24.02.2022 Aufrufe

Seltene Krankheiten

„Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebras.” Eine seltene Erkrankung bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie. In dieser Ausgabe sprechen Betroffene, Angehörige sowie Ärztinnen und Ärzte über den Diagnoseprozess, Therapien, Transition und wie man trotz seltener Krankheit seine Lebensqualität bewahren kann.

„Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebras.”

Eine seltene Erkrankung bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie.

In dieser Ausgabe sprechen Betroffene, Angehörige sowie Ärztinnen und Ärzte über den Diagnoseprozess, Therapien, Transition und wie man trotz seltener Krankheit seine Lebensqualität bewahren kann.

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EINE THEMENZEITUNG VON MEDIAPLANET<br />

Ein umfassender Ratgeber anlässlich des Tages der <strong>Seltene</strong>n <strong>Krankheiten</strong> 2022<br />

Lesen Sie die gesamte Kampagne auf www.seltenekrankheit.info<br />

Special Feature:<br />

<strong>Seltene</strong> <strong>Krankheiten</strong><br />

FOTO: OMER HACOHEN<br />

Der (lange)<br />

Weg zur Diagnose<br />

Roi Shternin<br />

Vom Krankenbett zum Keynote-<br />

Speaker: Wie sich der Weg zur Diagnose<br />

für den gebürtigen Israeli gestaltet hat.<br />

Pro Rare<br />

Wann gilt eine Krankheit als selten?<br />

Das und mehr erklärt Geschäftsführerin<br />

Elisabeth Weigand im Vorwort.


2 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

IN DIESER AUSGABE<br />

16<br />

Ohne Stimme aufwachen<br />

Nora Sophie Aigner über die schwierige<br />

Diagnosefindung des „Eagle-Syndroms“,<br />

Rückhalt aus dem eigenen Umfeld und<br />

Hoffnungen für den weiteren Verlauf.<br />

FOTO: UNSPLASH<br />

20<br />

Erwachsenwerden mit<br />

seltenen Erkrankungen<br />

Mag. a Dr. in Culen, OÄ Dr. in Eisenkölbl<br />

und Elisabeth Jodlbauer-Riegler<br />

über Selbstbestimmung, die Rolle der<br />

Familie und Voraussetzungen für eine<br />

gelungene Transition.<br />

Industry Manager & Content Strategist: Paul Pirkelbauer<br />

Content and Production Manager: Viktoria Pisker, BA<br />

Layout: Juraj Príkopa Lektorat: Sophie Müller, MA<br />

Managing Director: Bob Roemké<br />

Medieninhaber: Mediaplanet GmbH · Bösendorferstraße<br />

4/23 · 1010 Wien · ATU 64759844 · FN 322799f FG Wien<br />

Impressum: mediaplanet.com/at/impressum Druck:<br />

Mediaprint Zeitungsdruckerei Ges.m.b.H. & Co.KG<br />

Distribution: Der Standard Verlagsgesellschaft m.b.H.<br />

Kontakt bei Mediaplanet: Tel: + 01 236 34 38 0<br />

E-Mail: hello-austria@mediaplanet.com ET: 24.2.2022<br />

Bleiben Sie in Kontakt:<br />

@Mediaplanet Austria<br />

@austriamediaplanet<br />

FOTO: RAIMUND NICS<br />

VORWORT<br />

Ungewöhnliche Symptome, eine<br />

Kombination davon und keine<br />

ansprechende Therapie? Dies könnte<br />

auf eine seltene Erkrankung hinweisen.<br />

Eine seltene Erkrankung bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und<br />

beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie. Von einer seltenen<br />

Erkrankung spricht man, der europäischen Definition folgend, wenn weniger als eine<br />

von 2.000 Personen das spezifische Krankheitsbild aufweisen. Jede einzelne dieser<br />

Erkrankungen ist für sich stehend selten – in ihrer Summe sind allerdings rund fünf Prozent<br />

der Bevölkerung von ihnen betroffen. In Österreich sind das mehr als 400.000<br />

