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Jochen Ostheimer und Markus Vogt

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Risikomündigkeit<br />

ligungschancen aller <strong>und</strong> tendiert in Verbindung damit zu einer Unterhaltungskultur<br />

<strong>und</strong> zu einer medialen Überflutung mit Belanglosigkeiten.<br />

Dies kann als das Dilemma „Qualität vs. Beteiligungsmöglichkeiten für<br />

alle“ rekonstruiert werden. 51 Die Ethik scheint hier vor einer Patt-<br />

Situation zu stehen. Aus der ethischen Perspektive von Mündigkeit, Autonomie<br />

<strong>und</strong> Verantwortungsübernahme ist es gr<strong>und</strong>sätzlich positiv, wenn<br />

die Öffentlichkeit bei ethisch relevanten Themen selbst Stellung bezieht.<br />

Doch es drängen sich nicht wenige Fragen auf: Welche Konfliktfälle werden<br />

aufgegriffen <strong>und</strong> aus welchen Gründen? Nach welchen Kriterien wird<br />

entschieden bzw. wer gibt oder formuliert Maßstäbe oder gar Entscheidungen<br />

vor? Was wird alles nicht gesehen, wenn die öffentliche Aufmerksamkeit,<br />

die ja auch nur eine begrenzte Ressource ist 52 , sich über Wochen<br />

auf ein großes Thema konzentriert?<br />

Risikomündigkeit ist also auch hinsichtlich der öffentlichen Meinung<br />

eine Aufgabe qualifizierter Meinungsbildung in den Medien <strong>und</strong> einer<br />

Vielfalt zivilgesellschaftlicher Diskussionsformen sowie nicht zuletzt auch<br />

eine Aufgabe der Bildung:<br />

Erziehung zur Risikomündigkeit [ist] ein wichtiger Teil des Pensums einer Ethik<br />

der technisch-wissenschaftlichen Zivilisation. 53<br />

Nida-Rümelin denkt vor diesem Hintergr<strong>und</strong> an einen neuen Gesellschaftsvertrag<br />

„für den Umgang mit kollektiven Risiken, insbesondere<br />

solchen, die durch Technologien verursacht sind.“ 54 Er spricht sich für ein<br />

institutionalisiertes kollektives Entscheidungsverfahren aus, denn eine<br />

Risikosteuerung allein über den Markt genüge nicht. 55 So sehr dem zuzustimmen<br />

ist, so sehr bleibt allerdings unerwähnt <strong>und</strong> offen, wie solche<br />

Institutionen aussehen sollen, vor allem wenn man bedenkt, dass erstens<br />

zahlreiche Entscheidungen in politisch nicht oder nur kaum kontrollierten<br />

Wirtschaftsunternehmen oder Forschungseinrichtungen, d.h. in Bereichen,<br />

die aus guten Gründen dem unmittelbaren politischen Zugriff entzogen<br />

sind, oder im Ausland getroffen werden <strong>und</strong> zweitens viele<br />

_____________<br />

51 In aktuellen Konzepten wird die Idee des Gerichtshofes der öffentlichen Vernunft im so<br />

genannten Diskursmodell der Öffentlichkeit weitergeführt, wie es etwa von Habermas vertreten<br />

wird, vgl. Habermas 1990, bes. 343-359, zu dem Begriff <strong>und</strong> den ethischen Funktionen<br />

der „öffentlichen Meinung“ sowie zum „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ seit der<br />

Aufklärung. Eine Alternative ist das Spiegelmodell, dem zufolge sich die Gesellschaft in<br />

der Öffentlichkeit wie in einem Spiegel selbst beobachten könne, vgl. Luhmann 1991, 151;<br />

Luhmann 1990c.<br />

52 Vgl. Rötzer 1999; Crary 2002.<br />

53 Kersting 2002, 318.<br />

54 Nida-Rümelin 1996, 827.<br />

55 Zur Ansicht, dass Wirtschaft <strong>und</strong> Recht Risikoprobleme gr<strong>und</strong>sätzlich nicht lösen können,<br />

weil sie es mit Problemen der Zeitbindung zu tun haben, de anders strukturiert sind als Risiken,<br />

vgl. Luhmann 1991, 117f, 59-81.

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