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Jochen Ostheimer und Markus Vogt

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Risikomündigkeit<br />

tem Ausmaß zu ermöglichen, doch gerade deswegen können die Nebenfolgen<br />

in anderen Bereichen kaum mehr vorab eingeschätzt <strong>und</strong> berücksichtigt<br />

<strong>und</strong> hinterher häufig nicht oder nur sehr aufwändig bewältigt<br />

werden. „Sektorale Modernisierungsgewinne“ können „Wohlfahrtseinbußen“<br />

für Einzelne wie für die Gesellschaft im Ganzen bedeuten. 60 Die<br />

gesellschaftlichen Funktionssysteme sind, wie oben (2.2) gezeigt, nicht in<br />

der Lage, für ihre Nachbarsysteme „mitzudenken“. Daher werden externe<br />

Nebenfolgen nicht gr<strong>und</strong>sätzlich in die Planung miteinbezogen. Ebenso<br />

können übergreifende ethische Leitideen wie etwa das Gemeinwohl oder<br />

die globalen <strong>und</strong> intergenerationellen Dimensionen der Gerechtigkeit nur<br />

insoweit reflektiert <strong>und</strong> bei Entscheidungen berücksichtigt werden, als sie<br />

sich systemspezifisch darstellen lassen – doch genau dadurch büßen sie<br />

ihren umfassenden Charakter ein.<br />

Schwächer <strong>und</strong> daher vielleicht eher praktikabel als die verschiedenen<br />

Formen einer Null-Option sind Regelungen, die Risiken gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

zulassen, aber Rahmenbedingungen formulieren. Dazu zählen die verschiedenen<br />

Formen von Produkthaftung. Ein verpflichtender Versicherungsschutz,<br />

der im Falle eines Falles gewährleistet, dass Schäden<br />

zumindest finanziell wieder gutgemacht werden, ist ein weiteres Beispiel.<br />

In beiden Fällen wird die eigentlich vergangenheitsorientierte Haftungs-<br />

mit der zukunftsorientierten Entscheidungsverantwortung kombiniert. 61<br />

Der gegenwärtige Beschluss ist nur legitim, wenn er zugleich dafür sorgt,<br />

dass ein zukünftiger Schadenseintritt nachträglich bewältigt werden kann.<br />

Voraussetzung ist freilich ein funktionierendes Rechtssystem, das in weiten<br />

Teilen der Welt nicht gegeben ist. Ein weiteres <strong>und</strong> damit kompatibles<br />

Modell ist die Umkehr der Beweislast. Der Betreiber einer prinzipiell gefährlichen<br />

Anlage muss im Schadensfall nachweisen, dass ihm nichts vorzuwerfen<br />

ist. Dieses Verfahren ist vor allem deswegen bedeutsam, weil<br />

viele Betroffene kaum die (finanziellen) Mittel aufzubringen in der Lage<br />

sind, um erfolgreich gegen Großunternehmen oder Forschungseinrichtungen<br />

zu prozessieren. – All diese Maßnahmen haben den Vorteil, dass<br />

sie sich lediglich auf Rahmenordnungen <strong>und</strong> Verfahren beziehen, inhaltlich<br />

aber keine Vorgaben machen <strong>und</strong> somit eine größtmögliche, mit dem<br />

Gr<strong>und</strong>satz der Verantwortlichkeit vereinbare Freiheit gewähren. Auf diese<br />

Weise kann ein Teil der Risikosteuerung ohne staatlichen Eingriff über<br />

den (Versicherungs-)Markt geregelt werden, ohne dadurch das Recht des<br />

Stärkeren zum Prinzip zu machen.<br />

_____________<br />

60 Vgl. Offe 1986, 113f; Kreibich 1991, 39.<br />

61 Zu diesen beiden Kategorien vgl. Kaufmann (1992, 109-114). Vgl. auch: Lübbe 1994, 290-<br />

292.

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