Menschen.<br />

Eine Diagnose unklarer<br />

Symptome ist wichtig,<br />

um eine passende<br />

Therapie zu finden<br />

und die Situation von betroffenen<br />

Menschen zu verbessern.<br />

<strong>Seltene</strong> Erkrankungen können<br />

sich neben den gesundheitlichen<br />

Beschwerden und Risiken auf<br />

alle Bereiche des Alltags und<br />

gesellschaftlichen Lebens auswirken.<br />

Die geringe Häufigkeit<br />

einer solchen Erkrankung führt<br />

dazu, dass medizinisches Fachwissen,<br />

Versorgungsangebot und<br />

auch Forschung begrenzt sind.<br />

Durchschnittlich dauert es daher<br />

rund fünf Jahre bis zur richtigen<br />

Diagnose.<br />

An wen also bei unerklärlichen,<br />

chronischen Symptomen<br />

wenden? Die erste<br />

Anlaufstelle bietet meist die<br />

Allgemeinmedizin oder eine<br />

Fachärztin bzw. ein Facharzt.<br />

Im Bedarfsfall sollte durch<br />

diese oder die Betroffenen selbst<br />

der Kontakt zu einem spezialisierten<br />

Zentrum hergestellt<br />

werden. Expertisezentren sind<br />

zentrale, hochspezialisierte<br />

klinische Einrichtungen für<br />

definierte Gruppen von seltenen<br />

Erkrankungen. Dort erfolgen<br />

vor allem Erstdiagnostik und<br />

Therapieeinstellung, sie können<br />

aber genauso für Kontrolluntersuchungen<br />

oder bei Notfällen<br />

Text <br />

Mag. a Elisabeth<br />

Weigand, MBA<br />

<strong>Seltene</strong> Erkrankungen<br />

bringen unseren Forschergeist zum Abheben<br />

Jeder Patient, dem wir helfen können aktiv am<br />

Leben teilzunehmen, ist unseren vollen Einsatz wert.<br />

Stand 01/2022, AT.ORL.00001<br />

011545_BIOORL_AD_V1_AW_200x89mm_AT-4.indd 1 16.02.2022 15:53:47


MEDIAPLANET | 3<br />

Mag. a Elisabeth<br />

Weigand, MBA<br />

Geschäftsführung<br />

Pro Rare Austria<br />

FOTO: DANIELA MATEJSCHEK<br />

aufgesucht werden. Die Zentren<br />

ersetzen nicht die medizinische<br />

Grundversorgung, sondern sie<br />

sorgen dafür, dass Menschen mit<br />

seltenen Erkrankungen eine optimale<br />

Versorgung zukommt und<br />

bestehende Expertise sichtbar gemacht<br />

und genützt wird. Gerade<br />

für ein vergleichsweise kleines<br />

Land wie Österreich ist die Teilhabe<br />

an internationalen Netzwerken<br />

bedeutend. Die bislang neun<br />

designierten Expertisezentren<br />

für seltene Erkrankungen Österreichs<br />

sind Vollmitglieder bei den<br />

fachspezifischen Europäischen<br />

Referenznetzwerken (ERNs).<br />

Darüber hinaus gibt es rund 50<br />

Assoziierte Nationale Zentren,<br />

die ebenfalls mit den fachspezifischen<br />

ERNs vernetzt sind, sodass<br />

Österreich in allen 24 ERNs<br />

vertreten ist. Virtuelle Befundbesprechungen<br />

unter Spezialist:innen<br />

können die Zeit bis zu<br />

einer Diagnose verkürzen und die<br />

Betroffenen müssen nicht mehr<br />

quer durch Europa reisen.<br />

In Österreich sind zumeist<br />

nur sehr wenige, manchmal nur<br />

einzelne Menschen von einer<br />

spezifischen seltenen Erkrankung<br />

betroffen. Sie sind deshalb auf<br />

gut funktionierende Netzwerke<br />

angewiesen, um an nationaler und<br />

internationaler Expertise teilhaben<br />

zu können, in Austausch mit<br />

anderen Patient:innen zu treten<br />

und ihre Anliegen und Bedarfe zu<br />

teilen und sichtbar zu machen.<br />

Selbsthilfegruppen erfüllen hier<br />

enorm wichtige Aufgaben – nicht<br />

nur, aber besonders auch in Zeiten<br />

der Pandemie.<br />

Neben der medizinischen Versorgung<br />

und Vernetzung ist die<br />

Bewusstseinsbildung und Sichtbarmachung<br />

von Betroffenen und<br />

deren Anliegen notwendig, um<br />

die Situation von Menschen mit<br />

seltenen Erkrankungen zu verbessern.<br />

Einen wichtigen Beitrag dazu<br />

leistet der weltweite „Rare Disease<br />

Day“, der seit 2008 jedes Jahr am<br />

letzten Tag im Februar stattfindet.<br />

Die breite Öffentlichkeit und Vertreter:innen<br />

von Politik, Industrie,<br />

Forschung und Gesundheitswesen<br />

werden mit vielen Aktionen, u. a.<br />

der „Global Chain of Lights“, bei<br />

der auch in Österreich einige<br />

Gebäude in den Farben der seltenen<br />

Erkrankungen erstrahlen, auf<br />

das Thema aufmerksam gemacht.<br />

Darüber hinaus bietet der Tag<br />

einzelnen Betroffenen die Möglichkeit,<br />

als Teil eines größeren Ganzen<br />

aufzutreten und als Gemeinschaft<br />

gestärkt zu werden. In diesem Sinn<br />

findet am 26. Februar 2022 der<br />

Pro Rare Austria Tag der seltenen<br />

Erkrankungen als virtuelle<br />

Veranstaltung statt.<br />

Der Dachverband Pro Rare<br />

Austria stellt auf österreichischer<br />

Ebene eine gemeinsame starke<br />

Stimme für aktuell mehr als 80<br />

Selbsthilfegruppen und Patient:innenorganisationen<br />

dar. Den<br />

Mitgliedern wird eine Plattform für<br />

ihre Bedarfe und Expertise<br />

geboten. Pro Rare Austria bringt<br />

diese Anliegen in die politische<br />

Arbeit sowie den Projekten und<br />

Kooperationen des Verbands ein,<br />

um Verbesserungen für die<br />

Betroffenen zu erzielen. Daneben<br />

wird gerade auch für Menschen,<br />

die Informationen zu seltenen<br />

Erkrankungen benötigen, eine<br />

wichtige Anlaufstelle geboten, mit<br />

deren Hilfe auch bei der Suche<br />

nach medizinischen Ansprechpersonen<br />

unterstützt sowie an<br />

krankheitsspezifische Selbsthilfegruppen<br />

vermittelt wird. Durch die<br />

Stärkung von Bewusstsein,<br />

Expertise und Vernetzung und den<br />

Ausbau bestehender Strukturen<br />

soll darauf hingewirkt werden,<br />

seltene Erkrankungen besser und<br />

frühzeitig diagnostizieren und<br />

erforschen und Patient:innen<br />

bestmöglich versorgen zu können.<br />

Durch ein starkes gemeinschaftliches<br />

Auftreten können betroffene<br />

Menschen auf sich aufmerksam<br />

machen und Chancengleichheit im<br />

Sinne eines gleichberechtigten<br />

Zugangs zu Diagnose, Pflege und<br />

Behandlung einfordern.<br />

Weiterführende<br />

Informationen:<br />

www.prorareaustria.org/<br />

www.sozial<br />

ministerium.at/<br />

Themen/<br />

Gesundheit/<br />

<strong>Seltene</strong>-<br />

<strong>Krankheiten</strong>.html<br />

Our passion for making<br />

a difference unites us.<br />

Amicus is committed to improving the<br />

lives of patients and families affected by<br />

rare and orphan diseases.<br />

At the Forefront of Therapies for Rare and Orphan Diseases ®<br />

Amicus Therapeutics Europe Limited, Dublin, Irland | Tel.: +353 (0) 1 588 0836 | E-Mail: info@amicusrx.co.uk | NP-NN-AT-00011220-012021<br />

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1/19/2021 2:02:35 PM


4 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

EXPERTISE<br />

<strong>Seltene</strong> <strong>Krankheiten</strong> –<br />

ein Überblick<br />

#1<br />

Was bedeutet „selten“?<br />

Wenn eine Erkrankung weniger als fünf von 10.000 Menschen<br />

betrifft, wird sie als „selten“ bezeichnet. Derzeit sind in etwa<br />

6.000–8.000 seltene Erkrankungen bekannt, wobei über die<br />

Hälfte davon hauptsächlich Kinder betreffen.<br />

#3<br />

Wie viele Menschen<br />

leben mit einer<br />

seltenen Erkrankung?<br />

So „selten“ sind seltene Erkrankungen gar nicht. Denn<br />

in Österreich leben etwa 6 % der Bevölkerung mit einer<br />

seltenen Erkrankung. Das sind ca. 400.000 Menschen,<br />

also so viele wie allein im Bundesland Vorarlberg<br />

leben. Schätzungen zufolge sind innerhalb der EU<br />

rund 30 Millionen Menschen von einer seltenen<br />

Erkrankung betroffen.<br />

#4<br />

Wie unterschiedlich sind<br />

seltene Erkrankungen?<br />

<strong>Seltene</strong> Erkrankungen haben viele Gesichter. Auch wenn es<br />

in der Summe viele Patient:innen mit seltenen Erkrankungen<br />

gibt, leben mit der jeweiligen Erkrankung nur sehr wenige<br />

Menschen. Es gibt eine große Vielfalt an unterschiedlichen<br />

Krankheitsbildern. Ob Atemwege, Haut, Blut oder<br />

Nervensystem – seltene Erkrankungen können praktische alle<br />

Organsysteme betreffen.<br />

#2<br />

Welche Merkmale haben<br />

seltene Erkrankungen?<br />

<strong>Seltene</strong> <strong>Krankheiten</strong> haben häufig einen chronischen, fortschreitenden<br />

oder sogar lebensbedrohlichen Verlauf. Rund 80 % der seltenen<br />

Erkrankungen sind angeboren und machen sich bereits bei der Geburt<br />

oder im Kindesalter bemerkbar.<br />

Von 50.000<br />

Personen<br />

haben…<br />

#5<br />

…5.000<br />

Diabetes<br />

~10%<br />

…400<br />

Brustkrebs<br />

~1%<br />

&<br />

…maximal<br />

…1 Person<br />

25 eine seltene<br />

eine äußerst<br />

Erkrankung<br />

seltene Erkrankung<br />

~0,05%<br />

~0,002%<br />

Welche Herausforderungen<br />

müssen Patient:innen<br />

bewältigen?<br />

Menschen mit einer seltenen Erkrankung haben oftmals einen<br />

langen Leidensweg hinter sich, bis sie endlich eine richtige Diagnose<br />

erhalten. Fehlende Therapien und mangelnde Unterstützung durch das<br />

Gesundheitssystem sind ebenso herausfordernd wie die Suche nach<br />

Spezialist:innen, die wissen, wie Patient:innen mit seltenen Erkrankungen<br />

am besten betreut werden können.<br />

ICONS: SHUTTERSTOCK<br />

Quelle: https://www.pharmig.at/themen/seltene-erkrankungen/wissenswertes-ueber-seltene-erkrankungen/


MEDIAPLANET | 5<br />

EXPERTISE<br />

FOTO: MARIA ORLOVA ON UNSPLASH<br />

Diagnose-Odyssee<br />

bei Morbus Fabry<br />

Es dauert Jahre bis Jahrzehnte bevor Menschen, die an der seltenen Erkrankung Morbus Fabry<br />

leiden, die richtige Diagnose erhalten, erzählt Univ.-Doz. Dr. Florian Lagler im Interview.<br />

