weitergeführt.

20.8.1952

Der Leiter des Gartower Polizeireviers, Inspektor Höpfner, wurde nach Celle versetzt.

26.8.1952

27 Personen wurden als Wohnungssuchende in Gartow registiert.

4.9.1952

Am 1.9.1952 wurde Polizeimeister Brunke in den Ruhestand versetzt, Dienstbezirk Gartow-Pevestorf-Nienwalde.

6.9.1952

Der 27 Jahre lang als Leiter der Gräfl. v. Bernstorffschen Gärtnerei beschäftigte Obergärtner Paul

Renner wurde 85 Jahre alt.

379


13.9.1952

Die durch den Tod von Dr. med. Jürgen Wolf ruhende Praxis wird am 15. September wieder eröffnet.

Die kommissarische Vertretung übernimmt Dr. med. Neuschulz.

16.9.1952

Die Gartower Kirche wurde gründlich renoviert.

19.9.1952

Die Bauarbeiten am Schwimmbad wurden saisonbedingt vorläufig eingestellt.

23.9.1952

Der Heimkehrerverband Gartow (1. Vors. König) hielt eine Versammlung ab. Der Verband half

Heimkehrern u.a. bei der Existenzgründung.

15.10.1952

Durch die Initiative von Bürgermeister Hennings wurde eine Gemeinde-Bücherei eröffnet.

14.1.1953

Am 12.1. brach im Barackenlager Hahnenbergen in den Räumen der dort untergebrachten Mittelschule

ein Feuer aus. Dabei wurden 4 Klassenräume und das Lehrerzimmer funktionslos. Drei

Familien sind obdachlos geworden.

20.2.1953

Die Zollbeamten des Kommissariats Gartow (Zollkommissar Sonnenberg) feierten ein Kappenfest.

21.2.1953

Der Forstverband Gartow hatte 83 Mitglieder bei 1400 ha Waldfläche. 1952 hatte der Verband 61

ha aufgeforstet (263 000 einjährige Kiefern, 61 kg Saat, 230 Pappeln).

14.3.1953

Der Zweigstellenleiter der Kreissparkasse, Willy Stahlberg, war 30 Jahre lang bei der KSK tätig. Vor

55 Jahren in Tolstefanz geboren, trat er nach 1918 in Lüchow in die Kasse ein, war dort bis 1926

tätig und wurde Zweigstellenleiter in Gartow.

24.3.1953

Die am 1.5.1946 wiedergegründete Mittelschule wurde als öffentliche Mittelschule anerkannt.

22.4.1953

Nach der Wiederherrichtung der früheren Bäckerei Giese in der Hauptstraße eröffnet der heimatvertriebene

Bäckermeister Herbert Mücke aus Oberschlesien eine Bäckerei und Konditorei mit

einem Café.

12.5.1953

Schmiedemeister August Bethge beging sein 40 jähriges Geschäftsjubiläum.

26.5.1953

Die Gemeinde Gartow übernahm die Patenschaft für das neu in Dienst gestellte Zollgrenzboot

„Gartow“.

380


8.6.1953

Durch die Initiative von Bürgermeister Henning wurde die Badeanstalt gebaut und erlebte ihre

erste Saison. Bademeister war Heinrich Höper aus Gartow.

18.6.1953

Der Schuhmachermeister Wilhelm Appelt beging sein 30 jähriges Meisterjubiläum.

3.7.1953

Vorbereitende Arbeiten für den Bau einer modernen Brücke über die Seege sind jetzt eingeleitet

worden. In der Nacht zum 21. März 1947 wurde die alte Brücke durch Hochwasser und Druck

der Eisschollen zerstört. Eine englische Pioniereinheit errichtete bald nach der Katastrophe die

heutige Behelfsbrücke…

23.7.1953

Die Einwohnerzahl nahm stetig ab. Stand am 1.7.1953: 1627 Einwohner.

25.7.1953

Schlossermeister Rudolf Delius wurde 85 Jahre alt. Er stammte aus der Gegend von Magdeburg

und pachtete 1897 in Gartow eine Schlosserei und erwarb sie später.

16.9.1953

Der Milchkontrollverein Gartow und Umgebung (Vorsitzender: v. Sydow, Gut Quarnstedt) hatte als

Mitglieder 94 Betriebe mit 517 Kühen, darunter 10 Betriebe mit 75 Herdbuch-Tieren. Die Molkereigenossenschaft

Gartow und Umgebung hatte 365 Mitglieder, es wurden 1952 insgesamt 2,6

Mio. kg Milch angeliefert. Der Durchschnitts-Milchfettgehalt stieg von 3,13 auf 3,21%.

29.9.1953

In Gartow tätig: Schlosser Willi Schulz, Tischler Ernst Schmidt, Zimmermeister Walter Herbst.

2.10.1953

Im Jahre 1949 erreichte die Flüchtlingszahl in Gartow mit 853 Personen ihren Höhepunkt.

6.10.1953

Bäckermeister Alfred Dotschko feierte sein 25 jähriges Geschäftsjubiläum.

8.10.1953

Rosine Schlüter eröffnete eine Steppdeckennäherei. Sie war über 25 Jahre in diesem Beruf tätig,

auch die Eltern und Großeltern unterhielten in Süddeutschland eine Steppdeckennäherei.

15.10.1953

Am 24.9. wurde für Gartow und Umgebung eine Marinekameradschaft gegründet (vorläufiger Vorsitzender

Walter Klemz).

21.10.1953

Die Molkerei-Genossenschaft Gartow hatte Ende 1952 genau 365 Mitglieder mit 804 Geschäftsanteilen.

381


28.11.1953

Als Einfriedigung für die Badeanstalt wurden 500 Hainbuchen gepflanzt.

30.11.1953

Das 1953 in Dienst gestellte Zollboot „Gartow“ erhielt das Gartower Wappen am Bug (Entwurf:

Adolf Schlawing, Vietze).

6.12.1953

Aus gesundheitlichen Gründen wurde Volksschullehrer Johann Hermann in den Ruhestand versetzt.

Vor 1945 war er Lehrer in Polen und wurde am 4.6.1894 in Franzdorf, Kr. Garwolin geboren.

5.1.1954

Der Gasthof Louis Köhn, Springstraße wurde

an Fr. Sackheim verpachtet. Außerdem war

eine Zunahme an Masernerkrankungen zu beobachten.

8.1.1954

Das frühere Kaufhaus Strahmann, Hauptstraße

4, ist von G. Hildebrand übernommen und

neu eröffnet worden.

19.1.1954

1. Vorsitzender des Pferdezuchtvereins Gartow

war Bauer Warnecke aus Holtorf. Die Zahl der

Vorstandsmitglieder wurde von 6 auf 3 verringert.

2009: Springstr. 31 ehem. Gasthaus Köhn

23.1.1954

Otto Reinecke war Bezirksleiter der Landwirtsch.

Brandkasse Hannover. Sein Vorgänger,

Meister der Gendarmerie i.R. Fritz Wedekind,

stellte seinen Posten wegen hohen Alters zur

Verfügung.

26.1.1954

Der gemischte Chor Gartow unter Leitung seines

Dirigenten, Kreischormeister Hermann Flamant,

veranstaltete im Hotel „Deutsches Haus“

einen Lieder- und Singspielabend.

2009: Springstr. 33 ehem. Molkerei

16.2.1954

Wilhelm Susemihl beging im Kreisaltersheim Gartow seinen 91. Geburtstag.

Er war früher ein bekannter Artist.

11.3.1954

Der Forstverband Gartow und Umgebung (Vors. Hofbesitzer Heinrich Meyer aus Meetschow), der

vom Geschäftsführer Hans Jürgens aus Nienwalde geleitet wurde, hatte 1953 rd. 72 ha neu in

382


Waldkultur gebracht und 14 ha Bauernwald nachgebessert. Verbands-Revierförster war Herr

Klamka aus Gartow.

Der Friseur Friedrich Guhl aus Gartow verstarb am 9.3. im Alter von 81 Jahren.

15.3.1954

Für die neue Tankstelle an der Springstraße wurde mit den Bauarbeiten begonnen.

16.3.1954

Hinweis auf den Bäckermeister H. Mücke. Das Konfektionsgeschäft Kurt Strey aus Bergen/D.

verkaufte Ware im Gasthaus Köhn, Gartow.

17.3.1954

Bei der Generalversammlung des Reit- und Fahrvereins gedachte man der verstorbenen Mitglieder

Kowalewski, Stahlberg und Bresemann. Inzwischen fand ein Teil der Jugend zum Reitsport.

Hinweis auf die Matratzenfabrikation von Emil Köhnke.

26.3.1954

Der Bezirksschornsteinfegermeister Georg Mett übernahm ab 1.4. einen neuen Bezirk im Kreis

Braunschweig.

29.3.1954

Die Gemeinde-Rechnungsführerin Fräulein Elisabeth Suhr schied nach 25 jähriger Tätigkeit wegen

Invalidität aus dem Dienst.

8.4.1954

Die Umlegung der Fernsprechleitung durch ein Erdkabel im Ortsnetz wurde durchgeführt.

13.4.1954

Der in Gartow praktizierende Dr. med. v. Zimmermann ist mit seiner Familie nach Bremen verzogen.

20.4.1954

Wesentliche Veränderungen am Gebäudekomplex der Mittelschule werden jetzt durchgeführt. Moderne

Schulmöbel werden die bisherigen Behelfsgegenstände ersetzen.

Zum neuen Gemeinderechnungsführer wurde Postinspektor a.D. Heinrich Höpert gewählt.

10.5.1954

Die 1200 Pfeifen, die über 200 Jahre alt waren und sich in der St. Georgskirche befanden, sind zur

Renovierung nach Göttingen geschickt worden.

14.5.1954

Die alte, eiserne Seegebrücke sollte von der britischen Verwaltung abgekauft und anstelle der

maroden Holzbrücke neu aufgebaut werden.

17.5.1954

Der Sommerweg der Hahnenberger Straße wurde asphaltiert.

383


26.5.1954

Architekt und Fachlehrer Gustav Otto feierte sein 25 jähriges Meisterjubiläum im Tischlerhandwerk.

Seit 1950 war er als Fachlehrer in der Kreisberufsschule tätig.

29.5.1954

Das Gartower Schwimmbad begann seine Saison am 1. Juni.

1.6.1954

Ab 1.1.1953 existierte die Handlung mit Eisenwaren, Forstgeräten und Landmaschinen von Wilhelm

Junack. Kaufmann Herbert Wöhl aus Damnatz war Gesellschafter.

18.6.1954

Ein Beringer der Vogelwarte Helgoland hielt sich in Gartow auf, um Vögel zu registrieren. Beringer

Wedelind, der bereits 1953 in Gartow war, beringte etwa 300 Vögel aus dem Gartower Forst. Er

verwendete diverse Fanggeräte hierzu.

21.6.1954

Der Ortsverband der SPD führte eine Versammlung im Schützenhaus durch, um dem Aufstand am

17.6. in der Sowjetzone zu gedenken.

8.7.1954

Die Orgel in der Barockkirche St. Georg war vom Holzwurm befallen. Orgelbauer Ott aus Göttingen

war mit der Restaurierung beauftragt und mußte 1300 Pfeifen ausbauen.

12.7.1954

Neue Anschlagtafeln wurden von einer süddeutschen Reklamefirma an verschiedenen Stellen des

Ortes errichtet.

Die Wohnbaracke der Gemeinde an der Ziegenwiese wurde an der Hahnenberger Straße (Lager)

neu aufgestellt.

21.7.1954

Die Ausschachtungsarbeiten für den Neubau der Kreissparkasse auf der „Ziegelweide“ hatten

begonnen. Dadurch ging der frühere Kinderspielplatz verloren. Baufirmen waren Franzke aus Lüchow

und Hünecke aus Brünkendorf.

26.7.1954

Am Restorfer Damm „Im Binnenfeld“ wurde für den Neusiedler Landwirt Fritz Wortmann ein Gebäude

erbaut.

Die Molkereigenossenschaft Gartow ließ eine moderne Kartoffeldämpfanlage errichten.

29.7.1954

Entsprechend der in der Station vorhandenen Transformatorenleistung steht für Gartow dauernd

eine Dreschleistung von 50 PS zur Verfügung.

31.7.1954

Am 2.8. eröffnete Wilhelm Wehrend ein Schuhgeschäft.

384


3.8.1954

Bei Ausschachtungsarbeiten für den Neubau der Kreissparkasse stieß man auf menschliche Gebeine,

auch Sargnägel und Griffe. Vor 1811 existierte dort ein Friedhof, die Gebeine sind auf den

heutigen umgebettet worden.

6.8.1954

Bei der Pilzernte ernteten gute Sammler bis zu 20 Pfund täglich.

10.8.1954

Hinweis auf den Zollgrenzkommissar H. Sonnenberg. Fischermeister Becker beklagte ein größeres

Fischsterben in der Elbe (viele Weißfische, auch Aale und Hechte).

18.8.1954

Ratsherr Adameck wurde beauftragt, die Umbezeichnung der Hausnummern in einer ordentlichen

Reihenfolge anhand des Orts- und Bebauungsplanes auszuarbeiten.

14.9.1954

Die 5. Lehrerstelle der Volksschule, die seit zwei Jahren verwaist war, wurde mit Lehrerin Käte

Goldnau besetzt. Fräulein Goldnau ist gebürtige Gartowerin und unterrichtete bisher in Langendorf

und Bussau. Lehrer König wurde zum Hauptlehrer ernannt.

18.9.1954

Mit dem Einbau einer Kartoffeldämpfanlage für die Molkereigenossenschaft wurde begonnen.

24.9.1954

Bäckermeister Helmut Schneider modernisierte seine Bäckerei.

1.10.1954

Schlachtermeister Willy Necker verzog nach Perleberg, wo er seine einstige Schlachterei wieder

übernehmen wollte.

5.10.1954

Hinweis auf die Hebamme Nimser.

6.10.1954

Die Firma Raddatz, Gorleben, richtete in der Gastwirtschaft Strahmann eine Fernsehstube ein.

11.10.1954

Auf den Äckern und Wiesen von Quarnstedt versammelten sich die seltenen Kraniche, um nach

sieben Monaten Anwesenheit den Winterzug nach Süden anzutreten. Ebenso sammelten sich die

Kraniche im Lemgow.

15.10.1954

Die Bundesbahn hegte Pläne, die Stückgutlinie Dannenberg-Gartow wegen unzureichenden Güteraufkommens

einzustellen.

385


26.10.1954

Für den Neubau der Kreissparkasse wurde Richtfest gefeiert. Für das neue Zollhaus wurde mit

Ausschachtungsarbeiten begonnen (nahe der neuen Volksschule). In diesem Jahr wurden 10

neue Gebäude erbaut.

8.12.1954

Studienrat Schüßler, Rektor der Mittelschule, folgte am 1.1.1955 einem Ruf an ein Gymnasium in

Westfalen. 2

Gartow 1950 - 1955: Aus der Sicht von Wilhelm Tege

XIII. Folge

In dieser Zeit von 1950 - 1955 wehte wieder ein anderer Wind; es trug sich vieles zu, was auf

neuen Lebensmut unserer Bevölkerung schließen lässt. 1949 wurde erstmalig nach dem Kriege

wieder unser Schützenfest gefeiert. Trotz allerlei Bedenken der Besatzungsmacht, die zu dem Fest

auch noch Anordnungen gab, wurde die Genehmigung schließlich erwirkt. Das Fest mußte aber

im Ort gefeiert werden, weil wir noch kein Schützenhaus wieder hatten. Beim Ummarsch mußten

die Musikanten auf einem Plattenwagen gefahren werden, weil noch nicht wieder hinter einem

Musikzug marschiert werden durfte. Den Engländern war das noch zu „gefährlich“. Das alles tat

dem Fest aber keinen Abbruch. Im Gegenteil, alle freuten sich schon vorher auf dieses Fest sehr,

weil ja 10 Jahre unser Schützenfest ausgefallen war.

Der alte König von 1939 – Ludwig Bahlke – mußte das Fest wieder in Marsch setzen. Aber es

fehlte doch noch manches. So war auch die Fahne der Gilde in dem Wirrwarr von 1945 verloren

gegangen, und ist wahrscheinlich irgendwohin als Souvenir in die Welt gewandert. Der neue König

wurde mit einem Luftgewehr im Notgang neben Bethge`s ausgeschossen. Willi Appelt war der

mutige Mann, der sich zum König schoß.

Er hatte das Glück, als erster König in das 1950 noch rechtzeitig erbaute neue Schützenhaus einzuziehen.

Inzwischen hatten 5 Frauen (Frau E. Appelt – E. Bosse – Hi. Schramm – E. und Tr. Bethge)

eine neue Gildefahne gestickt, die ein Meisterwerk geworden war. Die Fahne wurde bei der

Einweihung des neuen Schützenhauses und zum 100jährigen Jubiläum der Gilde dem ersten Fahnenträger

nach dem Kriege – Willi Bökamp – nach feierlicher Weihe durch den Gilde-Kommandeur

Arnold Schramm übergeben. In diesem Jubiläumsjahr 1950 wurde Walter Herbst Schützenkönig.

Zur Freude aller hatte die Realgemeinde unter seiner Bauleitung das Schützenhaus wieder aufbauen

lassen und alle waren froh, daß das Schützenfest wieder auf dem schönen Schützenplatz

gefeiert werden konnte. Wirt im Schützenhaus war damals Otto Hecht, der das Jubiläumsfest sehr

ordentlich gestaltete. Es darf aber nicht vergessen werden, daß auch der alte Tambourmajor den

Krieg überstanden hatte. Sehr bewußt nahm Hermann Mai sein Amt wieder auf, nobel mit weißen

Handschuhen, den Tambourstab auf Hochglanz poliert, leitete er die Musik wie in früheren

Tagen. Auch bei der Polonäse am Königsballabend sorgte er für Ordnung und Ablauf, wie er alles

was er tat, sehr gewissenhaft ausführte. Kommandeur der Gilde war und blieb viele Jahre Arnold

Schramm, erst als Schützen-Hauptmann, dann als Major.

Wie früher hatten die Schützenfeste wieder viele Gäste nach Gartow kommen lassen. August Mai

war auch wieder aus Berlin, wie alljährlich, herbeigeeilt; darüber freuten sich viele ganz besonders.

Als ein englischer Offizier 1949 die Musik auf dem Wagen fahren sah, sagte er: „Die Deutschen

sind zu gerissen.“ Als die Musik dann „Lustige Hannoveraner“ spielte, freute er sich aber doch

über das fröhliche Treiben mit uns mit. Schützenkönige von 1950 - 1955 waren: W. Herbst – Franz

Alpermann – Friedrich Wehrend – Erwin Tege und Karl Horstmann. Auch das Kinderschützenfest

386


wurde nun wieder unter sehr großer Beteiligung gefeiert. Für unsere Kinder war das Schützenfest

sowieso schon immer das größte Fest des Jahres. Harry Schulenburg hatte es wieder großartig

organisiert, und es war eine große Freude für den ganzen Ort, den langen, bunten Festzug der Kinder

wieder erleben zu dürfen. Auf dem Schützenplatz hatte er für allerlei Belustigungen gesorgt,

an denen sich die Kinder in Scharen beteiligten. Nach den Kinderkönigen von 1930 - 1939, Walter

Niebuhr, Edgar Thorey, Walter Bauer, Albert Schramm, Julius Frahm, Otto Tege, Adolf Schulz, Otto

Schulz, Hermann Schröder und Heinz Philippi, wurden nun 1949 - 1955 Kinderkönige: Walter

von Zimmermann, Hermann Korte, Rainer Bökamp, Karsten Stahlberg, Wolfgang Schütte, Wolf-

Rüdiger Junker und Hartmut Schäfer. Der geschichtlichen Richtigkeit halber muß aus der letzten

Folge zunächst berichtigt werden, daß die ersten Kinderschützenfeste nicht mehr von Harry

Schulenburg durchgeführt wurden. 1947 war der heute bereits im Ruhestand lebende Konrektor

Werner Pinkes nach Gartow gekommen und trat 1949 das Erbe des Kinderschützenfestvaters

Schulenburg an. Harry Schulenburg erlebte die Fest erfreut vom Kutschwagen aus mit, bevor er

uns 1952 ganz verließ.

Im Februar 1952 verstarb Meister August Herbst, der Chef seiner Firma, 81 Jahre alt. Sein Tod

machte uns allen das Herz schwer, hatten wir doch jahrzehntelang immer ein gutes Verhältnis

mit ihm gehabt und uns gegenseitig Arbeit und Brot gegeben. Die Trauerfeier in seinem Hause

war sehr würdevoll. Sein Neffe, der Landessuperintendent Dornblüth aus Lüneburg, hielt die

Trauerandacht nach einem Spruch aus den Römerbriefen. Der Text ist mir leider entfallen. Sehr

viele Freunde des Hauses Herbst waren zu der Beisetzung gekommen, um ihm die letzte Ehre zu

erweisen. Seine Gesellen trugen ihn zu Grabe und widmeten ihrem alten Meister einen besonders

herzlichen Nachruf.

In Gartow wehte nach der Währungsreform auch geschäftlich ein frischer Wind auf. So baute Herr

Warkerow aus ganz kleinen Anfängen im Järneckeschen Haus, Springstr., heraus das Textilgeschäft

auf, das Herr Wibbeler, heute in der Hauptstr., betreibt. Ebenso begannen Herr Max Pape

und seine Frau mit einem Papier- und Buchgeschäft im Hause Bosse ganz klein; das Geschäft

übernahm später Herr Streitz und verlegte es später ebenfalls in die Hauptstraße. Herr Ducke

kaufte nach dem Tode von Dr. Jürgen Wolf das Hollnagelsche Grundstück gegenüber der Molkerei

auf dem Spring. Dort baute er eine Maschinenhalle und Werkstatt für Landmaschinen auf. Sein

Landmaschinenhandel mit der Reparaturwerkstatt war den Landwirten sehr erwünscht, da so

etwas in Gartow noch fehlte. Da Herr Ducke ein kluger und humaner Mann war, ging sein Geschäft

sehr gut.

Die Tischlerei vom alten Meister Willy Schulz übernahm Tischlermeister Ernst Schmidt. Er baute

die alte Werkstatt völlig um, schaffte beste moderne Maschinen an und beschäftigte bald mehrere

Gesellen und Lehrlinge. In kurzer Zeit hatte er einen guten Kundenstamm und bekam reichlich

Aufträge. Als die alte Werkstatt nicht mehr ausreichte, erbaute er seine heutige, große und moderne

Werkhalle. Jetzt hat er seiner Firma noch ein in Gartow fast konkurrenzloses Bestattungsinstitut

angefügt.

Herr Schmidt hat auch immer ein großes Interesse für Gemeindeangelegenheiten gehabt, ist jahrelanger

Ratsherr und zwischendurch auch einmal Bürgermeister gewesen.

1953 errichtete die Molkerei eine große Kartoffeldämpfanlage, was von der Allgemeinheit sehr

mißtrauisch aufgenommen wurde. Es gab lange und heftige Debatten darum; aber gebaut wurde

doch. Es ist auch sehr zum Segen der Landwirtschaft geworden. In nassen Jahren, wenn die

Kartoffeln zu faulen drohten, war es eine Rettung und schützte die Bauern vor großen Verlusten.

387


In einem Jahr wurden mal 96000 Ztr. gedämpft, die immerhin 46000 Mark für die Molkerei einbrachten

und auch nach Abzug von Arbeitslohn und Heizung noch eine nette Summe für die Genossen

der Molkerei erbrachten. Die Männer des Vorstandes haben damals doch recht gehandelt,

wofür ihnen heute noch Dank gebührt. Die Kurzsichtigen von damals mögen das heute noch zur

Kenntnis nehmen.

XIV. Folge

Wir wollen aber auch unseren alten Barbier „Fitti“ Guhl nicht vergessen, der uns viele Jahre lang

verschönert hatte. Er war ein sehr vielseitiger Mann, der neben seinem Friseurberuf viele Dinge

ausführte. So betätigte er sich zugleich als 1. Lotterieeinnehmer, 2. Versicherungsagent, 3. Auktionator,

4. Gemeinde-Rechnungsführer, 5. Brandkassenkassierer und 6. Fleischbeschauer.

Auch hatte er noch einen gut gehenden Hutladen daneben und konnte auch stets mit einer guten

Zigarre dienen. Daneben zog er auch kranke Zähne, wenn auch ohne Betäubung. Außerdem

kannte er sich in der Tierkunde gut aus, war auch hierin stets hilfsbereit und wußte für jeden Fall

einen Rat zu geben. Er hat noch nach dem zweiten Weltkrieg gewirkt und ist im Frühjahr 1954

über 80jährig verstorben.

Sieben Jahre später verstarb auch sein Berufskollege Willi Leibholz, der aus der Altmark stammte

und sich nach 1945 im Hause des Benecke‘schen Gasthauses (heutiges Centralhotel) als selbständiger

Friseur niedergelassen hatte.

Inzwischen hatte unser heutiger Friseurmeister Rudolf Hinrichs auf dem Spring, neben dem Gasthaus

Hecht, einen modernen Herren- und Damen-Friseursalon – klein, aber fein – erbaut. Das Geschäft

ging immer gut. Mit der Zeit war sein Sohn Peter herangewachsen, erlernte das Handwerk

seines Vaters und wurde bald auch Meister. Als dann die nachfolgende Friseurfamilie Guhl sich in

Gorleben etablierte, übernahm Familie Hinrichs auch das Guhlsche Geschäft in der Hauptstraße,

das der Sohn heute führt. Auch dieses wurde modernisiert, so daß alle Wünsche der Kundschaft

erfüllt werden können. Da Vater wie Sohn im Ort recht beliebt sind, haben sich beide einen zufriedenen

Kundenstamm schaffen können und können gut von ihrem Handwerk leben.

Auch haben wir jetzt einen sehr modernen Steinmetzbetrieb. Herr Lehmann, der lange Jahre unser

Standesbeamter war und viel Interesse für unser Gartow zeigt, hat ihn seit dem Tode seines

Schwiegervaters August Bauer übernommen und weiter ausgebaut. Er hat den Betrieb mit neuzeitlichen

Maschinen ausgerüstet und führt das Geschäft vorbildlich weiter. Sein Kundenkreis ist

sehr umfangreich und erstreckt sich weit in die Lande. An Aufträgen fehlt es ihm nicht, weil er ein

Auge dafür hat, um zu sehen, wo Brot zu verdienen ist. In Hahnenberge erbaute Erich Schmidt

1956 mit der Waldschänke ein neues Lokal, das mit der Zeit eine gut besuchte Gaststätte wurde.

Die von ihm übernommene Toto- und Lotto-Stelle sicherte ihm einen zusätzlichen, festen Kundenstamm.

Durch die spätere Erweiterung des Gebäudes können dort auch größere Versammlungen

und Gesellschaften stattfinden.

Jetzt war hier in Gartow der Fremdenverkehr auch im Kommen. Im November 1955 übernahm

Herr Wolfgang Ackermann die Benecke´sche Gastwirtschaft; damals mit 2 Hotelbetten. Herr

Ackermann modernisierte zunächst die Räume des Hauses und vermehrte die Bettenzahl auf 25.

Dann baute er in den letzten Jahren das Hintergebäude zu einem hochmodernen Hotelzug aus.

Die dabei entstandenen Fremdenzimmer sind mit allem erdenklichen Komfort versehen. Das Hotel

besitzt nunmehr 45 Betten, die von zahlreichen Gästen gern in Anspruch genommen werden.

388


Seit 1960 hält das Haus, das sich auch „Reiterhotel“ nennt, Reitpferde zum Verleih. Diese werden

von den Urlaubern gern in Anspruch genommen. Der Pferdebestand wurde inzwischen auf 8 Stück

erhöht. Den Reitgästen steht auch ein Reitlehrer zur Verfügung, der auch Reitunterricht erteilt. Für

Gäste, die eigene Pferde mitbringen, ist durch gute Stallungen bestens gesorgt.

Auch die Gastwirtschaft Hecht stellte sich auf

den Fremdenverkehr ein und gab ihre Landwirtschaft

zum größten Teil auf, um für die Gäste

ganz zur Verfügung stehen zu können. Ein

modernes Wirtschaftsgebäude wurde gebaut

und im Hauptgebäude vieles geändert und modernisiert.

So stehen auch hier Einzel- u. Doppelzimmer,

mit 25 Betten für die Gäste bereit,

die mit allem modernen Komfort eingerichtet

sind. So war Hecht‘s Gasthaus im Jahr 1970

auch gut besucht und wir hoffen, daß es sich

weiterhin gut fortentwickeln wird. Die Fremdenverkehrsvereinigung

und die Gemeinde tun,

was sie können, um den Fremdenverkehr zu

fördern. Unsere schöne Landschaft, mit ihren

herrlichen Wanderwegen, wird von unseren

Gästen durch ihren Besuch anerkennend gewürdigt.

Wir hoffen sehr auf einen schönen,

sonnenreichen Sommer und viele zufriedene

Gäste.

Aber auch sonst war man auf dem Spring nicht

müßig. Die schönen alten Kastanien u. Eichen

auf der Ziegenweide mußten 1954 weichen

und die Kinder vom Spring verloren ihren geliebten

Spielplatz. Die Gemeinde baute ein

Haus mit 6 Wohnungen darauf. Außerdem entstand

daneben der große Bau der Kreissparkasse

mit weiteren 2 Wohnungen, neben den

großzügig angelegten Geschäftsräumen. Der

leider zu früh verstorbene Erich Winterhoff war

der erste Kassenleiter in diesem Hause; heute

regiert dort Rudi Goldnau, der ja Gartower

Kind ist. Dicht neben der Post liegend, ist die

Kasse zum gewichtigen Mittelpunkt von Gartow

geworden.

Mit der Ziegenweide ist aber auch einer der

schönsten Punkte unseres Ortes damals dafür

geopfert worden! – Beim nächsten Mal geht‘s

auf dem Spring noch weiter.

1973: Anzeige zum Schlachtefest in Hecht`s

Gasthaus

389


XVI. Folge

Und nun geht`s auf dem Spring weiter. – Elektromeister Paul Pfeifer, in Dömitz enteignet, war

schon seit den dreißiger Jahren viel bei der Fa. Werth in Gartow tätig gewesen. Zunächst begann

er sich geschäftlich in einer der Baracken im ehem. RAD-Lager einzurichten. Als er dort bald den

Engländern weichen musste, wich er in den Saal des Hessischen Gasthauses aus. Von dort zog

die Firma zur „Alten Post“ und richtete im Schröderischen Stallgebäude das heutige Geschäft ein.

Nach dem 1951 erfolgten Tod seines Vaters übernahm Karl Heinz Pfeifer das Geschäft und führte

es bis heute fort. Inzwischen kaufte er 1956, die 1895 von der Fa. Aug. Herbst gebaute „Alte Post“

von der Familie Schröder. 1961 baute er dann das heutige moderne Geschäftshaus zwischen der

Kreissparkasse und der „Alten Post“, in die dann auch bald wieder unser heutiges Postamt verlegt

wurde.

Ebenso zentral wie die Post, die Fa. Pfeifer und die Kreissparkasse, liegt die Tankstelle von Ernst

Walter, Springstraße 6/8. – Ernst Walter, Waldenburger Kind, war zunächst bei der Fa. Aug. Herbst

tätig. Im Herbst 1953 kaufte er den tiefliegenden „Schulgarten“, füllte ihn auf Strassenhöhe auf

und baute im Frühjahr dieTankstelle auf, aus der ab April 1954 Benzin gezapft werden konnte. Der

Tankstelle wurden schnell das Wohnhaus und die erste kleine Pflegehalle angefügt. Bald zeigte

sich, daß die Gesamtanlage zu klein war. Aber erst 1966 bot sich die Gelegenheit das Suhr´sche

Nachbargrundstück Springstraße 8 anzukaufen. Nach schnellem Abbruch dieses Hauses und seiner

Nebengebäude, errichtete Ernst Walter eine große moderne Pflegehalle und fügte dieser bald

auch eine Automatik-Waschanlage an. Der mit Verbundpflaster befestigte Hof und Parkplatz vor

der großen Halle und die moderne technische Einrichtung gestatten heute die TÜV-Abnahmen

für PKW`s in Gartow durchführen zu lassen. Hierfür sind Ernst Walter viele PKW-Eigentümer aus

Gartow und Umgebung dankbar.

Wenn von der Tankstelle gesprochen wird, darf auch die am „Hahnenberger Damm“ entstandene

Tankstelle von Horst Törber nicht vergessen werden. Sie darf schon deshalb nicht unerwähnt bleiben,

weil Horst Törber der erste Mann war, der den Mut hatte, zwischen dem alten Ortskern von

Gartow und Hahnenberge in dem tiefgründigen Überschwemmungsgelände am Hahnenberger

Damm, nach Auffüllung einiger tausend Kubikmeter Sand, einen Bau aufzuziehen.

1961 hatte er seine Meisterprüfung gemacht, 1963 kaufte er das Gebäude von der Realgemeinde.

Ende 1964 konnte bereits bei ihm getankt werden. Unter seinen Wohnräumen entstand die

Werkstatt und neben dem Wohnhaus seine Pflegehalle. Viel Arbeit und Mühe hat dieser Aufbau

gemacht, wenn man nicht gar von Quälerei sprechen will. Aber nicht nur für die Autofahrer ist

dieser Betrieb durch Tankstelle und Werkstatt, sondern auch für die Treckerbesitzer zu einem

gewichtigen Stützpunkt geworden.

Im Ortsteil Hahnenberge entstand auch ein weiterer neuer Betrieb. Richard Stüben, der Schwiegersohn

des alten Zimmerpoliers Heinrich Hoppe machte sich 1960 selbständig als Zimmermeister

und Architekt. Am Ortfeld baute er seinen „Platz“ auf. Der Betrieb war bald recht gut beschäftigt

und hat etwa 6 - 8 beschäftigte Mitarbeiter. Bei genügend reichlichen Aufträgen floriert das

Geschäft gut und hat heute einen guten Kundenkreis hinter sich. Dazu trägt auch die Übernahme

von Planungsarbeiten durch das Büro bei.

Von einem Musterbetrieb, den wir in Gartow haben und der in sehr weitem Umfang um Gartow

herum bekannt ist, muß auch noch gesprochen werden. Im November 1899 gründete der Gärtnermeister

August Horstmann sen. eine Gärtnerei im Ortsteil Hahnenberge. Als er 1976 verstarb war

390


es schon ein recht beachtlicher Betrieb, der durch seine Spezialitäten längst über den Rahmen

einer normalen Gärtnerei hinausgewachsen war. (Kiefern- und Rhododendron-Aufzucht). Als dann

sein Sohn August Horstmann jun. 1948 aus der Gefangenschaft heimkehrte und den solange von

seiner Mutter aufrechterhaltenen Betrieb übernahm, spezialisierte er ihn noch weiter. Nachdem er

die nicht mehr lohnende Kieferaufzucht und vor allem die Rhododendron-Züchtung seines Vaters

aufgegeben hatte, stellte er sich ganz auf die Anzucht von Azaleen-, Erika- und Alpenveilchen-

Pflanzen ein. Mit einem Spezialfahrzeug werden diese in einem Umkreis von einigen hundert

Kilometern an die Großabnehmer ausgeliefert. Hierzu waren aber wesentliche Voraussetzungen

notwendig. So mussten ab 1950 neue moderne Gewächshäuser erbaut werden. Rund 2500 qm

wurden von ihm unter Glas gestellt. Mit automatischer Wassersprenganlage und Heizung sind

diese Häuser hochmodern eingerichtet und bieten den Pflanzen frostsichere Unterkunft. In dritter

Generation ist seit 1969 auch schon der Enkel des Begründers – Gustel Horstmann – nach seiner

auswärtigen Ausbildungszeit im Betrieb tätig. Da er, wie seine Vorfahren, ein fleißiger Mann ist, der

ein großes Interesse für Neu-Züchtungen zeigt, dürfte der Fortbestand dieses Familienbetriebes

als gesichert anzusehen sein.

Großmutter Horstmann ist inzwischen auf „Altenteil“

gegangen, mit ihr wirkten zeitweilig 3

Generationen in diesem Betrieb harmonisch zusammen.

Dabei darf nicht unerwähnt bleiben,

daß sie in den Nachkriegsjahren, zusammen

mit ihrer damals noch zukünftigen Schwiegertochter,

den Betrieb aufrechterhielt bis ihr Sohn

wieder heimkehrte und ihr diese Last abnehmen

konnte. Eine tapfere Frau, die couragiert

ihren „Mann“ stand. Mögen dieser heute fast

80-jährigen Mitbewohnerin noch ruhige Jahre

an ihrem Lebensabend vergönnt sein!

Gartow, Gartenbaubetrieb Horstmann 1932

XVII. Folge

Nochmal zum Spring. – Im Jahre 1896 war der Schuhmachergeselle Karl Appelt nach Gartow gekommen.

Er entstammte einer alten – heute etwa 200 jährigen Schuhmacherfamilie aus Dahme

in der Mark. Von dort war er zu Fuß hierher auf der „Walze“ gelangt. Hier machte er bald seinen

Meister. Zunächst wohnte er zur Miete. Als Kirchendiener war er nebenher tätig. Seinen Lohn hieraus

legte er auf die hohe Kante und sparte sich damit das Geld für einen Hauskauf zusammen.

Dann kaufte er 1907 die frühere Kropp´sche Schmiede für 1700 Taler, die in der Springstraße

war, wo heute Artur Tschink seine Kfz-Werkstatt hat. Bis 1928 hat er dort sein Handwerk betrieben.

Karl Appelt war nicht nur ein fleißiger Mann und lange Jahre Kirchendiener, er war auch Bürgervorsteher

und betrieb dazu auch noch eine Landwirtschaft. Außerdem war er ein begeisterter

Turner, der als Vorturner neben seinen Mitturnern Karl und August Järnecke dafür sorgte, daß der

Turnverein Gartow im Turngau hohes Ansehen und Anerkennung fand. 1961 ist er einen Monat vor

Vollendung seines 90. Lebensjahres verstorben.

Inzwischen hatte sein Sohn Wilhelm 1923 seine Meisterprüfung gemacht und das Geschäft nach

seiner Verheiratung in die Hauptstraße verlegt. Hier arbeitete „Opa“ Appelt auch noch jahrelang

kräftig mit, wenn er nicht bei seinen täglichen Spaziergängen die Gartower Gemarkung inspizierte.

Willi Appelt betrieb Handwerk, Geschäft und Landwirtschaft dazu, bis er durch Horst Wirth einen

Schwiegersohn ins Haus bekam, der sein handwerklicher und geschäftlicher Nachfolger wurde.

391


Horst Wirth machte 1957 seine Meisterprüfung, übernahm den Betrieb modernisierte ihn räumlich

und warenmäßig so, daß das Geschäft den heutigen Anforderungen voll gerecht wird. Das

Appelt-Wirth´sche Geschäft gehört zu den ältesten Betrieben in Gartow. Wie seine Vorgänger Karl

und Willi Appelt ist auch Horst Wirth eifriges Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und seit Jahren

Gemeindebrandmeister. Als solchem untersteht ihm die schlagkräftig und modern ausgerüstete

beste Wehr im Ostteil unseres Landkreises. Er versteht seine Wehr zu führen und zu leiten.

Auf dem früheren Kropp´schen dann

Appelt´schen Grundstück, Springstraße Nr. 25

betreibt heute Artur Tschink seine Kfz-Werkstatt.

Im Juli 1945 kam er aus der Gefangenschaft

hierher, da er in seinen Heimatort Kolzig

(Schlesien) nicht zurückkehren konnte. Nachdem

er zunächst bei dem Deutz-Spezialisten

Berthold Schulz in der alten Gutsschmiede am

Schäferkamp ausgeholfen hatte, machte er

sich 1948 selbständig. Bei Dr. Herbst fand er

Unterkunft, wechselte aber bald zur Ziegenweide

in die ehemalige Kindergartenbaracke über.

Als dort das heutige Wohnhaus Springstraße 7

und die Kreissparkasse in Bauplanung kamen,

mußte er weichen. Von Opa Appelt kaufte er

1952 das heutige Grundstück Springstraße

25 und baute sich eine Werkstatt auf, in der er

heute noch seinen Einmannbetrieb hat.

Artur Tschink ist ein stets hilfsbereiter Mann,

der sich auch nachts nicht scheut einem Kfz-

Fahrer in der Not aus der Patsche zu helfen.

Immer emsig, oft verschmitzt lächelnd, macht

er still sein Geschäft. Besonders für die klein

gewordene Zahl der Motorradfahrer und die dafür

immer noch zunehmende Zahl der Mopedjünglinge

ist er zum zentralisierten Stützpunkt

des Gartower Raumes geworden.

Auf dem Spring hat ein weiterer Gartower Handwerksbetrieb

seinen Ursprung; der Malereibetrieb

von Heinz Zilenski. Im August 1945 kam

auch er aus Gefangenschaft hierher; trotzdem

er geborener Berliner ist blieb er bis heute Gartow

treu. Zunächst arbeitete er noch als Geselle

beim alten Meister Harry Schulenburg mit.

1947 machte er seine Meisterprüfung. Nachdem

er sich selbständig gemacht hatte, ging er

vom Spring aus erst beim alten Tischlermeister

Willi Schulz, dann bei Dotschko`s unterge-

Schuhhaus Appelt Inh. Horst Wirth

Um 1926: Schumacherfamilie Schenk

(v.l.n.r. Emma, Joachim, Johanna, Else)

392


kommen, fleißig und vorwärtsstrebend seinem Handwerk nach. 1962 verlegte er seinen Betrieb in

das Dankert´sche Haus Hauptstraße 20, wo er heute noch wohnt und von wo aus er einen recht

angewachsenen Kundenkreis bedient. Meister Zilenski ist als solider Handwerker bekannt, auf

den sich seine Kundschaft verlassen kann.

Gartows Entwicklung 1956 - 1957

Jede Zeitperiode hat ihre eigenen Probleme, die gelöst werden müssen. Sie unterscheiden sich

von denen, die Jahrzehnte zuvor auftraten. Etwa zehn Jahre nach dem 2. Weltkrieg waren es die

nachfolgend geschilderten, die jedoch nur einen kleinen Ausschnitt präsentieren.

Erinnert werden muß auch an die aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entlassenen ehemaligen

deutschen Soldaten, die „Spätheimkehrer“. Als der letzte aus Gartow von ihnen im Januar

1956 in seiner Heimatgemeinde begrüßt wurde, stand in der Zeitung:

„Ganz Gartow nahm freudigen Anteil an der Mitteilung, daß nun auch der letzte Heimkehrer Wilhelm

Jahnke, welcher früher mit Zurückgekehrten in einem Lager in Sibirien gewesen war, zurückkehrte.

In einer Feierstunde am Mahnmal wurde der Heimkehrer empfangen. Nach dem Bürgermeister

sprach sein Lagerkamerad Geigenmüller, der erst vor einigen Wochen zurückkehrte,

ergreifende Begrüßungsworte. Wilhelm Jahnke, der Polizeibeamter ist, geriet bei der Kapitulation

im Raume Danzig mit einem Polizeiregiment in Gefangenschaft. Schon zwei Tage später begann

eine nicht endenwollende Fahrt in das Lager Perwo-Uralsk, 2000 km östlich von Moskau entfernt

und 1 ½ km von der Europa-Asien-Grenze gelegen. Dort lebte Jahnke elf Jahre hinter Stacheldraht.

In den letzten zwei Jahren versah er Sanitätsdienst im Lager. Bei der Abfahrt, es war der letzte

Transport aus diesem Lager, blieben noch 23 Mann zurück. Erst wenn diese den russischen Entlassungsbehörden

einen deutschen Staatsangehörigkeitsnachweis beibringen, werden auch sie

entlassen. Der Transport wurde nachts durch die sogenannte DDR geschleust. Über den Stop der

Heimkehrertransporte berichtet Heimkehrer Jahnke, daß die Russen immer erklärt hätten, ihrer

Regierung gefiele nicht der laute Empfang der ersten Transportwelle in Friedland und beim zweiten

Stop erklärten die Russen, es hänge mit der Errichtung der russischen Botschaft in Bonn zusammen.

Als besonderes Erinnerungsstück brachte der Heimkehrer aus der Gefangenschaft eine aus

russischer Birke selbstgebaute Konzertgitarre für seinen Sohn mit.“ 3

Ratssitzung

„Gartow. Auf der Ratssitzung im Gemeindesaal begrüßte Bürgermeister Hennings besonders

die anwesenden Heimkehrer Geigenmüller und Jahnke und überreichte ihnen im Namen des

Gemeinderates das Heimatbuch von Rudolf Haberland „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-

Schnackenburg“. Der Rat genehmigte die vorliegende Abrechnung des Haushaltsplanes für 1954.

Haushaltsplan und Haushaltssatzung für 1955 wurden nach eingehender Erläuterung durch Gemeindedirektor

Junack angenommen. Die Hebesätze bleiben auch für das folgende Geschäftsjahr

unverändert. Eine Entschädigung für die Hochwasserbekämpfung ist bisher noch nicht eingegangen.

Dem Wunsche der Kreissparkasse auf Verkauf von 41 qm Zwischengelände wurde stattgegeben.

Der Kostenvoranschlag für die Kanalisation in der Springstraße liegt vor. Die Höhe der Kosten

gestatten es aber noch nicht, dieses dringende Vorhaben sofort in Angriff zu nehmen. Durch eine

finanzielle Beteiligung der Molkerei und der Anlieger dieses Straßenzuges sowie durch verbilligte

Arbeitskosten durch Einsatz der Gemeindearbeiter würde man einer Lösung dieses Problems

schon näher kommen. Das Projekt wird nicht fallen gelassen.

393


Die Trockenlegung des Prezeller Weges ist dringend geworden. Die Kosten betragen rund 3800

DM. Eine Packlage aus einer Kiesgrube würde billiger sein. Sie würde unzureichend bleiben und

ist für schwere Fahrzeuge nicht geeignet. Dieses Problem bleibt bestehen. Die Rattenbekämpfung

soll wie im Vorjahr durch die Gemeindearbeiter durchgeführt werden. Die Kosten betragen 1,- DM

je Grundstück. Gut bewährt hat sich nach Beobachtung der letzten zwei Jahre das Aufstellen von

Fangkisten mit vergiftetem Köder an ruhigen Stellen des Grundstücks. Die Hauptsatzung nach § 7

der Niedersächsischen Gemeindeordnung wurde vom Rat nach eingehender Beratung beschlossen.

Sie bedarf noch der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Der Verwaltungsausschuß gab einen

Antrag des Vorsitzenden der Stierhaltungsvereinigung bekannt, in dem um Erhöhung des

Jahreszuschusses auf 300 DM gebeten wird. Um sich einen Ueberblick über die finanzielle Lage

machen zu können, soll der Vorstand um Vorlage der Abrechnung über Ein- und Ausgaben für die

Geschäftsjahre 1954/55 gebeten werden. Zu der Beschlussfassung im Verwaltungsausschuß soll

der Vorstand eingeladen werden. Der Rat beschloß, dem Wunsche der Mittelschule entgegenzukommen

und die nächste Ratssitzung so zu legen, daß die Schule teilnehmen kann. Der Vorschlag

des Ratsvorsitzenden Hennings, die nächste Sitzung mit anschließender Bürgerversammlung auf

einen Sonnabendnachmittag zu legen, wurde angenommen. Schaden an Gebäuden, die durch die

Messungen der Erdölversuche entstanden sind, müssen beim Meßtrupp in Gorleben umgehend

gemeldet werden. Verschiedene Schäden sind bereits festgestellt worden. Eine sehr dringende Angelegenheit

ist die Seegeregulierung. 40 bis 50 Morgen Wiesen stehen schon bei geringem Regen

unter Wasser. Verschiedene Eingaben bei der Seegegenossenschaft blieben unbeantwortet. Die

Grundsteuer muß bezahlt werden.

Der Rat beschloß, nunmehr das Ordnungsamt anzurufen. Die Straßenverwaltung soll aufgefordert

werden, einen Stubben auf dem Fußsteig der Springstraße entfernen zu lassen, da dieser bereits

einen Personenschaden verursacht hat.“ 4

Die neu erbaute Brücke aus Stahlbeton über die Seege war für den Verkehr freigegeben worden.

Bald eine Bürgerversammlung in Gartow

In nichtöffentlicher Ratssitzung, vom stellv. Bürgermeister Alpermann eröffnet und mit Adameck

als Schriftführer, wurden der Aufsichtsbehörde für das Amt des Standesbeamten und für die Leitung

des Schiedsamtsbezirks Gartow Hermann Korte und Lothar Lehmann vorgeschlagen. Über

den Antrag der Stierhaltungsvereinigung auf Erhöhung des Jahreszuschusses wurde noch nicht

entschieden, es soll noch eine Rücksprache stattfinden. In der Beratung über die Unterhaltung

und Verkehrssicherheit der Bürgersteige wurde eine Plattenlegung auf dem Fußsteig von der alten

Post bis zur Molkerei für dringend notwendig erachtet. Die gegenüberliegende Seite kann erst

berücksichtigt werden, wenn die Kanalisation erfolgt ist. Durch einen Kreiszuschuß im Rahmen

des „Grünen Planes“ wurde der Beginn der dringend notwendigen Arbeiten am Schulweg Molkerei-Schützenplatz

möglich. Der Rat beschloß die Abhaltung einer Bürgerversammlung für Anfang

August im Hotel Deutsches Haus. Mittel- und Volksschule sollen dazu eingeladen werden.“ 5

Ratssitzung

Bürgermeister Hennings würdigte die gute Zusammenarbeit des Gemeinderates in den ablaufenden

vier Jahren. Nach einem Hinweis auf die in diesen vier Jahren geleistete Aufbauarbeit, die

nach außen durch den weiteren Ausbau der Badeanstalt, die Fertigstellung des Nienwalder Weges

und den Bau eines Sechsfamilien-Wohnhauses sichtbar wurde, erteilte er dem Ratsherrn und

Gemeindedirektor Junack das Wort für einen ausführlichen Bericht. Dieser vermittelte der jungen

Zuhörerschaft einen Ueberblick über die mannigfachen Aufgaben.

394


Besondere Anerkennung zollte Gemeindedirektor Junack dem seit dem 14. Juli 1946 ohne Unterbrechung

im Amt befindlichen Bürgermeister Hennings, der in diesen zehn Jahren durch Tatkraft,

Arbeitseifer und Idealismus erfolgreiche Arbeit in der Nachkriegs- und Reichsmarkzeit wie nach

der Währungsreform geleistet hat.

Zugleich mit der Haushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1955 wurde der Bericht des Kommunalprüfungsamtes

Lüchow für die Jahre 1954 und 1955 beraten, die geringen Haushaltsüberschreitungen

wurden einstimmig genehmigt und gemäß dem Vorschlag im Prüfungsbericht der

Verwaltungsausschuß und der Gemeindedirektor entlastet. Der 1955 erstmalig seit 1945 auftauchende

Fehlbetrag von knapp 8000 DM konnte auch im Haushalt für 1956 nicht gedeckt werden,

der wiederum mit einem Fehlbetrag abschließt. Aus den Unterlagen ist die Ursache des jetzigen

Defizits ersichtlich: Es sind die gesteigerten Ausgaben, mit denen die Einnahmen nicht Schritt

gehalten haben. Nicht unbeträchtlichen Anteil an den Fehlbeträgen der beiden Jahre hat auch die

Kreisumlage, die sich von 47 Prozent im Jahre 1950 auf 61 Prozent seit 1954 gesteigert hat. Auch

die Aufwendungen für das Schulwesen haben sich erhöht, obwohl die Uebernahme der persönlichen

Kosten durch das Land eine fühlbare Senkung dieser Ausgaben bringen sollte. Nicht Schritt

gehalten mit den steigenden Ausgaben haben die Einnahmen an Steuern, im Gegenteil ist bei der

Gewerbesteuer seit 1952 ein jährlicher Rückgang zu verzeichnen. Dieser Rückgang wird auch

erklärlich bei dem Vergleich der Einwohnerzahlen: am 1. September 1950 rund 1930, am 31.

März 1956 nur noch 1517. Alle seit Kriegsende unternommenen Versuche, für die vorübergehend

auf das Doppelte gewachsene Bevölkerung Dauerarbeitsplätze zu schaffen, sind gescheitert, da

weder nennenswerte Industrie vorhanden war noch neue Industrien herangeholt werden konnten.

Daß dabei die unmittelbare Nähe der Zonengrenze mitspricht, steht außer Zweifel.

„Enttäuschung bereitet die sich verschlechternde finanzielle Lage den Gewerbe treibenden, die

eine Herabsetzung der Gewerbesteuer erhofft hatten. Bürgermeister Hennings bezeichnete es

aber auch als einen ungangbaren Weg, etwa durch Steuererhöhung das Defizit auszugleichen.

Eine weitere Belastung durch erhöhte Steuern würde eine weitere Verschlechterung und Verkleinerung

der Kapitaldecke aller Betriebe bedeuten, die dann in finanzielle Schwierigkeiten geraten

würden und mit ihnen die Gemeinde. Der einstimmige Beschluß lautete auf Beibehaltung der

bisherigen Hebesätze (Grundsteuer A = 210 Prozent, „B“ ist 250 Prozent, Gewerbesteuer 250

Prozent).“ 6

Gemeinderatswahl

„Von knapp 1000 Wahlberechtigten beteiligten sich 81% an der Wahl. Die Gemeindewahlliste mit

41 Kandidaten erbrachte auf 799 Stimmzetteln 2231 Stimmen, und zwar für die SPD 918, für die

CDU (die Bewerber waren ohne Ausnahme parteilos) 608, für die DP 486, für den BHE 147 und

für die FDP 72.

Auf die Wahlvorschlagsverbindung CDU, DP und BHE entfielen 6 Sitze und zwar je 3 auf die CDU

und DP. Der GB/BHE ist im neuen Gemeinderat nicht wieder vertreten. Die SPD konnte 5 Sitze

erringen. Es wurden gewählt: SPD = Wilhelm Kraasmann (292), August Tiemann (105), Hermann

Ölschläger (100), Hermann Tiemann (94), Wilhelm Tege (75); CDU = Wilhelm Junack (168), Dr.

v. Oppen (133), Ernst Schmidt (122); DP = Paul Hennings (202), Franz Alpermann (77), Heinrich

Baark (60).“ 7

395


Ratssitzung

„Die Ratssitzung im März diente hauptsächlich der Bekanntgabe der in der Februar-Sitzung … gefaßten

Beschlüsse. An erster Stelle wurden Personalangelegenheiten behandelt wie die einstimmige

Wahl des seit März 1946 in der Gemeindeverwaltung beschäftigten Angestellten Sabel zum

hauptamtlichen Gemeindedirektor ab 1.April 1957 auf die Dauer von 6 Jahren, die Einstellung des

ehem. RAD-Amtswalters Rosenberg als Kassenangestellter an Stelle des freiwillig zur Bundeswehr

gegangenen Angestellten Reinecke und die Einstellung eines weiblichen Lehrlings zum 1. April.

Weiterhin berichtete Bürgermeister Schmidt über die Ablehnung eines Kaufangebotes für das

Wohngrundstück Hahnenberger Str. 26. Die Mehrzahl der Ratsherren vertrat den Standpunkt,

daß bei den wenigen Liegenschaften, die sich noch im Besitz der politischen Gemeinde befinden,

weitere Veräußerungen nicht vorgenommen werden dürfen. Ratsherr Henning beantragte die

dringende Räumung zweier besonders wichtiger Gräben in der Flur 6 (Hahnenberge). Auch dieser

Antrag fand einstimmige Annahme …“ 8

„…In den beratenden Ausschuß der Lüneburger Entschädigungsbehörde für die Opfer nationalsozialistischer

Verfolgung wurden in der Kreistagssitzung aus unserem Kreis für ein weiteres Jahr

als Beisitzer Frau Käthe Henning aus Gartow und Maschinenarbeiter Richard Kelm aus Gartow

gewählt, die bereits seit 1952 dieses Beisitzeramt infolge ständiger Wiederwahl innehaben.“ 9

„Eine bemerkenswerte Erleichterung wird am Rentennachzahlungstag, am 13. April, den beteiligten

Rentnern durch das Postamt Gartow insofern gewährt, als durch die Teilung der Auszahlungszeit

in die Vor- und Nachmittagsstunden der bisherige starke Andrang vermieden werden

soll. Die erst vor wenigen Jahren erfolgte Erweiterung der Räume für die Publikumsabfertigung ist

inzwischen vollkommen unzulänglich geworden. Die Schließfachbesitzer und Fernsprechzellenbenutzer

müssen sich um die wartenden Rentner herum durchdrängen und auch der allgemeine

Abfertigungsschalter ist genau so schwer zugänglich. Nun soll dieser Zustand dadurch vermieden

werden, dass die in der Haupt- und Springstraße wohnhaften Rentenempfänger vormittags zwischen

10 - 12 Uhr und alle übrigen nachmittags von 15 - 16.30 Uhr ihre Rente in Empfang nehmen

können …“ 10

„Nachdem die Amtszeit der im Jahre 1951 zum ersten Mal gewählten Vertreter der Gemeinden

zum Steuerausschuß beim Finanzamt abgelaufen ist, waren mit Wirkung ab 1. April neue Gemeindevertreter

und deren Stellvertreter zu wählen … Es werden für die nächsten 6 Jahre im Steuerausschuß

die Gemeinde vertreten: Gemeindedirektor Erich Sabel und als Stellvertreter Kaufmann

und Landwirt Wilhelm Junack.“ 11

Mit Beginn des Jahres 1958 kam es in Gartow zur Einführung neuer Hausnummern. 12

5.12.1957: Geschäftseröffnung Kurt Raddatz

1956: Anzeige Walter Ducke: Bindemäher

396


6.6.1956: Einladung zur Generalversammlung der

Molkereigenossenschaft Gartow

4.5.1956: Anzeige der Wendländischen Lichtspiele

26.1.1957: Anzeige zu einem dreitägigen kostenlosen

Nähkurs

19.1.1957: Anzeige W. Junack: Dreschmaschinen

Anzeige Kurt Raddatz zur Olympiade 1972

397


1971: Gesicherte innerdeutsche Grenze

Quellen und Literatur

1. Amtliche Bekanntmachungen der Kreisverwaltung Dannenberg 1947/48

2. Puffahrt, Otto: „Ausgewählte Nachrichten der Neuen Jeetzel-Zeitung Jahrgänge

1950 - 54“, Lüneburg 2008

3. Neue Jeetzel-Zeitung vom 21.1.1956

4. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 3.2.1956

5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 2.8.1956

6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 22.10.1956

7. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 31.10.1956

8. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 27.3.1957

9. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 2.4.1957

10. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 10.4.1957

11. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 25.4.1957

12. Amtsblatt für die Regierung Lüneburg 1958, S. 104 Nr. 321

398


Grenzprobleme

Nach dem am 8. Mai 1945 beendeten 2. Weltkrieg entstanden zwei unterschiedliche und gegeneinander

gerichtete Machtblöcke: die Staatengemeinschaft des Westens mit der Leitnation

Vereinigte Staaten von Amerika und die des Ostens mit der Leitnation Sowjetunion. Die politischen

Gegensätze führten recht schnell zur Teilung Deutschlands in West- und Mitteldeutschland mit

einer zunächst noch relativ durchlässigen, später jedoch hermetisch abgeriegelten Grenze. Noch

nie in der Geschichte hatte es eine so perfekt durchdachte Grenzanlage gegeben, die von 1945

bis 1990 zur deutschen Schicksalsgrenze wurde.

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg war aufgrund der historischen Landesgrenze schlagartig in

eine prekäre Abseitslage geraten, von drei Seiten von der deutsch-deutschen Grenze umgeben;

wobei im Norden die Elbe zusätzlich eine natürliche Barriere bildete. Diese Grenze wurde landläufig

als Zonengrenze, im Schriftverkehr als Demarkationslinie zur Sowjetzone bezeichnet. Sie

war 1381 km lang und trennte 57 Millionen Menschen in der Bundesrepublik von 17 Millionen in

der Sowjetzone, der späteren Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Sie forderte insgesamt

1135 Opfer, die bei Fluchtversuchen von Ost nach West ums Leben kamen.

Die innerdeutsche Grenze war bei noch laufenden Kriegshandlungen am 12. September 1944 im

sogen. Londoner Protokoll von den Alliierten festgelegt worden und wurde vom 1. Juli 1945 offizielle

Staatsgrenze. Für den Gartower Raum brach eine Zeit der wirtschaftlichen Stagnation, später

eines Rückganges an, der nur durch Gelder aus dem Zonenrandprogramm der Bundesrepublik einigermaßen

aufgefangen werden konnte. In den ersten Nachkriegswochen gab es Gerüchte, den

Gartower Zipfel oder sogar den gesamten Landkreis der Sowjetzone unter russischer Verwaltung

anzugliedern.

Die Bewachung der Grenze oblag zunächst russischen Militärstreifen, die ab Dezember 1946

von ostdeutschen Grenzpolizisten unterstützt wurden. Durch die Kontrollratsdirektionen vom 29.

Oktober 1946 und 23. April 1947 wurde für den Interzonenverkehr ein Interzonenpaß mit einer

Geltungsdauer von 30 Tagen je Besuch eingeführt. Die Passregelung ist im November 1953 aufgehoben

worden. Reisen mußten bei den jeweiligen Staatsbehörden beantragt werden.

Im DDR-Paßgesetz vom 11. Dezember 1957 wurde das Verlassen des DDR-Gebietes ohne Genehmigung

scharf bestraft. Ohnehin waren inzwischen Tatsachen geschaffen worden:

Gemäß einer DDR-Verordnung vom 26. Mai 1952 war die Grenze auf DDR-Seite mit einem

10 m-Kontrollstreifen, einem 500 m-Schutzstreifen und einer 5 km-Sperrzone undurchlässiger

geworden. Die Zeiten von 1945/46, als es in Gartow ein provisorisches Notaufnahmelager für

Grenzübergänger aus dem Osten gab, sich ganze Familien durch kundige Führer illegal vom Osten

in den Westen bringen ließen oder auch selbst ihr Glück versuchten und noch ein florierender

Interzonenverkehr mit Handels-, Tausch- und Schmuggelware existierte, waren endgültig vorbei.

Trotz allem wurde immer wieder versucht, die Grenze zu überwinden, sei es an der Elbe oder auch

weniger oft an der Landgrenze.

Zur Unterbindung des Schmuggels, bald darauf aber nur noch zur Grenzsicherung, hat die britische

Administration auf westdeutscher Seite deutsche Hilfspolizei eingesetzt, anfangs noch ohne

Bewaffnung. Ab April 1949 kamen dann als Ablösung die (bewaffneten) Zollbeamten als Zollgrenzschutz,

später als Zollgrenzdienst bezeichnet. In Gartow wurde ein Zollkommissariat eingerichtet,

399


zudem entstand eine besondere Reiterstaffel, um die ausgedehnten Waldgebiete des Gartower

Forstes entlang der Grenze beaufsichtigen zu können. 1

Die Perfektionierung der Grenzanlagen ist von DDR-Seite planmäßig vorangetrieben worden: Vom

1. Dezember 1955 an wurde die „Staatsgrenze West“ ausschließlich von der ostdeutschen Grenzpolizei

bewacht, russische Streifen gab es nicht mehr. Am 15. September 1961 wurde die militärisch

organisierte ostdeutsche Grenzpolizei mit etwa 50000 Mann als „Kommando Grenze“ in

die Nationale Volksarmee eingegliedert. Gräben, Stolperdrähte, Minenfelder, Hundelaufanlagen,

optische und elektrische Alarmanlagen, Unterstände, Wachtürme, Drahthindernisse, Erdbunker

und schließlich der Metallgitterzaun mit Selbstschussanlagen waren eigentlich unüberwindlich. In

zähen Verhandlungen zwischen beiden deutschen Staaten, wobei später reichlich Geld von West

nach Ost floß, wurden Reiseerleichterungen besonders für Westdeutsche erreicht: 1971 Transit-

Abkommen, 1972 Verkehrsvertrag, Grundlagenvertrag usw., wobei 1983 dann der Abbau der

Selbstschußanlagen am Grenzzaun erreicht werden konnte.

Nach sechsjährigen Verhandlungen einigte sich 1978 eine Grenzkommission auf den genauen,

zuvor in vielen Abschnitten strittigen Grenzverlauf mit Ausnahme der Grenze an der Elbe. Die Elbe

wurde beiderseits mit Wasserfahrzeugen kontrolliert, auf ostdeutscher Seite mit Schnellbooten

der Nationalen Volksarmee und auf westdeutscher Seite mit Motorbooten des Zollgrenzschutzes

und der Wasserschutzpolizei. Um bei der Ausrüstung gegenüber den DDR-Schnellbooten gleichzuziehen,

erhielt der bundesdeutsche „Wasserzoll“ ab 1978 zwischen Schnackenburg und Lauenburg

ebenfalls moderne Schnellboote der „Coronet“-Klasse mit Seefunk- und Radarausrüstung.

In Schnackenburg existierte eine Zollschiffsstation, die auch am dortigen Kontrollpunkt Binnenschiffe

abfertigte.

Ab 1951 kam zur Grenzsicherung auf westdeutschem Gebiet noch zum Zollgrenzdienst der Bundesgrenzschutz,

im Gartower Raum war das Grenzschutzkommando Nord zuständig. Es war in

Neu Tramm stationiert. 2

Eine schlimme Situation entstand beim Elbehochwasser Dezember 1974/Januar 1975, als Bauern

aus Kapern angeschwemmte Kunststoff-Tretminen von der DDR-Grenze auf ihren Feldern fanden.

Entlang des Grenzabschnittes Gartow-Schnackenburg sind 10000 Minen verlegt worden.

An der Seegebrücke in Gartow wurde eine Auffangvorrichtung installiert, um Minen bergen zu

können. Wie durch ein Wunder gab es durch die angeschwemmten Minen kein Unglück.

Um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Landkreis Lüchow-Dannenberg bzw. im Grenzbereich

zu mildern, verabschiedete die Bundesregierung 1971 das sogen. Zonenrandförderungsgesetz,

wobei z.B. im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“

Gelder von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt wurden. Allein die nur im Zonenrandgebiet

möglichen erhöhten Sonderabschreibungen und steuerfreien Rücklagen für betriebliche

Investitionen brachten Steuerersparnisse in Milliardenhöhe. Nicht nur die Wirtschaftskraft wurde

auf diese Weise gefördert sondern auch eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse und Erhöhung

des Wohn- und Freizeitwertes einschließlich „des Ausbaues sozialer und kultureller Einrichtungen“

wurde angestrebt.

1956 wurde festgestellt:

„Der Kreis als Standort für Gewerbebetriebe: die Nachteile des Kreises sind ganz offensichtlich

gegeben.“ In den relativ weiten Entfernungen der Wirtschaftszentren der Bundesrepublik, in der

400


psychologisch abschreckenden Wirkung der Nähe zur Zonengrenze, in der auch persönlich unbequemen

Randlage des Kreises, die eine Bewegungsfreiheit nur nach einer Richtung (Westen) hin

zuläßt.

Die Vorteile: Der einzige wirkliche Vorteil für Gewerbeansiedlungen, den der Raum bietet, liegt in

seinem Arbeitskräftepotential.“ 3

Auch die Landwirtschaft war in Mitleidenschaft gezogen: „Der Landkreis ist ein ausgesprochener

Agrarkreis mit mittleren, kleinen und kleinsten Betriebsformen (insgesamt 6350 landwirtschaftliche

Betriebe), die in der Regel kaum die Größe von 20 - 25 ha überschreiten und im Durchschnitt

annähernd gleichmäßig auf Ackerbau und Grün-Landwirtschaft eingestellt sind…“ Hinzu kamen

die unzeitigen Überschwemmungen der Elbe in der Aland- und Seegeniederung sowie im Elbvorland

und die binnendeichs auftretenden Schäden infolge Qualmwasser. 4

Die wirtschaftlichen Zustände verschlimmerten sich immer mehr, obwohl die Bundesregierung

dem damaligen Bundesernährungsminister Lübke allein im Jahr 1956 rd. 292 Mio. DM zur Verfügung

stellte. Dieses Geld war für die Flurbereinigung, zur Seuchenbekämpfung (Rindertuberkulose),

für ländliche Siedlungen und wasserwirtschaftliche Maßnahmen vorgesehen. Das Nieders.

Landvolk wies 1956 auf die schlechte Einkommensentwicklung der Bauern hin: „…Berücksichtigt

man diese Tatsache, so ergibt sich, daß die Bauern und ihre ständigen mitarbeitenden Familienangehörigen,

in Vollarbeitskräfte umgerechnet, nur ein Durchschnitts-Jahreseinkommen von 1300

DM haben. Damit liegt die Landwirtschaft mit Abstand unter sämtlichen anderen Wirtschaftszweigen;

betrug doch im gleichen Zeitraum der Jahres-Durchschnittsverdienst der angelernten

gewerblichen Arbeiter 4850 DM …“ 5

Damals forderte Bauer Erwin Jürgens aus Holtorf, Vorsitzender des Landvolk-Bezirksverbandes

Gartow: Trinkmilchpreis-Erhöhung, Fortfall des Dieselzolls und der Umsatzsteuer aber auch die

Lösung der „Sozialprobleme im bäuerlichen Lebensbereich in der Mehrzahl unserer Betriebe, in

denen mit 20 bis 80 Morgen Größe (Arbeitszeit, Lohn, Frauen- und Kinder-Arbeitsschutz, Urlaub,

Sozialversicherung usw.) …“ 6

Die missliche Lage nicht nur in der Landwirtschaft sondern allgemein bewog Hans Borchardt aus

Kapern, sich für Verbesserungen einzusetzen, was er zeit seines Lebens später als Samtgemeinde-Direktor

von Gartow mit großem Erfolg erreicht hat. Im April 1956 schilderte er u.a. die Situation

wie folgt:

„…Wenngleich in diesem Bezirk (Zonenrandgebiet) in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch

die Einwohnerzahlen anstiegen, einmal durch den Zustrom von Flüchtlingen aus den Ostgebieten,

von Evakuierten und Ausgebombten, zum anderen durch den ständigen unmittelbaren

Grenzübertritt von Flüchtlingen aus der Sowjetzone… so ist seit 1950 eine immer stärker werdende

rückläufige Tendenz festzustellen, die sich auf das Wirtschaftsleben der Gemeinden, die

unmittelbar an der Zonengrenze liegen, immer spürbarer auswirkt…Diese Entwicklung läßt die ungünstigen

Bedingungen, die durch die Zonengrenzziehung entstanden sind, für die unmittelbar an

der Zonengrenze liegenden Gemeinden immer deutlicher werden. Zusammenfassend die hauptsächlichsten:

Landverlust – Fehlen des Hinterlandes – Fehlen von Industrieanlagen – Ungünstige

Verkehrsbedingungen – Überhöhte Fahrt- und Frachtkosten…“ 7

Der damalige Bürgermeister Hans Borchardt aus Kapern ließ den Worten Taten folgen. Er scharte

die Bürgermeister im Bezirk Gartow-Schnackenburg um sich, deren Gemeinden alle unter den

401


schwierigen Verhältnissen lebten und im Dezember 1956 einen „Zonenrandausschuß“ bildeten,

dessen Sprecher er ebenfalls wurde. Dieser Ausschuß setzte sich energisch und mit Erfolg bei

den Landes- und Bundesbehörden für Verbesserungen der Wirtschaftskraft des Gartow-Schnackenburger

Raumes ein. Die Stadt Schnackenburg verdeutlicht die Abwanderung: 1945 zählte die

Stadt noch 1000 Einwohner, 1956 nur noch 699.

Als die Printmedien das Thema vom vergessenen Teil Westdeutschlands bundesweit bekannt

machten, regte sich auch die Politik. Die Liste der Gemeindewünsche erstreckte sich von Ausnahmeregelungen

bezüglich des Tourismus besonders in Gartow, der Frachtgebühren von Bahn

und Straße (Beihilfen), Ausbau der Straßen, Bau einer massiven Alandbrücke in Schnackenburg,

Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse, Befreiung von der Kreisumlage usw. Oberkreisdirektor

Lübbert erklärte öffentlich, daß „die übliche Zonenrandhilfe hier nicht reiche, sondern

daß umfangreiche und baldige Sondermaßnahmen nötig wären …“ 8

Die Klagen der dem Zonenrandausschuß angehörenden 13 Gemeinden blieben nicht ungehört.

Bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 flossen so viele Finanzmittel in den Landkreis Lüchow-

Dannenberg wie, mit Ausnahme des Emslandes, in keinen anderen Teil der Bundesrepublik. Bis

zum Jahr 2004 sind nur im Sektor Wasserwirtschaft zwischen Meetschow und Schnackenburg

mehr als 50 Mio. DM (rd. 25 Mio. Euro) investiert worden. Der Ausbau der Binnenentwässerung im

Gartower Deich- und Wasserverband von 1953 - 1959 kostete 2 Mio. DM. Würde man die anderen

Bereiche wie den Ausbau der Infrastruktur, Wirtschaftsförderung und Steuererleichterungen und

die Investitionen in das Brennelemente-Endlager Gorleben mit allein rd. 1,3 Mrd. DM zusammenrechnen,

ergäbe sich eine beispiellose Summe für ein relativ kleines Gebiet. Trotz Finanzierung

eines „Lüchow-Planes“ konnte die Landwirtschaft nur mit Mühe einigermaßen stabilisiert werden,

zumal überstaatliche Reglementierungen und allgemeine Veränderungen in der westdeutschen

Wirtschaft deren Lage nicht verbesserten. 9

Indessen gäbe es zur Grenze und Grenzsituation noch viel mehr zu berichten aber das berührt

Gartow nicht unmittelbar. Nach dem Stand von 1978 waren auf DDR-Seite 191 km Grenze mit

29120 Selbstschußanlagen, 433 km mit rd. 1,1 Mio. Minen, 343 Hundelaufanlagen, 320 km

Lichtsperren, 455 Beobachtungstürme aus Beton dazu 121 Türme aus Holz und 991 Erdbunker

vorhanden. Das war welteinmalig. Dieser Umstand führte dazu, entlang der Grenze sogen. Grenzinformationspunkte

zu schaffen, wo die Trennung Deutschlands besonders sichtbar gewesen ist.

Informationstafeln, Führungen, Aussichtstürme, Broschüren, Handzettel sowie ein Informationszentrum

im ehem. Amtshaus in Schnackenburg, später das Museum im benachbarten „Fischerhaus“

brachte Besuchern die unselige Situation näher. Fast alle führenden Politiker der Bundesrepublik

und hochrangigen Vertreter aus dem Ausland besahen sich die Grenzsituation vor Ort.

So z.B. Bundeskanzler Helmut Schmidt am 4. April 1981, wobei er auch in Gartow weilte. Noch im

März 1989, wenige Monate vor der Beseitigung aller Grenzanlagen, wurde bei Nienwalde mit dem

Abbau „der vorderen Reihe des doppelreihigen, über 2 m hohen Metallgitterzaunes… begonnen…

Moderne Elektronik tritt an die Stelle der augenfälligen Sperren…“ 10

Von 1973 an war es dann möglich, in Tagesausflügen im sogen. grenznahen Bereich von der

Bundesrepublik aus in DDR-Grenzkreise zu reisen. Als nächstliegender Grenzübergang diente

Bergen/D., wo jährlich von 1977 bis 1979 zwischen 28 000 und 32 000 Personen ein- und ausreisten.

Als sich im November 1989 die deutsche Wiedervereinigung abzeichnete, wurden bis zur

faktischen Wiedervereinigung ein Jahr später, Grenzübergänge südlich von Kapern bei Bömenzien

für die Landgrenze und bei der Fähre Pevestorf für die Elbegrenze eingerichtet.

402


Zollkommissariat Gartow

Infolge der deutsch-deutschen Teilung seit 1945 wurde die Überwachung der neuen Grenze auf

westdeutschem Gebiet notwendig. Diese Aufgabe übernahmen zunächst Zollbeamte. In Gartow

mit seinem weiten, waldreichen Hinterland und der schwer zu überwachenden Landesgrenze entstand

ein besonderer Zollstützpunkt: Es wurde – einzigartig im Bundesgebiet – bis zur Wiedervereinigung

eine Zollreiterei eingerichtet. Bis 1990 taten hier zahlreiche Beamte ihren Dienst als

berittene Zollbeamte.

27.5.1955: Schreiben an Zollass. Hans Guss, Kapern

22.4.1949: Gesetz über die Zolleitstelle und den Zollgrenzdienst vom 11.4.1949

403


Die geschichtliche Entwicklung dieser einmaligen Institution wurde bis Anfang 1972 aufgezeichnet:

„Im Frühjahr 1949 wurde die Überwachung der Demarkationslinie zur DDR (im Volksmund Zonengrenze

genannt) von dem damaligen Wirtschaftsrat des vereinigten Wirtschaftsgebietes dem

Zollgrenzdienst übertragen.

Von der Kapitulation im Mai 1945 an bis zu diesem Zeitpunkt überwachten britische Soldaten und

die niedersächsische Landespolizei die Zonengrenze in Niedersachsen.

So kamen 1949 auch in den Gartower Raum und nach Gartow die ersten Zöllner. Sie richteten

in Gartow – wegen der günstigen zentralen Lage – das erste Zollkommissariat im früheren Haus

Tramms am Gedelitzer Weg 11 ein. Als dieses Haus später als Wohnung für den Leiter des Kommissariats

benötigt wurde, fand eine Verlegung desselben dann in Köhns Gasthaus statt. Dort verblieb

das Kommissariat bis zur Errichtung des heutigen Dienstgebäudes Hahnenbergerstr. 52/54

im Jahre 1960.

