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Jochen Ostheimer und Markus Vogt

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Risikomündigkeit<br />

wortliche Entscheidungen zu treffen. Die Unsicherheit bezieht sich dabei<br />

auf die Handlungsfolgen, auf unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe der<br />

Betroffenen, über die nur manchmal ein Konsens gef<strong>und</strong>en werden kann,<br />

sowie auf die Grenzen moralischer Rationalität, für die es unter Modernitätsbedingungen<br />

keine Letztbegründung <strong>und</strong> keine vollständige Kohärenz<br />

gibt.<br />

Das Denken in Wahrscheinlichkeiten, das Abwägen mehrerer Möglichkeiten gehört<br />

zur kognitiven Infrastruktur der Moderne, denn die Moderne ist die Epoche<br />

der nur relativen, der gewissheitsfreien Rationalität. […] Daher müssen wir in<br />

technischer wie in moralischer Hinsicht risikomündig werden <strong>und</strong> ein Management<br />

der Ungewissheit entwickeln. 38<br />

Dies ist der methodische Ausgangspunkt für jede Form von Technikfolgenabschätzung.<br />

3.2.2 Die soziale Konstruktion von Risiko<br />

Ein Risiko ist ein möglicher künftiger Schaden, der auch als ein solcher<br />

wahrgenommen wird. Beides ist wichtig: die Wahrnehmung <strong>und</strong> die Einstufung<br />

als bedrohlich. Beides ist aber schwierig <strong>und</strong> bei den typischen<br />

Risiken der Moderne besonders problematisch. Dies zeigt dann auch, dass<br />

der Umgang mit Risiko nicht individualistisch oder psychologisch eng zu<br />

führen, sondern ebenso soziokulturell zu verstehen ist: Risiko ist ein soziales<br />

Konstrukt. Die Aufmerksamkeit wird nicht selten auf diejenigen Probleme<br />

konzentriert, für die bereits Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung<br />

stehen 39 , oder es werden lediglich solche Verfahren vorgeschlagen, die die<br />

Lage eines etablierten Netzwerks aus Forschungseinrichtungen <strong>und</strong> Wirtschaftsunternehmen<br />

zumindest unangetastet lassen oder die besonders gut<br />

zu einem bestimmten politischen Programm passen. 40 Ferner treten bei<br />

den typisch modernen Gefährdungen, die wie etwa bei der Nanotechnik<br />

sehr abstrakt sind, Vorstellungen an die Stelle von Erfahrungen. Diese<br />

sind relativ leicht formbar <strong>und</strong> somit zugänglich sowohl für übertriebene<br />

Befürchtungen als auch für irrationale Verharmlosungen. 41<br />

Wie sehr die Bestimmung eines Risikos sozial bedingt ist <strong>und</strong> nicht<br />

von naturalen Schwellenwerten abhängt, kann am Beispiel der Erforschung<br />

ges<strong>und</strong>heitsgefährdender Stoffe deutlich werden. Diese sind nicht<br />

_____________<br />

38 Kersting 2002, 317; zur Risikomündigkeit vgl. den ganzen Abschnitt 317-320.<br />

39 Vgl. Dörner 1992, 46.<br />

40 Man könnte hier an die politisch-offizielle Formel denken, dass der Klimawandel bei zwei<br />

Grad stehenbleiben werde. Denn alle darüber liegenden Werte führen zu Szenarien, die die<br />

„Real-Politik“ (<strong>und</strong> das heißt: die Gesellschaft) allzu sehr erschrecken.<br />

41 Vgl. Luhmann 1991, 120f.

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