Univ.-Doz. Dr.<br />

Florian Lagler<br />

Leitung Institut für<br />

Angeborene Stoffwechselerkrankungen<br />

(PMU)<br />

Geschäftsführer<br />

CRCS<br />

Text <br />

Magdalena<br />

Reiter-Reitbauer<br />

FOTO: ZVG<br />

Viele Menschen haben vielleicht<br />

noch nie von Morbus Fabry gehört.<br />

Was versteht man denn<br />

darunter?<br />

Morbus Fabry ist eine angeborene<br />

genetische Erkrankung, die in den<br />

Bereich der lysosomalen Speichererkrankungen<br />

fällt. Die seltene<br />

Erkrankung liegt dauerhaft vor und<br />

schreitet voran, sofern sie nicht<br />

behandelt wird. Das bedeutet, die<br />

Symptome können im Spätverlauf<br />

der Erkrankung sehr schwerwiegend<br />

sein, beispielsweise kann es<br />

zu Schlaganfällen oder Nierenversagen<br />

bereits im jungen Erwachsenenalter<br />

kommen.<br />

Ein sehr wichtiges Symptom, das<br />

bereits in der Kindheit auftreten<br />

kann, sind brennende Schmerzen,<br />

die sich sehr häufig an den Handund<br />

Fußflächen und auch am<br />

ganzen Körper bemerkbar machen<br />

können.<br />

Wird Morbus Fabry häufig mit<br />

anderen Erkrankungen verwechselt?<br />

Ja – oder gar nicht erst<br />

erkannt! Das Tückische bei der<br />

Diagnosestellung von Morbus<br />

Fabry ist, dass sie erstens eine<br />

seltene Erkrankung mit einer<br />

Wahrscheinlichkeit von 1:40.000<br />

ist, sie zweitens sehr unterschiedliche<br />

Ausprägungen haben kann,<br />

und dass drittens Symptome<br />

der Grunderkrankungen einzeln<br />

betrachtet meistens uncharakteristisch<br />

sind. Das bedeutet, dass<br />

etwa Magen-Darm-Probleme,<br />

Schwindel, Tinnitus oder Schmerzen<br />

auch bei sehr vielen anderen<br />

Erkrankungen abseits von Morbus<br />

Fabry auftreten können. Nur wem<br />

das Muster auffällt, gelangt auch<br />

zur richtigen Diagnose.<br />

Wie lange dauert es, bis dann<br />

doch eine richtige Diagnose gestellt<br />

wird?<br />

Das hängt davon ab, wie schwer der<br />

Verlauf ist. Bei Frauen beträgt die<br />

Diagnoseverzögerung im Schnitt<br />

fünf bis 17 Jahre, bei Männern<br />

neun bis 22 Jahre und bei Kindern<br />

in etwa vier bis acht Jahre.<br />

Inwiefern ist es von Bedeutung,<br />

Morbus Fabry möglichst früh<br />

zu erkennen?<br />

Morbus Fabry ist behandelbar.<br />

Es gibt verschiedene Arzneimittel,<br />

die für die Behandlung der<br />

Erkrankung eingesetzt werden<br />

können. Je früher die Erkrankung<br />

diagnostiziert wird, desto früher<br />

kann behandelt werden und<br />

desto größer sind die Chancen, den<br />

Krankheitsverlauf stoppen oder<br />

ihn zumindest in seiner Geschwindigkeit<br />

verzögern zu können.<br />

Wie erleben Sie den Moment,<br />

in dem Menschen mit Morbus<br />

Fabry tatsächlich eine Diagnose<br />

gestellt wird?<br />

Die Diagnosestellung ist sehr<br />

häufig eine Erlösung. Die Odyssee<br />

bis zur richtigen Diagnose ist für<br />

viele Patient:innen und deren<br />

Familien sehr belastend. Viele<br />

Patient:innen werden zuvor in die<br />

Hypochonder:innen-Schublade<br />

gesteckt, weil für ihre Beschwerden<br />

keine Ursache gefunden wird.<br />

Nicht selten hört man daher nach<br />

der Diagnosestellung den Ausspruch:<br />

„Mein Leben hat jetzt neu<br />

begonnen!“


6 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

INSIGHT<br />

Eine Organisation<br />

für alle Fragen<br />

Jakob Schriefl lebt mit Spinaler Muskelatrophie (SMA).<br />

Ein Interview über unterstützende Muskelkraft,<br />

Beziehungen mit Behinderung und das Engagement<br />

der Patient:innen-Organisation SMA Österreich.<br />

Text <br />

Magdalena<br />

Reiter-Reitbauer<br />

Welche Entwicklungen siehst du<br />

im Bereich der SMA in den letzten<br />

Jahren als zentral an?<br />

In den letzten Jahren hat sich<br />

besonders viel getan. Bevor vor<br />

fünf Jahren das erste Medikament<br />

auf den Markt gekommen ist, galt<br />

SMA als unheilbare und nicht<br />

therapierbare Erkrankung. Mir<br />

ist damals ein riesiger Stein vom<br />

Herzen gefallen! Trotzdem gibt<br />

es seither immer wieder Schwierigkeiten<br />

im Zugang zu diesen<br />

Medikamenten – in Österreich<br />

insbesondere im Erwachsenenbereich.<br />

Als Patient:innen-Organisation<br />

SMA Österreich haben<br />

wir in den letzten Jahren einige<br />

Kampagnen durchgeführt, die<br />

Bewusstsein für diese Problematik<br />

schafften. Mittlerweile sollte der<br />

Zugang zu SMA-Medikamenten<br />

großflächig möglich sein. Natürlich<br />

wird es immer wieder Einzelfälle<br />

geben, aber genau dafür sind<br />

wir als Patient:innen-Organisation<br />

da! Es ist immer gut, wenn man<br />

eine Organisation hinter sich hat<br />

– denn man muss nicht allein um<br />

alles kämpfen.<br />

Wie würdest du einer Person, die<br />

noch nie von SMA gehört hat,<br />

erklären, wie du damit im Alltag<br />

lebst?<br />

SMA ist eine Erkrankung mit<br />

unterschiedlichen Gesichtern.<br />

Es gibt drei Erkrankungstypen,<br />

die sich im Schweregrad unterscheiden.<br />

In meinem Fall sind<br />

in meinem gesamten Körper die<br />

Muskelpartien sehr schwach.<br />

Daher bin ich auf einen elektrischen<br />

Rollstuhl und Unterstützung<br />

durch eine persönliche<br />

Assistenz angewiesen. Kleinigkeiten,<br />

wie am Handy oder<br />

Laptop tippen sowie essen und<br />

trinken, kann ich allein. Aber<br />

in allen anderen Bereichen in<br />

meinem Leben, wo Muskelkraft<br />

erforderlich ist, benötige ich<br />

Unterstützung.<br />

Mit welchen Fragen kommen<br />

junge Erwachsene zu SMA Österreich?<br />

Die Nachfrage nach dem Zugang zu<br />

Behandlungen war in den letzten<br />

Jahren groß. Gerade für junge<br />

Menschen mit SMA sind aber auch<br />

Themen wie Ausbildung und Freizeitgestaltung<br />

mit einer Behinderung<br />

wichtig. Leider fehlt es hierfür<br />

seitens der öffentlichen Hand noch<br />

immer an einer ausreichenden<br />

Kommunikation – denn es gibt<br />

trotz Behinderung viele Möglichkeiten!<br />

Außerdem sind Fragen<br />

hinsichtlich einer Beziehung oder<br />

eines Kinderwunschs mit Behinderung<br />

nichts Ungewöhnliches. Diese<br />

Thematik wollen wir in den nächsten<br />

Jahren verstärkt ins Zentrum<br />

der Aufmerksamkeit rücken, um<br />

dafür mehr Verständnis und Offenheit<br />

in der Gesellschaft zu schaffen.<br />

Welche Herausforderungen<br />

beobachtest du hinsichtlich des<br />

Erwachsenwerdens mit SMA?<br />

Persönliche Assistenz ist der<br />

Schlüssel zu einer inklusiven Welt.<br />

Um Menschen mit Behinderung als<br />

gleichwertigen Teil der Gesellschaft<br />

anzuerkennen, muss man uns<br />

überhaupt erst einmal sehen. Dafür<br />

brauchen wir persönliche Assistenz,<br />

um möglichst selbständig<br />

und spontan sein zu können. Mir<br />

ist es im Zuge meines Erwachsenwerdens<br />

nicht nur einmal passiert,<br />

dass ich Personen kennengelernt<br />

habe, die zuvor noch nie mit einem<br />

Menschen mit einer Behinderung<br />

gesprochen hatten.<br />

Wie hast du den Transitionsprozess,<br />

also den Übergang von der<br />

Kinder- in die Erwachsenenmedizin,<br />

erlebt?<br />

Es war für mich eine Herausforderung,<br />

auf einmal von einem<br />

Zentrum in der Kindermedizin zu<br />

vielen verschiedenen Zentren in<br />

der Erwachsenenmedizin zu<br />

wechseln. Meine damaligen<br />

Kinderärztinnen und -ärzte haben<br />

viel Engagement gezeigt. Die<br />

Transition ist ein Prozess, bei<br />

dem sehr viel verloren gehen<br />

kann. Hier ist es wichtig, als<br />

Patient:innen-Organisation auf<br />

unser großes Netzwerk zurückgreifen<br />

und zu unterschiedlichen<br />

Themen Unterstützung bieten zu<br />

können – ob das nun die Transition,<br />

den Zugang zu Behandlungen<br />

oder die verschiedensten<br />

Alltagsfragen betrifft.<br />

FOTO: SABINE JANDL<br />

Lesen Sie mehr<br />

unter<br />

smaoesterreich.com


4 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

MEDIAPLANET | 7<br />

Entgeltliche INSPIRATION<br />

Einschaltung<br />

Pioniere Volles bei seltenen Engagement als<br />

Erkrankungen<br />

SMA-Patientenvertretung<br />

Dr. Michael Kreppel-Friedbichler, Geschäftsführer von Biogen<br />

Christina Holmes ist im Vorstand von SMA Österreich. Im Interview<br />