Die ersten Zöllner versahen ihren Dienst überwiegend zu Fuß oder auf Fahrrädern. Dabei zeigte

sich schon bald, daß in dem ausgedehnten Waldgebiet von Wirl bis Kapern mit den vielen unbefestigten

Wegen, die zum Teil sehr eng, zum andern sehr sandig, auch morastig waren, recht gut

Pferde im Grenzaufsichtsdienst einzusetzen wären.

Im Herbst 1953 bekam der damalige Zollkommissar Sonnenberg von der Oberfinanzdirektion

Hannover den Auftrag, alle Vorbereitungen für die Errichtung einer berittenen Grenzaufsichtsstelle

in Gartow zu treffen. Gedacht war an eine kleine Grenzaufsichtsstelle, die von 4 Zollbeamten mit

ihren Pferden besetzt werden sollte.

Sonnenberg, selbst Pferdefreund und Reiter, kam dieser Aufgabe nur zu gerne mit großem Eifer

nach. Er fand in seinem eigenen Gartower Bezirk drei junge Zöllner, westpreussische Bauernsöhne,

die aus Pferdezuchtgebieten stammten und gerne mitmachen wollten.

Um die Leitung dieser kleinen berittenen Abteilung bewarb sich ein älterer Zöllner aus dem Hessischen,

der ein eigenes, sehr edles Reitpferd besaß und zudem als Reitlehrer fungieren wollte.

Er wurde bald nach Gartow versetzt, leitete die Abteilung „schwungvoll“ viele Jahre und lebt noch

heute auf seinem Anwesen inmitten seiner Pferde an der Buchhorst.

Die Reitpferde wurden in Lanze (W. Schepmann), in Schletau (Fr. Schultz) und in Prezelle (B. Burmeister)

auf Abruf gekauft. Bei der Suche nach geeigneten Stallungen fiel die Wahl auf die Pferdeställe

auf dem Grundstück von Dr. Herbst in Hahnenberge. Mit dem damaligen Eigentümer, Herrn

Christian Herbst – Lüneburg, wurde schon bald ein Pachtvertrag abgeschlossen. Der Einrichtung

von vier Pferdeboxen stand nun nichts mehr im Wege. Holz gab es zumVorzugspreis im Sägewerk

August Herbst, wo Platzmeister Hermann Schultz nicht müde wurde, so lange zu suchen, bis die

passenden Stücke gefunden wurden.

Die Beschläge für die Boxentüren usw. sowie das Stallgerät lieferten die Firmen Junack und „Rosa

Delius“ auch zu sehr annehmbaren Preisen. Die Bauarbeiten „führten“ die Zöllner selbst durch.

Einer unter ihnen wurde dabei zu einem nahezu perfekten Zimmermann. So entstanden in verhältnismäßig

kurzer Zeit und ohne nennenswerte Unkosten für die Zollverwaltung schöne, geräumige

Pferdeboxen, eine Sattelkammer, eine Häckselkammer und ein kleiner Dienstraum.

Am 1. Februar 1954 zogen die vier Zöllner mit ihren Pferden auf das Dr. Herbst‘sche Grundstück in

Hahnenberge und richteten sich dort ein. Es sollte für Reiter und Pferde eine schöne Zeit werden,

für die heute noch ein „Dankeschön“ an Herrn Dr. Herbst und seine Gattin gesagt sei.

404


Die recht jungen, bislang ungerittenen Pferde, mußten langsam zugeritten – und an das herrliche

Gelände gewöhnt werden. Die Zöllner nahmen jede Gelegenheit wahr, um Land + Leute und das

Gelände kennenzulernen und auch auszukundschaften. Der Ausbilder, ein echter Württemberger

mit den wohl dazugehörenden „Fach- und Kraftausdrücken“ brachte Pferde und Reiter in relativ

kurzer Zeit auf einen recht guten Ausbildungsstand, sodaß der reguläre Grenzaufsichtsdienst bald

aufgenommen werden konnte.

In dieser Zeit wurde auch mit freundlicher Genehmigung des Herrn Gottlieb Graf v. Bernstorff, der

ja bis in sein hohes Alter ein Herz für Pferde hatte, unweit des „schwarzen“ Hecks ein Reitplatz

in idyllischer Lage eingerichtet. Mit seiner baumumstandenen Abgrenzung und seinen bunt gestrichenen

Hindernissen wurde er zu einem reiterlichen Schmuckplätzchen, das wohl heute noch

vorhanden ist und sicherlich weiterhin gern benutzt wird.

Für Reiter und Pferde brach nun eine schöne Zeit an und es dauerte gar nicht lange, bis ihnen

fast alle Wege und Stege im Raum Wirl-Nienwalde-Kapern genauestens bekannt waren. Zu jeder

Tageszeit, insbesondere in den frühen Morgenstunden, aber auch den anbrechenden Abendstunden

durch den ausgedehnten, hervorragend gepflegten gräflichen Forst zu reiten, war nicht nur

eine angenehme dienstliche Angelegenheit, sondern eine ausgesprochene Freude! Mit den gräflichen

Forstbeamten und den Waldarbeitern standen die „Zollreiter“ in einem sehr guten Verhältnis,

so daß es auf den Streifenritten nebenbei sehr viel Schönes zu beobachten und zu erleben gab.

Unvergeßlich bleiben davon die Zeiten der Damwildbrunft im Wirler Revier. Revierförster Waak

hatte dabei meistens auch noch Zeit für ein kurzes Gespräch mit Erklärungen über Forst und Wild.

Für das Pferdefutter hatten die Reiter selbst zu sorgen, Heu wurde damals von jedem selbst geerntet.

Besonderen Spaß machten deshalb auch die alljährlichen Grasauktionen im Elbholz und

am Wolfsberg, wo es Stücke zu pachten gab, die im Gartower Volksmund „Hals und Genick“ und

ähnlich genannt wurden. Förster Paul Harms war den Reitern bei den Grasauktionen immer gut

gesonnen und sorgte auf seine Weise dafür, daß sie gutes Heuland bekamen, das bei der Versteigerung

von ihnen auch bezahlt werden konnte. – Ihm, der später als Pensionär in Ratzeburg lebte,

gebührt heute noch ein nachträglicher Dank. – Mit und neben einem Erwin Teege auf „Hals und

Gnick“, wie er es sagte, die Heuernte mitzumachen, brachte viel Spaß und Freude mit sich und

bleibt eine unvergeßliche Erinnerung für die, die es erlebten.

Im Sommer wurden die Pferde außerhalb der Dienstzeit mit zum Baden in das Elbholz genommen,

wo ein etwas versteckt gelegenes Brack, das sich bestens als Pferdeschwemme eignete,

gefunden wurde. Hier konnten die Reiter mit ihren Pferden nach Herzenslust schwimmen. Es war

immer wieder ein Erlebnis, auf prustendem Pferd – sich an der Mähne festhaltend – um die Wette

zu schwimmen. Wegen der damit verbundenen Gefahr ist es allerdings evtl. Nacheiferern nicht

unbedingt zu empfehlen!

Ferner gab es damals noch Gelegenheit an den kleinen ländlichen Turnieren der Reitervereine in

Gartow u. Umgebung teilzunehmen, wo es nicht absolut nur um hohe Leistungen und Erfolge ging,

sondern vielmehr um das gemütliche Zusammentreffen mit der ländlichen Reiterjugend und ihren

Pferden. In jedem Herbst lud Herr Walter Herbst auch noch zu kleinen Reitjagden ein, an denen

sich die Zollreiter nur zu gern beteiligten und der Einladung dankbar nachkamen.

Im Sommer 1963 wurden die Prezeller berittenen Zollbeamten mit ihren Pferden aus organisatorischen

und dienstlichen Gründen auch nach Gartow verlegt. Seitdem stehen dort die Dienstpferde,

die im Zollgrenzdienst eingesetzt sind, in einem behördlich errichteten Pferdestall in der Wald-

405


strasse und den alten Stallungen auf dem Dr. Herbst‘schen Grundstück. Den Zollreitern kann nur

empfohlen bleiben, die Zeit ihrer dienstlichen Tätigkeit offenen Augen sinnvoll zu nutzen. Für die

Zollverwaltung ist zu hoffen, daß sie trotz mancher – wohl mehr haushaltsrechtlicher – Bedenken

die Pferdehaltung in Gartow, als übrigens einzig berittene Zollgrenzabteilung im Bundesgebiet,

beibehalten kann. So lange die Zollkommissare in Gartow selbst Pferdefreunde und Reiter sind

(wie z. Zt. wohl auch) und ihre Dienstvorgesetzten in Lüneburg, Hannover, Bonn, Interesse an der

Pferdehaltung und dem Einsatz der letzten Pferde der Bundeszollverwaltung im Zollgrenzdienst

haben, wird der berittene Zollbeamte wohl weiterhin zum täglichen Bild von Gartow und seiner

Umgebung gehören. Möge dieses lebendige Tagesbild für Gartow recht lange erhalten bleiben

können – sofern der Zollgrenzdienst vonnöten bleibt!

So gibt es sehr viel schöne Erlebnisse aus der Zeit vor nunmehr schon fast 20 Jahren, an die sich

die ersten berittenen Gartower Zöllner noch heute an ihren Schreibtischen in Hannover, Helmstedt

und Essen gern – vielleicht manchmal sogar mit etwas Wehmut im Herzen – erinnern. Ob es den

nachfolgenden Jahrgängen der Reiterkollegen auch so ergangen ist bzw. ergeht? K.B.“ 11

Die Zollreiter hatten neben ihrer dienstlichen Aufgabe auch ein wachsames Auge auf andere Vorgänge

gerichtet und waren dabei erfolgreich, wie die folgenden Berichte zeigen:

Zwei Lebensrettungen

„Wie erst jetzt bekannt wurde, rettete die Besatzung des Zollbootes „Gartow“ (ZOSchf. Imming u.

Ahke, ZOBM Dreyer u. ZOMM Harms) am 31.3. ds.Js. einen Meetschower Einwohner, der mit seinem

Schlauchboot auf der Elbe gekentert war, vor dem Tode des Ertrinkens bewahrt.

Am 19. April ds.Js. kam es zu einer weiteren Lebensrettung durch die Gartower Zollbeamten ZOAS

z.A. Ziegeler, Küver u. ZOA Janssen, GAST (mot) Gartow am Laascher See, als dort ein achtjähriges

Mädchen aus Vietze bereits seit rd. einer halben Stunde bis zur Brust im Wasser stehend

sich nicht mehr aus dem schlammigen Untergrund befreien konnte. Die Beamten waren durch

den Gartower PKW-Fahrer KHz. Maihack darauf hingewiesen worden, daß sich im Laascher See

offensichtlich ein Kind in Not befände. Da die Beamten von ihrem Standort aus nicht direkt und

sofort zu dem hilferufenden Kind wegen der morastigen Überschwemmungsflächen vordringen

konnten, umfuhren sie mit dem PKW schnell die Seefläche, um so günstiger in den Unfallbereich

zu gelangen. Unter gegenseitiger Absicherung durch ein Seil konnte das Kind dann schnell durch

die Beamten geborgen, trocken gerieben u. zunächst notdürftig bekleidet werden. Durch den inzwischen

über Funk verständigten Dr. N. konnte das stark unterkühlte Kind nach kurzer Zeit auch

ärztlich versorgt werden.

Was war geschehen? Mit 2 Spielfreundinnen hatte die Verunglückte gegen 13 Uhr ihren Heimatort

Vietze verlassen, um auf dem Laascher See Kahn zu fahren und angeblich zu angeln. Hierbei ist

Susanne L. gegen 16.00 Uhr über Bord gefallen. Als ihre Kameradinnen sie nicht wieder in den

Kahn ziehen und auch sonst aus dem schlammigen Untergrund nicht herausbekommen konnten,

entfernten sie sich um Hilfe zu holen. Inzwischen erfolgte die Bergung durch die Zollbeamten. Da

die beiden Freundinnen nicht nach Vietze zurückgekehrt waren, suchte man anschließend auch

nach ihnen und fand sie am Waldrand des Sees, wo sie sich ängstlich versteckt hatten.

Wenn auch in beiden Fällen keine Lebensgefahr für die Retter eintrat, so muß das Verhalten und

das umsichtig schnelle Handeln, dankend anerkannt und gewürdigt werden. Herzlichen Dank deshalb

an alle Beteiligten!

406


Beide Vorfälle zeigen uns aber auch wieder, daß nicht nur die Elbe, sondern auch unsere kleine

Seege und der so harmlos erscheinende Laascher See nach wie vor Gefahrenpunkte für unsere

heranwachsenden Kinder sind!“ 12

Der Staat ließ in Gartow, Schnackenburg und Kapern Wohnhäuser für die Beamten des Zollgrenzschutzes

bauen. In der Waldstrasse in Gartow fanden einige Beamte auch ihre zweite oder endgültige

Heimat.

April-Mai 1949: Abwesenheitsliste Grenzkommissariat Prezelle, GASt Nienwalde

407


Quellen und Literatur

1. Borchardt, Hans: „Und am Ende stand die Teilung Deutschlands…“, Lüneburg, 2004,

S. 146 - 213

2. Die Geschichte des Grenzschutzkommandos Nord, Hannover 1991, S. 311

3. Akademie für Raumforschung und Landesplanung: „Gutachtliche Äußerung zur Frage der

Entwicklung des Landkreises Lüchow-Dannenberg“, Hannover 1956, S. 29

4. Landkreis Lüchow-Dannenberg: „Zonengrenzlandfahrt im Landkreis Lüchow-Dannenberg,

Juni 1955“, S. 3

5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.1.1956

6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 26.1..1956

7. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 21.4.1956

8. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 25.1.1957

9. Seminar „Modellvorhaben Lüchow-Dannenberg – eine konkrete Hilfe für die Landwirtschaft?“

vom 22. - 24.11.1974

10. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.3.1989

11. Gartower Heimatbote vom 18. und 25.2.1972 „Fast zwanzig Jahre berittene Zollbeamte in

Gartow. Erinnerungen eines früheren Reiters.“

12. 12. Gartower Heimatbote vom 28.4. und 5.5.1972

408


Gartows weitere Entwicklung 1961 - 1972

Gemeindereform und Bildung der Samtgemeinde Gartow

1961 schuf der Gesetzgeber Voraussetzungen zur freiwilligen Bildung von Samtgemeinden und

belohnte Zusammenschlüsse mit zusätzlichen Finanzzuweisungen. In 14 Paragraphen der Samtgemeindeordnung

vom 19.4.1961 und ersetzt am 27.6.1963, sind Verfassungs- und Verwaltungsfragen

geregelt worden. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg schlossen sich daraufhin 222 vorher

selbstständige Gemeinden zu 20 Samtgemeinden zusammen. Nur 11 Gemeinden blieben weiterhin

selbstständig. Auf Grund des Gesetzes zur „Neugliederung der Gemeinden vom 10. Mai 1972“

kam die Gemeindereform zur Ausführung. Im Kreis Lüchow-Dannenberg wurden daraufhin fünf

Samtgemeinden gebildet. 1/2

Gerade für das Gebiet Gartow-Schnackenburg, verkehrlich und wirtschaftlich vom übrigen Bundesgebiet

abgehängt, war es wichtig, auch verwaltungsmäßig größere Einheiten zu bilden. Damit

war eine bessere Bündelung der Forderungen nach mehr finanzielle Unterstützung sichergestellt.

Auf freiwilliger Basis hat sich 1962 die Samtgemeinde Gartow mit den Gliedgemeinden: Gartow

(1123 Einw.), Brünkendorf (194), Gorleben (406), Gummern (46), Holtorf (188), Kapern (182),

Laasche (22), Lomitz (232), Meetschow (147), Nienwalde (220), Pevestorf (122), Prezelle (336),

Restorf (111) und Vietze (317 Einwohner nach dem Stand vom 30.6.1967) gebildet. Diese Verwaltungseinheit

umfaßte 167 qkm mit 3764 Einwohnern und arbeitete auf Grundlage der Samtgemeinde-Ordnung

vom 27. Juni 1963. Der Zusammenschluß wurde von der Landesregierung mit

Finanzbeihilfen honoriert.

Um die Verhältnisse in Gartow vor der Samtgemeinde-Reform besser zu verstehen, wird hier ein

Beitrag von Herrn Dr. Konrad von Oppen MdL von 1959 - 1970 veröffentlicht. Dr. von Oppen (†

30.04.1987) wohnte in Gartow und war mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut:

„Dem Besucher präsentiert sich der Ort Gartow mit dem Barock-Schloß und -Kirche, umgeben auf

der einen Seite von Kiefernwaldungen, auf der anderen Seite von der Elbeniederung, auch mit

einigen schönen alten Häusern im Ortsbild, immer sehr reizvoll; aber hinter diesem malerischen

Bild verbirgt sich eine unglückliche Wirtschaftslage. Die Zonengrenze ist im Norden, Osten und

Süden nur wenige Kilometer entfernt und schließt nach diesen Himmelsrichtungen den Verkehr

hermetisch ab. Der Verkehr fließt nur auf zwei mäßigen Kreisstraßen nach Westen. Die Kreisstadt

Lüchow mit Amtsgericht und Finanzamt ist 25 Kilometer entfernt, eine Kleinbahnstation 17

Kilometer, die nächste Vollbahnstation (Dannenberg-Ost) 27 Kilometer, die nächste Zuckerfabrik,

auch D-Zug-Station, in Uelzen sogar 68 Kilometer. Der öffentliche Personenverkehr nach den

Städten Lüchow und Dannenberg wird durch Postbusse bedient (Fahrzeit 40 bzw. 50 Minuten).

Die Busse verkehren werktags von 5 bzw. 6 Uhr täglich fünfmal; die letzte Fahrtmöglichkeit aus

Gartow heraus um 15.45 Uhr!), während der Frachtverkehr ab Dannenberg einer Speditionsfirma

obliegt. Einen Durchgangsverkehr gibt es überhaupt nicht. Es leuchtet ein, daß für alle einkommenden

und herausgehenden Güter eine erhebliche frachtmäßige Belastung eintritt. Man hat

ausgerechnet, daß diese zusätzliche Belastung z.B. gegenüber Dannenberg etwa 0,50 DM je 50

Kilogramm beträgt. Der Ort Gartow bildet zwar innerhalb dieses östlichsten Zonenrandgipfels von

Niedersachsen für etwa 10 Dörfer einen gewissen Mittelpunkt, aber wie bescheiden diese Mittelpunktrolle

ist, ergibt sich aus folgendem: Die Einwohnerzahl betrug 1939 1135 Einwohner, stieg

im Jahre 1947 auf 1753 Einwohner und sank dann laufend bis 1961 auf 1460 Einwohner, von

denen etwa 70 Zollbeamte und deren Familienangehörige sind. Infolge der Abwanderung sind

die Erwerbslosen allerdings verschwunden. Im Orte befindet sich außer einer allgemeinbildenden

Schule mit ungefähr 120 Schülern eine Kreismittelschule mit ungefähr 130 Schülern. Je zwei

409


Ärzte und Zahnärzte, ein Tierarzt sowie eine Apotheke, gelegentliche Sprechtage des Amtsgerichtes

und der Kreisverwaltung ziehen einige Besucher von auswärts an. Außer vier Bäckern, zwei

Fleischern, einigen Kolonialwarenhändlern, fünf Gastwirtschaften gibt es zwei Sägewerke (davon

eins mit Baugeschäft) und eine Genossenschaftsmolkerei mit Kartoffeldämpfanlage. Seit etwa

zwei Jahren arbeitet in ermieteten Räumen eine Nähwerkstatt, die 40 weibliche Kräfte beschäftigt.

Das Kreisaltersheim, auch in gemieteten Räumen, mit etwa 60 Insassen tätigt seine Einkäufe

im Ort. Ein Kulturverein veranstaltet im Winter Vorträge und dergleichen. Eine gute Bücherei der

Gemeinde wird viel benutzt.

Die Finanzgebarung der Gemeinde ist sparsam. Die Hebesätze der Kommunalsteuern betragen

bei der Grundsteuer A 280 Prozent, bei der Grundsteuer B 275 Prozent und bei der Gewerbesteuer

295 Prozent. Auf Grund des Steueränderungsgesetzes 1961 werden von bisher etwa 50000 DM

Gewerbesteuer mindestens 90 Prozent wegfallen. Die Grundsteuerbelastung erscheint auf den

ersten Blick nicht besonders hoch, es muß aber beachtet werden, daß von der Gemarkung des

Ortes von insgesamt 1753 Hektar mehr als die Hälfte innerhalb eines Deichverbandes liegen,

der jetzt nach Ausbau der Entwässerung etwa 30 DM je Hektar jährlich an Beiträgen erheben

muß. Weitere etwa 100 Hektar der Ortsgemarkung liegen im Rückstaugebiet der Elbe, was zu

sehr üblen Schäden in den letzten Jahren geführt hat. Zur Abrundung des Bildes noch dieses:

1960 betrug die Zahl der Übernachtungen 2425. Es handelt sich dabei nur zum kleinen Teil um

Erholungsuchende. An schönen Sommer-Sonntagen fahren zwar viele Kraftfahrzeuge durch den

Ort aber Geld bleibt dadurch im nennenswerten Umfange im Ort nicht hängen. Der einzige Tankstelleninhaber

im Ort, der davon etwas spüren müßte, verneint wesentliche Mehreinnahmen an

solchen Tagen. Völlig unwichtig für den Verkehr des Ortes ist die dicht vorbeifließende Elbe, die

auch für den Fischer wegen ständig zunehmender Verschmutzung und üblen Geruch der Fische

(Aale) immer uninteressanter wird. Der Schiffsverkehr auf der Elbe geht am Ort vorbei.

Die Zahl der Wohnhausneubauten seit der Währungsreform

1948 (trotz acht total kriegszerstörten Wohnhäusern)

beträgt nur 24, wovon drei Häuser Wohnungen für

Zollbedienstete enthalten. Für die Wasserwirtschaft ist

innerhalb des Deichverbandes durch Entwässerungsmaßnahmen,

Neubau eines Schöpfwerkes und durch

den Wirtschaftswegebau seit 1954 eine ganze Menge

getan worden. Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die

Wirtschaft des Ortes lassen sich bisher nicht ermitteln.

Das hängt damit zusammen, daß gerade die umliegenden

Bauerndörfer, die den Vorteil dieser Maßnahmen haben,

wegen starken Grünlandanteils von der ungünstigen

Lage der Landwirtschaft besonders betroffen werden.

Hier wirkt sich natürlich auch, ebenso wie beim Holzverkauf,

die oben geschilderte schlechte Verkehrslage aus.

1961: Die Hauptstrasse in Höhe Schuhhaus

Appelt

Was dieses Bild mit der Zonengrenze zu tun habe, könnte man fragen. Gegenüber dem Bundesdurchschnitt

in der Entwicklung zurückgebliebene Landgemeinden gibt es auch in anderen Gegenden.

Natürlich kann niemand genau beweisen, wie es wäre, wenn die Zonengrenze nicht wäre,

ob dann z.B. gegen die Hochwasser der Elbe mehr gemacht würde. Aber eins ist doch sicher: Der

Ort ist durch die Zonengrenze außerhalb der Verkehrswege Nord-Süd geraten. Die früher außer-

410


dem bestehenden Verkehrswege Ost-West existieren einfach nicht mehr. Aus einer Mittelpunktlage

im Dreieck Hamburg-Berlin-Hannover ist eine Randlage geworden. Welcher Gewerbe- oder Industriebetrieb

wird sich 25 Kilometer ab von der nächsten Vollbahnstation in eine dünn besiedelte

Gegend setzen? Welcher Pensionär nutzt die günstigen Bodenpreise zum Bau eines Häuschens

aus, wenn Kanalisation, Wegebau usw. fehlen? Die Randlage führt zu einer wirtschaftlichen Stagnation.

Daraus wieder folgt eine ungesunde Ruhe im kommunalen Leben; nur das Notdürftigste

wird gemacht. Das wieder lähmt das Wirtschaftsleben usw. Der Etat der Gemeinde konnte nur mit

großen Bedarfszuweisungen bisher ausgeglichen werden; wie das jetzt nach Wegfall von über 90

Prozent der Gewerbesteuer werden soll, ist ganz unklar. (Nebenbei gesagt wirkt sich das Verbleiben

der Gewerbesteuerlast bei zwei oder drei Gewerbetreibenden dahin aus, daß die Mehrzahl

der kleinen Kaufleute usw. am Gemeindeleben uninteressiert wird).

Kanalisation und öffentliche Wasserversorgung müßten geschaffen werden. Wege müßten befestigt

werden. Wer soll das bezahlen? Der Ort wird zum „Kaff“, wenn nicht grundlegend Abhilfe

geschaffen wird. Es handelt sich hier nicht nur um die Ansprüche des Bürgers auf die „zivilisatorische

Grundausstattung der Gemeinden“ (so völlig richtig der Landgemeindetag), sondern an der

Zonengrenze darüber hinaus um die Notwendigkeit, die Abwanderung abzustoppen und ein Bild

gesunden Lebens an der Zonengrenze in Niedersachsen zu zeigen. Oder sollen wir uns an der

Zonengrenze gegenseitig den Rücken zuwenden? Von den Machthabern in der Zone werden die

Dörfer an der Zonengrenze bekanntlich durch Gewaltmaßnahmen entvölkert.“ 3

Die Reaktionen auf die geplante Bildung von Samtgemeinden waren gespalten, was sich in einer

kurzen Abhandlung widerspiegelt:

„Bei der kommenden Neugliederung im Zuge der Gemeindereform im Raum Gartow geht es bekanntlich

darum, ob die Form einer Samtgemeinde auf der Basis freiwilliger Zusammenschlüsse

kleinerer Gemeinden zu solchen mit mindestens 400 Einwohnern als zukünftige Mitgliedsgemeinden

der „Neuen“ Samtgemeinde gewählt oder ob eine Einheitsgemeinde auf gesetzlicher Grundlage

für den Gesamtraum Gartow zwangsläufig gebildet wird.

Der Rat der Gemeinde Gartow hat sich in seinem Beschluß vom 10. März d.J. ganz klar und einstimmig

wegen der ungewöhnlichen Ausdehnung des Raumgebietes und wegen der ebenfalls

recht ungewöhnlichen Verschiedenartigkeit der für die Zusammenfassung in Frage kommenden

Gemeinden für das Modell einer Samtgemeinde entschieden.

Dabei hat der Rat ausdrücklich festgelegt, daß er es den Gartow benachbarten Gemeinden (Nienwalde,

Laasche, Holtorf, Restorf) vollkommen allein überlasse zu entscheiden, ob sie sich Gartow

freiwillig anschließen oder den notwendigen Anschluß bei einer ihrerseits anderen Nachbargemeinde

anstreben wollen.

In einer Sitzung am 23. März 1971 hat der Samtgemeinde-Ausschuß, d.h. die Bürgermeister bzw.

ihre Vertreter, der bisherigen Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde Gartow sowie die Vertreter

der Stadt Schnackenburg, die zukünftig der neu zu bildenden kommenden Gliederung eingefügt

wird, versucht, die Vorstellungen der einzelnen Gemeinden zu den zu bildenden zukünftigen „Mitgliedsgemeinden“

der „Neuen“ Samtgemeinde Gartow zu koordinieren und beschlußfähig vorzubereiten.

411


Vorweg müßte dazu noch gesagt und festgehalten werden, daß sich die Gemeindevertreter – wie

vorher der Rat von Gartow – für die Bildung einer „Neuen“ Samtgemeinde und nicht einer einzigen

„Einheitsgemeinde“ ausgesprochen hatten (auch Schnackenburgs Vertreter). Der Rat einigte sich

an diesem Abend auf die Anstrebung folgender Mitgliedsgemeinden der zu bildenden „Neuen“

Samtgemeinde Gartow:

01. Schnackenburg

02. Gummern, Kapern, Holtorf, wobei offen blieb, ob diese sich evtl. Schnackenburg

anschließen.

03. Gartow, evtl. mit Ausschluß der Gemeinde Nienwalde und Laasche

04. Restorf, Pevestorf, Brünkendorf und Vietze als Gemeinde „Höhbeck“

05. Meetschow, Gorleben; bei evtl. weiterem Ausschluß von Laase-Grippel und auch Gedelitz

06. Prezelle und Lomitz

Diese sechs Mitgliedsgemeinden sollten das zukünftige Gerippe der „Neuen“ Samtgemeinde Gartow

darstellen. Inzwischen sollten die Ratsbeschlüsse der einzelnen Gemeinden die Voraussetzungen

für die Zusammenschlüsse, wie oben aufgeführt, schaffen.

Bis heute, 8.4.1971, liegen solche Anschlußbeschlüsse bei der Gemeinde Gartow, weder von Nienwalde

und Laasche, noch anderer Gemeinden vor, obwohl der Meldetermin des Kreises herankommt.

Vorsorglich ist der Gemeinderat Gartow zum 14.4.1971 einberufen, um evtl. noch eingehende

Anschlußbeschlüsse vor Terminschluß durch einen eigenen Beschluß fristgerecht zum Zuge kommen

lassen zu können.

Was sich die Vertreter der Gemeinden Nienwalde und Laasche mit der Verzögerung ihrer Beschlüsse

eigentlich vorstellen, ist weder erklärlich noch erkennbar. Wenn sie keinen Anschluß an Gartow

wünschen, dann müssen sie mit anderen Gemeinden zu einem Zusammenschluß kommen. Bei

den gegebenen Einwohnerzahlen von Nienwalde und Laasche gibt es keine andere Wahl, als die

des Anschlusses. Nur über eines müssen sich die Vertreter dieser Gemeinden aber auch klar sein:

Fällt eine einzige Gemeinde des Raumes bei dem Bestreben der Neubildung der Samtgemeinde

durch gegenteiligen Beschluß oder gegenteiliges Verhalten aus – dann wird von der Landesregierung

verfügt, was zu bilden und was zu geschehen hat! Und das wollen diese Gemeinden doch

wohl nicht riskieren oder gar auf sich nehmen?

Abschließend sei noch mitgeteilt, daß die Gemeinden Gummern-Kapern und Holtorf den Beschluß

zur Bildung einer selbständigen Mitgliedsgemeinde gefaßt haben, sich also Schnackenburg nicht

anschließen wollen. Die vier Höhbeckgemeinden Restorf-Pevestorf-Brünkendorf und Vietze haben

ebenfalls den Zusammenschluß zu einer Mitgliedsgemeinde „Höhbeck“ beschlossen. Gorleben

hat beschlußmäßig die Bereitwilligkeit zum Zusammenschluß mit Meetschow erklärt. Aus Meetschow

steht der entsprechende Gegenbeschluß noch aus; aber auch dieser ist zu erwarten. Lomitz

und Prezelle, die beide Mitglied der Samtgemeinde Gartow bleiben wollen, haben sich grundsätzlich

für den Zusammenschluß erklärt und haben ihn auch beschlossen. Nur über das spätere

„Wie“ sind sie sich noch nicht ganz einig, wollen sich aber nach eigenen Erklärungen „zusammenraufen“.

Wenn nun also Nienwalde und besonders die „Großgemeinde“ Laasche nicht durch eine

Unklarheit noch die Bildung der „Neuen“ Samtgemeinde Gartow verhindern, dann dürfte für diese

das erwartete „Grün“ gegeben sein.

412


Wir meinen, daß damit unter den nun mal obwaltenden „Zwangsverhältnissen“ die sich entwickelnde

Lösung durch die 6 Mitgliedsgemeinden auch die günstigste Lösung ist. Eine ganz andere

Frage ist, ob der Zeitpunkt der gesamten Gemeindereform bei den gegebenen finanziellen Verhältnissen

des Landes Niedersachsen richtig ist. Das erscheint auch von Gartow aus gesehen doch

sehr, sehr fraglich!“ 4

Zu damaliger Zeit wurde das Subjekt „Samtgemeinde“ wie folgt beschrieben:

„Bei der Samtgemeinde bleiben die einzelnen Gemeinden weiterhin bestehen wie bisher. Die Räte

haben wie bisher zu entscheiden über ihren Haushalt und insbesondere auch über die Steuerhebesätze.

Die alte und wieder sehr moderne Forderung der Mitarbeit des Bürgers am Staat wird hier

zu einer Wirklichkeit, wie sie sonst kaum anzutreffen ist. Deshalb ist die Idee der Samtgemeinde,

nämlich der intensivierten Mitarbeit des Bürgers gegen die bürgerfernen großen Zentralverwaltungen

plötzlich wieder ganz aktuell geworden in den Bemühungen um das Institut der sogen.

Regionalstadt, um dessen organisatorische Bewältigung die beiden großen Partien z.B. in und um

Hannover intensiv ringen …“ 5

Am 10. März 1971 entschied sich der Rat des

Fleckens Gartow einstimmig für die Bildung

einer Samtgemeinde, der als Mitgliedsgemeinden

Gorleben (mit Meetschow), Höhbeck (mit

Brünkendorf, Pevestorf, Restorf, Vietze), Laasche,

Gartow (mit Falkenmoor), Nienwalde,

Quarnstedt, Rondel, Rucksmoor, Stadt Schnackenburg

(mit Gummern, Holtorf, Kapern,) und

Prezelle (mit Lanze, Lomitz, Siedlung Prezelle,

Wirl) angehören. Der Gartower Forst (v. Bernstorff)

ist gemeindefreies Gebiet ...

Wappen der

Samtgemeinde Gartow

Die Bildung von Gemeindezusammenschlüssen war nicht freiwillig, die niedersächsische Landesregierung

verordnete diese Gemeindereform per Gesetz.

Nach den Vorgaben durften die Samtgemeinden ab 1972 nicht mehr als 12 Mitgliedsgemeinden

umfassen, von denen jede mindestens 400 Einwohner haben muß. Die Entscheidungen der einzelnen

Gemeinden, mit welcher Nachbargemeinde sie sich zur Erreichung dieser Einwohnerzahl

zusammenschließen wollten, mußte bis zum 19. April 1971 beim Landkreis in Lüchow vorliegen,

andernfalls drohte die Bildung einer Einheitsgemeinde.

Bis 1972 bildeten die Hauptsatzung vom 2. März 1965 und die Geschäftsordnung vom 8. Mai

1969 die Arbeitsgrundlagen der Samtgemeinde Gartow. Erstmals wurden hauptamtliche Verwaltungskräfte

eingesetzt:

Samtgemeinde-Direktor Hans Borchardt aus Kapern, unterstützt vom Kassenverwalter Bökamp

und den Angestellten Bellach, Reinecke und Stelte. 6/7/8

Der Samtgemeinderat bildete in seinen Reihen verschiedene Ausschüsse wie z.B. Freibad-, Bau-

Feuerschutz-, Kultur-Ausschuss. Zur Finanzierung der unvermeidlichen Ausgaben wurde bei Bedarf

eine Samtgemeinde-Umlage erhoben und zwar von den Mitgliedsgemeinden je zur Hälfte

nach der Einwohnerzahl und nach den Bemessungsgrundlagen der Kreisumlage. Da dieses Geld

nicht ausreichte, erhielt die Samtgemeinde Gartow vom Land Niedersachsen zusätzlich jedes Jahr

sogen. Schlüsselzuweisungen und Bedarfszuweisungen.

413


Vor dem Neubau der Samtgemeindeverwaltung

am heutigen Standort befand sich die

Gemeindeverwaltung bis 1983 im Gebäude

des ehem. Hotel Krug, in dem sich früher neben

Fremdenzimmern, Saal im Obergeschoß

und einem Kramladen im Erdgeschoß auch

Pferdestallungen befanden („Ausspann“). Am

3.6.1938 verkaufte Christian Herbst aus Lüneburg

das Gebäude an den Kaufmann Theodor

Beyer, der es sofort an die Politische Gemeinde

Gartow veräußerte um dann der Gemeindeverwaltung

oder dem Bürgermeisteramt, wie es

vorher hieß, als „Rathaus“ zu dienen.

2009: Springstr. 14: Samtgemeindeverwaltung

Gartow

3.5.1972: Gebietsänderungsvertrag zwischen den

Gemeinden des Flecken Gartow, Laasche und

Nienwalde

Die Samtgemeinden im LK Lüchow-Dannenberg und ihre Gemeinden nach 1972

414


Der Samtgemeinderat Gartow musste sich in der Vergangenheit erheblich mehr und mit komplizierteren

Problemlösungen befassen als gemeinhin üblich. Der Aufbau eines Touristikzentrums,

die Schwierigkeiten der Zonengrenzlage, die Marktferne, fehlende Arbeitsstätten und besonders

der Bau eines atomaren Zwischenlagers und des Erkundungsbergwerkes bei Gorleben haben den

jeweiligen Ratsmitgliedern viel abgefordert. Ein gewaltiges Arbeitspensum mußte bewältigt werden!

Im Vergleich dazu war die herkömmliche Verwaltungsarbeit reine Routineangelegenheit. Dies

zeigte sich z.B. im Inkrafttreten verschiedener Satzungen oder Verordnungen:

• Satzung der Samtgemeinde Gartow über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für

die Entwässerungsanlagen (Kanalisation) vom 1.1.1979.

• Die Vorgängersatzung vom 7.10.1974 trat außer Kraft.

• Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Friedhöfe, Leichenhallen und Friedhofskapellen

der Samtgemeinde Gartow vom 27. Dezember 1979.

• Satzung für die Freiwillige Feuerwehr in der Samtgemeinde Gartow vom 12. Juni 1980.

• Verordnung über Art und Umfang der Reinigung öffentlicher Straßen in der Samtgemeinde

Gartow vom 1. Januar 1990.

Die Vorgänger-Verordnung vom 29.12.1970 trat außer Kraft.

Die Entwicklung Gartows als Mittelpunkt, ja als Zentralgemeinde des Gebietes der Samtgemeinde

Gartow, ist ständig fortgeschritten.

Nicht unwichtig für die Mittelpunktsbetrachtung ist auch, dass die ehemalige Volksschule Gartow

zur Mittelpunktschule und die Mittelschule zur Kreis-Realschule wurden. Beide Schulen, die Mittelpunktschule

baulich sehr stark erweitert und modernisiert, die Kreis-Realschule neu erbaut,

haben heute verdreifachte bzw. verdoppelte Schülerzahlen gegenüber 1961. Mit Schulbussen

werden die auswärtigen Schüler vom Höhbeck, von Schnackenburg, von Gedelitz-Gorleben und

von Lomitz-Prezelle her, zu den Schulen gefahren. Auch dieser tägliche Schulbusverkehr ist typisch

für das zum echten „Mittelpunkt“ gewachsene Gartow.

Die absinkende Tendenz der Einwohnerzahlen hat weiter angehalten. Langsam aber sicher sank

die Einwohnerzahl von 1961 mit 1460 auf 1220 Einwohner bei der Volkszählung 1970. Nach der

Landesstatistik haben wir per 31.12.70 sogar nur noch 1100 Einwohner. Den natürlichen Abgängen

der Gemeindebewohner stehen fast keine durch das Erwerbsleben angezogene Zugänge

gegenüber!

Auch die Verteilung der Einwohner auf die Berufe hat sich verändert. Gartow hat heute einen

praktizierenden Zahnarzt sowie seit 2012 einen Allgemeinarzt, es hat nur noch einen Bäcker, keinen

Fleischer, zwei Supermärkte. Von den beiden Sägewerken arbeitet nur noch eines. Dagegen

sind aus fünf Gastwirtschaften sieben geworden. Die Nähwerkstatt Schmitz mit ehemals fast 40

weiblichen Kräften ist nach Suhlendorf abgewandert. Die Gerichtstage wurden aufgehoben, die

Sprechtage der Kreisverwaltung eingestellt. Diese Entwicklung zeigt eine gewisse Tendenz, sowohl

bei den einzelnen Berufsarten, wie bei der Einstellung der oberen Behörden auf. „Es lohnt sich

nicht mehr“ in Gartow tätig zu sein. – Darin liegt für die Gemeinde eine große Gefahr ihrer zukünftigen

Entwicklung. Jedes Herausbrechen auch noch so kleiner Steine aus dem Gemäuer des kommunalen

Zusammenlebens bedeutet eine Schwächung, der weitgehend begegnet werden muss.

Ob die Aufhebung des Kirchenkreises, der Gerichtstage, der Sprechtage, ob der Ausfall von Post-

Bussen an einzelnen Wochentagen: Maßnahmen die im täglichen Leben dem einzelnen Bürger

415


kaum auffallen, die das Leben in der Flecken-Gemeinde aber mindern. Die berufliche Betätigung

der Einwohner ist nicht nur durch das Absinken der Beschäftigung auf den beiden Sägewerken,

sowie in der Land- und Forstwirtschaft gekennzeichnet. Völlige Gegenpole zogen in den letzten

Jahren die Kräfte aus Gartow heraus. Die Fabriken der SKF (Schwedische Kugellager Fabriken,

Stammsitz Schweinfurt) in Lüchow und der CONTI (Continental) in Dannenberg, aber auch andere

industrielle und handwerkliche Betriebe des Kreisgebietes, sogen sie förmlich auf. Auch in diesem

Kräftekreis steht leider, wenn auch verständlich, die Devise „es lohnt sich nicht mehr in Gartow“

oben an.

Das Finanzgebaren der Gemeinde hat sich glücklicherweise trotz aller negativen Befürchtungen

doch anders entwickelt, als man es 1961 annehmen mußte. Bei den gebliebenen Steuerhebesätzen

von 1961 stiegen die Einkünfte aus den Grundsteuern zwar nur ganz unwesentlich an.

Dagegen trat der befürchtete Ausfall bei der Gewerbesteuer nicht ein. Im Gegenteil, die Einkünfte

hieraus stiegen von Jahr zu Jahr so an, daß schließlich 1970 rd. 55% mehr einkamen als im Jahr

1961. Wenn die Gemeinde von der Gewerbesteuer ab 1.1.70 auch über 40% des Aufkommens abgeben

muss, so ist der seither dafür erhaltene Anteil aus der Einkommensteuer ein über doppelt

so hoher und recht guter „Ersatz“-Betrag.

So ist die Gemeinde, nach vielen Jahren der Zuschußbettelei, endlich auch wieder in der Lage,

nicht nur ihren Haushalt zu balancieren, sondern auch aus eigener Kraft kleinere Vorhaben durchzuführen.

Wenn der Ausbau des Straßennetzes im Ort und seiner Gemarkung zunächst noch beim Prezeller

Weg, dem Wirtschaftsweg bis zum schwarzen Heck – dem Ehrenhainweg –, dem Wegteil von der

Realschule bis zum Freibadeingang, dem ersten Teil des Mittelweges und der Schulstraße noch

erhebliche Darlehnsaufnahmen erforderten, konnten danach der lange Restteil des alten Dannenberger

Postweges, vom Freibad bis zur L 256 (Dannenberger Chaussee) ohne weitere Schuldenaufnahme

und der zweite Teil des Mittelweges, der Gedelitzer Weg, sowie der Bürgermeisterweg

(Verbindungsweg zwischen Prezeller Weg und Hahnenbergerstraße) mit einem geringen

Spitzenausgleich mittels eines kleinen Darlehns, also fast aus eigenen Mitteln, erstellt werden.

Natürlich mußten bei allen diesen Straßenbauten erreichbare Zuschüsse von Bund, Land und

Kreis in Anspruch genommen werden. Dabei muß erwähnt werden, daß die Finanzierung der längs

dieser Wege geschaffenen Gehsteige – als gemeindeeigene Sache – stets der schwierigste Teil

des Straßenausbaues ist, weil sie nur bedingt zuschußfähig sind und im Verhältnis zu den Fahrbahnflächen

teurer als diese werden.

Auch die zur Entschärfung der „Forstmeister“-Kurve am Hahnenberger Damm 1970 und 1971

außerhalb der Lindenreihen angeschütteten breiten Gehsteige, vom Nienwalder Weg bis zum Altenheim

und von der Post bis zur Tankstelle, konnten ohne Kreditmittelaufnahme erstellt werden.

Zur Arrondierung des inneren Straßennetzes verbleibt für die nächsten Jahre zunächst noch die

Befestigung des Weges „Am Reiterplatz“. In weiterer Zukunft werden dann nur noch die Befestigungen

der in den Bebauungsplänen festgelegten Straßenzüge übrig bleiben.

Im Zuge der Straßenbauten erfolgte die Aufschüttung des Parkplatzes am Hahnenberger Damm

vor dem Altersheim bereits 1966. Wieviel Hohn, Spott und Aufregung – auch sonst kluger Mitmenschen

– gab es um die Aufschüttung!

Heute ist dieser Platz völlig unentbehrlich geworden! So viel zu den Investitionen der Gemeinde im

letzten Jahrzehnt in den „unrentierlichen“ Ausbau ihres Straßennetzes.

416


Gartow 1955 - 1961: Aus der Sicht von Wilhelm Tege

XIX. Folge

Über unsere Wege und Straßen muß auch etwas gesagt werden. Schon allein deshalb, weil die

heutigen Passanten unserer Wege meinen, daß es ganz selbstverständlich sein müßte gummibereift

auf ihnen dahinrollen zu können. Sie ahnen oft gar nicht mehr, wie es früher um unsere

Wege bestellt war. Hunderte von Jahren gehörte z.B. der Weg nach Niendorf (heute Nienwalde)

zum Gutsbezirk. Erst als 1927 die Gutsbezirke aufgelöst wurden und zu den Gemeinden kamen,

wurden auch diese Wege von der Gemeinde übernommen.

Sofort nach der Übernahme des Weges durch die Gemeinde wurde der Zustand desselben auch

von allen Seiten beanstandet. Gartow wollte den Weg ausbauen, wenn Niendorf es dabei unterstützte.

Aber was gab es darüber für böse Debatten. Die Niendorfer lehnten den geplanten Wegeausbau

aus vielerlei, heute völlig unverständlichen Gründen, einfach ab. Vater Reinecke sagte,

dann können wir uns vor Handwerksburschen nicht mehr retten. Fritz Schulz meinte: dann kommen

wir von der Schmiede überhaupt nicht mehr weg, die Pferde müssen dann ständig beschlagen

werden und die Wagen gehen uns auf der festen Straße laufend zu Bruch. Schatzmeister Beussel

aber stöhnte: „Wer soll das bezahlen.“ Fritz Beussel behauptete sogar: „Die Garttow`schen“ suchen

bloß Dumme.“ Das Ende vom Lied war, daß es bei dem jammervollen Zustand des Weges

so blieb wie es war. Die Straße der Römer in der französischen Normandie konnte um Christi

Geburt gebaut werden, den Weg nach Niendorf bekam man 2000 Jahre später nicht fertig. Aber

gut Ding will Weile haben. Erst nach dem II. Weltkrieg, anfangs der 50-er Jahre war die Frage des

Wegeausbaus von Gartow nach Nienwalde durch den unerträglich gewordenen Zustand des Weges

für Kraftfahrzeuge endlich so dringend geworden, daß eine Lösung gefunden werden mußte.

Wie schwer war die Durchfahrt für den Milchwagen geworden, wie oft mußte damals der Arzt, Dr.

Wolf, seinen PKW auf dem Weg stehen lassen und in Nienwalde erst Pferde holen, um ihn wieder

heraus zu schleppen. Aber, obwohl dieser unmöglich gewordene Wegezustand die Nienwalder am

meisten betraf, noch immer wehrten sie sich eine „teure“, feste Straße zu bauen und mitzufinanzieren.

Der damalige Bürgermeister von Nienwalde, Hans Jürgens meinte, daß es nicht vertretbar

sei, des Weges wegen die Gemeinde Nienwalde Schulden machen zu lassen. „30 Jahre bin ich

Bürgermeister und 30 Jahre hat Nienwalde keine Schulden zu machen brauchen und jetzt sollen

wir Schulden aufnehmen. Nein, das kommt nicht in Frage“, waren seine Worte bei einer der ersten

Verhandlungen. Nach seiner Meinung sollte mit heranzuholenden Hamburger Trümmersteinen

eine genügende Festigkeit des Weges „billiger“ und ohne Schuldenaufnahme erreicht werden.

Dem energischen Drängen von Bürgermeister Hennings und dem Gartower Rat gaben die Nienwalder

und ihr Rat aber schließlich doch nach. In gemeinsamer Finanzierung, mit nicht zu vermeidender

Schuldenaufnahme beider Gemeinden, wurde dann die segensreiche, feste Straße gebaut

und 1953 dem Verkehr übergeben. Erst knapp ein Jahr rollte der nun völlig unbehelligt ablaufende

Verkehr über die neue Straße, als das böse Sommerhochwasser 1954 sie wochenlang überschwemmte,

und dem normalen Verkehr wieder entzog. Von diesen Tagen her, wissen die Nienwalder

den Wert dieser Straße einzuschätzen und kämpfen daher mit Gartow zusammen darum, daß

durch eine Abdeichung der Seege für eine Hochwasserabsicherung der Nienwalder Straße Sorge

getragen wird. – Es war aber nicht nur der Nienwalder Weg der uns früher Kummer machte. Der

Alte Dannenberger Postweg, der Prezeller Weg und auch der Weg zum Ehrenhain, sie alle waren

reine, tiefe Sandwege, die uns und unseren Pferden das Leben oft schwer machten. Eine große

und sehr kostenreiche Belastung ist daneben immer der, 1927 ebenfalls vom Gutsbezirk übernommene,

„Holtorfer Damm“ für Gartow gewesen. Alle Wege, in unserer Gemeinde, zeigen sich

heute den Benutzern in einem ganz anderen Zustand. Neben den genannten Wegen sind auch der

417


Mittelweg, der Gedelitzer Weg, der Bürgermeisterweg, die Schulstraße und der Kirchgartenweg zu

festen Straßen ausgebaut. Vom Kopfsteinpflaster der Hauptstraße und dem „Hühneraugenpflaster“

seiner Bürgersteige sieht und merkt man heute nur noch sehr wenig. Auch das an sich gute

Kleinpflaster der Springstraße hat seinen Asphaltüberzug bekommen. Unsere Straßen und Wege

haben sich in den letzten Jahren doch wirklich gut, zu unserer aller Vorteil, verändert. Auch das

macht für das allgemeine Bild unseres Ortes viel aus und beeindruckt auch unsere gern hierher

kommenden Besucher und Urlauber.“ 9

Und nun zu den rentierlichen, also vermögensbildenden Investitionen der Gemeinde und damit

überhaupt zu den Neubauten seit 1961:

Nachdem die Gemeinde schon Mitte der fünfziger Jahre im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus

das Haus Springstr. 7 mit seinen sechs Wohnungen erbaut hatte, sah sie sich 10 Jahre später

gezwungen, diesmal im Rahmen des Barackenräumungsprogrammes, zwei weitere Häuser am

Mittelweg mit acht Wohnungseinheiten zu erstellen, um die geforderte Räumung des ehemaligen

RAD-Lagers durchzuführen. Trotz aller Vergünstigungen im Rahmen des Räumungsprogramms

waren hierzu erhebliche Darlehnsaufnahmen unumgänglich. Aber auch hierdurch wurde ein sich

allmählich rentierendes Vermögen für die Gemeinde geschaffen. Nach Fertigstellung dieser Häuser

und ihrem Bezug durch die die Baracken räumenden Bewohner sowie der Umsiedlung der

ebenfalls in den Baracken bis dahin untergebrachten Mittelschule in die neu erbaute Kreis-Realschule,

entstand das große Problem der bestmöglichen Verwertung der verlassenen Baracke.

Nach mißglückten Versuchen einer gewerblichen Nutzung kam plötzlich der Gedanke eines Umbaus

der Baracken zu Ferienwohnungen auf. Eine Gemeinschaft der Gartower Handwerker bildete

sich und war entschlossen, aus dem alten „Lager“ ein Feriendorf entstehen zu lassen. Dabei

tauchten naturgemäß viele und schwere Probleme auf. Die Rechtsform der Gemeinschaft, die

Eigentumsfrage der Fläche, die Beteiligungsanteile der mitwirkenden Handwerker und vor allem

die Finanzierung des ganzen Vorhabens. Berge von Schwierigkeiten taten sich auf, die nicht zu bewältigen

waren. Bald wurde der Ausbaugedanke verworfen. Die Baracken sollten völlig abgerissen,

die geplanten Ferienhäuser neu erbaut werden. Nach vielem Hin und Her sollte die Gemeinde, vor

allem als möglicher Träger der Finanzierung, das Vorhaben übernehmen und durchführen. Unter

schweren Bedenken einiger verantwortungsbewußter Ratsmitglieder beschloß der Rat aber doch

schließlich im März 1968, nach einem Entwurf der Architekten Damman-Hein-Dannenberg., das

heutige Feriendorf der Gemeinde zu bauen. Zunächst mußte zwar noch die Fläche des ehemaligen

„Lagers“ von der Realgemeinde als der damaligen Eigentümerin übernommen werden. Gegen

Übernahme der Wege- und Gräbenunterhaltung, die bis dahin der Realgemeinde oblag, wurde die

Fläche in das Eigentum der politischen Gemeinde gebracht. Dann erfolgte der mühevolle Abbruch

der in ihrem Holz noch recht gut erhaltenen Baracken. Eine Arbeit, die sich wochenlang hinzog

und die mit dem Herausbrechen der Fundamente sogar Monate erforderte. Daneben liefen die

Verhandlungen um die Finanzierung des immerhin 400000,- DM überschreitenden Vorhabens

einschl. aller Inneneinrichtungen. Kreis, Land, Bund mußten eingeschaltet werden, die Gemeinde

darüber hinaus für Darlehnsbewilligungen sorgen. Die bekannte ERP-Mittel-Spritze zur Ankurbelung

der Wirtschaft durch die damaligen Minister Strauß und Schiller kam im richtigen Moment

und konnte durch das „baureif“ anstehende Vorhaben mit rd. zwei Drittel der Finanzierungssumme

weitgehend genutzt werden. So konnte der Bau, bei dem der vorhandene Laubbaumbestand,

bis auf die sowieso störenden starken Pappeln, erhalten werden konnte, bald beginnen. Trotzdem

machte der frühe Wintereinfall, der vor Beendigung der Rohbauten eintrat, den beabsichtigten

Fertigstellungstermin (zu Mitte Mai 1969) noch fast zunichte. Erst mit Ende des Monats März

konnten die Bauarbeiten nach dem schneereichen Winter im Frühjahr 1969 wieder voll aufgenom-

418


men werden. Eisern wurde auf den Termin hin geschafft und gearbeitet, so daß die Einweihung

und Übergabe an das Hamburger Familien-Hilfswerk am 17.5.1969 doch noch erfolgen konnte.

Seither ist das Feriendorf, das für 10 Jahre zunächst an das Hbg. Fam. Hilfswerk vermietet wurde,

von diesem in den Sommermonaten Mai bis September mit Urlaubern belegt worden. Durch diese

Vermietung werden die der Gemeinde aus der Finanzierung entstehenden Zins- und Tilgungslasten

voll gedeckt; desgleichen die laufenden Unterhaltungs- und Bewirtschaftungskosten. Nach

Ablauf von 15 Jahren werden der Gemeinde schon recht erhebliche Beträge verbleiben, die normalerweise

zur Abdeckung bzw. schnelleren Tilgung verbleibender Belastungen dienen können.

Für das Feriendorf kann somit festgestellt werden, daß die großen Sorgen und Bedenken sich gut

lösten.

Neben dem Feriendorf-Bau trat die Gemeinde 1968/69 bei der Erbauung des Informationszentrums

als Träger des Vorhabens und Bauherr auf. Wenngleich man bei diesem Zweckbau nicht von

einem rentierlichen Vorhaben sprechen kann, so ist mit ihm doch eine Vermögensvermehrung zu

Gunsten der Gemeinde Gartow erfolgt.

Die Gemeinde wurde mit der Gestellung des Grundstückes und der Übernahme der Trägerschaft

gleichzeitig Eigentümer dieser gesamten Zweckeinrichtung. Die Kosten des Hausbaues, wie auch

der Einrichtung, wurden durch öffentliche Zuschüsse gedeckt. Die Gemeinde hatte lediglich das

Baugrundstück anzukaufen und die notwendigen Anschlüsse an die Versorgungsleitungen zu erstellen.

Das im „Infozet“ gleichzeitig miteingebaute Verkehrsbüro wurde von der Fremdenverkehrsvereinigung

eingerichtet, seither von dieser auch besetzt und unterhalten. Wenn die eingehenden

Mieten und Benutzungsgebühren die Unterhaltung des „Infozets“ auch nicht decken, so ist für

die Gemeinde doch ein Vermögenswert geschaffen worden, der indirekt zur Belebung von Handel

und Wandel in der Gemeinde beiträgt. Das Verkehrsbüro und die Ferienfahrschule sind zu nicht

mehr missenden Einrichtungen für den Fremdenverkehr geworden. Soweit die Baulichkeiten der

politischen Gemeinde im Jahrzehnt 1961/71.

Nun zur übrigen Bautätigkeit im gleichen Zeitraum:

Obwohl das Bundesbaugesetz von 1960/61 sich mit seinen oft recht engstirnigen Forderungen,

gerade für Gartow, mehr hindernd als fördernd auswirkte und in Gartow fast 5 Jahre privaten Baubedarf

zum Erliegen brachte, so brachte das Jahrzehnt insgesamt doch eine wesentlich verstärktere

Bautätigkeit, als die Jahre vorher vom Ende des Krieges her. Nicht nur, daß die Realschule

vom Kreis völlig neu – und modern – und unsere 1950 erbaute Volksschule auf eine 10-klassige

Mittelpunktschule baulich zweimal erweitert und modernisiert wurde, auch die Zollverwaltung

wurde baulich sehr tätig bei uns.

Nach dem Zollkommissariat mit drei Wohnungen (Hahnenbergerstr. 52/54) und dem Vier-Familienhaus

Hahnenbergerstr. 67, entstand 1963 die Zoll-Wohnsiedlung Waldstraße mit 22 Wohneinheiten

und einem Pferdestall. – Diese mit ihren Gärten nett angelegte Siedlung wurde später ganz

ungewollt zu einem schönen Pendant des Feriendorfes der Gemeinde. Von Lüchow her gesehen

am Ortseingang liegend, machen beide Anlagen auf jeden auswärtigen Besucher unseres Dorfes

einen ersten nachhaltig guten Eindruck. Das wird uns immer wieder von den Besuchern auch

freimütig gesagt.

In der Hahnenberger Gegend bleibend wurde die Bausiedlung am Reiterplatzweg durch die Bauten

der Familien Bittner, Lindner, Langer, Schwetasch, Wiech, Schrader, Sander fortgesetzt und

mit der Nebenerwerbssiedlung von G. Bögelsack zum Abschluß gebracht. So entstanden weitere

neun Wohneinheiten. Danebenliegend, am Prezeller Weg, bauten sich H. und U. Järnecke ihr neu-

419


es Wohnhaus. Am Ortfeld erbaute Sgfr. Kunzog ebenfalls ein Wohnhaus und auf dem Hof von V.

Kunzog entstanden ausgebaute und modern eingerichtete Wohnräume für Gäste zum Urlaub „Auf

dem Bauernhof“. Ferner entstand am Ortfeld der schöne Wochenendsitz unseres Jagdpächters O.

Wulff. Am Gedelitzer Weg hinderte die Streichung der von der Realgemeinde schon lange vorgesehenen

Bauflächen im Bebauungsplan eine weitere Fortentwicklung. Aber auch hier werden in

Kürze weitere Bauten entstehen.

Am Mittelweg folgten den beiden bereits genannten Häusern der Gemeinde, die HASTRA mit drei

Wohneinheiten, sowie einem Betriebsgebäude und W. Wehrend mit seinem Familienhaus.

Vor dem Eingang zum Waldbad, am Schützenplatz, siedelten sich W. Frank, J. Fichtel und W. Martens

mit 5 Wohnungseinheiten an. Am Quotum erbaute H. Wibbeler seinen Wohnsitz und schaffte

dabei zugleich zusätzlich Urlauberräume. Auf dem Spring erstellte E. Schmidt-Maury sein neues,

großes Werkstattgebäude mit darüber liegenden drei Wohnungen. Dazu baute er weiteren Wohnraum

im Altbau aus. Seine Nachbarin, Frau B. Hecht, zog im Anschluß an ihre Gastwirtschaft einen

massiven Wohnbauflügel hoch. – R. Hinrichs erweiterte das Haus Spring 32 um eine Wohneinheit

und Sgfr. Mencke baute an sein Wohnhaus Springstr. 52 einen weiteren Wohnungsflügel an. Auch

K.H. Maihak fügte dem Haus Springstr. 42 einen vollen Wohnflügel hinzu.

Am Nienwalder Weg, neben der Schlossgärtnerei, erstellte Dr. von Oppen sein schön gelegenes

Wohngrundstück.

Nicht zuletzt aber müssen H. Törber mit seinem Wohnbau, der Werkstatt und Tankstelle, sowie das

Altenheim am Hahnenberger Damm, anerkennend genannt werden. H. Törber vollbrachte in dem

tiefgründigen überschwemmungsgefährdeten Gelände zwischen dem alten Ortskern von Gartow

und dem Ortsteil Hahnenberg 3 eine regelrechte Pionierarbeit. Er bewies damit nicht nur Mut und

Tatkraft, sondern den immer kritischen Behörden, daß auch diese Flächen durchaus bebaubar

sind.

Der Landkreis folgte später mit der Erbauung des Altenheimes, auf fast gleichartigem Gelände,

dem Beispiel von H. Törber. Dadurch erhielten über 60 alte Menschen moderne Unterkünfte, während

daneben noch weitere Wohneinheiten entstanden, die von der Heimleitung und ihren Mithelfern

genutzt werden. Damit sind aus der Hand rund 65 neu erstellte Wohneinheiten aufgezählt.

Mit der Aufzählung der neuerstellten Wohneinheiten ist die Reihe der Neubauten jedoch noch

nicht ganz abgeschlossen. Ohne damit neue Wohneinheiten zu schaffen, wurden in den nächsten

Jahren ferner erstellt:

Am Lenzener Weg (vor der Seegefurth) das neue Feuerwehrgebäude, das die Samtgemeinde

erbauen ließ. Dieses war dringend notwendig geworden, um den zentral für das Samtgemeindegebiet

übernommenen Feuerschutz voll einsatzfähig gestalten zu können. In der Hauptstraße

erbaute der Gastwirt Ackermann auf dem Gelände seines ehemaligen Scheunengebäudes einen

Hotelzug mit höchst komfortabel eingerichteten Gästezimmern. Diese Gästezimmer sind inzwischen

weit über die Grenzen Gartows hinweg bekannt und begehrt geworden. Dabei spielt die

Pferdehaltung und die Möglichkeit zur Unterbringung eigener Pferde der Gäste in diesem „Reiterhotel“

ebenfalls eine große Rolle. Das „Reiterhotel“ ist damit zu einem bahnbrechenden Gaststättenunternehmen

geworden.

Am Bürgermeisterweg erstellte Rüdiger Timme zwei Ferienhausbungalows, die trotz des naheliegenden

Feriendorfes der Gemeinde ihre laufenden Benutzer gefunden haben. Auch Ri. Stüben

baute seine Scheune zu sehr gemütlichen Urlauber-Gasträumen aus.

420


Außerdem entstanden durch die Initiative ihrer Erbauer – Pfeifer/Ützmann + Pfeifer/Guckes sowie

der Gemeinschaft „Ferien am Helk“ – dank des verständnisvollen Entgegenkommens des Herrn

Regierungspräsidenten in Lüneburg, der hierzu erforderlichen Ausnahmegenehmigungen bereitwillig

erteilte, die dem Gemeinde-Feriendorf nachfolgenden Feriendörfer I + II + III am Helk. Mit

den Feriendörfern I und II entstanden zehn + vierzehn Ferienhäuser, die reetgedeckt besonders

prädestiniert in unsere Landschaft am Helk passen. Beim Feriendorf IV entstanden zunächst 16

(später 19) Bungalows mit Flachdächern, die von Grün umrandet eine kleine Ferienstadt bilden,

die ihr Entstehen einer wirklichen Gemeinschaftsarbeit verdankt. Mit diesen weiteren Feriendörfern

erfolgte die erste bemerkenswerte räumliche Ausdehnung unseres Ortes.

2009: Bebauung „Am Helk“, Dorf 1-10

Diese, wie auch alle zukünftigen, Bau-Ausweitungen des Ortes werden natürlich auch erhebliche

Erweiterungen aller Versorgungsanlagen nach sich ziehen. Diese können und werden zukünftig

nicht mehr allein von der Gemeinde getragen werden. Darüber müssen sich alle Beteiligten klar

sein oder werden. Abschließend und abrundend muß noch der Bau des Waldbades mit seinem

Campingplatz und der anschließenden Sportplatzanlage in den Jahren 1965/66 genannt werden.

– Die gesamte Gemeinde Gartow, aber auch die umliegenden Gemeinden, können dem damaligen

Samtgemeinderat heute nur dankbar sein, daß er sich dem Drängen und Wirken von Samtgemeindedirektor

Borchardt nicht verschloß, diese so bedeutungsvoll gewordene Erbauung dieser

Anlagen durchzuführen. Bürgermeister Hennings und die übrigen Gartower Vertreter im Samtgemeinderat

müssen in diesen Dank mit eingeschlossen werden, da sie von vornherein und stets für

diese grundlegenden Bauten einer zukünftigen Entwicklung Gartows voll eintraten.

421


Die skeptischen Vertreter aus Nachbargemeinden werden heute schon zugeben müssen, daß der

damalige Samtgemeinderat doch richtig handelte. Gewiß hat die Gemeinde Gartow durch Geändeankauf

und besonders auch die von ihr durchgeführten Straßenbauten zum Waldbad und

später darüber hinaus bis zur Dannenberger Chaussee ein weitaus größeres Scherflein als alle

anderen Gemeinden zusammen hierzu beigetragen. Ebenso gewiß und täglich bestätigt sich aber

auch, daß das Waldbad zu DEM Anziehungspunkt unserer Gemeinde geworden ist. Und dafür ist

ebenfalls allen an der Schaffung Beteiligten ein Dankeswort zu sagen.

Zum Schluß noch kurz etwas zu gewerblichen Baulichkeiten:

Einmal wurde die Gärtnerei Horstmann um drei je ca. 300 qm große Gewächshäuser und eine

ca. 1000 qm überspannende Schattenhalle im Freigelände erweitert, zum anderen entstand

anschließend an den Gutshof Quarnstedt eine moderne Kartoffel-Brennerei sowie daneben ein

großer Mastviehstall. – Nicht vergessen sein sollen auch die das Ortsbild verändernden Ladenausbauten

der Drogerie Buck, der Bäckerei Krause, der Gemischtwarengeschäfte Olschewski und

Hildebrandt, des Textilgeschäftes Wibbeler und des Papierwarengeschäftes Streitz. Diese Ausund

Umbauten haben samt und sonders zur Verschönerung des Straßenbildes eindrucksvoll beigetragen.

An sich müßte zur Vervollständigung auch noch über die Fortentwicklung des Fremdenverkehrs,

als einem der wichtigsten und bemerkenswertesten Entwicklungsfaktoren berichtet werden. Dieses

Thema würde jedoch den Rahmen dieses Vergleichsberichtes sprengen. Der Vorsitzende der

Fremdenverkehrsvereinigung Höhbeck, die in ihrem Wirken ja weit über Gartow hinausgeht, wird

sicher gern die Gelegenheit zu einem ausführlichen Bericht wahrnehmen. – Jedenfalls bitten wir

ihn hiermit darum.

Wir schließen den Bericht 1961/1971 mit der Feststellung, daß 1961 berechtigt erscheinende

Befürchtungen nicht sonderlich eintrafen, daß mancher Schritt vorwärts in der Entwicklung unseres

Ortes im vergangenen Jahrzehnt getan wurde, daß aber auch mit der Wasserregulierung

unserer Gemarkung und der Entwässerungsanlage des Ortes gewichtige Maßnahmen noch ihrer

Durchführung bedürfen.

Dabei bleiben beide Maßnahmen erste Voraussetzung für das Groß-Vorhaben zur Schaffung des

„Gartower See“! 10/11/12/13

Weitere Bebauung und neue Bebauungspläne

Noch um das Jahr 1880 erstreckte sich die Bebauung von Gartow hauptsächlich entlang der

Durchgangsstraßen „Springstraße“ und „Hauptstraße“. Am Nienwalder Weg befand sich nur die

Schmiede Bethge, an der Hahnenberger Straße das Schützenhaus, der Friedhof, die Abdeckerei

und das Sägewerk. Im Außenbereich lagen ferner das Schloß, der Gutshof Quarnstedt sowie die

dazugehörige Arbeitersiedlung. Da es linksseitig der Seege im Bereich der Ortslage Gartow noch

keinen Deich gab, waren erwünschten Siedlungsausdehnungen natürliche Grenzen gesetzt. Lediglich

in Richtung Hahnenberger Straße gab es hochwasserfreie Bauplätze. Zuletzt beim Hochwasser

1974/75 war Gartow im Norden, Osten und Süden vom Elbehochwasser umgeben. Mit der

Fertigstellung der Deichlinie im Ortsbereich Gartow entfielen die bisherigen Überflutungen, so daß

hochwassersicheres Bauland gewonnen werden konnte.

Wurden die Einwohnerzahlen in Betrachtung gezogen, so ergab sich für die angestammte Bevölkerung

kein zusätzlicher Bedarf an Baugrundstücken, ebenso nicht für Gewerbeansiedlungen. Um

1880 existierten in Gartow rd. 100 Häuser, 1873 gab es 176 Haushaltungen. Die Einwohnerstatistik

(ab 1929 mit Quarnstedt) ergibt folgendes Bild:

422


1821 = 918 Einw., 1871 = 1067, 1880 = 771, 1890 = 741, 1905 = 939, 1939 = 1135, 1946 =

1748 (mit Flüchtlingen), 1956 = 1409, 1971 = 1102, 1977 = 1065, 1989 = 1171, 1995 = 1386 14

Als sich nach dem 2. Weltkrieg infolge der Abseitslage des Gartow-Schnackenburger Raumes und

fehlender Industrie- und Gewerbebetriebe herausstellte, daß nur noch der Tourismus einträglich

sein könnte, sind entsprechende planerische und bauliche Schritte zur Ausweisung von Gebieten,

die dem Tourismus dienen, erfolgt. Hierbei mußten bestehende Vorschriften beachtet, Verfahren

in Gang gesetzt und Vorarbeiten geleistet werden.

Seit 1969 bearbeitete die Gesellschaft für Landeskultur, Bremen,einen Bebauungsplan, der die

„Dorferneuerung im Nahbereich Gartow“, welcher 14 Gemeinden mit rd. 175 qkm Fläche und

rd. 4500 Einwohner erfaßte. Neu zu bearbeiten waren u.a. die Flächennutzungspläne von Gartow,

ein Landschaftspflegeplan für Gartow und die Seegeniederung sowie Bebauungspläne für

Gartow. Letztere dienten „zur Deckung des Wohnungsbedarfs und zur städtebaulichen Neuordnung

der Ortskerne sowie in allen Fremdenverkehrsgemeinden zur Schaffung der erforderlichen

Sonderbauflächen (Wochenendhausgebiete, Ferienhausgebiete usw.)…“ Dazu gehörten ferner

Untersuchungen für wichtige Verkehrslösungen, die Abwasser- und Müllbeseitigung. Gartow (mit

Quarnstedt) verfügte über eine Gemarkungsfläche von 1733 ha, der gemeindefreie Forst Gartow

über 5087 ha.

Die Entwicklung Gartows zum Langzeiterholungszentrum sollte unbedingt gefördert werden, wobei

allgemeinwirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten mit besonderer Betonung des Fremdenverkehrs

aufgezeigt und Vorschläge für den Ausbau der Grundausrüstung und städtebauliche Planung

unabdingbar waren.

Am 18. September 1970 erteilte der Gartower Rat den Auftrag zur Erstellung eines Planungsauftrages

„Studium- und Modell-Vorhaben für den Samtgemeindebereich Gartow“. Mit diesem Plan

erfolgte eine Zusammenfassung und Koordinierung aller noch anstehenden Planungen zur Verbesserung

der Infrastruktur/Tourismusvorhaben unter Einbeziehung der Flächennutzungspläne

und der Bauleitplanung.

In der Gemeinderatssitzung vom 28. September 1970 ist über den Plan der Gesellschaft für Landeskultur

(GfL) eingehend beraten worden, wobei Defizite sichtbar wurden:

„In der sich anschließenden Diskussion zeigte sich, daß dem Rat in der augenblicklichen Situation

des Fehlens von greifbaren, bebauungsfähigen Flächen die Aufstellung von Bebauungsplänen

vordringlich erscheint. Der Rat beschloß demzufolge, zunächst keinen Festlegungsbeschluß zum

Flächennutzungsplan zu fassen, sondern den im August 1969 an den Kreis erteilten Auftrag zur

Aufstellung des Flächennutzungsplanes und der Bebauungspläne zurückzuziehen.

Sodann soll die GfL für beide Planaufstellungen den direkten Auftrag erteilt erhalten. Dabei soll

die Aufstellung eines oder mehrerer Bebauungspläne vorrangig erfolgen, um möglichst weitere

Zeitverluste zu vermeiden. Hierzu soll durch die Verwaltung der GfL in einem Lageplan skizziert

angegeben werden, welche Flächen die Verwaltung schon jetzt lagemäßig als baureif ansieht.“ 15

Im Februar 1971 lief das Raumordnungsverfahren zur Erarbeitung des Landespflegerischen Rahmenprogramms

für die Samtgemeinde Gartow. 1969 betrug die Zahl der Übernachtungen durch

Urlaubsgäste 52 000 und 1970 bereits 54 000. Meistens waren es Besucher des Campingplat-

423


zes. Die Ortsplanerin Frau Dipl.Ing. Rauchbach aus Hildesheim wies darauf hin, daß zur Wohnbevölkerung

etwa 2 700 Bewohner der Wochenend- und Zweitwohnhäuser hinzugerechnet werden

müssen. Es wurde gefordert, Gartow den Status eines Grundzentrums zu belassen („Gartow sei so

deutlich von den Bereichen Dannenberg und Lüchow abgegrenzt, daß die Ausweisung als Nebenzentrum

der Lage und Aufgabe Gartows nicht gerecht werde…“).

Gemäß Auftrag vom 3. März 1971 erhielt die Gesellschaft für Landeskultur, Bremen, die Vorgabe,

einen Flächennutzungsplan für die Gemeinde Gartow zu erarbeiten, wobei die Untersuchungen ab

November 1971 auf den Samtgemeindebereich ausgedehnt wurden. Vorrangig waren in Gartow

die Bebauungspläne „Auf den Kämpen-Helk“ und „Prezeller Weg“ zu bearbeiten. Besondere Entwicklungsaufgaben

für Gartow waren „Wohnen“ –„Gewerbliche Wirtschaft“ – „Ferien/Erholung“.

Das Schwergewicht hierbei lag bei der Schaffung von Erholungseinrichtungen, zumal die Aussage

getroffen wurde: „In Gartow sind für diese Entwicklung günstige Voraussetzungen für Erschließung

und Versorgung mit Dienstleistungen gegeben.“

Der Gartower Rat, insbesondere der Samtgemeindedirektor Hans Borchardt aber auch Bürgermeister

Paul Hennings, bewältigten seither über Jahre hinweg ein großes Arbeitspensum. In der

Ratssitzung vom 26. Juli 1971 erläuterte ein Vertreter der Gesellschaft für Landeskultur die geplante

Bebauung, zunächst das Gebiet „Auf den Kämpen“ am Ortsausgang Richtung Dannenberg:

„Dieses gesamte Gebiet sollte nach dem Entwurf allein der Wochenend- und Ferienhaus-Bebauung

vorbehalten bleiben. Mindestens vier Ferienhaussiedlungen (Feriendorf I - IV) waren in der

Planung, für die Platz benötigt wurde. Abgesehen von fraglich bleibenden Grabenverlegungen und

Linienführungen, der für die Erschließung notwendigen Straßenzüge, war der Rat durchaus nicht

damit einverstanden, daß in diesem Gebiet nicht auch Wohnbauten, besonders der einheimischen

Bevölkerung, möglich sein sollen“.

Der Rat forderte daher, daß für die Springgärten und den Flächenstreifen vom Sägewerk Werth bis

zum Sportplatzende zwischen Neulandweg und Dannenberger Postweg unbedingt die Möglichkeit

einer „freien“ Wohnbebauung eingeplant werden müsse.

Ferner verlangte der Rat in Übereinstimmung mit der erhobenen Forderung des Samtgemeindedirektors,

daß die ausgewiesenen Wochenend- und Ferienhaus-Flächen noch beträchtlich erweitert

werden müßten, wenn man dem laufenden Bedarf Rechnung tragen wollte.

Hierfür wurden zur Einplanung festgelegt:

Im Gebiet „Am Helk“ die in Fortsetzung des Feriendorfes IV gelegenen Flächen, links des Dannenberger

Postweges, bis zur Gemarkungsgrenze an der grfl. Forst. (Sogenannte Laascher Stücken).

Im Anschluß an den Bebauungsplan „Mittelweg“ bis auf einen genügenden Grünstreifen längs des

Waldbadzaunes die baureifen und bereiten Flächen der Werth`schen Obstplantage, sowie für die

Zukunft, die den Werth`schen Flächen anschließenden Herbst`schen Flächen parallel der Sportanlage

südich des Helk-Vorfluters. Evt. auch die südlich des verlängerten Mittelweges liegenden

Weideflächen der Realgemeinde (heute Pony-Koppeln).

