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Christkatholisch_2021-21

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4 Thema<br />

<strong>Christkatholisch</strong> <strong>21</strong>/<strong>20<strong>21</strong></strong><br />

Orgel im Rohbau,<br />

Blick auf die<br />

Klaviatur.<br />

tete er bei Friedrich Haas (1811-1886),<br />

einem der hervorragendsten Orgelbauer<br />

des 19. Jahrhunderts. Dank<br />

des noch erhaltenen Werkstatt-Tagebuchs<br />

von Friedrich Haas lässt sich vieles<br />

über die Arbeitsweise eines Orgelbauers<br />

sagen. Ganz in der Tradition<br />

eines alten Orgelbauers zog Haas von<br />

Ort zu Ort und bestimmte auf diese<br />

Weise seine Aufträge. Erst beim Bau<br />

der Orgel für die Hofkirche liess er sich<br />

in Luzern fest nieder. Wie sah solch<br />

eine Orgel aus? Für den Orgelbau und<br />

für Organisten ist die Orgel in der reformierten<br />

Kirche von Thalwil eine<br />

Art Pilgerstätte. Sie ist das einzige vollständig<br />

erhaltene Instrument der ursprünglich<br />

23 Werke umfassenden Arbeiten<br />

von Friedrich Haas. Darüber<br />

hinaus ist sie mit ihrer kultivierten,<br />

farbig differenzierten Klangästhetik<br />

auch eines der raren authentischen<br />

Klangdokumente für die «romantische<br />

Orgel» in der Schweiz.<br />

Orgel der Klosterkirche Engelberg<br />

bringt den Durchbruch<br />

Vor etwas über 150 Jahren, im Jahr<br />

1868, übernahm der damals 28-jährige<br />

Friedrich Goll die Werkstatt von<br />

Friedrich Haas in Luzern. Den Durchbruch<br />

schaffte er mit seinem Opus 12,<br />

der ersten grossen Orgel der Klosterkirche<br />

Engelberg mit ihren damals 50<br />

Registern. Einem Kernanliegen ordnet<br />

die Firma bis heute alles unter: Die Instrumente<br />

müssen eine hohe Qualität<br />

aufweisen. Dies war auch das Fundament<br />

für den Ruf unter Orgelbauern<br />

und Auftraggebern. Es ermöglichte<br />

eine kontinuierliche Vergrösserung<br />

des Betriebes auf 70 Angestellte (um<br />

1910).<br />

Bis 1895 wurden mechanische Kegelladen<br />

gebaut. Gemäss Simon Hebeisen<br />

sei dies ein Konstruktionsprinzip im<br />

Orgelbau. Alle Pfeifen, die zu einem<br />

Register gehören, stehen auf einer gemeinsamen<br />

«Windlade». Eine Windlade<br />

sei das Herzstück jeder Orgel,<br />

auch bei anderen Techniken. Wir<br />

schauten sie uns genauer an – wahre<br />

Wunderwerke. Aus der Windlade beziehen<br />

die Pfeifen die nötige Luft. Wie<br />

viel Luft jede Pfeife erhält, wird hier<br />

koordiniert. Sie ist wie ein Sandwich<br />

zwischen Tasten und Pfeifen. Wie viel<br />

Luft und wie viel Ausgleich dies alles<br />

für ein Tutti benötigt, konnten wir nur<br />

erahnen, denn die grossen Pfeifen sind<br />

bis zu 5 Meter lang und die kleinsten<br />

12 Millimeter.<br />

1905 übernahmen die Söhne Karl und<br />

Paul das Geschäft. Sie führten es durch<br />

eine bewegte und krisengeschüttelte<br />

Zeit bis zum international gefeierten<br />

Bau der bis heute grössten Orgel der<br />

Schweiz in der Klosterkirche Engelberg.<br />

Deren Registerzahl wurde 1926<br />

auf 135 erhöht.<br />

Jede Orgel ein Unikat<br />

Nach dem tragischen Unfalltod von<br />

Friedrich Goll (Enkel des Firmengründers)<br />

übernahmen Beat Grenacher<br />

und Jakob Schmidt 1972 die traditionsreiche<br />

Luzerner Orgelbaufirma.<br />

Während der letzten 45 Jahre haben<br />

bald 100 Instrumente die Luzerner<br />

Werkstatt verlassen: Jede Orgel ist ein<br />

Gesamtkunstwerk.<br />

Ein spannender Beruf<br />

Die Firma Goll mit ihren heute 15 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern habe<br />