Österreich, spricht im Interview über die großen Entwicklungen in der<br />

Behandlung von<br />

erzählt<br />

Menschen<br />

sie, wie<br />

mit<br />

es<br />

Spinaler<br />

ihr mit<br />

Muskelatrophie<br />

der seltenen Erkrankung<br />

(SMA).<br />

geht.<br />

Text<br />

Magdalena<br />

Reiter-Reitbauer<br />

BIOGEN-156554, STAND FEB. 2022<br />

Informationsstand Februar<br />

2021, Biogen-97333<br />

Welche Ziele hat<br />

SMA Österreich als<br />

Mit Juni 2021 wurde die Spinale<br />

Patientenorganisation?<br />

Muskelatrophie (SMA) in das<br />

SMA Österreich ist eine Patientenvertretung<br />

mit dem Ziel, die<br />

Neugeborenen-Screening aufgenommen.<br />

Warum war und ist<br />

Interessen von SMA-Patient(inn)en<br />

das so wichtig?<br />

zu sammeln und nach außen hin in<br />

Es gibt weltweit ca. 8.000 seltene<br />

Richtung Medizin, aber auch Politik<br />

zu vertreten. Wir möchten auch<br />

Erkrankungen. Für etwa 90 %<br />

davon gibt es noch keine kausale<br />

die Patient(inn)en untereinander<br />

Therapie. Wir sind in der glücklichen<br />

Situation, dass es für die SMA<br />

vernetzen, sie beraten und ihnen<br />

Hilfestellungen geben.<br />

seit 2017 die erste Therapie gibt, die<br />

einen großen Unterschied für das<br />

Wie war der Weg zur Diagnose<br />

Leben von Betroffenen macht. Eine<br />

SMA bei Ihnen?<br />

möglichst frühe Diagnosestellung<br />

Der Weg zur richtigen Diagnose war<br />

ist für den bestmöglichen Therapieerfolg<br />

der seltenen genetischen<br />

lang und hat in meinem Fall knapp<br />

zwei Jahre gedauert. Für meine<br />

Erkrankung entscheidend. Im Rahmen<br />

des Neugeborenen-Screenings<br />

Eltern war das damals sehr schwer,<br />

vor allem deswegen, weil die Ärztinnen<br />

und Ärzte mir als Zweijährige<br />

können Kinder mit SMA bereits in<br />

ihren ersten Lebenstagen diagnostiziert<br />

werden und so eine schnelle<br />

quasi keine weitere Lebenserwartung<br />

prognostiziert haben. Heute<br />

und wirksame Therapie erhalten.<br />

bin ich 22 Jahre alt und mir geht es<br />

Die Aufnahme der SMA in das Neugeborenen-Screening<br />

ist deshalb<br />

nach wie vor recht gut.<br />

ein Meilenstein, um betroffenen<br />

Sie sind derzeit Jus- und<br />

Kindern und ihren Familien ein<br />

BWL-Studentin. Mit welchen<br />

normales Leben zu ermöglichen.<br />

Herausforderungen sind Sie im<br />

Alltag konfrontiert?<br />

Welchen Beitrag konnte Biogen<br />

zu dieser Erfolgsgeschichte<br />

Mit sehr vielen! Ich kann maximal<br />

250 Gramm mit meinen Muskeln<br />

leisten?<br />

bewegen – das ist etwa der bekannte<br />

Butterwürfel oder ein Glas<br />

Als Pionier in den Neurowissenschaften<br />

erforscht und entwickelt<br />

zum Trinken. Bei allem anderen<br />

Biogen wirksame Medikamente.<br />

brauche ich Unterstützung durch<br />

Unsere Forschungsschwerpunkte<br />

eine Persönliche Assistenz. Da ich<br />

liegen neben der SMA, für die uns<br />

eben diesen hohen körperlichen<br />

Unterstützungsbedarf habe,<br />

benötige ich viel Diskussion,<br />

vor fünf Jahren dieser Durchbruch<br />

Argumentieren und Regulierungen,<br />

damit ich überhaupt studieren<br />

gelungen ist, auch auf der Amyotrophen<br />

Lateralsklerose (ALS).<br />

kann. Ich hatte gerade vor einigen<br />

Zuvor war die SMA eine Erkrankung,<br />

bei der die Frage zentral<br />

Wochen erst wieder den Fall, dass<br />

ich nicht zu einer Prüfung antreten<br />

war, ob betroffene Kinder – sofern<br />

durfte. Normalerweise erhalte ich<br />

sie überhaupt aufgrund der<br />

von der Universität eine unabhängige<br />

Schreibassistenz, der ich<br />

Schwere der Erkrankung die ersten<br />

Lebensjahre überleben konnten<br />

– einmal sitzen, trinken oder<br />

meine Prüfungsantworten diktiere.<br />

Aufgrund der COVID-Vorschriften<br />

hat mir die Universität aber<br />

selbständig atmen können. Heute<br />

können – dank der großen Behandlungserfolge<br />

– Fragen hinsichtlich<br />

keine Assistenz organisiert und<br />

ich verliere dadurch ein Semester.<br />

Zukunftsplanung, Kinderwusch<br />

Ich muss mich auch beispielsweise<br />

oder berufliche Weiterentwicklung<br />

immer wieder dafür rechtfertigen,<br />

ein Thema werden. Das zeigt, dass<br />

dass ich zwei Studienfächer belege.<br />

die Therapie nicht nur Lebensjahre<br />

Anderen Studierenden werden<br />

schenkt, sondern auch Perspektiven<br />

eröffnet. Wir freuen uns, dass<br />

solche Fragen nicht gestellt, aber<br />

bei Menschen mit Behinderungen<br />

wir mit unserer Therapie dazu<br />

wird das leider hinterfragt – das<br />

beitragen konnten, die Erkrankung<br />

sollte in modernen Zeiten definitiv<br />

beiseite und stattdessen die Träume<br />

und Wünsche der Menschen<br />

nicht der Fall sein.<br />

mit SMA ins Zentrum der Aufmerksamkeit<br />

zu rücken.<br />

Sind solche Diskriminierungen<br />

auch ein Thema für SMA<br />

Österreich?<br />

Welchen Stellenwert hat hier die<br />

In der Zukunft sicherlich. Im<br />

Zusammenarbeit mit Patient:innenvertretungen<br />

wie SMA Öster-<br />

Moment sehen wir unser Engagement<br />

in aktuellen Themen<br />

reich?<br />

wie der Zulassung von weiteren<br />

Im österreichischen Gesundheitssystem<br />

sprechen wir sehr viel über<br />

Therapieoptionen. Wir wollen die<br />

damit einhergehenden Finanzierungsdebatten<br />

möglichst schnell<br />

Patient:innen, aber nur sehr wenig<br />

mit Patient:innen. Ärztinnen und<br />

vorantreiben. Außerdem muss<br />

Ärzte und Patient:innen sollten<br />

das Neugeborenen-Screening<br />

aber gemeinsam entscheiden,<br />

um SMA erweitert werden, damit<br />

FOTO: CSAKY/BIOGEN<br />

die Erkrankung schon bei Babys<br />

erkannt werden kann. Mit den<br />

welche die bestmögliche Therapie<br />

jetzt zur Verfügung stehenden<br />

zum richtigen Zeitpunkt ist. Als<br />

Medikamenten können diese<br />

Vertreter:innen der Patient:innen<br />

Kinder bei frühzeitiger Erkennung<br />

fast symptomlos erwachsen<br />

wissen Patient:innenorganisationen<br />

um die Kernpunkte und die<br />

werden.<br />

Wichtigkeit von Therapien. Wir<br />

arbeiten daher als Biogen nicht nur<br />

Welche Therapien sind für<br />

mit Patient:innenorganisationen<br />

Menschen mit SMA neben den<br />

zusammen sondern ermutigen<br />

verschiedenen derzeitigen<br />

auch andere Stakeholder im österreichischen<br />

Gesundheitssystem,<br />

Behandlungsoptionen<br />

außerdem noch wichtig?<br />

diese auch in deren Entscheidungsprozesse<br />

einzubinden.<br />

Je mehr Ergotherapie, Physiotherapie<br />

und so weiter man erhält, desto<br />

besser. Es gibt eindeutige Beweise,<br />

Welche Entwicklungen erwarten<br />

und erhoffen Sie sich für die<br />

dass solche Therapiemöglichkeiten<br />

bis zu einem gewissen Grad in den<br />

nächsten Jahre im Wirkungsbereich<br />

von Biogen?<br />

Krankheitsverlauf eingreifen und<br />

diesen mildern können – natürlich<br />

In den Neurowissenschaften erleben<br />

nicht so stark, wie es Medikamente<br />

wir gerade einen Paradigmenwechsel.<br />

Die Technologien, die wir bei der<br />

tun. Aber es ist wichtig, um auch<br />

gefordert zu sein.<br />

Erforschung und in der Therapie<br />

von SMA eingesetzt haben, können<br />

Was wünschen Sie sich<br />

auch bei vielen anderen seltenen<br />

abschließend konkret von der<br />

Erkrankungen zum Durchbruch<br />

Politik?<br />

führen. Wir hoffen, dass wir in<br />

Ich wünsche mir vor allem, dass<br />

Zukunft auch bei ALS und anderen<br />

nicht jedes Bundesland sein<br />

Erkrankungen einen so großen<br />

eigenes Süppchen kocht. Wir<br />

Unterschied wie bei der SMA leisten<br />

müssen hier den Föderalismus ein<br />

können. Biogen wird weiterhin als<br />

bisschen aufgeben. Es kann nicht<br />

Pionier den ersten Stein ins Wasser<br />

sein, dass man aufgrund der<br />

werfen, damit andere auf die<br />

Zugehörigkeit zu einem Bundesland<br />

hinsichtlich der Therapie-<br />

entstandenen Wellen aufspringen<br />

können, um in Zukunft möglichst<br />

finanzierung oder der persönlichen<br />

viele der 8.000 seltenen Erkrankungen<br />

zu therapieren oder zu heilen.<br />

Assistenz Vor- beziehungsweise<br />

Nachteile in Österreich hat.<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Text<br />