Außerdem traten die Ratsherren dafür ein, dass im Anschluß an die Grundstücke Gedelitzer Weg

Nr. 17/19 noch weitere fünf Wohnbauplätze längs des Gedelitzer Weges als kleine Bauparzellen

in den Bebauungs-Plan Mittelweg hineingenommen werden sollten.

424


Örtliche Festlegungen sowohl im Plangebiet „Auf den Kämpen“ wie auch am „Prezeller Weg“ waren

erforderlich. Es wurde festgelegt, dass noch vor Ende September ein Flurbegang erfolgen

müsse.

Bei dem Bebauungsplangebiet „Prezeller Weg“– rechts und links des Weges –, das nach dem Entwurf

ein reines Wohngebiet werden sollte, verlangte der Rat, dass das im Entwurf nicht enthaltene

Waldstück der Realgemeinde (im Anschluß an die Zollsiedlung „Waldstraße“ und zwischen dem

Reiterplatzweg und der Lüchower Chaussee (B 493) gelegen), unbedingt in das Plangebiet aufgenommen

werden solle. Hierzu legte die Verwaltung einen früheren Planungsentwurf als Unterlage

vor, der 32 Bauparzellen vorsah. 16

Ab 1. August 1971 ist dieses Vorhaben gemäß Städtebauförderungsgesetz in die Planungen des

Landes Niedersachsen übergegangen. Der Nieders. Sozialminister bewilligte am 24. Juni 1971

Kostenzuschüsse.

Am 21. Oktober 1971 erfolgte eine Ortsbegehung zur Festlegung von Straßen-, Wege- und Grabenlinienführungen

sowie der geplanten Bauflächen. Hierbei wurde ein Weg mit jungen Eichen zwischen

Neulandweg und Freibadweg Am Helk miteinbezogen. Am Prezeller Weg wurde festgestellt,

daß die dort sehr spitz auslaufenden Grundstücke eine sofortige weitere Bebauung ausschlossen

(„Hier muß vor jeder zukünftigen Baufreigabe – auch nach Erstellung des Bebauungsplanes – zunächst

eine Umlegung erfolgen“).

Der für Gartow aufgestellte Flächennutzungsplan wurde begrenzt im Norden vom Deich Restorf-

Quarnstedt, im Osten vom Quarnstedter Damm, im Süden vom Graben Falkenmoor-Schäferkampbrücke

und im Westen mit der Linie Gemarkungsgrenze Prezeller Weg über die Bundesstraße 493

hinweg bis zum Helk an der Straße Gartow-Dannenberg. Insgesamt 10 Planungsgebiete waren zu

beplanen und zu entwickeln:

01. /

02. Der alte Ortskern, vom Spring bis einschl. Schlossgebiet

03. Ein Gewerbegebiet – um die Sägewerke herum, vom Quotum bis Ortfeld

04. Ein Wohngebiet – Ortfeld, Prezeller Weg, Reiterplatz, Gedelitzer Weg, über Mittelweg bis zur

Schützenplatzspitze

05. Ein Schulgebiet – am Schützenplatz; ein Gebiet, das bis auf den Turnhallen- und evtl. Erweiterungsbau

für die Mittelpunktschule, als fast abgeschlossen gelten kann.

06. Ein Grünflächengebiet – das sich vom Mittelweg über Freibad, Camping- und Sportplatz bis

zum Schützenplatz und Eiskellerberg erstreckt.

07. Ein Gebiet für allgemeine Einrichtungen wie Heime, der Verwaltungen und des Fremdenverkehrs.

08. Das Schäferkampgebiet, zwischen Hahnenberger Damm und Vorfluter Altes Bad – Schäferkampbrücke,

vom Sommerdeich Altes Bad – Nienwalder Weg.

09. Die „Seezone“ (Gartower See) – von der Seegebrücke bis zum Seerigsteig, zwischen der

Dannenberger Chaussee und dem Restorfer Deich.

10. Das Gebiet für Zweitwohnungen (Ferienwohnungen) – vom Quotum, um Springweg und

Neulandweg herum, zwischen Schützenplatz und dem Spring.

11. Gebiete für Ferien- und Wochenend-Wohnungen – im Helk und auf den Kämpen, also vom

Freibadweg, südlich des Galgenberges über die Kämpen bis zur Dannenberger Chaussee

heran.

425


Wilhelm Junack aus Gartow, ein engagierter und interessierter Bürger, warnte bei den vielen Planungen

davor, aus Sicht der Bürger aufmerksam zu bleiben: „…Noch steht dem Gartower Rat ein

Bürgermeister vor, der mit seinen Ratsherren den Mut hat dafür einzutreten, daß die zukünftige

Entwicklung unseres Ortes nicht einfach „von oben her“ ohne Rücksicht auf die Gartower Einwohnerschaft

bestimmt wird. Noch ist in dieser Beziehung nichts festgelegt aber die Gefahr hierfür ist

groß. Die Gefahr, von Meinungen und Ansichten überspült zu werden, die den ureigensten Interessen

der Gartower entgegenstehen bzw. sie unberücksichtigt lassen. Die Männer des Gartower

Rates müssen hellwach sein und dafür sorgen, daß wir noch bestimmen, was in Gartow werden

soll und was zu unterbleiben hat. Die Mitbürger vermögen wenig Einfluß auf den Ablauf der Dinge

zu nehmen. Der § 2 des Bundesbaugesetzes sagt ganz klar: Jeder Bürger kann im Rahmen der

öffentlichen Auslegung Anregungen und Bedenken vorbringen – Einsprüche oder Widersprüche

sind dagegen rechtlich nicht möglich… Dabei mögen ihm (dem Rat) zwei Dinge Richtschnur für die

Zukunftsentscheidungen sein: 1. die Interessen der einheimischen Bevölkerung, im Rahmen eines

gemeindlichen Lebens vorrangig zu sehen, 2. den Charakter unseres Ortsbildes – auch nicht

durch etwaige überspannte Forderungen aus der eigenen Bevölkerung heraus – auf keinen Fall

verloren gehen zu lassen. Alle anderen Forderungen, ganz gleich ob von auswärtigen Geschäftemachern

oder sonstigen Nutzern, ob von Planern oder von Behörden kommend, müssen nachrangig

behandelt werden! Nur dann können und werden wir unser Gartow als „Gartow“ erhalten

sehen!“ 17

Eine weitere kritische Stimme war im Februar 1973 anonym zu vernehmen: „…Angesichts der

eingeleiteten Maßnahmen zur Förderung des Fremdenverkehrs, der ja nicht nur den Gartower

See oder die Schaffung von etwa 500 Ferienhäusern in Gartow beinhaltet, erscheint es uns angebracht,

bei den einzelnen Interessenten aber vornehmlich bei den verschiedenen Interessengruppen

mehr Aktivität und Initiative anzuregen… Es sind wirklich wenige Initiativen zu spüren,

wenn man von den Bemühungen einiger weniger Gartower absieht, die hier die Gründung der

See-Betriebsgesellschaft forcieren oder der Naturfreunde, die jetzt mehr denn je aktiv werden

wollen… Klagen über unzureichende Versorgung beim Handel, ungenügende Gastronomie in einzelnen

Bereichen unserer Samtgemeinde, Fehlen eines ansprechenden Cafes in Gartow, wenig

Freizeitangebote für Urlauber, Feriengäste und hiesige Bevölkerung, schlechte Verkehrsverbindungen

u.a.m. liegen doch vor und hier sollte zunächst einmal begonnen werden. Auch Vorstellungen

der Regierung, wonach man hier lediglich noch vermietbare Ferienhäuser zulassen werde, die

dann das Geld bringen werden, sind doch ein Trugschluß! Die bisherigen Erfahrungen haben doch

gezeigt, daß das nicht so ist! Erfolgreiche Werbung muß auch die Wintersaison einbeziehen…“ 18

Dr. Hartmann von der Landkreisverwaltung meldete sich ebenfalls zu Wort: „…Nach dem Raumordnungsprogramm

für den Regierungsbezirk Lüneburg sind Orte mit zentralen Funktionen festgelegt

worden. Im östlichen Bereich des Kreises gilt Gartow als Nebenzentrum. Innerhalb dieser

allgemeinen Bestimmungen soll Gartow folgende Funktionen erhalten: Gezielte Entwicklung von

Wohngebieten für den Zuzug von außen, gezielte Entwicklung von Gewerbe- und Industriegebieten

für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Sicherung und Entwicklung von Anlagen und Einrichtungen

für die Erholung. Gartow wird danach als Schwerpunkt des östlichen Kreisgebietes bevorzugt

entwickelt werden. Diese Herausstellung geschieht zurecht, denn nur ein vielfältiges Angebot

höherwertiger Versorgungseinrichtungen auf überschaubarem Raum sichert eine wirtschaftliche

Ausnutzung…“ 19

Auch August Quis, ebenfalls von der Landkreisverwaltung, hatte sich seine Gedanken gemacht:

„…Soweit ich die Dinge übersehe, sollte man auch dem Architekten Ranke von der Firma Plötner

426


dankbar sein, daß er so viele gute Ideen kostenlos beigesteuert hat. Sicher interpretiert man das

Land Niedersachsen und die Regierung völlig falsch, wenn man ihr vorwirft, sie wolle die Großkapitalisten

fördern. Was sie nicht will, ist, daß sich reiche Großstädter die schönsten Plätze für ihre

Wochenend- und Feriendomizile heraussuchen…“ 20

Als Eigentümer umfangreicher Ländereien beteiligten sich die Grafen-Zwillinge Andreas und Cornelius

v. Bernstorff ebenfalls an den Planungen zum Bau von Ferienhaus-Siedlungen insbesondere

Am Schäferkamp sowie beiderseits des Gutes Quarnstedt sowie in Richtung Elbholzdamm. Diese

Projekte sind dann jedoch nicht realisiert worden. Ohnehin erfolgte späterhin eine Reduzierung

der zunächst angedachten Projekte.

Fast alle Ferienhausplanungen waren baulich nicht umzusetzen, bevor umfangreiche Geländeaufhöhungen

am Nordufer des neu entstandenen Gartower Sees und der Flurteile Auf den Kämpen,

Helk, Schäferkamp ausgeführt waren. Letztere sind dann mit dem Seeaushub auf NN + 18,50 m

aufgespült bzw. erhöht worden, um Stauwasser auf den Flächen zu vermeiden. Gleichzeitig wurde

dort die Binnenentwässerung neu geordnet.

Der Flächennutzungsplan wie auch das Landespflegerische Rahmenprogramm vom September

1973 überzeugten den Samtgemeinderat Gartow nicht gänzlich: „…Die größere Ausweisung von

Bauflächen an sich kann also selbst nicht im Gegensatz zu den Zielen und Raumordnungen zur

Landesplanung stehen. Umso größere Bedeutung kommt jedoch konkreten Zielen zu, wie Verhinderung

der Zersiedelung der freien Landschaft und Beeinträchtigung des charakteristischen Ortsbildes.

Größtes Augenmerk muß auf die wirtschaftliche Auslastung vorhandener bzw. notwendiger

Ver- und Entsorgungsanlagen gerichtet werden. Die Vorgabe eines Planungsvolumens von 250

bis 350 Wohneinheiten einschl. Zweitwohnungen muß bezweifelt werden. Nach den vorliegenden

Statistiken sind in den Jahren 1969 - 1975 448 Wohneinheiten genehmigt worden. Trotzdem trat

im gleichen Zeitraum eine Bevölkerungsabnahme von 3,5% ein. Eine weitere Beschränkung des

Wohnungsbaues würde mit Sicherheit zu einer noch stärkeren unerwünschten Bevölkerungsabnahme

führen….“ 22

Im Bebauungsgebiet Schäferkamp, wo sich

1977 schon das Altersheim, der Kindergarten,

die Gemeindeverwaltung – heute hat die Tourist-

Information hier ihren Sitz – und die Post befanden,

war der Bau von 40 - 50 Wohneinheiten in

1 - 2 geschossiger Ausführung vorgesehen sowie

Kurpark, Kinderspielplatz, Reithalle, Reitgelände

mit Straßen, Gehwegen und Grünzonen.

Seit 1973 war das Architekturbüro „medium“

aus Hamburg mit entsprechenden Planungen

betraut. Der Bebauungsplan Am Schäferkamp

lag im April 1975 öffentlich aus. Das Gebiet war

in die drei Flächen A, B und C unterteilt: A = Gelände

am Altersheim, B = Reithalle/-platz, C =

südöstlich vom Altersheim. Am 14. Juni 1973

war ein Vertrag wegen dieser Flächen zwischen

Andreas Graf v. Bernstorff und der Politischen

Gemeinde Gartow zustandegekommen.

2009: Bebauung „Schäferkamp“ (unten rechts)

427


Der Graf übertrug der Politischen Gemeinde das Gelände A als Ausgleich für das Gelände C, welches

die Politische Gemeinde aufhöhen ließ. Das Gelände B wurde ihr späterhin übertragen, während

Gelände C im Besitz des Grafen verblieb. Die Geländeflächen ergaben insgesamt eine Größe

von 15,3 ha, im Oktober 1975 war die Aufhöhung dieses Areals abgeschlossen. Rund 32000

cbm Spülboden sind verbaut worden. Das Gebiet Schäferkamp ist wenig später als Neubaugebiet

besiedelt worden.

Damals ist von der Bundesregierung ein Investitionsprogramm verabschiedet worden, wozu die

Samtgemeinde Gartow u.a. den Anschluß des Bebauungsgebietes Auf den Kämpen an die Kanalisation

anmeldete. Direkt oder indirekt waren bis April 1977 rd. 23 Mio. DM zur Förderung des

Fremdenverkehrs in die Samtgemeinde geflossen.

Zu den bereits genannten Bebauungsplänen kam derjenige mit der Bezeichnung „Prezeller Weg“

hinzu, der neu aufgestellt und im Oktober 1977 öffentlich auslag. Währenddessen überarbeitete

der Landkreis den Flächennutzungsplan Samtgemeinde Gartow, wobei die Baufläche am Prezeller

Weg verkleinert wurde, wie auch ohnehin Bauflächen und -tiefen verringert wurden: die Gesellschaft

für Landeskultur hatte im 1. Entwurf 1054 Bauflächen ausgewiesen, nach der Überarbeitung

durch den Landkreis blieben nur noch ca. 580 davon übrig. 21

Nicht nur für Urlauber wurde Gartow attraktiver sondern auch für Zuzügler mit Wohnsitz in Gartow.

So hatten am Stichtag 20. Dezember 1977 genau 1 065 Einwohner in Gartow ihren Haupt- und

261 ihren Nebenwohnsitz.

Erst 1978 ist der Flächennutzungsplan für die Samtgemeinde Gartow fertiggestellt worden, den

der Samtgemeinderat am 19.1./5.6.1978 anerkannte. Und erst am 20. April 1979 genehmigte die

Bezirksregierung Lüneburg den Bebauungsplan Auf den Kämpen. Dort wollte die Baugesellschaft

„Juwel-Bau KG“ mit einem Kostenaufwand von rd. 17 Mio. DM 144 Ferienhäuser errichten, was

dann auch erfolgte. In der 1. Änderung dieses Planes vom 6. April 1981 wurde festgelegt: „Die

maximal zulässige Grundfläche je Haus im Sondergebiet Wochenendhäuser wird von 60 auf 70

qm heraufgesetzt. Es handelt sich um das einzige Sondergebiet Wochenendhäuser im Geltungsbereich

des Bebauungsplanes und liegt unmittelbar nördlich der Straße Am Schützenplatz.“

1980 war der Landschaftsrahmenplan, den der Landkreis erst im Januar 1980 als Auftrag vergeben

hatte, noch immer nicht fertiggestellt.

Am 22. August 1980 kam es zum Abschluß eines Vertrages zwischen der Gemeinde und Samtgemeinde

Gartow und der Juwel-Baugesellschaft, Hamburg, zur Erschließung und Bebauung des

Baugebietes Auf den Kämpen, wonach die Gemeide/Samtgemeinde für Straßen-, Wege-, Wasserversorgungs-

und Kanalistion-Bauten verantwortlich ist und die Juwel-Bau KG Ferienhäuser

errichten ließ. Es war beabsichtigt, 158 Ferienhäuser zu erstellen. Mit 184 Ferienhäusern der

Baugesellschaft „Juwel-Bau“ Auf den Kämpen und 66 auf dem Helk ist eine vorläufige Auslastung

hinsichtlich von Ferienhäusern in Gartow erreicht.

Neben diesem Bebauungsgebiet wurde ein weiteres unter der Bezeichnung „Elsebusch“ ausgewiesen,

1981 ist nahe des Hamburger Feriendorfes ein Gewerbegebiet Hahnenberge dazugekommen.

Später sind die Bebauungsgebiete Helk, Auf den Kämpen, Elsebusch und das Gewerbegebiet

Hahnenberge aus dem mit Verordnung vom 1. August 1974 festgesetzten Landschaftsschutzgebiet

„Höhbeck-Gartow“ entlassen worden.

428


2009: Bebauung „Elsebusch“ (rechts)

Der am 12. August 1981 aufgehobene Bebauungsplan Schäferkamp von 1976 ist durch eine am

2. November 1981 genehmigte Neufassung ersetzt worden. Ferner kam es am 1. Dezember 1981

zur Genehmigung des Bebauungsplanes Prezeller Weg Süd und Teilaufhebung des Bebauungsplanes

Prezeller Weg.

Im Flächennutzungsplan waren für das Samtgemeindegebiet insgesamt 39,2 ha Bauland (ohne

Wochenendhaussiedlungen) ausgewiesen, davon für Gartow 19,1 ha. Bis 1985 wollte die Bezirksregierung

Lüneburg nur die Bebauung von 250 Bauplätzen zulassen. Hinzu kamen in Gartow 33

Baulücken (von insgesamt 200). Die zur Bebauung mit Ferienhäusern vorgesehene Quarnstedter

Koppel (5,25 ha) blieb zunächst im Bebauungsplan enthalten (Juli 1977).

In den neuen Bebauungsgebieten sind ausreichend Grüngebiete und Kinderspielplätze realisiert

worden. Noch vor rd. 50 Jahren sind Bedürfnisse wie ein Spielplatz in privater Initiative umgesetzt

worden. So hat Gottlieb Graf v. Bernstorff 1952 der Gemeinde Gelände zur Verfügung gestellt, auf

dem ein Badebecken (1100 cbm Aushub), eine Liegewiese und ein Spielplatz eingerichtet wurden.

Ein Jahr später überließ der Graf „das Gelände längs der Alten Allee am Nienwalder Weg von der

Brücke über den Bürgergraben bis zur ehem. Kroppschen Schmiede“ als Kinderspielplatz. Die

Osthälfte diente Ballspielen, die Westhälfte hatte zwei große Sandkisten und eine Wippe. Damit

waren besonders Kleinkinder den Gefahren des zunehmenden Fahrzeugverkehrs entzogen.

Relativ lange hat es gedauert, bis das ebenfalls mit dem Seeaushub aufgespülte Baugebiet zwischen

Auf den Kämpen und Quotum aufgesiedelt war. Gartow hat seine Siedlungsfläche nach dem

2. Weltkrieg etwa vervierfacht. Das Baugebiet Helk – Am Birkenweg ist inzwischen fast aufgesiedelt,

ebenso das Baugebiet Prezeller Weg, lediglich im Baugebiet Elsebusch sind noch Grundstücke

zu erwerben und zu bebauen.

429


2009: Die Hauptstrasse

2009: Die Hauptstrasse 26

2009: Die Hauptstrasse 8

2009: Die Hauptstrasse 12, 14, 16

2009: Die Springstrasse 48, 50

2009: Die Springstrasse 58

2009: Die Hahnenberger Strasse 57

2009: Die „Hahnenberger Bierstube“ am Schützenplatz

430


Ein weiteres 8 Hektar umfassendes Baugebiet steht am Buchhorst-Garten (ehem. v. Bernstorffscher

Gutsgarten) zur Verfügung, wo in den kommenden Jahren eine naturnahe Wohnanlage entstehen

wird. 23

Zur Vorgeschichte dieses letzteren Bebauungsplanes wurde berichtet:

„Erstmals wurde im Rat der Gemeinde Gartow am 12.5.1997 über das Projekt Wohnanlage Buchhorst

berichtet. Zur Verwirklichung des Vorhabens sei zunächst der Flächennutzungsplan zu ändern.

In der Ratssitzung am 3.12.1998 teilt der Gemeindedirektor mit, dass die Interessengemeinschaft

Buchhorst-Gartow die Planungskosten für den Bebauungsplan übernehmen wird. Der Rat

der Gemeinde Gartow hat dann in seiner Sitzung am 18. März 1999 beschlossen, dass ein städtebaulicher

Vertrag zur Kostenübernahme zu schließen ist. Der erforderliche Flächennutzungsplan

ist im Jahre 2002 genehmigt und bekannt gemacht worden. Ein städtebaulicher Vertrag gemäß §

11 Baugesetzbuch ist gefertigt und von den Vertragsparteien unterschrieben worden. Im Vertrag

ist geregelt, dass der Investor für die technische Ausarbeitung des Bebauungsplanes einschließlich

gegebenenfalls erforderlicher Gutachten, Verträglichkeitsprüfungen, Grünordnungsplan sowie

Ausgleichsmaßnahmen und hieraus entstehender Folgelasten Auftraggeber und Kostenpflichtiger

ist. Der Investor beauftragt das Planungsbüro Witt mit den erwähnten Planungsarbeiten. Die Planungshoheit

der Gemeinde Gartow bleibt hiervon unberührt. Der Rat der Gemeinde Gartow hat

auf seiner Sitzung am 16. März 2005 beschlossen, das Planverfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes

Buchhorst einzuleiten (Aufstellungsbeschluss).“ 24

Nicht realisiert wurde die geplante Ferienhausanlage in der Quarnstedter Koppel. Ursprünglich

war der Bau von 250 Ferienhäusern von der Planungsgruppe medium, Hamburg, vorgesehen, wurde

jedoch auf rd. 100 Einheiten reduziert. Je Ferienhaus war ein Grundstück von 300 - 400 qm zugeordnet,

ferner war die Anlage von Gemeinschaftsflächen geplant. Damals erschien die Aussage:

„…liegt nördlich des Gartower Sees mit einer durchschnittlichen Entfernung von 100 m zum Seeufer.

Da eine Begehung der Uferpromenade für alle Besucher möglich sein soll, wird eine Bebauung

des Ufers selbst mit Ferienhäusern nicht genehmigt. Die dem Feriengebiet vorgelagerten

niedersächsischen Fachwerkhäuser sollen stehen bleiben und dem Fremdenverkehr nutzbar gemacht

werden. In diesen Häusern sollen Spezialitätenrestaurants, Ausstellungsräume für Handwerker

und Künstler, Clubräume für Tennisspieler und Segler eingerichtet werden…“

Ehemaliges v. Bernstorffsches Försterhaus

Hahnenberger Strasse 4

2009: Die Hahnenberger Strasse 56, 58

431


Gartow vor 1970 und im Zustand von 1994

432


Die Entwicklung des Ortsteiles Hahnenberge schilderte jüngst der dort aufgewachsene, inzwischen

97jährige Zimmermann August Kraasmann aus seiner Sicht:

„Die um 1920/30 lebenden Einwohner waren sämtlich „kleine Leute“, also Arbeiter mit geringem

Einkommen, die fast ausschließlich bei den Sägewerken Herbst und Werth beschäftigt waren.

Zweidrittel der Beschäftigten arbeiteten in der Firma Herbst, ein Drittel der Hahnenberger Einwohner

bei der gegenüberliegenden Firma Werth. Die allmähliche Wohlstandsentwicklung verdeutlicht

Kraasmann daran, daß sich die Arbeiter lediglich 1 - 2 Ziegen, die „Kuh des kleinen Mannes“

leisten konnten, weshalb es auch einen Ziegenzuchtverein Hahnenberge gab. Späterhin schafften

sich die Einwohner 1 - 2 Kühe an und noch später ein Pferd. Da die Hahnenberger mehrheitlich

über keinen Grundbesitz verfügten, pachteten die Arbeiter von den Gartower Bauern kleine Landstücke

und betrieben eine sogen. Feierabendlandwirtschaft. Als sie nach und nach zu mehr Geld

kamen, erwarben sie auch Grundstücke. Mindestens 14 Wohnhäuser gehörten der Firma Herbst,

worin Beschäftigte dieser Firma gegen Mietzahlung wohnten. Andere wiederum bauten sich eigene

Häuser, zumal sie handwerklich versiert waren und sich gegenseitig halfen.

Bis auf wenige Ausnahmen waren die Hahnenberger abhängig von der Arbeit in beiden Sägewerken.

Solange sie florierten, gab es keine Arbeitslosigkeit. Und das war bis etwa 1970 der Fall. Da

das Sägewerk schon frühzeitig eigenen Strom erzeugte, waren die Hahnenberger mit die Ersten,

die im Landkreis über elektrisches Licht verfügten, eine Weile lang war sogar die Straßenbeleuchtung

mit angeschlossen. Eine zentrale Wasserversorgung gab es noch nicht, jede Hausstelle verfügte

über einen Brunnen, etwa 6 m tief, wobei die Schwengelpumpe nach Möglichkeit im frostfreien

Innern des Hauses untergebracht war. Es gab eine Gemeinschaftspumpe für Notfälle, die bei

Frost einen Strohmantel gegen Einfrieren erhielt. Wegen des nahe liegenden ehemaligen Moores

mußte der Brunnen tief genug abgeteuft werden, um moorigen Beigeschmack zu vermeiden. Der

räumlichen Ausdehnung in Hahnenberge waren natürliche Grenzen insofern gesetzt, als hohe

Hochwasser Flächen überfluteten oder sich das lästige Qualmwasser bemerkbar machte. Stand

das Hochwasser in der Vegetationszeit länger, waren die Hahnenberger gezwungen, ihr Vieh auf

den wenig breiten Grünstreifen hochwasserfreier Wege zu hüten“. 25

Gartow-Hahnenberge, Betriebshof der Firma Werth

433


434


Die Jahre 1970 - 1972 im Überblick

16.3.1970

Am 1.4.1970 trat die aus 15 Paragraphen bestehende „Ortssatzung über die Müllabfuhr in der

Gemeinde Gartow“ in Kraft.

Am 20.8.1970 wurde die Gebührenordnung des Wasserbeschaffungsverbandes Höhbeck zur Satzung

über den Anschluß der Grundstücke an die öffentliche Wasserleitung erlassen.

Okt./Nov.1970

Ein seismischer Messtrupp der Gewerkschaften Brigitta und Elwerath, Hannover, führten Flachbohrungen

und Sprengungen zur Untersuchung des Untergrundes in der Gemarkung Gartow

durch.

Nov. 1970

Die auch für Gartow tätige Gemeindeschwester war Grete Hünecke in Vietze.

19.11.1970

Malermeister Wilhelm Reinhardt, Gartow, Hahnenberger Str. 66, beging sein 25 jähriges Geschäftsjubiläum.

Am 25.11.1945 eröffnete er seinen Malereibetrieb.

Dez. 1970

Im Auftrage des Gemeinderats waren unter der Leitung von Bürgermeister Hennings am

12.12.1970 die Bediensteten der Gemeinde- und Samtgemeindeverwaltung sowie die Besatzung

des Zollbootes „Gartow“ aus Schnackenburg bei einer Adventsfeier zusammen. Solche Feiern gab

es auch im Altenheim und beim Gartower Ortslehrerverein (1. Vors. Konrektor Burchards).

17.12.1970

Die Gartower Feuerwehr rückte zu einer Suchaktion an der Elbe in der Nähe des Kalksandsteinwerkes

Tießau zu nächtlicher Stunde aus.

Mit einem Boot wurde schließlich ein 14jähriger Flüchtling, der die Elbe durchschwamm, geborgen;

wenig später ein weiterer 15jähriger Junge, der jedoch im Krankenhaus verstarb.

Jan. 1971

Am 4.1.1971 verstarb Heinrich Doormann (72 J.), der rd. 50 Jahre bei der Sägerei Werth tätig war,

ferner starb am gleichen Tag der langjährige Gartower Polizeibeamte Johannes Steinborn (73 J.).

Die Firma W. Ducke gab am 9.1.1971 bekannt, daß sie ihren Landmaschinenbetrieb an die Landwirtschaftliche

Bezugs- und Absatzgenossenschaft Lüchow abgetreten hat.

15.1.1971

In der Hauptstraße ereignete sich ein Wasserrohrbruch, der mit Hilfe der örtlichen Feuerwehr

repariert werden konnte.

Rund 60 Autos sind in der Werkstatt von Ernst Walter durch den Techn. Überwachungsverein auf

Fahrsicherheit geprüft worden.

435


21.1.1971

Viehzählungsergebnisse Gartow 1962 - 1970 (Auswahl):

Pferde: 1962 und 1963 = 61, 1964 = 70, 1965 = 59, 1966 = 58, 1967 = 60, 1968 = 55, 1969

= 49, 1970 = 47.

Rindvieh: 1962 = 518, 1963 = 545, 1964 = 562, 1965 = 522, 1966 = 515, 1967 = 571, 1968 =

677, 1969 = 762, 1970 = 672.

Schweine: 1962 = 563, 1963 = 613, 1964 = 694, 1965 = 794, 1966 = 551, 1967 = 638, 1968

= 632, 1969 = 573, 1970 = 290.

Hühner: 1962 =2037, 1963 = 2031, 1964 = 1857, 1965 = 1603, 1966 = 1443, 1967 = 1281,

1968 = 1138, 1969 = 957, 1970 = 767.

Der Bestand an Schafen schwankte zwischen 4 (1966) und 23 (1968),

der an Ziegen zwischen 0 (1970) und 8 (1967).

Die Zahl der Bienenvölker sank von 86 im Jahr 1962 auf 33 im Jahr 1970.

26.1.1971

Polizeibeamter i.R. Ernst Pevestorf (78 J.) verstarb.

Regierungspräsident Dr. Rainer Frede aus Lüneburg war erstmalig zu Besuch in Gartow (betr. Modellvorhaben

Dorferneuerung Gartow).

1.2.1971

P. Matull aus Lüchow übernahm die Geschäftsführung des Gartower Verkehrsbüros und der Bücherei

im Informationszentrum Gartow.

Veröffentlichung der neuen Satzung des Realverbandes (früher Realgemeinde) Gartow.

11.2.1971

Prof. Kulke aus Braunschweig weilte mit seinen Studenten, die Architektur studieren,

in Gartow.

20.2.1971

Heinrich Baark, der viele Jahre als Ratsherr für Gartow wirkte und auch als Kreistagsabgeordneter

tätig war, wurde beerdigt (84 J.).

3.3.1971

Die Gutsverwaltung Quarnstedt (v. Bernstorff) erhielt sechs neue Traktoren der Marke Deutz zu

70,85 und 100 PS.

6.3.1971

Tagung des Unterhaltungsverbandes Seege betr. Aufstufungen von Gewässern

III. Ordnung in Gewässer II. Ordnung sowie erhöhte Beitragszahlungen.

März 1971

Es gab zwei Eheschließungen zwischen Frauen aus Gartow mit Angehörigen der britischen/amerikanischen

Streitkräfte, die auf der Höhbeck-Abhörstation stationiert sind.

10.3.1971

Der Gartower Gemeinderat stimmte für die Modellform „Samtgemeinde“ bei der künftigen Gemeindereform

ab 1.7.1972.

436


Gemeinderatssitzung: Der Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1971 erreichte eine bisher noch

nie da gewesene Höhe mit 466.887 DM in der Einnahme und Ausgabe. Die Gesamtverschuldung

der Gemeinde verminderte sich im Jahre 1970 von 819.701 DM auf 800.263 DM, wodurch auch

die Belastungshöhe je Kopf der Gemeinde, trotz weiterhin verminderter Einwohnerzahl von 739

DM auf 727 DM sank. Von der genannten Schuldenlast sind 78% rentierliche und 22% unrentierliche

Schulden.

11.3.1971

Erster Anschluß des Grundstückes Springstr. 84 an die neu geschaffene zentrale Wasserversorgung.

25.3.1971

Konzert des Musikkorps des Grenzschutzkommandos Nord, Hannover, in Gartow zugunsten des

Deutschen Roten Kreuzes.

Zur Unterbringung von ledigen Zollanwärtern suchte die Gemeinde für das Gartower Zollgrenzkommissariat

möblierte Zimmer zum Anmieten.

Ein spielender Junge fand in einem Gebäude an der Hauptstraße eine amerikanische Eierhandgranate

von 1945.

27.3.1971

Cornelius Graf von Bernstorff vermählte sich mit Andrea Freiin v. Falkenhausen.

6.4.1971

Günter Buck hatte seine Drogerie ausgebaut, so daß auch Farben und Tapeten verkauft werden

konnten.

10.4.1971

Die Hauptstraße ist in den Vormittagsstunden voll beparkt mit 70 - 80 Pkws von der Kirche bis zum

Geschäft Horstmann. Davon über 40 Pkws, etwa 60% Auswärtige, die noch schnell vor den Festtagen

einkaufen. Durch die beiden 10 Uhr-Busse wird der laufende Verkehr zeitweilig lahmgelegt. Ab

Mittag völlige Oster-Ruhe im ganzen Ort. Walter Ducke verpachtete seinen Betrieb und arbeitete

als Mitarbeiter der Bausparkasse.

Heinz-Dieter Grau und Herbert Wiechert wurden zu Polizeibeamten ernannt.

11.4.1971

Lebhafter Fremdenverkehr in Gartow mit Gästen aus der ganzen Bundesrepublik: Darunter war

auch ein Bus mit 59 Berliner Urlaubern.

19.4.1971

Infolge von Minensprengungen an der Grenze durch DDR-Organe kam es zu kleineren Waldbränden

im Gebiet Wirl/Lanze. Die Gartower Feuerwehr war im Einsatz.

Die Sprengungen erstreckten sich bis zum 23. April.

22.4.1971

Von der Gesellschaft für Landeskultur, Bremen, wurde der Landschaftsplan Seegeniederung fertiggestellt.

26.4.1971

19 Ferienhäuser am Helk waren gerichtet (Feriendorf IV).

437


28.4.1971

Wiederum Minensprengungen und Waldbrandgefahr auf westdeutscher Seite.

29.4.1971

Karl Pelz, ehem. gräflicher Chauffeur, wurde für 40jähriges unfallfreies Fahren ausgezeichnet.

1970 wurden in Gartow rd. 55000 Übernachtungen registriert.

1.5.1971

Beim Tanz in den Mai haben 20 Beamte der motorisierten und berittenen Grenzaufsichtsstelle

Gartow 233 DM für soziale Zwecke gespendet.

Die Ferienhausgemeinschaft Am Helk (Feriendorf IV) beging ihr Richtfest mit anschließendem

Spanferkelessen.

5.5.1971

Die Gartower Polizeibeamten H. Jeleniewski und J. Wroblewski wurden zu Polizeiobermeistern befördert.

7.5.1971

Die erste Belegung für das kürzlich fertiggestellte Feriendorf Am Helk erfolgte.

11.5.1971

Die Staatl. Hauptkörung 1971 für Bullen, Eber und Schafböcke im Raum der Samtgemeinde Gartow

erfolgte um 16.30 Uhr auf dem Gutshof Quarnstedt und zuvor um 14.45 Uhr in Lomitz bei

Bauer W. Heisecke.

Mai 1971

DDR-Grenzorgane löschten Feuer auf ihrem Gebiet und gingen dabei sehr vorsichtig um, weil

eventuell Minen explodieren können. Auf westdeutscher Seite blieben Feuerwehren im Wald in

Bereitschaft.

22.5.1971

Das Zweite Deutsche Fernsehen fertigte im Rahmen der Sendung Länderspiegel an zwei Tagen

Fernsehaufnahmen in Gartow.

26.5.1971

Der Friedhof Gartow erhielt Anschluß an die zentrale Wasserversorgung.

3.6.1971

Straßen- bzw. Gehwegbau in der Kurve Forsthaus Junack, Hahnenbergerstraße durch die Firma

Hahlbohm, Lüchow.

15.6.1971

Die Bauarbeiten zur neuen Turnhalle haben begonnen.

28.6.1971

Der Landwirtschaftliche Verein Gartow bestand nunmehr 100 Jahre lang, der niedersächsische

Landwirtschaftsminister Bruns hielt im Gartower Schützenhaus die Festrede.

438


3.7.1971

Einweihung des Gemeinschaftsraumes (ehem. Kindergartenbaracke) im Feriendorf durch das Familienhilfswerk.

5.7.1971

Feuerwehr Gartow rückte zum Löschen eines Brandes im Sägewerk Gauster in Gorleben aus.

23.7.1971

Zur Inspektion der Abhöranlage auf dem Höhbeck landete ein US-General im Hubschrauber des

Bundesgrenzschutzes auf dem Sportplatz.

17.7.1971

Heiterer Heimatabend unter Mitwirkung der gemischten Chöre Gartow und Restorf unter Chorleiter:

Albert Ziegenhorn.

27.7.1971

Anbringung einer Pegellatte an der Seegebrücke, sehr niedriger Wasserstand in der Seege.

2.8.1971

Laufende Einzelminensprengungen im Bereich Nienwalde-Kapermoor-Wirl.

Ebenso am 10.8.

12.8.1971

Der Direktor des Naturparkes Lüneburger Heide, Alfred Töpfer, bereiste zusammen mit dem Oberkreisdirektor

Paasche den Gartower Forst.

16.8.1971

Weitere Minensprengungen, der Bau des Grenzzaunes auf DDR-Seite bei Nienwalde schreitet voran.

Wieder war die Feuerwehr Gartow in Alarmbereitschaft, Kettensprengung von 36 Minen.

19.8.1971

Die gräflich v. Bernstorffsche Gutsverwaltung Quarnstedt feierte ihr internes Erntedankfest.

22.8.1971

Die Gemeindevertretung aus Quickborn/Holstein besichtigte in Gartow Feriendorf und Fremdenverkehrseinrichtungen.

23.8.1971

Durch Minensprengungen erneut Feuer bei Nienwalde, Forstamt und Bundesgrenzschutz schufen

einen 4 m-Brandschutzstreifen längs der Grenze auf westdeutschem Gebiet.

26.8.1971

Im Verlauf der letzten 10 Tage hatten vier Flüchtlinge den niedrigen Wasserstand in der Elbe genutzt,

um unverletzt auf bundesdeutsches Gebiet zu gelangen.

Eine BGS-Hundertschaft stand in Bereitschaft, falls es neue Waldbrände durch Minensprengungen

gibt.

439


2.9.1971

Die Hauptstraße in Gartow erhielt einen Asphaltbelag.

4.9.1971

Erneute Minensprengungen an der DDR-Grenze.

Ein Mühlstein aus der Lanzer Mühle wurde in der Mitte des Parkplatzes an der Bundesstraße 493

gesetzt.

15.9.1971

Prof. Dr. Smit von der niederländischen Universität Nijmegen, Geographisches Institut, nahm mit

Studenten Quartier in Gartow. Sie untersuchten Probleme des Zonenrandgebietes.

6.9.1971

In der Hauptstraße wurden die ersten Hauswasseranschlüsse für die zentrale Wasserversorgung

installiert.

8.9.1971

Samtgemeinde-Kassenverwalter Willi Bökamp verstarb mit 65 Jahren.

10.9.1971

Bei der Shell-Tankstelle (Springstr. 8, ehem. Suhrsche Hausstelle) wurde ein 30 000 Liter-Benzintank

eingesenkt.

17.9.1971

In der kältesten Frostnacht seit 1864 (minus 8 Grad) erfroren rd. 30000 Azaleen bei der Gärtnerei

Horstmann.

22.9.1971

Ein Gartower Kapitalhirsch (Erleger Hermann Junack) erhielt bei der Weltjagdausstellung in Budapest

die Goldmedaille.

1.10.1971

Schließen der Baulücke durch die Familie Breitenreiter zwischen alter Schmiede und Hausstelle

G. Wolf (ehem. Mausolf).

2.10.1971

Carl Heise verstarb 81jährig. Er war der erste Fahrer, der die Busverbindung Dannenberg-Gartow

ab 1926 regelmäßig bediente.

3.10.1971

Der Kulturverein Gartow besteht 25 Jahre. Vorsitzender ist der Gartower Schulleiter Alfred Pudelko.

4.10.1971

Baubeginn für die neue Bushaltestelle gegenüber der Kirche.

440


21.10.1971

Die ehemalige Bushaltestelle und der ehem. Briefkastenstandort in der Hauptstraße wurden zur

neuen Bushaltestelle gegenüber der Kirche verlegt.

Damit endete ein regelmäßiges Verkehrschaos in der Hauptstraße.

18.11.1971

Die Agrarsoziale Gesellschaft Göttingen tagte im Gartower Central-Hotel bis zum 20.11.1971.

19.11.1971

Oberforstmeister Hermann Junack aus Gartow, gräfl. v. Bernstorffscher Förster, wurde 1971 von

der Universität Freiburg i. Breisgau mit dem Wilhelm Leopold-Pfeil-Preis als Auszeichnung für seine

Verdienste um die deutsche Forstwirtschaft, geehrt.

22.11.1971

Mehrstündiger Stromausfall infolge Schneeverwehungen.

23.11.1971

Eine englische Militärkapelle gab vor dem Feuerwehrhaus ein Konzert aus Anlaß des 25jährigen

Bestehens des Bundeslandes Niedersachsen.

8.12.1971

Der niedersächsische Wirtschaftsminister Greulich informierte sich zusammen mit dem Regierungspräsidenten

und Oberkreisdirektor über den Bau des Gartower Sees und seiner Nebenanlagen.

29.12.1971

Ein 800 Kübel fassendes Müllfahrzeug bediente erstmalig Gartow.

Die Wasserversorgungsgemeinschaft Gartow-Hauptstraße beschließt ihre Auflösung, da die Mitglieder

inzwischen an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen worden sind.

11.1.1972

Die Gesellschaft für Landeskultur, Bremen, führte Befragungen und Erhebungen zur Lage der

Gartower Landwirtschaft durch.

Landrat Willi Koops, Dannenberg, verstarb auf dem Rückweg nach Hause, nachdem er Gartow

einen Besuch abgestattet hatte.

13.11.1972

Die Landkreisverwaltung hielt im Deutschen Haus eine Besprechung mit Vertretern Gartows und

umliegender Gemeinde wegen der geplanten Gemeindereform ab.

18.1.1972

Behördenvertreter und Planer führten am Gartower See eine Ortsbegehung zur Festlegung des

Seerundweges durch.

1.2.1972

Als neuer Gemeindebrandmeister wurde Herr Pöhland bestätigt.

Das Landesplanerische Raumordnungsprogramm (u.a. auch für Gartow) liegt öffentlich aus.

441


12.2.1972

Bürgerversammlung in Gartow betr. Ausbau und Gestaltung des neuen Gartower Sees, Kanalisation,

Wasserversorgung, Bebauungsgebiete, Ferienanlagen.

20.2.1972

Wasserstand der Seege so niedrig, daß der Wasserlauf oberhalb der Brücke in Gummistiefeln

durchwatet werden konnte.

2.3.1972

Anhörungstermin durch die Gesellschaft für Landeskultur, Bremen, betr. Bebauungspläne „Auf

den Kämpen/Helk“ und „Prezeller Weg“ in Gartow.

13.3.1972

Wiesenflächenbrand: Pfingstweide, Pfingstwiese, Laascher Wiesen, Laascher Damm, Schwarzer

See.

15.3.1972

Die Haushaltungen A. Schmidt und Joh. Mielke am Prezeller Weg erhielten Stromanschluß.

11.4.1972

Funkübung des Bundesgrenzschutzes am Schützenhaus.

16.4.1972

Erste Kirschblüte.

19.4.1972

Baufluchtlinie für den Gehweg Hahnenberger Damm festgelegt.

Erbauung des Fußgängersteges über die Seege bei Nienwalde.

3.5.1972

Abschluß des Gebietsänderungsvertrages zwischen Gartow, Nienwalde und Laasche.

5.5.1972

Gemeindevertreter aus Gr. Eilsdorf besichtigten das Gartower Feriendorf.

8.5.1972

Der Frauenverein Schnega besichtigte in Gartow Ferienhausanlagen.

Erste Fliederblüte.

14.5.1972

Am Ortseingang Gartow-Springstraße kam das Auto eines US-Soldaten ins Schleudern, prallte gegen

einen Baum. Der Fahrer ist tödlich verletzt worden.

17.5.1972

Gemeindevertreter aus Amelinghausen zu einem Informationsbesuch in Gartow.

442


25.5.1972

Hausfrauen aus Hamburg besichtigten die Feriendörfer in Gartow.

4.6.1972

Der Gemeinderat Brome besuchte mit 40 Personen den Ort Gartow.

8.6.1972

Prof. Kulke von der Techn. Universität Braunschweig besuchte zu Lehrzwecken über die Rundlingsforschung

mit 30 Studenten Gartow und Umgebung.

16.6.1972

Das Haus des Schlachtermeisters W. Schultz in Gartow brannte z.T. nieder.

19.6.1972

Öffentliche Auslegung des Flächennutzungsplanes und der Bebauungspläne

„Auf den Kämpen/Helk“ und „Prezeller Weg“.

20.6.1972

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg erklärte seine Beteiligung am Gartower See-Ausbau.

24.6.1972

Letzte Gartower Ratssitzung mit dem bestehenden Gremium.

Die Kreissparkasse stellte für die Erweiterung des Spielplatzes am Waldbad eine namhafte Summe

zur Verfügung.

Der Schulzweckverband Gartow wurde aufgelöst (aus Gartow gingen 103 Jugendliche und Kinder

zur Schule).

Enthüllung der Gedenktafel am Hotel Krug zu Karl May: „Hier weilte Karl May 1842, 1912 und

1898“.

26.6.1972

Gasthof „Gartower Hof“ außer Betrieb, neue geplante Nutzung als Filiale der Genossenschaftsbank.

30.6.1972

Volkshochschule Barendorf mit 20 italienischen Gästen in Gartow.

1.7.1972

Die Gemeinde Lanze wird der Samtgemeinde Gartow zugeordnet. Damit war die Angliederung an

die SG Lüchow gegenstandslos geworden.

Bildung der SG Gartow mit 16 Gemeinden und 4200 Einwohnern. Aus bisher 231 Einzelgemeinden

im Landkreis Lüchow-Dannenberg entstanden 5 Samtgemeinden. Nienwalde und Laasche

sind als Ortsteile der Gemeinde Gartow eingegliedert.

3.7.1972

Der bisherige langjährige Bürgermeister Hennings ist wiedergewählt worden.

443


5.7.1972

Besprechung mit Vertretern der Kreisverwaltung betr. die Mitgliedsgemeinden im „Deutschen

Haus“ in Gartow.

7.7.1972

Für die SG Gartow wurde eine Hauptsatzung erlassen.

Mitglieder: Gartow, Schnackenburg, Gorleben, Höhbeck und Prezelle.

16.7.1972

Kreismissionsfest auf dem Schloßhof in Gartow mit Posaunenchören, Musikgruppen und Laienspielergruppen.

19.7.1972

Gartows Bürgermeister Paul Hennings erhielt als Auszeichnung für seine Vordienste das Bundesverdienstkreuz

am Bande. Hennings war von 1946 - Nov. 1956 und von Juli 1959 bis zu seiner

Wiederwahl am 21.7.1972 Bürgermeister.

24.7.1972

Sägewerksbesitzer Walter Herbst ist verstorben.

31.7.1972

Der Gartower Jagdpächter O. Wulff verstirbt nach einem Herzanfall.

2.8.1972

Überarbeitung des Bebauungsplanes „Auf den Kämpen/Helk“.

Ausbau des Gartower Sees, 1. Bauabschnitt, hat begonnen.

11.8.1972

Fackelzug anläßlich des 50 jährigen Bestehens der Freiwilligen Feuerwehr Gartow.

Partnerschaften

Im Sinne aufgeschlossener Begegnungen mit anderen auswärtigen Gruppierungen kam es auch

in Gartow zu Partnerschaften:

Bundeswehr

Die erste und am längsten andauernde Partnerschaft besteht seit 1969 mit der 4. Kompanie des

Panzeraufklärungslehrbataillons 3 in Lüneburg.

Seither gab es zahlreiche Begegnungen, Biwaks und Vergleichsschießen mit der Gartower Schützengilde.

„Hiermit erklären die Soldaten der 2. Kompanie des Lüneburger Panzeraufklärungs-Bataillons 3,

stets die freundschaftlichen Bande zur Gemeinde Gartow, deren hochlöblichen Bürgern und Räten

aufrecht zu erhalten, zu fördern und zu erweitern.“ (1)

Gartow, den 30.8.1969 Hauptmann und Kompanie-Chef. 26

444


Patenkompanie verlegte Ende August nach Gartow.

„Sieben Monate nach ihrer Rückkehr vom Einsatz in Bosnien-Herzegowina führten Kompaniechef

Hauptmann Marc Bienstiel, Stabsfeldwebel Heinrich Theis und der stellvertretende Kompanietruppführer

Hauptfeldwebel Edel erstmals wieder ausführliche Gespräche in der Gartower Samtgemeindeverwaltung.

Hauptthema war die Vorbereitung des mehrtägigen Übungsaufenthaltes der

Panzeraufklärer in ihrer Patengemeinde. Detailliert erläuterten die Lüneburger Kompanievertreter

dem Samtgemeindebürgermeister Friedrich-Wilhelm Schröder, Bürgermeister Horst Waldow und

dem Gildevorsitzenden Werner Poeck das für die letzte Augustwoche geplante Übungsvorhaben.

Etwa 90 Rekruten haben mit ihren Ausbildern im Rahmen einer Durchschlageübung Gartow in

den Abendstunden des 25. August erreicht und auf dem Schützenplatz Quartier gemacht. In der

darauf folgenden Nacht fand ein Orientierungsmarsch statt, an dem auch erstmals interessierte

Gartower als „Sondergruppe“ teilgenommen haben. Auch der Gartower See wurde in das Übungsgeschehen

mit einbezogen. Am Mittwoch wurde mit den Rekruten, darunter auch erstmals zwei

weibliche Offiziersanwärter, „Stationsausbildung“ betrieben. Dieser Ausbildungsabschnitt dauerte

nur bis zum Spätnachmittag, da sich die Kompanie dann auf einen Grillabend mit ihren Gartower

Gastgebern vorbereitet hat. Der Rücktransport der Übungsteilnehmer in die Lüneburger Theodor-

Körner-Kaserne ist für den 28. August vorgesehen. Ob die Heeresflieger mit ihren großräumigen

CH-53 Hubschraubern diesen Transport übernommen haben, stand bei Redaktionsschluss noch

nicht fest. Schließlich wird auch bei der Truppe mit spitzem Bleistift gerechnet“. 27

35-jährige Patenschaft mit der 4. Kompanie des Panzeraufklärungslehrbataillons 3:

„Die Patenschaft zwischen der Gemeinde Gartow und der 4. Kompanie des Panzeraufklärungslehrbataillons

3 in Lüneburg besteht in diesem Jahr 35 Jahre. Im August 1969 wurde die Patenschaftsurkunde

unterzeichnet. Aus diesem Grunde wird die Patenkompanie mit Soldaten aus der

Führungsebene am 13. und 14. August Gartow einen Besuch abstatten. Das Programm sieht für

Freitag, 13. August, um 18 Uhr die Begrüßung durch den Rat der Gemeinde, der Schützengilde

sowie den Vorsitzenden der weiteren Vereine und der Feuerwehr vor. Am Sonnabend, 14. August,

ist ab 14.30 Uhr ein Vergleichswettkampf mit Mannschaften aus Gartower Vereinen in Form eines

„Spiels ohne Grenzen“ auf dem Schützenplatz vorgesehen. Hier werden Mannschaften aus je vier

Personen an mehreren Stationen um Punkte ringen. Gleichzeitig wird für die Mannschaften und

für die Zuschauer, welche zahlreich erwartet werden, ein kostengünstiges Kuchenbuffet zur Verfügung

stehen. Ab 20 Uhr ist im Schützenhaus ein geselliger Abend mit Musik und Siegerehrung aus

dem Vergleichswettkampf angesetzt. Bei freiem Eintritt bietet der Schützenhaus-Wirt Essen und

Getränke zu günstigen Preisen. Damit der Sonnabend für alle in guter Erinnerung bleibt, bittet die

Patenkompanie und die Gemeinde Gartow um rege Teilnahme der Bevölkerung und auch der hier

weilenden Feriengäste.“ 28

445


Prats-de-Mollo-la-Preste - Gartow

„Nach gegenseitigen Besuchen hat der Gemeinderat Gartow einstimmig den Beschluß gefasst,

mit Prats-de-Mollo-la-Preste, Frankreich, ein Patenschaftsverhältnis einzugehen. Damit sollen die

eingeleiteten freundschaftlichen Beziehungen vertieft werden. Dies bekunden wir, die gesetzlichen

und in freier Wahl unserer Mitbürger gewählten Vertreter des Flecken Gartow, Bundesrepublik

Deutschland durch unsere Unterschrift.

In der Gewissheit, dem Willen und Wohl der Bürger zu entsprechen, geht der Flecken Gartow

damit eine feierliche Verpflichtung ein. Bestehende Verbindungen aufrechterhalten und pflegen

und durch neue Begegnungen der Bürger und vor allem der Jugend ergänzen und fördern, das ist

unser Wunsch.

Damit wollen wir einen Beitrag zur deutsch-französischen Verständigung leisten. Möge sich durch

besseres gegenseitiges Verstehen auch auf dieser Ebene das Bewusstsein europäischer Verbundenheit

noch stärker und unmittelbarer entwickeln!“

(Text entsprechend in französischer Sprache). 29

Gartow, den 4. Juli 1982

Der Bürgermeister L.S.

gez. Schmidt-Maury

Der Gemeindedirektor

gez. Borchardt

446


Sokolow Podlaski - Gartow

„Seit 1995 bestehen freundschaftliche Beziehungen zwischen der polnischen Gemeinde

Sokolow Podlaski sowie dem Wasserbeschaffungsverband Höhbeck und der Samtgemeinde Gartow.

Am 18. September 1999 wurde die Urkunde über eine Partnerschaft zwischen der Samtgemeinde

Gartow und der polnischen Gemeinde Sokolow Podlaski durch Samtgemeindedirektor

Lawin und Samtgemeindebürgermeister Flöter sowie den Ratsvorsitzenden Zelazowski und Bürgermeister

Domanski im Rahmen eines Festaktes im Rathaus von Sokolow Podlaski unterzeichnet.

Vorausgegangen war ein Beschluss des Samtgemeinderates vom 22. Juni 1999, die Partnerschaft

einzugehen. Die Gemeinde Sokolow Podlaski gehört zum gleichnamigen Landkreis. Dieser Landkreis

ist im Osten der Wojewodschaft Mazowieckie, in deren Zentrum die polnische Hauptstadt

Warschau liegt, angesiedelt und grenzt an Weißrussland.“ 30

„Die deutsch-polnische Partnerschaft zwischen der polnischen Gemeinde Sokolow Podlaski und

der Samtgemeinde Gartow besteht am 18. September 2009 bereits seit 10 Jahren. Dieses Jubiläum

soll in Gartow angemessen gefeiert werden – natürlich mit einer Delegation aus Sokolow

Podlask“.

Die Partnerschaft sollte lt. Gemeindebeschluss mit Themen zu Organisation der Verwaltungen,

Touristik und Sport, Umweltschutz, Jugendaustausch und sozialer Fürsorge ausgefüllt werden.

Am 16. Februar 2001 ist ein entsprechender Förderungsverein in Kapern gegründet und am 16.

März 2001 in das Vereinsregister des Amtsgerichtes Dannenberg eingetragen worden. Zu den

Gründungsmitgliedern gehören Ulrich Flöter, Hans-Joachim Schenk, Hans-Joachim Lawin, Wulf

Szegedi, Karsten Pollmeier, Matthias Steinbiß und Uwe Robohm. Der Verein kümmert sich um

die Organisation des Besuchs junger Landwirte aus Polen und Reisevorbereitungen gegenseitiger

Besuche. Der Verein trägt die Bezeichnung: „Verein zur Förderung der Partnerschaft zwischen

der Gemeinde Sokolow Podlaski in Polen und der Samtgemeinde Gartow in der Bundesrepublik

Deutschland von 2001 e.V.“

Samtgemeinde Gartow

Gemeinde Sokolow Podlaski

gez. Lawin gez. Flöter gez. Domanski gez. Zelazowski

Samtgemeinde- Samtgemeinde- Bürgermeister Ratsvorsitzender

direktor

bürgermeister

447


Quellen und Literatur

1. /

2. Nieders. Gesetz- und Verordnungsblatt 1961, Nr. 11, S. 118 - 119 und 1963, Nr. 21,

S. 306 - 308 sowie Gebietsänderungsvertrag vom 28.6.1972 im Amtsblatt für den Regierungsbezirk

Lüneburg vom 30.6.1972, S. 938 - 940

3. Gartower Heimatbote vom 11. und 17.6.1971 „Eine kleine Gemeinde im Zonenrandgebiet.

Dargestellt am Beispiel der Gemeinde Gartow im Kreise Lüchow-Dannenberg.“

4. Gartower Heimatbote vom 15.4.1971 „Zur Gemeindereform. Die derzeitige Situation

im Gartower Raum bei der Bildung der neuen Samtgemeinde Gartow.“

5. Gartower Heimatbote vom 23.7.1971

6. /

7. /

8. Verwaltungs- und Gebietsreform in Niedersachsen

Bd. 1: Gutachten der Sachverständigenkommission für die Verwaltungs- u. Gebietsreform,

Hannover 1969, S. 375

Bd. 2: Gutachten der Sachverständigenkommission für die Verwaltungs- und Gebietsreform.

Vorschläge zur Aufgabenverteilung, Hannover 1969, S. 291 Spörlein, Helmut: „Die Samtgemeinden

in Niedersachsen. Ein Beitrag zum Recht der engeren Gemeindeverbände“,

Göttingen 1965, S. 278 (Dissertation)

9. Gartower Heimatbote Dezember 1970 - Juni 1971

10. /

11. /

12. /

13. Gartower Heimatbote vom 1.7., 9.7., 16.7., 30.7.1971

14. Waldeck, Winfried: „Die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Lüchow-Dannenberg nach

der innerdeutschen Grenzöffnung 1989 - 1994“ in: 15. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises

Lüchow-Dannenberg, Lüchow 2001, S. 315 - 324

15. Gartower Heimatbote vom 16.10.1970

16. Gartower Heimatbote vom 24.9.1971

17. Gartower Heimatbote vom 23.7.1971

18. Gartower Heimatbote vom 8.2.1973

19. Gartower Rundschau vom 1.2.1973

20. Gartower Rundschau vom 1.3.1973

21. Sitzung Samtgemeindeausschuss vom 17.1.1977

22. Sitzung Samtgemeinderat vom 13.6.1977

23. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 24.4.2007

24. Samtgemeinde-Bote Gartow April 2005

25. Befragung A. Kraasmann am 5.3.2007

26. Aushang in der Samtgemeindeverwaltung Gartow

27. Samtgemeinde-Bote Gartow von August 2003

28. Samtgemeinde-Bote Gartow von August 2004

29. Aushangtafel in der Samtgemeinde Gartow

30. Samtgemeinde-Bote Gartow Januar 2009

448


Wirtschaftsleben

Die wirtschaftliche Situation im Raum Gartow

Das Wirtschaftsleben einer Ackerbausiedlung wie Gartow war in der Vergangenheit von den damals

vorherrschenden Handwerksbetrieben und den Handel Treibenden geprägt. Der Haupterwerb

lag jedoch in der Landwirtschaft mit ihren Knechten, Mägden und Tagelöhnern. Von ihnen

lebten Handwerker und Händler. Typische Berufe:

Böttcher, Dachdecker, Drechsler, Färber, Glaser, Leineweber, Maurer, Mühlenbauer, Ofensetzer,

Sattler, Schlosser, Schmied, Schneider, Schuster, Seiler, Stellmacher, Tischler, Töpfer, Zimmermann.

Zeitweise gab es auch weitere Spezialberufe: Buchbinder, Brauer, Nädler, Parchenmacher

und Perückenmacher. Die Existenz der ausgedehnten v. Bernstorffschen Gutswirtschaften sicherte

den Handwerkern das Auskommen.

Zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen Produkten für den täglichen Bedarf

arbeiteten Kaufleute, Bäcker oder Schlachter. Von der Bevölkerung lebten ferner stets Arzt,

Apotheker und Barbier.

Nur der Handel seitens der Gartower Bürgerschaft war kaum ausgeprägt, er wurde überlagert

von den Aktivitäten der Gutsherrschaft. Getreide- und Viehhandel sowie der Handel mit landwirtschaftlichen

Produkten überhaupt, standen im Vordergrund. Lediglich der Holzhandel erreichte

eine gewisse Ausdehnung, war jedoch stets von der Gutswirtschaft abhängig.

Großbetriebe im heutigen Sinn gab es nicht. Nach damaligem Verständnis waren es die Guts-

(land)wirtschaften und die Windmühlen, vielleicht auch noch die Brauerei und die Branntweinbrennerei

auf dem Schloßhof. Neben der Landwirtschaft blühte bald auch die v. Bernstorffsche

Forstwirtschaft auf, die vielen Menschen eine Lebensgrundlage bot. Im Gefolge der technischen

Revolution und gesellschaftlicher Änderungen entstanden neue Tätigkeitsfelder mit speziellen

Ausrichtungen und neuen Berufsbildern. Dennoch blieb die Landwirtschaft bis in die jüngste Zeit

hinein die tragende Säule des Wirtschaftslebens in Gartow. Zu fast jeder Bürgerstelle gehörten

Ländereien und eine Hofwirtschaft. Bis in die 1960iger Jahre hinein, dann jedoch schon reduziert,

haben Gartower Bürger ihr Auskommen in landwirtschaftlicher Tätigkeit gefunden.

Etwa 250 Jahre lang war es die ausgedehnte v. Bernstorffsche Gutswirtschaft, die in diesem

Zeitraum beständig Arbeitsplätze bot und Aufträge vergab. Durch die Existenz der Gutswirtschaft

fanden diverse Handwerker eine sichere wirtschaftliche Grundlage, von der auch die weitere örtliche

Bevölkerung profitierte. Als einzige Großbetriebe existierten damals die beiden Windmühlen

bei Quarnstedt und eine Rossmühle auf dem Gutshof Quarnstedt sowie die Brauerei/Brennerei

auf dem Schlosshof. Sie waren der Gutswirtschaft angeschlossen.

Es dürfte kaum bekannt sein, dass aufgrund der Entlegenheit Gartows zu Bahnlinien, der Transport

auf dem Wasserweg zwangsläufig bevorzugt wurde. So endete die Holzabfuhrbahn vom Gartower

Forst über Gartow an der Elbe am heutigen „Bahn“-Brack, wo sich eine einfache Schiffsverladestelle

befand. Waren die Wasserstände günstig, erfolgten Transporte mit flachgehenden

Kähnen auch über die Seege von und nach Gartow.

Wie sehr eine vor Ort liegende Transportmöglichkeit fehlte, wird an der Gründung eines „Vereins

für den Bau eines Seege-Hafens“ am 19. Dezember 1919 deutlich. Als Hafenstandort war der

Laascher See, zum Hafen aufgeweitet, vorgesehen.

449


Überschlägige Berechnungen prognostizierten folgende Umschlagzahlen:

„…Das Gut Gartow/Quarnstedt (v. Bernstorff) könnte über den Hafen 100 000 Zentner Holz und 2

000 Zentner Heu/Stroh ausführen und 2 000 Zentner Kohle, 3 000 Zentner Kunstdünger und 2

000 Zentner andere Produkte einführen.

Die Grundbesitzer der beteiligten Gemeinden rechneten mit abzusetzenden Produkten über den

Hafen von 8 000 Zentner Heu/Stroh, 15 000 Zentner Holz, dagegen liessen sich voraussichtlich

17 000 Zentner Kohle, 10 000 Zentner Kunstdünger und 16 000 Zentner sonstige Güter einführen.

Das Sägewerk Herbst rechnete mit einem Absatz von 3 500 cbm Schnittholz = 42 000

Zentner über den Hafen und mit einer Einfuhr von 1 500 fm Rundholz = 18000 Zentner. Das

Sägewerk Werth rechnete jedoch nur mit 1000 cbm Schnittholz = 12 000 Zentner, die den den

Hafen verlassen sollten und mit 500 cbm Rundholz = 6 000 Zentner, die zur Einfuhr über den

Hafen vorgesehen waren…“

Das Projekt scheiterte letztlich 1925, der Verein existierte bis zu seiner Löschung am 7. November

1951. Nach dem 2. Weltkrieg ist in Schnackenburg ein Hafen ausgebaut worden, der 1964 in

Betrieb ging und auch der örtlichen Wirtschaft diente. 1/2

Aufgrund seiner ungünstigen geographischen Lage (Sowjetisch besetzte Zone/Deutsche Demokratische

Republik), war der Landkreis Lüchow-Dannenberg von drei Seiten infolge restriktiver

Abschottung durch die „Zonengrenze“ von allen Verbindungen abgeschnitten. Es kam zur Abwanderung

von Bevölkerungsteilen. Verstärkt wurde dieser Vorgang durch die Umwälzungen in der

Landwirtschaft. Der gesamte Landkreis war ein Problemgebiet, aber die Gründe waren auch historisch

bedingt.

Die mangelnde wirtschaftliche Struktur ergab folgendes Bild:

• Hauptberuflich geführte Landwirtschaftsbetriebe nahmen rascher ab als im übrigen Bundesgebiet.

• Verbleibende Betriebe bewirtschafteten eine ständig zunehmende landwirtschaftliche Fläche.

• Die Gebäudeausstattung konnte hierfür nicht rechtzeitig genug umgestellt werden.

• Ausgeschiedene Arbeitskräfte fanden kaum eine andere Erwerbstätigkeit.

• Im Kreisgebiet gab es kaum industrielle Produktion.

• Abwanderung von Arbeitskräften und dadurch Schwächung der Wirtschafts- und Sozialstruktur.

Viele Jahrzehnte waren die Gutsbetriebe, die Holzwirtschaft der Betriebe Herbst und Werth sowie

die Molkerei Hauptarbeitgeber in Gartow. Eine industrieähnliche Produktion erfolgte lediglich in

der Holzverarbeitung, bis auch diese um 1975 weitgehend endete. Eine industrielle Produktion ist

in Gartow nicht zustande gekommen, die Strumpf-Fabrik Einsiedel arbeitete nur kurze Zeit.

Die Beschäftigungsbilanz im Landkreis zeigte für den Zeitraum 1961 - 1970 „den beachtlichen Zuwachs

im warenproduzierenden Gewerbe, die völlige Stagnation des privaten Dienstleistungsbereiches

und eine Zunahme des öffentlichen Sektors“. Eine bescheidene industrielle Entwicklung

mit einem Continentalwerk in Dannenberg und dem SKF-Werk in Lüchow begann um 1958/60 mit

zunächst 900 Beschäftigten, deren Zahl sich um 1970 auf 3 000 steigerte.

Die über 50 Jahre währende Grenzlage und die Marktferne sowie fehlende Industrieansiedlungen

haben Spuren hinterlassen, Arbeitsplätze blieben rar. Das machte eine Umorientierung auf den

450


Tourismus erforderlich, der dann zügig und mit hohen Investitionen realisiert wurde. Allerdings

sind dadurch nur verhältnismäßig wenig Arbeitsplätze entstanden.

Handel, Handwerk und Gewerbe

Als lokaler Wirtschaftsmittelpunkt, zu dem sich der Flecken Gartow langsam entwickelt hatte, bot

er einigen damals typischen Handwerkern eine auskömmliche Existenz.

Im Zeitraum 1697 - 1701 gingen folgende Handwerker ihrer Arbeit in Gartow nach:

Bäcker... Ellies, Christian Loeck; Böttcher Asmus Weichmann, Johann Ulrich Jahnecke; Drechsler...

Gerberding, Johann Behrmann; Färber Johann Christoph Brun; Glaser Jochen David Schröder;

Grobschmied Erich Hose; Kleinschmied Arend Barles,... Piper; Maurer Gottfried Gerber;

Seiler Dietrich Weißweber; Tischler J. Hilmer Meyer; Jürgen Hinrich Reinecke, ...Radken, Jürgen

Baltzer;Töpfer Jürgen Hohentopf; Parchenmacher Jobst Lüthmann; Schlachter Henrich Wiese;

Schneider Henrich Bornemann; Schuster Conrad Gigeler; Zimmermeister Carsten Witthoeft sowie

ein Krämer Cord Dietrich Bülow.

Im Jahr 1715 hielten sich in Gartow einige Personen auf, die kein Bürgerrecht erlangt hatten. Diese

Einwohner, Häuslinge genannt, wohnten mit in den Bürgerhäusern bzw. in Nebengebäuden. Die

meisten von ihnen zahlten an das Haus Gartow ein Häuslings-Schutz- und Dienstgeld. Unter ihnen

befanden sich auch einige Handwerker wie z.B.: der alte Böttcher ...Wichmann, die Hutmacher

Jobst Köppe, Jacob Schulte, Margaretha Schauer; Schuster Christoph Harnisch; Tischler Johann

Hilmer Meyer; die „Bademutter“ (Hebamme) Apollonia Brockhöfft sowie Jürgen Henrich Barbe,

Johann Henrich Radcke, Johann Schulte, Franz Bolsin, Johann Henrich Lehn, Jochim Rönneberg

und Barbara Radchen.

Um 1740 erscheinen weitere Handwerksberufe:

Buchbinder Jürgen Friedrich Cords; Nädler Andreas Gottlieb Rohr; Rademacher Johann

Hinrich Dannenberg; Sattler Ernst Leopold Ziesenitz; Friedrich Cords. Als Handwerker im weitesten

Sinn ist auch der Scharfrichter und Abdecker Valentin Kannenberg anzusehen. 3

Etwa 100 Jahre später, um 1855, gab es in Gartow folgende Handwerker:

Böttcher ...Honig; Drechsler ...Köster; Färber ...Glimmann; Glaser ...Hammer; Klempner ...Hamann;

Maler ...Gerber; Maurer ...Gerber, Basse Thies aus Laasche; Rademacher ...Bark; Schmied ...Bethge,...

Schönberg; Schlosser ...Waldow; Tischler ...Hoop jun. aus Pevestorf und Schuhmacher...

Köhn.

Und um 1888 lassen sich in Gartow weitere Handwerker nachweisen:

Abdecker Aug. Christoph Wilh. Miethling; Bäcker Friedrich August Honig; Johann Heinrich Lauxmann;

Böttcher Friedrich Karl Honig; Dachdecker Karl Nagel; Drechsler Friedrich Köster; Färber

Friedr. Wilh. Theodor Aug. Albrecht; Klempner Ludwig Jage; Maler Karl Gerber; Witwe des Maurermeisters

Gerber; Maurer Wilhelm Hamann, Friedrich Nagel; Schmiedemeister Wilhelm Bruns; Seiler

Heinrich Wilhelm Alfeis; Stellmacher Heinrich Baark, Johann Kröger, Theodor Heinrich Schaal;

Schlachter Albert Schramm, Christian Julius Wellmann; Schmiedemeister Hermann Kropp; Schneider

Heinrich Blankenburg, Heinrich Kaiser, August Wiese; Witwe des Uhrmachers Ernst August

Schulz; Weber Johann Heinrich Schulz; Zimmermeister Friedrich Heinrich Könke, Friedrich Daniel

Köster; Zimmermann Heinrich Wilhelm Bahlke, Heinrich Kaiser, Friedrich Röhl, Heinrich Schramp,

Karl Wendt; Witwe des Zimmermannes Kammlah. 4

451


Neben den klassischen Handwerksberufen erscheinen Anfang des 20. Jhds. neue Berufe:

Agent Karl Uetzmann; Bankbeamter Willi Stahlberg; Barbier Friedrich Guhl; Bierfahrer August Weber;

Bildhauer August Bauer, Paul Hollnagel; Buchhalter Hans Dankert, Moritz Goldnau; Chauffeur

Karl Heise; Diplomingenieur Walther Herbst; Elektromeister Alfred Thier; Fuhrmann Joachim

Järnecke; Gärtner Alfred Rümkorf; Heizer Friedrich Tiemann; Hotelbesitzer Adolf Krüger; Ingenieur

Rudolf Wendig; Landstraßenwärter Heinrich Stroehrmann; Musiklehrer Schwarz; Pantinenmacher

Wilhelm Köttelhörn; Rechtskonsulent Gustav Leibholz; Schiffer Adolf Schulz; Steinmetz Albert Hollnagel;

Techniker August Langenhan; Zahnarzt Albert Mewes; Zimmerpolier Otto Schulz.

Von 1949 - 1970 werden u.a. als Handwerker bzw. Gewerbetreibende genannt: Malermeister

Templin, Malermeister Heinz Zilensky; Erich Drossel (Saaten, Sämereien, Obstbaumspritzen);

August Herbst (Sägewerk, Baugeschäft, Holzhandlung); Wilhelm Junack (Bedarfsartikel für die

Holz-/Forstwirtschaft); Schmiedemeister Günter Bethge. Sein Sohn August Wilhelm („Auwi“) hat

die Schmiede weitergeführt und den Betrieb 2013 in eine neue, wesentlich größere Betriebsstätte

nach Gorleben verlagert; Ofensetzermeister Theodor Patsch; Elektromeister Alfred Thier (Installationsgeschäft,

elektrische Licht- und Kraftanlagen, Rundfunk, Elektromotoren, Heiz- und Beleuchtungskörper).

Ab 1951 Elektromeister Paul Pfeifer (Motoren, Rundfunk, Schwachstromanlagen,

Haus- und Wasserversorgung, Propangas); Schlossermeister Willy Schulz; Malermeister Wilhelm

Reinhardt (Maler-, Glaser-, Tapezierarbeiten); Albert Richelt (Schlosserei, Brunnenbau, Fahrradhandel)

und Tischlermeister Ernst Schmidt (Möbel, Särge). Am 5. Dezember 1957 eröffnete Kurt

Raddatz aus Gorleben in Gartow, Hauptstr. 26 gegenüber dem Hotel Krüger, ein Elektro-, Radiound

Fernsehfachgeschäft.

In den 1960iger Jahren verstarben die letzten alteingesessenen Handwerker:

Friseur Friedrich Wilhelm Leibholz (25.5.1961), Schuhmacher Wilhelm Karl Appelt (29.11.1962),

Schlosser August Haller (11.2.1962), Schneider Otto August Wilhelm Schaal (3.3.1962), Uhrmacher

Karl Horstmann (26.4.1962), Schlosser Rudolf Delius (29.11.1962), Tischler Ernst Schmidt

(18.3.1964), Zimmermann Heinrich Hoppe (1.1.1965), Schneider August Bethge (6.1.1965),

Friseur Otto Arends (18.4.1965), Elektromeister Alfred Max Erich Thier (31.5.1965), Ofensetzer

Theodor Patsch (17.1.1967), Fleischer Oswald Klemm (5.4.1967), die Malermeister Hermann

Emil Koscheike und Friedrich Müller (6.12.1967), Maurermeister Wilhelm Friedrich Schneidereit

(2.4.1968), Sattlermeister Karl Könecke (21.5.1969) und Schlachter Hermann Waldow (6.7.1969).

Nach 1970 änderte sich die Situation grundlegend:

In Gartow hat es nicht nur Handwerker mit Geschäften gegeben sondern auch Händler mit eigenen

Geschäftsräumen wie z.B. Edeka-Lebensmittelmarkt Gisela Hildebrandt, Kaufladen Heinz Stecher

(früher Gardinenwirkerei Petzold), Drogerie Günter Buck, Elektroartikel/Einbauküchen Heike

Schultze, Elektriker Karl-Heinz Pfeifer, Elektrohaus Raddatz (Inh. Karl-Heinz Waltje), Friseure Rudolf

und Peter Hinrichs, Maler Heinz Zilensky, Maler Wilhelm Reinhardt.

2013 hat der „Schütte-Werkmarkt“, Lüchow, eine Filiale mit Artikeln rund um Haus und Garten in

der Springstraße 31 eröffnet. Fahrten zu den Baumärkten in Lüchow oder Dannenberg werden

weitgehend überflüssig.

Einer näheren Vorstellung bedarf jedoch der Lebensmittelmarkt Volker Hildebrandt, der in der

Springstraße 33 unter der Bezeichnung „Edeka aktiv markt Hildebrandt“ seinen Standort hat sowie

die Filiale „Basar“ in der Hauptstraße 7, wo sich einst das Altgeschäft befand (vormals Textilwaren

Hermann Korte). Über viele Jahre dominierte das einzige Lebensmittelgeschäft in Gartow

452


mit einem großen Einzugsgebiet die Geschäftstätigkeit in dieser Sparte. Entsprechend ausgeweitet

war das Verkaufsangebot, wie auch auf spezielle Bedürfnisse der Landbevölkerung im Produktangebot

eingegangen wurde. Insofern ergänzten sich der Lebensmittelmarkt in der Springstraße

und der Basar in der Hauptstraße. Ferner sind in Schnackenburg und Prezelle noch jeweils kleine

Dorfläden betrieben worden, für die Volker Hildebrandt Artikel lieferte und seiner Leitung unterstanden.

