24.12.2012 Aufrufe

Jochen Ostheimer und Markus Vogt

Jochen Ostheimer und Markus Vogt

Jochen Ostheimer und Markus Vogt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Jochen</strong> <strong>Ostheimer</strong> <strong>und</strong> <strong>Markus</strong> <strong>Vogt</strong><br />

ist erstens die Auseinandersetzung mit prinzipiellem (nicht bloß subjektivem<br />

<strong>und</strong> somit überwindbarem) Nichtwissen, mit der häufig zu findenden<br />

Verknüpfung von deskriptiven <strong>und</strong> normativen Elementen sowie mit der<br />

Logik offener Entscheidungen <strong>und</strong> Prozessabläufe.<br />

Das wissbare Nichtwissen hat unterschiedliche Ursachen bzw. Ebenen:<br />

Wie die naturwissenschaftlichen Komplexitätsforschungen zeigen,<br />

lassen sich manche Entwicklungen im Zusammenspiel von Technik, Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> Umwelt gr<strong>und</strong>sätzlich weder prognostizieren noch monokausal<br />

auf einzelne Ursachen zurückführen. Obwohl die Menschheit<br />

zweitens noch nie so viel Information über weltweite Entwicklungen <strong>und</strong><br />

künftig zu erwartende Ereignisse besessen hat, gibt es gleichzeitig einen<br />

rapiden Verlust von Wissen aufgr<strong>und</strong> der beschleunigten Innovationen,<br />

die das Wissen in allen Bereichen in immer kürzeren Halbwertszeiten<br />

veralten lassen. Drittens ist mit einer irreduziblen Pluralität an Beschreibungen<br />

<strong>und</strong> Bewertungen von Problemen <strong>und</strong> Lösungsansätzen, von<br />

Ursachen <strong>und</strong> Folgen zu rechnen. Ebenso wie die verschiedenen gesellschaftlichen<br />

Teilsysteme bzw. die diversen Theoriediskurse mit einer je<br />

eigenen Rationalität, mit heterogenen beobachtungsleitenden Unterscheidungen<br />

beobachten, unterscheiden sich auch Einzelpersonen hinsichtlich<br />

ihrer Risikowahrnehmung <strong>und</strong> -akzeptanz. Hinzu kommt in zahlreichen<br />

Fällen eine Kluft zwischen Expertensicht <strong>und</strong> Alltagsverstand. In diesem<br />

sind vielfältige kollektive Erfahrungen zu allgemeinen Regeln sedimentiert,<br />

weshalb er gr<strong>und</strong>sätzlich als ein Korrektiv zur Expertenmeinung anzuhören<br />

ist. 37<br />

Dies ist eine qualitativ veränderte Herausforderung für die Auseinandersetzung<br />

mit der komplexen Verschränkung von Wissen <strong>und</strong> Nichtwissen,<br />

die für das Verständnis von Entscheidungsproblemen maßgeblich ist.<br />

Angesichts dieser Ausgangslage der Unübersichtlichkeit stoßen teleologische<br />

Ansätze an methodische Grenzen. Viele individuelle <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Entscheidungssituationen sind durch einen so hohen <strong>und</strong><br />

spezifischen Komplexitätsgrad geprägt, dass der Rationalitätstyp der prognostischen<br />

Kalkulation von Folgen keine vernünftigen Entscheidungen<br />

zu gewährleisten vermag.<br />

Die Ethik findet sich folglich vor der Aufgabe, neue rationale Formen<br />

des Umgangs mit Entscheidungen unter der Bedingung von Unsicherheit<br />

zu konzipieren. Es geht, wie man anders formulieren könnte, um Risikomündigkeit.<br />

Risikomündigkeit ist die Fähigkeit, auch in Situationen, die durch hohe<br />

Komplexität <strong>und</strong> Unsicherheit geprägt sind, begründete <strong>und</strong> verant-<br />

_____________<br />

37 Dies umso mehr, wenn man wie Luhmann (1991, 229) davon ausgeht, dass mit Blick auf<br />

die Zukunft nur „Meinungswissen“ möglich sei <strong>und</strong> daher alles, auch die wissenschaftliche<br />

Argumentation, auf Rhetorik hinauslaufe.<br />

19

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!