Redaktion<br />

Christina Holmes<br />

Vorstand SMA<br />

Österreich<br />

Den Podcast zu<br />

SMA finden Sie<br />

auf www.seltene<br />

krankheit.info<br />

Lesen Sie mehr<br />

unter<br />

care.<br />

www.sma<br />

togetherinsma.at<br />

oesterreich.com<br />

MIT SMA<br />

IST NIEMAND ALLEIN<br />

Biogen Austria GmbH<br />

Stella-Klein-Löw-Weg 15 • 1020 Wien • www.biogen.at<br />

© 2020 Biogen. Alle Rechte vorbehalten<br />

Biogen-06973, Informationsstand November 2020<br />

Hinter jeder Person mit Spinaler Muskelatrophie<br />

(SMA) steht ein Team aus engagierten Menschen,<br />

die für sie sorgen: Familie, Ärzte, Krankenpfleger<br />

und andere Spezialisten.<br />

mit Biogen


8 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

INTERVIEW<br />

FOTO: OMER HACOHEN<br />

Revolution aus<br />

dem Spitalbett<br />

Aus völliger Gesundheit heraus entwickelte der heute 38-jährige<br />

Roi Shternin Symptome, die keiner Krankheit zugeordnet werden<br />

konnten. Als er von den Ärzt:innen schon aufgegeben wurde, begann er<br />

zu kämpfen und stellte die Diagnose für seine seltene Krankheit selbst.<br />

Text Anna Birkenmeier<br />

BUCHTIPP<br />

Revolution From My Bed<br />

Jetzt auf Amazon, bei Thalia<br />

und in ausgewählten Buchläden<br />

erhältlich (als E-Book, Print &<br />

Audiobuch) ab 9,95 EUR<br />

FOTO: ZVG<br />

www.FroMyBed.com<br />

ISBN: 9798201330149


ALXN_CorpAd_RDD22_Austria_200x89_3.indd 1<br />

2/9/22 8:12 AM<br />

MEDIAPLANET | 9<br />

Sie galten als medizinisches<br />

Mysterium, ohne Diagnose, aufgegeben<br />

von den Ärzt:innen. Wie<br />

haben Sie die Zeit damals erlebt?<br />

Ich war ein junger Mann von 20<br />

Jahren und immer gesund, sportlich,<br />

voller Energie. Ich hatte große<br />

Zukunftspläne, wollte Medizin<br />

studieren, Arzt werden und ins<br />

Ausland gehen.<br />

Dann begannen die mysteriösen<br />

Symptome: Ich hatte eine bleierne<br />

Schwäche, Schwindel und Schmerzen<br />

im ganzen Körper; jeder<br />

Schritt wurde zum Marathon, jeder<br />

gesprochene Satz war ein Kraftakt.<br />

Irgendwann konnte ich nur noch<br />

im Bett liegen. Und was sagten<br />

mir die Ärztinnen und Ärzte? „Das<br />

Problem liegt in Ihrem Kopf.“ Ich<br />

war gefangen in meinem eigenen<br />

Körper – machtlos, ausgeliefert<br />

und hoffnungslos.<br />

Drei Jahre verbrachten Sie<br />

mehrheitlich im Krankenbett.<br />

Von Ärzt:innen wurde Ihnen<br />

prognostiziert, dass Sie nie mehr<br />

gehen können und kein normales<br />

Leben mehr führen würden…<br />

Ich wies diese schreckliche Äußerung<br />

meines Arztes zurück, doch<br />

zugleich hatte sie etwas in mir<br />

ausgelöst. Ich hatte die Kontrolle<br />

über mein Leben und alle Würde<br />

verloren. Und die wollte ich nun<br />

um jeden Preis zurück. Ich war<br />

bereit zu kämpfen und mein medizinisches<br />

Rätsel zu lösen.<br />

Wie haben Sie das geschafft?<br />

Ich analysierte meine Symptome,<br />

begann im Internet zu<br />

recherchieren, las Unmengen an<br />

Fachliteratur und hatte irgendwann<br />

des Rätsels Lösung, meine<br />

Diagnose, gefunden: posturales<br />

orthostatisches Tachykardiesyndrom,<br />

kurz POTS 1 . Eine seltene<br />

Erkrankung, bei der unterschiedliche<br />

neurologische Probleme<br />

und Störungen im autonomen<br />

Nervensystem auftreten. Gleich<br />

nach der Diagnosestellung verfasste<br />

ich einen Blog, denn die<br />

Zahl der von POTS Betroffenen ist<br />

eine riesige Dunkelziffer – ich will<br />

mein Wissen teilen und anderen<br />

Patient:innen damit jahrelanges<br />

Leiden ersparen.<br />

POTS ist eine seltene chronische<br />

Krankheit, ohne Aussicht auf<br />

Heilung. Wie leben Sie damit?<br />

Ich habe gelernt, damit zu leben<br />

und es geht mir inzwischen<br />

sehr gut. Aber es hat seine Zeit<br />

gebraucht: Mit 27 Jahren brachte<br />

ich mir selbst wieder das Gehen<br />

und Sprechen bei. Zudem dauerte<br />

es weitere fünf Jahre mit unregelmäßigen<br />

Remissionsphasen um<br />

mich vollständig zu rehabilitieren<br />

und wieder in die Gesellschaft zu<br />

integrieren. Damit ich symptomfrei<br />

bleibe, muss ich auf einen<br />

geregelten Alltag mit gesunder<br />

Ernährung, Sport, wenig Stress und<br />

ausreichend Schlaf achten.<br />

In Ihrem aktuellen Buch<br />

schreiben Sie: „[…] Ich war das<br />

hässliche Gesicht des Gesundheitswesens,<br />

allein gelassen,<br />

um zu sterben“. Was läuft Ihrer<br />

Meinung nach schief in unserem<br />

medizinischen System?<br />

Ich wurde zwar „von Kopf bis Fuß“<br />

durchgecheckt, machte unzählige<br />

Tests und Untersuchungen und<br />

war bei den besten Professor:innen<br />

– doch was gefehlt hat, waren<br />

Kommunikation, Zuhören und Verständnis.<br />

Es herrscht eine Schieflage<br />

in der Beziehung zwischen<br />

Ärzt:innen und Patient:innen, die<br />

sich negativ auf den Diagnoseprozess<br />

auswirkt. Ich hatte das<br />

Gefühl, dass den Patient:innen oft<br />

nicht zugehört und deren Meinung<br />

nicht wertgeschätzt wird. Dabei<br />

sind das Wissen und die Erfahrung<br />

der Patient:innen essenziell beim<br />

Finden und Stellen der Diagnose<br />

und darüber hinaus.<br />

Abschließend noch die Frage:<br />

Welche Botschaft haben Sie für<br />

Betroffene?<br />

Gebt niemals auf und zweifelt nie<br />

an euch – egal, welche Diagnose ihr<br />

von Ärzt:innen gestellt oder was ihr<br />

sonst zu hören bekommt. Wir<br />

haben erstaunliche Kräfte in uns<br />

und wenn wir diese aktivieren,<br />

wenn wir kämpfen und uns nicht<br />

entmutigen lassen, gelingt der Weg<br />

raus aus dem Spitalbett!<br />

Roi Shternin, gebürtiger Israeli, ist<br />

erfolgreicher Unternehmensgründer<br />

im Gesundheitssektor, Patient &<br />

Entrepreneur in Residence für The<br />

Health Hub Vienna, Entwickler von<br />

prämierten Gesundheitsprojekten,<br />

Buchautor und internationaler<br />

Keynote-Speaker. Er war als „Patient<br />

in Residence“ am Ludwig-Boltzmann-<br />

Institut in Wien tätig, wo er, basierend<br />

auf seiner eigenen Krankheitsgeschichte,<br />

gemeinsam mit Medizinerinnen<br />

und Medizinern, Krankenhausmanagerinnen<br />

und -managern und<br />

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />

Wege entwickelte, die die<br />

Patient:innen wieder ins Zentrum<br />

des Gesundheitssystems rücken.<br />

Darüber schreibt er in seinem Buch<br />

„Revolution From My Bed“.<br />

1<br />

Das posturale orthostatische<br />

Tachykardiesyndrom gehört zu<br />

den häufigeren unter den seltenen<br />

<strong>Krankheiten</strong>, dennoch dauert es im<br />

Durchschnitt sechs Jahre*, bis die<br />

korrekte Diagnose gestellt wird. Zu<br />

den Symptomen zählen: Schmerzen,<br />

Schwindel, Herzrasen, Fatigue u. v. m.<br />

Typisch ist, dass sich die Symptome<br />

beim Stehen verschlimmern und im<br />

Liegen besser werden.<br />

*Quelle: www.pots-dysautonomia.net<br />

WIR FREUEN<br />

UNS, DEN TAG DER<br />

SELTENEN<br />

ERKRANKUNGEN 2022<br />

ZU UNTERSTÜTZEN.<br />

ROBERTA<br />

LEBT MIT gMG<br />

#gemeinsamstark #seltensindviele<br />

#RareDiseaseDay<br />

Date of Preparation: February 2022 AT/UNB-U/0037<br />

RareDiseaseDay.org


10 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

EXPERTISE<br />

Freunde<br />

sagen:<br />

auf zum<br />

Meine<br />

spielplatz!<br />

Ihre Spende hilft<br />

24h Spendenhotline:<br />

0800 228 888<br />

lungenkinder.at<br />

Meine<br />

Lunge<br />

sagt<br />

Nein.<br />

Lungenhochdruck<br />

nimmt Jakob die Luft für ein<br />

kindgerechtes Leben.<br />

FOTO: PH AUSTRIA<br />

Leben mit Pulmonaler<br />

Hypertonie (PH)<br />

Pulmonale Hypertonie (PH), auch Lungenhochdruck genannt, ist eine seltene chronische und<br />

nach wie vor unheilbare Krankheit, die insbesondere im frühen Stadium schwer feststellbar<br />

ist. Denn die Symptome sind unspezifisch und eine eindeutige Diagnose kann nur durch<br />

Untersuchungen in Spezialkliniken gestellt werden. Österreichweit leben ca. 800 Menschen<br />

mit PH. Eva Otter ist eine von ihnen. Die 61-Jährige gehört zum Team PH Austria – Initiative<br />

Lungenhochdruck und kümmert sich als erste Ansprechpartnerin um Betroffene und deren<br />

Angehörige. Sie ist auch Vorstandsmitglied bei PHA Europe, der European Pulmonary<br />

Hypertension Association, wo die Belange der Patient:innen Europas im Mittelpunkt stehen.<br />