Nicht nur das Angebot, auch die Verkaufsfläche ist erweitert worden. Ein größerer Parkplatz

am Lebensmittelmarkt erleichterte die An- und Abfuhr. Inhaber Volker Hildebrandt musste

sich ab 2003 mit dem Gedanken beschäftigen, Konkurrenz in Form einer Filiale einer bedeutenden

deutschen Marktkette zu erhalten.

Die Kölner REWE-Gruppe, die in Deutschland 2.400 Filialen betreibt, ließ ab Juli 2009 in Nachbarschaft

zum Lebensmittelmarkt Hildebrandt einen „Penny“-Markt mit großem Parkplatz bauen

(65 Plätze), der rd. 800 qm Verkaufsfläche aufweist. Das Richtfest erfolgte Mitte August 2009, die

Eröffnung am 14. Oktober 2009. Der rd. 1 Mio. Euro teure „Penny“-Markt lockt mit Öffnungszeiten

von 8 bis 21 Uhr und einem 1.400 Artikel umfassenden Angebot. Dennoch behielt der Lebensmittelmarkt

Hildebrandt einen großen Kundenstamm.

Dann kam die Nacht vom 16. auf den 17. August 2012, als der Markt Hildebrandt in Flammen

aufging, wobei Brandstiftung nicht ausgeschlossen wird. Der Markt musste wegen Totalschaden

aufgegeben werden.

Seit Anfang 2013 ist zunächst das Wohnhaus renoviert worden und die Wiederaufbauarbeiten des

Supermarktes haben 2013 Anfang August begonnen. Die Eröffnung war am 13. Februar 2014. Die

modern gestaltete Einrichtung verbunden mit einem erweiterten Warensortiment ziehen alte und

neue Kunden aus der gesamten Region nach Gartow.

2009: Gartow, Lebensmittelmarkt Hildebrandt vor dem Neubau

453


Biogasanlage Gut Quarnstedt

Mit Einsatz von Fördergeldern ist auf dem Gutshof Quarnstedt eine Biogasanlage realisiert worden,

die Elektrizität und Wärme produziert. Am 1. März 2005 nahm die Biogas Gartow Verwaltungs

GmbH mit ihrem Geschäftsführer Andreas Diehle ihre Tätigkeit auf. Schon seit August 2004

wird mit Hilfe einer Photovoltaikanlage auf dem Scheunendach des Gutes Sonnenenergie in elektrischen

Strom umgewandelt, der 8 Haushalte versorgt.

Um die Biogasanlage errichten zu können, war der Bebauungsplan „Neudeichs Koppeln“ mit 3,7

ha Größe aufzustellen. Im März 2005 wurde mitgeteilt: „…Für die Erzeugung von Strom aus Biogas

habe sich bereits eine Gesellschaft, die „Biogas Gartow GmbH & Co. KG“ gegründet….Die Gesellschaft

plane in Zusammenarbeit mit mehreren Landwirten als Kommandantisten den Bau und Betrieb

einer Biogasanlage mit einer Ausbeute von täglich etwa 8 800 cbm sowie die anschließende

Verbrennung in einem Blockheizkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von rd. 1 Megawatt im

Endausbau….“ Erzeugt wird das Gas aus nachwachsenden landwirtschaftlichen Rohstoffen sowie

aus Abfallprodukten wie Mist, Gülle und Schlempe aus der Schnapsbrennerei. 5

Im Mai 2005 erfolgte der erste Spatenstich zum Bau. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass

die Anlage nicht ein sondern nur 0,75 Megawatt leisten würde, weil gesetzliche Vorgaben zu berücksichtigen

waren. Die Kosten beliefen sich auf 1,8 Mio. Euro, gleichzeitig kam es zu Planungen

für den Transport in Fernwärmeleitungen. Mit der Anlage entstand die zweitgrößte im Landkreis.

Seit dem 22. November 2005 arbeitet die Anlage hauptsächlich mit Vergärung von Mais und

erbrachte seitdem ihre Nennleistung von 500 Kilowatt. Im Oktober 2006 begann der Bau des

Fernwärmenetzes mit Unterdükerung des Kleinen Gartower Sees zur Versorgung der Immobilien

des Grafen Andreas v. Bernstorff und des Senioren- und Pflegeheimes. 6

2007: Biogasanlage in Quarnstedt

454


Nach dem Stand von März 2007 war aus der Presse hierzu zu entnehmen:

„Die Versorgung mit Fernwärme aus der Gartower Biogasanlage in Quarnstedt, die seit dem 19.

Januar schrittweise in Betrieb genommen wird, funktioniert noch nicht so, wie es sich die Betreiber

vorgestellt haben. Das Seniorenheim des DRK wird seit 22. Januar zu 100 Prozent mit Fernwärme

versorgt. „Das haben wir eingehalten“, unterstreicht Andreas Diehle, Geschäftsführer der Biogas

Gartow GmbH & Co. KG, zugleich Leiter der Gräflich Bernstorffschen Gutsverwaltung. Die Biogas-

Firma gehört zur Hälfte Andreas Graf von Bernstorff sowie zum anderen Teil sieben Anteilseignern,

allesamt Landwirte aus der Region.

Das aktuelle Problem: Die Wärmeauskoppelung aus den Blockheizkraftwerken (BHKW) funktioniert

nicht so, wie es die Installationsfirma angekündigt hatte. „Das BHKW verrußt viel schneller

als erwartet und muss bislang nach 300 Betriebsstunden gereinigt werden, um auf die benötigte

Wärmeleistung zu kommen. Und selbst danach ergibt sich ein neuerliches Verrußen derart

schnell, dass nunmehr erheblicher Nachbesserungsbedarf besteht“, berichtet Geschäftsführer

Diehle. Zudem will er eine in Gartow kursierende Falschmeldung klarstellen: „Wir sind niemals

angetreten, dass ein zu versorgendes Gebäude ohne zusätzliche Kesselanlage auskommt.“ Die

Versorgung zu 100 Prozent mit Fernwärme sei ein langfristiges Ziel, dem dadurch Rechnung getragen

wurde, dass die Leitungsdurchmesser der Wärmeleitungen deutlich größer dimensioniert

wurden, als für die zunächst vorgesehenen Objekte. Insgesamt ist die Leitung 3,5 Kilometer lang.

Die Kosten der Verlegung einschließlich der Übergabestationen und der Steuerungstechnik belaufen

sich auf rund 1,1 Mio. Euro.

Nach dem DRK-Heim wurde als nächstes das von Bernstorffsche Schloss nach und nach mit der

Fernwärme aus der nahen Biogasanlage versorgt, berichtet der Geschäftsführer. Die Restwärme,

die derzeit produziert wird, geht an den Schulkomplex, der dadurch seine Holzhackschnitzelheizung

entlasten kann. Die Wendlandtherme soll dann im Sommer mit Biogas-Fernwärme versorgt

werden. Das sei von vorn herein so geplant gewesen. Dass die so genannten Leitungsverluste eine

Versorgung der Wendlandtherme unwirtschaftlich werden lassen, sieht Diehle als unbegründet

an. Im Gegenteil. Derzeit werde nur Wärme von 400 bis 500 kW durch die Leitungen an die Abnehmer

geschickt. Die Wärmeleitungen seien aber auf 1 500 bis 2 000 kW ausgelegt. „Wir haben also

noch Potenzial, weitere Gebäude mit Wärme zu versorgen“, wirbt Diehle für heimische Heizwärme

mit Blick auf steigende Energiepreise.“ 7

Weitere Informationen nach dem Stand von Juli 2008 präzisieren die Biogasanlage Gartow:

„Die Biogasanlage… wird von acht Landwirten aus der Region betrieben. Seit Ende 2005 ist die

Biogasanlage in Betrieb. Auf ca. 280 ha Fläche rund um Gartow wird hauptsächlich Mais aber

auch Grünroggen angebaut, der neben Rinder- und Schweinegülle als Rohstoff in der Biogasanlage

eingesetzt wird. In den Fermentern werden die Rohstoffe unter Luftabschluß von Bakterien zu

Biogas verarbeitet. Das Biogas wird in Blockheizkraftwerken zu Strom und Wärme umgewandelt.

Die Blockheizkraftwerke liefern 750 Kilowatt elektrische Leistung und 810 Kilowatt thermische

Leistung pro Stunde. Der Eigenbedarf der Biogasanlage liegt bei 75 Kilowatt elektrisch und 150

Kilowatt thermisch…. Die an das 3,3 km lange Netz angeschlossenen Kunden sind das Schloss

Gartow, das DRK-Senioren- und Pflegeheim Gartow, die Grundschule und die Elbtalschule sowie

die Wendland-Therme. Die angeschlossenen Kunden versammeln eine Gesamtleistung von 1 500

Kilowatt thermisch….In den ersten 9 Monaten wurden 2,1 Mio. Kilowatt Wärme verkauft, davon

kamen 1,8 Mio. Kilowatt aus Biogas und knapp 300 000 aus Holz….“ 8

455


Holzwirtschaft

In einer nordwestlich-südöstlichen Ausdehnung von rd. 18 km erstreckt sich der Gartower Forst,

begrenzt von Gorleben, Gartow und Nienwalde, Wirler Spitze, Lomitz, Prezelle, Nemitz, Trebel und

Gedelitz. Der größte Teil dieses Areals wird besitzmäßig mit 5800 ha vom gräflich von Bernstorffschen

Forst eingenommen, der Rest besteht aus Bauernwaldungen. Einst überwiegend aus Heide

und kleinteiligen Anflugwäldchen bestehend, ist der gräfliche Forst planmäßig aufgeforstet worden,

was mehr als 200 Jahre in Anspruch genommen hat. 1775 bestand dieses Gebiet aus 50%

Wald, 13% Acker und zu 37% aus Heide, Ödland und Moor. Als Holzarten sind Kiefer, Eiche, Erle,

Birke, Fichte (ab 1860), Douglasien (ab 1877) und Schwarzpappel (ab 1911) vorhanden. Das Vorkommen

der Kiefer mit 92% (4922 ha) überwiegt bei weitem. Bis 1875 sind dicht ausgebrachte

Zapfen- und Klengsaaten eingebracht worden, von 1875 bis 1895 erfolgten „Pflanzungen auf

Vollumbruch mit schlechtrassigem Anteil.“ Seit 1897 wird eine gute Forstpflege durchgeführt.

2009: Hauptstr. 6, Verwaltung Gräflich von Bernstorffsche Betriebe

Infolge von Kalamitäten sind bis 1958 rd. 1736 ha Kahlhiebe vorgekommen:

Sturm vom 14.11.1940 = 176 ha, Waldbrände 1942 - 1947= 284 ha, Spinnerfraß 1946/49 = 947

ha, Holzeinschlag durch die Besatzungsmacht und für den Export = 329 ha. 9/10

Der sich bald nach den Aufforstungen im 18. und 19. Jahrhundert einstellende Holzreichtum,

insbesondere im gräflichen Forst, brachte nicht nur vielen Menschen auskömmliche Arbeit sondern

auch für den Besitzer laufenden Gewinn. Allerdings sind über viele Jahrzehnte nur Ausgaben

angefallen, die Aufforstung amortisierte sich erst spät.

456


„Über allen Wipfeln ist Ruh“.

Neben der traditionellen Nutzung des Waldes als Holzlieferant gibt es seit 2007 (gewidmet 12.

Mai 2007) in einem Areal am Rand des Forstortes „Elbholz“ einen Ruheforst. Urnen Verstorbener

werden unter den Bäumen beigesetzt. In würdiger, friedvoller Umgebung ist eine Anlage entstanden,

die inzwischen weit über Gartows Grenzen hinaus bekannt geworden ist.

Etwa 100 Jahre lang sicherte allein der gräfliche Forst die Existenz von drei Sägewerken (Wiegrefe

in Gorleben, Herbst und Werth in Gartow), wo Arbeitskräfte aus Gartow und Umgebung eine dauernde

Beschäftigung fanden. Als Rohstofflieferant erfüllte er eine wichtige wirtschaftliche Funktion.

Rudolf Haberland hat auch die beiden Pioniere Herbst und Werth beschrieben.

Sägewerk Herbst:

„…Mit der Hand gesägt oder nur mit dem Breitbeil behauen waren die Ständer, Riegel, Sparren

und Balken unserer alten niederdeutschen Bauernhäuser. Als aber der Mensch die Kraft des

Dampfes in seinen Dienst gezwungen hatte, begann er auch gar bald die Baumstämme des Waldes

mit Maschinenkraft zu zersägen, und im Jahre 1865 erblickte man in einer Waldparzelle bei

Rucksmoor bei uns zum ersten Male das fauchende, funkensprühende Ungetüm einer mit zehn

Pferdekräften arbeitenden Lokomobile, die Bechtold Graf Bernstorff dort hatte aufstellen lassen,

die mächtigen Kiefernstämme zu Kantholz, Bohlen und Brettern zu zersägen. Wie mag man dieses

Wunderwerk menschlichen Denkens und Schaffens damals angestaunt haben!

1868 erwarb Johann Christian Georg Herbst, Holzhändler aus Prezelle, geb. 19.9.1837, die Dampfmaschine

und errichtete im Ortsteil Hahnenberge auf dem Platz des noch heute dort bestehenden

Betriebes ein Sägewerk mit einem Vollgatter und einer Kreissäge. Johann Christian Herbsts

Vater, Heinrich Daniel Herbst, geb. am 23.12.1794 in Lauenburg bei Einbeck (Hann.), war 1824

als Zolleinnehmer nach Prezelle gekommen, hatte dort 1835 mit dem Holzhandel begonnen und

damals bereits mit der Hand Holz im Walde zu Brettern aufsägen lassen. Diese Schneidegruben

sind heute noch im Prezeller Forst zu finden. 1871 zog Johann Christian Herbst mit seiner Familie

nach Gartow in das Haus an der Lüchower Chaussee, heute Nr. 16.

Johann Christian Herbst war ein energischer und zielstrebiger Mann, der auch im öffentlichen

Leben eine Rolle spielte. Er gehörte schon damals dem Kreistage an. Sägewerk und Holzhandlung

hat er mit gutem Erfolg weiterentwickelt und damit eine Arbeitsmöglichkeit für immer mehr Menschen

geschaffen. Seiner Initiative war es auch zu verdanken, daß im Gräflich Bernstorffschen

Forst eine Waldbahn zum Transport des Rundholzes angelegt wurde. Die Schienen führten direkt

ins Sägewerk, während ein weiterer Schienenstrang an die Elbe lief. Dort wurde das Schnittholz mit

eigenem Schiff nach Hamburg verladen. 1888 trat sein ältester Sohn Christian († 1956) als Kaufmann

in den Betrieb ein und 1892 der zweite Sohn August (1870 - 1951) als Baugewerksmeister.

Es wurde ein Baugeschäft angegliedert, welches heute noch besteht. Um die Jahrhundertwende

wurden bereits 100 bis 120 Leute beschäftigt. Auch in Ostpreußen kaufte die Firma größere Mengen

Rundholz, welche dort eingeschnitten wurden. Hinter Wirl, in Hockenheide, stand ein fliegendes

Sägewerk, um die in der Altmark gekauften Hölzer einschneiden zu können. 1908 wurde in

Lüchow eine Holzhandlung eröffnet und 1912 eine weitere in Lüneburg. Diese Holzhandlungen

sind auch heute noch im Besitz der Familie Herbst. 1908 bis 1912 übernahm Christian Herbst die

Holzhandlungen, während August Herbst Sägewerk und Baugeschäft in Gartow weiterführte. Er

erweiterte und erneuerte den Gartower Bereich, so daß ferner vier Gatter und ein Horizontalgatter

liefen. August Herbst baute auch mehrere Arbeiterhäuser mit geräumigen Wohnungen für seine

457


Leute. Eine besondere Neuerung war aber die

Errichtung einer elektrischen Licht- und Kraftanlage,

welche die Werkwohnungen und einen

Teil der Häuser in Hahnenberge mit Licht

versorgte. Bis zum 1. Weltkrieg führte die Firma

große Bauvorhaben in Salzwedel aus. Von

1914 bis 1918 wurde der Betrieb mit Frauen

und Kriegsgefangenen weitergeführt. 1927

trat dann der Sohn Walter Herbst (geb. 1903)

nach Absolvierung seines Diplom-Ingenieur-

Examens in die Firma ein. Er führte mit seinem

Vater August Herbst bis zu dessen Tod 1951

die Firma gemeinsam weiter und ist heute alleiniger

Inhaber.

In den Jahren von 1927 bis zum Beginn des

2. Weltkrieges wurde der Betrieb wieder technisch

modernisiert. Der Holztransport wurde

auf Traktoren umgestellt, und für die Schnittholzverladung

wurden Lastzüge angeschafft.

August Herbst

Die Firma konnte auch über den 2. Weltkrieg hinaus weiter bestehen, obwohl nach 1945 durch die

Zonengrenze erhebliche Einschränkungen im Rundholzkauf und Baugeschäft eintraten. Die maschinentechnische

Umstellung, welche vor dem Krieg eingeleitet worden war, konnte erfolgreich

fortgesetzt werden. Als Nebenbetriebe werden weitergeführt eine Mahlmühle (seit 1885) und ein

größerer landwirtschaftlicher Betrieb. Die Firma Herbst gehört zu den ältesten und größten Sägewerksbetrieben

des Landes Niedersachsen.“ 11

Der Holzanfall war so erheblich, daß es sich

lohnte, eine sogen. Waldbahn von insgesamt

13,1 km von Wirl bis zum Elbholz erbauen zu

lassen, die durch Gartow führte und selbstverständlich

Anschluß an das Sägewerk Herbst

hatte. Das gefällte Holz wurde vor Ort auch

auf schnell zu verlegende Nebengleise abseits

der eigentlichen Hauptbahn auf Fuhrwerke

geladen, wobei unter diese auf sogen. Trucks

geschoben wurden. Die Trucks selbst sind von

Pferden nach Gartow bzw. zum Elbholz gezogen

worden. Forstassessor Carl Junack beschrieb

die Anlage wie folgt: „Die erste Anlage der Bahn

geschah im Jahre 1884, um einem abgelegenen

Revierteil (Wirl) Anschluß an die Chaussee

Gartow-Lüchow zu verschaffen….Die Spurweite

beträgt 1000 mm. Eine geringere Spurweite

würde die Kosten verbilligen …“ aber „sie ist

abhängig von der Breite der Ackerwagen….Als

beste Trucks haben sich bisher die

Lageplan des Sägewerks Herbst

458


mit gebogenem eisernen Rahmen bewährt. Wir müssen darunter die Untergestelle von Loren verstehen,

wie sie einst bei großflächigen Erd- und Planierungsarbeiten (Ton-, Sand- und Torfabbau)

eingesetzt wurden …“ und weiter: „Der Anlage von 1884 folgte eine zweite im Jahr 1889 von

Gartow nach dem Elbufer in einer Länge von 3,5 km und im Jahre 1893 und folgende Jahre eine

Verlängerung der Strecke Gartow-Wirl nach Capermoor zu, die jetzt 3,6 km beträgt …“

Aufstellungsplan einer „Lanz-Lokomobile“ im Betrieb A. Herbst

Initiator des Waldbahnprojekts war nicht Graf v. Bernstorff, wie man annehmen mag, sondern Sägewerksbesitzer

Herbst. Bis 1901 pachtete Herbst die Bahn, danach zahlte er Transportgebühren

an den Grafen. Dieser hatte jedoch aus den Einnahmen die Bauunterhaltung zu bestreiten. Um

1949/50 war das Ende der Waldbahn gekommen, die Schienen und Schwellen wurden demontiert

und verkauft. Der Holztransport erfolgte bereits während des 2. Weltkrieges vermehrt mit

Lastkraftwagen. 12/13/14

August Kraasmann (6.6.1911 - 22.3.2010), Gartow-Hahnenberge, sein Arbeitsleben lang bei der

Firma Herbst tätig, erinnert sich:

„Die Sägewerke, insbesondere das von Herbst, waren die bedeutendsten im Kreisgebiet und hatten

ständig zu tun. Die Firma Herbst kaufte im gräflichen Forst hiebreife Baumbestände, ließ diese

mit eigenem Personal fällen, entasten und per Waldbahn mit Pferdekraft in das Werk bringen.

Jeder Holztransport fasste 3 Raummeter, wobei ein Transport von Wirl bis Gartow etwa 1 ½ Stunde

unterwegs war. Jeden Morgen eines Werktages fuhren die Pferdegespanne zunächst Richtung

Wirl, um Ladung abzuholen.

459


Im Sägewerk wurde das Stammholz zu Brettern oder Kanthölzern zurechtgesägt je nach Auftrag.

Dies erfolgte mit vier Sägegattern, die früher mit einer Dampf-Lokomotive angetrieben wurden. Da

die Waldbahn an den Sägewerken vorläufig endete, wurde das bearbeitete Holz auf Pferdefuhrwerke

verladen, durch Gartow gefahren bis Quarnstedt, wo die Waldbahn bis zur Verladestelle an

der Elbe (Bahnbrack) weiterführte. Das Sägewerk Herbst lieferte fast ausschließlich Bauholz per

Schiff nach Hamburg, wobei hiesige Schiffseigner den Transport übernahmen. Die verarbeiteten

Hölzer sind per Hand auf-, ab- und eingeladen worden. Lediglich zum Einladen des Stammholzes

bei Wirl ist ein kranähnliches Gerät eingesetzt worden. Als im 2. Weltkrieg der Wassertransport unsicherer

wurde, kamen erstmals Lastkraftwagen auf. Nach 1945 wurde die Waldbahn nicht mehr

benutzt. Etwa 1940/41 erhielt die Firma Herbst von der Militärverwaltung den Auftrag zum Bau

von drei großen Lagerhallen in Bremen, wo ein Teil der Zimmerleute für ein Jahr lang arbeitete.

Sowohl bei Herbst als auch bei Werth waren in der Kriegszeit Franzosen, Polen und Russen, die in

Kriegsgefangenschaft gerieten, in den Sägewerken eingesetzt.

Das Sägewerk Werth hatte sein traditionelles Absatzgebiet in der Altmark bzw. in der östlichen

Nachbarschaft. Beide Sägewerke haben aber nicht nur die Holzbearbeitung betrieben sondern

auch einen Stamm Zimmerleute auf auswärtige Hausbaustellen geschickt. Es war selbstverständlich

für die Arbeiter, mit dem Fahrrad und Arbeitsgerät auch über längere Distanzen zu fahren.

Obwohl die Arbeiter von den Betriebsinhabern nicht schlecht behandelt wurden, waren sie fast

alle Sozialdemokraten“.

August Kraasmann, dem wir diese Schilderungen verdanken, trat schon als junger Mann der sozialdemokratischen

Partei(SPD) bei. Mit 82 Jahren Parteizugehörigkeit war er wohl Deutschlands

ältestes Parteimitglied. In der Vergangenheit haben die Parteiführer Willy Brandt, Helmut Schmidt

und Franz Müntefering an August Kraasmann Ehrungen vorgenommen. Auf diese Weise besuchten

prominente Bundespolitiker den Ort Gartow. Sie haben aber nicht den wirtschaftlichen Niedergang

der Sägewerke aufhalten können. Von den etwa 150 - 160 Arbeitskräften, die zusammen in

beiden Sägewerken Beschäftigung fanden, haben sich des besseren Verdienstes halber viele von

ihnen bei den schwedischen Kugellager Fabriken in Lüchow und bei dem Continentalwerk in Dannenberg

einstellen lassen. Ohnehin war der Nachholbedarf beim Wiederaufbau Hamburgs gesättigt

und die Marktferne tat ein Übriges, die Holzindustrie in Gartow entscheidend zu schwächen.

Ein Bruder von August Herbst etablierte sich mit einem Holzhandel schon frühzeitig in Lüneburg,

dessen Betrieb von seinen Nachfahren bis heute weitergeführt wird.

Nach einem Jahr intensiver Planung und Vorbereitung wurde am 30. Juni 1920 die Firma C. Herbst

Holzhandlung in Lüneburg, Auf der Hude 54, eröffnet. Das stetige Wachsen des Unternehmens

machte eine Teilung der Firmenleitung erforderlich, Großvater Christian Herbst übernahm die Führung

der Firma in Lüneburg, während dessen Bruder August, der Großonkel, für die Betriebe in

Gartow und Lüchow zuständig war. Bedingt durch den Krieg und dessen Folgen verzögerte sich

der vorgesehene Generationswechsel. Am 2. Juni 1950 übergab der damals 74jährige Großvater

die Leitung der Firma an den Vater Christian Herbst. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters übernahm

Helmbrecht Herbst als 19jähriger die Verantwortung für die Firma und expandierte weiter,

der 1986 zur Verlegung von Teilbereichen in das Lüneburger Industriegebiet Goseburg führte. Seit

Juni 1996 hat die Firma ihren Sitz in der Goseburgstr. 51. 15

Die Holzhandlung Herbst expandierte und gründete 1904 eine Filiale in Lüchow. Seit 145 Jahren

existiert in Lüchow die Holzhandlung Herbst, wobei der dortige Gleisanschluss ausschlaggebend

für die Firmengründung war. Zum 140jährigen Jubiläum war zu erfahren:

460


„…Waren in den Anfangsjahren der Firma Herbst 30 verschiedene Produkte im Sortiment, so kann

der Kunde heute unter mehr als 3500 lagerhaltenden Produkten wählen… Die Firma besitzt eine

Grundstücksfläche von rd. 35000 qm, davon sind ca. 30000 qm genutzte Lagerfläche. Mit vier

großen Lagerhallen verfügt sie über rd. 7000 qm überdachte Lagerfläche, davon sind ca. 1500

qm Ausstellungs- und Fachmarktfläche. Es sorgen heute 26 Mitarbeiter für eine gute Fachberatung

und Abwicklung….Die Ware wird mit vier eigenen Lastkraftwagen im Umkreis von rd. 200 km

möglichst schnell und sorgfältig ausgeliefert…“ Geschäftsführender Gesellschafter ist Dr. med.

vet. Matthias Herbst, Gartow. 16

Sägewerk Werth:

Das zweite Sägewerk in Gartow, schräg gegenüber dem Sägewerk Herbst im Ortsteil Hahnenberge

gelegen, war das Sägewerk Werth. Aus den 1941 und 1951 erschienenen Firmenchroniken sind

Einzelheiten zu entnehmen:„Aus uralten Bauerngeschlechtern entstammt die Sippe Werth. Die

Urahnen bebauten fruchtbarste Böden im niederländischen, später im niedersächsischen Raum,

die dem Meere abgerungen warden, bis Peter Werth geb. 1612 im Alten Lande, in Seedorf an der

Löcknitz (Lenzener Wische) um 1645 seinen Freisassenhof errichtet. Ihm folgen der Freisasse

Jürgen Werth (geb. 1650, gest. 1726), Kirchenvorsteher in Seedorf und der Freisasse Jochim

Christopher Werth (geb. 1697, gest. 1753), dessen 3. Sohn Joachim Friedrich Wilhelm Werth (geb.

1746, gest. 1815) um 1771 Müllermeister in Gummern bei Schnackenburg wird und im Jahre

1775 die Gummersche Windmühle erbaut. Sein kränklicher Sohn, der Müllermeister Ludewig Henning

Joachim Conrad Werth (geb. 1790, gest. 1840), verpachtet die Mühle, die der Sippe dann

bald verloren geht, so daß Johann Friedrich Christian Heinrich Werth (geb. 1828, gest. 1895) das

Zimmerhandwerk erlernt. Er heiratet im Jahre 1862 Anna Maria Sophie Elisabeth Warnecke, baut

sich um 1870 in Pevestorf ein Haus, in welchem am 16. April 1871 der jetzige Zimmermeister und

Sägewerksbesitzer Wilhelm Werth geboren wird…“ 17

Den weiteren Verlauf der Betriebsgeschichte

hat Rudolf Haberland veröffentlicht:

„Aus einem kleinen handwerklichen Betrieb

hat sich das jetzige Säge- und Holzpflasterwerk

Werth & Sohn in Gartow entwickelt. Der Begründer

desselben war der am 25. November

1950 zu Gartow verstorbene Zimmermeister,

Sägewerksbesitzer, Land- und Forstwirt Wilhelm

Werth.

Als viertes Kind des Zimmermanns Christian

Werth wurde derselbe am 16. April 1871

in Pevestorf geboren. Nach einer harten und

an Entbehrungen reichen Kindheit erlernte er

in dreijähriger Lehrzeit von 1886 an bei dem

Zimmermeister Wilhelm Schmidt in Kapern das

Handwerk seines Vaters. Nachdem er noch ein

Jahr als Zimmergeselle bei seinem Lehrmeister

tätig gewesen war, begann er 1890 mit kleinen

selbständigen Arbeiten in Pevestorf. Auf Betreiben

des Hofbesitzers Kakerbeck in Pevestorf,

der damals Kreisdeputierter war, machte der

Friedrich Theodor Wilhelm Werth

461


Zwanzigjährige im April 1891 sich selbständig. Anfangs arbeitete er nur mit seinem Vater zusammen,

konnte aber in den Jahren 1892 bis 1902 den Betrieb so erweitern, daß er bald bis zu 10 Gesellen

beschäftigte. Alles Bauholz wurde zunächst noch mit der Hand gesägt oder behauen, erst

im Jahre 1900 wurde die erste Bauholzkreissäge aufgestellt, die durch eine geliehene Lokomobile

angetrieben wurde. Die ungünstige Geschäftslage in Pevestorf zwang 1902 zu einer Verlegung

des Unternehmens nach Quarnstedt bei Gartow, aber bereits 1903 brannte das unversicherte

Werk infolge Selbstentzündung völlig nieder. Es wurde jedoch unverzüglich wieder aufgebaut und

sogar noch wesentlich erweitert. Als im Jahre 1913 die Pacht für das Werkgelände in Quarnstedt

ablief, wurde eine nochmalige Verlegung des Betriebes notwendig. Es entstand in Gartow-Hahnenberge

auf eigenem, 1912 von neun verschiedenen Besitzern erworbenem Boden ein neues,

abermals vergrößertes Sägewerk mit Zimmerei, welches das Fundament bildete für den noch heute

bestehenden Betrieb. 1915 wandte sich Meister Wilhelm Werth auch dem Schnittholzhandel

zu. 1919 erfolgte die Gründung eines Sägewerkes in Oerenburg. 1920 wurde dem Gartower Werk

eine Tischlerei, eine Stellmacherei, eine Schmiede und eine Getreidemühle angegliedert. Selbst

noch in den Krisenjahren 1929 bis 1932 konnte die Bautätigkeit bis nach Wittenberge (Großviehhalle

1930) und in die Gegend von Seehausen, Werben und Osterburg ausgedehnt werden.

Von besonders einschneidender Bedeutung für das Gartower Unternehmen aber wurde das Jahr

1937 durch den Bau eines Holzpflasterwerkes mit den erforderlichen Spezialmaschinen, Imprägniereinrichtungen

und Trockenkammern. Nun wurde auch Wilhelm Werths Sohn und langjähriger

Mitarbeiter, der Bauingenieur Christian Werth, Mitinhaber und Gesellschafter der handelsgerichtlich

eingetragenen offenen Handelsgesellschaft Werth & Sohn. Für zahlreiche Fabrikanlagen und

Behörden hat das Pflasterwerk seitdem Fußböden geliefert und gelegt. 1938 beschäftigte der

Gartower Betrieb etwa 120 männliche und 5 weibliche Arbeitskräfte. Ein Großfeuer, das in der

Nacht vom 30. November zum 1. Dezember 1941 die Säge- und Hobelhalle, das Kessel- und

Dampfmaschinenhaus, die Tischlerei und die Getreidemühle vernichtete und dessen Ursache unaufgeklärt

blieb, war ein böser Schlag für die Firma, da die Beschaffung neuer Maschinen auf

schier unüberwindliche Schwierigkeiten stieß. Nur behelfsmäßig konnten die Schäden, die der

Brand verursacht hatte, beseitigt werden.

Der Ausgang des zweiten Weltkrieges brachte durch den Verlust der Altmark und die verminderten

Holzeinschlagsmöglichkeiten Einschränkungen der Bautätigkeit und des Sägewerksbetriebes mit

sich. Trotzdem konnten 1946 und 1948 die Säge- und die Hobelhalle, das Kesselhaus und die

Tischlerei neu aufgebaut werden. 1949 wurde durch die Einrichtung einer modernen Holzhandlung

auf einem eigenen Grundstück in Hamburg-Wandsbek die Grundlage für die Entwicklung

eines neuen Zweigunternehmens geschaffen, das seitdem unter der Leitung Christian Werths, geboren

1901, den Betrieb in Gartow an Bedeutung weit überflügelt hat. Doch Wilhelm Werth hat die

Schwerpunktsverlagerung seines Lebenswerkes nicht mehr erlebt. Nach langer, schwerer Krankheit

setzte der Tod seinem rastlosen, von zäher Energie getragenen Schaffen am 25. November

1950 ein Ende. Seit dem frühen Tode seines Sohnes, des Diplom-Ingenieurs Heinrich Werth

(+ 24.12.1955), der 1948 schon Mitinhaber geworden war und dann auch Leiter des Gartower

Sägewerks, ist Christian Werth alleiniger Leiter und Inhaber des Unternehmens.“ 18

1954 war das Sägewerk Werth + Sohn in Gartow einer der ältesten Handwerksbetriebe im Landkreis.

Der Betrieb beging 1941 sein 50 jähriges Bestehen. Zur Geschichte sind folgende Sätze

überliefert: „…Der im November 1950 verstorbene Wilhelm Werth, Sohn eines Pevestorfer Zimmermannes,

hatte das Zimmererhandwerk in Kapern erlernt und gründete als Zwanzigjähriger

mit der Gewerbeanmeldung sein Unternehmen. Als Lehrling hatte er auch am Bau des Graf Bernstorffschen

Fachwerk-Herrenhauses in Junker Wehningen samt der hohen hölzernen Turmspitze

462


Anteil gehabt. Im Jahre 1900 wurde die bis dahin ausschließliche Handarbeit durch Aufstellung

einer Bauholz-Kreissäge erleichtert.

In den weiteren Jahren wurde das Unternehmen ständig modernisiert, wobei allerdings ein Schadenfeuer

1903 einen erheblichen Rückschlag brachte. 1938, um einen Ausschnitt aus der Entwicklung

zu geben, beschäftigte der Betrieb etwa 120 Männer und 5 Frauen, eingerechnet die

Holzpflasterverleger; damals lieferten Werth + Sohn allein an das Volkswagenwerk 50 000 qm

Holzpflasterboden und verlegten ihn. Im Kriegsjahr 1941 … brachte abermals ein Schadenfeuer

einen großen Rückschlag in den betrieblichen Anlagen. Schäden, die zum Teil erst 1948 wieder

durch Neubauten ersetzt werden konnten, um die hohe Leistungsfähigkeit wieder herzustellen.“ 19

1972 beabsichtigte Bauingenieur Günter Werth das Sägewerk an Graf Andreas v. Bernstorff zu

verpachten, wozu es dann aber nicht kam. Damals existierten im Werk zwei Sägegatter, die jeweils

mindestens 11 Festmeter, maximal 14 Festmeter pro Tag an Leistung erbrachten. Außer dem

Sägewerksbetrieb sollte die Klotzholzproduktion zur Herstellung von Industrieholzböden wieder

aufgenommen werden. Auch diese Planung zerschlug sich. Hinzu kamen im Oktober 1976 zwei

Brände innerhalb von vier Wochen, die das Sägewerk Werth so sehr zerstörten, dass ein Wiederaufbau

nicht mehr in Aussicht genommen wurde. 20

Kalthaus-Genossenschaft

Die herkömmliche ländliche Konservierung von Lebensmitteln ist bekannt: Pökeln, Räuchern, Dörren,

Einwecken und Einkochen. Kurzzeitigeres Aufbewahren von bestimmten Lebensmitteln war

ferner im Keller in Tongefässen, bei kühler Temperatur, möglich. Das Lagern von Produkten in

sogen. Eiskellern gehörte ebenfalls dazu. Diese Art der Dauerkonservierung wurde vorzugsweise

von Brauereien betrieben und setzte größeren Raumbedarf voraus.

Selbstverständlich gab es bereits vor dem 2. Weltkrieg Kühlschränke und Tiefkühltruhen, die sich

aber fast ausschließlich in den Städten in wohlhabenden Haushalten befanden. Leicht verderbliche

Lebensmittel können im Kühlschrank, je nach Art und Frischezustand, etwa 14 Tage lang aufgehoben

werden. Wird jedoch eine langfristige Vorratshaltung von bis zu 12 Monaten gewünscht,

ist die Gefrierlagerung die effektivste. In den Dörfern etablierte sich der Betrieb von Kalthäusern

– vornehmlich als Gemeinschaftsgefrieranlagen. Im ländlichen Raum zu damaliger Zeit, als fast

noch auf jedem Hof selbst geschlachtet wurde und mancher Bauer auch der Jagd frönte und erlegtes

Wild nach Hause brachte, bot sich die Gefrierlagerung geradezu an. Die Mengen aus der

Selbstschlachtung konnten kaum in Tiefkühltruhen oder Kühlschränken untergebracht werden.

Durch Propagierung der Vorzüge einer Gefrierlagerung, auch im gesundheitlichen Interesse, veranlasst

von landwirtschaftlichen Institutionen; entstand in Deutschland ein lawinenartiges Interesse

an Kalthäusern. Bevor jedoch ein Kalthaus betrieben werden konnte, waren zahlreiche Hürden zu

nehmen , die am günstigsten im Rahmen einer Genossenschaft zu überwinden waren. Zunächst

mussten genügend Interessenten gefunden werden, die sich zur Zahlung eines Baukostenzuschusses

sowie der laufenden Betriebskosten verpflichteten. Nach Bildung der Genossenschaft

mit allen erforderlichen Regularien gehörte zum erster Beschluss oft der Bau eines massiven Kalthauses

mit seinem technischen Zubehör. Den Bau führten meistens örtliche Handwerker durch;

ohne Kreditaufnahmen war ein Kalthaus kaum fertigzustellen, daher begannen viele Genossenschaften

ihren Weg mit hohen Schulden.

463


Der Aufbau eines Kalthauses entsprach seinen Erfordernissen und war fast stereotyp: Verarbeitungsraum

zum Zurichten und Verpacken der Lebensmittel, Kühlraum zum Abhängen des

Fleisches, Vorgefrierabteil zur Abkühlung der Lebensmittel auf die Lagertemperatur, Raum mit

Lagerfächern zur Aufbewahrung der gefrorenen Lebensmittel und die Kältemaschine in einem

separaten Raum.

Herzstück des Kalthauses aber ist der Kaltraum, in dem beständig eine Temperatur von -18 bis

20° C gehalten wird. Dieser Raum ist an allen Seiten stark isoliert, um Energieabfluss zu verhindern.

Die Isolierung besteht aus mehreren Schichten (Stampfbeton, U-förmige Betonträger für

eine durchlaufende Belüftung, Zementverputz, Bitumenpappe, und Zementverputz. Im Kaltraum

befinden sich nummerierte, abschließbare Holzfächer unterschiedlichen Fassungsvermögens,

durch die die Kaltluft zirkuliert. Ein Gang gewährleistet die Beschickung der Fächer. Der Nutzraum

der einzelnen Fächer liegt zwischen 100 und 300 Liter, die meisten Kalthausanlagen verfügen jedoch

mehrheitlich über 200 Liter-Fächer. Die Kapazität der Kalthäuser liegt bei 20 bis 80 Fächern

mit 200 Litern, also 5 bis 15 cbm Gefrierlagerraum.

Bevor sich die Kalthaus-Genossenschaft Gartow offiziell gründete, gab es die „Kalthausinteressentengemeinschaft

Gartow“. Eine erste Mitgliederversammlung fand am 23. Oktober 1958 statt.

An ihr nahmen 16 Mitglieder teil. Bereits am 3. Oktober 1958 hatte das Bergedorfer Eisenwerk

ein Angebot vorgelegt, aber die Interessengemeinschaft war noch unentschlossen, wie viel Fächer

benötigt wurden. Im Januar 1959 waren zunächst 44 Fächer, dann 50 - 60 geplant.

In der Versammlung am 13. Februar 1959 wurde der Firma Astra Bergedorfer Eisenwerk schließlich

der Auftrag erteilt, das Kalthaus Gartow für 13 320 DM zu errichten. Bei Barzahlung räumte

die Firma 3% Skonto ein oder aber stundete 4 000 DM maximal auf ein Jahr. Am 30. November

1959 fand dann die Gründungsversammlung mit 20 Mitgliedern in Gartow statt.

Zum Vorsitzenden der Genossenschaft wurde Dipl. Ing. Walter Herbst und zu seinem Stellvertreter

Dr. med. Gerhard Neuschulz gewählt. Bevor die Kalthaus-Genossenschaft Gartow gegründet wurde,

fungierten als 1. bis 5. Vorsitzender:

Dipl. Ing. W. Herbst, Herr Frieseke, H.O. Hecht, W. Reinhardt und Dr. med. Neuschulz. Geschäftsführer

war Richard Stüben. Als weitere Mitglieder der „ersten Stunde“ erscheinen:

Rud. Schmidt, ...Wortmann, Hans Schmidt, Otto Järnecke, E. Walter, H. Schulz, Erich Schmidt,

Reinhardt, Pfeifer, Hildebrandt, Wilh. Müter, König, Lehmann, Fritz Paetz, Milau, Schramm, Zilensky,

Willy Wehrend, v. Bernstorff, v. Sydow, Junack, P. Henning, ...Wiechers, ...Hagedorn, R. Herbst.

Im Kalthaus standen 74 Stück 100 Liter-Gefrierfächer zur Verfügung, davon waren 42 Stück vergeben

aber für 29 weitere lagen bereits Voranmeldungen vor. Es wurde beschlossen, eine Reserve

von 6 Fächern zu belassen, um flexibel zu bleiben. Bis zum 20. November 1959 mußten die Mitglieder

je Anteil einen verlorenen Baukostenzuschuß in Höhe von 270 DM zahlen. Die bisherigen

20 Mitglieder hielten 22 Anteile. Die Anleihehöchstgrenze wurde auf 8 000 DM festgesetzt.

Von der Zahl der künftigen Fächer hing die benötigte umbaute Fläche ab. Am 24. März 1959 wurde

ein Liefervertrag zwischen der Kalthausgemeinschaft Gartow und dem Bergedorfer Eisenwerk

für die Installierung „1Astra-Kalthausanlage 37 Fach mit stiller Kälte“ zum Preis von 9 470 DM

unterzeichnet. Der Vertrag konnte zunächst nicht wirksam werden, weil die Eigentumsrechte am

Kalthaus-Grundstück noch geklärt werden mußten. Um das Grundstück zu erwerben,

464


war Konrad v. Oppen aus Gartow eingeschaltet worden. Am 1. September 1959 wurde mit Mathilde

Gräfin v. Bernstorff geb. Freiin v. Dincklage in Gartow und der Kalthausgenossenschaft Gartow

ein Erbbaurecht auf die Dauer von 90 Jahren vereinbart. Sie, bzw. ihre Rechtsnachfolger, blieb

weiterhin Eigentümerin des Grundstückes. Der Erbbauzins war mit 10 DM im Jahr sehr moderat.

Das Kalthaus wurde auf der Parzelle 162, Gemarkung Gartow, Flur 4 errichtet. Der dort zuvor

stehende Altbau wurde beseitigt. Das Haus selbst wurde insgesamt von Mitarbeitern der Firma

Herbst in Gartow errichtet. Bis zum Jahresende 1959 war das Kalthaus fertiggestellt und betriebsbereit.

Als das Kalthaus Gartow 1959 ausgerüstet wurde, kam „ein Maschinensatz FL 572 mit Drehstrommotor

1,1 kW “ zum Einbau. Die Gefrieranlage ist bis heute in Betrieb. Die Einweihung des

Kalthauses erfolgte am 5. Januar 1960. Die Betreuung des Kalthauses übernahmen gegen eine

Aufwandsentschädigung zunächst das Ehepaar Grote, später Karl Frieseke, Wilhelm Wehrendt

und ab 22. Februar 1989 Uwe Robohm, sämtlich aus Gartow. Als „Frosterzeiten“ wurde Dienstag

und Freitag bis abends 19 Uhr festgesetzt. Alle vier Wochen wird der Vorfroster abgetaut, um zu

dicke Eisbildung zu vermeiden. Jedes Kalthaus hat aus Sicherheitsgründen ein an der Außenwand

angebrachtes Signalhorn, falls sich eine Person im Innern des Kalthauses versehentlich aussperrt.

Mit einem Kippschalter kann es betätigt werden, so dass schnelle Hilfe möglich wird.

Am 7. Januar 1960 fand die erste Mitgliederversammlung nach Fertigstellung des Kalthauses

statt. Es waren 27 Mitglieder erschienen, die Leitung hatte der Vorsitzende des Aufsichtsrates,

Dipl. Ing. Walter Herbst. Bei dieser Versammlung wurden die Fächer an die Genossen vergeben.

Gab es darum Uneinigkeit, entschied das Los. Gleichzeitig wurden die Fachschlüssel gegen Quittung

ausgehändigt.

Es waren Kosten von rd. 19 000 DM angefallen, davon konnten 13 500 DM bar bezahlt werden, 5

500 DM mußten als Kredit aufgenommen werden. Die Summe sollte auf einmal bezahlt werden,

um in den Genuß von 3% Skonto zu kommen. Nach einem Kostenvoranschlag von November

1962 lag das Beitragsaufkommen im Jahr bei 1 440 DM, die Unkosten erreichten 1 442 DM –

aufgeschlüsselt in:

• Stromgeld = 540 DM

• Wartung einschl. Revision = 620 DM

• Versicherungen, Grundsteuer, Pacht = 166 DM

• Prüfungsarbeiten =70 DM

• Verbandsbeitrag = 6 DM

• Geschäftsführung = 40 DM

Mit dem Bergedorfer Eisenwerk „Astra“ war am 15. Juli 1961 ein Wartungsvertrag für das Kalthaus

Gartow abgeschlossen worden, im Turnus fanden sogenannte „Revisionen“ also Überprüfungen

der Kälteanlage statt. Gegen eine Jahresgebühr kam ein Monteur und überprüfte die Funktionen,

nahm auch kleinere Reparaturen vor. Ab 1970, die Firma hieß nun: „Stal-Astra GmbH. Kälteanlagen“,

wurde der Wartungsvertrag gekündigt, da je Wartung ein Betrag von 75 DM gefordert wurde.

1983 waren die Stromkosten bei jährlich 1 400 DM, die Wartungs- und Verwaltungskosten bei je 1

200 DM angekommen. Auch die übrigen Kosten hatten sich erhöht. Die Stromkosten werden zwar

durch die größere Anzahl der Nutzer gesenkt aber ihr Anteil an den Kosten steigt jährlich und liegt

z. Zt. bei ca.80 Euro im Monat. Ein 100-Liter-Fach kostet im Jahr 50 Euro.

465


In einer Zeit, in der inzwischen auch Kühltruhen erschwinglich sind, stellt sich die Frage, warum

das Kalthaus überhaupt noch betrieben wird. Dazu gibt es mehrere Antworten: Einige ältere Leute

haben sich an diese Art der Konservierung gewöhnt und nehmen den Fußweg zum Kalthaus in

Kauf. Ein weiteres Argument ist, dass eine Kühltruhe in einer Wohnung zu viel Platz einnimmt.

Ferner nutzen Großbauern, Jäger und Gaststätten das Kalthaus immer noch gerne. Von 37 zur

Verfügung stehenden Fächern sind derzeitig 32 vermietet bzw. belegt.

2003 löste sich die Genossenschaft auf. An ihre Stelle trat ab Dezember 2003 ein Verein, der das

Kalthaus betreibt. Das hat den Vorteil, von zahlreichen gesetzlichen und genossenschaftlichen

Pflichten befreit zu sein, besonders auch in finanzieller Hinsicht.

Märkte

Handel insbesondere mit landwirtschaftlichen Produkten wurde immer getrieben, so auch in

Gartow, wobei der Vieh- und Getreidehandel an erster Stelle stand. Seit altersher bestanden in

Gartow Viehmärkte. Die Gartower Bürgerschaft bat am 4. November 1694 beim Celler Herzog

Georg Wilhelm um Einführung der ehemals im Jahr abgehaltenen zwei Pferde- und Viehmärkte.

Bisher fanden in Gartow nur drei Kram-Märkte statt (nach Ostern, auf Laurentis, nach Gallustag)

aber keine Viehmärkte. Vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618 - 48) wurden zwei Viehmärkte (nach

Ostern, nach Gallus) abgehalten, die jedoch bei Kriegsbeginn eingingen. Mit Datum vom 30. Juli

1695 genehmigte der Herzog zwei Viehmärkte (Dienstag nach dem Sonntag Jubilate, Dienstag

vor Simon juda), wofür sich die Bürgerschaft am 20. August 1695 bedankte. Neue Markttermine

traten jedoch zum 1. November 1704 in Kraft. Kombiniert als Vieh- und Krammärkte sind diese

seither gleichzeitig an einem Tag zu drei Terminen veranstaltet worden: Ende April/Anfang Mai

(veränderlich), Ende August und im Oktober. Derartige Märkte sind mehr als 250 Jahre lang in

Gartow Tradition gewesen aber nach dem 2. Weltkrieg neigte sich diese Ära dem Ende zu. Drei

Meldungen sollen diese Entwicklung verdeutlichen:

„Der Michaelis-Markt am Mittwoch in Gartow

war trotz des günstigen sonnigen und warmen

Wetters der seit Jahren am schwächsten besuchte.

Das betraf sowohl die Anzahl der Verkaufsstände

als auch die der Käufer. Auf dem

Ferkelmarkt war das Geschäft bei einem Auftrieb

von nur 16 Tieren sehr lustlos. Sehr bedauert

wurde von jungen und alten Besuchern,

daß Karussell und Luftschaukel erstmals fehlten.

Neben der schon seit Jahren bestehenden

Schwierigkeit mit dem Standplatz für diese

Unternehmen dürfte aber am geringen Marktbetrieb

auch die Tatsache schuld sein, daß am

Tage zuvor Markt in Bergen/D. und am 3. Oktober

Markt im benachbarten Trebel stattfand.

Es erscheint verwunderlich, daß bei Aufstellung

der Markttermine in Lüneburg auf diese

Überschneidungen nicht geachtet worden ist.

Zu hoffen ist nur, daß sich derartige Pannen in

kommenden Jahren nicht wiederholen. Denn

es kann niemand auf zwei Märkten tanzen.“ 21

1.11.1704: Markt-Tage zu Gartow

466


„Der Frühjahrsmarkt 1957 war vom Wetter begünstigt, das aber wiederum der Landbevölkerung

willkommenen Anlaß bot, ihrer Arbeit nachzugehen, so daß der Besuch zu wünschen übrig ließ.

Auch die Zahl der Verkaufsbuden war gering. Erfreulich für die Kleinen war, daß sie nach einem

Jahr wieder einmal Gelegenheit hatten, Karussell zu fahren. Auch die ortsansässigen Geschäftsleute

konnten bei weitem nicht den Marktumsatz der Vorjahre erzielen. Die Romantik der Märkte

stirbt mehr und mehr aus und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann diese jahrhunderte alte

Einrichtung, die früher ein Höhepunkt im Leben von Stadt und Land war, gänzlich der Vergangenheit

angehören wird.“ 22

„Nach dem Marktverzeichnis des Regierungsbezirkes Lüneburg für 1958 sind folgende Termine

für die beiden Gartower Kram- und Ferkelmärkte festgesetzt worden: Frühjahrsmarkt am Mittwoch,

dem 23. April, Herbstmarkt am Mittwoch, dem 15. Oktober. Damit sind die traditionellen

Markttage verschwunden und auch die vieljährigen Bemühungen, die Termine kurz nach dem

Monatsende anzusetzen, erfolglos geblieben.

Wie andernorts wird auch hier die Frage akut, ob sich der Kostenaufwand der Gemeinde hierfür

noch lohnt. Eine Rückschau auf den Herbstmarkt am 23. Oktober 1957 dieses Jahres unterstützt

die Ansicht, daß die in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten nützlichen und notwendigen

Markttage heute überholt sind. Der Ursachen gibt es mehrere, sie sind aber nicht zu beseitigen.

Wenn ein Ferkelmarkt mit 20 Tieren beschickt und davon nur die Hälfte verkauft wird, wenn ganze

10 Verkaufsstände, davon zwei aus dem Ort, ein „Marktleben“ herbeizaubern wollen, so muß

dieser Versuch scheitern. Nicht einmal unter schlechtem Wetter hatte dieser Markt zu leiden. Was

ihm fehlte, waren Karussell, Luftschaukel und weitere übliche Belustigungsmöglichkeiten für und

groß und klein. Es fehlte der „akustische Lärm“, ohne den ein Markt eine zu ruhige Angelegenheit

wird. Mit den still werdenden Krammärkten geht wieder eine Illusion verloren, die manchem glückliche

Kindheitserinnerungen bedeutet.“ 23

Eine Neubelebung marktähnlicher Veranstaltungen erfolgte in Gartow mit den Sommermärkten,

Flohmärkten am Gartower See und den seit Anfang der 1990iger Jahre auf dem Schlosshof Gartow

stattfindenden Weihnachtsmärkten. Letzterer wird von der Unabhängigen Wählergemeinschaft

(UWG) Gartow und der Familie v. Bernstorff organisiert. Diese erfolgreiche Veranstaltung

zieht jedes Jahr tausende Besucher in ihren Bann. Unter dem Motto: „Unser weihnachtliches Gartow“

wurde vom Weihnachtsmarkt 2006 berichtet:

„Natürlich war Nikolaus nach Gartow gekommen, um seine vielen Anhänger mit Naschwerk zu beschenken

und das tat er auch, nachdem er den Balkon mittels einer Leiter verlassen hatte. Auch

das ist längst Brauch auf dem Weihnachtsmarkt in Gartow: Er wird stets von Posaunenbläsern

und -bläserinnen aus Gartow und Trebel stimmungsvoll eröffnet. Danach ist Bummeln, Schauen

und Kaufen angesagt. Wer am Sonnabend auf dem Schlosshof nach einem Weihnachtsgeschenk

Ausschau hielt, hatte die Qual der Wahl: Konnte man doch an knapp 80 Ständen – Essen und

Getränkeanbieter inbegriffen – fündig werden. Und wer sich stärken wollte, war unter anderem im

Landfrauen-Cafe gut aufgehoben. Und zum Gelingen trugen überdies Gaukler „Rebasius Funkenflug“

und eine Märchenerzählerin bei.“ Rund 6 000 Besucher besuchten diesen Markt. 24

In den 1980iger Jahren ist in Gartow der Sommermarkt initiiert worden, der ebenfalls tausende

Besucher anlockte. Die Hauptstraße wurde im Juli dann zur Marktmeile, wobei etwa 100 Marktbeschicker

ihre Angebote offerierten aber auch Aktionen vorführten, wie z.B. regionale Handwerker

ihre Arbeitsweisen zur Schau stellten. Auf dem „Bäuerinnenmarkt“ verwöhnten Landfrauen die

467


Gäste mit Kaffee, Kuchen, Butter, Brot und Schmalz. Der Gartower Spielmannszug sorgte für die

musikalische Begleitung dieser Veranstaltung, ebenso für die jungen Leute eine Freiluft-Diskothek

u.a.m.

In den Sommern 2005 und 2006 war der Markt ausgesetzt, weil die neu geschaffene „Gartower

Holzmesse“ eine vorübergehende Unterbrechung des Sommermarktes bedingte. Während des

Monats September findet die Gartower Holzmesse auf dem Gutshof Quarnstedt statt. Zur 4. Messe

am 15./16. September 2007 mit 30 Ausstellern wurde u.a. mitgeteilt:

„…Mit dieser regionalen Messe wird diesmal das spezielle Augenmerk auf den Wald in seiner

ursprünglichen Bedeutung im Vordergrund. Nicht nur als Wirtschaftsfaktor und Rohstofflieferant

von Produkten sondern auch als Sauerstoffspender und Wasserspeicher, die als Grundlage des

menschlichen Daseins gelten. Die Palette von Erzeugnissen und Dienstleistungen der Aussteller

reicht auch diesmal vom mobilen Sägewerk, über Holzbearbeitsmaschinen bis hin zum Baustoff

Holz. Informationen und eine repräsentative Bandbreite an Anschauungsobjekten zum Thema

„Heizen mit Holz“, „Holz als Dämmstoff“ sowie „Holz zur Herstellung von Möbeln aller Art“ bis

zur „Kunst aus Holz lassen wohl kaum eine Frage unbeantwortet….“ Nicht nur der Gutshof, auch

Räumlichkeiten des historischen Kornspeichers wurden als Ausstellungsfläche genutzt.

Auch ein kulinarisches Angebot stand zur Verfügung. 25

Im Juli 2007 wurde der Sommermarkt von der „Gewerbe und Touristik Gartow Elbtalaue“ (G.U.T.)

unterstützt. Damals boten 50 Stände ihre Erzeugnisse und Artikel an, außerdem waren sämtliche

Geschäfte in der Hauptstraße geöffnet. Beide Märkte werden inzwischen nicht mehr durchgeführt.

Flohmarkt am Gartower See 2011

468


Flohmarkt

Als 1986 der erste Flohmarkt in Gartow am See veranstaltet wurde, kamen gerade 10 Aussteller.

Keiner hat es damals für möglich gehalten, dass sich diese Veranstaltung zu einer der schönsten

und größten seiner Art in Norddeutschland entwickeln würde. In über 20 Jahren hat sich der Gartower

Flohmarkt als echter „Renner“ erwiesen. Inzwischen kommen auf das Wiesengelände am

nördlichen Seeufer zu jedem Flohmarkt zahlreiche Aussteller aus Norddeutschland.

30.7.1695: Herzogliche Genehmigung für den Viehmarkt in Gartow

469


Landwirtschaft

Neuordnung der Flur

Es ist hier nicht der Platz, die interessante und wechselvolle Geschichte der Landwirtschaft darzustellen,

viel mehr werden ortsrelevante Informationen mitgeteilt. Dazu gehört die erste Flurneuordnung

in der Gemarkung Gartow, das Verfahren „über die Spezialtheilung der Gemeinheiten des

Städtchens Gartow“ vom 17. Juni 1854. Unter Gemeinheiten werden Areale verstanden, die von

der Bürgerschaft gemeinschaftlich benutzt worden sind. Infolge veränderter Bewirtschaftungsmethoden

und Privatisierung von Grundbesitz sind die vorherigen Gemeinheiten fast ganz entbehrlich

geworden. Dafür sind neue Strukturen geschaffen worden, die zeitgemäßer waren und nun in

Bestimmungen verankert wurden. Die neue Aufteilung des Grundbesitzes endete in Rechtssicherheit

als Privateigentum. Aufgehoben wurden sämtliche bisherige Nutzungen, bis auf diejenigen,

die weiterhin zum Gemeingebrauch benötigt worden sind: Wege und Plätze. Bestehen blieb ferner

das „dem Grafen von Bernstorff (zustehende) Fischerei-Recht auf den bürgerlichen Grundstücken,

wie solches bislang dem Hause Gartow zugestanden hat.“

Unentbehrliche Wege wurden nunmehr festgeschrieben, so der Weg von Gartow nach Restorf,

nach Meetschow, Trebel, Marleben, Prezelle und Lomitz. Der Weg nach Restorf führte damals

nicht über Quarnstedt (gehörte dem Haus Gartow) sondern über die Seegeniederung (Seerig) und

war eigentlich nur bei gutem Wetter passierbar. Während der Hochwasserzeit war er auf unbestimmte

Zeit unterbrochen. Der Weg nach Meetschow wurde auch als Dannenberger Postweg

bezeichnet und führte durch den Elsebusch und den Helk. Ihrer Bedeutung wegen sind die Wege

nach Meetschow und Trebel in einer Breite von 48 Fuß (13,97 m) ausgewiesen worden, die übrigen

Wege dagegen mit 40 Fuß (11,64 m). Infolge der schwierigen Verhältnisse in der Seegeniederung

durfte der Weg nach Restorf in seiner Breite ebenfalls bis zu 48 Fuß schwanken. Nicht

aufgeführt ist der überaus wichtige Weg über die Seegebrücke nach Quarnstedt und von dort aus

weiter nach Holtorf, Kapern. Es verstand sich wohl von selbst, diesen so zu belassen, wie er war.

Ein gänzlich neuer Weg entstand am Umschwang östlich des neuen Buchhorster Abzugsgrabens

beim Prezeller Weg mit einer Breite von 32 Fuß (9,31 m). Ebenfalls festgeschrieben wurden die

Flächen des Gartower Gemeindeforstes, sie bestanden aus Elsebusch (14 Morgen), Helk (31 Morgen),

einem Teil der Hahnenberge (53 Morgen), dem anderen Teil der Hahnenberge (33 Morgen)

und dem Umschwang (6 Morgen). Zusammen 133 Morgen Forstfläche, bei der Berechnung nach

dem Verteilungsregister jedoch 138 Morgen. Diesen Forst durften die Bürger, die Kirche, das v.

Bernstorffsche Gasthaus und das Hospital nutzen, nicht jedoch der gräfliche Scharfrichter Miethling.

Es war notwendig, Gemeinschaftsplätze auch künftig vorzuhalten. Damals war eine Lehmentnahmestelle

auf dem Seerig wichtig, um bindiges Material zur Ausbesserung von Deichschäden und

Ausbesserung von Hauswänden und Tennenböden gewinnen zu können. Die Entnahme hatte eine

Größe von sieben Morgen.

Weiter sind vier Sandgruben ausgewiesen worden:

In den Hahnenbergen, im Elsebusch und zwei oberhalb der Heidriethe mit zusammen vier Morgen

Größe. Ein weiterer Platz zur Sandgewinnung war auf dem Seerig vorgesehen. Der Sand wurde

überwiegend zur Wegeausbesserung gebraucht aber die Bürgerschaft durfte ihn auch für private

Zwecke verwenden. Fehlen durfte auch der einen Morgen große Friedhof nicht. Weiterhin sind fünf

unter einem Morgen grosse „Gemeindeplätze“, ausgewiesen worden. Darunter ein sogen. „Gemeindebauplatz“

in den Hahnenbergen. Bis zu ihrer tatsächlichen Nutzung sollten diese Plätze

zunächst verpachtet werden, damit Geld in die Gemeindekasse fliessen konnte.

470


Eine Sonderbestimmung galt nur für den Scharfrichter Miethling: „ Der Scharfrichter Miethling hat

aber das Recht, den Lehm und Sand in den gemeinschaftlichen Gruben zur Reparatur und zum

Neubau seiner jetzt vorhandenen Gebäude zu benutzen, falls derselbe aber seine alten Gebäude

vergrößert oder die Zahl derselben vermehrt, so muß er den Mehrbedarf an Lehm und Sand von

seinen eigenen Grundstücken nehmen.“

Damals war es üblich, die Gemarkungsgrenzen sichtbar zu machen. Das geschah in der Weise,

daß ein Graben von 6 - 8 Fuß Breite (1,74 - 2,33 m) angelegt worden ist. Um Niederschlagswasser

besser von den Wegen abzuführen, erhielten sie Wegeseitengräben. In der Regel erhielten Wege

von mehr als 24 Fuß Breite (6,98 m) Seitengräben. Es war jedoch erlaubt, auch bei schmaleren

Wegen Gräben anzulegen, „doch müßen sie (die Anlieger) das Terrain zu den Gräben ganz von

den eigenen Grundstücken nehmen und die Kosten der Anlage und Unterhaltung allein tragen.“

Gräben, die der Landentwässerung dienten, durften nicht eingefriedigt werden, diese erhielten auf

dem Seerig eine Breitenabmessung von mindestens einem Fuß (0,29 m), sonst 3 Fuß (0,87m).

Waren diese zur Entwässerung wichtig, erhielten sie Breiten von 6 bis 8 Fuß (1,74 - 2,33 m) und

mehr. Dann gab es noch Begrenzungsgräben zwischen einzelnen Koppelbesitzern. Wasserführende

Gräben konnten aber auch Ersatz für Zäune aus „Planken, Stakette, Wellerwände, Zäune oder

Berickungen“ sein.

Der Grabenaushub durfte nicht einfach irgendwo abgelagert werden. Bei den Gemarkungsgrenzgräben

kam dieser auf die Koppeln, ebenfalls bei den Wegeseitengräben, sofern er nicht zur Wegebesserung

selbst verwendet wurde. Bei Koppelgräben ist er gerecht auf beide Seiten verteilt worden.

Statt tote Zäune zu errichten, war es gestattet, lebendige Hecken anzupflanzen. Sie durften nur

auf der Grenzlinie wachsen und es war festgelegt: „Jeder Koppelnachbar ist befugt, an seiner Seite

die Seitenzweige der Hecke auf einen Fuß (0,29 m) vom Hauptstamme und die oberen Zweige

auf sieben Fuß (2,04 m) Höhe und auf gewiße durch Übereinkunft zu bestimmende Längen der

Hecke abzunehmen und für sich zu benutzen.“ Ferner war bestimmt, daß lebendige Hecken erst

in zwei Fuß (0,58 m) Entfernung vom Wegeseitengraben stehen durften, tote Zäune dagegen am

Grabenrand. Handelte es sich hierbei um wichtige Entwässerungsgräben, mußten sowohl tote als

lebendige Zäune grundsätzlich zwei Fuß vom Grabenrand entfernt stehen. Neu für die Privatnutzer

der Grundstücke war die Verhütung von Schaden durch eigenes Vieh zu Lasten Anderer. Daher

waren sie verpflichtet, Zäune zu errichten und entstandene Schäden zu ersetzen.

Wichtige Wege, Brücken und Siele waren von der gesamten Bürgerschaft Gartows zu unterhalten

und ggf. zu erneuern. Dies erfolgte nach dem Beitragsverhältnis der einzelnen Bürger auf Grundlage

der Grundsteuerveranlagung. Lediglich nur privat benutzte Brücken und Siele waren von der

gemeinschaftlichen Unterhaltung ausgenommen. Reichten die vorhandenen Sandgewinnungsstellen

nicht aus, durfte die Gemeinde bzw. die Wegebaubehörde Sand von privaten Grundstücken

entnehmen. Da die neuen Wege relativ breit gewesen sind, konnten die Wegeseitenstreifen

beweidet werden, der Pachterlös floss der Gemeindekasse zu. Auch war es eingeschränkt erlaubt,

die Seitenstreifen zu „beackern“.

War der Weg über 32 Fuß (9,31 m) breit, war die Anpflanzung von zwei Reihen Straßenbäumen

durch die Anlieger Pflicht und sollte vier Jahre nach Rezessbeschluß abgeschlossen sein. Die

471


Anlieger mußten auf eigene Kosten geeignete Baumarten besorgen „werden zu diesen Anpflanzungen

nur solche Holzarten genommen, die keine großen Kronen treiben oder gekröpft werden

können“, nämlich Pappeln, Birken, Vogelbeeren, Weiden oder Linden. Nur ausnahmsweise waren

Eichen erlaubt. Sinnvoll war es ferner, an einem Weg nur eine Baumart zu pflanzen und nicht alle

Arten durcheinander. Ziemlich genau nahm man es mit dem Pflanzabstand:

„Die Bäume müssen 2 Fuß (0,58 m) von der inneren Weggrabenkante und in einer Entfernung

von 32 Werkfuß (9,31 m) von einander gepflanzt werden …“ Detailliert wurde gefordert: „Die Entfernungen

werden vom Ende des Weges, welcher der Stadt Gartow zunächst belegen ist oder bei

den Nebenwegen von dem Ende an, welches zunächst dem Hauptwege liegt und zwar in der Art

abgemeßen, daß der Standort des ersten Baumes an der einen Seite auf 32 Fuß, an der anderen

Seite aber auf 48 Fuß (13,96 m) vom Anfange des Weges bestimmt wird.“ Derartige Bestimmungen

galten nicht nur für Straßen- und Wegebäume sondern auch für die Bepflanzung von Koppel-

und Gemarkungsbegrenzungen. Verwendet werden durften Birken, Hainbuchen, Erlen, nicht

jedoch Berberitzen und es sollten keine dauerhaften Bäume entstehen. Hatte sich die Laubkrone

in Stammhöhe von 16 Fuß (4,65 m) gebildet, war der Baum schlagreif bzw. musste zurückgestutzt

werden. Selbstverständlich mußten auch hier gewisse Abstände eingehalten werden. Mit 7 Fuß

(2,04 m) waren alle Hecken höhenmäßig begrenzt. Baumanpflanzungen auf den Koppeln selbst

unterlagen Beschränkungen: Obstbäume durften mit 16 Fuß (4,65 m) Abstand zur Nachbarkoppel

gepflanzt werden, bei anderen Baumarten war die doppelte Distanz einzuhalten. Noch näher (8

Fuß = 2,33 m) durften Bäume generell an Wegrändern angeordnet werden. Bäume, die auf noch

zuzuteilenden Flächen standen und nicht mehr dem früheren Nutzer gehörten, sollten innerhalb

eines Jahres gerodet werden oder aber fielen dem neuen Besitzer zu.

Von Entwässerungsgräben war bereits die Rede aber bei der Spezialteilung sind wichtige Gräben

in ihrem vorhandenen und künftigen Verlauf mit Breitenabmessungen festgeschrieben worden.

Neun Hauptgräben wurden bestimmt. Die Erstanlage und die Unterhaltung führte die Bürgerschaft

Gartows durch. Mit erfaßt waren die der Gemeinschaft dienenden Brücken und Siele. Geduldet

werden mußte die Anlage weiterer Gräben, sofern sich zeigen sollte, dass mehr Gräben notwendig

sind und geduldet ferner der hemmungsfreie Abfluß: „…wie denn auch überall die Besitzer von

unterhalb gelegenen Grundstücken verpflichtet sind, die Durchleitung des ihren Koppeln durch

künstliche Anlagen zugeführten Wassers zu dulden und nur das Recht haben, sich gegen das

ihren Koppeln wild zulaufende Wasser durch Dammanlagen zu schützen, wenn den Grundstücken

anderer Interessenten dadurch kein Nachtheil geschieht.“ Die Gräben sind auf Länge der dazu

verpflichteten Anlieger im Frühjahr und im Herbst zu reinigen, damit der Abfluß gewährleistet blieb.

Es war ferner darauf zu achten, daß die Wegeseitenränder zu den Gräben hingeneigt waren.

Die Kosten aller Erstanlagen (Wege, Gräben, Brücken und Siele) mußte die Bürgerschaft gemeinsam

aufbringen, wie auch anteilig die erheblichen Kosten des Verfahrens selbst. Als Richtschnur

galten die neu ausgewiesenen Anteile bei der Spezialteilung wie die Pfarre (17), das Pfarrwitwentum

(9), das Kantorat (11), die Vollbürger mit jeweils 14 Anteilen Dietrich Schmidt, Heinrich Meyer,

Friedrich Hildebrandt, Ludwig Giese, Anton Krug, Wilhelm Lanz, Wilhelm Schönberg, Eduard Krüger,

Daniel Honigs Erben, Wilhelm Albrecht, Friedrich Schulz, Heinrich Waldow, Christoph Berdins

Erben, Friedrich Bade, Gottlieb Bennecke, Friedrich Dröge, Heinrich Beier und Heinrich Gerbers Erben.

Es folgen die Halbbürger mit jeweils 9 Anteilen: Theodor Wolter, Eduard Hohenstein, Friedrich

Wiese, Gottlieb Hildebrand, Christian Honig, Hermann Bischoff, Friedrich Riege, Christian Spohn,

Heinrich Riechert, Christian Riechart, Mathes Hahn (2x), Christoph Lichtenberg, Wilhelm Köhnke,

Wilhelm Köster, Wilhelm Bark, Heinrich Glimmann, Heinrich Kubel, Wilhelm Schulz und Homanns

Erben. Mit dazu gehörten ferner das von Bernstorffsche Gasthaus und das Hospital mit je 14

472


Anteilen sowie die frühere gräfliche Scharfrichterei mit sieben Anteilen, woraus sich 504 Gesamtanteile

ergaben. Es verstand sich von selbst, dass benachbarten Grundstücken kein Schaden

zugefügt werden durfte, war das dennoch der Fall, musste Schadenersatz geleistet werden. Weil

die neu zugewiesenen Grundstücke erstmalig Privateigentum wurden, unterlag dieser Status nun

besonderem Schutz.

Im Rezess war festgelegt, daß alle neu geschaffenen Anlagen auch künftig zu er- und unterhalten

sind, wofür der jeweils amtierende Bürgermeister verantwortlich zeichnete. Der Rezess selbst diente

als Entscheidungsgrundlage bei etwaigen Streitigkeiten, die Festlegungen darin waren verbindlich.

Die Unterzeichner (Bürgerschaft) unterwarfen sich den im Rezess genannten Bestimmungen.

Alle Voll- und Halbbürger und der Bevollmächtigte des Grafen H.C. Schmidt, unterzeichneten den

Rezess mit eigenhändiger Unterschrift. Lediglich der Schuhmacher Friedrich Köhnke als Vormund

der Hamannschen Erben war des Schreibens nicht kundig und machte die bekannten drei Kreuze.

Ferner unterschrieben die Mitglieder der Teilungskommission, Amtmann L. Kuckuck und die Gartower

Bürger Waldow und Honig. Mit der Anerkennung durch die Königliche Landdrostei Lüneburg

am 24. Juni 1854 erhielt der Rezess Rechtskraft.

Eine Ausfertigung erhielt die Bürgerschaft Gartow. Zum Rezess gehört ein detailliertes Verzeichnis

der Mitbeteiligten gemäß genauem Vermessungsregister. Mit der Spezialteilung endete auch in

Gartow die viele Jahrhunderte ausgeübte Praxis der gemeinschaftlichen Nutzung des Gemeineigentums.

26

Bodennutzung im 20. Jahrhundert

Wie sich die Landwirtschaft in Gartow in der Vergangenheit darstellte, ist unzureichend bekannt.

Nach Haberland mag die sogen. Dreifelderwirtschaft nicht so verbreitet gewesen sein und er nahm

an, daß stattdessen „ewiger Roggenbau“ betrieben wurde:“…denn nach einem protokollarischen

Bericht der Königlichen Landwirtschaftsgesellschaft vom Jahre 1879 gehörte das Amt Gartow zu

den Gebieten mit Einfelderwirtschaft, in denen ohne Wechsel jedes Jahr Roggen mit jedesmaliger

Plaggendüngung angebaut wurde…“ 27

Beim Pflügen, Ölgemälde von Carl Henning

473


Wie in anderen Gegenden auch, wurde in Gartow am 28. Juni 1871 mit 120 Mitgliedern ein Landwirtschaftlicher

Verein gegründet, der eine rege Tätigkeit entfaltete:

„Der Verein hat durch Versammlungen seiner Mitglieder, durch Veranstaltung von Tierschauen

(1873, 1877, 1882, 1889, 1892, 1896, 1901), Produktionsausstellungen (1875, 1880, 1885)

und Exkursionen (1903 z.B. 40 Wagen und 150 Personen), durch Gründung eines Pferdezuchtvereins

1876, durch Errichtung einer Vorschußkasse 1883 und eine Spar- und Darlehnskasse

1887 sehr zur Hebung der Landwirtschaft in unserem Bezirk beigetragen, so daß Gottlieb Graf

Bernstorff 1930 in dem Jubiläumsbericht des Provinzialvereins feststellen konnte: Grünkultur und

Viehzucht sowie die hannoversche Warmblutzucht standen in der Vorkriegszeit auf der unter den

örtlich gegebenen Verhältnissen erreichbaren Höhe bzw. strebten ihr zu …“ 28

Die Gebiete Höhbeck, Gartow-Nienwalde, Kapern-Gummern, sowie die Elbe- und Seegeniederung

wegen der häufigen Überschwemmungen galten als schlechte Standorte mit erheblichen Nachteilen

(u.a. aufgrund fehlender Entwässerung, mangelhafter Betriebsgrößenstruktur u.a.m.).

Zudem wurde die Landwirtschaft in Gartow selbst stark zurückgedrängt, Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe

gaben nach und nach auf. Gemäß der Landwirtschaftszählung von 1933 gab es in

Gartow (mit Quarnstedt) 66 bäuerliche Betriebe, davon

• 27 mit einer Betriebsgröße von 0,5 - 2 ha

• 24 mit 2 - 5 ha

• 4 mit 10 - 20 ha

• 1 mit 50 - 100 ha

• 2 mit mehr als 200 ha.

Seit altersher gehörte der Landkreis zu den stark landwirtschaftlich geprägten Gebieten, wobei

um 1950 etwa 75% der Einwohner in der Landwirtschaft tätig gewesen sind und um 1970 immerhin

noch rd. 30% (höchste Agrarquote von Niedersachsen).

Der Landwirtschaftsbetrieb Gut Quarnstedt wie auch der Forstbetrieb gaben vielen Menschen vor

dem 2. Weltkrieg eine sichere Existenzgrundlage aber auch hier bewirkten Strukturänderungen

Schrumpfungsprozesse. Hinsichtlich der Qualität jedoch errang das Gut Quarnstedt 1957 den 1.

Preis bei der Züchtung von Braugerste in der Bundesrepublik Deutschland und stach das Bundesland

Bayern aus. 29

Nach dem Stand vom 31.12.1971 umfaßte die

Gemarkungsfläche der Gemeinde Gartow 1

753 ha, davon 391 ha Wald. In Gartow lebten

damals 1 123 Einwohner. Landwirtschaftlich

genutzt wurden 710 ha. Gemäß Zielplanungen

wurde damit gerechnet, dass künftig rd. 110

ha landwirtschaftliche Nutzfläche ausfallen

und nur noch 600 ha LF benötigt werden. Ende

1971 gab es in Gartow nur noch vier landwirtschaftliche

Haupterwerbsbetriebe (davon einer

das Gut Quarnstedt) sowie fünf Nebenerwerbsbetriebe.

