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Jochen Ostheimer und Markus Vogt

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<strong>Jochen</strong> <strong>Ostheimer</strong> <strong>und</strong> <strong>Markus</strong> <strong>Vogt</strong><br />

Versuch „der Lösung drängender Zivilisationsprobleme über Appelle an<br />

das Kollektiv nicht organisierter beteiligter Individuen“. 20 Politiker reagieren<br />

darauf mit einer Neigung zu „symbolischer Politik“ oder zu deklamatorischer<br />

Verantwortungsüberlastung, die realen Problemlösungen eher im<br />

Weg steht. Das häufig beklagte Versagen der Politik ist aber nur zu einem<br />

geringeren Teil als Moralversagen zu beschreiben, es hat vielmehr in der<br />

zunehmenden Komplexität <strong>und</strong> Autonomisierung einzelner Sachbereiche<br />

eine strukturelle Ursache. Dahinter zeigt sich ein Problem der Steuerung<br />

komplexer Systeme.<br />

Eine Analyse wie die von Dörner vorlegte, die charakteristische Muster<br />

einer „Logik des Misslingens“ erkennen lässt, macht deutlich, dass ein<br />

Handeln unter der Bedingung von Komplexität eines besonderen Typus<br />

von Rationalität bedarf. Indirekt kann eine solche systemtheoretische<br />

Analyse somit zur Agenda einer Risikoethik beitragen.<br />

2.4 Schlussfolgerungen für die Methoden der angewandten Ethik<br />

In ethischer Hinsicht können die komplexitätstheoretischen Forschungen<br />

vor allem in den folgenden beiden Hinsichten bedeutsam sein. Erstens<br />

sehen manche in der Komplexität natürlicher Systeme mit ihren Aspekten<br />

der Spontaneität <strong>und</strong> Kreativität ein letztes Bollwerk zur Verteidigung der<br />

menschlichen Freiheit gegen den naturgesetzlichen Determinismus. In<br />

religiöser Hinsicht wird zuweilen diese letzte Unbestimmtheit <strong>und</strong> Unbestimmbarkeit<br />

als Möglichkeit für göttliche Eingriffe behauptet. Philosophisch<br />

betrachtet liegt solchen Überlegungen in aller Regel ein<br />

Kategorienfehler zugr<strong>und</strong>e. In der Komplexität gesellschaftlicher Funktionssysteme<br />

dagegen sehen manche eine Bedrohung der menschlichen<br />

Freiheit: Der Einzelne verliere sich in den Systemzusammenhängen <strong>und</strong><br />

seine Autonomie an Systemimperative. Zwar sind dies ethisch bedeutsame<br />

Befürchtungen, doch bei einer Methodenreflexion fällt häufig auf, dass<br />

ihre System- <strong>und</strong> Handlungsbegriffe nicht geklärt sind oder nicht zusammenpassen.<br />

Interessanter ist daher der Umstand, dass die Komplexitätstheorien 21<br />

zweitens ein methodisches <strong>und</strong> begriffliches Instrumentarium zur Verfü-<br />

_____________<br />

20 Lübbe 1994, 297, 298.<br />

21 Küppers (1991 95) schlägt den Typus einer „Wissenschaft des Komplexen“ als einer<br />

„Strukturwissenschaft“ vor. Sie „untersucht das gesetzmäßige Verhalten von Strukturen,<br />

<strong>und</strong> zwar unabhängig davon, in welcher Form diese Strukturen in der Realität vorkommen.“<br />

Zu dieser Wissenschaftsform zählt er neben der Mathematik z.B. auch Kybernetik,<br />

Systemtheorie <strong>und</strong> Semiotik. – Es bedürfte einer eigenen Untersuchung, wie die verschiedenen<br />

Komplexitätsbegriffe von natur- zu geisteswissenschaftlichen Theorien übergewandert<br />

<strong>und</strong> dann dort weiter verarbeitet worden sind.<br />

9

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