Frau Otter, wann wurde bei Ihnen<br />

PH diagnostiziert und wie würden<br />

Sie den Weg bis zur Diagnose<br />

beschreiben?<br />

Eva Otter: Lungenhochdruck ist<br />

bei einer Routineuntersuchung<br />

schwer zu diagnostizieren, da<br />

die häufigsten Symptome wie<br />

Atemnot, Müdigkeit und Schwindel<br />

auch mit vielen anderen<br />

Erkrankungen einhergehen.<br />

Auch ich habe damals die immer<br />

häufiger auftretenden Müdigkeitserscheinungen<br />

und Kurzatmigkeit<br />

auf meinen stressigen Job im<br />

Krankenhaus geschoben. Da die<br />

Beschwerden immer heftiger wurden,<br />

holte ich mir einen Termin in<br />

einer kardiologischen Ordination,<br />

die mich in das Allgemeine Krankenhaus<br />

in Wien überwies. Die<br />

eigentliche Diagnose „Pulmonale<br />

Hypertonie“ wurde bei mir also<br />

nach einem stationären Aufenthalt<br />

und verschiedenen Untersuchungen,<br />

wie dem 6-Minuten-Gehtest<br />

und einer Rechtsherz-Katheter-<br />

Untersuchung, gestellt.<br />

Wie ging es nach der Diagnose<br />

weiter?<br />

Eva Otter: Wie viele andere<br />

Betroffene bin ich zunächst in ein<br />

großes Loch gefallen. Es hat Monate<br />

gedauert, bis ich die Diagnose<br />

annehmen und mir Unterstützung<br />

von außen holen konnte. 2005 habe<br />

ich bei einem Patient:innentreffen<br />

Gerald Fischer kennengelernt und<br />

begonnen, mich bei PH Austria zu<br />

engagieren.<br />

Was von dem, was Sie heute<br />

für essenziell wichtig erachten,<br />

hätten Sie damals schon gerne<br />

gewusst?<br />

Eva Otter: Pulmonale Hypertonie<br />

kann jeden Menschen in jedem<br />

FOTO: LUDWIG SCHEDL<br />

Eva Otter<br />

Vizepräsidentin<br />

der PH Austria,<br />

Präsidentin von PHA<br />

Europe


MEDIAPLANET | 11<br />

Lesen Sie mehr<br />

unter<br />

www.lungenhoch<br />

druck.info<br />

Alter treffen. Bei Vorerkrankungen<br />

wie COPD (Chronisch obstruktive<br />

Lungenerkrankung), Schlafapnoesyndrom<br />

oder Sklerodermie<br />

kommt oftmals eine idiopathische<br />

PAH (pulmonal-arterielle Hypertonie<br />

mit unbekannter Ursache)<br />

dazu. Andere bekannte (Vor-)<br />

Erkrankungen, wie z. B. Diabetes,<br />

sollten den behandelnden<br />

Ärzt:innen auf jeden Fall mitgeteilt<br />

werden; ebenso eine genetische<br />

Disposition.<br />

Und darüber hinaus?<br />

Eva Otter: Mit einer unheilbaren<br />

Krankheit diagnostiziert<br />

zu werden trifft einen wie der<br />

Schlag! Aber niemand muss da<br />

alleine durch. Es gibt Spezialzentren,<br />

Therapiemöglichkeiten,<br />

Forschungsprojekte und Medikamentenstudien<br />

– und es gibt<br />

gemeinnützige Vereine wie PH<br />

Austria, die sich für Betroffene<br />

sowie deren Angehörige einsetzen!<br />

Welche Aufgabe haben Sie bei<br />

PH Austria?<br />

Eva Otter: Betroffene müssen ihr<br />

Leben meist komplett umstellen –<br />

da hilft es ungemein, informierte<br />

Bezugspersonen im näheren<br />

Umfeld zu haben, die einen dabei<br />

unterstützen. Ich bin ausgebildete<br />

Behindertenvertrauensperson – die<br />

Ausbildung habe ich schon vor<br />

meiner Tätigkeit bei PH Austria<br />

abgeschlossen – und kann<br />

Patient:innen und Angehörige<br />

entsprechend in allen Sozialangelegenheiten<br />

beraten. Außerdem<br />

organisiere ich regelmäßig<br />

Informationstreffen, bei denen von<br />

Ärzt:innen Fachvorträge zu<br />

aktuellen Themen (im vergangenen<br />

Jahr lag der Fokus auf „Leben mit<br />

PH in Zeiten von Corona“) gehalten<br />

werden und „Peer-to-Peer“-Treffen,<br />

bei denen ausschließlich Betroffene<br />

teilnehmen, um sich beispielsweise<br />

über ihre Erfahrungen mit<br />

unterschiedlichen Medikamenten<br />

auszutauschen. Ich bekomme auch<br />

die Gelegenheit, im Namen von PH<br />

Austria bei Konferenzen und<br />

Tagungen zum Thema „Patient:innen<br />

mit PH“ zu sprechen.<br />

PH AUSTRIA – INITIATIVE<br />

LUNGENHOCHDRUCK<br />

ist ein gemeinnütziger Verein, der<br />

alle von Lungenhochdruck Betroffenen<br />

dabei unterstützt, Zugang zu<br />

Informationen und Behandlungen<br />

und Unterstützungsleistungen zu<br />

bekommen. Zudem vertritt der<br />

Verein Betroffene und setzt sich<br />

für eine frühere Diagnose, bessere<br />

Betreuung, höhere Lebensqualität<br />

und ärztliche Versorgung ein.<br />

Mit dem zugehörigen Lungenkinder-Forschungsverein<br />

wird die<br />

Forschung an Therapiemöglichkeiten<br />

für Lungenhochdruck gefördert<br />

bzw. erst ermöglicht:<br />

www.lungenhochdruck.at<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

Dr. Holger Bartz<br />

Medical Director<br />

Janssen Austria<br />

Mag. Christoph<br />

Slupetzky<br />

Patient Advocacy<br />

Lead Janssen Austria<br />

FOTO: LENA GRIPSHOEFER<br />

FOTO: KLAUS RANGER<br />

Rare Disease Day 2022 – <strong>Seltene</strong><br />

Erkrankungen im Scheinwerferlicht<br />

Mehr als 300 Millionen Menschen haben eine oder mehrere der über 6.000 identifizierten seltenen <strong>Krankheiten</strong> 1 –<br />

in Österreich sind es einige hunderttausend. Viele dieser Erkrankungen sind kaum erforscht, das erschwert die<br />

Diagnose und Therapie. Janssen, die Pharmasparte von Johnson & Johnson, möchte Bewusstsein für seltene<br />

<strong>Krankheiten</strong>, insbesondere pulmonale arterielle Hypertonie, schaffen.<br />

Eine Krankheit gilt in<br />

Europa als selten, wenn<br />

weniger als einer von<br />

2.000 Menschen betroffen<br />

ist 2 . „Auf den ersten Blick möchte<br />

man meinen, dass seltene Erkrankungen<br />

recht häufig vorkommen –<br />

so paradox das klingen mag“, erklärt<br />

Dr. Holger Bartz, Medical Director<br />

von Janssen Austria. Für Hausärzte<br />

bedeutet das aber, dass eine seltene<br />

Erkrankung ihnen vielleicht ein,<br />

zwei Mal im Berufsleben begegnet.<br />

„Aufgrund der Seltenheit ist es<br />

schwer, eine rasche, korrekte Diagnose<br />

zu stellen, vor allem, wenn<br />

die Symptome auf unterschiedliche<br />

Erkrankungen hinweisen können.<br />

Zu spät oder gar nicht erkannt,<br />

schrumpft die Chance auf Therapieerfolg“,<br />

ergänzt Bartz. 80 Prozent<br />

der seltenen <strong>Krankheiten</strong> sind genetisch<br />

bedingt, oftmals chronisch<br />

und auch lebensbedrohend 2 Eine<br />

dieser seltenen Erkrankungen ist<br />

die pulmonale arterielle Hypertonie<br />

(PAH), auch Lungenhochdruck<br />

genannt.<br />

Awareness rettet Leben<br />

Von Lungenhochdruck sind österreichweit<br />

schätzungsweise circa<br />

500 Patienten betroffen 3 , weltweit<br />

sind es mehr als 25 Millionen 4 . Eine<br />

frühe Diagnose und Behandlung<br />

erhöhen die Überlebenzeit 5 .<br />

Janssen Austria möchte Awareness<br />

für diese seltene Erkrankung<br />

wecken und die Zeit bis zu<br />

Diagnose und Therapiestart<br />

bestmöglich verkürzen. Das<br />

Pharmaunternehmen setzt auf<br />

Forschung, Entwicklung und<br />

Innovation und arbeitet eng mit<br />

Patienten- und medizinischen<br />

Fachorganisationen zusammen.<br />

„Wir richten den Fokus auf seltene<br />

Erkrankungen, um eine bestmögliche<br />

Behandlung zu erreichen.<br />

‚Rare diseases‘ sind oft unerwartet,<br />

deswegen jedoch nicht weniger<br />

wichtig – vergleichen kann man sie<br />

mit Hufschlag. Man meint, es<br />

kommt ein Pferd um die Ecke –<br />

doch was, wenn es ein Zebra ist?“,<br />

so Mag. Christoph Slupetzky,<br />

Patient Advocacy Lead bei Janssen<br />

Austria. Wegen dieses Überraschungseffekts<br />

gelten Zebras als<br />

Symbol für seltene Erkrankungen.<br />

AT_CP-281473_03FEB2022<br />

1<br />

Nguengang Wakap<br />

S. Eur J Hum<br />

Genet. 2020 (v1.0)<br />

2<br />

EURORDIS About<br />

Rare Diseases<br />

(v1.0) - Definition<br />

of rare disease in<br />

Europe (p.1)<br />

3<br />

ÖGK, PH,<br />

11.05.2020,<br />

"Lungenhochdruck:<br />

<strong>Seltene</strong><br />

und schwere<br />

Krankheit" meinegesundheit.at<br />

PH<br />

2010 (v1.0)<br />

4<br />

Elliott C et al.<br />

CHEST 2010.<br />

137(6):85s-94s<br />

(v1.0)<br />

5<br />

Lau EMT et al. Nat<br />

Rev Cardiol 2015;<br />

12(3):143–155.


12 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

INSIGHT<br />

Priv.-Doz. Dr.<br />

Thomas<br />

Sonnweber, PhD<br />

Pneumologie<br />

Universitätsklinik<br />

Innsbruck<br />

Text <br />

Werner<br />

Sturmberger<br />

FOTO: ZVG<br />

Idiopathische Lungenfibrose:<br />

Warnsignale Husten und Atemnot<br />

Patient:innen profitieren von der frühzeitigen Diagnose der Idiopathischen<br />

Lungenfibrose (IPF). Diese ist aber anspruchsvoll, wie der Pneumologe Priv.<br />