Die Zahl der hauptberuflich in der

Landwirtschaft tätigen Personen betrug 17, davon

neun beim Gut Quarnstedt. 30

2009: Landschaft im Flurteil „Umschwang“

474


Infolge Kriegswirkungen und Flüchtlingszuzug sind bei der Zählung im Jahr 1949 115 bäuerliche

Betriebe in Gartow registriert worden, 1960 reduzierte sich der Bestand auf 63 und 1970 auf 23.

Heute gibt es keinen bäuerlichen Betrieb mehr in Gartow, abgesehen von der Landwirtschaft auf

dem Gut Quarnstedt.

Die Ergebnisse der sozioökonomischen Strukturanalyse der Landwirtschaftskammer Hannover

(LWK) in der Erhebung 1974 zeigen die Unterschiede in den einzelnen Gemeinden auf:

• 726 ha = 30 v.H. der Gründlandflächen sind durchschnittliche Grünlandstandorte

(Ertragsklasse II)

• 707 ha = 30 v.H. der Gründlandflächen sind gute Grünlandstandorte (Ertragsklasse III).

Bei der Einstufung der Ertragsklassen des Ackerlandes grenzte die LWK die einzelnen Stufen wie

folgt ab:

• 919 ha = 46 v.H. der Aufnahmefläche (Ertragsklasse I).

Leichter Boden, unter 25 Bodenpunkte mit folgenden Durchschnittserträgen:

Winterroggen etwa 24 dt/ha,

Sommergerste etwa 25 dt/ha,

Kartoffeln etwa 260 dt/ha.

Kein Zuckerrübenanbau möglich.

• 531 ha = 27 v.H. der Aufnahmefläche (Ertragsklasse II).

Sandboden, 25 bis 30 Bodenpunkte mit folgenden Durchschnittserträgen

ohne Beregnung:

Winterroggen etwa 28 dt/ha,

Sommergerste etwa 30 dt/ha,

Kartoffeln etwa 300 dt/ha.

Kein Zuckerrübenanbau.

Mit Beregnung sind folgende Durchschnittserträge zu erzielen:

Winterroggen etwa 36 dt/ha,

Sommergerste etwa 38 dt/ha,

Kartoffeln 30 dt/ha,

Zuckerrüben etwa 400 dt/ha.

• 511 ha = 26 v.H. der Aufnahmefläche (Ertragsklasse III).

Lehmiger Sandboden, 30 bis 40 Bodenpunkte mit folgenden Durchschnittserträgen

ohne Beregnung:

Winterweizen 36 dt/ha,

Wintergerste 36 dt/ha,

Kartoffeln 360 dt/ha,

Zuckerrüben 380 dt/ha.

Mit Beregnung lassen sich folgende Durchschnittserträge zu erzielen:

Winterweizen 39 dt/ha,

Wintergerste 39 dt/ha,

Kartoffeln 380 dt/ha,

Zuckerrüben 440 dt/ha.

475


Für die Gemarkung Gartow mit insgesamt 420 ha Grünland fielen 33% in die Ertragsklasse I und

67% in die Ertragsklasse III. Von 310 ha Ackerland fielen 25% in die Ertragsklasse I und 75% als

Ertragsklasse II.

Aufgrund der natürlichen Boden- und Wasserverhältnisse sowie der gegebenen Betriebsgrößenstruktur

haben sich im Planungsraum folgende Betriebssysteme entwickelt (Strukturanalyse

Landwirtschaftskammer 1975):

Futterbaubetriebe = 87(68,0%)

Gemischtbetriebe = 24(18,8%)

Marktfruchtbetriebe = 14(10,9%)

Veredlungsbetriebe = 3 (2,3%)

Die Landwirtschaftskammer hat in ihrer Untersuchung festgestellt, dass die Futterbaubetriebe,

die im Planungsraum überwiegen, vor allem in der Gruppe der Übergangsbetriebe anzutreffen

sind. Da Futterbaubetriebe im allgemeinen schlechtere Betriebsergebnisse erzielen als andere

Betriebssysteme mit gleicher Faktorausstattung, wird die Grünlandnutzung zu recht aus betriebswirtschaftlichen

und betriebsstrukturellen Gründen in Zukunft weiteren Änderungen unterworfen

sein werden wie z.B.:

• Umwandlung von Grünland in Acker (rund 370 ha nach Melioration bis 1980)

• Ausscheiden aus der landwirtschaftlichen Nutzung.

Bereits in den vergangenen Jahren sind infolge der lang anhaltenden Trockenperiode erhebliche

Grünlandflächen (geschätzt: 120 ha) umgebrochen worden. Wie die LWK in ihrer Flächenprognose

aufgrund der betrieblichen Erfordernisse feststellt, wird die mögliche Aufgabe landwirtschaftlicher

Nutzung zu großen Teilen bei den ertragsarmen Ackerstandorten liegen, die neben Bereichen am

Höhbeck auch in Gebieten mit Talsand vorhanden sind.

Andererseits wird die Aufgabe der Grünlandnutzung insgesamt nicht sehr umfangreich sein. Aufgrund

der betrieblichen Erfordernisse prognostizierte die LWK für 1980 in den Gemeinden Gorleben

und Schnackenburg sogar einen gewissen Fehlbedarf an Grünland. Aus strukturellen Gründen

muss trotzdem in den stark qualmwassergefährdeten Flächen und den niedrig liegenden,

feuchten Außendeichsflächen von Elbe und Seege langfristig mit der Aufgabe der Grünlandnutzung

gerechnet werden.

Fazit:

„Grundsätzlich sind Maßnahmen der Landwirtschaft und insbesondere die der Forstwirtschaft auf

eine langfristige, pflegliche Behandlung des Bodens ausgerichtet mit dem Ziel, die Fruchtbarkeit

der Produktionsgrundlage zu erhalten oder sogar zu verbessern. Die im Rahmen der strukturellen

Verbesserung der Landwirtschaft notwendigen bzw. zwangsläufig sich ergebenden Veränderungen

des Kulturflächenverhältnisses stellen allerdings einen wesentlichen, in seinen Konsequenzen

endgültig nicht erfaßbaren Eingriff in das vorhandene natürliche Gleichgewicht dar, der über

den Rahmen landwirtschaftlicher Interessenlage zum Teil weit hinausgeht.

Veränderungen des Kulturflächenverhältnisses werden sich im Planungsraum durch

• Aufforstung landwirtschaftlicher Grenzertragsflächen und

• Grünlandumbruch

ergeben.“ 31

476


Bis zum Jahr 1977 hat es für den Gartower Raum keine weitere einheitliche Untersuchung zu landwirtschaftlichen

Strukturen mehr gegeben. Lediglich sehr spezielle und nur Teilgebiete und -aspekte

betreffende Aussagen liegen vor. Im Zusammenhang mit der Aufstellung des Landschaftsrahmenplanes

Gartow sind vor 1977 Erhebungen zur landwirtschaftlichen Situation – jedoch nicht

explizit für die Gemarkung Gartow allein – durchgeführt worden. Vielmehr beziehen sich die nachfolgenden

Aussagen auf das Elbmarschgebiet zwischen Schnackenburg und Gorleben, begrenzt

vom Gartower Forst, der Elbe und der Landesgrenze im Osten. Dieses Gebiet umfasst 7500 ha

Fläche mit rd. 3600 Einwohnern in Schnackenburg, Gummern, Kapern, Holtorf, Nienwalde, Gartow,

Quarnstedt, Laasche, Gorleben, Meetschow, Vietze, Brünkendorf, Pevestorf und Restorf. Auf

Grundlage einer Erhebung vom 24. Juli 1974 ergaben sich damals folgende Flächennutzungen:

Wald = 1 200 ha (16%), Ackerland = 2 000 ha (27%), Grünland = 2 900 ha (39%), Wasserflächen

= 600 ha (8%), Unland und Moor = 100 ha (1%), Sonstiges = 700 ha (9%).

Nach Einschätzung der vorliegenden Ergebnisse gab es für diesen Raum folgende Aussagen:

„Fast zwei Drittel des Planungsraumes sind landwirtschaftliche Nutzflächen. Die Bodennutzungserhebungen

der letzten Jahre zeigen allerdings, daß die kaum oder nur sehr extensiv genutzten

Flächen (Streuwiesen, Hutung, nicht genütztes Grünland) ständig erweitert wurden und 1975 mit

fast 600 ha etwa 20 v.H. der Gründlandflächen einnahmen. Die Grenzen der landwirtschaftlichen

Nutzfläche zum Unland sind in diesem Bereich der „Halbkulturen“ fließend. Daneben wird eine

andere Tendenz deutlich. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wird insbesondere, unterstützt

durch die sehr trockenen letzten Jahre, das ackerfähige Grünland umgebrochen.

Das Acker-Grünlandverhältnis verändert sich danach laufend in gewissen Grenzen. 1975 betrug

es 1 : 1,4. Zwischenzeitlich sind, so vor allem auf dem Alandswerder, Grünlandflächen umgebrochen

und in Ackernutzung genommen worden“.

Flurbereinigung und künftige Entwicklung

Bei einer Tagung im November 1974, in der auch über die künftige Entwicklung der Landwirtschaft

im Raum Gartow gesprochen wurde, ist als Zwischenergebnis festgehalten worden:

„Bei den jetzt bestehenden landwirtschaftlichen Betrieben ist die Hofnachfolge wenig gesichert.

Daraus läßt sich ableiten, daß nur sehr wenige Betriebe in den einzelnen Ortschaften innerhalb

der nächsten 10 bis 20 Jahre übrig bleiben werden. Man kann davon ausgehen, daß etwa 25 bis

30 Betriebe im Raum Gartow als Vollerwerbsbetriebe übrig bleiben werden. Damit die freiwerdenden

Flächen von den verbleibenden Betrieben aufgenommen werden können, sind strukturelle

Verbesserungen erforderlich (Flurbereinigung, Wasserwirtschaft, Wegebau). Sollten Flurbereinigungen

erst ab 1980 wirksam werden, ist nach unserer Auffassung mit Sicherheit mit dem

Ausscheiden von etwa 1000 ha aus der landwirtschaftlichen Produktion (Grenzertragsböden) zu

rechnen.

Dadurch würde sich die landwirtschaftliche Nutzfläche auf etwa 4000 ha verringern (Raum Gartow).

U.E. würden dann nach diesem Zeitraum von 10 bis 20 Jahren, außer einem Vollerwerbsbetrieb

von 500 ha noch etwa weitere 25 bis 30 Vollerwerbsbetriebe mit durchschnittlich 100 bis

150 ha und etwa 25 bis 30 Nebenerwerbsbetriebe, oder Zuerwerbsbetriebe mit etwa 20 bis 30

ha übrig bleiben. Für die Sicherung der Existenz der Nebenerwerbsbetriebe ist unbedingt ein weiteres

Angebot an Arbeitsplätzen erforderlich. Bezogen auf den Kreis Lüchow-Dannenberg würde

dieses bedeuten, daß etwa 2000 Industriearbeitsplätze neu geschaffen werden müssen. Ferner

müßten verkehrstechnische Voraussetzungen geschaffen werden, die eine schnelle Überbrückung

des großen Raumes ermöglichen (Ausbau der Autobahn Berlin-Hamburg durch den Kreis

477


Lüchow-Dannenberg). Zu bedenken wäre aber die schlechte Eigenkapitalversorgung der Betriebe,

die eine weitere Belastung in Form von Folgekosten der Flurbereinigung oder andere strukturverbessernde

Maßnahmen nicht möglich macht.“ Allein im Raum Gartow würden 150 noch arbeitsfähige

Menschen, die vorher in der Landwirtschaft ihre Beschäftigung fanden, in andere Berufe

und zudem ortsnah unterzubringen sein. Dabei handelte es sich um ältere Arbeitskräfte „die nur

schwer in anderen Gewerbebetrieben unterzubringen sind“. In der Annahme, der Fremdenverkehr

in Gartow würde erheblich ausgebaut werden, kämen je 10 Arbeitskräfte im geplanten Regenerations-Gesundheitszentrum

und in der geplanten Bildungs- und Tagungsstätte zum Einsatz sowie

5 in der ebenfalls geplanten Seebetriebsgesellschaft. Der große Rest sollte in den Schweinfurter

Kugellager-Fabriken Lüchow Arbeit finden. Große Hoffnungen wurden auf den „Lüchow-Plan“ der

niedersächsischen Landesregierung gelegt, der die Schaffung von 1800 Arbeitsplätzen im Landkreis

Lüchow-Dannenberg vorsah aber nicht zur Verwirklichung kam.

Von Skepsis begleitet war das Vorhaben, im Raum Gartow Flurbereinigungen durchführen zu lassen:

„…als von einer starken Reduzierung der vorhandenen Betriebe im Falle einer Flurbereinigung

ausgegangen werden muß. Allerdings sind für den Erfolg einer Flurbereinigung die Folgekosten

für die einzelnen Landwirte von entscheidender Bedeutung. Die Folgekosten der Flurbereinigung

müssen differenziert nach Standort, Leistungsfähigkeit der Böden und Entfernung zum Markt ermittelt

werden. Aus diesem Grunde ist die Belastungsgrenze der hiesigen Betriebe anders einzusetzen,

als in marktnahen Gebieten. Dieses Argument findet seine Unterstützung durch den

Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Die Betriebe im Raum Gartow sind bereits durch Wasser-

und Deichlasten in Höhe von ca. DM 50,- je ha vorbelastet.

Die Gruppe schlägt vor, die Deichlasten, ähnlich wie in den Schleswig-Holsteinischen Küstengebieten,

ganz dem Land zu übergeben. Der Deichschutz dient nicht nur den unmittelbar betroffenen

Landwirten, sondern der gesamten Bevölkerung. Außerdem bedeutet der Kapitaldienst für den

Ausbau der Gräben eine schwerwiegende Last für die Landwirte. Der Kapitaldienst für diese Darlehen

müßte schon jetzt aus Mitteln des Entwicklungsvorhabens Lüchow-Dannenberg aufgebracht

werden, um die positiven Folgen einer Flurbereinigung, die sich erst im Verlauf eines Jahrzehnt

einstellen werden, nicht von Anfang infrage zu stellen.

Im folgenden wurden die vielschichtigen Probleme, die sich zwischen der Flurbereinigung und

Landschaftspflege, sowie Fremdenverkehr und Infrastruktur ergeben, ausführlich untersucht. Die

betroffenen Landwirte waren sich darüber einig, daß Gesichtspunkte der Landwirtschaft vor denen

der Landschaftspflege Vorrang haben müssen. Im Falle von auftretenden Interessenkollisionen

zwischen Flurbereinigung und Landschaftsschutz sind folgende Kompromißvorschläge zu

machen:

a) Herausnahme von Grenzertragsböden und landschaftlich besonders wertvollen Gebieten aus

der Produktion.

b) Wahlweise Verpflichtung zur Übernahme der Öffentlichen Hand der Flächen, oder auf Wunsch

des Besitzers, Einführung des Nulltarifs für diese Flächen, d.h. die Landwirte würden Besitzer dieser

Flächen bleiben und sich verpflichten, sie weiter zu pflegen.

c) Im Falle der Aufforstung sind günstige Beihilfen zu gewähren.“

478


Gemäß der Flächenerhebung nach dem Stand von 1979 haben damals in der Gemarkung Gartow

folgende Nutzungen bei 2 826,82 ha Gesamtfläche bestanden:

1 598 ha Landwirtschaftsfläche (davon 1,86 ha Moor und 12,29 ha Heide); 886,91 ha Wald;

136,69 ha Wasserflächen; 25,46 ha andere Nutzungen (davon 2,35 ha Unland). Gebäude- und

Freiflächen nehmen 76,59 ha ein (davon Wohnen 47,64 ha und Gewerbe/Industrie 11,59 ha).

Straßen, Wege und Plätze nahmen 81,48 ha Fläche in Anspruch. 32

Als Ergebnis der Untersuchungen wird festgestellt:

„…Zu diesen Verbesserungsmaßnahmen zählt in erster Linie die Flurbereinigung, die bereits in

der Gemeinde Prezelle und in Teilen der Gemeinde Gorleben eingeleitet worden ist. Als flurbereinigungsbedürftig

werden die Gemeinden Schnackenburg, Gartow und Höhbeck angesehen. In

der Samtgemeinde Gartow liegt kein Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischen Begleitplan

vor. Es wurden auch keine Grundstücke neu verteilt. Die Konflikte Naturschutz/Landwirtschaft

führen nur zu einem sehr zögernden Verlauf der Flurbereinigungsmaßnahmen, was von der

Raumordnungsbehörde nicht gerade positiv beurteilt wird …“ 33

Von 1971 bis 1979 erfolgte eine Ausweitung der Ackerfläche in der Gemeinde Gartow: 1971 = 520

ha, 1979 = 678 ha, 1983 = 670 ha (1979/1989 etwa die Hälfte der Betriebsfläche). Das geschah

zu ungunsten des Grünlandes. 1979 sind 549 ha bewirtschaftet worden, 1983 nur noch 524

ha.Die landwirtschaftlich genutzte Fläche im Gebiet der Samtgemeinde Gartow nahm von 1979

zu 1983 leicht ab:

5927 ha im Jahr 1979 und 5837 ha im Jahr 1983. Ebenso in der Gemeinde Gartow, wo 1979

insgesamt 1233 ha und 1983 insgesamt 1201 ha landwirtschaftlich genutzt wurden, davon 670

ha Ackerfläche, die mit 478 ha (71%) mit Getreide, 83 ha (13%) mit Hackfrüchten und 63 ha (9%)

mit Feldfutter bebaut worden. Im Gebiet der Gemeinde Gartow herrschte 1983 der „Marktfrucht –

Futterbau“ mit einem Fruchtanteil von 50 - 70% sowie einem Futterbauanteil, als zweitstärkstem

Produktionszweig, vor.

Nach einer Erhebung von 1989, die jedoch nicht die Verhältnisse der Gemarkung sondern des

Samtgemeindegebietes Gartow widerspiegelt, dennoch aber als Trendsichtbarmachung geeignet

ist, hat es 1971/1983 in den Gemeinden Gartow, Gorleben, Höhbeck, Prezelle und Schnackenburg

279 bzw. 178 landwirtschaftliche Betriebe gegeben. Der Rückgang betrug 36%. Im gleichen

Zeitraum 1971/1983 verringerte sich die Anzahl der Betriebe in der Gemeinde Gartow von 47 auf

32. Übertragen auf die Betriebsgröße ergibt sich nachfolgendes Bild: Betriebsgröße 0 - 10 ha = 27

Betriebe 1971/14 Betriebe 1983; 10 - 30 ha = 9 Betriebe 1971/7 Betriebe 1983; 30 - 50 ha = 8

Betriebe 1971/5 Betriebe 1983; 50 - 100 ha = 3 Betriebe 1971/4 Betriebe 1983; über 100 ha =

2 Betriebe 1979/1 Betrieb 1983 (Gemeinde Gartow).

Die gegenwärtig 1735 ha umfassende Gemarkungsfläche wird nach dem Stand von 2008 wie

folgt genutzt: Ackerland 284 ha, Grünland 586 ha, Garten 8,8 ha, Heide 1,3 ha, Laubwald 328 ha,

Nadelwald 81,6 ha, Mischwald 55 ha, Gebäude- und Betriebsflächen 105 ha, Grünanlagen 19,8

ha, Sportfläche 2,5 ha, Campingplatz 9,8 ha, Straßenflächen 35 ha, Wegeflächen 13,4 ha, Seefläche

54 ha, Wasserflächen: Fluss 48 ha, Gräben 21 ha, Altwasser 3 ha, Sumpf 35,6 ha, Friedhof

1,7 ha und Schutzflächen 35,6 ha.

Interessant und als Ergänzung hierzu sind einige Termine zur Landwirtschaft:

(jeweils für die Zeitperiode 1936 - 1945)

• Mittlerer Beginn der Haferaussaat: 31. März.

479


• Mittlerer Beginn der Winterroggen-Aussaat: 27. September - 7. Oktober.

• Mittlerer Beginn des Kartoffelaufganges: 20. Mai.

• Mittlerer Beginn der Winterroggen-Blüte 30. Mai - 4. Juni.

• Mittlerer Beginn der Haferernte: 3. - 8. August.

Terra Preta in Gartow

In die Gartower Land- und Forstwirtschaft wurde immer wieder mit neuen Ideen experimentiert –

erst ungewöhnlich, dann zum Allgemeingut geworden.

Hinter dem Schlagwort „Terra Preta“ verbirgt sich eine Schwarzerde, die eine hohe Konzentration

an stabiler organischer Masse in Form von Pflanzenkohle aufweist. Archäologische Funde weisen

darauf hin, dass präkolumbianische Zivilisationen bereits 5 000 v.Chr. mit dieser Methode die

kargen Böden im Amazonas Regenwald in fruchtbare Waldgärten verwandelt haben.

Aber nicht nur damals im weit entfernten Amazonas-Gebiet hatten die Menschen sich dieses Wissen

angeeignet, sondern auch hier im Wendland lassen sich historische Schwarzerden-Flächen

finden. Und 2010 hat der Verein Wendepunktzukunft e.V. (WPZ) damit angefangen, dieses Wissen

wieder zurück ins Gedächtnis zu holen. Nach einer Workshop-Reihe für HobbygärtnerInnen und

LandwirtInnen folgte 2012 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte

Forschungsprojekt „ClimaCarbo“, bei dem das Umsetzen dieser Bodenaufwertungsmethode

von 2012 - 2015 auf einer landwirtschaftlichen Fläche der Gräflich Bernstorff`sche Betriebe in

Gartow angewendet und untersucht wird.

Seit 2011 wird der Kirchgarten mit Pflanzenkohle-Kompost bewirtschaftet. Im neuesten Projekt,

dem Waldgarten, kommen zusätzlich zum Pflanzenkohle-Kompost selbst erzeugte Indigene Mikroorganismen

(IMOs) zum Einsatz.

Viehbestand

1873:

• 36 Pferde

• 116 Kühe

• 177 Schweine

• 122 Ziegen und 6 Schafe

1892:

• 47 Pferde

• 144 Rinder

• 286 Schweine

• 162 Ziegen und 23 Schafe 34

Seitliche Ansicht einer Milchkuh

Hinsichtlich des Viehbestandes ergaben sich mitunter beträchtliche Verschiebungen, wie bereits

der kurze Betrachtungszeitraum 1962 - 1970 verdeutlicht:

1962 gab es in Gartow noch 61 Pferde (bei 14 Haltern), 1964 wieder 70 Pferde (20 Halter), 1967

nur noch 60 Pferde (17 Halter), 1970 dann nur noch 47 Pferde (19 Halter). Bei Rindvieh sind 1962

insgesamt 518 Stück (49 Halter), 1964 dann 562 Stück (40 Halter), 1969 sogar 762 Stück (22

Halter) und 1970 nur noch 672 (17 Halter) gezählt worden. Im Jahre 1962 gab es in Gartow 563

Schweine (50 Halter), 1965 schon 794 Schweine (51 Halter), 1968 nur noch 632 Schweine (39

Halter) und 1970 sogar nur noch 290 Schweine (24 Halter). Bei den Schafen hat man 1962 nur 14

Stück (7 Halter) gezählt, 1966 nur noch 4 Stück (3 Halter) und 1970 wieder 14 Stück (5 Halter).

480


1967 gab es in Gartow mit 17 Stück (8 Halter) die meisten Ziegen, 1970 keine mehr.

Bei den Hühnern ergaben sich bedeutende Abnahmen: 1962 sind 2 037 Stück (148 Halter), 1967

nur noch 1 281 Stück (115 Halter) und 1970 nur noch 767 Stück (74 Halter) gezählt worden. Die

Anzahl der Bienenvölker sank von 86 im Jahr 1962 auf 33 im Jahr 1970.

Quellen und Literatur

1. /

2. Puffahrt, Otto: „Das Projekt eines Hafens in der Seegemündung bei Vietze 1919 - 1925“,

Lüneburg 2005

Puffahrt, Otto: „Planung des Schutz- und Sicherheitshafens Schnackenburg 1964“, Lüneburg

2006

3. Geldregister 1715/16, S. 136 - 137

4. Puffahrt, Otto: „Verzeichnisse der grundbesitzenden Bevölkerung im Landkreis Lüchow-Dannenberg,

Zeitraum 1882 - 1893, Grundbuchamt“, Lüneburg 2007, S. 186 - 189, 193 - 196

5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 22.3.2005

6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 16.10.2006

7. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 7.3.2007

8. Samtgemeinde-Bote Gartow Juli - September 2008

9. /

10. Führer zum Waldausflug durch das Gräflich von Bernstorffsche Forstamt Gartow am

4.9.1958 mit dem Deutschen Forstverein

Junack, Hermann: „Die Vorstufen einer Waldwirtschaft in Gartow bis zum Beginn einer geregelten

Forstwirtschaft von 1687 bis 1840 “, Göttingen 1989

11. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, 2. Aufl., Lüchow

1988, S. 255 - 257

12. /

13. /

14. Hentschel, Hans: „Waldbahn zur Holzabfuhr in der Gartower Forst um 1900“, Hannover

2000, 25 S.

Duske, Detlev: „Die Gartower Waldbahn“, Gartow 1989

Puffahrt, Otto: „Die Holzabfuhrbahn im Gartower Forst 1884 - 1945 (Die Gartower Waldbahn)“,

Lüneburg 2002, 46 S.

15. Lüneburger Landeszeitung vom 17.3.1990 und 22.6.1996

16. Generalanzeiger Lüchow-Dannenberg vom 9.3.2005

17. Chronik Sägewerk Wilhelm Werth vom 16. April 1941

18. Haberland, Rudolf: „Geschichte des Grenzgebietes Gartow-Schnackenburg“, 2. Aufl., Lüchow

1988, S. 255 - 257

19. 100 Jahre Lüchower Heimatzeitung 1854 - 1954, Elbe-Jeetzel-Zeitung,

Sonderbeilage, S. 22

20. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 19.10.1976

21. Neue Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.10.1956

22. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 29.4.1957

23. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.11.1957

24. Kiebitz vom 13.12.2006

481


25. Kiebitz vom 14.9.2007

26. N.N. „Recess über die Spezialtheilung der Gemeinheiten des Städtchens Gartow – Amts

Gartow“ in: Gartower Heimatbote vom 31.3., 7.4., 14.4., 21.4., 28.4., 5.5., 12.5., 19.5.,

26.5.1972

27. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 228

28. Haberland, Rudolf: a.a.O., S. 232

29. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 1.7.1957

30. Gesellschaft für Landeskultur, Bremen: „Forschungsvorhaben Lüchow-Dannenberg.

Land Niedersachsen“, Bremen 1972, S. 74a

31. Nieders. Landesentwicklungsgesellschaft Hannover: „Landschaftsrahmenplan Gartow.

Landkreis Lüchow-Dannenberg“, Hannover 1977, S. 10 - 15, 62

32. Nutzungsarten der Bodenflächen. Ergebnisse der Flächenerhebung 1979. Statistik Niedersachsen

– Bd. 328, Herausgegeben vom Nieders. Landesverwaltungsamt-Statistik, Hannover

1980, S. 26 - 27

33. Mittwollen, Eilert: „Die Landwirtschaft“ in: Geländepraktikum Bleckede (1988), Gartow

(1989). Institut für Geographie Arbeitsbereich Physische Geographie Universität Hamburg

1993, S. 54

34. Königl. Statistisches Büro: „Viehstandslexikon für den preußischen Staat. IX. Provinz Hannover“,

Berlin 1894, S. 50

482


Tourismus

Die Anfänge im Landkreis Lüchow-Dannenberg

Eine landschaftlich reizvolle Umgebung im Übergangsbereich Flussmarsch/Geest, Gewässer,

Grünland und Wald in unmittelbarer Nähe des Fleckens sind ideale Voraussetzungen für die Erholung.

Der künstlich angelegte Gartower See erhöht den Tourismuswert von Gartow nicht unwesentlich.

Der Weg zum Tourismuszentrum im Ostteil des Landkreises Lüchow-Dannenberg war nicht

leicht und erforderte erhebliche Anstrengungen sowie umfangreiche Finanzmittel.

Aussage im Februar 1969:

„….Gerade die Gartower Gastronomie habe im Bezug auf den Fremdenverkehr am meisten versagt.

Von selbst komme kein Geld. Im übrigen sollte man nicht nur von den Gartower Gastwirten

sprechen. Auch die Gastwirte in Gorleben , Vietze usw. sind in der gleichen Lage…. müsse aber

heute feststellen, daß sich die Fremdenverkehrsvereinigung seit 4 Jahren um eine gute und regelmäßige

Versorgung der Feriengäste, besonders hinsichtlich des Mittagstisches bemüht hat.

Bis heute könne man zwar in Vietze ein gutes Mittagsbrot bekommen, nicht immer jedoch in Gartow…“

Die Gartower Gastronomiebetriebe wehrten sich damals gegen das Vorhaben, im Waldbad

eine „Erfrischungshalle“, wo man eine Kleinigkeit essen und trinken konnte, eröffnen zu lassen. 1

Noch um 1970 sah es in dieser aufstrebenden Branche relativ düster aus, wie ein damaliger Kritiker

die Situation im Kreisgebiet aufzeigte:

„Armenhaus der Bundesrepublik“ nennt Oberkreisdirektor Wilhelm Paasche von der Kreisverwaltung

Lüchow-Dannenberg ohne alle Umschweife das von ihm verwaltete Gebiet… Wer durch dieses

Gebiet reist – der Reiseveranstalter Hummel gab kürzlich einer Anzahl von Reisejournalisten

dazu die Gelegenheit – wird eine Landschaft von ungewöhnlichem Charme erleben. Sie bildet,

sagen die Fachleute, den westlichen Ausläufer jener typischen brandenburgischen Landschaft mit

östlichem Charakter, wie sie jeder Berliner von einst kennt und liebt. An der Landschaft liegt es

also nicht, wenn der Fremdenverkehr, den Hummel dankenswerterweise beleben will (als einziger

Reiseveranstalter von Bedeutung in diesem Gebiet), hier nur langsam aufblüht.

Hauptproblem ist vielmehr – man darf es nicht verschweigen – der noch immer bescheidene

Stand der Gastbetriebe. Trotz aller schönen Worte von der Förderung des Zonenrandgebietes war

man hier allzu lange auf sich selbst angewiesen. Zimmer mit Dusche und WC wie sie jetzt in

Gartow das Hotel Ackermann anbietet, haben Seltenheitswert… Das ist keine negative Kritik an

diesen Betrieben. Sie leiden einfach an mangelnder Förderung, mangelnder Betreuung, mangelnder

Initiative. Immerhin ist ein Wandel zum Besseren schon eingeleitet: auf Veranlassung der

Kreisverwaltung fuhren kürzlich 50 Gastwirte aus diesem Raum per Bus in den Bayrischen Wald

und nach Neuweier (Baden-Baden), um sich an Ort und Stelle zu überzeugen, wie man andernorts

den Fremdenverkehr aufzieht, was man dort für die Gäste tut. Hoffentlich haben die Eindrücke

gezündet. Denn so geht es gewiß nicht weiter, wenn man wirklich mehr Fremde heranlocken will.

Es ist kein Zufall, wenn der VARTA-Führer nirgends in diesem Bereich ein Haus mit „lobenswerter

Küche“ verzeichnet. Man lebt hier noch auf dem Stand von 1950 und weiß nicht, dass gerade eine

gepflegte Küche Gäste anzieht und festhält.

483


2009: Hauptstr. 32 ehem. „Centralhotel Ackermann“

Der Zustand ist nicht ganz unbegreiflich, denn dieses Gebiet ist weitgehend an drei Seiten von

der Zone eingeschlossen. Man kann sich nur nach einer Richtung hin bewegen. Der Durchgangsbetrieb

fehlt. Was das bedeutet, erkennt man überall. So ist es auch nicht verwunderlich, daß

mancher ländliche Gasthof sich kurzerhand weigert, einen Mittagstisch für Urlauber einzurichten.

Lieber bestellt man den zum Gasthof gehörigen Acker. Das ist eine sichere Einnahme, glaubt man

dort. Das wiederum erschwert alle Bemühungen, den Fremdenverkehr anzukurbeln. Hier dreht

sich eben alles im Kreise. Und die paar rührigen Leute haben es nicht leicht… Um die Aktivität

anzuspornen, plant man im Kreis Lüchow-Dannenberg – vielleicht schon für 1971 – einen Gaststättenwettbewerb…

Alle Gastbetriebe haben es schwer hier. Daß sie noch nicht so viel erreicht

haben, wie sich mancher fast wünschen möchte, liegt meist an den widrigen Umständen. Das

bereits erwähnte Hotel Ackermann mit seinem Neubau leidet beispielsweise darunter, daß der

Nachbar es nicht für nötig hält, seinen Unrat aus dem Blick der Hotelgäste zu entfernen. Nicht

hinter dem Berge lebt man hier sondern im toten Winkel… In zwei Richtungen sollte künftig der

Anstoß gehen: mehr Mittel zum Ausbau der Gastbetriebe aller Art müßten künftig in dieses Land

an der Zonengrenze fließen. Die Bundesrepublik kann gerade hier kein Armenhaus brauchen…

Das Zweite aber: der Fremdenverkehr muß hier gefördert werden. Hummel hat bereits viel bewirkt.

Jeder Urlauber oder Ausflügler, der hierher kommt, tut nicht nur sich selbst etwas Gutes sondern

auch dieser Landschaft.“ 2

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg führte dann ab 1971 im Rhythmus von zwei Jahren den Wettbewerb:

„Schönes Hotel, schönes Gasthaus, schöne Pension“ durch, wofür gewisse Richtlinien

zur Prämierung erfüllt sein mußten. Die Bewertungsskala reichte von 0 (äußerst schlecht) bis 12

(vorzüglich).

Die zusammenfassende Werbung für das Kreisgebiet ist dem Verein Naturpark übertragen, dem

neben Kreis und den beteiligten Gemeinden auch die Städte Lüchow und Dannenberg angehören.

484


Er umfasst die für den Fremdenverkehr entwicklungsfähigsten Teile des Kreisgebietes. Der Fremdenverkehrsverband

Lüneburger Heide e.V. betreibt u.a. auch für den Kreis Lüchow-Dannenberg

entsprechende überregionale. Werbung. Möglichkeiten werden in der Gründung von Beratungsringen

und Tagungen (z.B. Landfrauenverein) gesehen. Abschließend wies Regierungsvizepräsident

Müller-Heidelberg darauf hin, daß die Bemühungen des Landkreises Lüchow-Dannenberg seitens

der Regierung weiterhin intensiv unterstützt würden, wobei Regierungsdirektor Dr. Krieger die Koordinierung

der gesamten Förderungsmaßnahmen übertragen werde, Oberregierungsrat Heller

das Projekt der Drawehn-Straße und Diplomgärtner Stodte die Weiterentwicklung des Naturparks

zu betreuen hätten.“

Erste Überlegungen im Raum Gartow

Der Aufschwung im Tourismus ist untrennbar mit der Fremden-Verkehrsvereinigung Höhbeck/Elbe

und mit der Kur- und See GmbH Gartow sowie dem langjährigen Samtgemeinde-Bürgermeister

Hans Borchardt verbunden.

Zunächst bildete sich in einer Versammlung am 18. November 1957 im Hotel „Deutsches Haus“

in Gartow eine „Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Fremdenverkehrs Gartow-Höhbeck und

Umgebung“. Hierzu hatten Wilhelm Junack und Erich Sabel, beide aus Gartow, eingeladen. Einig

waren sich die Versammelten darin, daß konkrete Schritte notwendig wären, damit der Raum Gartow

nicht vollends von der sich andernorts besser entwickelnden Wirtschaft abgekoppelt wird. Mit

Skepsis aber auch dem Willen, die Situation zu verbessern, wagten vorausschauende Einwohner

den Anfang zum kaum bekannten und mit Risiken behafteten „Unternehmen Fremdenverkehr“.

Im Raum Gartow gab es im Vergleich zum Landkreis eine geringfügig gegenläufige Entwicklung der

Beschäftigungszahlen:

Im warenproduzierenden Gewerbe erfolgte eine Abnahme von 74 Beschäftigten seit 1961 (= 249

Beschäftigte). Zugenommen hatte das Dienstleistungsgewerbe mit 63 Beschäftigten auf nunmehr

551. Um diesen Trend weiterzuführen, bot sich als einzige Alternative der Ausbau des Fremdenverkehrs

bzw. der Naherholung an. Auf den Raum Gartow bezogen, sollte als Ferienform die „Kurzerholung

in der Ferienerholung“ bevorzugt zur Anwendung kommen, zumal eine intakte, vielfältig

gegliederte Landschaft Erholungsreize bot. Auch die „Ferien auf dem Bauernhof“ haben einen

gewissen Anfangserfolg gehabt aber der Ausstattungsstandard der Quartiere blieb hinter den Erwartungen

zurück, außerdem war die Saison begrenzt, so dass die erwarteten Umsätze nicht

erreicht werden konnten.

Zusätzlich zu den Maßnahmen im Agrarbereich (Verbesserung der Betriebsstrukturen, Flurbereinigung,

Entwässerung) ist der Ausbau von Fremdenverkehrseinrichtungen im Landkreis Lüchow-

Dannenberg vordringlich gefordert worden. Bei einer Besprechung am 1. Juli 1969 mit Regierungsvizepräsident

Müller-Heidelberg und Oberkreisdirektor Paasche sowie Fachdezernenten

sowohl des Landkreises als auch der Regierung in Lüneburg wurde festgehalten:

„Der Fremdenverkehr ist nach Angaben des Landkreises wie folgt organisiert:

a. Lokale Vereine haben sich für die Bereiche Gartow-Höhbeck, Hitzacker, Clenze und Elbufer

gebildet.

b. Darüber hinaus haben die Samtgemeinden Bergen und Waddeweitz diese Aufgaben für

ihren Bereich übernommen.

Auf dieser Ebene wurden zum Teil bereits gute Ergebnisse erzielt, eine weitere günstige Entwicklung

ist zu erwarten“.

485


1966-86: Bettenzahl und Übernachtungen in der SG Gartow

Gemäß dem Landesplanerischen Rahmenprogramm von Dezember 1971 erfüllte Gartow eine

Funktion als sog. „Nebenzentrum“, das nach damaligen Prognosen lediglich eine Bevölkerungszunahme

von nur rd. 300 Einwohnern zu erwarten hatte:

„Eine stärkere Bevölkerungszunahme ist raumordnerisch wünschenswert….Dies kann nur über

einen Ausbau des Fremdenverkehrs … erreicht werden.“ 3

Um die vorbereitende Bauleitplanung voranzubringen, mussten neue Flächennutzungspläne erstellt

werden, da sie nach der Gemeindereform vom 1.7.1972 nicht mehr gültig waren. Ein neuer

Plan war für Gartow gerade in Bearbeitung:

„Für den Raum Gartow ist seit 1971 ein Erneuerungsvorhaben in Vorbereitung. Es dient sowohl

der städtebaulichen Entwicklung im Sinne der Umstrukturierung zu einem Fremdenverkehrsgebiet

als auch der späteren Erneuerung des Ortskernes Gartow; ob hierfür das Städtebau-Förderungsgesetz

angewandt wird, kann noch nicht gesagt werden. Die Unwägbarkeiten auf diesem Gebiet

liegen in der offenen Frage begründet, ob Bund, Land, Kommunen und Sanierungsbetroffene die

Maßnahme finanziell darstellen können …“ 4

Folgende Zielzahlen sind für den Zeitraum 1971 bis 1985/90 (Zeitraum 1971 bis 2000 in Klammern)

für Gartow prognostiziert worden:

• Hotels und Pensionen 8 000 (16 000) Übernachtungen pro Jahr

• Ferienhäuser 19 000 (31 000) Übernachtungen pro Jahr

• Campingplätze 14 000 (28 000) Übernachtungen pro Jahr

• Die Zahl der Zweitwohnungen sollte von 350 auf 500 steigen. (10)

486


Dem Landkreis erscheint es notwendig, insbesondere die Einwirkung auf die landwirtschaftliche

Bevölkerung im Sinne einer Beratung für den Ausbau des Fremdenverkehrs zu verstärken. Mit

Stand 1972 waren für Gartow waren folgende Einrichtungen vorgesehen:

• Bootsverleih

• Rasenspielanlagen

• Haus des Kurgastes

• Reithalle

• Hallenbad

• Tennis- und Golfplatz

• Tagungsstätte

• Jugendherberge, -heim und Zeltplatz

• Campingplatz

• 80 weitere Betten in Hotels und Privatpensionen

• 65 Ferienhäuser

• Neu- und Ausbau von Restaurants

• zusätzliche Betten für Ferien auf dem Bauernhof usw.

Von 1972 an sollte sich in den darauffolgenden 15 Jahren die Übernachtungszahl mit jährlichen

Steigerungsraten von 10% mehr als verdoppeln. Kreisweit wurde eine Steigerung des Umsatzes

im Fremdenverkehr von rd. 7,2 Mio. DM erwartet, hinzu kamen 1,5 Mio. DM Einnahmen aus dem

Naherholungsverkehr (8).

Einen gewissen Ausflugstourismus im überschaubaren Rahmen und mit Konzentration auf den

Höhbeck hatte es vor dem zweiten Weltkrieg bereits gegeben. Vornehmlich zu Schiff anreisende

Ausflügler aus dem Oberelbegebiet besuchten das auf dem Höhbeck gelegene Lokal „Thalmühle“

und unternahmen bei dieser Gelegenheit Spaziergänge in die nähere Umgebung. Mit guter Fernsicht

und beschaulichen Wanderwegen war der Höhbeck das erste und zugleich einzige Touristenziel

im Raum Gartow.

Die neugebildete Arbeitsgemeinschaft wollte ihre Aktivitäten von Anfang an nicht nur auf den Flecken

Gartow konzentrieren, sondern streckte das Interessengebiet auf den Bereich des ehemaligen,

1850 aufgehobenen Amtes Gartow mit 13 Gemeinden. Aus diesem Grund sind alle 13 Gemeindeverwaltungen

bereits zur ersten konstituierenden Versammlung der Arbeitsgemeinschaft

eingeladen worden. Nur mit einer breiten Basis waren die zu lösenden Probleme zu bewältigen.

Ferner lud die Arbeitsgemeinschaft Vertreter des „Verkehrsverbandes Lüneburger Heide e.V.“ und

der Kreisverwaltung Lüchow-Dannenberg ein. Eine weise Entscheidung, die dem Verein bis heute

viele Vorteile brachte. Der Verkehrsverband konnte der Arbeitsgemeinschaft aus seinem Erfahrungsschatz

Beratungen anbieten und den Raum Gartow in den Werbeprospekt aufnehmen. Die

Kreisverwaltung hingegen war interessiert, eine Stabilisierung oder besser noch eine Förderung

der wirtschaftlichen Bestrebungen im Raum Gartow zu erreichen.

Der erste Schritt war getan, nun musste der zweite folgen! Dem „Verkehrsverband Lüneburger Heide

e.V.“ gehörten einige wenige Gemeinden bereits an. Der Geschäftsführer des Verkehrsverbandes,

Herr ... Bojanowski aus Lüneburg, wies gleich auf die schwierige Lage des Fremdenverkehrs

im Randgebiet der Lüneburger Heide hin. Nach einigen Monaten engagierten Wirkens konnte sich

die Arbeitsgemeinschaft auflösen, weil sie ihr Ziel mit der Bildung eines Trägervereins erreicht

hatte.

487


Am 18. Januar 1958 fand im Hotel „Deutsches Haus“ in Gartow die Gründungsversammlung des

neuen Vereins statt. Der Verein gab sich die Bezeichnung „Fremdenverkehrsvereinigung Höhbeck/

Elbe“. Ende 1958 waren der FVV bereits 64 Mitglieder beigetreten:

11 Gemeinden, 23 Gaststätteninhaber und 30 andere Mitglieder, vornehmlich Geschäftsleute

und Handwerker. Schon zwei Jahre später hatte sich ihre Zahl verdoppelt.

Mit Gründung der „Fremden-Verkehrsvereinigung Höhbeck/Elbe“ (im folgenden kurz als FVV bezeichnet)

war eine zentrale Institution zur Bündelung und Umsetzung vielfacher fremdenverkehrlicher

Aktivitäten der Mitgliedsgemeinden geschaffen worden. Die FVV vertrat nun die Interessen

der Gasthöfe, Pensionen und Zimmervermieter in den kommunalen politischen Gremien.

Als eine der ersten Aufgaben galt es in den Mitgliedsgemeinden örtliche Fremdenverkehrsausschüsse

zu bilden, um die Fremdenverkehrsbelange der jeweiligen Gemeinden besser vertreten

zu können. Im Juli 1958 existierten derartige Ausschüsse bereits in Gartow, Schnackenburg und

Vietze. Mit Hilfe von Presseveröffentlichungen und Mundpropaganda wurde die Arbeit der FVV

immer bekannter, so dass sich dem Verein zahlreiche weitere Mitglieder anschlossen.

Zur Gewinnung eines Urlauberpotentials sind umgehend Werbemaßnahmen auf breiter Ebene

durchgeführt worden. Sie zielten darauf ab, auswärtige Besucher für eine längere Verweildauer

im Raum Gartow zu animieren, d.h. einen Teil ihres Jahresurlaubs hier zu verbringen. Prospekte

wurden entworfen und in einer ersten Auflage in Höhe von 5000 Exemplaren gedruckt. Einen

geeigneten Fachmann fand die FVV im damaligen Chefredakteur der Elbe-Jeetzel-Zeitung, Kurt

Schmidt. Mit Einsatz und Geschick legte er bald die ersten Entwürfe vor.

Als sehr förderlich für die FVV erwies sich die gleichzeitige Mitgliedschaft des ersten Vorsitzenden

Borchardt im Zonenrandausschuß, dessen Vorsitzender er für den Bezirk Gartow-Schnackenburg

war. Anstehende Probleme in der Infrastruktur und im Fremdenverkehrswesen konnten im Zonenrandausschuß

an kompetenter Stelle zu Gehör gebracht und meistens über den Umweg dorthin

später gelöst werden.

Es ist heute schwer vorstellbar, daß die FVV sich auch um grundlegende Verkehrsverbesserungen

kümmern mußte. Die Verkehrsverbindungen auf Schiene und Straße sind damals ausreichend

aber ungünstig in Fahrplanzeiten und Anschlüssen gewesen. An- und Abreiseschwierigkeiten

für Urlauber, die zumeist noch den öffentlichen Personennahverkehr benutzten, mußten auf ein

Minimum reduziert werden. In zähen Verhandlungen mit Bundesbahn und Bundespost konnten

schließlich Verbesserungen erreicht werden.

Schlecht bestellt war es um den Zustand der Fernstraßen und der Ortsverbindungswege. Bei den

politischen Gremien musste die FVV mit Forderungen zum verkehrsgerechten Ausbau der Straßenverbindung

Gartow-Restorf-Brünkendorf-Vietze und der Schaffung einer Straßenverbindung

Meetschow-Vietze vorstellig werden. In Etappen erfolgte dann auch der Ausbau der Elbuferstraße

bis Schnackenburg. Damit war für motorisierte Urlauber und Einheimische ein jahrelanges

Ärgernis beseitigt. Ständige Bemühungen des Vereinsvorstandes und besonders der Gastgeber,

ihren Feriengästen im Rahmen des Möglichen einen angenehmen Aufenthalt zu bereiten, führten

bald zu einer Steigerung der Übernachtungszahlen. Der Vorstand musste sogar an die Einwohner

appellieren, zusätzliche Feriengäste aufzunehmen. Mitverursacht wurde die unerwartete Quartiernachfrage

durch eine ausgestrahlte Fernsehsendung über Urlaubsmöglichkeiten im Gartow-

Schnackenburger Gebiet.

488


Immer noch nicht effektiv genug erwiesen sich Bahn- und Busverbindungen nach Gartow und

Schnackenburg. Obwohl Gartow im Juni 1959 noch täglich von 25 Omnibussen des öffentlichen

Personennahverkehrs angesteuert wurde, war der Fahrplan nur für Eingeweihte brauchbar. Die

Feriengäste kamen mit den Omnibuslinien Dannenberg-Schnackenburg und Lüchow-Vietze nur

schwer zurecht. In steten Verhandlungen versuchten Verein, Kreisverwaltung und Kommunalpolitiker

von Post und Bahn akzeptable Zug- und Busanschlüsse zu erwirken. Beförderungsmonopol

und Zonenrand erwiesen sich als stärker. Die Bundesbahn brachte es sogar aus Rationalisierungsgründen

fertig, an Sonn- und Feiertagen jeglichen Zugverkehr auf den Bahnstrecken Lüneburg-Dannenberg

und Uelzen-Dannenberg einzustellen.

Mit zunehmender Motorisierung der Bevölkerung wurde dieses Thema für Urlauber dann aber

immer gegenstandsloser.

Damals verfügten die Gemeinden erst über knapp 100 Fremdenbetten. Zögernd begann sich bereits

ein schwacher Zustrom von Touristen bemerkbar zu machen, die als Individualisten die Ruhe

und Reize der Gartow-Schnackenburger Landschaft zu schätzen wussten. Samtgemeindedirektor

Borchardt, als „Mann der ersten Stunde“, erinnerte sich, wie damals der erste Tourist ohne Auto,

angetan mit Rucksack, aus dem Omnibus stieg. So bescheiden begann der Fremdenverkehr!

Aus früheren Jahren waren bereits einige wenige gekennzeichnete Rundwanderwege im Höhbeckgebiet

vorhanden. Es galt nun, die Ausweisung von neuen Rundwanderwegen zu intensivieren.

Rundwanderwege um Gorleben sind mit gelbfarbigen Schildern kenntlich gemacht worden, um

Gartow rot, Höhbeck-Vietze grün und Schnackenburg blau.

Zur Jahreswende 1959/60 verhießen angestellte Prognosen kräftige Zuwachsraten im allgemeinen

Fremdenverkehr. Erst ein Fünftel der bundesdeutschen Bevölkerung leistete sich einen Jahresurlaub

außer Haus, und die Reiselust stieg ständig. Verständlich, dass auch der Raum Gartow

von diesem „Urlaubs-Boom“ profitieren wollte. Der Verein stellte sich sofort darauf ein und veranlasste

eine erneute Werbekampagne, wozu u.a. 10 000 Exemplare des neuen und erweiterten

Prospekts benötigt wurden. Eine Wanderkarte ergänzte den Prospekt. Die Bemühungen waren

von Erfolg gekrönt und bewirkten eine Steigerung der Übernachtungszahlen auf rund 7 500 pro

Jahr – ein deutlich besseres Ergebnis als in der Saison 1959.

Der Gemeinde Gartow gelang die Aufnahme in den Reisekatalog eines bedeutenden Touristikunternehmens,

wodurch der Raum Gartow einem größeren Interessentenkreis bekannt wurde.

Gartow wurde somit „Zielort der Hummel-Reisen GmbH“. Allerdings standen die weite Anreise, die

Frage der Gepäckmitnahme und die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln allen Hoffnungen

auf mehr Gäste entgegen. 1967 standen der FVV bereits 160 Zimmer zur Verfügung.

In Gartow sind die Zentren der Grundversorgung konzentriert: Polizei, Apotheke, Post, Kirche, Gemeindeverwaltung,

Ärzte, Lebensmittelgeschäfte, Gaststätten, Werkstätten, Tankstellen usw. Reitund

Angelmöglichkeiten, Minigolf, Kutschwagenfahrten und Fahrradverleih befriedigten über das

übliche Maß hinausgehende Ansprüche in Gartow weilender Feriengäste. Im Werbeprospekt von

1967 heisst es dazu:

„Gartow ist das eigentliche Zentrum des Höhbeck-Elbe-Gebietes“.

Die FVV dachte nach zehnjährigem Bestehen auch an sich und errichtete an der Hahnenberger

Straße 2 in Gartow ein modernes Informationszentrum und Verkehrsbüro. 1967 sind die anfal-

489


lenden Aufgaben der FVV von der Samtgemeindeverwaltung in Gartow übernommen worden, weil

der Arbeitsaufwand in ehrenamtlicher Tätigkeit nicht mehr zu bewältigen war. Weil es wiederholt

vorkam, dass Zimmervermieter wegen ausgebuchter Quartiere nicht mehr auf weitere Anfragen

von Interessierten reagierten, wurde die Zimmervermittlung zentralisiert und fast gänzlich über

das Touristbüro in Gartow abgewickelt. In der Saison 1968 verbrachten schon 200 Familien ihren

Urlaub im Raum Gartow.

Ein wichtiger Meilenstein zur Förderung des Fremdenverkehrs war die 1966 erfolgte Inbetriebnahme

eines Schwimmbades, wegen seiner guten Lage auch als Waldbad bezeichnet. Für die

Bewohner aus Gartow und Umgebung ging ein langgehegter Wunsch in Erfüllung, denn weit und

breit existierte kein Schwimmbad. Dem Schwimmbad waren in weiser Voraussicht ein Restaurant,

eine sehr große Liegewiese und ein Kinderspielplatz zugeordnet worden.

Ein Jahr später ist ein öffentlicher Campingplatz seiner Bestimmung übergeben worden. Er grenzte

an das Waldbadgelände an. Schwimmbad und Campingplatz verzeichneten ständig steigende

Besucherzahlen. 1968 ist die Attraktivität des Schwimmbades mit dem Einbau der Beheizungsanlage

wesentlich erhöht worden, weil von April bis Oktober eine konstante Wassertemperatur von

22 Grad vorgehalten werden kann. Noch größere Zuwachsraten erreichte der Campingplatz. Die

Hälfte aller Anfragen konnte nicht berücksichtigt werden.

Kurze Zeit darauf entstand in Gartow die erste zusammenhängende Ferienhaussiedlung mit 10

Wohnungen. Die Realgemeinde hatte einen Hektar Fläche an der Hahnenberger Straße zur Verfügung

gestellt, auf der sich früher ein Barackenlager des Reichsarbeitsdienstes befand. Die Idee,

die Baracken als Ferienquartiere auszubauen und zu nutzen, ließ sich wegen des schlechten Erhaltungszustandes

nicht verwirklichen. Das sog. „Hamburger Feriendorf“ gehört noch heute der

Gemeinde Gartow; Organisation und Verwaltung liegen in privater Hand.

Der Gedanke, Ferienhäuser und -wohnungen errichten zu lassen, kam den Erwartungen von Familien

mit Kindern sehr entgegen, weil sich Groß- und Kleinfamilien einen Aufenthalt in Gaststätten,

Pensionen und Hotels finanziell kaum leisten konnten. In Gartow hatte man diese „Marktlücke“

erkannt und trieb den Bau entsprechender Ferienquartiere voran.

Die Entwicklung nach 1970

Ab 1972 erschien jährlich ein Veranstaltungskalender, der abwechslungsreiche Freizeiterlebnisse

anbot. Im Verkehrsbüro ist darüber hinaus eine öffentliche Bücherei mit angeschlossenem Lesebereich

sowie ein Computerarbeitsplatz eingerichtet worden.

Um 1973 betrieb die Gemeinde Gartow die staatliche Anerkennung als Erholungsort. Die Gastronomie

im Raum Gartow wurde damals von den Feriengästen nicht gut beurteilt. Man störte

sich am ungünstigen Preis-Leistungs-Verhältnis, ein Thema, das auch heute noch zu Diskussionen

führt. Soweit die FVV in der Lage war, bemühte sie sich um Abhilfe. Zu jener Zeit war Gartow als

aufstrebender Erholungsort von der niedersächsischen Landesregierung als Modellvorhaben für

die Entwicklung eines Fremdenverkehrszentrums ausgewählt und in die erste Prioritätsstufe aufgenommen

worden.

Derartige Erwartungen waren mit erheblichen Kosten verbunden: die regionale Wirtschaftspolitik

mußte von 1972 bis 2002 rd. 18,5 Mio. DM Fördermittel aufbringen, daneben für Zinsverbilligungen

sorgen, Kredite und Subventionen beschaffen. Trotz der zu erwartenden Kosten lautete das

490


1972: Gesellschaft für Landeskultur Bremen: Forschungsvorhaben im LK Lüchow-Dannenberg, Bereich

Gartow-Höhbeck

491


Fazit: „…Der Mitteleinsatz ist gerechtfertigt durch die raumordnungspolitischen Oberziele eines

stetigen Wirtschaftswachstums und der Chancengleichheit der Lebensbedingungen in dem benachteiligten,

hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenen Gebiet“. 5

„…Bei vergleichsweise (zum Teilgebiet Drawehn-Jeetzel) noch ungünstigeren agrarstrukturellen

Voraussetzungen ist dieser Raum daher auf die Entwicklung des Fremdenverkehrs als wesentliche

Erwerbsquelle angewiesen. Diese Entwicklung soll im Prinzip das gesamte Teilgebiet erfassen,

jedoch auf Gartow als Zentrum ausgerichtet werden.“ 6

Anfang 1974 haben sich auf Anregung des Bildungs- und Freizeitzentrums Gartow junge Landwirte

aus dem Kreis zusammengesetzt, um die Möglichkeit zu prüfen, ob zur Diskussion des Modellvorhabens

Lüchow-Dannenberg ein Seminar stattfinden könnte, bei dem die zum großen Teil dafür

aufgeschlossenen jungen Landwirte Fragen zum Stand der Planung und der daraus folgenden

Perspektiven für die Landwirtschaft beantwortet bekommen. Junge Landwirte, die den elterlichen

Hof in Zukunft weiter bewirtschaften wollen, haben Anspruch darauf, Partner der Planer und Politiker

zu sein.

Im November 1974 fand das Seminar in Gartow schliesslich statt – ausgerichtet von der Agrarsozialen

Gesellschaft in Göttingen.

Tagungsorte waren das Schloß und die Mittelschule. Ziel des Seminars war eine öffentliche Diskussion

mit Wirkung auf politische Gremien:

„In erster Linie geht es um die Beantwortung der Frage, ob das Modellvorhaben Lüchow-Dannenberg

eine konkrete Hilfe für die Landwirtschaft ist. In diese Rolle des orientierten und verantwortungsbewussten

Partners können die Landwirte nur hineinwachsen, wenn sie über die den

Entwicklungsplänen zugrunde liegenden Planungsdaten informiert sind, ihre Interessen im Meinungsaustausch

artikulieren und mit der geplanten Entwicklung in Beziehung bringen sowie die

Möglichkeit haben, Planer und Politiker über deren Motive und Absichten zu befragen.

Die Arbeitsgruppe 4 ist der Meinung, dass diese Kapazität nicht sprunghaft erreicht werden soll,

sondern etwa im Zeitraum von 10 Jahren. Das örtliche Gewerbe wäre in der Lage, die Kapazität

an Betten und sonstigen Einrichtungen bei organischem und langsamem Wachstum selbst zu

erstellen. Sie fordert, das Konzept eines Massentourismus für Gartow und Umgebung, zugunsten

der vorgeschlagenen Lösung, aufzugeben. Ein Stoßbetrieb in der Saison, der über 4.000 Touristen

hinausgeht, wäre von der einheimischen Wirtschaft nicht zu verkraften. In allen Arbeitsgruppen

setzte sich die Erkenntnis durch, dass man den elementaren Interessen der hier lebenden Bevölkerung

nicht gerecht wird, wenn man die Entwicklung dem freien Spiel der Kräfte überlässt“.

Inzwischen wurde eine Bauleitplanung erforderlich, um beim Bau weiterer Ferienhäuser einer zu

befürchtenden Landschaftsverschandelung Einhalt zu gebieten. Die organisierte Ferienhausplanung

begann. Obwohl der Bau von 400 Ferienhäusern geplant war, kollidierten die Vorstellungen

der Bauherren mit denen des Fremdenverkehrs, weil die Bauherren vornehmlich Zweitwohnsitze

schaffen wollten und einer Dauervermietung den Vorzug gaben.

Zur Lenkung der Maßnahmen wurde der „Wendlandkommissar“ Dr. Hartmut Lichtenstein von der

Bezirksregierung Lüneburg eingesetzt. Notwendig wurde auch eine „Entwicklungsgesellschaft“. 7

492


Bezogen auf den Raum Gartow existierten folgende Vorstellungen zur „Förderung des örtlichen

Gewerbes“ am Beispiel Gartow und Umgebung:

• 40 bis 50 Arbeitsplätze durch Bau einer Bootswerft in Schnackenburg (Antrag auf Förderung

liegt bei der Bezirksregierung vor).

• 20 zusätzliche Arbeitsplätze in den bestehenden örtlichen Gewerbebetrieben.

• 15 Arbeitsplätze im Fremdenverkehrsdienstleistungsgewerbe (Gaststätten und Hotelbetriebe

am Gartower See).

• 5 Arbeitsplätze für Unterhaltung des Gartower Sees.

• 200 Arbeitsplätze in einem neu zu errichtenden Regenerationszentrum mit 2.000 Betten.

Erholungseinrichtungen und Einrichtungen für die Infrastruktur müssen, wenn irgend möglich,

von dem örtlichen Gewerbe erstellt werden. Bei Ausschreibungen sind örtliche Unternehmungen

durch Präferenzklausel (15% über den Kosten Auswärtiger) zu bevorzugen. Es ist dafür zu sorgen,

dass die Unternehmergewinne am Ort bleiben.

Dem hiesigen Gewerbe kann hinsichtlich der Schaffung von Fremdenverkehrseinrichtungen nur

geholfen werden, wenn sich der Aufbau dieser Einrichtungen kontinuierlich in einem Zeitraum von

ca. 10 Jahren vollzieht.

Bei der Untersuchung zur Frage der Größenordnung des Fremdenverkehrs wurde wieder auf den

Raum Gartow zurückgegriffen:

„Der Fremdenverkehr hat dann eine wirtschaftliche Bedeutung, wenn man erreicht, dass man

dieselbe Zahl an Gästen hat, wie die Einwohnerzahl. Bei einer angenommenen Belegung von 100

Tagen im Jahr mit 3450 Betten, wären also im Samtgemeindebereich 400000 Übernachtungen

im Jahr notwendig, um die Wirtschaft zu stärken. Hierdurch würden 300 neue Arbeitsplätze entstehen.

Um 400000 Übernachtungstage im Jahr zu ermöglichen, müssen folgende Voraussetzungen

geschaffen werden:

Regenerationszentrum mit 500 Betten

und 200 Belegungstagen = 100000 Übernachtungstage

500 Eigentumshäuser in gemischter Nutzung

mit 2.000 Betten und 100 Belegungstagen = 200000 Übernachtungstage

Nebenerwerbsbetriebe mit 400 Betten

und 100 Belegungstage = 40000 Übernachtungstage

Vollerwerbsbetriebe mit 50 Betten

und 100 Belegungstage = 5000 Übernachtungstage

Grenzlandakademie bzw. Jugendzentrum

mit 100 Betten und 200 Belegungstagen = 20000 Übernachtungstage

Einheimische Betriebe mit bereits 400 vorhandenen

Betten und 100 Belegungstage = 40000 Übernachtungstage

insgesamt 405000 Übernachtungen

493


In der GfL-Studie wird das Teilgebiet Gartow hinsichtlich seiner künftigen Nutzung als Freizeit- und

Erholungsort festgeschrieben:

• Umfassendes und breites Angebot für Wochenend- und Ferienerholung

• Alle Übernachtungsformen

• Vielseitige Sportmöglichkeiten (in Ergänzung zum vorhandenen Freibad/Hallenbad)

• Rasenspielplätze

• Tennis, Golf, Reiten/Reithalle/Reitbahn

• Bau des Gartower Sees mit Wassersport

Prioritäten:

Von allen bestehenden Ansatzpunkten des Fremdenverkehrs… ist Gartow bereits jetzt am besten

ausgestattet. Dies und der Umstand, dass Gartow die extremste Randlage darstellt, rechtfertigen

den Vorschlag, in der ersten Entwicklungsstufe Gartow nachdrücklich zu bevorzugen…“Außer Gartow

sollte Wittfeitzen als Zentrum für den Fremdenverkehr ausgebaut werden. 8

„Deshalb stellten die Gruppen mit dem Appell an die im Grundgesetz allen Bürgern garantierte

Chancengleichheit die Forderung nach gezielter staatlicher Wirtschaftspolitik. Geholfen werden

kann in erster Linie nur durch Schaffung industrieller und gewerblicher Arbeitsplätze. Wenn der

Staat selbst keine Möglichkeit zur Schaffung von unmittelbaren Arbeitsplätzen in unserem Gebiet

hat, dann muß er die private Investitionsbereitschaft durch erheblich höhere Beihilfen als

bisher herbeiführen. (z.B. Errichtung eines Regenerationszentrums mit 1000 Betten, zusätzliche

Arbeitsplätze bei SKF durch mehr Aufträge von der öffentlichen Hand, Sicherung der bestehenden

Arbeitsplätze dadurch, dass Aufträge für Ferienhausprojekte und Fremdenverkehrseinrichtungen

nur an das ortsansässige Gewerbe vergeben werden).“ 9

Diese weitgefassten Planungen sind nur zum Teil verwirklicht worden, zumal eine ungünstige wirtschaftliche

Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland einsetzte. Auch sah man sich seitens

der niedersächsischen Landesregierung schlecht vertreten, da der Delegierte der Landesregierung,

Dr. Kirchhof, einräumen musste, es gäbe keinen zuvor propagierten „Lüchow(Hilfs)-Plan“

beim zuständigen Ministerium in Hannover.

Gartow wird Luftkurort

„Staatlich anerkannter Luftkurort“, dieser Zusatz ist für viele Urlaubsorte ein erstrebenswertes

aber nicht leicht erreichbares Ziel. Gewisse Grundvoraussetzungen müssen gegeben sein, um ein

entsprechendes Anerkennungsverfahren einleiten zu können:

Erholsame Landschaft, ruhige, von Emissionen und Immissionen frei gehaltene Lage, Erholungseinrichtungen,

gesunde und angemessene Unterbringung, Grundversorgungseinrichtungen und

natürlich gesundheitsförderndes Klima.

Aus der Sicht der FVV erfüllte Gartow die vorgenannten Bedingungen. 1977 ist das notwendige Genehmigungsverfahren

eingeleitet worden. Dreijährige Klimamessungen, verschiedene Gutachten

und Stellungnahmen von Behörden sowie Institutionen gemäß Verordnung des niedersächsischen

Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 22. Januar 1975 sind wie vorgeschrieben von der Gemeinde

Gartow schließlich erbracht worden. Nach Prüfung der Unterlagen ergaben die geforderten

klimatischen Verhältnisse, ein breites Angebot an Freizeit- und Erholungseinrichtungen sowie

alle anderen nötigen Grundvoraussetzungen ein positives Urteil. Einer Anerkennung Gartows als

Luftkurort stand nichts mehr im Weg. Am 16. Juni 1980 stellte Regierungspräsident Rolf Wandhoff

die begehrte Erlaubnisurkunde aus. Neben Hitzacker war Gartow nun der zweite Luftkurort im

Landkreis. Derzeit kann Gartow die Bezeichnung nicht führen.

494


Die Werbewirksamkeit dieser Auszeichnung ist für Gartow und Umgebung von erheblicher Bedeutung,

da Luftkurorte erfahrungsgemäß mit häufigerem Besuch rechnen können. Verpflichtung

bleibt jedoch, die an einen Luftkurort gestellten Bedingungen stets zu erfüllen.

1980: „Gartow-Saison 80“, Tourismuswerbung

495


Weil die Vielzahl an Freizeit- und öffentlichen Einrichtungen stets Folgekosten (Personal, Unterhaltung,

Versicherung usw.) mit sich bringen, werden Samtgemeinde und „Kur- und See-GmbH“

ständig finanziell in die Pflicht genommen.

Mit den Aufbauleistungen in der Vergangenheit konnte die FVV bzw. Kur- und See GmbH. recht

zufrieden sein:

Von 1977 auf 1978 konnte ein Anstieg der Übernachtungen um zehn Prozent, ein Zuwachs von

150 weiteren Fremdenbetten auf die Gesamtzahl von 950 und eine Auslastung der Ferienhäuser

auf zum Teil 200 Tage im Jahr erreicht werden.

Der Gartower See entwickelte sich für Tagesausflügler und Feriengäste immer mehr als Anziehungspunkt.

An einem sonnigen Wochenende im August des Jahres 1983 sind am Gartower See

annähernd 3000 Personen gezählt worden. Ein Beweis für die Flexibilität und Aufgeschlossenheit

der Verantwortlichen.

Auf kulturellem Gebiet fanden ebenfalls wesentliche Verbesserungen statt:

Der „Kulturverein Gartow“ bot und bietet bis heute interessante Vorträge und Studienfahrten an.

Das „Bildungs- und Freizeitzentrum Gartow“ in Zusammenarbeit mit der Aktionsgemeinschaft Natur

brachte Interessierten in Vorträgen und Wanderungen die Besonderheiten unserer heimischen

Natur näher. An ein anderes Publikum richten sich die Aufführungen der „Gartower Schloßkonzerte“.

Kirche, Vereine und Privatinitiativen bieten weitere Veranstaltungen und Betätigungen an.

Der Ort Gartow selbst bemühte sich stets um ein attraktiveres Aussehen, um sich dem Feriengast

in einer ansprechenden Weise zeigen zu können. 1979 sind die wesentlichsten Bau- und Umgestaltungsmaßnahmen

im Zuge des Dorferneuerungsprogramms beendet worden. 62 Hauseigentümer

trugen durch private Initiative zur Verschönerung des Ortsbildes bei. Im Rahmen dieser

Maßnahmen wurde auch die Hauptstraße sowie der Kirchplatz in Gartow mit einem Kostenaufwand

von 800 000 DM neu gestaltet. Wieder erhielt Gartow einen Preis für gelungene, vorbildliche

Straßengestaltung innerhalb von Ortschaften. Unter 90 Bewerbern aus dem Bundesgebiet hatte

sich die Gemeinde Gartow zum Wettbewerb „Straßen in Dorf und Stadt “ gemeldet. Glückwünsche

und eine Bronzeplatte zur Erinnerung nahmen Gartows Bürgermeister Ernst Schmidt-Maury und

Verwaltungschef Hans Borchardt von Bundesverkehrsminister Dr. Hans Dollinger im Oktober 1984

entgegen Von 350 zum Landeswettbewerb Niedersachsen angemeldeten Spielplätzen errang der

Abenteuerspielplatz den 1. Preis, vom Sozialminister Hermann Schnipkoweit überreicht.

Die bis dahin geschaffenen Fremdenverkehrseinrichtungen boten 15 Voll- und 19 Saisonarbeitskräften

Beschäftigung. Im Juli 1980 verfügte Gartow über 660 Gästebetten, davon 490 in Ferienhäusern,

41 in Hotels, 39 in Gasthöfen und 37 in Fremdenheimen. Bereits drei Jahre später

konnten allein in Gartow 1 660 Urlauber untergebracht werden. Durch Fortführung des Ferienhausbaues

existierten 1983 in Gartow schon 190 Ferienhäuser.

Ausbau des Tourismusangebotes

Gesellschaftliche und politische Entwicklungen in den der letzten beiden Jahrzehnten sorgten für

veränderte Gewohnheiten auch im Tourismus, wovon Gartow ebenfalls betroffen ist. Die Wiedervereinigung

Deutschlands war hierbei der gravierendste Einschnitt, nicht nur weil die Touristenströme

neue innerdeutsche Reiseziele entdeckten, sondern auch, weil mit dem Wegfall der Zonenrandförderung

Investitionen in die Tourismusinfrastruktur schwieriger wurden. Die nicht enden wollende

Diskussion um den Endlagerstandort Gorleben hat vermutlich ebenfalls negative Auswirkungen.

496


2009: Springstr. 2: Hotel-Restaurant „Gartower Hof“

2009: Reitplatz und -halle Hahnenberger Strasse

Die Übernachtungszahlen in Gartow, beeinflusst vom Campingpark, sind seit 1985 mit 118 116

bis 1992 mit 177 019 kontinuierlich angestiegen und bewegen sich seither in Schwankungen.

Das Jahr 1995 brachte den bisherigen Rekordstand von 192 958 Übernachtungen. Es war insbesondere

der ehemalige Samtgemeindedirektor Hans Borchardt aus Kapern, der 41 Jahre lang als

Vorsitzender des Fremdenverkehrsvereines Gartow und Umgebung zum Erfolg der touristischen

Bemühungen in Gartow beigetragen hat. Im März 1999 übernahm Volker Hildebrandt den Vorsitz,

wobei H. Borchardt aufgrund seiner Leistungen zum Ehrenvorsitzenden gewählt wurde. Um das

Angebot für Tagesausflügler, Campingplatzurlauber und andere Touristen attraktiver zu gestalten,

haben sich Initiativen gebildet, die eine rege Aktivität entfalteten. 10

Um das Tourismusangebot zu verbessern, sind weitere Maßnahmen notwendig:

„Pavillon, Grillplätze, Bootsanleger: Als in den Jahren 1974 bis 1982 nach und nach der Gartower

See geschaffen wurde, entstanden am See-Nordufer auch diese drei touristischen Einrichtungen.

Doch der Zahn der Zeit hat an ihnen genagt, „sie sind in die Jahre gekommen und entsprechen

nicht mehr den Anforderungen des heutigen Fremdenverkehrs“, sagt Lutz Haas, Bürgeramtsleiter

der Samtgemeinde Gartow. Das aber soll sich ändern; die Gemeinde Gartow als Bauherrin will

kräftig investieren. Und so werden insgesamt rund 235 000 Euro ausgegeben. Das ganze Paket

soll zur Attraktivitätssteigerung des Tourismus am und um den Gartower See beitragen. Allein 170

000 Euro werden für den Aus- und Umbau des Seepavillons („Salix“) ausgegeben. Der Gaststättenraum

wurde kräftig umgestaltet, eine überdachte Terrasse ist angebaut worden, so Lutz Haas.

Auf 70 Quadratmetern werden Platz auch für Seminare, Kurse und Ausstellungen geschaffen.

Auch eine große überdachte Terrasse soll entstehen. Das „Salix“ konnte bisher nur in den Sommermonaten

genutzt werden, und genau das soll schon bald der Vergangenheit angehören. Der

Betreiber soll die Anlage künftig ganzjährig nutzen können. Eine entsprechende Wärmedämmung

und eine Heizungsanlage werden das ermöglichen.

Die Gemeinde Gartow muss den Großteil der Kosten jedoch nicht aus eigener Tasche bezahlen.

92 750 Euro kommen aus einem Topf zur „Förderung der ländlichen Entwicklung“. Die EU-Fördergelder

werden vom Land und über Leader ausgeschüttet. Insgesamt rund 64 000 Euro sind für

drei weitere Maßnahmen eingeplant. Auch für sie gilt: es gibt Fördergelder. Und zwar 35 000 Euro.

Auch in diesem Fall sind es EU-Gelder, die, ebenfalls über Land und Leader auf das Konto der Gemeinde

überwiesen werden. „Förderung des Tourismus“ heißt das Landesprogramm.

497


Im Rahmen der Umgestaltung und Erneuerung der Grillplätze unweit des Seepavillons soll eine

verbindende Überdachung geschaffen werden. Die Anlage werde nach ihrer Fertigstellung auch

größeren Gruppen Platz sowie Schutz vor schlechtem Wetter bieten, erläutert der Bürgeramtsleiter

Lutz Haas. Er denkt dabei unter anderem an Betriebsausflüge und Radwandergruppen. Neu

geschaffen wird eine sogenannte Beobachtungsplattform in direkter Nachbarschaft zum Bootsanleger.

Haas: „Die 10 Meter mal 7,5 Meter große Plattform soll Fuß- und Radwanderern als Pausenstation

dienen und auch zum längeren Verweilen mit Naturbeobachtungen einladen.“

Der Bootsanleger wird vor dem Hintergrund, dass er bezüglich seiner Abmessungen größere Boote

(zum Beispiel Drachenboote) nicht aufnehmen kann, umgebaut. Zudem sei er bei erhöhter Traglasterfordernis

instabil. 11

Aber auch die bestehenden touristischen Anlagen müssen gepflegt werden, zudem ist die Gesamtsituation

im Auge zu behalten:

„Sobald die Tage länger werden und die Temperaturen steigen, schaut man in Gartow sorgenvoll

auf den See. Immer wieder musste dieser in den vergangenen Jahren für den Badebetrieb gesperrt

werden, weil er voller Blaualgen war. Doch nicht so in diesem Jahr. „Der See ist sauber, das

Wasser hat beste Badequalität, und man kann fast bis zum Grund gucken“, berichtete Gartows

Samtgemeindebürgermeister Friedrich-Wilhelm Schröder am Dienstagabend auf der Sitzung des

Samtgemeinderates in Schnackenburg. Schon im vergangenen Jahr sei der See blaualgenfrei geblieben,

und man sei optimistisch, dass das auch in diesem Jahr so bleibe.

Die Sommersaison kann also kommen in Gartow. Zumal auch die Badestrände neuen Sand

bekommen hätten, wie ebenfalls in der Sitzung bekanntgegeben wurde. Damit auch in diesem

Jahr wieder möglichst viele Gäste nach Gartow kommen, wolle man bei der Anpassung der Campingplatzgebühren

auch „äußerst moderat“ vorgehen, betonte Samtgemeindekämmerer Hans-

Heinrich Drimalski. Die Verwaltung empfehle, den Dauercamperbereich gänzlich von Erhöhungen

auszunehmen und lediglich bei den Tagescampern leicht die Gebühren zu erhöhen, um die gestiegenen

Nebenkosten auch weiterzugeben. „Der Markt ist sehr empfindlich “, stellte Drimalski

heraus. Dieser Empfehlung folgte der Rat einstimmig.

