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Jochen Ostheimer und Markus Vogt

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<strong>Jochen</strong> <strong>Ostheimer</strong> <strong>und</strong> <strong>Markus</strong> <strong>Vogt</strong><br />

3.2.5 Die Kalkulation des Risikos<br />

Zur Risikomündigkeit gehört wesentlich eine klare Problem- <strong>und</strong> Gefahrenhierarchie<br />

in der Abschätzung komplexer Situationen <strong>und</strong> Gewichtung<br />

nicht unmittelbar vergleichbarer Risiken; besonders problematisch sind<br />

dabei systemische Risiken, d.h. Beeinträchtigungen mit Querschnittswirkungen.<br />

62 Traditionell beschränken technische Risikoanalysen die Abschätzung<br />

der unerwünschten Effekte auf numerische<br />

Wahrscheinlichkeiten, die in der Regel auf relativen Häufigkeiten <strong>und</strong> den<br />

diesen Wahrscheinlichkeiten zugeordneten Schadenspotentialen beruhen.<br />

Zentrale Technikkonflikte der Gegenwart sind jedoch gerade dadurch<br />

geprägt, dass Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> Schadensumfang nicht hinreichend<br />

bekannt sind. Nötig sind daher zusätzliche Bewertungskriterien,<br />

so vor allem:<br />

1. die Begrenzung von Ubiquität <strong>und</strong> Persistenz (geografischer Reichweite<br />

<strong>und</strong> zeitlicher Ausdehnung) der Wirkung,<br />

2. die Reversibilität der Entscheidung (besonders bei verzögert eintretenden<br />

Effekten), 63<br />

3. die Freiwilligkeit der Risikoübernahme,<br />

4. die Erhaltung bzw. Steigerung der Handlungs-, Kontroll- <strong>und</strong> Steuerungsfähigkeit<br />

sowie der Fähigkeit, mit Überraschungen umzugehen, 64<br />

5. die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen, um die getroffene<br />

Entscheidung zumindest bei einem günstigen Verlauf durchhalten zu<br />

können. 65<br />

Risikomündigkeit fordert systemisches Denken, das nicht Einzelgrößen<br />

maximiert, sondern Zusammenhänge optimiert. Auf diese Weise, so lässt<br />

sich in entscheidungstheoretischer Hinsicht festhalten, wird dem Umgang<br />

mit der Zukunft eine neue Logik zugr<strong>und</strong>e gelegt.<br />

Im Kontext technologischer Entwicklungen sind die Folgen des Handelns<br />

nicht selten in so hohem Maß unvorhersehbar, dass die klassische<br />

Methode der Güter- <strong>und</strong> Übelabwägung als Gr<strong>und</strong>lage rationaler Entscheidung<br />

nicht angemessen im Rahmen einer Zukunftsprognose durchgerechnet<br />

werden kann. Die Abwägung ist im Sinne des Regelutilitarismus<br />

nicht nur auf die Bewertung einzelner mit den Handlungsalternativen<br />

_____________<br />

62 Vgl. Renn/Klinke 2003, 23; Renn u.a. 2007, 176-184.<br />

63 Vgl. Renn/Klinke 2003, 29.<br />

64 Eine Analogie aus dem Schach: Schachcomputer rechnen nicht sämtliche mögliche Züge<br />

bis zum Ende durch, sondern bewerten Stellungen danach, ob sie günstige Optionen bieten.<br />

65 Es erweist sich z.B. in Demokratien immer wieder als ein schwieriges Problem für Regierungen,<br />

mit den Beschlüssen ihrer Vorgänger adäquat umzugehen; man denke etwa an den<br />

beschlossenen „Atom-Ausstieg“.<br />

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