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Jochen Ostheimer und Markus Vogt

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22<br />

Risikomündigkeit<br />

3.2.3 Risikobewältigung durch Partizipation<br />

Gerade weil die Risikowahrnehmung [...] nicht durch die Grammatik absoluter<br />

Rationalität geprägt ist, sondern eingebettet ist in ein plurales, unterschiedliche<br />

Wertperspektiven ausbalancierendes Wahrnehmungsverhalten, muss sie in partizipatorische<br />

Entscheidungsmodelle der Risikobeherrschung eingebettet bleiben. 44<br />

Risikomündigkeit erfordert demokratische Verfahren, die unter repräsentativer<br />

Beteiligung der Betroffenen sowie der verschiedenen Kompetenzen<br />

in Selbstreflexion, Güterabwägung <strong>und</strong> Wertediskussion einen<br />

wesentlichen Beitrag zur Ausbildung des Maßes an sozialer Rationalität<br />

leisten, dessen die moderne Gesellschaft bedarf.<br />

Hochtechnologien mit ihrem Risikopotential stellen eine gr<strong>und</strong>legende<br />

demokratietheoretische Frage, nämlich ob Entscheidungen darüber wie<br />

bislang dem Zusammenspiel von alltäglichem Regierungsgeschäft, Wertschöpfungsorientierung<br />

der Wirtschaft <strong>und</strong> Wissensdrang der Wissenschaften<br />

überlassen bleiben oder ob neue Verfahren der Bürgerbeteiligung<br />

zu konzipieren sind bzw. sich faktisch herausbilden, wofür Ulrich Beck<br />

den Ausdruck der Subpolitik in die Diskussion eingebracht hat. 45 Aus<br />

ethischer Sicht ist die Beteiligung möglicher Betroffener bei der Entscheidung<br />

über Risiken ein gr<strong>und</strong>legender Wert. Offen bleibt in diesem bloßen<br />

Postulat allerdings die Frage, ob <strong>und</strong> wie dies jeweils möglich ist. Mitunter<br />

führen derartige Integrationsbemühungen lediglich dazu, dass die jeweils<br />

Gefragten die Risiken nach dem „Sankt-Florian-Prinzip“ auf andere abwälzen<br />

<strong>und</strong> so neue Betroffenheiten erzeugt werden. Zudem lässt der<br />

Wunsch nach rationalem <strong>und</strong> partizipatorischem Umgang mit riskanten<br />

Entscheidungen die Menge an Entscheidungen beträchtlich anwachsen,<br />

was die Unübersichtlichkeit steigert, so dass am Ende – entgegen der Absicht<br />

– umso mehr die Experten die Entscheidungen treffen (müssen)<br />

oder infolge wechselseitiger Blockaden die Entscheidung für keine Entscheidung<br />

gefällt wird. 46 Daher muss in verantwortungsethischer Hinsicht<br />

die Zuständigkeit für Entscheidungen klar abgrenzt <strong>und</strong> funktionsfähig<br />

vernetzt werden.<br />

Bei mangelnder Beteiligung an Entscheidungen nehmen nicht wenige<br />

ausgeschlossene Betroffene die Zukunft unter der Perspektive der Gefahr<br />

wahr <strong>und</strong> reagieren darauf mit „Angstkommunikation“ 47 – was häufig<br />

auch die einzige Möglichkeit ist, wenn diejenigen, die die Entscheidung<br />

treffen, für sich die Position der Sach- <strong>und</strong> Fachkompetenz oder der<br />

Rechtmäßigkeit, d.h. die Position der Rationalität, reklamieren (<strong>und</strong> zuge-<br />

_____________<br />

44 Kersting 2002, 318.<br />

45 Vgl. Beck 1993, bes. 154-163.<br />

46 Vgl. Luhmann 1991, 115, 129.<br />

47 Vgl. Luhmann 1986, 237-248.

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