Eine Liste mit rund 300 Unterschriften übergab Gartows Bürgermeister Hans-Udo Maury (CDU) der

Verwaltung. Darin fordern Gartower Bürger eine Verkehrsberuhigung der Spring- und der Hauptstraße.

Vor allem der zunehmende Schwerlastverkehr belaste die Anwohner und die Gebäude, so

Maury. Samtgemeindebürgermeister Friedrich-Wilhelm Schröder versprach, die Angelegenheit an

die zuständigen Stellen beim Kreis weiterzuleiten und sich für eine Verkehrsberuhigung einzusetzen.

„Das ist seit 30 Jahren hier ein Dauerbrenner, sagte Schröder. Allerdings wies er auch darauf

hin, dass eventuelle Verkehrsberuhigungsmaßnahmen wie Verkehrsinseln von der Gemeinde Gartow

bezahlt werden müssten. Jedoch gäbe es 30 – km/h – Schilder vom Straßenverkehrsamt.“

Bis zum Jahr 2012 hat sich in dieser Angelegenheit nichts getan, der Schwerlastverkehr hat eher

noch zugenommen. 12

Im Mai 2007 fand in Gartow die 1. Freizeitmesse statt, die auf einer Idee von Stefan Reinsch fußt

und vom Gewerbe- und Tourismusverein Gartow sowie den Tourist-Informationen Gartow und Lenzen

organisiert worden ist. Am Campingpark und Reiterzentrum gab es verschiedene Aktivitäten

und Informationsmöglichkeiten. Er ist auch Akteur vieler weiterer Aktivitäten rund um Gartow. Es

sind aber auch die vielfältigen, oft nicht spektakulären Angebote und Veranstaltungen, die zum

Nutzen des Tourismus und somit zur Wirtschaftskraft in Gartow und Umgebung beitragen. An die-

498


ser Stelle kann nicht ausführlich darüber berichtet werden, es muss daher genügen, stichwortartig

die wichtigsten Angebote zu benennen. Eingebunden in die tourismustragenden Institutionen und

Organisationen sind z.B. auch die Gemeinde-Verwaltung oder die Biosphärenreservatsverwaltung

Niedersächsische Elbtalaue, die in der Touristinformation Gartow eine Anlaufstelle eingerichtet

hat.

Regelmäßige Führungen „Auf den Spuren des Elbe-Bibers“ auf dem „Biberpfad“ entlang der Seege

von Gartow bis Nienwalde (2,6 km lang) oder auf dem „Biber-Rundwanderweg“ bringen Touristen

und anderen Interessierten die Natur näher.

Hierzu gehört auch die geführte Wanderung „Auf den Spuren von Gänsen im Dreiländereck “ in

der Alandniederung für Freunde der Ornithologie, ebenso entlang der Elbe im Rahmen des Projekts

„Erlebnis Grünes Band“.

Im September/Oktober 2009 fanden erstmalig die „Tage der GenussPunkte beiderseits der Elbe“

statt, in die auch die Kanustation Gartow und das Gasthaus zum See eingebunden waren.

Von Restorf aus bietet Kutscher Ulli Themen-Kutschfahrten an wie z.B.:

„Kaffee-Kutschfahrt“, „Abend-Kutschfahrt“, „Glühwein-Kutschfahrt“,

„Zweittagefahrt mit dem Planwagen“.

Zwei Museen gibt es: das Grenzlandmuseum Schnackenburg mit der Außenstelle der Gedenkstätte

Stresow und das Heimatmuseum Vietze.

Musik- und Kunstinteressierte haben die Möglichkeit, in Gartow die Schlosskonzerte, in Schnackenburg

die „Schubertiaden“, in Gartow („Orgelsommer“) und Trebel Orgelkonzerte zu hören oder

in Gartow die „Kunstkammer“ sowie in Quarnstedt im Speicher Kunstausstellungen anzusehen.

Ein Teil der Seegeniederung dient als Freilicht-Kunstraum mit in die Natur integrierten Objekten.

Ob Osterbasteln, Osterfeuer, Kino im Forum, Flohmarkt, der Sonntag für den Naturschutz, Wellness-

und Fitnesstage in der Wendland-Therme, Offene Gärten im Wendland, Sonnenwendfest,

Drachenbootrennen, Open Air-Kino, Sportive Landpartie, Europäische Fledermausnacht, Obsttag,

Weihnachtsmarkt auf dem Schlosshof – das Angebot ist vielfältig.

Nicht zu vergessen sind die Sportangebote der Gartower Vereine und die Veranstaltungen auf

dem Gartower See, wie z.B.das See-Duathlon, die Drachenbootwettkämpfe, der Reitsport mit verschiedenen

Turnieren oder geführten Ausritten, das Gartower Ferien-Tennisturnier, das Wendland-

Triathlon oder die Sportive Landpartie. Dazu gehören auch Kanu- oder Tretbootfahrten, Segeln,

Surfen und Angeln. Es gibt einen „Trimm-dich-Pfad für Pferd und Reiter“ am Umschwang.

Angeboten werden ferner Ballonfahrten „Mit dem Wind über dem Elbtal“, ein „Paddeldiplom“, Touren

per Boot auf der Elbe, „Vogelkundliche Exkursionen“, „Durch Auen und Wiesen “, „Keschern

für Kinder “, „Pilzführungen“, „Ein Viertelstündchen unterm Sternenhimmel“, „Den Abendseglern

auf der Spur“, der „Große Eichenbock „ (im Elbholz),

Der NABU, der in Gartow, Am Quotum, einen Naturgarten und eine Informationsstelle unterhält,

bietet ebenfalls Aktionen an: „Spaß mit Weiden “ (z.B. Weidenkränze flechten), „Frühblüher am

Höhbeck “, „Abendliches Froschkonzert “, „Der Eisvogel – Vogel des Jahres“, „Das große Krabbeln

499


– die Welt der Insekten“. Hinzu kommen naturkundliche Bildvorträge. Die vorstehend aufgeführten

Aktionen sind im Laufe des Jahres 2009 und auch in den Folgejahren angeboten worden. Es

überwiegt das auf die Natur ausgerichtete Programm, da der Gartower Raum ein hohes Potential

ökologischer Besonderheiten bietet.

Nicht direkt von Gartow sondern von Nachbarorten aus finden weitere Touren statt: „Arche Noah

Höhbeck“ (Tier- und Pflanzenwelt, Schwedenschanze), „Was blüht denn da?“ (Pevestorf), „Glühwürmchen

zur Mittsommernacht“ (Pevestorf), „Feierabend auf der Elbe“ (Pevestorf), „Heiß und

kalt den Strom hinab“ (Winterbeobachtungen mit Kanu, Pevestorf) oder „Winterfest an der Elbe“

(Kanutour).

Ferner gibt es eine Reitstrecke vom Arendsee über Lomitz, Trebel, Gorleben, Höhbeck, Gartow,

Nienwalde und Wirl.

Der Förderverein Wendland-Rundweg e.V. bietet im Höhbeckbereich einen 10 km-Wanderweg

„Auf den Spuren Karls des Großen“ an. Dieser ist ein Teilstück des Elb-Höhenweges und dieser

wiederum des 184 km langen „Wendland-Rundweges“ entlang der Kreisgrenze. Diese Strecken

können sowohl zu Fuß als auch mit dem Fahrrad bewältigt werden, wobei als Trägerorganisationen

der Deutsche Volkssportbund und der Deutsche Wanderverband auftreten. In diesem Zusammenhang

werden auch drei Fußtouren durch die Nemitzer Heide angeboten. Ein 47 km langer

Radrundweg führt von Meetschow über Gartow, Nienwalde, Bömenzien, Aulosen, Schnackenburg,

Lenzen, Höhbeck zurück nach Meetschow. An dieser Route sind der Biberlehrpfad bei Gartow, der

Seeadler-Beobachtungsturm bei Nienwalde, die Grenzgedenkstätte Stresow, das Grenzlandmuseum

in Schnackenburg, die Burg Lenzen und der Aussichtsturm Höhbeck sind Zwischenziele.

„…Unterstützt werden sollen in der Ostkreis-Samtgemeinde unter anderem die schon oft geäußerten

Wünsche nach Ortsbildverbesserungen, nach einer Weiterentwicklung des Wegenetzes,

der Einführung von Wandergruppen und eines Lauftreffs, Angebote im Bereich Gesundheit… Aber

auch die Förderung einer auf regionale Produkte setzenden Gastronomie könnte unterstützt werden,

sollten sich die Gartower in der Befragung dafür aussprechen, genau wie die Vernetzung von

Firmen, die im Bereich Holz arbeiten. „… Das Programm „Agenda 21“ gibt es seit 1992. Es wurde

damals von einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen entwickelt, um weltweit Kommunen dazu

aufzufordern und zu unterstützen, ihre Entwicklung im 21. Jahrh. unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit

zu planen“.

Weitere Touren bietet die Tourismusinformation Lenzen an wie z.B: „Lebendiges Heilkräuterwissen“,

„Den Fledermäusen auf der Spur“ oder „Historische Altstadt Lenzen“. In der Burg ist ein

Besucherzentrum der UNESCO eingerichtet.

„Das Besucherzentrum Burg Lenzen in der Westprignitz und die Tourist-Information in Gartow

bieten in ihrer länderübergreifenden Kooperation einen neuen Service an: Ausgerüstet mit einem

GPS-Gerät am Fahrradlenker geht es auf eine etwa 40 Kilometer lange Radtour durch das Vierländereck

(Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt). Das GPS-

Gerät zeigt die Richtung an, und auf Knopfdruck können unterwegs an 32 Stationen interessante

Informationen in Sachen Natur, Kultur und Geschichte per Sprechertext, Bild und Ton abgerufen

werden. Mal lauscht der Benutzer dem Gesang der Nachtigall, mal bekommt er etwas über den

Eichenbockkäfer erklärt und an jeder Station gibt es zudem spannende Biber-Informationen. Dazu

ein Rätselquiz – speziell für Kinder. Der mobile Gästeführer ist deutschlandweit fast einzigartig –

500


das Angebot gibt es nur noch in Bayern. Diese Art der Informationsübermittlung während einer

Fahrradtour sei auch sehr attraktiv für Menschen mit Behinderung, da man alle Infos sowohl lesen,

als auch hören könne, so die Elbtalaue-Wendland-Touristik (EWT). Weitere Infos zum digitalen

Tourenführer gibt es bei der Tourist-Information in Gartow, der Kanustation am Gartower See und

auf der Burg Lenzen. Dort kann man sich das GPS-Gerät auch ausleihen.“ 13

Die Entwicklung geht weiter und neue Ideen werden geboren. 2006 wurde damit begonnen, im

Rahmen der „Agenda 21“ weitere Verbesserungen für den Gartower Raum anzuregen: Von der

Samtgemeinde Gartow wurden Asta von Oppen, Marie Renee Nowack und Stefan Reinsch beauftragt,

diesen Prozess zu begleiten. Im Mai 2007 kam es in Gartow (im Speicher Quarnstedt) zur

Gründung des Fördervereins EMMA=“Energie Management Agentur für die Region Elbtalaue, Prignitz

und das Wendland“ mit den Schwerpunkten Energieeffizienz, Biogas und Holz, wobei Landrat

Jürgen Schulz aus Lüchow den Vorsitz ausübt.

1981: Gartow, Öffentliche Einrichtungen

Campingplatz

„….Gartows neuer Campingpark ist einer der vier schönsten Plätze in Niedersachsen. Mit diesen

Vorschußlorbeeren hat der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) das 8,5 Hektar große

Areal am Helk bedacht, mit dem die Samtgemeinde Gartow ihre Fremdenverkehrseinrichtungen

bereichert hat. Am Sonntagvormittag wurde dieser 5,5 Mio. DM teure Platz im Grünen offiziell

501


eingeweiht … Vor vielen Gästen erinnerte Samtgemeinde-Bürgermeister Klaus Legner an die

lange Planungsphase, deren Ziel die Erweiterung des seit 1966 am Freibad bestehenden Campingplatzes

war. 1984 stellte der Samtgemeinderat die parlamentarischen Weichen, 1985 folgte

der Antrag, das vorgesehene Gelände aus dem Landschaftsschutzgebiet zu entlassen. Doch erst

als die Wendland-Therme in unmittelbarer Nachbarschaft Gestalt annahm, konnte der Bau des

Campingplatzes 1993 begonnen werden … Drei Sanitärgebäude stehen den Campern zur Verfügung,

insgesamt verfügt das Areal über 430 Stellplätze, jeder ist mit einem Strom-, Wasser-,

Abwasser- und Satellitenempfangsanschluß versehen. 110 Plätze werden das ganze Jahr über von

Dauercampern belegt…. Die Investition von rund 13 000 DM in einen Stellplatz lasse Qualität und

Komfort erwarten und liegen in Niedersachsen weit über dem Durchschnitt.“ 14

Gartower See

Eine seenartige Aufweitung der Seege im Bereich der Ortslage Gartow hat es bereits vor dem

künstlichen Seeausbau gegeben. Obwohl der See ein Kunstprodukt ist, hat er sich so gut in die

Landschaft eingefügt, daß es für Auswärtige schwer vorstellbar ist, in ihm einen künstlichen See

vor sich zu haben. Bereits 1967 gab es die Idee, künstliche Wasserflächen im Seegegebiet zu

schaffen bzw. zu vergrößern und zu sichern wie z.B. den Laascher See. Weiter sollte ein Gartower

See mit 50 ha Wasserfläche entstehen, 1969 legte das Wasserwirtschaftsamt Lüneburg eine

entsprechende Studie zur Schaffung künstlicher Wasserflächen vor. Konkreter wurden die Pläne

hierzu in den Jahren 1970 - 1972 als entsprechende Gespräche innerhalb der beteiligten Verwaltungen

stattfanden sowie Finanzierung und Trägerschaft geklärt waren.

Im November 1970 stimmte der Rat von Gartow der Übernahme einer Trägerschaft des Sees zu,

die ermittelten Baukosten lagen bei 5,2 Mio. DM (2,6 Mio. Euro). Die Gesellschaft für Landeskultur

(GfL) in Bremen war im Auftrag der Behörden Betreuerin der Ortserneuerung von Gartow. Gästebetreuung

für den Bereich der Samtgemeinde Gartow sowie die Förderung und Unterbringung von

Urlaubern und Feriengästen in diesem Bereich.“ Damit war die FVV wesentlich entlastet. Vorsitzender

der „Gartower See-GmbH“ (1982 in „Kur- und See-Gesellschaft mbH Gartow “ umbenannt)

ist der jeweils amtierende Oberkreisdirektor. Weil die Gemeinde Gartow Mitglied in dieser neuen

Gesellschaft war, ergab sich fast schon von selbst, dass Samtgemeindedirektor Borchardt als Geschäftsführer

der Trägergesellschaft gewählt wurde.

Allerdings wurde 1971 zunächst der Laascher See angestaut und ein Bootshafen in Laasche eingerichtet.

Für den Ausbau des Gartower Sees existierte der Entwurf vom 29.12.1970, wonach der

See eine Größe von 45 ha bei einer Wassertiefe von durchschnittlich 2 m erhalten sollte und eine

Staumarke von NN +15,20 m kontinuierlich mit einer Stauanlage zu halten war. Für die Baumaßnahmen

mußten rd. 1 Mio. Kubikmeter Boden bewegt werden. Zuvor war die Planung zur künftigen

Ortsbebauung in Gartow und der Ausbau der Schmutzwasserkanalisation zur Sauberhaltung

des Gartower Sees mit zu berücksichtigen. Schon im Planungsstadium sind Überlegungen angestellt

worden, möglichst schonend in den Naturraum einzugreifen. Kreisoberbaurat Quis forderte

1973 u.a.: „…Der Landschaft darf keine Gewalt angetan werden. Die Weite des Seegetales darf

nicht abgeschnürt werden. Die einmaligen floristischen und faunistischen Besonderheiten dürfen

nicht zerstört werden...“

Mit dem Seeausbau sollte zugleich auch der Hochwasserschutz für die Ortslage Gartow sichergestellt

werden – mit einem Deich und Geländeaufhöhungen südlich der Springstraße, am Schäferkamp

und Auf den Kämpen auf die Ordinate NN +18,50 m.

502


Der Ankauf der erforderlichen Grundstücke war oft schwierig, wie auch die Hergabe von Ländereien

für den neuen Deich und die Auffüllungsflächen direkt am Südufer des Sees zwischen Bebauung

und See für den Promenadenweg. Aufhöhungsflächen gab es auch am Nordufer des Sees,

u.a. mit der Aufschüttung eines künstlichen Hügels. Im April 1972 begannen die Vorbereitungen

für das vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren, der Plan dazu selbst lag im August/September

1972 öffentlich aus.

Der gewöhnliche Wasserstand in der Seege bei Gartow lag auf NN +14,94 m, das Mittelwasser

im Jahr bei NN +15,35 m, der künftige Dauerwasserstand auf NN +15,20 m. Bei Hochwasser

der Elbe jedoch, das von Vietze über Gartow bis Bömenzien in der Seegeniederung zurückstaut,

ergeben sich ganz andere Höhen: 1954 (NN +18,54 m), 1958 (NN +18,28 m), 2002 (NN +19,10

m) und 2006 (NN +19,11 m), Deichhöhe = NN +19,80 m. Mit knapp 4 ha erreichte die Größe

des Kleinen Gartower Sees gerade 10% des Großen Gartower Sees. Monatlich würden 78 000

Kubikmeter Wasser der beiden Seen verdunsten, ergaben Berechnungen. Die Gestaltung der Uferlinie

war ein während der Bauphase veränderlicher Prozeß, der von der GfL Bremen aufgestellte

Landschaftsplan gab nur einen Rahmen vor, in dem sich später individuelle, dem Baufortschritt

angepasste Möglichkeiten ergaben. Insel, Halbinseln, Buchten und Stillgewässer konnten hierbei

verwirklicht werden. Geachtet wurde ferner auf die Einbindung in die flache Niederungslandschaft

einschließlich der wenigen vorhandenen Gehölze und Ufersäume am Kleinen Gartower See, der

zuerst ausgebaut wurde.

Am 9. August 1972 erhielt die Tiefbaufirma Oelting den Auftrag für den 1. Bauabschnitt, wobei

200 000 Kubikmeter Bodenbewegung erforderlich wurde. Mit dem Bodenaushub aus dem See

konnte eine Bodenreserve für die künftige Hochwasserbedeichung Nienwalde-Gartow angelegt

werden.Die Ufer erhielten Böschungsneigungen von 1:4, die Seesohle wurde bis auf die Ordinate

NN +13,20 m ausgebaggert. Für den Seebau flossen 80% öffentliche Fördermittel.

1972: Planung des Gartower Sees

503


Während des Seebaues fanden kontinuierlich Feinabstimmungsgespräche zwischen Behörden,

Planern und später auch Naturschützern statt. Als behördlicher Bauleiter war Ingenieur Heinz

Bülow, Dannenberg, vom Wasserwirtschaftsamt Lüneburg eingesetzt.

Die Ortsplanungen liefen parallel zum Seeausbau weiter, da das „Erneuerungsvorhaben Gartow“

von der Landesregierung als Modell für künftige ähnliche Projekte herangezogen werden sollte.

Im November 1972 erklärte die Samtgemeinde, dass sie: „…sich durch den Bau des Sees und der

damit im Zusammenhang stehenden Errichtung von Sport- und Freizeitanlagen eine Intensivierung

des Fremdenverkehrs sowie eine Saisonverlängerung verspreche…. Von der Errichtung von

rd. 500 Ferien- oder Wochenendhäusern erwartet die Samtgemeinde Gartow zunächst einmal

eine Belebung der Bautätigkeit, später dann Umsatzsteigerungen im Einzelhandel durch die dort

anwesenden Gäste.“ Ein Parkplatz mit erst 250, dann 120 Stellplätzen, war am Südufer vorgesehen,

eine Boots-Slipanlage, Spiel- und Sportanlagen, Liegewiesen und ein Großparkplatz am

Nordufer.

Hoffnungsvolle Prognosen wurden erstellt, die den Ort Gartow im Aufschwung sahen: so sollte die

Einwohnerzahl von 1 300 auf bis zu 2 000 steigen, die Bettenzahl auf 1210 erhöht werden. Die

Übernachtungszahlen sollten entsprechend von jährlich 36 000 auf 145 000 ansteigen. Neben

Ferienhäusern, Pensionen und Hotels war an den Bau eines „Haus des Gastes“, Schwimmhalle,

Sauna, medizinische Bäder, Tennishalle, Reithalle, Rollschuhbahn usw. gedacht worden. Von dem

ursprünglichen Plan, direkt am Südufer Ferienhäuser mit Seeblick und einen Großcampingplatz

anzulegen, wurde bald Abstand genommen. Von 250 Häusern war jetzt die Rede.

Inzwischen hatte sich auch die „Aktionsgemeinschaft Natur“ mit Sitz in Gorleben gegründet, um

beim Seeausbau den Naturschutz zu gewährleisten. Auswärtige Naturschützer meldeten sich kritisch

zu Wort.

Im März 1973 begann die Geländeaufhöhung zwischen dem Südufer und der Ortsbebauung Gartow.

Den Auftrag für den 2. Bauabschnitt des Seeausbaues erhielt im Juni 1973 die Tiefbaufirma

Gebr. Thiele, Celle und für den 3. Bauabschnitt im Februar 1974 erneut die Firma Oelting aus Pinneberg.

Im Juni 1974 begann die Geländeaufhöhung am Schäferkamp und Auf den Kämpen, wodurch

die vorherige Qualmwasser- und Hochwassergefahr beseitigt werden konnte. Diese Gebiete

sind bald darauf mit Eigenheimen bebaut worden, Auf den Kämpen jedoch nur mit Ferienhäusern

(„Juwel-Feriendorf “). Bei dieser Maßnahme wurde auch die Binnenentwässerung neu geordnet.

Mit der zunehmenden Fertigstellung des Sees begann die Realisierung der Freizeitanlagen am

Nordufer nach den Vorstellungen der Planungsgruppe H.W. Prell, Hamburg, für insgesamt 1,2

Mio. DM. Einige Anlagen mußten so konstruiert werden, dass sie bei Hochwassergefahr innerhalb

kurzer Zeit demontiert werden konnten.

In der Landesentwicklungs-Planung sind ab 1974 Berechnungen durchgeführt worden, wie sich

die Wirtschaft im Raum Gartow durch Fremdenverkehrsförderung stärken liesse. Sie führten zu

folgendem Ergebnis:

Erst bei einer jährlichen Übernachtungszahl von 400 000 hätten etwa 300 neue Arbeitsplätze

entstehen können. Zur Unterbringung so vieler Feriengäste fehlten damals die Beherbergungsmöglichkeiten.

Eine Aufwertung bezüglich der Fremdenverkehrswerbung erhielt der Raum Gartow

dann aber durch die Verordnung vom 1.8.1974, als der Westteil der Seege-Niederung einschließlich

des Gartower Sees zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wurde.

504


Schon im Vorplanungsstadium war abzusehen, daß die Gemeinde Gartow die mit dem Bau und

späteren Betrieb des Gartower Sees zusammenhängenden Lasten und Aufgaben nicht allein bewältigen

konnte. Daher reifte bei den Verantwortlichen der Entschluß, am 28. November 1974 als

Trägergesellschaft die „Gartower See-GmbH“ zu gründen. Satzungsgemäße Aufgabe dieser neuen

Gesellschaft war „der weitere Ausbau, Betrieb und Unterhaltung des Gartower Sees sowie Anlagen,

die den Benutzern und Besuchern zum Baden und zur Erholung und zur Freizeitgestaltung

dienen. Zu den Aufgaben der Gesellschaft gehören weiterhin die Fremdenverkehrswerbung und

die Kurverwaltung, d.h. Zimmervermittlung und Gästebetreuung für den Bereich der Samtgemeinde

Gartow sowie die Förderung und Unterbringung von Urlaubern und Feriengästen in diesem

Bereich.“ Damit war die FVV wesentlich entlastet.

Der Flächennutzungsplan wie auch ein Sanierungsplan, die städtebauliche Neuordnung, Bebauungspläne,

Landschafts- und Gestaltungspläne waren notwendige Instrumente, die im Zusammenwirken

mit den wasserwirtschaftlichen Baumaßnahmen abgestimmt werden mussten. Bisher

war ein solch umfassendes künstliches Seeprojekt im Regierungsbezirk Lüneburg noch nicht ausgeführt

worden.

Nach der Fertigstellung des Gartower Sees entwickelte die „Kur- und See-GmbH Gartow“ rege

Aktivität und ließ zahlreiche Freizeiteinrichtungen schaffen oder regte ihre Ausführung an. Die Einrichtungen

geben auch der einheimischen Bevölkerung die Möglichkeit, ihren Freizeitinteressen

nachzugehen:

Die wichtigsten Einrichtungen wurden das Wildgatter Falkenmoor (1973/75), das Kur- und Saunabad

(1977), der Tennisplatz mit Clubhaus am Schwimmbad (1977), die öffentlichen Toiletten

(1977), die Miniaturgolfanlage beim Schwimmbad (1978). Ferner sind der Aufenthaltsraum im

Feriendorf (1982), die Parkplätze am Schwimmbad (1981) eingerichtet worden. Der seit Jahren zu

beobachtende Trend, Reiterferien mit der Familie zu verbringen, führte 1978 auch in Gartow zum

Bau eines Reitzentrums einschließlich Reithalle und Turnierplatz. Am See selbst entstanden der

„Seepavillon“ (1975), das „Haus des Gastes“ (1975/76), der Bootsanlegeplatz (1975) mit weiteren

Freizeitanlagen (1975), die Parkplätze (1976), ein prämiierter Abenteuer-Spielplatz (1978), die

DLRG-Unterkunft (1980), das Bootshaus (1980), der Kiosk mit öffentlichen Toiletten (1983), der

Grillplatz (1983). Umkleidekabinen und Duschen kamen im Laufe der Jahre dazu.

Der Segel-Club Gartow e.V. (S.C.G.) und der Surf - Club Gartow e.V. (S.C.Ga.) wurden gegründet.

Regelmäßig finden Segel- und Rudersportveranstaltungen statt.

Am 5. Juni 1976 war der Gartower See fertig ausgebaut, der Dauerstau von NN +15,20 m wurde

ab diesem Tag wirksam. Am Landschaftsrahmenplan Gartow, den die Niedersächsische Landesentwicklungsgesellschaft

Hannover aufgestellt hatte, wurde trotz der Fertigstellung des Sees weiter

gearbeitet.

Ab 1981 wurde Boden für anstehende Deichneubauten und für das Erkundungsbergwerk Gorleben

benötigt, wozu ab 1983 eine westliche See-Erweiterung im Seerich durchgeführt woden

ist. Die Seefläche vergrößerte sich auf rd. 60 ha. In diesem Bereich sind ganz überwiegend zur

Kompensation der Baumaßnahmen Modellierungen des Ufers nach Wünschen des Naturschutzes

vorgenommen worden. Ferner wurde der „Käseberg “-See um 5,22 ha vergrößert, die Arbeiten

zur Erweiterung endeten 1985. Ein Jahr später ist die Seesohle nachträglich „geglättet“ worden.

Der Gartower See ist für den Tourismus eine Attraktion geworden – und bis heute geblieben. Seine

harmonische Gestaltung und die Einbettung in die Landschaft ist gelungen. Eine große Wasserflä-

505


che ist immer eine visuelle Bereicherung und Anziehungspunkt für zahlreiche Freizeitaktivitäten.

Auch der Naturschutz kommt in den beruhigten Bereichen nicht zu kurz. Fauna und Flora gedeihen.

Nach etwa 30 Jahren hatte der Kleine Gartower

See als Sand- und Schlammfang seine Aufgabe

erfüllt – er musste ausgebaggert werden, v.a.

auch, um das Blaualgenproblem zu beheben.

Nach der Ausbaggerung wurden 2011 großflächige

Schilfbeete angelegt, um den Blaualgen

die Nahrungsgrundlage zu entziehen.

2009: Promenadenweg auf der Deichkrone am

Gartower See

2010: „Gartow im Klimawandel gestalten“

Wendlandtherme

Die Zahl der Übernachtungen in Gartow ist von 79 120 im Jahr 2000 auf 56 500 im Jahr gesunken.

Wie es gelingen kann, diesen Trend zu ändern, das war das zentrale Thema der Sitzung des

Samtgemeinderates in der Gaststätte Gartower Seeterrassen. Dabei ging es darum, wie die nun

16 Jahre alte Wendlandtherme attraktiver werden kann und um die Frage, ob die Etablierung

eines Besucherzentrums für Klimaschutz und erneuerbare Energie mehr Besucher nach Gartow

bringen würde. Ein solches Zentrum reiche nicht, war das Fazit von Eva Müller-Meernach von

der Glücksburg Consulting AG. Deren Expertise regt eine Einbindung des Themas Klimaschutz

in ein touristisches Outdoor-Angebot an. Die beiden am Wettbewerb für eine Neugestaltung der

Wendland-Therme beteiligten Architektenbüros präsentierten recht unterschiedliche Konzepte –

welches Büro mit der Planung beauftragt wird, wird später entschieden.

Bei den Erkundungsbohrungen für die mögliche Eignung des Salzstockes Gorleben als atomares

Endlager stießen Geologen in etwa 500 m Tiefe auf eine Thermalsolequelle. Es handelte sich da-

506


bei im Wesentlichen um Natriumchloridwässer mit Jodgehalt, für Badezwecke und Heilwirkung geeignet.

Als aufstrebender Erholungsort sah die Gemeinde Gartow in der Quelle eine willkommene

Gelegenheit für Besucher noch attraktiver zu werden. Sofort wurden Planungen für den Bau eines

Thermalsole-Bewegungsbades in Form einer Kleinschwimmhalle erstellt, die neben dem Gelände

des Waldbades entstehen sollte. Da aber Bau und Betrieb einer solchen Einrichtung erhebliche Investitionen

erfordern, beschloss der Samtgemeinderat Gartow im Dezember 1983 die Gründung

einer Trägergesellschaft.

Obwohl das Badezentrum Gartow eine sehr erfolgreiche Bilanz vorweisen kann und sich das Einzugsgebiet

hinsichtlich der Badegäste über die Grenzen des Landkreises hinaus erstreckt, ist es

notwendig geworden, die Attraktivität der Anlage zu erhöhen:

„…Planer wie auch Verwaltung und Ausschuss beschäftigen sich bereits mit der kostspieligen Angelegenheit.

Neubau eines Kinderbeckens und eines Whirlpools im Hof der Therme, eine Salzgrotte,

die Ergänzung der Gastronomie und beispielsweise auch ein Saunagarten – die Wunschliste

ist lang. Allein das Kinderbecken würde mit etwa einer Million Euro zu Buche schlagen, erläuterte

Gartows Samtgemeinde-Kämmerer Hans-Heinrich Drimalski ….Doch zuerst geht es um eine andere

intensive Maßnahme, deren Kosten allerdings noch nicht ermittelt sind: um die energetische

Sanierung und die Schallreduktion in der Therme…“ Die Kosten für die Maßnahmen wurden auf

rd. 2,3 Mio. Euro beziffert. 2008 besuchten 65 581 Personen die Wendlandtherme. Die Diskussion

zur Umgestaltung hält auch 2012 an. 15

Das große Potenzial der Wendlandtherme in Gartow ist der weitläufige und bisher kaum genutzte

Außenbereich, das Gelände des früheren Freibads. Das machten die Konzepte beider Architektenbüros

deutlich, die sich um die Planung der Umgestaltung des Gartower Bades bewarben.

Auf der Basis ihrer am Dienstag im Samtgemeinderat vorgestellten Vorentwurfskonzepte soll entschieden

werden, welches Büro mit der konkreten Planung beauftragt wird. Wann das geschieht,

das steht noch nicht fest. „Wir wollen darüber miteinander, nicht gegeneinander reden“, fasste

Bürgermeister Ulrich Flöter abschließend die Stimmung im Rat zusammen. Wie das Potenzial des

Außenbereichs nahe des Eingangs zu nutzen ist, um das Bad attraktiver zu gestalten, dazu machten

das Hamburger Büro B + S Architekten und das Büro Schütze und Partner aus Hildesheim

unterschiedliche Vorschläge.

Das Büro B + S schlägt als größte Veränderung dieses Bereichs ein erweitertes Außenbecken

vor, das Büro Schütze eine Verlegung der Sauna-Anlage in den Außenbereich vor. Auch das Büro

B + S will den Saunabereich aufgewertet sehen, will dies aus Kostengründen jedoch durch Neugestaltung

der existierenden Sauna erreichen. Die Wendland-Therme solle „auf den Ressourcen der

Region“ aufbauen und Erholung „auf naturverbundene Weise anbieten“, stellte Jörg Schulte die

Maxime des Vorentwurfskonzepts von B + S vor. Das ist in acht Module aufgeteilt, die auch einzeln

realisierbar sind. Das große Innenbecken soll mit Blick auf Schwimmer umgestaltet werden.

Außerdem wird eine Vergrößerung des Außenbeckens angeregt, in das Sprudler und eine Strömungsanlage

integriert werden sollen. Neben der Neugestaltung Sauna mit Dampfkesselsauna

und Brotbad sieht der Vorschlag den Bau eines Gradierwerks (eine Salzluft-Außenanlage), einer

Salzgrotte, eines Whirlpools im heutigen Atrium (zwischen Schwimmbecken und Umkleideräumen)

und einer Schlangenrutsche für Kinder vor. Ergänzend sind schalldämmende Maßnahmen

durch Deckensegel, die zugleich die Helligkeit im Bad steigern. Maßnahmen zu Schall und Licht

sind auch im Vorentwurfskonzept des Büros Schütze vorgesehen. Außerdem listet es Mängel an

der Bausubstanz auf, die zu beseitigen sind. Kosten dafür wurden noch nicht benannt.

507


Familien mit kleinen Kindern und die „Generation 60+“ seien die Hauptnutzer des Bades in Gartow,

führte Thorsten Schütze aus. Sein Konzept sieht mehrere Themensaunen vor, teils in einem

Neubau. Das „hochpreisige Angebot“ Saunabereich, das den Wunsch nach einem kurzen Urlaub

vom Alltag bediene, sei geeignet, eine Verbesserung der Einnahmen zu erreichen. Die Gestaltung

des Saunagartens, in dem ein Teil von ihnen Platz finden soll, könne sich thematisch an der Elbtalaue

orientieren. Denkbar sei auch ein Naturteich in dem Garten, eine Salzgrotte soll für Sauna

wie für Badbesucher offen sein. In der Badelandschaft selbst ist ein kindgerechter Wasserspielgarten

vorgesehen, der am Ort des heutigen Atriums entstehen soll. Optiomal wäre auch eine einladendere

Neugestaltung des Eingangsbereiches und der Gaststätte denkbar, führte Schütze aus.

Beide Vorentwurfskonzepte basieren auf einer Analyse der Mängel der heutigen Situation. Geleitet

sind beide von der Absicht, Dinge vorzuschlagen, mit denen die Wendland-Therme etwas Besonderes

anbietet (Schulte) und von der Vorgabe, eine „Strukturverbesserung ohne Kosten, die in den

Himmel ragen“ (Schütze) zu erreichen.

In den Aussagen über die Kosten ähneln sich die Konzepte der beiden Büros: Sie bewegen sich

im Bereich von gut 1 Million Euro, wobei die Sanierungskosten noch nicht ausgewiesen sind.“ 16

„…Ebenso einstimmig beschlossen die Ratsmitglieder, die Eintrittspreise für die „Wendland-Therme

Gartow“ gänzlich unberührt zu lassen und nicht anzuheben, zumal ja schon im kommenden

Jahr mit der Umgestaltung und Modernisierung des Bades begonnen werden soll. Den Ideenwettbewerb

für diese Umgestaltung entschied das Architekturbüro Schütze und Partner aus Hildesheim

für sich. Allerdings, das stellte der Rat in seinem entsprechenden Beschluss fest, bedeute

das nicht, dass das Konzept, mit dem das Architektenbüro gewonnen habe, nun auch so umgesetzt

werde. Vielmehr soll nun gemeinsam mit dem Büro erarbeitet werden, welche Umbau- und

Modernisierungsmaßnahmen an der „Wendland-Therme“ vorgenommen werden sollen. Dafür

würden auch die Gäste des Bades befragt.“ 17

Im April 2014 ist mit den Umbaumaßnahmen in geringerem Umfang als ursprünglich angedacht,

begonnen worden.

Nicht realisiert werden konnte die Vorstellung, in Gartow ein Besucherzentrum für erneuerbare

Energien und Klimawandel einzurichten, obwohl die Glücksburg Consulting die Aussage traf: „Um

Gartow seien Potenziale im Themenbereich erneuerbare Energien ausreichend vorhanden.“ Eine

entsprechende Machbarkeitsstudie wurde erarbeitet.

Inzwischen belasten die touristischen Anlagen den Haushalt der Samtgemeinde, so dass nach

Einsparmöglichkeiten gesucht wird. Die Wendlandtherme und der Campingplatz verursachen höhere

Ausgaben, die durch adäquate Einnahmen nicht zu decken sind.

Höhbeck

Nicht unmittelbar eine ortstypische Gartower Einrichtung ist der Aussichtsturm auf dem Höhbeck

nahe der Gaststätte „Schwedenschanze“ aber ein Anlaufpunkt für Einheimische und Touristen.

„…Zu Beginn der 1960iger Jahre hatte die Gemeinde Höhbeck den im Mai 2008 abgerissenen

Aussichts- und Beobachtungsturm ….errichten lassen, der Bau dauerte fast drei Monate. Mehrere

Besucher-Generationen haben den Aufstieg gewagt, um in luftiger Höhe auf das nahe und auch

weiter entfernte Umland blicken zu können. Als die Deutsche Demokratische Republik (DDR) noch

existierte, waren der Blick auf Elbe, Grenze und Sperranlagen besonders gefragt, denn nicht wenige

Besucher waren einst in der DDR zu Hause …. An dem alten Turm hatte immer häufiger sehr

deutlich der Zahn der Zeit genagt, Reparaturen halfen nicht mehr, das marode Bauwerk war letzt-

508


endlich nicht mehr zu retten wurde im Herbst 2006 von der Samtgemeinde Gartow gesperrt. Eine

Nutzung war nicht mehr möglich, ein Aufstieg deshalb nicht mehr erlaubt… Der neue Turm besteht

aus Douglasfichten-Holz. Es sind gut 31 cbm Fichte verbaut worden, sagt Thorsten Liebermann,

Chef des Gartower Zimmerei- und Baugeschäftes Stüben, dessen Mitarbeiter den maroden Turm

abgerissen und seinen Nachfolger errichtet haben. Eine Vergleichszahl: Der Dachstuhl eines normalen

Wohnhauses besteht aus 3 - 4 cbm Holz. 18

128 Stufen führen auf die Aussichtsplattform. Mit insgesamt 21 m Höhe ist der Turm um drei

Meter höher als der bisherige. Im Laufe der Zeit hatten die umgebenden Baumspitzen teilweise

die Sicht versperrt, so dass auch aus diesem Grund ein Neubau erforderlich wurde. Informationstafeln

auf der Aussichtsplattform informieren über geschichtliche und geologische Hintergründe

oder zum Biosphärenreservat.

Der Schachtturm des Erkundungsbergwerkes Gorleben mit 62 m Höhe ist gut zu erkennen.

Und auch die Sendemasten stehen nicht unmittelbaren im Zusammenhang mit Gartow. Aber sie

sind seit Jahrzehnten weithin sichtbare Orientierungsmarken für den Gartower Raum. Eine Informationstafel

auf dem Aussichtsturm nennt die wichtigsten Daten:

„Bereits in den 1930iger Jahren errichtete die Luftwaffe einen Funkturm auf dem Höhbeck. Später,

nach der innerdeutschen Grenzziehung, bildete ein 75 m hoher Funkmast eine Brücke nach

West-Berlin. Am 6. September 1963 wurde Richtfest für „Gartow 1“ gefeiert. Der mit 332,03 m

höchste Funkmast in Deutschland und einem Gesamtgewicht von ca. 2 000 t übertrug 2 400

gleichzeitigeTelefongespräche zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik sowie die Fernsehprogramme

von ZDF und NDR. 1978 wurde „Gartow 2“ errichtet. Von diesem 344 m hohen Mast

wird das Deutschlandradio ausgestrahlt. Seit den 1990iger Jahren dient der Turm zudem der

Technischen Universität Braunschweig als Forschungsstation. Das Institut für Stahlbau sammelt

Daten über das Verhalten der Masten bei unterschiedlichen Windstärken – in Abständen von 18

m bis zur Höhe von 342 m wird gemessen. Die Windmessanlage auf dem Höhbeck ist die größte

der Welt. Betreiberin der beiden Masten ist die Deutsche Telekom.“

Am 20. August 2009 wurde der 324 m hohe Sendemast „Gartow 1“ in Anwesenheit von rd. 3 000

Schaulustigen gesprengt. Die rd. 2 000 Tonnen Stahl sind anschließend verschrottet worden. 19

Auf dem Höhbeck befindet sich eine rd. 10 km lange Wanderstrecke, die zu den schönsten Touren

gehört, die der Landkreis Lüchow-Dannenberg zu bieten hat. Im Sommer 2008 sind 1,1 km Wanderstrecke

sowie eine kleine Holzbrücke über den Thalmühlenbach instandgesetzt worden, wobei

es sich um einen besonders reizvollen Abschnitt handelt. Die neue Wanderstrecke wird vom Förderverein

„Wendland-Rundweg“ angeboten und vermarktet und gemeinsam mit dem Naturpark

Elbufer-Drawehn unterhalten.

Ausgrabungen durch Mitarbeiter des Archäologischen Instituts der Georg-August-Universität, Göttingen,

haben inzwischen zweifelsfrei ergeben, dass das Kastell „Huoboki“ identisch ist mit den

Aufzeichnungen aus den Annalen Karls des Großen – ein Bodendenkmal früher deutscher Geschichte.

509


Ökologie und Umwelt

Auf vielfältige Weise werden in Gartow und Umgebung umweltrelevante Themen behandelt und in

diesem Zusammenhang öffentliche und nichtöffentliche Aktionen oder Prozesse befördert.

Der Streuobsttag rund um die Kirche und das Evang. Forum bietet als Programmpunkt neben dem

Gottesdienst Vorführungen im Obstbaumschnitt, Früchteausstellung, Verkostung, Schaukochen,

Führungen bei der Fruchtsaftfirma Voelkel in Pevestorf, Besichtigungen von Streuobstwiesen, Beratungen,

Verkauf von Fachliteratur, Filmvorführungen sowie Essen, Trinken und Musikunterhaltungen.

Auch Obstbaumbestellungen sind möglich, ferner gab es Wildwurst vom Wildschlachter

aus Gartow, Wurst- und Käsespezialitäten aus dem Hofladen der Landschaftspflege GmbH Lenzen

und Erzeugnisse von der Wendlandbräu. Zur Finanzierung tragen der Naturpark Elbufer-Drawehn,

die Lottostiftung Niedersachsen, die Europäische Union und das Nieders. Umweltministerium bei.

Im Zusammenwirken mit dem B.U.N.D. (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), dem

NABU (Naturschutzbund Deutschland), dem Gewerbe- und Tourismusverein Gartow und der Biosphärenreservatsverwaltung

in Hitzacker sind in Gartow bisher 4 „Biostreuobsttage“ unter großer

Beachtung der Bevölkerung durchgeführt worden. „…Der Landschaftspflegeverband Wendland-Elbetal

und der Bio-Streuobstverein Elbtalaue als Veranstalter haben im Vorfeld die Wertschätzung

der alten Obstsorten zum zentralen Thema erklärt… Der B.U.N.D. informiert über die Bedeutung

von Obstbäumen für die ökologische Vielfalt und zeigt, wie Obst einfach gedörrt werden kann.

Beim Stand des NABU ist zu erfahren, wie man helfen kann, den Steinkauz wieder in der Region

anzusiedeln. Er ist der Charaktervogel der Streuobstwiesen und steht auf der Roten Liste als Vogelart,

die vom Erlöschen bedroht ist. Beliebt ist das Bestimmen von alten Obstsorten…“ 20

Im Oktober 1988 blickte der Bund für Vogelschutz (DBV) im Gartower Raum auf 15 Jahre erfolgreiche

Tätigkeit zurück, um z.B. dem Kranich- und dem Graugansbestand aber auch anderen

Vogelarten eine lebenswerte Umwelt zu bieten. Durch kluge Aufkaufpolitik wurden schutzwürdige

Flächen von Landwirten aufgekauft, Still- und Feuchtgewässer angelegt (bis 1988 = 215 ha).

Aufgrund eines Gutachtens von Prof. Horst Wilkens, Pevestorf, sind hierfür öffentliche Gelder zur

Verfügung gestellt worden. Seit 1983 unterstützt die Deutsche Lufthansa die Naturschutzarbeit,

da sie als Firmenlogo den Kranich verwendet. 1984 finanzierte die Deutsche Lufthansa im „Juwel-

Feriendorf“ Gartow eine Kranichschutzstation/Informationshaus, das inzwischen aber nicht mehr

besteht und als Wochenendhaus in private Hände übergegangen ist. 21

Dem Umweltschutzgedanken sehr verbunden ist auch die Elbtalschule in Gartow, die im Oktober

2007 schon zum 2. Mal eine Anerkennung als „Umweltschule in Europa“ erhielt. Belohnt wurden

damit die Bemühungen um das Naturschutzprojekt „Seeadler erleben“. Schülerinnen und Schüler

der Klassen 4a + b des Schuljahrganges 2005/06 erarbeiteten zudem eine Farbbroschüre

mit dem Titel: „Wo bitte geht’s zum Seeadler?“ NABU und Touristinformation liehen einen „Forschungsrucksack

“ an Kinder aus, die mit dem Inhalt u.a. auch die Wasserqualität z.B. der Seege

bestimmen können. Schon seit etwa 30 Jahren findet ein Mal jährlich in der Elbtalschule und der

Grundschule ein Umwelttag in Gartow statt, wobei Müllsammelaktionen im Vordergrund stehen.

510


Seeadler-Beobachtung in der Seege-Niederung

Im Oktober 2008 war das von der Ruth- und Klaus-Bahlsen-Stiftung finanzierte Seeadler-Projekt in

der Oberen Seegeniederung zu einem gewissen Abschluss gekommen:

Dazu gehören der Bahlsen-Seeadler-Aussichtsturm bei Nienwalde, die Anlage neuer Mäander sowie

eines neuen Gewässers von 1,5 ha Größe u.a. für Kraniche, Reiher, Störche und Schwäne,

die Durchführung von Umweltbildungsmaßnahmen und eine auf breiter Basis fußende Öffentlichkeitsarbeit.

Es sind im Bereich der Seege etwa 50 000 cbm Erdreich bewegt worden, unter anderem für

einen Fangdeich für die Entschlammung des Kleinen Gartower Sees. Die Elbtalschule in Gartow

verpflichtete sich auf 10 Jahre, die neu geschaffenen Gewässer regelmäßig biologisch und chemisch

zu untersuchen und vierteljährlich zu berichten. Die Schule erhielt hierfür entsprechende

Ausrüstung.

„…Im Beisein von Staatssekretär Eberl wurde der sogenannte Seeadler-Beobachtungsturm, nach

seinem Stifter Klaus Bahlsen benannt, seiner Bestimmung übergeben. Der Klaus-Bahlsen-Turm

ist Bestandteil des Projektes „Seeadler-Beobachtung in der Seegeniederung bei Gartow“, das von

der Ruth- und Klaus-Bahlsen-Stiftung mit 750 000 Euro gefördert wird. Den 15 m hohen Turm hat

sich die Stiftung rund 150 000 Euro kosten lassen… Oben vom Turm können die Besucher den

spektakulären Seeadler und andere Großvogelarten beobachten, ohne sie zu stören… Pünktlich

zur Einweihung waren alle Informationstafeln fertiggestellt, die Besuchern Wissenswertes über

das Projekt, die einzigartige Natur in der Oberen Seegeniederung, die heimische Tier- und Pflanzenwelt

und natürlich über den Seeadler vermitteln…. Das Engagement der Stiftung eröffne der

Samtgemeinde die Möglichkeit, neben Naturschutzaspekten wirtschaftliche, touristische und

strukturpolitische Ziele zu verfolgen …“ 21/22

2015: Beobachtungsturm bei Nienwalde

511


Quellen und Literatur

1. Samtgemeinderatssitzung vom 7.2.1969

2. Gerhard Eckert in: Die Deutsche Gaststätte – Deutsche Hotel-Zeitung vom 12.9.1970

3. Gesellschaft für Landeskultur, Bremen: „Forschungsvorhaben Lüchow-Dannenberg.

Land Niedersachsen.“,Bremen 1972, 117 S.

4. „Modellvorhaben Lüchow-Dannenberg – eine konkrete Hilfe für die Landwirtschaft?“,

Protokoll des ASG-Seminars in Gartow vom 22. - 24.11.1974

5. Kur- und See GmbH Gartow: „Sehenswertes in und um Gartow im Nationalpark Elbtalaue.

Herausgeg. anläßlich des 40-jährigen Bestehens des Fremdenverkehrsvereins Gartow und

Umgebung e.V.“, Gartow 1998

6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 16.5.2008

7. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.6.2008

8. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.6.2008

9. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.7.2008

10. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 31.7.1995

11. /

12. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 18.12.2008/9.2.2009

13. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 10.4.2008

14. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.6.2008

15. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.6.2008

16. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 24.7.2008

17. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 21.8.2009

18. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 26.9.2008

19. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 25.10.1988

20. Naturschutzbund Deutschland (NABU): „Naturschutz in der Elbtalaue“,

Hamburg 2006, S. 176

21. /

22. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 10.5.2006/Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.9.2007

512


Wasserwirtschaft

Trinkwasser

Hygienisch einwandfreies, sauberes Trinkwasser

ist zur Daseinsvorsorge der Bevölkerung

unerlässlich. Auch Gartow und die umliegenden

Gemeinden sollten davon profitieren. Die

nicht mehr zeitgemäße, auch unwirtschaftliche

örtliche Wasserversorgung war abzuschaffen.

An ihre Stelle trat eine moderne, überörtliche

Versorgung.

8.7.2008: Anzeige „Wasserverband Höhbeck“

Kulturbaumeister Schneider vom Wasserwirtschaftsamt Lüneburg erarbeitete mit Datum vom 9.

April 1967 einen „Generellen Entwurf für die Wasserversorgung im Raum Höhbeck“. Zu versorgen

waren damals 5 453 Einwohner in 21 Gemeinden, dazu 6 037 Stück Groß- und 4 091 Stück Kleinvieh.

In Ansatz gebracht wurde folgender Wasserbedarf:

50 Liter/Tag/Einwohner, Großvieh 35 Liter/Tag und Kleinvieh 10 Liter/Tag. Einschließlich Bevölkerungszuwachs

wurde ein Tageswasserbedarf von 643 cbm bzw. 235 000 cbm im Jahr errechnet.

Die beiden Rohrbrunnen auf dem Höhbeck waren in der Lage, täglich 1 200 cbm Wasser zu fördern

(im Jahr 440 000 cbm).

Es war geplant, etwa 92 km Rohrleitungen (90,3 km Kunststoffrohre Nenndurchmesser 10 cm

und 1,6 km Asbestzementrohre) verlegen zu lassen. Nach der Hebung des Wassers passierte es

die Filteranlage und gelangte in den Hochbehälter, von wo aus es mit natürlichem Gefälle in das

Versorgungsgebiet fließt. Die Gesamtkosten betrugen 1967 rd. 5 Mio. DM, davon die Hausanschlüsse

550 000 DM. Unter Zugrundelegung von öffentlichen Beihilfen wurde ein Wasserpreis

von 70 Pfennig je Kubikmeter ermittelt. Wichtig waren Zuschüsse, wie bereits im Vorfeld erbeten:

„Der Planungsraum umfaßt 21 ländliche Gemeinden im östlichen Teil des Landkreises Lüchow-

Dannenberg im unmittelbaren Zonengrenzbezirk. Zur Strukturverbesserung dieses Gebietes ist

es angezeigt, die Maßnahme baldmöglichst auszuführen und im oben genannten Umfange mit

Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln zu fördern.“

Die erwähnten 21 Gemeinden waren: Schnackenburg, Holtorf, Kapern, Gummern, Gartow, Quarnstedt,

Nienwalde, Restorf, Brünkendorf, Pevestorf, Vietze, Gorleben, Meetschow, Laasche, Grippel,

Pretzetze, Laase, Gedelitz, Dünsche, Pannecke, Ranzau, Liepe, Trebel, Marleben und Klautze.

Bereits am 23. Juli1969 war der Wasserbeschaffungsverband (WBV) Höhbeck gegründet worden,

dem damals die Stadt Schnackenburg und die Gemeinden Gartow, Gorleben, Laasche, Nienwalde,

Vietze, Brünkendorf, Restorf und Pevestorf angehörten. Infolge der Gemeindereform von 1972

musste mit Datum vom 7. September 1973 eine neugefasste Verbandssatzung ausgearbeitet werden,

weil nun die Samtgemeinden mit ihren Mitgliedsgemeinden als Rechtsnachfolger auftraten.

Nach dem Stand von Ende 1975 sind 5 160 Einwohner mit Trinkwasser versorgt worden. Es gab

136 km Rohrleitungen, 642 Hydranten und Schieber, 1 408 Hausanschlüsse, eine Druckerhöhungsanlage

und einen Hochbehälter mit 800 cbm Inhalt. Der WBV hatte in der Anfangszeit mit

wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.

513


Der Grund:

„…Ganz entscheidend beeinflusst ist die Erfolgslage durch die Höhe der Zinsaufwendungen, die

jeweils fast die Hälfte der gesamten Aufwendungen ausmachten. Sie sind durch die hohe Fremdfinanzierungsquote

als Folge der unzulänglichen Eigenkapitalausstattung bedingt.“ 1

Der Wasserbeschaffungsverband Höhbeck als Träger der Baumaßnahmen ließ ab 1970 ausgearbeitete

Pläne umsetzen, wobei zunächst das Wasserwerk auf dem Höhbeck das Kernstück war,

um den wertvollen Grundwasserschatz zu fördern. Die Wasserförderung erfolgte früher durch

Hausbrunnen. Auf dem Land waren dies Ziehbrunnen, wovon die beiden noch heute vorhandenen,

nicht mehr in Gebrauch befindlichen Exemplare auf dem Gutshof Quarnstedt zeugen. In Gartow

existierten Gemeinschaftsbrunnen. Anschauliche Relikte sind die Schwengelpumpen in der

Hauptstraße.

Im Rahmenplan Obere Elbe erscheint die Aussage:

„…Ein verhältnismäßig großer Anteil von

Einzelversorgungen ist im Landkreis Lüchow-

Dannenberg sowie im nordöstlichen Teil des

Landkreises Lüneburg zu finden. Noch heute

bestehen hier viele kleine gemeindliche Wasserversorgungsunternehmen.

Die verbandliche

Organisation der Wasserversorgung setzte im

östlichen Teil des Planungsraumes bis auf eine

Ausnahme (Wasserbeschaffungsverband Höhbeck)

allgemein später als in den übrigen Gebieten

ein …“ 2

Hinsichtlich des Mindestwasserverbrauches

waren je Person 2,7 cbm Wasser im Monat vorgesehen

oder für jede Tankstelle oder Ladengeschäft

4 cbm/Monat wie auch gewerbliche

Pensionen und Hotels 8 cbm/Monat und pro

Bett 0,5 cbm/Monat usw. Hinzu kamen Wasserzählergebühren

bis 5 cbm = 1 DM monatlich,

bis 7 cbm = 2 DM monatlich, bis 10 cbm

= 10 DM monatlich. Der Kubikmeterpreis für

geliefertes Wasser betrug damals „für den Mindestverbrauch

70 Pfennig und für den Mehrverbrauch

40 Pfennig.“ 3

2009: Schwengelpumpe zur Wasserversorgung vor

dem Haus Nr. 44 in der Hauptstr.

Am 20.8.1970 trat die Gebührenordnung des WBV Höhbeck in Kraft, welche die Anschlusskosten

und Mindestwasserverbrauch sowie Wasserzählergebühr regelt. Die Anschlusskosten richten sich

demnach gemäß der Lichtweite des Anschlusses: Durchmesser 1 Zoll (25 mm) = 650 DM, 1 ½

Zoll (38 mm) = 800 DM und 2 Zoll (50 mm) = 1200 DM.

Im Dezember 1972 wurde ein Sachstandsbericht abgegeben:

„…Hiernach wurden seit Baubeginn im Jahre 1969 bis jetzt insgesamt 58 217 m Wasserversorgungsleitungen

verlegt sowie rund 49 000 cbm Boden waren bei der Verlegung zweimal zu

bewegen. In den angeschlossenen Gemeindeortsteilen Vietze, Brünkendorf, Restorf, Pevestorf,

514


Gartow, Nienwalde, Holtorf, Gummern, Schnackenburg, Meetschow und Gorleben wurden bei der

Verlegung dieser Hauptversorgungsleitungen gleichzeitig 203 Unterflur- und weitere 5 Oberflurhydranten

eingebaut. Insgesamt wurden während dieser Baumaßnahmen in drei Bauabschnitten

rd. 2,6 Millionen DM verbaut und finanziert. Für das kommende Jahr sind nach diesem Bericht

folgende Baumaßnahmen vorgesehen: der Bau des erforderlichen Hochbehälters, die Einzäunung

des Grundstückes zwischen Vietze und Brünkendorf sowie die Verlegung der Hauptversorgungsleitungen

nach Grippel-Laase, Laasche, Dünsche, Gedelitz und Siemen. Für 1974/75 soll dann der

Anschluß nach Trebel, Marleben, Gedelitz, Liepe, Pannecke und Ranzau realisiert werden und die

Erweiterung des bestehenden Wasserwerkes und der Bau einer eventuell erforderlichen Druckerhöhungsstation

im Gorlebener Raum. Diese weiteren Baumaßnahmen wurden vom Sprecher

(Anm.: Bauingenieur Reinecke) mit etwa 2,4 Millionen DM beziffert…“ 4

Der Bau eines Wasserwerkes auf dem Höhbeck verschlang laut Finanzierungsplan vom 29. Oktober

1975 die zusätzliche Summe von 4,9 Mio. DM. Die Bauplanung betrieb das Ingenieurbüro

Preussner in Hamburg. 1993 sind Prezelle, Prezelle-Siedlung, Lanze und Lomitz an die Wasserversorgung

angeschlossen worden, Wirl sogar erst 2007.

In drei Bauabschnitten erfolgte die Realisierung:

Im 1. Bauabschnitt (Brünkendorf, Gartow, Restorf, Vietze).

„In Gartow sind die Hausanschlüsse in dem Ortsteil Springstraße fast fertiggestellt. Praktisch kann

dieser Ortsteil, nach dem Einbau der Wasseruhren und dem Anschluß an die Gebrauchsleitungen

innerhalb der Häuser, dann als fertiggestellt angesehen werden und sowie das Wasserwerk zur

Lieferung von Wasser in der Lage ist, mit Höhbeck-Wasser versorgt werden. So lange die Witterung

Erdarbeiten zuläßt, wird die Ausführung von Hausanschlüssen im Ortsteil Hahnenberge fortgesetzt

werden, um möglichst schnell die an den Spring angrenzenden Häuser der Hahnenbergerstraße

und das DRK-Altenheim mit Wasser versorgen zu können. Befürchtete Schwierigkeiten durch zu

hohe Grundwasserstände sind dank der verhältnismäßig guten Witterung und des günstigen Wasserstandes

bisher nicht aufgetreten. Es bleibt zu hoffen, daß solche Schwierigkeiten auch bei den

ferneren Arbeiten im Ortsteil Hahnenberge ausbleiben, um Zeitverluste und Kosten weitgehend

vermeiden zu können…“

Im 2. Bauabschnitt die Gemeinden Holtorf, Gummern, Nienwalde, Pevestorf, Schnackenburg.

Im 3. Bauabschnitt die Gemeinden Gorleben, Laasche, Laase, Meetschow.

1976 klagte eine Bürgerinitiative aus Gorleben gegen die Wassergebühren und 1982 weigerten

sich mehrere Grundstückseigentümer aus Kapern, sich an die Wasserversorgung anzuschließen.

Gewonnen wird das Trinkwasser aus drei Tiefbrunnen, die rd. 70 m unter Gelände in den Grundwasserkörper

hineinreichen, ein Tiefbrunnen ist 1995 wegen zu hoher Nitratbelastung geschlossen

worden. 5

Als der WBV Höhbeck 1977 die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes bei der Bezirksregierung

Lüneburg beantragte, versorgte dieser 23 Orte mit zusammen rd. 5500 Einwohner. Mit dem Bescheid

vom 14. April 1976 und dem Ergänzungsbescheid vom 14. Juni 1976 ist dem WBV eine

jährliche Wasserentnahme in Höhe von 453 600 cbm erlaubt worden. Mit Verordnung vom 27.

März 1981 erfolgte die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes für das Wasserwerk auf dem

Höhbeck. Bereits 1986 waren 11 Grundwassermeßstellen in der Nähe des Wasserwerks in Betrieb,

um eventuelle Beeinträchtigungen frühzeitig erkennen zu können.

515


1986 teilte der Geschäftsführer Axel Müller mit, dass von den bewilligten 440 000 cbm nur 350

000 cbm Wasser verbraucht wurden. 6

Am 20. März 1990 erhielt der WBV die Erlaubnis, aus dem Grundwasser jährlich bis zu 440 000

cbm (120 cbm/Std., 2000 cbm/täglich) zu fördern. Vor 1986 war diese Menge schon erlaubt gewesen,

ist aber mit 283 000 cbm (1981) nicht ausgeschöpft worden. 7

Abwasser

Wo Menschen siedeln und leben, fällt auch Abwasser an. Früher waren die Mengen gering und das

häusliche Abwasser war gering belastet.

Eine zentrale Abwasserentsorgung – ausgenommen die Regenwasserkanalisation – war nur in

Ballungsgebieten notwendig. Der ländliche Raum entsorgte sein Abwasser über Versickerung und

Gräben, die in den nächsten Bach oder Fluss mündeten. Meist reichte die Selbstreinigungskraft

der Natur aus, keine Umweltschäden entstehen zu lassen. Als sich Gartow anschickte, den Tourismus

auszubauen und den Gartower See herzustellen, war es nicht mehr tragbar, die Hausabwässer

und die der Gewerbebetriebe in die Seege oder in den damals vorhandenen kleinen Gartower

See zu leiten. Eine zentrale Abwasserbeseitigung wurde daher unumgänglich.

1985 ist festgestellt worden:

„…Abwassereinzugsgebiet „Seege“: Mit 144 qkm ist dies das kleinste Einzugsgebiet. Es erstreckt

sich entlang der Seege bis zur Mündung in die Elbe beim km 490. Mit den Kläranlagen Gartow (6

000 Einwohnergleichwerte) und Schnackenburg (700 EGW) sind hier nur zwei Einleitungen vorhanden.

In der Kläranlage Gartow wird das häusliche Abwasser aus dem Zwischenlager Gorleben

mitbehandelt.“ 8

Erste Ausbauschritte in Gartow erfolgten 1973:

„Am vergangenen Wochenende (Anm.: März 1973) rückte die Baufirma F. Schulz aus Uelzen in

Gartow an und hat inzwischen mit den Bauarbeiten des 1. Bauabschnittes die Kanalisations-Erdarbeiten

begonnen. Zunächst wurde an der Kreuzung Hahnenberger Straße und Springstraße

begonnen. Der reibungslose Verkehrsablauf in den jeweiligen Baustrecken soll möglichst erhalten

bleiben. Sollten wirklich Umleitungen erforderlich werden, stehen die Strecke Seegebrücke

– Kirchgartenweg – Nienwalder Weg – Hahnenberger Sraße zur Verfügung. Man hofft, in etwa

10 Wochen die Arbeiten dieses Bauabschnittes abgeschlossen zu haben ... Nach Fertigstellung

der ersten Baustrecke sollen die Bauarbeiten vom Postamt entlang der Bundesstraße 493 in

Richtung Hahnenberge fortgeführt werden. Am Quotum soll dann der Verfolg der Hauptleitung

zunächst über das „Neuland-Helk “ in Richtung auf das zu erstellende Klärwerk an der Abzweigung

Laascher Damm verlaufen. Wie die Samtgemeinde hierzu mitteilt, ist die Ausschreibung für den

Bau des Klärwerkes bereits erfolgt und die Submission und Vergabe soll in Kürze erfolgen. Es

wird damit gerechnet, daß hier nach den erforderlichen Erdarbeiten etwa Ende Mai, mit dem Bau

begonnen werden kann.“ 9

1977, also erst vier Jahre später, war das Vorhaben nur teilweise baulich umgesetzt worden: „…

Samtgemeindedirektor Hans Borchardt gab zu den anstehenden Beratungen über den geplanten

Weiterbau der vor 4 Jahren begonnenen Kanalisation einen ausführlichen Bericht. Der Rahmenentwurf

für diese Baumaßnahme wurde am 20. Juli 1973 mit einer Bausumme von 5,9 Millionen

DM beschlossen und vom Regierungspräsidenten in Lüneburg geprüft. Alle Finanzierungsgrundlagen

basierten bis jetzt auf einer Eigenbeteiligung von rd. 40%. Beim Beginn dieser Maßnahme

516


brauchte die Samtgemeinde dank hoher Zuschüsse nur eine Eigenbeteiligung von 30% aufzubringen.

Nach einer erneuten Einreichung eines Antrages auf Finanzierung eines weiteren Bauabschnittes

mit einem Volumen von 1 Mio. DM – dieser Antrag wurde zurückgegeben – soll nunmehr

rückwirkend die Eigenbeteiligung von 40 auf 42,7% festgesetzt werden.

Bauingenieur Udo Kloppmann vom Wasserwirtschaftsamt Lüneburg als Beauftragter seiner

Behörde erläuterte hierzu, daß die Heraufsetzung der Eigenleistung eine Folge der schlechten

Finanzlage des Landes sei und die nunmehr erhöhte Eigenbelastung betrage schließlich „nur“

160 000 DM. Die Fraktionsvorsitzenden (im Gartower Rat) Legner und Flöter bezeichneten diesen

jetzigen Zustand als einfach untragbar, man könne schließlich nicht im Nachhinein eine bisher

zugesagte Bezuschussung kürzen und damit das Gesamtwerk infrage stellen. Man habe auch

hier wieder den Anschein, daß die bisher gewährten hohen Zuschüsse nur als Köder für die Bevölkerung

gedacht waren. Bereits bei der Schaffung der zentralen Wasserversorgung hatte man

den vorgegebenen Wasserpreis auf 0,70 DM/cbm eingestuft, mit der Zusage, diesen Preis voraussichtlich

nach 2 - 3 Jahren zu senken. Tatsächlich aber wurde dieser Preis nach zwei Jahren

auf 1,25 DM/cbm erhöht und darüber hinaus noch eine Mindestabnahme in Rechnung gestellt.

Unter dieser Betrachtung müsse man von einem Vertrauensschwund sprechen … Die beiden Ratsfraktionen

beschlossen dann einstimmig, die Bauarbeiten einzustellen und die Verwaltung wurde

aufgefordert, weitere Verhandlungen mit den zuständigen Behörden aber auch den politischen

Vertretern dieses Raumes aufzunehmen …“ 10

Der Anschluss der Grundstücke erfolgte aufgrund der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke

und den Anschluß an die öffentliche Abwasseranlage vom 7.10.1974. 1977 war auch Nienwalde

angeschlossen.

Indessen musste der „Rahmenplan für das Abwasserbauvorhaben der Samtgemeinde Gartow“

überarbeitet werden. Das Ingenieurbüro Schulz und v.d.Ohe, Uelzen, legte mit Datum vom

19.12.1978 den geänderten Plan vor, der wiederum auf dem Rahmenentwurf vom 20.7.1973

basierte. Angeschlossen bzw. anzuschließen waren die Orte Gartow, Gorleben, Meetschow, Laasche,

Vietze, Brünkendorf, Pevestorf, Restorf und Nienwalde. Hier lebten nach dem Stand vom

31.12.1977 genau 2 634 Einwohner, von denen 1 800 an die Kanalisation angeschlossen waren.

Unter Berücksichtigung des Fremdenverkehrs wurde als Ausbaugröße die Zahl von 3 000 Einwohnern

festgelegt. Dieser und das geringe Kleingewerbe ergaben als weitere Ausbaugröße 366

Einwohnergleichwerte. Bei den Berechnungen ist ein Schmutzwasseranfall von 150 Liter pro Tag

und Einwohner zugrunde gelegt worden, was bei 3 000 Einwohnern 450 cbm/Tag bzw. 165 500

cbm/Jahr Schmutzwasser ergab. Hinzugerechnet wurde die gleiche Menge an „Fremdwasser“, so

daß mit 900 cbm/Tag gerechnet wurde.

Mit 10 Pumpwerken und 28 km Steinzeugrohren (davon 16 km Druckrohrleitung aus Kunststoff)

sollten die Abwasserströme dem Klärwerk vor Laasche zugeführt werden. Die Gesamtkosten sind

mit rd. 7,6 Mio. DM ermittelt worden, die voraussichtlichen Jahreskosten in Höhe von 886 000 DM

ergaben eine Belastung von 295 DM pro Einwohnergleichwert. Eine Erweiterung der Kläranlage

war nunmehr unbedingt erforderlich. („Bei Verdoppelung des jetzt vorhandenen Systems könnte

diese Kläranlage bei einer Raumbelastung von 0,4 kg biologischer Sauerstoffbedarf nach 5 Tagen

je Kubikmeter Belebungsraum ohne weiteres auf die doppelte Kapazität ausgebaut werden. Die

insgesamt verfügbare Reinigungsleistung wäre dann ca. 6500 Einwohner/Einwohnergleichwerte“).

517


Auf Grundlage des Rahmenentwurfes erfolgte schrittweise der weitere Ausbau der Kanalisation

und die Erweiterung der Kläranlage im Jahre 1983. Mit 1,6 Mio. DM erfolgte der Bau einer

Schlammentwässerung, Elektro-, Gebläse- und Notstromraum. Das Belebungsbecken hatte ein

Fassungsvolumen von 940 cbm, der Durchmesser des Nachklärbeckens beträgt 10 m. 11

Verschärfte Umweltauflagen führten zur Erarbeitung des „Abwasserbeseitigungsplans Untere Elbe

I“ vom Mai 1993, wobei „Aufgabe es ist, die Abwasserbehandlung nach überörtlichen Gesichtspunkten

zu ordnen, einheitlichen Anforderungen zu unterwerfen und sicherzustellen, daß durch

die Einleitung von Abwasser das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt und andere Nutzungen

nicht mehr als unvermeidbar eingeschränkt werden …“ 12

Nach dem Stand vom 31.12.1991 hatte die

Kläranlage Laasche einen Anschlussgrad von

84,3% erreicht. Angeschlossen waren Gartow,

Quarnstedt, Nienwalde, Laasche, Meetschow,

Gorleben, Restorf, Brünkendorf, Pevestorf und

Vietze. Ausgebaut war die Kanalisation für 6

000 Einwohner (2 558 Einwohner, dazu Gewerbe/Industrie

weitere 2 770 Einwohnerwerte).

Die Kläranlage hatte eine mechanische Reinigungsstufe

(Rechen, Langsandfang) und eine

biologische (1 Belebungsgraben, 1 Belebungsbecken,

2 runde Nachklärbecken). Ausgesondert

wurden im Abwasser enthaltende Nitrate

und Phosphate, das war die weitergehende

Reinigung. Der anfallende Klärschlamm wurde

in ein Silo mit 368 cbm Volumen befördert,

mit einer Siebbandpresse verdichtet und der

Restschlamm einer landwirtschaftlichen Verwertung

(Düngung) zugeführt. Das geklärte Abwasser,

rd. 140 cbm in 2 Stunden, wurde dem

Leipgraben/der Seege zugeführt. Um die Kapazität

der Kläranlage zu erhöhen, wurde eine

neuerliche Erweiterung erforderlich, die im Mai

2000 ihren Betrieb aufnahm. 13

Seit 2006 hat der Wasserbeschaffungsverband

Höhbeck die Abwasserbeseitigung im

Samtgemeindegebiet als neue, weitere Aufgabe

übernommen. Am 1.1.2006 trat auch die

4. Satzung zur Änderung der Satzung über die

Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die

Abwasserbeseitigung der Samtgemeinde Gartow

in Kraft.

Lageplan der Kläranlage Laasche

518


Binnenentwässerung Gartow-Nienwalde

Nachdem das Gebiet linksseitig der Seege zwischen Gartow und Nienwalde von 1974 - 1976 bedeicht

worden ist, zog diese Maßnahme zwangsläufig eine weitere nach sich:

Die Neuordnung der Binnenentwässerung. Das neu eingedeichte Gebiet umfasst rd. 518 ha, davon

408 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Als Gesamteinzugsgebiet wurde eine Fläche von 58,9

qkm ermittelt, wovon die beiden wichtigsten Vorfluter Prezeller Hauptgraben und Falkenmoorgraben

(auch als Bürgermoorgraben bezeichnet) allein 53 qkm entwässern. Die Entwässerung

erfolgte über eine Rohrleitung nahe des heutigen Haus des Gastes in den Gartower See (Bürgermoorgraben)

und in den Schloßteich (Prezeller Hauptgraben). Die übrigen, kleineren vorhandenen

Vorfluter entwässerten lediglich Gebietsgrößen von bis zu 2 qkm.

Ausbaugründe waren:

„Der Ausbau der Gräben wird erforderlich, weil die jetzige Vorflut durch den Deich unterbrochen

wird und eine Zuführung des Wassers zum Schöpfwerk erfolgen muß. Die vorhandenen Vorfluter

weisen zudem nicht die für eine landwirtschaftliche Nutzung optimale Entwässerungstiefe auf.“

Die Gräben zeigten ein ausgeglichenes Abflußverhalten, da sie überwiegend Waldflächen bis Wirl

hin mit durchlässigem Untergrund und gefällearme Niedermoorgebiet entwässerten.

Der Prezeller Hauptgraben wurde so dimensioniert, dass die Abführung eines Winterhochwassers

mit einer Abflussspende von 40 Litern/Sek./qkm möglich ist, wobei kurzzeitige Überflutungen in

Kauf genommen werden. Die Mittelwasserabflussspende liegt bei 3 Liter/Sek./qkm, so daß noch

eine Wassertiefe von 25 cm bei dieser Situation gewährleistet ist. Um den wertvollen Uferbewuchs

aus Eichen nicht zu zerstören, ist der Prezeller Hauptgraben als neu ausgebautes Gewässer umgelegt

worden, der vorhandene Lauf blieb bestehen, er erhält so viel Wasser, daß die Eichen stetig

mit Wasser versorgt werden.

Auch der Falkenmoorgraben ist für eine Abflußspende von 40 Litern/Sek./qkm ausgebaut worden.

Um den Erlenbruchwald nicht zu beeinträchtigen, wurde in diesen Vorfluter ein Kulturstau

eingebaut. Dieser hält einen konstanten Wasserstand zur Feuchterhaltung des Erlenbruchwaldes.

Entwässert werden die Flächen von Nienwalde bis Buchhorst mit dem Graben 1 und den Nebengräben

1.1., 1.2. und 1.3. Der Graben 2 entwässert den Schäferkamp, während die Gräben 3.,

3.1, 3.2 und 4 das Gebiet westlich der Bundesstraße 493 entwässern. Alle ausgebauten Gewässer

erhielten eine Böschungsneigung von 1:2 und Böschungsfußsicherungen mit Faschinenmaterial

sowie angepasstes Sohlengefälle. Eine Anzahl von Sohlübergängen und Durchlässen mußte

eingebaut werden.

Bei der Planung ist auf die Eigenhochwassergefährdung hingewiesen worden, die sehr selten eintreten

dürfte:

„…kann es zu einer Überstauung landwirtschaftlich genutzter Flächen kommen. Diese tiefgelegenen

Flächen bieten ausreichende Gewähr dafür, dass eine Gefahr bebauter Gebiete vermieden

wird. So können bei einem Ansteigen des Binnenwasserstandes auf NN +17,00 m bereits rd.

240 000 cbm Wasser gespeichert werden, bei einem Anstieg auf NN +17,50 cbm sogar 800 000

cbm. Dieser Speicherraum reicht aus, um alle denkbaren Hochwasserereignisse zu erfassen…“

Weiterhin ist der Bau eines Schöpfwerkes erforderlich geworden, wobei zwei vertikale Propellerpumpen

mit je 1,4 cbm/sek. Leistung zum Einbau kamen. Der Neubau erfolgte 1976. Als höchster

Binnenpeil wurde die Ordinate NN +16,00 m, als höchster bei mittlerem Binnenwasserzufluß die

Ordinate NN +15,70 m und der niedrigste Binnenpeil auf NN +15,35 m. Um Speicherraum zu erhalten,

ist die Sohlenbreite des Prezeller Hauptgrabens vor dem Schöpfwerk von 2,50 auf 6,00 m

aufgeweitet worden. Bei den Planungen wurde mit Gesamtkosten von rd. 1,7 Mio. DM gerechnet.