Doz. Dr. Thomas Sonnweber, PhD erklärt.<br />

Was kennzeichnet die idiopathische<br />

Lungenfibrose?<br />

Die idiopathische Lungenfibrose<br />

ist eine seltene, aber leider sehr<br />

schwerwiegende Erkrankung. Es<br />

handelt sich dabei um eine voranschreitende<br />

Vernarbung der Lunge,<br />

die binnen weniger Jahre zum Tod<br />

führen kann. Betroffen sind meist<br />

ältere Menschen, insbesondere<br />

Männer nach dem 60. Lebensjahr.<br />

Als Risikofaktoren gelten dabei<br />

typischerweise Nikotinkonsum<br />

und Staubbelastung.<br />

Wie erfolgt die Diagnose und<br />

warum ist das nicht immer ganz<br />

einfach?<br />

Da die Differenzialdiagnose bei IPF<br />

komplex ist und häufig erst spät<br />

in Betracht gezogen wird, ist die<br />

Diagnose in der Praxis mit erheblichen<br />

Schwierigkeiten verbunden.<br />

Der Schlüssel liegt im Definieren<br />

der Verdachtsdiagnose anhand<br />

typischer Symptome wie schleichend<br />

zunehmende Atemnot, vor<br />

allem unter Belastung, oder trockener<br />

Reizhusten. Insbesondere das<br />

bereits früh auftretende Knisterrasseln<br />

beim Abhören der Lunge ist ein<br />

wichtiges Symptom. Gleichzeitig ist<br />

es von zentraler Bedeutung, IPF von<br />

anderen Erkrankungen der Lunge,<br />

die mit ähnlichen Symptomen einhergehen<br />

– etwa der viel häufigeren<br />

Diagnose COPD –, abzugrenzen.<br />

Wie unterscheidet man IPF<br />

vom aktuell stark verbreiteten<br />

COVID-19?<br />

Abgesehen von Atemnot sind die<br />

beiden genannten sehr unterschiedliche<br />

Erkrankungen, die<br />

in der Regel klinisch deutlich<br />

voneinander abzugrenzen sind<br />

und somit in Wirklichkeit keine<br />

relevanten Differenzialdiagnosen<br />

darstellen. COVID-19 beginnt akut<br />

mit typischen Anzeichen einer<br />

Infektion wie Fieber – IPF dagegen<br />

schleichend und ohne solche<br />

Symptome. Auch mit bildgebenden<br />

Verfahren lassen sich die Erkrankungen<br />

deutlich unterscheiden. Es<br />

ist aber theoretisch möglich, dass<br />

die Inzidenz der Lungenfibrose-<br />

Erkrankten im Langzeitverlauf –<br />

mitunter erst in Jahrzehnten –<br />

auch als Konsequenz der COVID-19<br />

Pandemie zunehmen wird. Eine<br />

mögliche Vorstufe für Lungenfibrose<br />

könnten Veränderungen des<br />

Lungenzwischengewebes und der<br />

Lungenbläschen sein; und solche<br />

Veränderungen bleiben im Regelfall<br />

bei schweren COVID-19-Verläufen<br />

in der Lunge zurück.<br />

Welche Behandlungsmöglichkeiten<br />

gibt es?<br />

Eine Heilung gibt es für IPF derzeit<br />

nicht. Seit einiger Zeit stehen aber<br />

antifibrotische Therapien zur<br />

Verfügung, die auf eine Verlangsamung<br />

der Erkrankung abzielen.<br />

Zusätzlich können unterstützende<br />

Maßnahmen den Krankheitsverlauf<br />

und die Symptomatik positiv<br />

beeinflussen: Atemphysio- oder<br />

Sauerstofftherapie, Infektionsprophylaxe<br />

und -behandlung,<br />

Vermeidung von Nikotin oder auch<br />

lungentoxische Medikamente.<br />

Wann sollte man unbedingt<br />

ärztliche Hilfe in Anspruch<br />

nehmen?<br />

Ein chronischer Husten, der über<br />

mehrere Wochen oder sogar<br />

Monate anhält und insbesondere<br />

Atemnot sollten stets abgeklärt<br />

werden. Atemnot beginnt bei einer<br />

IPF oft schleichend und wird von<br />

Patient:innen lange ignoriert oder<br />

toleriert, bzw. durch die Vermeidung<br />

körperlicher Belastung<br />

verschleiert. Gerade bei Risikogruppen<br />

ist es sinnvoll, frühzeitig<br />

eine Abklärung der Lunge mittels<br />

hochauflösender Computertomographie<br />

durchzuführen.<br />

FACTBOX<br />

IPF betrifft eher Männer über<br />

60 Jahre, die aktive Raucher<br />

oder ehemalige Raucher sind.<br />

Zu Beginn der Erkrankung gibt<br />

es keine bzw. nur leichte Symptome.<br />

• Kurzatmigkeit, anfangs vor<br />

allem unter Belastung z. B. beim<br />

Stiegensteigen<br />

• Trockener Husten<br />

• Verminderte körperliche<br />

Belastbarkeit<br />

• Ggf. eine violette bis bläuliche<br />

Verfärbung der Haut, Schleimhaut,<br />

Lippen oder Fingernägel<br />

(Zyanose genannt)<br />

• Ggf. Veränderungen der Form<br />

Ihrer Fingernägel (Uhrglasnägel)<br />

• Trommelschlegelfinger 1<br />

1<br />

Verdickung der<br />

Fingerglieder<br />

durch länger<br />

bestehenden<br />

Sauerstoffmangel<br />

bei Erkrankungen<br />

der Lunge oder<br />

des Herzens


MEDIAPLANET | 13<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

Bild eines<br />

EEGs<br />

FOTO: KUK<br />

Pädiatrie im Wandel –<br />

<strong>Seltene</strong>n <strong>Krankheiten</strong><br />

auf der Spur<br />

Kepler Universitätsklinikum führend<br />

bei Forschung und Behandlung<br />

Seit der Gründung der Universitätsklinik für Kinder- und<br />

Jugendheilkunde am Kepler Universitätsklinikum steht für Vorstand<br />

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Högler die Forschung und Behandlung von<br />

seltenen <strong>Krankheiten</strong> im Mittelpunkt seines Tuns.<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Wolfgang Högler<br />

Vorstand der Universitätsklinik<br />

für<br />

Kinder- und Jugendheilkunde<br />

am Kepler<br />

Universitätsklinikum<br />

FOTO: KUK<br />

Rasante Entwicklung in der<br />

Diagnostik<br />

Enorme Fortschritte in der Diagnosefindung<br />

verändern die Pädiatrie<br />

an der Universitätsklinik, wo angeborene<br />

<strong>Krankheiten</strong> und Störungen<br />

des Stoffwechsels erstdiagnostiziert<br />

und behandelt werden. Da<br />

es rund 7.000 seltene <strong>Krankheiten</strong><br />

gibt, sind Spezialisierung und<br />

Zentrumsbildung ein absolutes<br />

Muss in der Pädiatrie. Die Universitätsklinik<br />

für Kinder- und Jugendheilkunde<br />

verfügt vor allem in<br />

den Bereichen der Endokrinologie<br />

(Hormone), Osteologie (Knochen)<br />

und Neurologie (Nervensystem<br />

und Muskeln) über große Expertise<br />

und erfüllt hier einen überregionalen<br />

Versorgungsauftrag.<br />

Die Linzer Expert:innen rund<br />

um Professor Högler sind international<br />

vernetzt und haben es<br />

sich zum Ziel gesetzt, so vielen<br />

Patient:innen wie möglich den<br />

Zugang zu Studien und damit auch<br />

zu den neuesten Therapien zu<br />

ermöglichen. Ärztinnen und Ärzte<br />

und Pflegepersonal arbeiten dazu<br />

in spezialisierten Teams.<br />

Ursachenforschung im klinischen<br />

Alltag<br />

„Die Diagnosefindung hat sich<br />

durch verbesserte Technologien<br />

bei der DNA-/RNA-Sequenzierung<br />

massiv verbessert. Bei komplexen<br />

Fällen haben wir die Möglichkeit,<br />

über unser Forschungsnetzwerk<br />

und mein Forschungslabor am<br />

neuen Campus der Medizinischen<br />

Fakultät der Johannes Kepler<br />

Universität Linz noch tiefer im<br />

Erbgut nach Ursachen zu suchen<br />

bzw. Krankheitsmechanismen auf<br />

die Spur zu kommen. Forschung<br />

wie diese hat es ermöglicht, viele<br />

neuartige Therapien zu entwickeln;<br />

und es gibt wunderbare Beispiele<br />

für Enzymersatztherapien und<br />

neuerdings auch Gentherapie,<br />

die revolutionäre Therapieerfolge<br />

zeigen“, erklärt Professor Högler,<br />

der vor seiner Berufung nach<br />

Linz 13 Jahre lang an führenden<br />

endokrinologischen Einrichtungen<br />

im englischsprachigen Raum tätig<br />

war.<br />

Aus einer Erkrankung werden<br />

viele<br />

Ein Beispiel für die rasante<br />

Entwicklung in der Pädiatrie ist die<br />

Epilepsie. Vor zwei Jahrzehnten<br />

konnte hier noch wenig Ursachenforschung<br />

betrieben werden. So<br />

gab man sich mit der Diagnose<br />

„Epilepsie“ zufrieden und konzentrierte<br />

sich darauf, Anfallsfreiheit zu<br />

erzielen, ohne überhaupt die<br />

Ursache zu verstehen. Im Jahr 2022<br />

haben sich aus der Diagnose<br />

„Epilepsie“ über 130 spezifische<br />

Krankheitsbilder meist genetischen<br />

Ursprungs entwickelt, jedes<br />

mit spezifischem Krankheitsmechanismus.<br />

Bei Kleinwuchs,<br />

Knochenbrüchigkeit oder Hormonstörungen<br />

vieler Art ist die<br />

Situation ähnlich. „Es liegt auf der<br />

Hand, dass in naher Zukunft jede<br />

dieser Einzelkrankheiten auch eine<br />

individualisierte Behandlung<br />

braucht. Unsere klinische Forschung<br />

in internationalen<br />

Netzwerken ist hier ganz essenziell,<br />

um maßgeschneiderte Therapien<br />

zu entwickeln“, zeigt Professor<br />

Högler die Herausforderungen und<br />

Chancen für die Zukunft auf.<br />

SCHWERPUNKTE DER<br />

UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR<br />

KINDER- UND JUGENDHEIL-<br />

KUNDE AM KEPLER UNIVER-<br />

SITÄTSKLINIKUM<br />

• Ausfall, Fehl- oder Überproduktion<br />

von Hormonen<br />

der Nebenniere, Keimdrüsen,<br />

Hirnanhangsdrüse, Schilddrüse,<br />

Nebenschilddrüse<br />

• Wachstums- oder Pubertätsstörungen<br />

• Rachitis, Knochenbrüchigkeit<br />

• Diabetes Typ 1–3<br />

• Therapieresistente Epilepsien<br />

• Neuromuskuläre Erkrankungen<br />

und Bewegungsstörungen<br />

• Onkologie<br />

• Hämatologie<br />

Nähere Informationen<br />

und Kontakt:<br />

www.kepler<br />

uniklinikum.at/ver<br />

sorgung/kliniken/<br />

kinder-und-jugend<br />

heilkunde/<br />

was-wir-tun/


14 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

EXPERTISE<br />

Angeborene Immundefekte – seltene<br />

Erkrankungen des Immunsystems<br />

Ein ungestörtes und sinnvoll reguliertes, funktionierendes Immunsystem garantiert<br />

ein gesundes Leben. Veränderungen in den Genen des Immunsystems können zu<br />

Störungen der körpereigenen Abwehr, den sogenannten Immundefekten, führen.<br />

Univ.-Prof. Dr. med.<br />

univ. Hermann Wolf<br />

Ärztliche Leitung<br />

Immunologische<br />

Tagesklinik<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Immunglobuline, Antikörper und<br />