immer 1 bis 2 Lehrlinge, sagt uns der<br />

Orgelbaumeister. Der Beruf des Orgelbauers<br />

beinhaltet ein ganze Reihe von<br />

Berufen: Intonateur, Orgelpfeifenmacher,<br />

Schreiner, Elektriker, Akustiker,<br />

Organist und noch viele andere. Aus<br />

verschiedenen Holzarten, Metallen,<br />

Kunststoffen und Leder werden Einzelteile<br />

von Orgeln hergestellt. Lippenpfeifen,<br />

Zungenpfeifen, Zungenregister,<br />

auch Glockenregister und<br />

Pedalobertasten werden nach technischen<br />

Vorgaben gebaut und zusammengesetzt.<br />

Die Vorgaben können<br />

sich ändern, so wie etwa in den 1970er-<br />

Jahren bestimmt wurde, dass Elfenbein<br />

nicht mehr für die Tasten verwenden<br />

werden dürfe. Dies führe<br />

manchmal zu komischen Situationen.<br />

Bei der Restaurierung eines Instrumentes<br />

mit Baujahr 1910 muss an der<br />

Grenze bewiesen werden, dass der Elefant<br />

vor 1970 erlegt worden ist.<br />

Die Orgel als ideales Erstinstrument:<br />

Dank der Aufsteck-<br />

Elemente<br />

Die Organistin Daniela Achermann<br />

hatte vor über einem Jahr die Idee, in<br />

Sursee eine Orgelschule zu gründen.<br />

Simon Hebeisen sagt, dass Sie damit<br />

Kinder und Jugendliche für das Instrument<br />

Orgel gewinnen wollte, was er<br />

sehr unterstützt habe. Denn wie sollte<br />

ein 9-jähriges Mädchen mit ihren kurzen<br />

Beinen zu den Pedalen gelangen?<br />

Wenn Amélie, Maël und Layra in die<br />

Kirchen kommen, montieren sie zunächst<br />

Holzteile auf die Pedale, welche<br />

fast wie Schlittschuhe aussehen. Die<br />

Orgelbaufirma Goll entwickelte Aufsteck-Elemente.<br />

Eine Vorrichtung, die<br />

die lange Distanz von der Orgelbank zu<br />

den Pedaltasten überbrückt: Die angepassten<br />

Kinderpedal-Elemente werden<br />

auf die bestehende Pedalklaviatur gesteckt<br />

und schon können die kurzen<br />

Kinderbeine selbst die allertiefsten Pedaltöne<br />

erklingen lassen. Auch für das<br />

Einstudieren und Üben der Unabhängigkeit<br />

zwischen Händen und Füssen<br />

ist diese Entwicklung von entscheidender<br />

Bedeutung, sagt der Orgelbaufachmann,<br />

der auch an der Musikhochschule<br />

in Luzern unterrichtet. An den<br />

meisten Musikschulen müssen die Kinder<br />

zunächst einen mehrjährigen Klavierunterricht<br />

vorweisen, bis sie lernen<br />

dürfen, die Orgel zu spielen. Für Daniela<br />

Achermann hingegen ist die Orgel<br />

das ideale Erstinstrument. Drücke ich<br />

eine Taste, höre ich schon einen Ton,<br />

der so lange anhält, bis ich wieder loslasse.<br />

Noch gibt es kaum Lehrmittel, so<br />

dass die Orgellehrer dabei sind, neues

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