519


Hochwasserschutz

Der Schutz gegen unzeitige Hochwassereinflüsse begann mit dem Bau der Deiche, zunächst entlang

der Elbe und bedingt durch den Hochwasserrückstau auch an der Seege. In älteren Landkarten

und Urkunden ist zwischen Schnackenburg, Gartow, dem Höhbeck und der Elbe auch die Insel

Krummendiek eingezeichnet und erwähnt worden – umflossen von Elbarmen, aber wohl damals

schon ganz oder teilweise bedeicht. Darauf weist auch die 1360 gebrauchte Bezeichnung „Werder

“ hin. Es ist jedoch nicht mehr bekannt, welche Ausformung die ehemalige Insel hatte. Vermutet

wird ein Verlauf orientiert an der NN +17,50 m-Geländehöhenlinie. Möglicherweise gab es bereits

um 1300 einen gewissen Abschluss in der Bedeichung, ohne daß Genaues aus der damaligen Zeit

zu erfahren ist. Die Datierung zur Erstanlage von Deichbauten befindet sich mangels konkreter

Quellen immer noch im geschichtlichen Dunkel, v.a. im Landkreis Lüchow-Dannenberg 14/15/16

Nach alten Kartendarstellungen hat es eine um 1700 bestehende Deichlinie nördlich der Seege,

beginnend bei Brünkendorf bis nach Quarnstedt gegeben. Zwischen Restorf und Quarnstedt war

der Deich vermutlich wegen ausreichender Geländehöhe ausgespart, wie auch der Seegedeich in

Quarnstedt endete und keine Fortsetzung in Richtung Kapern erfuhr. 17

Erst später kam es zur Verlängerung des hier rechtsseitigen Seegerückstaudeiches. Dieser wurde

als „Der neue Teich“ bezeichnet, im Gegensatz zum vorhandenen, der als „Schreiber-Deich“

bekannt war. Auf der linken Gartower-Seite gab es um 1700 keine geschlossene Deichlinie, wohl

aber Teilstücke, da im Elsebusch nahe Gartow zu einem unbekannten Zeitpunkt ein Deichbruch

erfolgte. Weitere Deichteilstücke befanden sich am Schäferkamp, zwischen dem Nienwalder Weg

und der Ortsbebauung Gartow und vor dem Bau des Schlosses am ehemaligen Burggraben.

Eine Hochwasserschutzfunktion übernahmen nach ihrer Fertigstellung die Landstraße Meetschow-Gartow,

die Spring- und Hauptstraße, der Nienwalder Weg, die Hahnenberger Straße und

der Buchhorstdamm. Diese Bauten verhinderten im unterschiedlichen Ausmaß Überflutungen von

Gemarkungsteilen, waren jedoch kaum geeignet, Qualmwasser-Überflutungen zu vermeiden. Da

der Hochwasserschutz in Gartow endete, wirkte sich der Rückstau ungehindert seegeaufwärts

bis über Nienwalde hinaus aus. Bei hohen Hochwassern ist das gesamte Gebiet zwischen Buchhorstdamm

und Ortslage Nienwalde überschwemmt worden, die nach Nienwalde führende Straße

war dann unterbrochen. Es mußte ein großer Umweg durch den Gartower Forst nach Nienwalde

zurückgelegt werden.

In der Vergangenheit hat es im Raum Gartow und in Gartow selbst zahlreiche Deichbrüche gegeben

wie der Schnackenburger Oberamtmann Joachim Friedrich Koenemann berichtet. z.B.

1770: „Das Hochwasser stand in Gartow wochenlang in den Häusern und zwang die Bürger, Boote

zu benutzen, wenn sie zum Schlosse wollten“ und im März 1771: „Am 27. März 1771 brach bei

Schönberg in der Altmark infolge einer Eisstopfung der Elbdeich an mehreren Stellen. Ein Teil des

Wassers ergoß sich in den Aland. Auch der linke Alanddeich brach und nun strömten die Wassermassen

ins Seegetal. Der damalige Amtmann Koenemann, Schnackenburg, schrieb darüber:

Am 29. März kam dieses Wasser des Abends um 8.00 Uhr zu Gartow an und fiel die dasige große

Seegebrücke mit solcher Heftigkeit an, daß sie des anderen Morgens um 2 Uhr gesprengt und

alles aus dem Grunde mit fortgerissen war. Die eingestürzte Brücke war eine steinerne Brücke mit

12 - 14 Fuß (1 Fuß = 0,291 m). Bogenweite. Das Wasser ist daselbst mit solcher Kraft angedrungen,

daß die Meetschower Deiche auf 32 Ruthen (1 Ruthe = 4,66 m) lang durchbrochen und viele

von denen davor gestandenen Eichbäume mit fortgerissen und oberhalb bei Restorf drei Brüche

in den Deich gemacht hat ...“

520


Die Hauptstraße in Gartow wurde 1775 aufgehöht, wohl als Folge der Deichbrüche des Jahres

1771. Das Gelände südlich der Hauptstraße und deren Bebauung ist bei Hochwasser regelmäßig

überflutet worden, weil der aus dem Gartower Forst zufließende Prezeller Hauptgraben, der zwischen

Haupt- und Springstraße in die Seege mündete, im Abfluß nicht behindert werden konnte.

Hier drückte unter der Hauptstraße der Rückstau durch und überflutete die als „Der Graben“

bezeichnete Rinne längs des Nienwalder Weges. Beim Ausbau des Gartower Sees ist die Einmündung

des Prezeller Hauptgrabens an den heutigen Schöpfwerksstandort verlegt worden. Ebenso

erhielt der Bürgermoorgraben eine andere Fließrichtung, ebenfalls zum Schöpfwerk hin.

1783 kam es zu einem Deichbruch unmittelbar am Gut Quarnstedt, sowie 1835 und 1838 in der

Ortslage Gartow, vermutlich Am Helk. Der Schäferkampsdeich ist 1841, 1845, 1855 und 1888

gebrochen. Wohlgemerkt, es handelt sich hier um Hochwasser mit Deichbrüchen aber es hat fast

jedes Jahr Hochwasser stets mit Überflutungen aber ohne Deichbrüche gegeben. Sie erreichten

mitunter gefährliche Höhen wie im Jahr 1785: „1785, 30. April war das Wasser so groß, daß es

bis Schönberg sein Haus stand und diesseits die Straßenränder von einem Ende bis zum anderen

voll waren.“

Bei den folgenden Hochwassern mit Deichbrüchen war Gartow nicht direkt betroffen aber die

Marschbewohner: 1654, 1771, 1783, 1784, 1814, 1855 und 1862.

1976: Binnenentwässerung Gartow-Nienwalde, Gewässernetz

521


„…Bereits am 10. Februar 1862 fing der Stresower Seegedamm, der eigentlich kein herkömmlicher

Deich und zudem auch schwer zugänglich war, ab 5 Uhr abends an überzulaufen. In der

Zwischenzeit, als Deichverteidigungsmaterial herangeschafft wurde, brach der Deich. Das einströmende

Wasser lief über Gummern und Kapern nach Schnackenburg und suchte sich den weiteren

Weg nach Restorf. Schon einen Tag vorher brach „vor Cantors Garten“ (heute Tankstelle Springstraße)

ein Damm, der sich am Nordrand des östlichen Teils der heutigen Springstraße hinzog und

an dessen Verstärkung man vier Tage gearbeitet hatte. Diese Stelle war in der Folgezeit stets ein

kritischer Überlaufbereich. Am 13. Februar stand das Wasser teilweise fußhoch in den Häusern

von Gartow, Stellagen für den Fußgängerverkehr mußten aufgebaut werden. Das Wasser stand

nur 30 Zentimeter niedriger als beim Hochwasser 1855…“ 18

Das letztere Hochwasser brachte dennoch Auswirkungen auf Gartow:

Um 1880/1900 existierte beim Gut Quarnstedt, beginnend in Richtung Nienwalde direkt nördlich

der Seege, ein weiterer niedriger Sommerdeich, eher eine Verwallung, um dortige Grünlandareale

zu schützen. Die Ortslage Gartow selbst lag ohne Hochwasserschutz im Rückstaubereich der

Elbe bzw. Seege, wobei die durch Gartow führenden Straßendämme eine gewisse Deichfunktion

übernahmen. Möglicherweise haben Hochwasser der Vergangenheit nicht die heutigen Höhen

erreicht, so dass damals der Hochwasserschutz als ausreichend betrachtet wurde. Dies wird verdeutlicht

an den gegenwärtigen Höhenordinaten der Straßenkronen: die Springstraße weist Höhen

zwischen NN +19,11 m und NN +19,34 m auf, die Hauptstraße zwischen NN +19,05 und

NN+19,39 m, an der Kirche gar NN +19,87 m, die Hahnenberger Straße von NN +19,50 m Höhe

Nienwalder Weg, auf NN +20,50 m zum Ortsausgang ansteigend.

Weitere bedeutende, auch Gartow betreffende Elbehochwasser, ereigneten sich 1876,

1881, 1888, 1895, 1920, 1926/27, 1940/41, 1946, 1947, 1954, 1958, 1965 und 1974/75,

2002,2006,2011 und 2013. 19

Der Dienst an den Deichen – überwiegend Instandsetzungsarbeiten – war in Gartow bereits eine

althergebrachte Übung: „Ein jeder Bürger des Fleckens Gartow, er habe eine volle oder halbe

Bürgerstelle, ist von Alters her schuldig, bei des Hauses Gartow Deichen jährlich 6 Tage zu dienen,

nämlich 1.) im Frühjahr 3 Tage, 2.) im Herbst 3 Tage und zwar solchergestalt, daß diejenigen ,

welche (Pferdebe-) Spannung haben ohne Ausnahme mit dem Spann – die übrigen aber mit der

Hand diesen Dienst verrichten müssen. Insofern solcher in einem Jahre nicht ganz abgeleistet

wird, müssen sie die nicht abgedienten Tage in dem folgenden Jahre nachdienen …“ Diese Deichdienste

werden die Gartower Bürger jedoch überwiegend am Seegerückstaudeich bei Quarnstedt

und weniger am Elsebusch, Helk oder Schäferkamp abgeleistet haben. Der jeweils amtierende

Bürgermeister führte dabei die Aufsicht und war von diesem Dienst daher befreit. 20

Beim Sommerhochwasser im Juli 1954, als bei Gummern am Danks- und Köster-Brack gefährliche

Rutschungen auftraten, ist auch der Buchhorstdamm auf 765 m Länge um einen Meter aufgehöht

worden. Da eine Durchweichung des Notdeiches drohte, wurde er verstärkt. Hierbei halfen

Feuerwehrleute und Bundesgrenzschutz-Einheiten. Mit der Errichtung des Notdeiches konnten

etwa 300 ha vor einer Überflutung geschützt werden.

Als der Gartower See geschaffen wurde, ergab sich die günstige Gelegenheit, mit dem Aushub

erstmalig eine Deichlinie – den linksseitigen Seegerückstaudeich – von Nienwalde bis Gartow

auf 7,3 km Länge zu realisieren. Mit Datum von 29. August 1974 legte das Wasserwirtschaftsamt

Lüneburg den „Bauentwurf für die Hochwasserbedeichung Gartow-Nienwalde“ vor, der sofort bau-

522


lich umgesetzt worden ist. Mitten hinein in die Bauarbeiten ereignete sich das Elbehochwasser

Dezember 1974/Januar 1975 und brachte diese zum Erliegen. Der neue Deichkörper aus verdichtetem

Aushubsand des Gartower Sees erhielt eine schützende Lehmdecke mit Grasnarbe, beidseitige

Böschungen von 1:3-Neigung und eine ausreichende Höhe von durchgehend NN +19,80

m bei 3 m Deichkronenbreite. Der Nienwalder Weg in Gartow wurde in den Deich integriert und

entsprechend erhöht. Der Schloßkomplex mit Schloßgarten verblieb auf Wunsch des Grafen v.

Bernstorff außerhalb des neuen Deiches. Mit dem See- und Deichausbau verbunden war eine

Aufhöhung des Geländes im Bereich der Ortslage Gartow und die Schaffung eines Promenadenweges

auf der neuen Deichkrone. Hierdurch erhielten 518 ha Fläche und die Ortschaften Gartow

und Nienwalde erstmalig vollen Hochwasserschutz. Die Baukosten beliefen sich auf rd. 2 Mio. DM.

Nach Vollendung des Deichbaues im Jahr 1976 erweiterte sich die hochwassergeschützte Fläche

des Gartower Deich- und Wasserverbandes um gut 518 ha. 21

Seit 1975 ist bis 1986 und erneut von 2006 bis 2007 der rechtsseitige Seegerückstaudeich von

Brünkendorf bis Kapern ausgebaut, erhöht und von Kapern bis zur Landesgrenze erstmalig errichtet

worden. 22

Der linksseitige Rückstaudeich Gartow-Nienwalde wurde jüngst auf ganzer Länge nacherhöht, da

sich der Bemessungswasserstand zwischenzeitlich veränderte und eine neue Deichkronenhöhe

von NN +20,15 m, im Bereich der Ortslagen von NN + 20,35 m festgelegt wurde. Die sehr hohen

Elbehochwasser von 2002, 2006, 2011 und 2013 zeigten das Erfordernis eindringlich. Zusätzlich

ist auch der Schloßkomplex Gartow komplett eingedeicht worden (seit 2009/10). 23/24

In den aktuellen Hochwasserschutz wird 2012/13 auch die Aufhöhung des Deiches am Südufer

des Gartower Sees einbezogen. Grundlage ist der Antrag auf Planfeststellung des Gartower

Deich- und Wasserverbandes zur Sicherstellung des Hochwasserschutzes von Nienwalde bis Gartow

durch Erhöhung und Verstärkung des linksseitigen Seegerückstaudeiches vom 19.03.2009.

Bereits im Januar 2011 trat erneut ein Elbehochwasser auf, das in der Höhenskala denen von

2003 und 2006 ähnlich war. Und unmittelbar darauf, im Juni 2013, ereignete sich ein weiteres Elbehochwasser;

es brachte für die Seegeniederung und für Gartow einen neuen Rekord-Pegelstand

(2002 = NN + 19,10 m, 2006 = NN + 19,14 m, 2013 = NN +19,82 m in Gartow gemessen).

Beim Hochwasser 2013 wurde von der Berufsfeuerwehr Frankfurt/M. ein neues Deichsicherungssystem

„Aquariwa“ auf 1,5 km Länge an der Südseite des Gartower Sees erfolgreich erprobt.

Auf die Deichkrone gestellte Kunststofftonnen, mit Wasser gefüllt, ergaben eine sichere Deicherhöhung.

Nennenswerte Schäden sind im Gartower Bereich nicht entstanden. Die eingesetzten

Katastrophen-Einheiten (Feuerwehr, Arbeiter Samariter Bund, Johanniter, Deutsche Gesellschaft

zur Rettung Schiffbrüchiger, Technisches Hilfswerk ) waren in der Elbtalschule untergebracht und

konnten die dortige Infrastruktur (Fotokopierer, Fax, Telefon) dankenswerterweise ohne Einschränkung

benutzen. Auch die Küche stand zur Verfügung, so dass die Johanniterhilfe aus Frankfurt und

Trier die Helfer ohne Probleme versorgen konnten. Die Bevölkerung brachte sich wieder vielfältig

ein: Lebensmittel- und Kuchenspenden, Sandsäcke befüllen oder die Deichsicherheit im Auge behalten

– Aufgaben, die unkompliziert ohne großen Organisationsaufwand übernommen wurden.

Seit 2009 ist die Samtgemeinde Gartow Mitglied in der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft: „Hochwasserpartnerschaft

Elbe“ zur Verbesserung des Hochwasserschutzes.

523


2012: Deichausbauquerschnitt zur Erhöhung des Deiches in der Gartower Ortslage

2012: Deichausbau am Gartower See

524


Quellen und Literatur

1. Wasserbeschaffungsverband Höhbeck. Abschlussprüfung 1973, 1974 und 1975, S. 26

2. Der Nieders. Umweltminister: „Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan Obere Elbe-Entwurf“

Hannover 1985, S. 26

3. Gartower Heimatbote vom 29.10.1970

4. Gartower Rundschau vom 5.1.1973

5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 6.6.1996, 20.4.1986

6. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 22.4.1976, 13.7.1982

7. Der Nieders. Umweltminister: „Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan Obere Elbe-Entwurf“

Hannover 1985, S. 27 - 29

8. Der Nieders. Umweltminister: „Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan Obere Elbe-Entwurf“

Hannover 1985, S. 99 - 111

9. Gartower Rundschau vom 15.3.1973

10. Gartower Höhbeck-Rundschau vom Oktober 1977

11. Gartower Höhbeck-Rundschau vom Oktober 1977

12. Bezirksregierung Lüneburg: „Abwasserbeseitigungsplan Untere Elbe I“ vom Mai 1993, S. 4

13. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 14.12.1995, 20.10.2001

14. /

15. /

16. Pudelko, Alfred: „Von der Insel Krummendiek“ in 3. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises

Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1972, S. 31 - 44) Pudelko, Alfred: „Hochwasser-Deiche“

in: 3. Jahresheft des Heimatkdl. Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1972,

S. 139 - 141

ders.: „Hochwasser/Deiche“ in: 7. Jahresheft des Heimatkdl.

Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg, Lüchow 1979, S. 73 - 83

17. Meibeyer, Wolfgang: „Das Gartower Gefilde am Ende des 17. Jahrhunderts. Faksimile-Ausgabe

einer Landkarte von 1695“, Lüchow 1994 – Heft 9 der Schriftenreihe des Heimatkdl.

Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg

18. Puffahrt, Otto: „Das Deichwesen im Gartower Deich- und Wasserverband“, Lüneburg 1978,

S. 35 - 53

19. Puffahrt, Otto: „Historische und neuzeitliche Hochwassergeschehnisse für Hitzacker und die

Jeetzelniederung “, Dannenberg 2008

20. Puffahrt, Otto: „Gräflich von Bernstorffsches Dienstregister 1832 - 1833 für den

Raum Gartow“, Lüneburg 2003, S. 85 - 87

21. Puffahrt, Otto: „Dokumentation zur Sanierung der Elbe- und Rückstaudeiche im Regierungsbezirk

Lüneburg. – Stand Sommer 1977“ in: Neues Archiv für Niedersachsen, Heft 2, 1978,

S. 178 - 183

22. Puffahrt, Otto: „Deichbau im Gartower Deich- und Wasserverband 1975 - 1985 “

Herausgeg. vom Wasserwirtschaftsamt Lüneburg für den Gartower Deich- und Wasserverband,

Lüneburg 1986

23. /

24. Puffahrt, Otto: „Unruhige Tage an der Elbe und der Seege. Das Sommerhochwasser im

August 2002 im Raum Gartow-Schnackenburg “, Gartow 2002

ders.: „Hochwasseralarm 2006 in der Seegeniederung.

Text- und Fotobericht vom Elbehochwasser 2006“, Lüchow 2006

525


Das Gorleben-Problem

Im Gefolge der Kernforschung ab 1899 und der 1939 von Otto Hahn und Friedrich Strassmann

entdeckten Kernspaltung, die zunächst militärischen Zwecken diente, sind ab 1956 in Deutschland

Kernforschungszentren und ab 1957 Kernreaktoren (Atomreaktoren) in Betrieb genommen

worden. Letztere dienten der Energieerzeugung. Deren abgebrannte, verbrauchte Kernbrennstäbe,

hochradioaktiv sowie die mehr oder minder radioaktiv belasteten Ausrüstungs- und Betriebsgegenstände

sind wegen der extrem langzeitigen radioaktiven Strahlung hochsicher über sehr

lange Zeiträume endzulagern. Ein Teil dieser Hinterlassenschaften kann einer Wiederaufarbeitung

zugeführt werden. Derartige schwachbelastete Abfallstoffe sind im Salzbergwerk und Versuchslager

Asse II eingelagert worden, welches seit 1978 geschlossen ist.

Als Ersatz für schwach – aber insbesondere hochradioaktive Kernbrennstoff-Abfälle, die sog.

Halbwertszeiten von mehr als 1000 Jahren aufweisen, erfolgte die Suche nach einem weiteren

Entsorgungsstandort. Hierbei schienen unterirdische Salzstöcke am geeignetsten zu sein und

ein solcher befindet sich im Raum Gorleben, der sich unter der Elbe bis nach Lenzen hinzieht.

Anzumerken ist hierbei, dass der Rudower See bei Lenzen durch einen großen Salzeinbruch entstanden

ist. Der Gartower Salzstock ist aus seiner geologischen Gegebenheit heraus für die Einlagerung

von hochradioaktiven atomaren Resten ungeeignet – was von kritischen Geologen auch

bereits vor den Probebohrungen angemerkt worden ist. Im Übrigen lagern in etwa 3000 m Tiefe

Kohlenwasserstoffe (Gas). Der Salzstock wird auf seine Eignung hin aufwendig erkundet. Es ist ein

Erkundungsbergwerk mit einem Kostenaufwand von rd. 600 Mio. Euro eingerichtet worden sowie

später auch ein obertägiges Zwischenlager für abgebrannte Kernbrennstäbe, in dem dieses Material

über längere Zeit bis zur Endlagerung abkühlt.

In einer Informationsschrift der „Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für

Abfallstoffe mbH (DBE)“ (Stand 1991) wird allgemein mitgeteilt: „Seit 1979 wird der Salzstock

Gorleben auf seine Eignung als Endlager für alle Arten fester radioaktiver Abfälle untersucht. Die

Ergebnisse der vierjährigen Erkundung von über Tage reichten für eine endgültige Beurteilung

nicht aus. Sie waren aber so umfassend, daß 1983 die Inangriffnahme der untertägigen Erkundung

beschlossen werden konnte.

Die DBE hat danach mit den Arbeiten zur untertägigen Erkundung begonnen. Über Schächte und

Strecken soll der Salzstock in 840 m Tiefe großflächig erschlossen und geowissenschaftlich untersucht

werden. Die untertägige Erkundung wird bis zum Ende dieses Jahrzehnts dauern. Bei

Feststellung der Eignung des Salzstockes Gorleben könnte dann das für die Errichtung und den

Betrieb eines Endlagers notwendige Planfeststellungsverfahren weiter durchgeführt werden. Ein

Planfeststellungsbeschluß wäre frühestens 2003 möglich. Bei positivem Bescheid könnte das

Endlager im Jahre 2008 in Betrieb gehen.“ 1

Die Diskussion über die Eignung hält bis heute (2012/13) an.

Zum Endlagerbergwerk wird mitgeteilt:

„…Die Errichtung des Endlagerbergwerks wird etwa sechs Jahre dauern. Der Einlagerungsbetrieb

im Endlager beginnt nach Erteilung der Betriebsgenehmigung … Der Betriebszeitraum des Endlagers

beträgt nach heutigem Planungsstand ca. 70 Jahre … Schacht 1 wird einziehender Wetterschacht

sowie Schacht für Salzförderung, Seilfahrt und Materialschacht; Schacht 2 wird ausziehender

Wetterschacht und Schacht für Transport der Abfallgebinde sowie für gelegentlichen

Transport von Maschinenteilen ... Unter Tage müssen die erforderlichen Strecken aufgefahren und

526


die jeweils benötigten Einlagerungshohlräume hergerichtet werden. Die Einlagerungssohle könnte

bei ca. 870 m liegen, eine mögliche 2. Einlagerungssohle für Streckenkammern bei ca. 900 m. ...

Für die Einlagerung der verschiedenen Abfallarten sind getrennte Einlagerungsfelder vorgesehen.

Als Einlagerungstechniken kommen die Stapeltechnik, die Bohrlochtechnik und die Streckenlagerung

in Betracht. Wärmeentwickelnde Abfälle sollen in Bohrlöchern in Staßfurt-Steinsalz, Abfälle

mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung im Leine-Steinsalz endgelagert werden …“

Beide Schächte sind ab 1986 niedergebracht worden, wobei Schacht 1 eine Endteufe von 940 m

und Schacht 2 eine von 840 m erhielt. Etliche Streckenauffahrungen (Gänge) führen von beiden

Schächten untertage zwischen 820 und 940 m Tiefe in die Umgebung. Bei 258 m unter Gelände

endet das Deckgebirge und beginnt die Salzformation, die sich tiefer als 940 m darunter erstreckt.

Gemäß einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen

wurde die Erkundung am 1. Oktober 2000 vorläufig eingestellt, um Zweifelsfragen bei der

Endlagerung zu klären. Der als Erkundungsmoratorium bezeichnete Baustopp soll zunächst auf 3

bis 10 Jahre begrenzt sein. Wie es danach weitergeht, ist mit zwei Sätzen gesagt: „Eine abschließende

Eignungsaussage kann nur nach Abschluss der Erkundung getroffen werden. Hierfür wären

nach Aufhebung des Moratoriums noch rund fünf Jahre notwendig.“ 2

Bis heute erfolgen in dem Gorleben ähnlichen ehemaligen Salzbergwerk Asse II Laugenzuflüsse

und Einstürze von Salzkammern wie auch die vorgenommene Einlagerung von schwach- bis mittelradioaktiven

Abfällen unsachgemäß vorgenommen wurde. Wegen verschiedener Ähnlichkeiten

zwischen Gorleben und Asse II entzündete sich sofort wieder eine Grundsatzdiskussion zur Eignung

des Salzstockes Gorleben über sehr lange, dem Menschen kaum vorstellbare Zeiträume.

Das Bundeswirtschaftsministerium sah zu Beginn des Jahres 2009 die Endlagerfrage technisch

gelöst“, das Bundesumweltministerium dagegen nicht. 3/4

Währenddessen fällt stets neue radioaktiver Abfall an oder muß aus Frankreich (La Hague) nach

der Wiederaufbereitung zurückgeholt werden.

Die Energieversorgungsunternehmen rechnen mit einem Aufkommen von rd. 22 000 cbm hochradioaktivem

Abfall bis zum Jahre 2040. Da in den 17 in Betrieb befindlichen Kernkraftwerken

beständig neuer radioaktiver Abfall anfällt, die Endlagerfrage aber bisher noch nicht politisch gelöst

ist, müssen diese bei den Kraftwerken auf Zeit zwischengelagert werden. Aufgrund bestehender

Vertragspflichten mußten hochradioaktive Abfälle schon vorzeitig gelagert werden. Hierfür ist

übertage auf dem Gelände gegenüber dem Bergwerksgelände Gorleben eine große Lagerhalle

mit natürlicher Belüftung errichtet worden, in der inzwischen über 80 sogen. Castor-Behälter hitzeabklingend

stehen. Dieser Betriebsteil wird als Zwischenlager bezeichnet. Im November 2008

erschien die Meldung: „… Neben den noch 33 Behältern aus La Hague/Frankreich werden voraussichtlich

zwischen 2014 und 2017 in vier Transporten weitere 22 Behälter aus dem britischen

Sellafield geliefert.“ 5

In den technisch hoch entwickelten Transportbehältern, die gegen fast alle Fährnisse gewappnet

sind, befindet sich der hochradioaktive Abfall, der per Eisenbahn bis zum Bahnhof Dannenberg Ost

gebracht und dort auf Tieflader umgeladen wird. Unter Polizeischutz werden die Behälter auf der

Straße nach Gorleben gebracht. Beim Transport kommt es regelmäßig zu spektakulären Aktionen,

527


die in der Regel gewaltfrei verlaufen. Die Gorlebengegner sehen es als ihre Pflicht an, auch noch

30 Jahre nach der Standortbenennung ihre Kritik an der Salzstockeignung öffentlich zu machen.

Die Energieversorgungsunternehmen halten eine Inbetriebnahme des Endlagers im Salzstock

Gorleben ab etwa dem Jahr 2025 möglich. Realisiert worden ist auch noch nicht die sogen. Pilot-

Konditionierungsanlage in Gorleben, in der die Abfallstoffe aufbereitet werden sollen. Mit Jahresbeginn

2010 wurde die Diskussion um die Eignung des Endlagers Gorleben nach Aufhebung

des zehnjährigen Moratoriums von 2000 - 2010 wieder eröffnet. Die Bundesregierung plant eine

„ergebnisoffene“ Untersuchung nach Atomrecht, was Kernkraftgegner zum erneuten Widerstand

treibt.

Die Benennung Gorlebens als vorläufiger Standort für ein nukleares Entsorgungszentrum durch

den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht am 22. Februar 1977 veränderte

schlagartig das bis dahin allgemein ausgeprägte Meinungs- und Weltanschauungsbild. Quer

durch die Gesellschaft formierten sich zwei Lager, die der Kernkraftbefürworter und die der -gegner.

Zudem wurde die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch die bundesdeutschen, z.T. auch

ausländischen Medien auf die gesamte Kernenergie-Problematik gelenkt und immer wieder entzündete

sich ein Expertenstreit um die Eignung des Salzstockes Gorleben als Endlager, der auch

nach 40 Jahren nicht abgeebbt ist. Sofort nach dieser Entscheidung formierte sich im Landkreis

eine Protestbewegung, deren Mitglieder gemeinhin als Kernkraftgegner bezeichnet wurden. Es

kam zu gewalttätigen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Obwohl die Landesregierung

1979 den Bau eines nuklearen Entsorgungszentrums für politisch nicht durchsetzbar erklärte und

stattdessen Gorleben als Zwischen- und Endlager für radioaktive Abfälle benannte, beruhigten

sich die Gemüter nicht. Die politische Brisanz des gesamten Vorhabens zog von Beginn an die Aufmerksamkeit

aller Medien auf sich und führte zu einer Flut von Berichterstattungen, Kommentaren

und Erklärungen. In den Medien gezeigte Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften

und Kernkraftgegnern führten dazu, daß ein Teil der Feriengäste den Raum Gartow, ja sogar den

ganzen Landkreis als Urlaubsziel mied.

Jedes Mal, wenn ausgediente Kernbrennstäbe von außerhalb in das Zwischenlager Gorleben gebracht

werden, ergeben sich Auseinandersetzungen zwischen Polizeikräften und Protestierern.

Blockaden auf dem Schienen- und Landweg sorgen stets für zeitliche Verzögerungen beim Antransport,

der von hunderten, in einzelnen Fällen von tausenden Sicherheitskräften mit großem

technischem und finanziellem Aufwand begleitet wird. Diese Umstände werden auch künftig andauern.

An der Gorleben-Frage entzündeten sich auch grundsätzliche Fremdenverkehrsorientierungen.

Kernkraftgegner argumentierten, daß Naturschutz und Fremdenverkehr einerseits und die Betreibung

von Kernenergieanlagen andererseits auf so geringer Distanz absolut unvereinbar seien.

Zudem könne durch Schaffung von erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen des

Gorleben-Projekts und zu befürchtender nachhaltiger Beeinträchtigung für Mensch, Tier und Natur

von einer Fremdenverkehrswerbung mit Hinweis auf Erholung nicht die Rede sein.

Im Zusammenhang mit dem Gorleben-Widerstand wurden Graf Andreas v. Bernstorff und seine

Ehefrau Anna geb. v.d. Bussche-Ippenburg bundesweit bekannt. Der 300jährigen Familientradition

und des Familienstatuts verbunden, Gefahren von der Landschaft abzuwehren, weigerte sich

der Graf, seine Grundflächen für das Entsorgungszentrum zur Verfügung zu stellen. Die Energiewirtschaft

war daher gezwungen, Umplanungen vorzunehmen aber zu verhindern waren weder

der Bau des Erkundungsbergwerkes noch das Zwischenlager.

528


Der Samtgemeinderat Gartow sah sich plötzlich mit fachtechnischen Fragen konfrontiert, die so

komplex sind, daß solche eigentlich nur von Experten beantwortet werden können. Gleichwohl

wurden vom Rat notwendige Entscheidungen gefordert, die ihm oft nicht leicht fielen und ebenso

oft erhebliche Kritik nach sich zogen. Derartige Anwürfe gingen bis zur körperlichen Schmerzgrenze,

was andererseits die Unversöhnlichkeit der Meinungsunterschiede aufzeigt.

Die Energiewirtschaft, wie auch die Bundes- und Landesregierung, haben derartige Erschwernisse

für die hier heimische Bevölkerung, Wirtschaft und Kommunalpolitik mit Ausgleichszahlungen

(„Gorlebengelder “) zu kompensieren versucht. Mit erheblichen Finanzmitteln sind im Gorlebener

Raum bisher ausgebliebene Infrastrukturmaßnahmen zur Verbesserung des Gemeinwesens

durchgeführt worden, was wiederum Kritik hervorrief, weil man sich der Energiewirtschaft gegenüber

nicht als willfährig zeigen wollte. Das Gorleben-Problem bleibt auch künftig bestehen, es hat

die Gesellschaft mehr als 40 Jahre belastet und wird sie auch weiterhin belasten.

Es fehlt hier der Platz, die Gorleben-Problematik ausführlich zu behandeln, aber sie ist seit mehr

als 40 Jahren auch Geschichte, die sich auf Gartow auswirkt. Zum besseren Verständnis der damaligen

Anfangssituation sollen einige Geschehnisse und Abläufe im Zusammenhang mit der

Standortentscheidung ab 1977 geschildert werden, wobei insbesondere Meinungen aus der betroffenen

Region Vorrang haben.

Sofort nach Bekanntwerden des Entschlusses der niedersächsischen Landesregierung, ein Endlager

für abgebrannte Kernbrennstoffe bei Gorleben einzurichten, ließ der Samtgemeinderat folgende

Resolution veröffentlichen:

„Mit Bestürzung hat der Rat der Samtgemeinde Gartow zur Kenntnis genommen, daß die Landesregierung

Niedersachsens Gorleben als Standort für eine Atommülldeponie und Wiederaufbereitungsanlage

benannt hat. Der Samtgemeinderat lehnt Gorleben als Standort auf das Entschiedenste

ab. Mit dieser Benennung wird die in den letzten zwei Jahrzehnten unter großen

Anstrengungen der hiesigen Bevölkerung erreichte Entwicklung des Fremdenverkehrs mit einem

Schlage zunichte gemacht. Auch die Landwirtschaft und das örtliche Handwerk werden durch diese

Standortwahl in ihrer Existenz auf das Äußerste gefährdet. Außerdem würde hierdurch eine der

letzten noch unberührten Naturlandschaften der Bundesrepublik – ja sogar Europas – zerstört.

Der Rat der Samtgemeinde Gartow ist nicht bereit, sich mit dieser Standortwahl abzufinden. Er

fordert die Landesregierung und auch die Bundesregierung auf, eine andere Lösung für die Entsorgung

zu finden.“

Am 22. Februar 1977 hatte die niedersächsische Landesregierung Gorleben als Standort benannt,

schon am 31. März 1977 beantragte die DWK die atomrechtliche Genehmigung sowie das erforderliche

Verfahren. Im Mai 1977 sind von der Landesregierung Aufträge zur Erstellung eines sicherheitstechnischen

Gutachtens, eines Konzepts der Anlagensicherung und Objektschutzes vergeben

worden. Ferner wurde der Deutsche Wetterdienst für meteorologische Auswertungen und

das Landesamt für Bodenforschung sowie Bergbaubehörden mit einbezogen. Die geologischen

Verhältnisse im Salzstock Gorleben waren rasch zu erkunden. Auch brachte man das notwendige

Planfeststellungsverfahren schnell voran, zumal der Bundeskanzler am 6. Juli bereits die Erwartung

aussprach, daß das Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren zügig vorangetrieben

werde und die erforderlichen Erkundungsarbeiten mit den Probebohrungen bald aufgenommen

werden könnten…“

529


Systemskizze des Bergwerks Gorleben

Die Energiewirtschaft hatte bereits konkrete Zeitvorstellungen, von 1976 bis 1993 waren zu verwirklichen:

Brennelementlagerung (1980 - 84), Wiederaufarbeitung – Abfallbehandlung – Zwischenlagerung

(1981 - 86), Uranverarbeitung (1985 - 88), Plutonium-Brennelementherstellung

(1983 - 88), Abfallendbehandlung (1984 - 93), Abfallendlagerung (1982 - 93) und Ausbau der

„übergeordneten Struktur “ (1980 - 88). Dieser Zeitplan ist kräftig durcheinander geraten, Widerstände

aus der Bevölkerung und politische Querelen verzögerten und verhinderten wesentliche

Teile des Konzepts bis zum heutigen Tag. Jährlich sollten 3 000 t radioaktive Abfälle wiederaufgearbeitet

werden. Mindestens 5 Jahre Vorlaufplanungen waren erforderlich, um Gorleben überhaupt

in Betrieb zu nehmen (ab 1980).

Bereits am 6. April 1977 lud Samtgemeindedirektor Borchardt den Rat zu Gesprächen mit dem

Bundestagsabgeordneten Horst Schröder, den Landtagsabgeordneten Kurt- Dieter Grill und den

Niedersächsischen Wissenschaftsminister Pestel ein. Zuvor informierten sich diese Herren über

die Probleme in der Region. Es folgte 6 Tage später eine Diskussion mit dem Geschäftsführer

der Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) Dr. Walter Schüller und Dr.

Feldmann mit den Ratsmitgliedern. Drei Tage später sowie im Mai fanden Informationsfahrten zur

bestehenden Wiederaufbereitungsanlage Cap de la Hague/Frankreich statt.

Am 15. Juli 1977 fand im Hotel „Deutsches Haus“ eine Bürgerversammlung statt.

Damals ging es der Samtgemeinde Gartow finanziell nicht gut, die Verschuldung betrug etwa 1,5

Mio. DM (pro Kopf rd. 400 DM). Der Vermögenshaushalt betrug in der Einnahme und Ausgabe für

1977 jeweils 1.873.025 DM, im Verwaltungshaushalt dagegen in der Einnahme 1.817.610 DM,

in der Ausgabe jedoch 2.082.970 DM, also ein Fehlbedarf von 265.360 DM. Mit der Gorleben-

Problematik sind unerwartet die folgenden Ratsherren (Stand Juni 1977) konfrontiert worden:

530


Samtgemeinde-Bürgermeister Heinz Rathje, Gartow – die Ratsherren: Gunter Hingst, Vietze – Gerhard

Diekmann, Holtorf – Ernst Schmidt-Maury, Gartow – Ulrich Flöter, Kapern – Hartmut Heitmann,

Prezelle – August Bolle, Lomitz – Hans-Joachim Schenk, Brünkendorf – Klaus Legner, Gartow

– Klaus Wohler, Meetschow – Dieter Szegedi, Schnackenburg – Karl Mummelthey, Restorf

– Wilhelm Albrecht, Gorleben – Hermann Junack, Gartow – Adolf Hennings, Meetschow und Kurt

Hunger, Vietze. Sie mußten kraft ihrer Funktion und gemäß gesetzlicher Vorgaben Entscheidungen

zur Gorleben-Problematik treffen und vorbereitende Maßnahmen in die Wege leiten. Ihnen zur Seite

gestellt wurde vom damaligen Regierungspräsidenten in Lüneburg der „Wendland-Kommissar “

Dr. Hartmut Lichtenstein, seitens des Landkreises der Baudirektor Quis.

Im November 1977 lud die DWK den Rat zu einer Besichtigung in die Versuchslagerstätte für Einlagerung

radioaktiven Materials im ehem. Salzbergwerk Asse II ein, die im Dezember 2008 und

späterhin infolge unsachgemäßer Praktiken in die Schlagzeilen geriet. Die DWK ließ im Sommer

1977 in den Landkreisen Lüchow-Dannenberg, Lüneburg und Uelzen eine repräsentative Meinungsumfrage

bei einem Umfrage-Forschungsinstitut in Auftrag geben, wobei 1526 Personen,

davon 517 aus Lüchow-Dannenberg, zum Thema Endlager und Wiederaufbereitung in Gorleben

befragt worden sind. 52% der Befragten konnten sich Auswirkungen auf die Umwelt vorstellen,

davon insbesondere Gefahren durch die radioaktive Strahlung (13%), Auswirkungen auf menschliche

Erbanlagen (7%) und Umwelt – sowie technische Katastrophen (4%). Bei Frage 2, ob die

Energiewirtschaft die Bevölkerung genügend über Atomtechnik, Endlagerung und Wiederaufbereitung

informiert, gaben nur ganze 3% der Befragten an, sich gänzlich davon aufgeklärt zu fühlen.

Interessant sind auch die Antworten zu Frage 3, wer die Bevölkerung aufklärt und auf welche Weise

sie zu informieren ist. 55% wünschten sich die Informationen von unabhängigen Fachleuten,

immerhin noch 20% vom Staatsapparat und nur 4% von der niedersächsischen Landesregierung

bzw. deren Politiker. Als Vermittlungsmedien wurden genannt: Fernsehen (35%), Tageszeitung

(20%) und spezielle Veranstaltungen (17%). Zur Frage 4, ob der geplante Standort Gorleben für

Endlagerung und Wiederaufbereitung geeignet sei, war die Hälfte der Befragten der Meinung, Gorleben

sei der richtige Standort. Ein Drittel hielt ihn für ungeeignet. Die letzte Frage bezog sich auf

die Akzeptanz von Entscheidungen für die Standortbenennung. 70% signalisierten, eine derartige

Entscheidung hinzunehmen, 30% erklärten sich für die Ablehnung und 13% würden aktiv dagegen

protestieren. Bezogen auf den Befragtenkreis im Landkreis Lüchow-Dannenberg waren 38% für

die Ablehnung und 16% für aktiven Protest. Von letzterer Gruppe bekannten sich 5% für Proteste

ohne Gewaltanwendung und 4% zur aktiven Teilnahme in Bürgerinitiativen. 6

Am 1. Dezember 1977 reiste der Niedersächsische Ministerpräsident Dr. Ernst Albrecht nach

Gartow, um sich vor Ort in Gorleben, Gartow und Schnackenburg zu den wirtschaftlichen und

grenzpolitischen Verhältnissen zu informieren. Auch die Gorleben-Gegner wurden aktiv und errichteten

auf dem vorgesehenen, noch unbebauten Beriebsgelände einen Kinderspielplatz und die

Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg organisierte Informationsveranstaltungen und

beobachteten die gesamten Entwicklungen sehr genau. Deren Akzeptanz litt bei der Bevölkerung

insofern, als Proteste gegen Atomkraftwerke in Brokdorf und Grohnde nicht gewaltfrei waren und

die Medien bundesweit hierüber berichteten.

Immerhin unterstützte die Bundesregierung die Bildung und Existenz von Bürgerinitiativen allgemein,

sowie eine Beteiligung von Naturschutzverbänden bei relevanten Projekten sowie die Möglichkeit

einer Einflussnahme solcher Verbände mittels Klageweg. Im Bereich Gorleben begannen

alsbald Verhandlungen zum Ankauf von Waldflächen für das künftige Betriebsgelände, es bildete

sich ein Grundbesitzerverein, der eine bessere Verhandlungsbasis gegenüber der Energiewirt-

531


Lageplan des Bergwerksgeländes Gorleben

schaft bot. Teile der Bevölkerung befürchteten sogar die Vornahme von Aussiedlungen im unmittelbaren

Umkreis des Standortes. Die Energiewirtschaft eröffnete der Bevölkerung Arbeitsmöglichkeiten:

„….daß die DWK beabsichtige, zu einem frühen Zeitpunkt Ausbildungsmöglichkeiten zu

schaffen, um möglichst viele junge Mitbürger aus dem hiesigen Raume in der Gorlebener Anlage

beschäftigen zu können. Neben den Berufssparten Chemie, Werkzeugbau und Schlosserei sowie

Feuerwehr werden weitere Berufsbilder erforderlich sein ….“ 7

1978 begann die Überprüfung von 160 Salzstöcken in der Bundesrepublik Deutschland – auch

in Gorleben:

„Experten beginnen mit der Überprüfung des Gorleben-Konzeptes. Die wichtigste Voraussetzung

für den Bau der geplanten Atommülldeponie ist noch völlig offen. In dem vorhandenen Salzstock

muss eine mächtige Steinsalzformation gesucht werden, die unbedingt erforderlich ist, um darin

die hochradioaktiven Abfallstoffe aus der vorgesehenen Wiederaufbereitungsanlage endgültig

und sicher lagern zu können. Professor Venzlaff von der Bundesanstalt für Geowissenschaften

und Rohstoffe in Hannover stellte vor mehr als 2 000 Wissenschaftlern und Technikern auf der

im letzten Monat in Hannover stattgefundenen Reaktortagung eindeutig klar, dass es heute noch

in keinem Land der Welt eine Methode gibt, nach der von der Erdoberfläche aus genau überprüft

werden kann, welche Formationen in dem Gorlebener Steinsalzdom tatsächlich enthalten sind.

Letztlich würde wohl ein bergmännischer Aufschluß Licht in die Untergrundverhältnisse bringen.

Bereits in den nächsten drei Monaten werden an zahlreichen

532


Messstellen im Landkreis Wasserproben und biologische Proben in 14-tägigem Rhythmus für

wasserchemische und biologische Untersuchungen entnommen. Für die ökologische Begutachtung

sollen vorerst mindestens die Vegetationsperioden 1978/79 intensiv ausgewertet werden.

Seitens der Technischen Überwachungsvereine sind bis zu 100 Sachverständige zusammen mit

Experten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit an der sicherheitstechnischen Konzeptprüfung

beteiligt. Mit der Prüfung der Brand- und Explosionsschutzmaßnahmen ist der Germanische Lloyd

beauftragt. Der Deutsche Wetterdienst soll ein meteorologisches Gutachten erstellen. Später folgt

ein mehrjähriges Messprogramm am Standort oder in der Nähe…“ 8

Immer wieder wurden die Probebohrungen bis in 2 000 m Tiefe, um die Salzstock-Eignung zu beurteilen,

verzögert. Die damit beauftragte Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig

stieß auf politischen Widerstand aber auch auf persönlichen bei den Grundeigentümern,

allen voran bei Graf v. Bernstorff.

Niedersachsen wurde von der Bundesregierung unter Druck gesetzt, energiepolitische künftige

Entwicklungen waren wegen der Zeitverzögerungen in Gorleben blockiert. Die DWK unterhielt in

Lüchow ein Vorort-Büro und verlagerte sich 1978 nach Gorleben, wo ein Informationszentrum für

die Öffentlichkeit entstand. Bei der Kreisverwaltung in Lüchow bildete sich eine Kommission für

die Bearbeitung der Informationen über den beabsichtigten Bau des Entsorgungszentrums Gorleben,

der u.a. Samtgemeindedirektor Borchardt, Samtgemeinde-Bürgermeister Rathje und die

Ratsherren Flöter und Legner angehörten. 9

Wegen der Einmaligkeit und der baulichen Dimensionen richtete die Deutsche Gesellschaft für

Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen in Gorleben ein öffentlich zugängliches Informationszentrum

ein. Am 16. Juli 1980 wurde in Gorleben der Gewerbebetrieb „Brennelementlager Gorleben

GmbH “ gegründet, der der Gemeinde Gorleben hohe Gewerbesteuereinnahmen beschert.

Nach dem 2013 verabschiedeten „Gesetz zur Endlagerstandortsuche“ soll es keine weiteren Castor-Transporte

mehr nach Gorleben geben.

Quellen und Literatur

1. DBE: Informationsschrift Gorleben. Erkundung eines Salzstocks – 1991

2. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: „Endlagerung hochradioaktiver Abfälle

in Deutschland – Das Endlagerprojekt Gorleben.“, Berlin, Okt. 2008, S. 26

3. /

4. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 5.1.2009; wie vor, S. 32

5. Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 8.11.2008

6. Gartower Höhbeck-Rundschau Oktober 1977

7. Gartower Höhbeck-Rundschau Dezember 1977

8. Gartower Höhbeck-Rundschau Mai 1978

9. Gartower Höhbeck-Rundschau Februar 1978

533


Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof

Auf dem heute so benannten Lernort „Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof“ befindet

sich eine Vielzahl verschiedener Erinnerungsstätten. Im 19. Jahrhundert war hier der Friedhof des

Realverbandes Gartow. Im Eingangsbereich befindet sich ein Gedenkstein für die Gefallenen des

1. Weltkrieges. Bereits 1944 wurde die Anlage, mit einem Holzkreuz als „Heldenfriedhof“ eingeweiht,

ohne jedoch belegt zu werden. Am 09. Oktober 1949 wurde die Anlage nach ihrer neuen

Gestaltung durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als „Ehrenhain Gartow“ erneut

eingeweiht. Die hier ruhendenden 53 Gefallenen stammen aus den Kämpfen im April 1945 um

die Elbe zwischen Damnatz und Schnackenburg. Im Umfeld des Holzkreuzes stehen drei Gedenksteine,

die an Gartower Einwohner erinnern, die aufgrund der Kriegshandlungen 1939 – 1945

gefallen, verstorben oder vermisst sind. Im Eingangsbereich der Gedenkstätte findet sich ein Gedenkstein,

der den Toten im Osten gewidmet ist.

Alter Friedhof

Der Gartower Friedhof in der Buchhorst wurde 1814 eingeweiht und ist 1878 geschlossen worden.

Er wurde angelegt, weil die Fläche vor Hochwasser geschützt war. Auch war die abseits des

Ortszentrums gewählte Lage prädestiniert, um Seuchengefahren vorzubeugen. Nach 1878 erfolgten

die Beisetzungen auf dem heutigen kirchlichen Friedhof an der Hahnenberger Straße. Der

größte Teil des alten Friedhofes ist wieder durch die Natur eingenommen worden; lediglich eine

alte Schwengelpumpe und im Gelände verstreute Grabsteinfundamente erinnern an die Anlage.

Kriegerdenkmal des 1. Weltkrieges

Am Nachmittag des 1. Pfingsttages 1923 wurde das Denkmal vom damaligen Superintendenten

Umland unter großer Beteiligung der Bevölkerung eingeweiht. Der ursprüngliche Standort war

zwischen der Gartower Sankt-Georg-Kirche und dem Pfarrhaus. Am 28. April 2003 wurde der

Gedenkstein an den heutigen Standort umgesetzt. Im Fundament des Gedenksteines wurde folgender

Schriftsatz gefunden:

„Dieses Denkmal für die im Weltkriege 1914 – 1918 gefallenen Helden von Gartow-Flecken und

Gartow-Gut ist errichtet worden im Jahres des Heil 1922. Es war eine überaus traurige Zeit. Ein

amerikanischer Dollar kostete 2400 M. Für einen Zentner Roggen zahlte man 3500 M. und für

einen Zentner Weizen gar 4000 M.

Die Kommission zur Errichtung des Denkmals setzte sich wie folgt zusammen

aus 2 Vertretern von Gartow-Flecken:

01. Ratsmann Albert Schramm

02. Bürgerausschussmitglied Zimmermeister Wilhelm Werth

aus 2 Vertretern des Kirchenvorstandes:

01. Superintendent Umland-Gartow

02. Kirchenvorsteher Graf Gottlieb von Bernstorff-Quarnstedt

und unserem Vertreter des Kriegervereins Gartow Telegraphenleitungsaufseher Husmann Gartow.

Die Gedenktafel hat Paul Hollnagel aus Gartow geliefert.

Die Ausschachtungsarbeiten für das Fundament haben Ratsmann Schramm und Maurer Wiech

aus Gartow eigenhändig ausgeführt und das Fundament angelegt von der Stelle, wo seit Menschengedenken

das Spritzenhaus stand. Der Denkmalsstein ist ein einzigartiger Findling aus der

Vietzer Feldmark.

Zimmermeister Werth aus Gartow hat 8 Pferde für den Transport zur Verfügung gestellt.

534


Möge das Denkmal von Jahrhundert bis Jahrhundert genügen von deutschen Händen bis in

den Tod.

Möge es bald bessere Zeiten für uns und unserem deutschen Volk herauskommen sehen.

Gartow, den 28. August 1922

Umland, Superintendent“ 1/2

Heldenfriedhof Gartow-Ehrenhain

Am 9. November 1944 wurde die Gedenkstätte durch den Gartower Apotheker Hermann Thiele als

„Heldenfriedhof“ eingeweiht. Eine Belegung fand noch nicht statt. Im gleichen Jahr wurde vermutlich

das 2014 zerstörte Holzkreuz aufgestellt. Auf der Rückseite des Eichenkreuzes ist folgender

Schriftzug eingeschnitzt worden:

„Euer Opfergang heißt Ehr‘ und Ruhm, unser Opferdank ein Heiligtum“.

Das Holzkreuz wurde von Adolf Schlawing aus Vietze entworfen.

2012: Umbettung von 13 Kriegstoten

Bereits 1977 hatte die Kirchengemeinde Gartow beantragt, die Kriegsgräber, welche sich auf dem

kirchlichen Friedhof an der Hahnenberger Straße in Gartow befanden, auf den Ehrenhain Gartow

umzubetten. Aus rechtlichen Gründen wurde einer damaligen Umbettung nicht entsprochen.

2011 hatte die Kirchengemeinde Restorf als zuständige Friedhofsträgerin beantragt, das Kriegsgrab

aus dem 1. Weltkrieg innerhalb des Brünkendorfer Friedhofes umzubetten. Dieses Ansinnen

des Kirchenvorstandes hatte einen Ortstermin mit einem Verwaltungsvertreter der Samtgemeinde

Gartow, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie dem Niedersächsischen Innenministeriums

zur Folge. Im Rahmen der Ortsbesichtigung sind sämtliche Kriegsgräber in der Samtgemeinde

Gartow aufgesucht worden, wobei sich herausstellte, dass die Gorlebener Kriegsgräber

in den 1980er Jahren abgeräumt worden sind und nicht mehr existieren.

Durch die für die damalige Zeit bewusst gewählte abseitsgelegene Grablage der Kriegsgräber

innerhalb der Friedhöfe war es oftmals schwierig, dass Interessierte und Angehörige die Gräber

überhaupt auffinden konnten.

Auf Vorschlag der Samtgemeinde Gartow und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge

wurde daraufhin beim Niedersächsischen Innenministerium eine Umbettung sämtlicher Kriegsgräber

im Samtgemeindegebiet in die Kriegsgräberanlage Gartow beantragt. Durch eine Änderung

im Gräbergesetz war es vom Gesetzgeber nun zugelassen, solche Zusammenlegungen vorzunehmen.

Vom Brünkendorfer Friedhof ist ein Kriegstoter aus dem 1. Weltkrieg, von den Friedhöfen Gartow,

Lanze und Nienwalde sind je zwei Kriegstote und vom Meetschower Friedhof sechs Kriegstote aus

dem 2. Weltkrieg umgebettet worden.

Die Umbettung löste eine sehr große öffentliche Debatte aus, ob Kriegstote einfach umgebettet

werden dürften und ob Deutsche und Ausländer nebeneinander auf der gleichen Grabanlage ruhen

sollten. Ein besonderes Problem wurde darin gesehen, dass die Beisetzungen unter einem

Holzkreuz mit einem Spruch aus Nationalsozialistischer Zeit vorgenommen worden sind. Es gab

unterschiedliche Meinungen zu Opfern und Tätern und ob diese nebeneinander liegen dürften.

Die Frage, wer von den Kriegstoten Opfer oder Täter sind, konnte bis heute nicht abschließend

geklärt werden.

Im November 2013 hat der Gemeinderat Gartow eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die eine

Aufarbeitung der Umbettungen zur Aufgabe hat. Diese Arbeitsgruppe setzte sich aus vielen Personen

zusammen, wie beispielsweise Politiker, interessierte Bürger, Kirchenvertreter sowie Vertreter

535


des Realverbandes Gartow, der Schützengilde Gartow, der Freiwilligen Feuerwehr Gartow, einer

Abordnung der Bundeswehr und der Anti-Milli-Wendland. Die Arbeitsgruppe hat mehrmals getagt

und dem Gemeinderat Vorschläge unterbreitet, die zum größten Teil angenommen und auch umgesetzt

worden sind.

Umbenennung vom Ehrenhain zur Kriegsgräber- und Gedenkstätte/Alter Friedhof

Eine Empfehlung der Arbeitsgruppe zielte auf die Umbenennung der Kriegsgräberanlage vom „Ehrenhain“

zur „Kriegsgräber- und Gedenkstätte Alter Friedhof“ hin. Damit sollte deutlich werden,

dass dieser Ort als Lernort mit einer Vielzahl von verschiedenen Erinnerungsstätten verstanden

wird. Die Gemeindestraße „Am Ehrenhain“ ist in „Am alten Friedhof“ umbenannt worden.

Aufstellung eines neuen Holzkreuzes

Am Morgen des 21. April 2014 wurde festgestellt, dass unbekannte Täter das Holzkreuz abgesägt

und die Inschrift auf der Rückseite mit einer Motorsäge zerstört hatten. Das Polizeikommissariat

Lüchow nahm Ermittlungen auf. Weil sich kein Täter zu erkennen gegeben hatte und auch nicht

ermittelt werden konnte, wurde das Ermittlungsverfahren am 17. Juni 2014 durch die Staatsanwaltschaft

Lüneburg eingestellt.

Die eingesetzte Arbeitsgruppe hatte noch keine Empfehlung für den Umgang mit dem alten Holzkreuz

und dem Spruch auf der Rückseite abgegeben. Mit der Zerstörung wurden die Arbeit des

Diskussionsprozesses herabgewürdigt und neue Fakten geschaffen. Der Gemeinderat beschloss

daraufhin, ein neues Kreuz aus Eichenholz in gleicher Größe, aber ohne Symbole und Beschriftung,

anfertigen zu lassen. Das neue Holzkreuz ist in der Woche vor dem Volkstrauertag 2014

aufgestellt und eingesegnet worden. Das zerstörte Holzkreuz wurde dem Museum Wustrow als

Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.

Literatur

1. /

2. Heimatbote für den Synodalbezirk Gartow, Mai 1923; Gartower Heimatbote, Nr. 45/1971

536


Alter Friedhof und Gedenkstätte

537


Personenregister

Nicht enthalten sind im Personenregister die häufig vorkommenden Namen v. Bernstorff, v. Bülow,

v. d. Gartow und v. Schulenburg; ebenso nicht die Namen der Gefallenen und Vermissten der beiden

