Stahlreport 2021.12
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BDS<br />
Leitartikel<br />
BDS-Vorstand<br />
Oliver Ellermann<br />
Leitartikel von BDS-Vorstand Oliver Ellermann<br />
Der Stahlhandel schärft<br />
in der Corona-Krise sein Profil<br />
Die beiden letzten Jahre waren für lagerhaltende Vollsortimenter, Biegebetriebe, Nischenanbieter,<br />
Anarbeitungsspezialisten und Stahl-Service-Center in Deutschland eine große Herausforderung.<br />
Oliver Ellermann fasst in diesem Leitartikel die jüngsten Ereignisse zusammen – und unternimmt den<br />
Versuch, in die nächsten Wochen bis zum Jahresanfang 2022 zu blicken.<br />
An dieser Stelle wollen wir kurz zurückschauen,<br />
damit wir im Anschluss in die Zukunft blicken können:<br />
Zu Beginn des vergangenen Jahres, am 15. März 2020,<br />
hatten wir alle die größte Sorge, dass es in den kommenden<br />
Wochen und Monaten schlecht für uns ausgehen<br />
wird. An diesem Tag verkündete die deutsche Regierung,<br />
dass die Grenzen zu Dänemark, Frankreich, Luxemburg,<br />
der Schweiz und Österreich aufgrund der Covid-19-Pandemie<br />
für den Personenverkehr ab sofort kontrolliert<br />
würden. Zwar war der waren- und berufsbedingte Pendlerverkehr<br />
davon ausgenommen – doch dieser beispiellose<br />
Einschnitt lief wie eine Schockwelle durch das<br />
gesamte Land, Wirtschaft wie Gesellschaft. Wir befürchteten<br />
– mit einigem Recht – einen industriellen Zusammenbruch<br />
auf breiter Front, gefolgt von Insolvenzen in<br />
unserer Kundschaft und massiven Auswirkungen auf<br />
unsere Geschäftsmodelle.<br />
Wir haben die Situation gemeistert<br />
Nach der ersten Bugwelle der Erregung zeigte sich die<br />
Stahldistribution jedoch beim Umgang mit allen Herausforderungen<br />
in der Folge flexibel und robust. Zunächst<br />
mussten wir mit Maßnahmen wie Homeoffice,<br />
Kurzarbeit oder personellen Problemen beim grenzüberschreitenden<br />
Verkehr umgehen. Die Politik griff<br />
bei unseren Kundenbranchen mit dem Instrument der<br />
Insolvenzaussetzung unterstützend ein (zum Glück erwischte<br />
es uns nicht beim endgültigen Auslaufen der<br />
Maßnahme im Sommer 2021; derzeit ist das Zahlungsverhalten<br />
noch gut).<br />
Auf der Absatzseite half der ungebrochene und mitunter<br />
wieder erstarkte Bauboom mit seinen Ausstrahlungseffekten<br />
bis hin zum kleinen und mittleren Handwerk<br />
uns mit kontinuierlichen Aufträgen über Wasser<br />
zu halten. Für den Maschinenbau und die allgemeine<br />
Fahrzeugindustrie sah es jedoch vergleichsweise düster<br />
aus: Sie litten aufgrund des Zusammenbruchs der Deutschen<br />
Exportmärkte und der Zurückhaltung der verunsicherten<br />
Konsumenten am meisten.<br />
Lieferketten aus dem Ruder<br />
Doch auch wenn die Verwerfungen schon bis dahin immens<br />
waren – sie waren erst der Einstieg in die Pandemie.<br />
Endgültig verrückt spielten die globalen Parameter bei<br />
der Materialverfügbarkeit, und zwar nicht nur bei Stahl,<br />
ab dem Spätherbst 2020. Flankiert von Exzessen bei<br />
den Beschaffungspreisen wurde es für lagerhaltende<br />
Vollsortimenter, Biegebetriebe, Nischenanbieter, Anarbeitungsspezialisten<br />
und Stahl-Service-Center mitunter<br />
mehr als dramatisch. Nur mit den allergrößten Kraftanstrengungen<br />
ist es uns trotz zum Teil verdreifachten<br />
Preisen gelungen – denn die Limits bei den Warenkreditversicherern<br />
verdreifachten sich nun einmal nicht<br />
im selben Zeitraum –, unsere Lieferfähigkeit aufrecht<br />
zu erhalten. Insbesondere bei Langfristverträgen mit<br />
unseren Kunden befanden sich die Herausforderungen<br />
24 <strong>Stahlreport</strong> 12|21