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Jochen Ostheimer und Markus Vogt

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Risikomündigkeit<br />

etwa in einer Resonanzkatastrophe enden kann. Das System zerstört sich<br />

selbst durch seine Schwingungen.<br />

2.2 Komplexität in der Gesellschaft<br />

Rückkopplungen sind ein entscheidender Mechanismus zur Steuerung<br />

von Systemen, womit sich die Kybernetik <strong>und</strong> die allgemeine Systemtheorie<br />

befassen. Zahlreiche Prozesse in der Natur werden über derartige Vernetzungen<br />

reguliert <strong>und</strong> sind darin z.T. gr<strong>und</strong>sätzlich nicht voraussagbar.<br />

Doch auch soziale Vorgänge lassen sich mit diesem Muster beschreiben,<br />

wie insbesondere die systemtheoretisch geprägte Soziologie etwa von<br />

Talcott Parsons oder Niklas Luhmann zeigen, die viele Anregungen aus<br />

der kybernetischen Forschung (z.B. Gregory Bateson, Heinz von Foerster<br />

14 ) <strong>und</strong> aus der (Neuro-)Biologie (vor allem das Konzept der Autopoiesis<br />

<strong>und</strong> der operationalen Geschlossenheit von Humberto Maturana <strong>und</strong><br />

Francisco Varela 15 ) aufgenommen haben.<br />

Luhmann, der die Forschungen <strong>und</strong> Entwicklungen in der allgemeinen<br />

Systemtheorie wohl am konsequentesten in die Soziologie übernommen<br />

<strong>und</strong> dort weiter entfaltet hat, bestimmt Komplexität über die beiden Begriffe<br />

Element <strong>und</strong> Relation. 16 Was dabei jeweils als Element fungiert, wird<br />

vom System selbst bestimmt. Elemente können daher auch prozesshaft,<br />

d.h. als Operationen gedacht werden; im Bewussteinssystem als Gedanken,<br />

in sozialen Systemen als Kommunikation. Komplexität entsteht dadurch,<br />

dass es ab einer bestimmten Schwelle nicht mehr möglich ist, jedes<br />

einzelne Element mit jedem anderen in Beziehung zu setzen; Systeme<br />

können daher unterschiedlich komplex sein. Ein gr<strong>und</strong>sätzliches Komplexitätsgefälle<br />

besteht zwischen System <strong>und</strong> Umwelt: Die Umwelt ist stets<br />

komplexer. Das System verfügt nie über die „erforderliche Vielfalt“ 17 , um<br />

die Umwelt im Sinne des Adäquationsprinzips abzubilden.<br />

Wegen der Beschränkung der möglichen Verbindungen bedeutet<br />

Komplexität Selektionszwang <strong>und</strong> geht stets mit Kontingenz einher. Denn<br />

es wären immer auch andere Relationierungen möglich gewesen. Zugleich<br />

kann die Reduktion von Komplexität dazu dienen, eine neue, spezifische<br />

Komplexität aufzubauen. Die Sprache beispielsweise lässt nur sehr wenige<br />

Zeichen (Buchstaben, Worte) <strong>und</strong> Zeichenverbindungen (Worte, Sätze)<br />

als sinnvoll zu. Doch genau diese Vereinfachung ermöglicht es, die Welt<br />

im Medium der Sprache gleichsam neu <strong>und</strong> in neuer Weise zu errichten.<br />

_____________<br />

14 Vgl. Bateson 1987, 1992; Foerster 1993.<br />

15 Vgl. Maturana 1985; Maturana/Varela 1987.<br />

16 Vgl. Luhmann 1984, 45ff; Luhmann 1975.<br />

17 Vgl. Ashby 1974, 293-315.

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