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Standpunkte 3 Oktober 2021

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MEIN STANDPUNKT

Bildmächtig

Politik lebt von Bildern. Besonders, wenn neue Zeiten heraufdämmern. So war das schon

zu Bismarcks Zeiten: Ein berühmtes Foto vom Herbst 1888 dokumentiert den Antrittsbesuch

des jungen Kaisers Wilhelm II. beim greisen Reichskanzler auf seinem Alterssitz in

Friedrichsruh nahe Hamburg. Lässig hält der Monarch seinen Gehstock, das Knie angewinkelt,

und schaut mit leicht affektiertem Gestus und forderndem Blick direkt in die

Kamera. Bismarck ist von der Seite eingefangen, stocksteif stützt er sich auf seine Gehhilfe

und blickt offenbar Wilhelm an – oder auch an ihm vorbei, man kann es nicht genau

erkennen. Ein ikonisches Bild, das mit seiner kalten Distanz vorausnimmt, was eineinhalb

Jahre später passiert: die Vertreibung des „Lotsen von Bord“. So betitelte damals das

britische Satiremagazin „Punch“ den Rausschmiss Bismarcks durch Wilhelm nach fast

28 Jahren an der Spitze Preußens und des Deutschen Reiches.

Vor gerade vier Jahren präsentierten sich auf dem Balkon des ehrwürdigen Reichstagspräsidentenpalais

in Berlin die Verhandlungsparteien des ersten Jamaika-Koalitionsversuchs

in ihren Gesprächspausen. Die Kanzlerin schon mal winkend, Hessens Ministerpräsident

Volker Bouffier Zigarillo rauchend, der damalige Grünen-Chef Cem Özdemir

mit breitem Lächeln, FDP-Chef Christian Lindner am Bildrand mit angespannter Miene.

Politiker-Gewusel in höchst unterschiedlichen Stimmungslagen gleich hinterm Reichstag,

kein gutes Omen für das, was folgte.

Wie anders mutet da der bildmächtige Auftakt zum ersten Gespräch für ein grün-gelbes

Bundesbündnis im Selfiezeitalter an: Locker streckt FDP-Generalsekretär Volker Wissing

das Handyobjektiv in die Luft, verhaltenes Lächeln bei ihm und Christian Lindner sowie

den grünen Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck. Dicht stehen sie

beieinander, mit offenen Hemdkragen in Weiß oder Schwarz die Herren, im

kleinen Schwarzen die Dame, umgeben von einem schlicht-weißen Flur. Ein

Teamtreffen in entspannter Atmosphäre, offenbar unter Vertrauten, das

könnte ein gutes Projekt werden, suggeriert das Bild. Fragt sich nur, ob zu dem

adretten Quartett eher ein freundlich lächelnder Rheinländer oder ein nüchtern

blickender Norddeutscher passt. Wir warten auf ein bildmächtiges

Quintett-Selfie, ganz dringend!

Alexander Luckow,

„Standpunkte“-

Chefredakteur

@

Sie erreichen mich unter: luckow@nordmetall.de

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www.facebook.com/NORDMETALL

60 NORDMETALL Standpunkte 3 / 2021

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