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Jochen Ostheimer und Markus Vogt

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<strong>Jochen</strong> <strong>Ostheimer</strong> <strong>und</strong> <strong>Markus</strong> <strong>Vogt</strong><br />

Entscheidungen <strong>und</strong> Entwicklungen ihre ethische Brisanz <strong>und</strong> Dignität.<br />

Dieser auch durch Geschichte konstituierten Individualität müssen Entscheidungen<br />

gerecht werden. Ein Negativbeispiel ist die Entwicklungspolitik:<br />

Hier folgen Maßnahmen allzu oft kontextvergessen einer allgemeinen<br />

Regel, etwa „wie im Westen so auf Erden“. 22<br />

2. Viele Vorgänge haben ihre „eigene“ Zeit, die mit der axialen Zeit<br />

der klassischen Physik nicht identisch ist, sondern eher Ähnlichkeiten zum<br />

Konzept der durée von Henri Bergson aufweist. Die Beachtung von Eigenzeiten<br />

ist in der modernen Gesellschaft unter der Dominanz des Taktes<br />

von Maschinen häufig verloren gegangen. Das Bemühen um eine<br />

Synchronisation ökologischer, sozialer <strong>und</strong> ökonomischer Rhythmen, wie<br />

es das ethisch-politische Leitbild der Nachhaltigkeit anstrebt, ist nicht<br />

denkbar ohne eine Erforschung der komplexen Vielfalt von Eigenzeiten<br />

<strong>und</strong> Regenerationsrhythmen. 23<br />

3. Die Vorgehensweise der klassischen Wissenschaft, die Systemteile<br />

immer differenzierteren Analysen unterzieht, ist im Blick auf komplexe<br />

Wechselwirkungen in Natur <strong>und</strong> Gesellschaft durch die Erforschung von<br />

Systemzusammenhängen zu ergänzen. 24 Die Kenntnis dieser Dynamik<br />

kann entscheidend sein, um langfristige oder verzögert <strong>und</strong> mit Querschnittscharakter<br />

auftretende Probleme, wie sie etwa im Kontext von<br />

Globalisierung <strong>und</strong> Klimawandel typisch sind, politisch besser zu bewältigen.<br />

4. Komplexe, sich selbst organisierende Systeme lassen sie sich kaum<br />

über direkte Eingriffe steuern, sondern meist nur indirekt über bestimmte<br />

Kontrollparameter beeinflussen. Eine in funktionaler Hinsicht umfassende,<br />

aber auf die Kontrollparameter beschränkte <strong>und</strong> dadurch handhabbare<br />

Vernetzung, wie sie das Organisationsprinzip der Retinität vorsieht 25 , ist<br />

weitaus differenzierter <strong>und</strong> flexibler als eine auf zentrale Lenkung ausgerichtete<br />

Strategie. Darüber hinaus ist sie auch eher freiheits- <strong>und</strong> demokratieverträglich,<br />

da sie system- <strong>und</strong> kulturinhärente <strong>und</strong> kontextsensible<br />

Steuerung gegenüber externen Interventionen bevorzugt (z.B. eher<br />

Marktkräfte als Subventionen).<br />

5. In scheinbar heterogenen Prozessen lassen sich gemeinsame Muster<br />

erkennen. Dies ist bei Entscheidungen unter Bedingungen von Komplexität<br />

ein wichtiges Instrumentarium, um Zukunftsentwicklungen abschätzen<br />

_____________<br />

22 Vgl. Sachs 1993.<br />

23 Vgl. Held/Geißler 1995.<br />

24 Lipp (1992, 17) mahnt in diesem Sinn einen Übergang von „analytischen“ zu „synthetischen<br />

Rationalitätsmodellen“ an, wofür es verschiedene Schlagwörter gibt, etwa Retinität<br />

bei Wilhelm Korff oder vernetztes Denken bei Frederic Vester, um nur zwei Beispiele zu<br />

nennen.<br />

25 Vgl. <strong>Vogt</strong> 1996.<br />

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