Weltkriege (S. 314 - 315, 361 - 363 sowie

S. 176, 200, 269, 281, 282)

Abbass 120

Ackermann 388, 420, 483, 484

Adameck 385, 394

Adelsheim, v. 86

Ahke 406

Ahlefeld 242

Ahnholz 225, 224

Ahnsorge 76, 148, 149, 150, 206,

264, 270

Ahrends 223

Ahrendt 325

Ahrens 150, 175

Ahsen, v. 280

Albers 138, 290

Albin 366

Albrecht 117, 118, 137, 207, 280,

305, 472, 531

Alfeis 451

Alfermann 222

Alpermann 316, 386, 394, 395

Alvensleben, v. 198

Amsberg, v. 162

Appelt 305, 328, 352, 365, 368,

381, 386, 391, 392, 452

Arends 452

Aschoff 173

Asseburg, v. d. 68

Assemann 291

Audorf 284

Auhagen 142,161

Baade 272

Baark 276, 291, 294, 295, 306,

307, 358, 368, 395, 451

Bäcker 300

Bade 90, 91, 116, 117, 150, 207,

20, 254, 270, 273, 472

Badendorf, v. 67

Bader 346

Bahlcken 111

Bahlke 116, 150, 175, 386, 451

Bahlken 115

Bahlsen 511

Balck 98

Balken 286

Baltzer 451

Balzer 116

Banse 77

Barbe 451

Bardien 93, 137, 235, 263, 275, 288,

294, 305, 316

Barge 226, 270, 275, 323

Bark 207

Bark 451, 472

Barles 90, 111, 115, 130, 138, 205,

451

Barleß 265

Bars 125

Bartels 229

Basaer 110

Baßar 130, 205, 264

Bätche 114, 130, 242, 272

Bätge 128

Bäthke 328

Bätichen 162

Bauer 308, 387, 388, 452

Beck 139, 298

Becker 71, 385

Behls 311

Behncken 224

Behne 149, 242, 263

Behrend 190

Behrends 277

Behrens 182, 208, 220, 227, 275,

307, 316, 358, 359

Behrmann 265, 451

Beier 472

Beinhorn 294

Beißwenger 177

Belitz 117, 132, 148, 149, 230,

270, 273,

Bellach 413

538


Bellahn 173

Belleberg, v. 49

Bendfeld 117

Bendix 242

Benecke 127, 227, 285, 294, 307,

388

Beneke 198, 207, 328, 338

Bennecke 148, 149, 150, 272, 276,

280, 295, 376, 472

Bennigsen, Graf 258

Bente 270, 273

Bentinck 159

Berdien 207, 367

Berdin 322, 472

Berge, v. 72, 74

Bergmann 300

Berk 221

Berndissen 107

Bernstorf 265

Bethge 208, 225, 265, 294, 306,

307, 380, 386, 422, 451,

452

Bethke 230

Betke 270

Beußel 104, 117

Beussel 417

Beyer 156,208,209,275,305,310,

18,320,323,326,348,351,

52,357,358,360,366,367

Beyer 414

Bezjak 365

Bialecki 354

Bibra, v. 85

Biebricher 189

Biedermann 159

Bischof 149,150, 207, 208, 270,

273, 472

Bismarck, v. 68

Bittner 419

Blanke 109

Blankenburg 451

Blütling 12, 320

Böberle 366

Bobzien 149

Bode 152, 162

Bödecker 172

Bodelschwingh, v. 189, 368

Boehm 226

Bögelsack 419

Bohlmann 110, 117, 220

Bohnke 272

Bohrmann 265

Bojanowski 487

Bökamp 386, 387, 413, 440

Bolle 531

Bollmann 31, 115, 205, 208,

258, 264, 288

Bolsin 451

Bonhoff 150

Bonnck 149

Booth 137

Borchardt 177, 179, 180, 401

413,421,424,485,

89,496,497,502,

516,530

Borchers 210

Borchmann 40, 41, 125, 201,

202, 210

Borck 242

Bormann 87, 114, 123, 132,

149, 150, 270

Bornemann 130, 451

Bosse 306, 308, 386, 387

Bosselmann 177, 179, 180, 189

Böttger 210

Bötticher 93

Brand 367

Brandenburg 125, 126

Brandenstein, v. 93

Brandhorst 166, 167

Brandt 347

Bräunlich 117

Brecker 264

Breitenreiter 440

Bresemann 383

Brockhoefft 288

Brockhöfft 185, 451

Brockhöft 205, 264, 265, 266,

267

Bromann 110

Brown+Boveri 300

Brüggemann 137, 226, 291, 298

539


Bruhen 264

Bruhn 242, 267

Bruhns 205

Brüllo 210

Brun 451

Brüncke 107

Brunke 380

Brunnemann 101

Brunneß 279, 280

Bruns 90, 172, 231, 265, 451

Buchhorn 112

Buck 422, 434, 437, 452

Bühlau 265

Buhmann 217

Bülow 263, 264, 451, 503, 504

Buncke 145, 146

Bunken 201

Bunncke 149

Burchards 435

Burg 210

Burmeister 404

Buss 220

Buß 265

Bussche, v. d. 85

Buße 149, 239

Buwäse 148

Camradt 230

Carmienke 279

Carstens 109, 110, 125

Casola 128

Cherubim 96

Christiansen 165

Cleves 116, 255, 257

Cnövenagel 242

Cord 223

Cordes 270

Cords 205, 273, 451

Cordt 132, 149

Cordts 110

Cornibbes 242

Cottau 208

Culemann 231

Czecha 354

Dahrendorf 111

Damann-Hein 418

Dammann 264, 265, 266, 275

Danehl 130, 205

Dankert 150, 207, 208, 22ß, 221,

276, 279, 280, 294, 393,

452

Dankwerts 152

Dannehl 150, 206, 268, 270

Dannenberg 451

Dannenberg, v. 79

Davids 149

Decken, v. d. 97

Deetjen 28

Degencolbe 79

Degenhard 182

Dehnke 264

Dehns 218

Delius 221, 222, 294, 307, 309,

347, 367, 381, 452

Dessow 239

Dettmers 372

Devot 128

Dick 174

Diehle 208, 454, 455

Diehn 149

Diekmann 531

Dietrich 117

Dincklage, v. 85

Dingelstädt 168

Dingelstedt 91,149, 152, 270

Dipner 280

Dippner 138

Dittmer 90, 224, 366

Dohmann 174

Doormann 435

Doornkaat 311

Döpner 273

Dornblüth 141, 387

Dorsch 321

Dotschko 349, 361, 381, 392

Dräger 149, 224, 270

Dralle 89, 240

Drewing 311

Dreyer 12

Drimalski 507

Dröge 104, 137, 173, 208, 254,

355, 276, 288, 291, 472

Dronßborg 242

Drossel 452

Ducke 387, 396, 435, 437

540


Dücker 107

Dufour 257

Düker 128, 168, 311

Duncker 132

Dunker 263, 265

Ebeling 224, 270

Eckner 125

Eggert 116, 155, 263, 264, 357

Ehlers 220

Ehrhard 242

Einsiedel 450

Eisenbach, zu 85

Eisland 242

Ellies 112, 113, 114, 115, 130,

186, 187, 188, 204, 205,

211, 451

Elließ 265, 268

Ellissen 93, 182, 208

Engelhardt 229

Entler 365

Erffa, v. 72, 74

Ernst 306

Ernst+Heine 300

Eschrich 149

Esser 350

Estorff, v. 97, 226

Evers 110

Fabel 117

Fährmann 93, 117, 254

Feld 178

Feldmann 213

Felsberg 159

Fescken 107

Fetzer 365

Fey 365

Fichtel 420

Fien 162

Fintelmann 320

Fischer 144

Fischer 224

Flamant 382

Floment 174

Flöter 376, 507, 517, 533

Flügge 117, 218, 219

Focke 242

Fraesdorf 311, 319

Fraesdorff 141, 142, 182

Frahm 116, 127, 150, 207, 224,

225, 365, 375, 387

Frähmke 173

Framitz 141

Frank 420

Franke 178, 337

Franzke 384

Frede 436

Freudenthal 169

Freybe 158, 162

Freye 242

Freytag 145,153, 154, 155, 156,

157, 162, 208

Fricke 93

Friseke 464, 465

Fromhage 174

Froreich 256

Fuchs 346, 350

Fuhrmann 149

Fulda 161

Füllgraf 319

Gäde 148, 149, 181

Gädke 273

Gartauer 150, 273

Gartz 334

Garz 356

Gassel 116

Gattenhöfen, v. 68

Gausmann 148

Gauster 117, 319, 365, 439

Gebauer 180

Gehrckens 111

Gehrke 110, 116, 207, 317, 320

Geigenmüller 393

Geldmacher 183

Gentze 114, 115

Georgi 242

Gerber 118, 125, 127, 204, 207,

280, 451, 472

Gerberding 90, 130, 205, 265, 451

Gerbers 270

Gericke 96

Giegeler 76, 114, 115, 117, 130, 149,

150, 207, 267, 270, 278,

279, 280

541


Giese 118, 234, 242, 272, 273,

277, 288, 291, 348, 380,

472

Giesecke 317

Gieseking 302

Giesewell 132

Gigeler 451

Gigelow 264

Gille 254

Giopa 128

Glimann 451, 472

Glimmann 207

Göbbel 213

Göde 91

Gödecke 116, 242

Gödeke 217

Goeben, v. 311

Goedecke 280, 284, 285, 286

Goldacker, v. 69

Goldnau 227, 385, 389, 452

Gosky 79

Gössel 91, 150, 151, 152, 162, 210

Gothe 173

Gott 150

Götting 207

Gotts 109

Götz 110, 254

Götze 91

Grabow 273

Granello 128

Grantze 242

Grau 437

Grävemeyer 77

Grävenmeyer 267

Greßmann 280

Greten 90

Greve 91

Griebke 117

Griese 351

Grimms 79

Grönmöller 110

Großheim 211

Grote 77, 90, 96, 264, 465

Grothe 319

Grunwitz 376

Grüttert 239

Grützmacher 117

Guckes 420

Gudehus 90, 205

Guhl 89, 109, 110, 115, 150, 208,

265, 388, 452

Gührs 117, 131

Guss 403

Gutjahr 348

Haas 497, 498

Haberland 164, 174, 318, 327, 335,

339, 365, 393, 461

Hacke 242

Häcker 348

Hagedorn 464

Hagelstein 144

Hahlbohm 117, 148, 438

Hahn 104, 207, 213, 224, 237,

253, 255, 276, 277, 278,

294, 472

Hähn 235

Hahne 213, 346

Halbom 217

Haller 452

Hamann 118, 207, 229, 230, 272,

286, 451, 473

Hammer 207, 451

Hanelt 193

Hanne 89

Hannover 151

Hantelmann 144

Harbers 130

Harbord 93, 184, 207, 221, 253, 275,

288, 293

Harles 125, 130

Harms 335, 338, 359, 405, 406

Harneck 182

Harnisch 93, 110, 114, 451

Härtel 207

Hartje 258

Hartmann 426

Hartwig 149, 150, 270

Hase 159

Haß 273

Haße 110

Hasse 24,90,114,115,116,123132

136,149,150,205,270,

272,277,279,351

Haupt 132, 213

Haussmann 75

542


Haverland 218, 219

Hecht 305, 322, 386, 388, 389,

420, 464

Heidemann 189, 190

Heidthoff 264

Heimreich 154

Heine 255

Heins 132

Heise 234, 275, 317, 357, 376,

440, 452

Heisecke 438

Heitmann 531

Heller 183, 485

Hellmann 300

Helmkampf 286

Henning 175, 183, 275, 320, 323,

396, 464, 531

Hennings 115, 116, 125, 149, 190,

208, 224, 270, 272, 273,

279, 330, 335, 378, 379,

380

Hennings 381, 393, 394, 395, 396,

417, 424, 433,435

Herbst 123, 137, 182, 183, 235,

291, 294, 308, 310, 316,

317,318, 319, 320, 320,

321, 322

Herbst 323, 324, 325, 328, 345,

346, 361, 367, 368, 386,

387, 392, 404, 405, 414,

433,444

Herbst 450, 452, 457, 458, 459,

460, 461, 464, 465

Hermann 174, 332, 336, 337, 382

Hertel 208

Herzog 234

Hess 390

Heße 239

Hesse 96

Hetzner 109, 110, 111

Heuser 264

Heyde, v. d. 79

Heye 24

Hieronymi 96

Hild 179

Hildebrandt 89, 102, 110, 112, 114, 115,

116, 118, 130,132, 149,

150, 156, 204, 205, 206,

207, 208, 209, 210, 221,

265, 267, 268, 270, 271,

272, 273, 275, 280, 285,

311, 382, 422, 452, 453,

464,472,497

Hilgenfeld 130, 149, 150, 205, 267,

268, 270, 271, 272, 273, 275

Hingst 531

Hinrichs 173, 226, 388, 420, 434,

452

Hirsch 116

Hodenberg, v. 75

Hoebel 231

Höfer 91, 266

Hoffmann 162, 178, 322, 333

Höger 273

Hohenstein 472

Hohentopf 90, 264, 451

Hohnhorst, v. 85

Hohnstein, v. 74

Hohse 125, 128, 131, 224

Hohstock 112

Hoins 174, 178

Hollnagel 338, 452

Holste 153

Höltke 166

Hölty 96, 132, 135, 145, 152, 153,

154, 162, 169, 184, 255

Homann 278, 472

Honig 93, 207, 373, 279, 280, 306,

451, 472, 473

Hönings 265

Hoop 118, 207

Höper 178, 325, 381

Höpert 383

Höpfner 380

Hoppe 258, 316, 390, 452

Höppner 110

Horn 159

Hörnig 317

Hörsten, v. 178

Horstmann 294, 307, 309, 368, 376,

386, 390, 391, 422, 440

Hose 451

Hosp 351, 366

543


Hoyer 149, 150, 270, 272

Hugo, v. 291

Hünecke 384, 435

Hundt 173, 174

Hunger 531

Hunnäus 232

Huss 305

Hussmann 318

Igel 277

Imming 406

Imohr 173

Jaat 280

Jacobi 158, 247

Jacobsen 130, 138

Jäger 91, 210

Jagow, v. 26, 67, 68, 77, 131, 148,

242, 309

Jahncke 128

Jahnecke 150, 451

Jahnke 205, 393

Jahnken 149

Jancke 111

Janecke 128, 149

Janeke 110

Janssen 406

Japp 137

Järnecke 306, 316, 366, 368, 387,

391, 419, 452, 464

Järnke 116

Jathe 111

Jauningke 265

Jeleniewski 438

Jezek 335

Jirjahlke 132

Jochmann 347, 367

Johnke 226

Johns 307

Johns 330, 336, 338

Johns 357

Johns-Sander 311

Jördens 127

Jüers 206

Junack 123, 175, 178, 307, 317,

321, 366, 367, 368, 375,

384, 393, 394, 395, 396,

397, 404, 426, 438, 452,

458, 485, 531

Jünemann 207

Junker 387

Jürgens 382, 401, 417

Kachel 239, 242

Kählcke 242

Kahle 149, 150

Kahlebom 151

Kaiser 208, 286, 451

Kakerbeck 258, 461

Kammann 235

Kämpfer 183

Kannenberg 90, 91, 111, 114, 115, 223,

451

Kaufmann 130

Kaulitz 115, 130, 205, 206, 265,

270

Kauwatz 117

Kayser 116, 149

Kefernburg, v. 198

Keller 329, 334

Kelm 396

Kessel 191, 192, 193

Ketz 183, 316, 320

Keyßler 84

Kiszkiel 179, 181

Klaffenbach 242

Klamka 383

Kleffler 264, 275

Kleine 298

Kleinhammer 333

Klemm 452

Klemz 381

Klitzing 64, 145

Klöpper 128

Kloppmann 517

Klug 118, 149

Klute 141

Knabenschuh 185

Kniep 150, 270

Koch 177, 188, 278

Koenemann 520

Köhler 229, 317

544


Köhn 305, 306, 311, 330, 334,

338, 352, 359, 382, 383,

404, 434

Köhne 258

Köhnke 290, 291, 383, 472

Kohrs 173

Kolbe 107

Könecke 123, 329, 452

Köneke 182

König 132, 174, 175, 379, 380,

385, 464

Könke 137, 155, 156, 160, 207,

208, 235, 275, 276, 294,

451

Könnecke 376

Könning 123

Koppe 150

Köppe 207, 451

Köppen 90

Köpper 205

Körner 127

Körnick 278, 307

Korte 173, 376, 377, 387, 394, 452

Koscheike 452

Köster 183, 207, 232, 238, 275,

277, 276, 278, 279, 280,

451, 452

Köttelhörn 452

Kowalewski 383

Kraak 117

Kraasmann 190, 316, 336, 368, 395,

433, 459, 460

Krabusch 185

Kraft 279

Kränau 273

Krauel 90

Krause 422

Kretzschmer-Nowakowski 183

Kreutz 257

Krieger 485

Kröger 451

Krome 329

Kronenberg 311

Kröplien 149, 150

Kropp 225, 365, 391, 392

Krug 145, 155, 168, 169, 171,

172, 173, 207, 208, 213,

254, 279, 286, 305, 311,

414, 443, 472

Krüger 118, 130, 132, 137, 142,

180, 205, 207, 208, 213,

235, 279, 294, 300, 305,

311, 320,

Krüger 329, 330, 332, 333, 334,

339, 348, 365, 376, 378,

452, 472

Krukenberg 224

Kruppa 334, 354, 356

Kruse 79, 90 ,92, 94, 117, 142,

144, 149, 150, 162, 174,

188, 207, 210, 211, 213,

260, 266, 270

Kruß 273

Kubel 89, 93, 109, 110, 112, 114,

130, 153, 205, 207, 264,

472

Kubiak 301

Küchler 242

Kuckuck 473

Kühn 142

Kulke 436, 443

Künhold 237

Kunzog 420

Kurz 319

Küster 207

Laenge 183

Lämmerhard 117

Lämmerhardt 308

Lämmers 149

Lamprecht 258

Lang 180

Lange 115,146, 150, 168, 186

Langemann 184

Langen 96

Langenhan 452

Langer 419

Langhans 268

Lantz 207

Lanz 472

Lauw 184

Lauxmann 306, 451

Legner 502, 517, 531, 533

Lehnert 149

545


Lehmann 79, 94, 144, 151, 162, 346,

388, 394

Lehn 451

Lehna 284

Lehncken 150

Lehnert 154

Leib 207

Leibholz 388, 452

Leip 110, 111, 117, 118, 271,

276, 278, 279

Lemke 149

Lemmermann 141

Lenz 236

Leopold 300

Lerch 235

Lerche 104

Lichtenberg 118, 207, 208, 280, 472

Lichtenstein 492, 531

Lieberg 346

Liebermann 509

Liebi 208

Lietzmann 25

Limmarois 256

Lindemeyer 347

Lindhus 149, 150, 206, 270, 273

Lindner 152, 162, 293, 419

Linkeke 173

Lippold 109

Loeck 89, 205, 451

Loesch, v. 367

Lowtzow 213

Lowtzow, v. 84, 242, 246

Lübbert 372, 402

Lucas 223

Lücke 148

Lüders 132, 178, 208, 220, 357,

366, 375

Lüderwald 107

Ludewig 217, 277

Ludowig 96

Ludwig 302

Lühr 173, 174

Lührs 318

Lüthmann 451

Lütkring 264, 266

Lützendorf, v. 69

Maack 116, 207

Maak 149

Maaß 116, 207, 284

Maatsch 123

Mac Phaill 215

Mackeprang 96

Mahlke 162

Mahnke 164, 337

Mai 220, 319, 386

Maihack 406, 420

Maneke 149, 150

Mankel 365

Mansfeld 311

Marcard 142

Marckmann 130

Markmann 64

Marpurg 109

Märtens 109, 117

Martens 242, 420

Martin 117

Marwede 128, 130, 145, 146, 152,

167, 168

Masche 263, 264

Maschmann 208

Maslo 366

Matzek 190

Mauchel 115, 130, 188, 205, 206,

264

Maury 193, 275, 498

Mausolf 440

Mechow 132, 162

Mecklenburg 115

Meding, v. 97, 102

Meier 117, 265, 266, 268, 272,

273, 293, 301, 306

Meimann 272, 273

Meine 275

Meinecke 110, 150

Meineke 279

Meinert 280

Meinke 137, 291

Meins 309

Melbeck 64

Mencke 420

Mengeler 118

Mengeles 208

Menke 174

Mett 383

Mewes 452

546


Meyer 93, 96, 110, 111, 112, 115,

125, 128, 130, 148, 149,

150, 157, 158, 162, 177,

207, 208

Meyer 210, 217, 220, 225, 231,

260, 264, 270, 271, 272,

273, 275, 294, 310, 316,

377, 382

Meyer 451, 472

Meyerhoff 172

Meyke 142

Michaeli 207

Michaelis 149, 150, 207

Michels 110

Michelsen 110

Mickwitz, v. 367

Mielke 366, 442

Miethling 214, 223, 224 280, 284,

288, 295, 317

Milau 464

Minte 149, 150, 265, 266, 270

Minten 205

Mirbach, v. 120, 275

Missuhn 234

Miszalwski 181

Mohrhord 239

Mohwinkel 173

Möllendorf 130, 138

Möller 79, 205, 224, 264, 268,

Montag 118

Mortier 246

Muchau 148

Mücke 380, 383

Müller 183, 235, 239, 258, 375,

452, 516

Müller-Heidelberg 485

Müller-Meernach 506

Mummelthey 118, 531

Münchmeyer 104, 182

Mund 239, 311

Münster, Graf 85

Müntefering 460

Münter 79, 107

Müter 464

Nabenhauer 346

Nagel 273, 286, 451

Narten 226

Necker 385

Nehle 111

Neubauer 173

Neukranz 308

Neumann 235

Neumeister 323

Neuschulz 183, 305, 380, 464

Neyse 127

Niebur 223

Niemann 31, 130, 149, 150, 183,

320, 377

Niemser 185

Nieß 278

Nilzemann 74

Nimser 385

Nitschke 311

Nitze 72

Norck 150

Nork 127, 149

Nörtelmann 321

Nowack 501

Ode 356

Odewahn 91

Oelting 503, 504

Ohland 174

Ohm 210

Ohnesorge 305, 307

Ohnsorge 112, 114, 115, 139, 205,

242, 272

Olschewski 422

Ölschläger 395

Oppen, v. 28, 86, 175, 190, 366, 395,

409, 420, 465, 501

Oppermann 96, 300

Örtel 239

Ostermann 148

Osterwald 372

Ott 384

Otto 378, 384

Oyen 93

Paalzow 183

Paasche 177, 483

Paaschen 111

Pabst 307

Paetz 464

Pagel 132

Pann 125

Panning 26

547


Pape 387

Paschke 178

Patora 334

Patsch 452

Paxmann 183

Peerts 150

Pelz 438

Peters 117, 242

Petzold 452

Pevestorf 110, 140, 208, 254, 285,

436

Pewestorf 110, 150, 264, 331

Pewestorff 270, 273

Pfeifer 420, 452

Pfeiffer 378, 390, 434

Pflaumbaum 42, 221

Pflug 148

Pflughöfft 150

Pfuhl 201

Philippi 117, 387

Pieper 223

Pils 227

Pinkes 174, 387

Pinneberg 280

Piper 451

Plato, v. 165, 222

Pleße 112

Plötner 426

Poeck 445

Pöge 300

Pöhler 109

Pömers 242

Porath 116

Pouloux 149

Prange 149, 150

Prell 504

Preusing 93

Preussner 515

Prigwitz 277

Pritzlaff 367

Pudelko 2, 37, 178, 440

Quis 190,426

Quis 502, 531

Quitzow, v. 242

Radchen 451

Radcke 128

Radcken 260, 265

Raddatz 385, 396, 397, 452

Rademacher 102, 109, 118, 205

Radken 451

Rallen 56, 261

Ramdohr, v. 255

Ranke 426

Rath 372

Rathgen 79

Rathje 531

Rathke 263, 264

Rauterberg 318, 321

Redlich 79, 90

Rehmert 141

Rehwinkel 177

Reichenberg 255

Reimers 242

Reinach 270

Reinack 148

Reincke 90

Reincken 125

Reinecke 150, 258, 365, 382, 396,

413, 417, 451, 515

Reinhard 117

Reinhardt 434, 435, 452, 464

Reinke 205, 264

Reinking 116

Reinsch 498, 501

Reitz 226

Reitzenstein, v. 249

Renner 380

Rennwanz 301

Reske 358

Reymer+Masch 236

Richelt 452

Richter 178, 239

Ricke 72, 73, 240

Riechert 110, 132, 149, 150, 207,

208, 280, 472

Riecherts 270, 272, 273

Riefe 116

Riege 31, 118, 207, 472

Rieke 264

Riekhof 117

Riesche 217

Rimacks 206

Rincks 206

548


Röber 273

Robohm 465

Rode 162, 208, 270

Rogge 32

Rohde 301

Röhl 149, 150, 273, 294, 451

Röhls 270

Rohr 149, 213, 264, 451

Röhr 174

Rohrs 150

Röhrs 112, 150, 267, 270, 310,

311

Rollwagen 89

Rönnberg 264, 270

Rönneberg 112, 451

Rönneburg 150

Roosch 117, 172

Roost 116, 117, 149, 306

Rose, la 184, 185, 310

Rosenberg 396

Rosenbohm 149

Rosenthal 110

Roslawski 350

Rückert 279

Rudat 376

Rudolph 91

Rümkorf 452

Rump 146

Rumpold 141

Ruppenthal 349, 350

Ryckiewicz 179, 180

Sabel 396, 485

Sachse 202

Sack 64

Sackheim 382

Sacks 273

Salge 132, 223, 273

Sandecke 132

Sander 162, 180, 419

Sandke 123

Sannecke 111, 148

Sarnighausen 96, 102, 104, 226

Sasse 90

Saßen 131

Sauer 273

Sauerbrey 149

Saugier 177

Saur 149

Schaal 118, 183, 220, 279, 291,

306, 319, 348, 451

Schacht, v. 68

Schack 217

Schäfer 112, 387

Scharnhorst 305

Schauer 451

Scheel 316, 335

Scheer 345, 357, 369

Scheffler 336

Schelling, v. 105

Schenk 132, 392, 531

Schepmann 404

Schering 182

Schill 253

Schlawing 338, 382

Schleese 316, 331

Schlieben, v. 50

Schlüsselburg 207

Schlüter 148, 149, 150, 270, 311,

381

Schmidt 12, 150, 175, 182, 207,

255, 275, 280, 287, 329,

381, 387, 388, 395, 396,

442, 461, 464, 472, 473

Schmidt-Köthke 165, 166

Schmidt-Maury 275, 420, 496, 531

Schmieder 275

Schmitz 415

Schnath 36

Scheeweiß 38

Schneider 348, 352, 372, 385, 513

Schneising 300

Schöling 239

Scholz 183

Schönberg 90, 93, 121,150206, 207,

208, 270, 272, 273, 288,

451, 470, 471

Schrader 116, 126, 220, 276, 311,

336, 419

Schramm 306, 319, 349, 354, 464

Schramp 451

Schrampe 217

Schröder 145, 149, 165, 182, 217,

549


226, 239, 241, 242, 260,

264, 265, 358, 359, 360,

361,

Schröder 387,445,451,498,

Schrödter 266, 275, 292, 293

Schröter 121, 122

Schubart 345, 352

Schubert 210, 366, 368

Schulenburg 254, 306, 319, 375, 379,

387, 392

Schulte 93, 131, 451, 507

Schulte, v. 104

Schultz, v. 149

Schulz(e),

Schultz(e) 105, 107, 109, 110,

112, 115, 116, 117,

131, 132, 148, 149,

150, 153, 157, 158,

169, 173, 174, 178,

185, 206, 207, 208,

213, 217, 223, 230, 248,

254, 255, 258, 263, 264,

268, 270, 271, 272, 273,

275,276, 279, 286, 287,

294, 305, 306, 307, 311,

316, 328, 329, 331, 333,

365, 372, 381, 387, 392,

404, 417, 451, 452, 464,

472, 516, 517

Schumacher 173

Schüßler 386

Schütte 110, 150, 387

Schütz, v. 83, 128

Schütze 507, 508

Schwabe 182

Schwarz 452

Schweinhagen 173

Schweizer 358

Schwerdtfeger 12, 139, 324, 329, 330, 332,

333, 334, 337, 339, 340,

350

Schwetasch 419

Schwietering 161

Schwohn 242

Sebisch, v. 255

Seebold 161

Seeger 307, 312

Seevers 138, 160, 161, 162, 306,

311

Seggel 96, 254

Seibt 316, 318

Seifert 210

Severin 183

Shirkhani 183

Sickel 367

Siedenberg 173

Sielaff 193

Siems 268

Sinold, v. 83, 128

Slastan 354

Smit 440

Sonnenberg 380, 385, 404

Sörger 150, 272, 273

Sörgers 270, 272

Spanuth 210

Spiel 96, 226

Spohn 118, 139, 149, 150, 206,

207, 270, 272, 273, 284,

308, 317, 318, 472

Sprockhoff 179, 180, 181

Stagen 93

Stahlberg 227, 258, 380, 383, 387,

452

Stähr 264

Stanhope 83

Steding 118, 211

Steffen 93

Steffens-Koll 185

Stegewald 365

Steiling 117, 130, 165, 177, 208,

272

Steinberg, v. 84

Steinborn 435

Steinmacher 151

Stelte 413

Sterling 116

Stockmann 206

Stodte 485

Stödter 117

Stölting 132, 276, 279

Störmer 136, 161

Stoy 159

Strahmann 352, 382, 385

Strauß 79

Streithoff 319

Streitz 387, 422

550


Strey 383

Stroehrmann 452

Strohkirchen 213

Stüben 390, 420, 464, 509

Stupperich 39, 40-42, 49

Stürben 266

Sturm 12, 277

Suhr 149, 265, 270, 306, 357,

383, 440

Susemihl 382

Sydow, v. 381, 464

Szegedi 165, 531

Taruttis 367

Taube 159, 160, 161, 162

Teege 223, 224, 280, 307, 405

Tege 131, 150, 190, 308, 337,

386, 387

Templin 30, 452

Thiede 116, 177, 377

Thiel 286

Thiele 90, 140, 169, 184, 310,

337, 338, 367, 376, 504

Thier 275, 357, 365, 366, 452

Thies 451

Thilo 105

Thilow 155

Thölke 173, 174, 305, 318

Thoms 277, 278, 280

Thorey 319, 325, 387

Thornow 183

Thrams 109

Tiemann 316, 395

Tiessel 365

Tietz 254

Timm 280, 310

Timme 420

Tino 126

Tippelskirch, v. 183

Tischer 284, 285

Tode 207

Tödter 264

Tolstoy, v. 247

Törber 308, 312, 390, 420

Torbiers 149

Tornow 316, 335

Törper 132

Trahms 217

Tramms 404

Treuenfels, v. 249

Tribiahn 301

Trommel 172

Trumpf 264

Tschammer 249

Tyleke 64

Tyrbach, v. 55

Uetzmann 452

Uhlenbrock 148

Ulrich 12

Umland 139, 140, 141, 142, 151,

158, 161, 162, 163, 175

Umland 322

Unbehaun 207

Unverfährt 242

Urban 366

Ützmann 420

Vicke 91

Vieregge 173

Voelkel 510

Voigts 229

Vollenschar 115

Voß 117, 204, 205, 206, 346

Voss 192, 193

Waak 405

Wabik 180

Waege 279

Wäge 276

Wagener 193, 276, 279

Walbaum 157, 159, 160

Waldau 149, 150, 270, 272

Waldow 116, 137, 207, 208, 254,

275, 276, 277, 294, 327,

445, 451, 452, 472

Walter 94, 390, 464

Walter, v. 367, 435

Walters 79

Walther 260, 275

Warkerow 387

Warnecke 220, 328, 366, 374, 382,

461

Warneke 173

Wärnke 242

Weber 111, 356, 452

551


Wede 305

Wedekind 351, 357, 379, 382, 384

Weede 227

Weerts 135

Wegener 110, 150

Wehmeyer 174, 175

Wehrend 384, 386, 420, 464, 465

Weichard 125

Weichmann 109, 451

Weidner 130

Weiß 239

Weißwerber 451

Weitersheim, v. 84

Wellmann 207, 294

Welmann 137

Wendig 220, 305, 347, 452

Wendt 117, 208, 451

Wense, v. d. 72

Werckmeister 96, 150, 152

Wereberge, v. 49

Werner 148, 149, 270, 367

Werth 300, 301, 310, 316, 317,

320, 321, 322, 323, 325,

328, 346

Werth 348, 361, 369, 375, 377,

390, 424, 433, 435, 450,

457, 460, 461, 462, 463

West 208

Westing 96, 107

Westphal 257, 278

Westphalen, v. 25

Wibbeler 387, 420, 422

Wichmann 451

Wichtendahl 220

Wiech 110, 277, 284, 293, 419

Wiechers 464

Wiechert 437

Wiechmann 93, 130

Wiegrefe 117, 255, 459

Wieland 173

Wiele 166

Wiencke 354

Wierzchon 181

Wiese 77, 112, 116, 149, 150,

152, 205, 207, 264, 270,

273, 277, 451, 472

Wiesengarn 242

Wiesenhaver 242

Wilhelm 183, 357

Wilken 211

Wilkens 510

Willers 149, 150

Winter 336

Winterhoff 389

Winterstedt, v. 73, 76

Wirth 12, 391, 392

Witt 192, 431

Witthoeft 451

Witthöfft 125, 127, 223

Wöhl 384

Wohler 531

Wolbrecht 96, 148, 149, 210

Wolf 93, 182, 220, 370, 379,

380, 387, 440

Wolff 116

Wollatz 130

Wolter 184, 207, 232, 263, 322,

357, 472

Wolters 266

Worthmann 186

Wortmann 384, 464

Wrede 276

Wroblewski 438

Wulf 242, 336

Wulff 420, 444

Wunderlich 149, 150

Zeddies 184

Zerner 264

Zernitschew 257

Zesterfleeth 267

Zesterfleth 110

Ziegeler 406

Ziegenhorn 439

Ziegler 96, 101, 131, 254, 256

Ziegner 210

Zierau 337

Zierres 149

Zierries 223

Ziesenitz 149, 270, 272, 275, 451

Zilenski 392

Zilensky 434, 452, 464

Zimmermann 91

Zimmermann, v. 182, 338, 349, 351, 379, 383

Zincke 115, 149

Zitzewitz, v. 86

Zwiewka 180

552


Sachregister

Erarbeitet von Hans Martin Ulrich, Gartow.

Die Auswahl der Stichworte ist subjektiv vorgenommen worden; auf Doppel- oder

Dreifachfundstellen wie auch auf Ortsnamen, habe ich verzichtet. Bei der Fülle der Begriffe kann

es vorkommen, dass der eine oder andere Begriff dem endgültigen Seitenumbruch nicht mehr

folgen konnte-in jedem Fall lässt er sich aber dem entsprechenden Kapitel zuordnen.

A

Abdecker/ei 91,222, Abendmahls-Gang 135, -teilnehmer 139, Abenteuerspielplatz 496, Abfall-

Behandlung 532, -endbehandlung 532, -endlagerung radioaktive Abfälle 532, Abgabe- und

Dienstleistungsverpflichtung 86, 229, Abhängigkeitsverhältnis 63, Abschlußschlacht von Waterloo

258, Abwasser 516, -beseitigungsplan Untere Elbe I 518, -einzugsgebiet „Seege“ 516, -rinnen

181, -röhren 517, -ströme 517, Abzugsgeld 91, Acker-Grünlandverhältnis 477, -vogt 126, Actuarien

71, Adels-Familien 74, -geschlechter 61, Ämter 73, -reform 104, Agenda 21 501, Agrar-Quote 474,

-soziale Gesellschaft 441, 492, Aland-Niederung 26, -überleitung 32, -verlegung 32, Alkoholismus

140, Alkohol-monopol 91, -steuer 91, Alliierte 344, Altargeräte 151, Alte Obstsorten 510, Alter

Friedhof 534, Altersheim 189, Altmark 12, Altwässer 19, Amerikaner 343, Amerikanische Militärregierung

357, Amt/s Gartow-Schnackenburg 102, -gericht 103, --bezirk Gartow, 106, -mann 95,

216, -patron 75, -schreiber 95, -verwaltung 95, 289, -vogt 289, -vorsteher 289, Anerkennungsgebühr

67, Anglo-Amerikaner 336, Anmoorgleye 17, Annalen Karls des Großen 509, Apotheke 182,

Arbeit/s/er-dienstlager 324, 337, 351, 361, -familien 354, -kräftepotential 450, -siedlung 199,

Archäologisches Institut der Georg-August - Universität, Göttingen 509, Archivflügel 41, Armen-

Haus 106, -kasten 108, 151, Arrestanten 108, Artenmischung 214, Askanier 35, Astra-Kalthausanlage

464, Atom-Kraftwerke Brokdorf und Grohnde 531, -mülldeponie 532, Augsburger Konfession

134, Ausgebombte 339, Ausländer 103, Ausschussknechte 91, Autobahn Hamburg – Berlin

233, 477, --zubringer 233, Auwaldreste 19.

B

Back- und Schlachthaus 126, Backöfen 201, Bade-landschaft 507, -mutter 185, -qualität 498,

-strände 498, Bälgentreter 112, 145, Bahlsen-Seeadler-Aussichtsturm 511, Ballei Brandenburg

49, Barackenlager Hahnenberge 418, Bar-besoldung 72, 112, -entschädigung 57, Barmer Ersatzkasse

334, Barock-Kirche St. Georg 133, -schloß 41, Bau-denkmalpflege 208, -kommission

208, -leitplanung 422, -ordnung 162, -platzverteilung, 208, -richtlinien 202, BDM 339, Beamtenwohnung

101, Becken-Collecten 151, Bedürftige Personen 147, Beerdigungskosten 270, Befestigungsarten

29, Begrenzungsgräben 19, Behelfs-heim 367, -wohnungen 365, Beitragszahlungen

287, Bekehrungseifer 140, Belebungsbecken 518, Bemessungswasserstand 523, Bergbau-Gesellschaft

Teutonia 236, Bergedorfer Eisenwerk 465, Bergfried 40, Berittene Zoll-Beamte 403,

--grenzabteilung 406, Berlin-West 371, Besatzungszonen 357, 370, Bethelsche Anstalten 141,

Beth-Mutter 186, Bevölkerungsabnahme 486, Beweidung 19,Bewirtschaftung von Zündhölzern

372, Bezirks-regierung Lüneburg 492, -synode135, Biberpfad 499, Bier-accise 70,285, -brauerei

77, Bildungs- und Freizeitzentrum Gartow 492, Billardtisch 212, Billunger 36, Binnen-Deichs-

Stromland 19, -entwässerung 504,519, -wasserzufluß 519, Biogasanlage 454, Biosphärenreservatsverwaltung

Niedersächsische Elbtalaue 500, Biotoptypen 21, Blaualgen 498, Blitz-ableiter

212, -schlag 207, Blockheizkraftwerk 455, Boden-arten 17, -nutzung 473, -reform 85, Boeke-

Stovens 126, Böselsche Hufe 145, Bombenabwurf 335, Bomber 329, Bootsanleger 497, Bracks

19, Brand-Assecurations-Ordnung 202, Brandenburg 45, Brand-katastrophe 204, -mauern 158,

-schäden 202, -versicherung 270, -wache 203, Branntweinbrennerei 92, Brauerei 89, Brau-gerste

553


474, -haus 40, -verwalter 70, Braun-erden 17, -kohlenbrikett 373, Braunschweig-Lüneburg 46,

Braw-Geräthe 211, -pfannen 89, 211, „Brenn-Element-, Lager Gorleben GmbH“ 526, --lagerung

529-holzprämie 372, stoffkarte 373, Brief/e-sperre 338, -träger 217, 220, Britische Entlassungs-

Kommission 366, British Resident 375, Bronzezeit 36, Brot-, Fleisch-, Fett- und Zuckerrationen

360, Bruch/Brüche 108, -register 117, Bruderstieg 73, Brücke/n-einnahme 241, -einnehmer 212,

-geld 239, -- Lenzen 340, -reparatur 191, -zoll 240, Brücken- oder Wege-Pfennig 239, Brunnen

126, Brutbiotop 19, Bülowscher Besitz 57, Bülowsches Wappen 66, 216, Bürgerliche Rechtssachen

78, Bürger-amt 264, -dienste 64, -gärten 76, -Initiative Umweltschutz Lüchow- Dannenberg

535, lade 260, -meister 275, -rechnung/s 112, 225, --legung 257, -richter 260, -stellen 286,

--besitzer 226, --inhaber 92, -vorsteher 320, Bullengeld 284, B.U.N.D. 510, Bund/es für Vogelschutz

510, -anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 532, -Bahn-Busse 189, -grenzschutz

400, -land Niedersachsen 365, -verdienstkreuz am Bande 105, Burg-gräben 40, -inhaber 35, Burg

Chartowe 35, -Lenzen 500, -Meetschow 37, Buß- und Bettage 134.

C

Camping-park 498, -platz 501, Canton Maire 255, Castellum hohbuoki 38, Castor-Behälter 527,

Christholz 144, Cellisches Gesangbuch 138, Code Napoleon 253, Commendator 49, Commende

49, Comtur 55, Continentalwerk 416, Cremerland 67.

D

Dachziegel 201, -verstreichung 126, Damm- und Grabendienste 89, Dampf-Schiff 238, Dankesgottesdienste

134, Dannenberger/ische Ämter 73, -Ärzte 182, -Postweg 470, -Schulordnung 167,

Darren 201, Dauer-camper 498, -wasserstand 503, Deckgebirge 522, Deich-Bau 12, -brüche 520,

521, -dienste 522, -linie 522, -neubauten 505, -ordnung 71, -strafen 286, -verteidigungsmaterial

286, -vogt 26, -wachen 286, Delinquenten-casse 88, -geld 88, -wachen 88, Demarkationslinie

399, Denunziantengebühr 111, Deputatroggen 95, Der Grüne Hahn 144, Deutsch/e/r Gesellschaft

für Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen 530, -Gesellschaft zum Bau und Betrieb

von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) 526, -Lufthansa 510, -Telekom 509, -französische Verständigung

144, -Kriegsgefangene 351, -Wetterdienst 530, Diäten 95, Diakonissenmutterhaus

in Rotenburg 138, Dienst-eid 95, -emolumente 109, -instruktion 109, -leistungen 87, -leistungsgewerbe

30, -mannschaft 198, -vertrag 109, Dorf-Erneuerung/s -programm 496, -schullehrer

173-schulzen 37, Drachenboote 499, Dravanen 38, Dreifelderwirtschaft 473, Dreiflügelige Ehrenhofanlage

41, Dreikantmuschel 29, Dreißigjähriger Krieg 69, Dreiteilung 78, Drittes Reich 321,

DRK-Kindergarten165, Kreisverband165, Dünengebiete 23.

E

Edeka-Markt 209, 453, Ehren-friedhof 36,-hain Buchhorst 535, --Gartow 536, -mal 337, Eichelmast

114, Eichenstämme 40, Eigen-hochwassergefährdung 519, -tumshäuser 493, Einfelderwirtschaft

473, Einhard-Annalen 40, Einkommensteuer-Veranlagungskommission 286, Einlagerungsfelder

527, -hohlräume 527, Einquartierungen 257, Einwohner-gleichwerte 517, -verzeichnis 265,

Eisenbahn-netz 235, -verbindung 235, Eisenzeit 32, Eiserne Kühe 284, Eis-keller 127, -stopfung

520, -versatz 238, -zeit 12,16, Elb/e- bücke bei Kaltenhof 235, -fähre Lenzen 59, -frontverteidigung

344, -grenze 403, -hochwasser 14,522, -holz 353, -holzallee 353, -Talaue-Wendland-

Touristik 501, --schule 178, -wasserstand 210, -zollstätte 197, Elektrifizierung 300, Eltern-beirat

174, 140, -verein 141, -versammlung 140, EMMA 501, Endlagerbergwerk 526, Endteufe 527,

Energieversorgungsunternehmen 527, Engelskopf 210, Englische Besatzung 359, Enklave 51,

Enthaltsamkeits-Verein 212, Entschädigungsgelder 207, Entschlammung 511, Entsorgungsstandort

533, Entwässerungs-Siel 229, Erb-huldigung 72, -junkertum 75, -verbrüderung 50, -schaften

554


Verstorbener 150, Erdwälle 40, Erkennungsmarken 350, Erkundungsbergwerk527 -moratorium

527, Erlebnis Grünes Band 499, Ernährungsfrage 371, Erntearbeiten 475, Ersparnis- Anstalt 225,

Erstanlage von Forstkulturen 214, Erster Weltkrieg 312, Erstgeborener 86, Ertragsklassen 475,

Erziehungskosten 286, Eselstall 125, Evakuierte 336, Evangelische Frauenarbeit 142, --hilfe 142,

-Forum 142, Ewige Landscheide 54, Exekutivpersonal 110, Extraordinaire Dienste 87,88, Extremhochwasser

39.

F

Fachwerkhäuser 199, Fachwerk/Mauerziegelkonstruktion 40, Fahnenflüchtige 331, Falkenmoor

122, Familie von Gartow 46, Familiengrab 136,-hilfswerk 136, -stammgut Bernstorff 83, -statut

101, Federschütze 208, Feldlazarett 138, Feldscher 182, Felonie 51, Feriendorf IV 421, -haus-

Gebiete 421, --planungen 421, --siedlungen 421, Ferkelmarkt 466, Fernsehstube 385 -wärmenetz

454, Fesselballon 329, Feuchtgebiet 18,Feuer-gassen 203, -löschgeräte 201, spritze 201, -stellen

203, -versicherung 207, -visitation 201, -wehr 201, Fischer/ei-berechtigung 24, -haus 131,

-recht 31, -revier 31, -sterben 59, -teiche 127, Flachbohrungen 435, Flachs-Rösten 202, Flächenerhebung

479, -nutzungspläne 424, 427, Flakhelferinnen 337, Flecken Gartow 197, -diener 145,

-schule 173, -seite 149, Fliegenbekämpfung 374, Fliegerangriffe 334, Flohmarkt 467, Flora und

Fauna 18, Flüchtlinge 332, 338, 365, Fluchtversuche 399, Flug-blätter 329, -zeuge 333, Flurbereinigung

478, -neuordnung 470, Flut-mulden 19 -rasen 19, -sand 17, Focke-Wulf-Maschine

338, Förster-haus 131, Forst- - aufsicht 214, -gutsbezirk 298, -kulturen 214, -schädliche Nebennutzungen

214, -verband 377, Fourage-Magazin 257, Fränkisches Kastell 37, Frauenverein 138,

Fräulein-Steuer 92, Französische/s Besetzung 246, -Recht 250, Franzosenzeit 245, Frauendienst

der Deutschen Evangelischen Kirche 141, Frauen-Geld 92, -schaftsleiterin 339 -stände 149, Freibier

201, Freideutsche Jugend 139, Freiherrenstand 83, Freiwillige Feuerwehren 374, Freizeitangebote

201, -messe 498, Fremden-betten 489, -verkehr/s 484 --gemeinden 587, --verband

Lüneburger Heide e.V. 485, --vereinigung Höhbeck/Elbe 422, --zentrum 490, Freyheit vor Gartow

203, Friedensrichter 101, 205, Friedhof 136, Frontispice 210, 5. britische Infanterie-Division 342,

Fürstentum Lüneburg 47, Fundament-Sicherung 41, -steine 125, Funkmasten Gartow 1/2 509.

G

Gaarte 24, Ganztagesangebot 181, Garten-mauer 127, -miete 284, -steuer 73, Gartower Auffanglager

361, -Bürgerrechnung 213, -Deich- und Wasserverband 377, -Feuerwehr 351, -Forst 213,

-Heide 104, -Heimatbote 275, -Mittelschule 178, -Ratsbuch 263, -Schloss 39, -Schützengilde 375,

-See 503, --GmbH 505, -Gasthof 211, Gasmasken 330, Gaufilmstelle 330, Gebäudebestand 100,

Gedenkstätte Stresow 499, Geest 17, -platte 15, Gefängnis-strafe 111, -wärter 104, Gefallenengedenkstein

409, -haus 104, -lager Gorleben 344, Gefrierlagerung 463, Geistliche Stiftung 44,

Geld- entwertung 108, -register 70, -strafen 112, Geleite-Geld 128, Gemarkung/s 15, -fläche 479,

-grenz/e 471, Gemeinde-ausschuß 283, -bücherei 380, -finanzen 284, -freies Gebiet 122, 298 ,

-lasten 263, -leichentuch 284, -pfänder 285, -rat 263, --ratswahl 395, -reform 1972 409, -steuern

262, verfassungsrecht 297, -vermögen 263, -versammlungen 263, -verwaltung 263, -wald 213,

-wappen 216, -weide 71, 226, -zentrum 142, -zusammenschlüsse 142, Gemein- eigentum 473,

-heitsteilung 293, -schafts-küche 331, --gefrieranlagen 464, Gemischter Chor Gartow 382, General-Kirchenvisitation

103, Generalgouverneur 256, Generation 60+ 508, Genossenschafts-bank

105, -vermögen 209, 219, Genuss-Punkte 499, Gericht/s/barkeit 98, -actuarius 96, 107, -brüche

108, -diener 107, 145, -gebühren 96, -herr 101, -lokal 104, -tage 106, Gesamtphosphatwert 29,

Gesamtschule Dretyn 180, Gesamt-schulverband 175, Gesangbücher 71, Geschlossenes Gericht

Gartow 98, Geschosshöhen 206, Geschützte Naturdenkmale 374, Gesellschaft für Landeskultur

423, - für Reaktorsicherheit 533, Gesundheitszentrum 478, Gewächshaus 127, Gewässer-schau

555


26, -güte 29, Gewerbe-Steuer 416, -und Tourismusverein Gartow 468, -treibende 452, Gewerkschaften

Ilsenburg und Wendland 236, Gitterbrücke 238, Gley-Podsole 17, Gleye 17, Glocken 210,

-fett 151, -haus 211, -läuter 145, -metall 277, -turm 142, 270, Gorleben/er-Gegner 531, „-gelder“

529, -konzept 532, -postfuhren 171, - problematik 526, -widerstand 528, Gottesdienstbesucher

106, GPS-Gerät 500, GPU-Richter 359, Gräben 19, Grabensystem 519, Grabstellengelder 284,

Gräfin-Steuer 93, Gräflich von Bernstorffscher Forst 122, Gras-geld 73, -verkäufe 284, Graugänse

510, Grenadier-Regiment Nr. 89 85, Grenz-aufsichtsstelle 404, -berichtigungen 291, -ertragsböden

477, -festlegungen 291, -gängerverkehr 52, -lage 59, -linie 358, -landakademie 493, --museum

Schnackenburg 402, -ort 58, -regulierung 75, -rezeß 58, -schilder 358, -übergänge 402,

-verlauf 400, Grentzstange 58, Großes und kleines Portal 127, Großer Gartower See 503, Grosses

Moor 168, Grüner Plan 394, Grünland-Biotoptype 14, -flächen 475, -nutzung 476, Grund-Schule

Gartow 174, -und Gebäudesteuer 283, -und Personalsteuern 255, -stücks-entwässerung 517, -verkehr

286, -wasser 514, --meßstellen 515, Gütemessstelle Nienwalde 29, Gustav-Adolf-Verein 141,

Guts-bezirk Gartow 288, -forst 297, -gemeinde 286, -kiefern 123, -(land)wirtschaften 449, -schule

173.

H

Häuslinge 451, Häuslingsstellen 75, Hafenstandort 449, Hafer-Aussaat 479, -ernte 480, Hagelfeier

134, Hagelstein-Orgel 144, Hahnenberge 39, Halbbürgerstelle/n 200, Hamburger Feriendorf

490, Hand- und Spanndienste 30, Handwerker 451, Hannoversche Partei 85, -Ständeversammlung

101, -Warmblutzucht 474, Hanseatische Departements 245, Hartholzauenwald 21, Hastra

302, Hauptsatzung 444, Hauptschule 179, Haus-brunnen 514, -dreyer 168, -eigener Postbeförderungsdienst

170, Haushalts-ordnung 145, plan 150, Hebamme 185, Hecken 19, Heideflächen

19, Heiligengeist-Stiftung 187, Heiligenfibula 37, Heimatmuseum Vietze 499, Heimkehrer-Verband

379, Heinkel 111 330, Heinkel 177 338, Heitritt 75, Helden-Friedhof 535, -gedenkfeiern 336,

-hain 337, Helkgraben 30, Henriettenstift Hannover 187, Herbstmarkt 467, Hermannsburger Mission

141, Herminonen 40, Herren von Chartowe 35, Herrendienstbrüche 108, Herrenmeister 49,

Herrenrecht 198, Herrschaft Gartow 37, Herrschaftliches Haus 211, -Hospital 186, , Herrschaftswechsel

87, Herzogtum Braunschweig-Lüneburg 44,83, Herzogspaar 140, Heudienst 109, Himpten

102, -Einfall(HE) 287, Hinrichtung 112, Hirtenhaus 224, Hitler-Jugend 339, Hoch- behälter

515, -deutsche Sprache 134, -moor 14, -spannungsleitungen 302, --wasser-Schutz 520,--partnerschaft

Elbe 523, Höhbeck 12, 508, -castell 44, Hof- junker 84, -schmiede 132, Hoheitsdienste

290, Holz-abfuhrbahn 449, -arten 6, -brücke 125, -cultur 169, -diebstahl 118, -handel 449,

-handlung Herbst 460, -industrie 460, -kreuz 534, -ordnung 75, -palisaden 40, -pflasterwerk 322,

-transport 458, -wirtschaft 120, Hoover- Schulspeisung 372, Hospital 186, -bürgerstelle 188,

-küster 146, Hospitalise 188, Hotel „Deutsches Haus“ 488, Huoboki 34,39, 509, Hühnerstall

127, Huldigungseid 79, Hundezwinger 126.

I

Immunität 73, Informationszentrum 533, Inquisitorial-Verfahren 109, Insel Krummendiek 37, Instruction

Nr. 62 45, Investitionsprogramm 428, Isenhagener Urkundenbuch 64.

J

Jagd- und Forstbrüche 108, -revier 122, Jahresbesoldung 182, Jahrmärkte 94, Jigelharken 214,

Johanniter 48, -altersheim 189, -herrenmeister 50, -Orden 49, Jugend-Bücherei 378, -herberge

Gartow 331, -verein 139, Jungsteinzeit 36, Jus mororum 198, Justiziarien 95, Justiziarius 95,

Justiz-Kanzlei 95, -reform 105, Juwel-baugesellschaft 428, -feriendorf 428.

556


K

Kälteste Frostnacht 440, „Käseberg“-See 505, Kahlschläge 85, Königliche Post 217, Kaland

Lüchow 64, Kalthaus-Genossenschaft 463, Kammerherr 85, Kanalisation 516, Kantorat 156,

Kapitalhirsch 440, Kartoffel- aufgang 480, -dämpfanlage 377, -ernte 371, -versorgung 371, Katechismusstunden

134, Kauf- und Verschreibungsbriefe 287, Kavallerie-Regiment 13, 86, Kernbrennstäbe

528, -brennstoff 528, --abfälle 526, -kraftgegner 528, -spaltung 526, Kettensprengung

102, -zapfengewinnung 372, Kinder-garten 164, -und Krankenpflegehaus 142, -schützenfest

387, -spielplatz 186, Kinonachmittage 73, Kirchen- und Schulangelegenheiten 134, - und Schuldienst

74, Kirch/en-Abteilungen 149, -aufsicht 135, -bücher 135, -geschichte 133, -geschworene

87, -glocken 138, -hoheit 164, -holtz 113, -jurate 148, -kommissare 257, -konsistorium 106,

128, 136, - lehn 134, -neubau 209, -organisation 135, -platz 142, -rechnung/en 149, -rechnungsführung

145, -stand 149, -stuhl 148, -uhr 138, -verfassung 118, -visitation 133, -vorsteher 138,

-zins 138, Klär-anlage Gartow 516, -werk Laasche 513, Kleiderspenden 141, Kleinbahn 235, -projekte

236, Kleine Kantorei 143, Kleiner Gartower See 503, Klimabezirk 17, Klosterhauptmann

85, Knappen 62, Knüppeldamm 222, Königl. Deutsche Legion 207, -Landdrostei Lüneburg 289,

-Oberlandesgericht 105, Königreich Hannover 172, Königreich Westfalen 135, 152, 245, 253,

Körperliche Züchtigung 172, Kolke 19, Kollekte/n 209, -gelder 138, Kollektiv-Geldstrafe 115,

Konfirmation 135, Kontrollratsdirektionen 399, Kopfsteinpflaster 229, Korn-scheune 125, -schreiber

96, -zehnten 70, Kost-geld 96,112, -gegenwert 96, Kraftfahrzeugverkehr 373, Krammärkte

198, Kraniche 385, 510, Kranken-haus 186, -verein 186, Krebsscheren 29, Kreis-altersheim

189, -hauptmannschaft 235, -leiter 329, -Lüchow-Dannenberg 105, Kreis- kirchen-kasse 135,

--missionsfest 444, --tag 136, -ordnung 294, propagandaleiter 329, --redner 329, -realschule 178,

-sitz 79, -Spar- und Leihekasse 226, -sparkasse 226, Krieg/s/er/ -anleihen 138, denkmal 337,

-gefangene 332, -gefangenenlager 332, -gräber- und Gedenkstätte 534, -rat 84, -steuer 246, -tote

535, -verdienstkreuz 338, -verein 307, Kriminaljustiz 101, Küchenflügel 29, Küpe 229, Küsterstelle

164, Krummendieck 35, 72, Kugelmuschen 29, Kuhschneidegeld 188, Kulturverein Gartow

440, 496, Kurator 189, Kurfürstentum Hannover 101, Kur-park 427, -und See GmbH 496.

L

Laascher See 407, Läute-Geld 150, -glocke 210, La Hague 527, Land/es-Amt für Bodenforschung

529, -briefträger 220, 233, -buch Karl IV 133,herrliche Abgaben 287, -drostei 101, -gemeindegesetz

261, -grenze 399, -grentz- Receß 59, -herrschaft 102, -herrscher 45, -hoheit 58, -jäger 329,

-kirche/n 105, -amt 164, -kirchentag 135, -kreisverwaltung 426, -milizsoldaten 110, -obligationen

188, -plagen 134, -schaft/s 18 , --pflege GmbH Lenzen 510, -pflegerisches Rahmenprogramm

423, --verband Wendland-Elbetal 510,-physikus 182, --planerisches Rahmenprogramm 486, --rahmenplan

Gartow 214, --rat 85, --schutzgebiete 428, -steuer 93, -straßengesetz 229, -synode 135,

-tagswahl 370, -verband preußischer Waldbesitzer 297, -wacht 331, -wehren 54, -wirtschaft/s

470, --amt Niedersachsen 374, -wirtschl. Brandkasse Hannover 382, --Kammer Hannover 475,

-Verein Gartow 438, -zählung 474, Langobarden 37, Laubholzanbau 215, Laurenti-Tag 92, Leader

497, Lebensmittelspenden 208, Legationsrat 85, Lehmentnahmestelle 470, Lehm- bzw. Sandgruben

471, Lehn/s -Buch 54, -krüger 70, -Krug 92, -ware 222, Lehrergehälter 173, Leibeigenschaft

88, Leine-Steinsalz 527, Leineweber-Wohnhaus 131, Leipgraben 30, Lesenlernen 170,

Lichtstrom-Transformatorenhäuschen 302, Linonen 32, Löschreservoir 203, Londoner Protokoll

399, Lüchow(Hilfs-)-Plan 402, -Schmarsauer Eisenbahn 237, Lüneburger/ische Entschädigungsbehörde

396, -Erbfolgekrieg 47, -Herzöge 35, Holtz-Ordnung 75, -Ritterschaft 100, Zugehörigkeit

72, Luft-kurort 494,-lage 335, -landetruppen 336, -schutz-Hauswarte 336, --keller 331, --leiter

331, -temperatur 18, --übungen 329, Lutherischer Gotteskasten 141.

557


M

Mäander 31, Mähweidenutzung 19, Männergesangverein 140, Märkische Dienste 87, -Dörfer

50, Mästekoven 126, Magerrasen 19, Maire 255, Maltz-Accise 70, 91 Manns-Stände 149, Mansardendach

41, Mantelmauer 40, Marine-einheit „Puma“ 348, -kameradschaft 381, Markt-gerechtigkeit

198, -ort 197, -termine 466, -verzeichnis 467, Marschlandschaft 18, Mast-gelder 69,

-wald 120, Matratzenfabrikation 383, Mauerrecht 198, Medikamente 182, Meierhof 347, Merianstich

40, Metallgitterzaun 402, Michaelis-Kloster 43, -markt 466, Milch-Kontrollverein Gartow

381, -speisung 377, Militär- durchmärsche 100, -einquartierungen 100, -regierung 360, Mindestwasserverbrauch

514, Minensprengung 437, Missions-Feste 138, -verein 140, Mitgliedsgemeinde

„Höhbeck“ 412, Mithüterechte 121, Mittel-alter 35, -elbe -Niederung 20, -punktschule 177,

-schule 178, Mittlere Reife 178, Modellvorhaben Dorferneuerung Gartow 436, Möbelsteuer 184,

Molkenstube 125, Molkerei 30, -genossenschaft 381, Montag vor Simon Judae 198, Moratorium

527, Müllabfuhr 435, Mütterberatungsstunden 182, Musterung 331, Mutationsbeschreibung

290.

N

NABU 499, Nach-klärbecken 518, -kriegszeit 365, Nachrichter 223, Nachtwächter 201, Nähstube

337, Naherholung 485, Nasswiesen 21, Nationalsozialismus 321, Natur-Haushalt 215, -schutzgebiete

20, Neben-erwerbsbetriebe 493, -flussniederungen 21, -zentrum 424, Neue/s Haus vor

Gartow 132, -Samtgemeinde Gartow 412, Nds./es Minister für Aufbau und Arbeit 370, - Wassergesetz

28, Niederschlag 18, Nitratbelastung 515, Nordischer Krieg 59, Normannenschlacht 45, Not

-gassen 208, -standsgebiet 378, NS-Frauenschaft 330.

O

Ober/e/ -elbegebiet 487, -niedere Gerichtsbarkeit 100, -postdirektion 357, Oberst-Feldmeister

333, Obotriteneinfall 44, Obsttrocknung 202, Öffentliche/r -Personennahverkehr 233, Öffnungsrecht

55, Ökologie 510, Örtliche Kapitulation 344, Ordinaire Deichdienste 50, Ordens-besitz 87,

Ordinaire Dienste 216, Organisation Scheer 345, Orgel-bauer 144, konzerte 499, -register 138,

Orientierungsstufe 179, Orts-bauernführer 332, - und Bebauungsplan 385, -bild 426, und Feldmarkspolizei

263, -frauenschaft 330, -gruppenleiter 332, -kerngrabung 199, -siegel 286, -wappen

65, Ostflüchtlinge 361, Oxhöft Branntwein 212.

P

Pacht-geld 92, -summe 212, Panzer-Aufklärungslehrbataillon 3 444, -spähwagen 348, -sperre Bömenzien

345, Papierstreifen 333, Parochie Gartow 169, Parteigenossin 338, Partnerschaft 444,

Patenkompanie 444, Patrimonialgericht 98, Patronats-herren 133, -recht/e 164, Perleberger Jäger

335, Personen-post 218, --verbindung 219, 233, Pfand/e-lehen 154, -mann 110, -schaften

67, Pfarr-Garten 142, -kirche 133, -ländereien 145, -scheune 142, -stellen 142, Pfeilkraut 29,

Pferde-Dieb 112, 152, -musterung 331, -stall 125, -zuchtverein Gartow 377, Pförtnerhaus 127,

Phosphatwert 29, Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) 533, Pilot-Konditionierungsanlage

528, Pioniervegetation 19, Plaggen-hauen 214, -hieb 121, Plankenzäune 40, Planungsgebiete

425, Plutonium-Brennelementherstellung 530, Podsole 17, Podsol-Braunerden 17, Polizei-aufsicht

107, -gewalt 104, Portalinschrift 211, Posaunenchor 143, Post 216, -amt 221, -führer 217,

-kiepe 109, -kutsche 109, -omnibusse 237, -schaffner 220, -umschlagstation 217, -wesen 216,

Prats-de Mollo - La Preste 446, Prediger und Beamter des Zivilstandes 134, Predigtkanzel 90,

Premierminister 83, Preußische Erdarbeiter 229, Priechen 149, Primus in ordine 96, Privatkoppeln

214, Private Mittelschule 178, Probebohrungen 529, Prövengeld 217, Propst zu Lüchow 134,

Prospektpfeifen 138, Proteste ohne Gewaltanwendung 531, Protokollbuch 263, Provinz Hannover

558


105, Putjans 24.

Q

Qualm-gewässer 19, -wasserüberflutungen 520, Quadersteine 210, Quarnstedt/er 123, -Felddamm

228.

R

Ranker 17, Rats-buch 263, -geld 222, -kompetenz 73, -wallgeld 222, Rattenbekämpfung 374,

Raubrittertum 63, Rauhe Fliesen 126, Raumordnungsprogramm 426, Real-gemeinde Gartow

294, -patronat 164, -schule 178, Rebhühnerstall 131, Rechts-brüche 71, -missbrauch 75, -pflege

98, Reformationsfeier 134, Reformbestrebungen 110, Regenerationszentrum 478, Regierung

in Lüneburg 164, Regional-Diakonenstellen 142, Register- und Aktenführungs-Richtlinien 199,

Reiche Großstädter 427, Reichs-acht 45, -arbeitsdienst 323, --lager 189, -innenministerium 141,

-luftschutzbund 331, -minister für Propaganda und Volksaufklärung 331, -stelle für Elektrizitätswirtschaft

338, Reihedienst 216, Reit/er -gelände 423, -halle 423, -stall 126, -und Fahrverein

383, -zentrum 505, Restschlamm 518, Reveneun 185, Ringwall 37, Röhrichte 19, Rönne 24, Rosen-Apotheke

185, Rote Armee 342, -Liste-Pflanzen 22, Rucksmoor 122, Rückzugsgefechte 258,

Rudower See 62, Rund-Funksender Beromünster 359, -wanderweg 501, Russische Kriegsgefange

341, -Militärstreifen 399, -Zone 358, Ruth - und Klaus - Bahlsen-Stiftung 511.

S

Sachsen 36, -herzöge 35, Salix 497, Salz-Bergwerk Asse II 527-einbruch 526, -formation 527,

-stock Gorleben 506, 527, Samt-gemeinde 413, --direktor 413 --rat 413, --wappen 413, Sandgruben

294, -inseln 101, -magerrasen 23, -und tonablagerungen 14, -tor 199, St. Georg-Kirche

144, Satetag 63, Sauerstoff-bedarf 517, -defizite 29, -sättigung 29, -übersättigung 26, Schacht

1,2 526, -ruthen 229, Schaden-feuer 204, Schäferei 90, Schanzarbeiten 256, Scharfrichter 222,

Scheffel Weizen 133, Schiffsverladestelle 449, Schimpfliche Worte 112, Schlacht bei Lenzen 44,

-von Winsen 47, Schlägereyen 110, Schlagglocke 210, Schlechte Verkehrsverbindungen 489,

Schließvogt 126, Schloß- -anlage 41, -archiv 205, -Gartow 40, -graben 41, -nachtwächter 110,

-neubau 41, -vorplatz 126, -und Vorwerkskomplex 127, Schlüsselzuweisungen 413, Schmalband

70, Schmiede 224, Schmuggel 499, Schmutzwasseranfall 515, Schöpfwerk 519, Schornsteine

202, Schubertiaden 499, Schüler-beförderung 175, -zahlen 175, Schützen-Gilde 295, -platz 420,

Schuld -verschreibung 128, Schul/e 167, -aufsichtsgesetz 163, -bezirke 173, -busverkehr 415,

-disciplin 171, -entwicklungsplan 181, -gebäude 172, -geld 167, -gemeinde 172, -meister 163, -patronat

162, -prüfungen 171, -sportplatz 175, -unterricht 170, -verhältnisse 169, -wesen 167, -zimmer

171, -zweckverein 375, Schulzen-Tag 108, Schutz-Herr 55, -herrschaft 56, -und Dienstgeld

93, Schwach- bis mittelradioaktive Abfälle 526, Schwedenschanze 508, Schweine-Mastverträge

332, -stall 127, Schweinfurter Kugellager Fabriken (SKF) 416, Schwengelpumpen 514, Schwermetallgehalte

29, Schwimmbad 379, See-adler 511, -pavillon 497, Seege 24, -betriebsgesellschaft

478, -brücken 239, -furten 189, -hafen 449, -niederung 511-rückstaudeich 522, -rundweg 441,

-wasser 24, Seggenriede 24, Sekundarbereich I 143, Selbstbrauer 89, Selbstständige Landesherren

39, Sellafield 527, Sendemasten 509, Sequestration 76, Siegesfeier 344, Siele 471, Silberpapierstreifen

334, SKF-Werk 416, Slawen 43, Smeldinge 43, Sokolow Podlaski 447, Sommer-deich

522, -hochwasser 522, -märkte 467, -schulen 171, -weg 231, Sonnenburger/isches --Johanniterorden-Lehen

76, Sonntag Jubilate 198, Sonntagsfreuden 136, Sparkasse/n 225, Sperrzeit 359,

Spezialteilung 214, 472, Spinnhaus 270, SPD- Ortsgruppe 316, Sportuln-Taxa 108, Spring 34,66,

Spritze/n -haus 203, -kommission 272, Staatsgrenze West 400, Stadt Sonnenburg 55, Städtchen

Gartow 198, 213, Städtebauförderungsgesetz 425, Stadt-Gemeinde Gartow 290, -graben 198,

559


-rechte 198, -wall 198, Ständeversammlung 173, Stättengeld 94, Stammesfehden 43, -linie 48,

Stand-geld 94, -ortwahl 528, Staßfurt-Steinsalz 527, Stauanlage 44, Staufer 45, Stedeken 62,

Steinpacklagen 41, Stellen-Besetzung 142, Steppdeckennäherei 381, Steuer- und Zollvergehen

103, -hebesätze 416, -rezeptur 93, Stierhaltungsgenossenschaft 378, Stift Halberstadt 68, Stiftung

zum „Heiligen Geist“ 128, 187, Stiftungs-Satzung 188, -vermögen 187, Still- und Feuchtgewässer

510, Stimmberechtigte Klasse 283, Stimm-ordnungen 261, -recht 283, Straf-gelder 71,

114, 130, -pfahl 109, -sachen 103, -verfolgung/s 110, --personal 107, zahlungen 114, Straßenbäume

471, -bauten 229, -oberkante 202, -planung 230, -zeilenbebauung 197, Streckenauffahrungen

526, Streuobsttag 510, Strohdachhäuser 205, Strom- einschränkung 372, -sperre 373,

Stromtalwiesen 19, Strumpf-Fabrik 450, Stück- und Glockengießer 210, Stundenuhr 151, Szola

Podstawowa 179.

T

Tafelrechnen 170, Tagelöhner-häuser 124, -katen 131, Talsand- und Dünengebiete 23, -platte 22,

Tanzlust 139, Tbc-Isolierstation 187, Thermalsole- Bewegungsbad 507, -quelle 506, Teich- und

Malermuscheln 29, Teilungsvertrag 29, Temperaturverteilung 17, Templer 49, Territorialhoheit 55,

The Royal George 359, Tiefbrunnen 515, Tierkörperbeseitigung 222, Tilsiter Friedensschluss 245,

Todesanzeige 328, Tommy-gun 344, Tonnen-accise 70, Torhaus 99, 104,126, Totaler Krieg 326,

Tourismus 483, -information Lenzen 500, Touristbüro 490, Transitabkommen 400, Transportgut

242, Trauer-Feier 91, -glockengeläut 91, -kleidung 90, -tuch 90, Trimm-dich-Pfad für Pferd und

Reiter 499, Trinkwasser 513, Trucks 458, Trümmer-Einheiten 343, Türkensteuer 71, Türwärter

146, Turnhallenbau 177.

U

Über-Elbische Lande 46, -landzentrale Lüchow 302, -nachtungszahl 487, -schwemmungsgefahr

16, Uelzener Urkunde 36, Ufer-promenade 431, -stauden 19, Uhr-glocke 140, -turm 211, Umbettung

535, Umfassungswassergraben 197, Umwelt 510, -management 144, -schule in Europa 181,

Unabhängige Wähler-Gemeinschaft (UWG) 467, Unterhaltungs-ordnung 31, -verband Seege 436,

Unterricht 170, Unterstützungsgeld 99, Unzuchtbrüche 108, Uranverarbeitung 528.

V

V2-Raketen-Einheit 344, VARTA-Führer 483, Vasa sacra 151, Veranstaltungskalender 490, Verein

junger Mädchen 139, -Naturpark 484, Verkaufsurkunden 63, Verkehrs-beruhigung 498, -büro

490, -verbesserungen 488, -wege 227, Verkündigung Maria 134, Verpfändung 61, Versicherungssummen

202, Verkoppelung 15, Versuchslager Asse II 526, Verteilungsregister 470, Vieh-bestand

480, -diebstahl 374, -krankheiten 183, -märkte 198, -schmuggel 375, -zählungsergebnisse 435,

Voelkel 510, Vogelwarte Helgoland 384, Voigts-Haus 96, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

534, Volksschul/e Gartow 174, -gesetz 172, Volkssturm-bataillon Gartow 337, --mann 338,

Voll-bürgerstellen 168, -erwerbsbetriebe 477,Vorbeugender Brandschutz 201, Vordeichsflächen

19, Vorflut/er/ 519, -edikt 25, Vorwerk 125, Vorwerksgebäude 125.

W

Wachtschützen 91,110, Währungsreform 368, Wärmeauskoppelung 455, Wagenscheune 211,

Wald-bad 422, -bahn 237, -benutzungsbefugnisse 121, -ränder 215, -weideflächen 122, Waldemarturm

46, Wander-haushaltungsschule 175, -karte 489, Wappen-führung 61, -sage 66, -siegel

216, Warenproduzierendes Gewerbe 485, Warnen 43, Wartegeld 165, Wasenhaufen 123, Waschhaus

126, Wasser-beschaffungsverband Höhbeck 513, -burg Gartow 197, -und Deichlasten 26,

-genossenschaft für die Untere Seege 27, -käferarten 26, -mühle 24, 89,-pest 26, -schutzgebiet

560


515, -stand 32, -tonnen 203, -werk 514, -wirtschaft 513, -zoll 400, Wechselstube Lüchow 377,

Weddeweide 75, Weg/e 471, -bauverbände 229, -geld 239, -gesetz 229, -kommission 229, -ordnung

228, -Schlagbaum 126, -zoll 229, Wehrmachts-Bericht 329, Weichsel-Kaltzeit 17, Weide/nauwald

19, -geld 284, -kröpfen 286, -rechte 122, 290, Weihe-Gedicht 134, „Weihnachtsbäume“

347, Weihnachtsmärkte 467, Weiße Fahnen 348, Welfen 41, Weltjagdausstellung 440, Weltliche

Vorschriften 134, Wenden 36, Wendland-bräu 197, -kommissar 492, -therme 499, 506, Werwolf

345, Westlicher Umfassungs- Wassergraben 197, Wellnesstage 499, Wieder-aufbauvorschriften

205, -aufbereitungsanlage 539, Wiesenzins 76, 92,Wilhelm Leopold-Pfeil-Preis 441, Wilzen

43,44, Wind- Messanlage 509, -mühle/n 89, Winterroggen-aussaat 480, --blüte 480, Wirtschafts

-gebäude 40, -höfe 40, Wispel 64,133, Witwen-Kasse 172, Wohnungs-Not 365, -tausch 373,

Wolfsberg-Flüchtlingslager 354, Wollhandkrabben 29.

Z

Zapfen- und Klengsaaten 456, Zehntmahler 89, 10 m-Kontrollstreifen 399, Zehrengrabengenossenschaft

27, Zellenleiter 338, Zentrale Wasserversorgung 433, Ziehbrunnen 514, Zins/en-

Einnahmen 148, Zoll 240, -brett 240, -einnehmer 241, -grenzboot „Gartow“ 380, -grenzdienst

375, -grenzschutz 399, -reiterei 400,-stange 240, -stützpunkt 403, Zonen-Grenz/e 399 , -randausschuß

402, --förderungsgesetz 400, --hilfe 402, Zuckerschnitzel 332, ZV-Division 344, Zwangs-

-evakuierung 344, -umgesiedelte 361, -verwalter 77, 2.Weltkrieg 325, Zweites Deutsche Fernsehen

438, Zweitwohnungen 486, Zwischen-Lager 527.

561


Zeittafel zur Geschichte Gartows

1225 Erste Erwähnung Gartows im Zusammenhang mit den Herren „de Gartowe“

1321 Erwähnung eines Kirchenlehns, Vorwerks und zwei Mühlen in Gartow

1360 Quarnstedt, Holtorf, Kapern, Gummern, Restorf, Pevestorf, Brünkendorf, Vietze,

Nienwalde, Meetschow, Prezelle, Wirl und Gedelitz sowie Gartow waren im Lehnsbesitz

der Herren v. Gartow

1360 Die Herren v. Gartow verkaufen ihren Gartower Besitz an den Johanniter-Orden.

Gartow wird Sitz des Ordensverwalters Hermann v. Wereberge

1371 Erwähnung der Wasserburg Gartow

1426 Letztmalige Erwähnung der Herren v. Gartow in Gartow

1438 Victor v. Bülow besitzt die Wasserburg Gartow

1441 Vicko v. Bülow kauft die Hälfte der Wasserburg Gartow und die Hälfte des Ortes

Gartow von Werner v.d. Schulenburg/Johanniterorden

1518 Der v. Bülowsche Besitz in Gartow wird an die drei Brüder aufgeteilt

(Burg, Wirtschaftsgebäude, Liegenschaften, Einkünfte)

1556 Armenstiftung der v. Bülow für Bedürftige in Gartow

1556 Begründung der Stiftung zum Heiligen Geist durch Andreas v. Bülow

1588 Hinweis für die Existenz einer Schule bei der Wasserburg Gartow

1594 Der Rat von Gartow beschwert sich beim Landesherrn über das eigenmächtige

Vorgehen der v. Bülows

1595 Vergleich zwischen der Bürgerschaft Gartow und den Herren v. Bülow wegen verschiede

ner Differenzen, ebenso 1615

1631 Plünderung der v. Bülowschen Güter in Gartow in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges

(1618 - 1648)

1638 Victor Friedrich v. Bülow muß mit seiner Familie zunächst nach Salzwedel,

dann Hamburg fliehen

1642 Die v. Bülowschen Güter werden von Soldaten geplündert. Obrist v. Goldacker

brennt Gartow nieder.

1651 Verheerender Deichbruch bei Schnackenburg, das Binnengelände wird überflutet

1687 Zwangsbewirtschaftung des v. Bülowschen Gutes durch die Landesherrschaft

1690 Ende der Zwangsbewirtschaftung von Gut Gartow, Wiederinbesitznahme durch die

v. Bülow

1692 Erste Erwähnung eines Gasthauses in Gartow

1694 Premierminister Andreas Gottlieb v. Bernstorff erwirbt den v. Bülowschen

Besitz in Gartow

1694 Der Seege-Brückenzoll gerät in die Zuständigkeit des Hauses Gartow,

zuvor beim Schnackenburger Zöllner

1695 Besteuerung des von Gartower Bürgern hergestellten Bieres und Branntweines

1695 Stillegung der Wassermühle an der Wasserburg Gartow, Anlegung der

„hintersten“ Windmühle in Quarnstedt

1695 Die Gorlebener Hofinhaber werden zur Postbeförderung eingesetzt (bis 1750)

1699 Errichtung des Brauhauses auf dem Schlosshof

1704 Dienstrezess zwischen der Gartower Bürgerschaft und den Herren v. Bernstorff

1706 Anstellung eines Scharfrichters Valentin Wilhelm Kannenberg

1710 Baubeginn des Schlosses, beendet 1727, Abbruch der alten Wasserburg etwa um 1720.

562


1710 Anlegung der „vordersten“ Windmühle in Quarnstedt

1715 Andreas Gottlieb v. Bernstorff wird in den Freiherrenstand erhoben, 1726 verstarb er

1718 Amtmann Daniel Westing ist erster Amtmann in Gartow

1719 Holtorf, Kapern und Gummern werden dem Kurfürstentum Hannover angegliedert.

Die bisherige Landesgrenze Hannover/Preussen wird aufgehoben

1720 Errichtung des Adeligen Geschlossenen Gerichts Gartow als unabhängige

Verwaltungseinheit

1721 Gartow wird durch Schadenfeuer zerstört, auch die Kirche. Lediglich das

Schloss bleibt verschont.

1724 Die beim Brand 1721 zerstörte Kirche wird durch einen Neubau ersetzt

1725 Vermessung des Buchhorstgeländes durch Ingenieur Rollwagen

1739 Einrichtung der Apotheke Gartow

1745 Vermutliche Gründung des Privatkrankenhauses Gartow (Hospital) der Kirche

1750 Die Postbeförderung zwischen Dannenberg und Gartow wird von der Kaiserlichen Post

durchgeführt (ab 1757 wieder durch die Gorlebener), ab 1768 wiederum von der

Kaiserlichen Post)

1764 Es brennen 14 Bürgerstellen ab

1772 Letzte Hinrichtung in Gartow auf dem Galgenberg

1784 Hochwasserjahr

1785 Hochwasserjahr

1796 Zwei Feuerspritzen werden angeschafft

1803 Erste französische Truppenteile erreichen Gartow

1805 Militärische Einquartierungen durch Franzosen, häufig Durchmärsche

1810 Gartow gehört zum Königreich Westfalen, Huldigungsseid auf die französische

Verfassung, es wird der Kanton Gartow gebildet

1812 Die Buchhorst wird abgeholzt (Erlen)

1813 Ende der französischen Fremdherrschaft (1803 - 1813), Wiedererrichtung der alten

Verhältnisse

1817 Festlegung der Grenzen zwischen Gemeinde Gartow und v. Bernstorffschen Besitz

1828 Gründung des Krankenhauses auf dem Schlosshof durch Thekla v. Bernstorff

1833 Gründung der Ersparnis-Anstalt (Sparkasse) durch Thekla v. Bernstorff

1845 Bildung des „Kranken-Vereins für das Gericht Gartow“

1850 Aufhebung des Geschlossenen adeligen Gerichts Gartow, Angliederung an das neu

geschaffene Amt Gartow-Schnackenburg. Gartow erhält ein Amtsgericht.

1850 Letzter Amtmann in Gartow ist Dr. Christian Otto Ludwig Sarnighausen

1850 Auflösung des Geschlossenen Gerichts Gartow, Einverleibung der Scharfrichterei und

weiterer v. Bernstorffscher Gebäude in die Fleckensgemeinde.

1851 Trennung der Bürger- und Gutsschüler, Begründung der Gutsschule,

erneute Vereinigung 1911 - 1930

1852 Das Amt Gartow-Schnackenburg wird in Amt Gartow umbenannt, gab die Orte Prezier

und Volzendorf an das Amt Lüchow ab und erhielt den Ort Lanze zugewiesen

1853 Durch Schadenfeuer werden 98 Gebäude zerstört, 388 Personen werden obdachlos

1854 Spezialteilung der Gemeinheiten von Gartow Bedeutende Elbehochwasser:

1855, 1862, 1865, 1871, 1876, 1881, 1888, 1895, 1920, 1926/27,

1940/41, 1947, 1954, 1958, 1965, 1974/75, 1981, 1988, 2002, 2006,2011,2013

1857 Erster Chausseebau im Ortsteil Hahnenberge

1857 Erhöhung und Pflasterung der Springstraße

563


1859 Durch Schadenfeuer werden 20 Gebäude zerstört, danach Anlage von Feuergassen.

1859 Einführung des Landgemeindegesetzes

1862 Erhöhung der Straße in Gartow im Bereich Kirche, Schlosshof, Seegebrücke

1864 Errichtung einer eisernen Seegebrücke in Gartow

1868 Gründung des Sägewerkes Herbst im Ortsteil Hahnenberge (1908 Betrieb in Lüchow,

1920 in Lüneburg)

1868 Abtrennung der Kirchspiele Gartow, Trebel, Lomitz–Prezelle, Restorf, Holtorf–Kapern,

Schnackenburg von der Inspektion Lüchow und deren Vereinigung zur Inspektion Gartow

1871 Das Gartower Amtsgericht wird aufgelöst, zuständig ist nun das Amtsgericht Lüchow

1871 Gründung des Landwirtschaftlichen Vereins Gartow

1873 Gründung Pferdezuchtverein Gartow

1878 Verlegung des Friedhofs von der Buchhorst zur Hahnenberger Straße

1879 Bau einer eisernen Seegebrücke anstelle der bisherigen hölzernen

1884 Erhöhung der Hauptstraße in Gartow

1884 Anlage der Waldbahn zum Holztransport von Wirl nach Gartow (Sägewerke) und weiter

bis zur Elbe (ab 1889). Demontierung um 1949/50.

1885 Das Amt Lüchow mit den Gebietsteilen von Gartow wird aufgelöst und geht in den neu

geschaffenen Kreis Lüchow auf

1892 Graf v. Bernstorff bemüht sich vergebens um die Rückgewinnung des Amtsgerichtes

Gartow

1893 Ortsstatut für die Gemeinde Gartow

1906 In Gartow existiert eine Annahmestelle, ab 1924 eine Zweigstelle der „Kreis-Spar- und

Leihekasse Lüchow“

1908 Statut der Realgemeinde

1913 Gründung des Sägewerkes Werth im Ortsteil Hahnenberge (ab 1902 in Quarnstedt)

1916 Anlage eines Elektrizitätsnetzes im Ortsteil Hahnenberge für die Sägerei Werth

1920 Anlage eines Elektrizitätsnetzes in Gartow

1920 Eine private Kraftwagen-Verkehrsgesellschaft richtete einen Omnibusbetrieb

Dannenberg-Gartow-Schnackenburg ein

1921 Erstellung der Straßenbeleuchtung

1922 Aufhebung des Gartower Viehmarktes

1923 Einweihung Gedenkstein Gefallene des 1. Weltkrieges

1925 Die Post richtet die Omnibuslinie Dannenberg-Gartow-Schnackenburg ein, 1927

auch Lüchow-Gartow-Schnackenburg

1925 Die Gemeinde übernimmt das Elektrizitätsnetz von der in Konkurs gegangenen

Elektro-Genossenschaft

1925 Einrichtung des Kinderschützenfestes in Gartow

1925 Abhaltung des ersten Kirchenkreistages in Gartow

1927 Errichtung einer Tankstelle bei Delius

1929 Auflösung des Gutsbezirkes Gartow, Entstehen des Forstgutsbezirkes Gartow

1930 Trennung zwischen Kirche und Schule in Gartow

1930 Begründung der Volksschule Gartow

1933 Gründung der Ortsfrauenschaft Gartow

1933 Errichtung des Arbeitsdienstlagers Hahnenberger Straße

1935 Ausbau der Seege bis 1938 durch den Reichsarbeitsdienst,erneut 1957

1935 Bildung der Wassergenossenschaft für die untere Seege in Gartow

564


1936 Gartow wird als Fremdenverkehrsort bestimmt

1938 Ankauf des Gasthauses Krug und Einrichtung des Bürgermeisteramtes

1943 Auflösung der Jugendherberge Gartow, vermutlich 1925 gegründet

1943 Ausgebombte aus Hamburg, Hannover und Berlin finden zeitweise Aufnahme

in Gartow

1944 Die Barmer Ersatzkasse wird von Bremen nach Gartow evakuiert

1944 Einweihung des Gefallenen-Denkmals und Kriegsgräberstätte Buchhorst

1944 Aufstellung des Volkssturmbataillons Gartow

1945 Im März waren in Gartow 1056 Flüchtlinge, Ausgebombte und Evakuierte

untergebracht

1945 Im April dringen amerikanische Panzerwagen in Gartow ein. Infolge Panzerbeschuss

brennen mehrere Gebäude auf dem Gut Quarnstedt, das Torhaus auf dem Schlosshof

und Gebäude gegenüber der Kirche nieder. Zwei Personen finden hierbei den Tod.

1945 Durch Feindbeschuss werden durch Brand zerstört: v. Bernstorffsches Hospitalhaus,

Haus von Theodor Beyer, zwei weitere Wohnhäuser, Torhaus auf dem Schlosshof,

Gebäude auf dem Gut Quarnstedt

1945 Das Schloss wird Kreisalterheim mit 83 Insassen

1945 Seegebrücke wird gesprengt, Behelfsbrücke wird 1947 vom Hochwasser zerstört

1947 Aufstellung des Bebauungsplanes Hahnenberger Straße

1950 Die Gartower Schützengilde feierte ihr 100jähriges Bestehen

1950 Erster Frühjahrsmarkt der Nachkriegszeit in Verbindung mit dem Ferkelmarkt

1951 Der Bezirk Gartow wird in das Sanierungsgebiet Elbe/Jeetzel aufgenommen

1951 Ortssatzung der Gemeinde Gartow über besondere Anforderungen der Baugestaltung

und -pflege des Ortsbildes

1951 Bau der Grund- und Mittelschule Gartow (Mittelpunktschule, heute Grund- und Elbtalschule)

1951 Gründung des Forstverbandes Gartow und der Stierhaltungsgenossenschaft

1952 Gründung der Ortsgruppe Gartow des Heimkehrerverbandes

1952 Bau einer provisorischen Badeanstalt

1952 Marktordnung für die Gemeinde Gartow vom 6.6.1952

1954 Bau der neuen Tankstelle an der Springstraße

1954 Verkabelung der Freiluft-Fernsprechleitungen

1954 Asphaltierung der Hahnenberger Straße

1954 Neubau der Kreissparkasse

1954 Renovierung der Kirchenorgel

1954 Einrichtung einer „Fernsehstube“ in der Gastwirtschaft Strahmann

1956 Neubau der Seegebrücke

1956 Sturmschäden am 25.8.1956 in Gartow

1957 Ausbaggerungen in der Seege

1958 Bildung der Kalthausinteressengemeinschaft Gartow (Auflösung 2003)

1958 Gründung „Fremdenverkehrsvereinigung Höhbeck“

1962 Bildung der Samtgemeinde Gartow auf freiwilliger Basis

1965 Einrichtung der Realschule Gartow

1965 Bau des Feuerwehrgerätehauses (Bauhof 1983)

1966 Inbetriebnahme Schwimmbad (Waldbad)

1967 Inbetriebnahme Campingplatz (Erweiterung 1974 und 1992)

1967 Bau des Feriendorfes Am Helk

1968 Bau des Sportplatzes

565


1968 Bau einer Touristinformation Hahnenberger Straße

1969 Ausbau der zentralen Wasserversorgung

1969 Gründung des Wasserbeschaffungsverbandes (WBV) Höhbeck

1971 Bauleitplanung für Gartow unter Berücksichtigung des Tourismus

1972 Gesetzliche Bildung der Samtgemeinde Gartow (Gemeindereform)

1972 Baubeginn Gartower See, Einweihung 1976, westliche Erweiterung 1983

1973 Bau der Turnhalle

1973 Bau der zentralen Abwasserentsorgung, 2006 Übernahme durch den WBV Höhbeck

1973 Aufhöhung des Geländes Helk, Auf den Kämpen, Elsebusch mit Bodenaushub des

Gartower Sees

1974 Gründung der „Gartower See GmbH “ (1982 in „Kur- und See-Gesellschaft mbh

Gartow“ umbenannt)

1974 Ausweisung Landschaftsschutzgebiet Seegeniederung mit Gartower See

1974 Bau des linksseitigen Seegerückstaudeiches Gartow-Nienwalde (bis 1976) mit

Bodenaushub des Gartower Sees

1975 Freizeitanlagen am Gartower See

1976 Ausbau der Binnenentwässerung Gartow-Nienwalde

1977 Aufstellung des Landschaftsrahmenplans Gartow

1977 Einweihung Haus des Gastes

1977 Bau der Tennisplatzanlage

1977 Benennung von Gorleben als geplantes Endlager für abgebrannte Kernbrennstoffe

1978 Eröffnung Reitzentrum Gartow

1979 Beendigung der Dorferneuerung (62 teilnehmende Hauseigentümer)

1979 Bau der Friedhofskapelle

1980 Auflösung der Stiftung zum Heiligen Geist Gartow

1980 Gartow wird Luftkurort

1983 Der Omnibuskraftfahrdienst ging von der Post auf die Bahn über

1983 Neubau des Samtgemeinde-Dienstgebäudes

1988 Bau der Kurverwaltung/Touristinformation

1988 Ausweisung Naturschutzgebiet „Untere Seegeniederung“

1992 Bau der Wendland-Therme mit Solebrunnen

1995 Eröffnung Campingpark Gartow, 430 Stellplätze auf 8,5 ha

1998 Ausweisung Naturschutzgebiet „Obere Seegeniederung“

1998 Überfall auf die Poststelle (auch 1997)

1998 75 Jahre SPD-Ortsverein Gartow

1999 Kunst- und Handelsgärtnerei Horstmann besteht 100 Jahre

2000 150 Jahre Schützengilde Gartow, 75 Jahre Kinderschützenfest

2002 Ausweisung Biosphärenreservat Nieders. Elbtalaue

2003 Versetzung des Ehrenmals für die Gefallenen des 1. Weltkrieges von der Kirche zur

Kriegsgräberstätte Buchhorst

2005 Vertragsunterzeichnung „Natur erleben“ (Bahlsen-Stiftung)

Eröffnung Biber-Naturlehrpfad

2006 Unterhaltung der Seege geht auf den Unterhaltungsverband Jeetzel-Seege über

(vorher staatlich)

2006 60 Jahre Realschule Gartow

2006 Hohes Elbehochwasser

2007 Straßenbelag Hahnenberger Straße wird erneuert

566


2007 Gartow hat 1 378 Einwohner (2006: 1 402)

2007 Eröffnung Seeadler-Beobachtungsturm bei Nienwalde

2007 Gründung einer regionalen Energieagentur (EMMA)

2008 Elbtalschule Gartow wird Ganztagsschule

2008 Um- und Ausbau des Seepavillons „Salix“

2009 Eröffnung des „Penny“-Lebensmittelmarktes

2009 Männerchor Gartow besteht 20 Jahre

2010 Fusion Landvolkbezirksverband Gartow mit Trebel

2010 Eindeichung des Schlossgeländes mit einer Hochwasserschutzwand

2010 DRK-Seniorenheim Gartow saniert

2010 Kl. Gartower See entschlammt

2011 Hohes Elbehochwasser, Nacherhöhung der Deichstrecke Nienwalde-Gartow

2012 Einweihung Neubau Bootshaus (Segelclub Gartow)

2012 Lebensmittelmarkt Hildebrandt brennt nieder

2013 Sehr hohes Elbehochwasser,Stand in Gartow NN +19,82 m.Nacherhöhung des Deiches

Gartow-Nienwalde

567


KULTURVEREIN GARTOW E.V.

2016 kann der Kulturverein Gartow e.V. sein 70-jähriges Bestehen feiern. Gleich nach dem 2.

Weltkrieg regte sich das kulturelle Leben auch in Gartow wieder. Erste Aktivitäten begannen. 1966

folgte der Eintrag in das Vereinsregister.

Mit Vortragsreihen sowie eintägigen Studienfahrten machte sich der Verein über die Grenze der

Samtgemeinde Gartow hinaus einen Namen. Über 250 Mitglieder zählte der Verein, der demografische

Wandel macht aber auch hier nicht halt.

Die Vorträge zu Geographie und Kultur, zu Oekologie und Heimat vermitteln vielfältige Informationen.

In den Sommermonaten stehen Themen im Vordergrund, die vor allem Touristen interessieren.

Die Referenten kommen von nah und fern. Seit 1998 finden regelmäßige Theaterfahrten

nach Schwerin statt.

Der Kulturverein Gartow e.V. ist im Laufe seiner Entwicklung zu einem festen Bestandteil in der

kulturellen Szene des Landkreises Lüchow-Dannenberg geworden. Das Programm wird dem gesellschaftlichen

Wandel jährlich neu angepasst.

SPONSOrEN deR Gartow-chronik

Dankenswerterweise wurde durch private Spender sowie Sponsoren aus dem öffentlichen Bereich das

Erscheinen dieses Buches möglich. Dafür danken ihnen Herausgeber und Autor.

Gartower Wasser- und Deichverband

Gemeinde Gartow

Jagdgenossenschaft Gartow

Landkreis Lüchow-Dannenberg

Realverband Gartow

Rotary Club Lüchow-Dannenberg

Sparkasse Uelzen-Lüchow-Dannenberg

Unabhängige Wählergemeinschaft Gartow (UWG)

Voelkel Stiftung

Von Bernstorffsche Gutsbetriebe

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