Immundefekte – Was bedeutet<br />

das alles?<br />

Als Immundefekt bezeichnet man<br />

unterschiedliche Erkrankungen<br />

des Immunsystems, die zu einer<br />

erhöhten Anfälligkeit für Infektionen<br />

führen und/oder eine<br />

erhöhte Wahrscheinlichkeit für<br />

das Auftreten von Autoimmunerkrankungen,<br />

Allergien, malignen<br />

Tumoren oder nicht-infektionsbedingten<br />

Entzündungen bewirken.<br />

Aktuell sind 456 unterschiedliche<br />

monogene Immundefekte<br />

bekannt. Mutationen in mehreren<br />

Genen oder Genmutationen, die<br />

nur in bestimmten Zellen des<br />

Immunsystems auftreten (sogenannte<br />

somatische Mutationen),<br />

könnten verantwortlich sein für<br />

häufigere primäre Immundefekte<br />

wie Common Variable Immunodeficiency<br />

(CVID) oder isolierte<br />

IgA-Defizienz.<br />

Als Immunglobuline oder Antikörper<br />

bezeichnet man bestimmte<br />

Eiweißmoleküle, die von B-Lymphozyten<br />

produziert werden und<br />

im Blut, auf den Schleimhäuten<br />

oder bei einer Entzündung Viren<br />

am Eintritt in eine menschliche<br />

Zelle hindern (sogenannte neutralisierende<br />

Antikörper) oder die<br />

Zerstörung von Bakterien durch<br />

Fresszellen vorbereiten (sogenannte<br />

opsonisierende Antikörper).<br />

Wie läuft bei einem Immundefekt<br />

die Diagnose ab?<br />

Eine genaue Untersuchung des<br />

Immunsystems<br />

beginnt mit einer<br />

Blutabnahme.<br />

Hochspezialisierte<br />

Labormethoden<br />

und ein fundiertes<br />

Wissen<br />

über die normale<br />

Funktion der<br />

unterschiedlichen<br />

Eiweißmoleküle,<br />

Zellrezeptoren<br />

und Zellen des<br />

Immunsystems<br />

ermöglichen eine<br />

medizinische<br />

Diagnose und damit eine geeignete<br />

Behandlung. Die Untersuchung<br />

auf Mutationen in Genen des<br />

Immunsystems liefert die endgültige<br />

Diagnose und ermöglicht<br />

eine Familienberatung. Leider<br />

verstehen manche Sozialversicherungen<br />

derzeit – entgegen<br />

ihrem Versorgungsauftrag – viele<br />

wesentliche Untersuchungen zur<br />

Diagnose eines Immundefekts<br />

nicht als Kassenleistung, was die<br />

unbehandelte Leidensdauer der<br />

typischen Patient:innen mit CVID<br />

von eineinhalb Jahren mit Kassenfinanzierung<br />

auf aktuell über sechs<br />

Jahre bei Vorfinanzierung der<br />

meist sehr kostspieligen Untersuchungen<br />

durch die Patient:innen<br />

verlängert.<br />

Wie geht es den Patient:innen<br />

nach der Diagnose?<br />

Die frühzeitige Diagnose eines<br />

angeborenen Immundefekts<br />

ermöglicht eine zeitgerechte<br />

Behandlung, das bedeutet z. B. bei<br />

der großen Gruppe von Patient:innen<br />

mit Störungen in der Antikörperbildung<br />

eine Ersatztherapie mit<br />

Immunglobulinpräparaten und<br />

damit die Verhinderung von<br />

Organschäden. Während es bei<br />

typischen Patient:innen mit CVID<br />

vor der richtigen Diagnose sechsmal<br />

im Jahr zu Infektionsepisoden mit<br />

Antibiotikatherapie, Krankenstand<br />

und eventueller Spitalsbehandlung<br />

kommt, so führt die rechtzeitige<br />

Immunglobulintherapie zu einer<br />

Reduktion der Infektionsepisoden<br />

um etwa 97 % – mit nur mehr einem<br />

Krankenstand mit Antibiotikatherapie<br />

in sechs Jahren. Eine(r) der<br />

behandelten Patient:innen spricht<br />

zum Beispiel von „einer völlig<br />

neuen Erfahrung ohne Infektionen.<br />

Früher bekam ich im Winter alle<br />

drei Wochen eine Antibiotikatherapie<br />

vom Hausarzt.“<br />

FOTO: STEVE JOHNSON ON UNSPLASH<br />

ERFAHREN SIE MEHR über den roten Kranich<br />

und das Engagement von Takeda<br />

für Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen.<br />

Am 28. Februar ist<br />

TAG DER<br />

<strong>Seltene</strong>n<br />

Erkrankungen<br />

C-APROM/AT/PO/0002, Feb. 2022<br />

www.takeda.at


MEDIAPLANET | 15<br />

INSIGHT<br />

Angeborene<br />

Stoffwechselstörung: Die Suche<br />

nach der Nadel im Heuhaufen<br />

Rund 1.500 angeborenen Stoffwechselstörung sind bekannt, für etwa 30 Prozent<br />

von ihnen gibt es eine Therapie. Unspezifische Symptome und die Seltenheit der<br />

einzelnen <strong>Krankheiten</strong> verzögern oft die Diagnosestellung.<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Daniela Karall<br />

Präsidentin<br />

Österreichische<br />

Gesellschaft für<br />

Kinder- und Jugendheilkunde<br />

www.paediatrie.at<br />

FOTO: ZVG<br />

Ein von der Norm abweichender<br />

Wert im Blutbild,<br />

ein vager Verdacht der<br />

Eltern, ein merkwürdiges<br />

Ergebnis in einer Routineuntersuchung.<br />

Die Zeichen einer angeborenen<br />

Stoffwechselstörung sind<br />

häufig unspezifisch und schwierig<br />

einzuordnen. So auch beim heute<br />

11-jährigen Nolan. Der Bub kam<br />

scheinbar kerngesund zur Welt<br />

und entwickelte sich prächtig.<br />

Mit knapp einem Jahr fällt seiner<br />

Mama jedoch eine ungewöhnliche<br />

Schwellung auf seinem Bauch auf.<br />

Der Kinderarzt ertastet vergrößerte<br />

Leber und Milz, die Ursachen<br />

dafür bleiben vorerst unklar. Was<br />

folgt, sind unzählige Untersuchungen<br />

und eine belastende Zeit des<br />

Wartens. Mit der Diagnose der seltenen,<br />

genetischen und tödlichen<br />

Stoffwechselkrankheit Niemann<br />

Pick C* bricht eine Welt für die<br />

junge Familie zusammen. Die<br />

Prognosen: Ihr Sohn wird all seine<br />

erlernten Fähigkeiten verlieren<br />

und schwerstbehindert vor seinem<br />

20. Lebensjahr versterben.<br />

Unspezifische Symptome = langer<br />

Diagnoseweg<br />

Wie genau kommt es nun<br />

aber zu solch schweren<br />

Stoffwechselkrankheiten?<br />

Unser Stoffwechsel (Metabolismus)<br />

reguliert sämtliche<br />

chemische Prozesse im Körper,<br />

von der Zellerneuerung bis zur<br />

Verdauung, und steuert den Weg<br />

von Nährstoffen, Enzymen und<br />

Hormonen. Bei angeborenen Stoffwechselstörungen<br />

kommt es nun<br />

durch einen Gendefekt zu einer<br />

eingeschränkten oder vollständig<br />

fehlenden Funktion eines Enzyms<br />

und damit zur Störung eines Stoffwechselweges.<br />

Die Folge: Einzelne<br />

Nährstoffe werden beispielsweise<br />

nicht richtig verwertet und lagern<br />

sich stattdessen an verschiedenen<br />

Stellen wie in der Niere oder<br />

Leber oder im Nervensystem ab.<br />

Bei anderen Störungen wird der<br />

Organismus durch eine zu hohe<br />

Konzentration der Stoffwechselprodukte<br />

geschädigt oder es treten<br />

giftige Abbauprodukte auf. Die<br />

Symptome einer Stoffwechselstörung<br />

sind dabei vielfältig, unspezifisch<br />

und unterschiedlich stark<br />

ausgeprägt. So zeigt sich etwa bei<br />

Speicherkrankheiten – dazu zählt<br />

auch Niemann Pick C – häufig<br />

eine vergrößerte Milz oder Leber.<br />

Ebenso können Entwicklungsverzögerungen,<br />

Krampfanfälle oder<br />

Bewegungsstörungen Anzeichen<br />

einer Stoffwechselstörung sein.<br />

Angeborene Stoffwechselstörungen<br />

frühzeitig erkennen<br />

Die erste Ansprechperson ist oft<br />

der/die Kinder- oder Hausarzt<br />

oder -ärztin, wobei es oft relativ<br />

lange dauert, bis ein Verdacht<br />

geäußert wird. Denn: Die meisten<br />

Stoffwechselstörungen zählen zu<br />

den seltenen Erkrankungen, an<br />

die zumeist nicht sofort gedacht<br />

wird. Wichtig ist deshalb, dass<br />

Haus- und Kinderärztinnen und<br />

-ärzte sensibilisiert sind und<br />

wissen, dass hinter vermeintlich<br />

harmlosen Symptomen eben auch<br />

eine seltene (Stoffwechsel-)<br />

Erkrankung stecken könnte. Für<br />

das frühzeitige Erkennen von<br />

angeborenen Stoffwechselstörungen<br />

wird inzwischen auch ein<br />

FOTO: JENÉ STEPHANIUK ON UNSPLASH<br />

Neugeborenen-Screening (NGS)<br />

angewendet. Zwar kann damit nur<br />

ein kleiner Teil (drei Prozent) der<br />

angeborenen Stoffwechselstörungen<br />

erkannt werden, jedoch sind<br />

hierfür Therapieoptionen<br />

verfügbar, die im günstigsten Fall<br />

alle Symptome verhindern und<br />

eine normale Entwicklung<br />

ermöglichen können.<br />

* Niemann Pick C ist eine vererbte Stoffwechselkrankheit,<br />

die zu einer Ansammlung<br />

von körpereigenem Cholesterin in<br />

verschiedenen Organen (Milz, Leber, Lunge,<br />

Knochenmark, Gehirn) führt. Als Folge der<br />

übermäßigen Ansammlung in den Zellen<br />

wird die Zellfunktion so erheblich gestört,<br />

dass es zum Zelltod kommt.<br />

Text <br />

Anna<br />

Birkenmeier


16 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

INSIGHT<br />

FOTO: GAVIN GOUGH, FLORENTINA OLAREANU<br />

Stell dir vor, du verlierst<br />

morgen deine Stimme...<br />

…, was würdest du heute sagen? Diese Frage habe ich mir vor meiner Erkrankung<br />

nie gestellt. Ich war es gewohnt, jederzeit kommunizieren zu können, – so oft<br />

und so lange ich wollte – bis ich eines Morgens mit starken Schmerzen im Hals<br />

erwachte und plötzlich nicht mehr sprechen konnte.<br />

Ein Marathon zu vielen Ärzt:innen<br />

beginnt<br />

Erst viele Monate und Besuche bei<br />

Ärzt:innen später erhielt ich meine<br />

Diagnose: das äußerst seltene<br />

„Eagle-Syndrom“, mit einer Betroffenheitsrate<br />

von nur 0,16 Prozent<br />

der Menschen weltweit. Überlange,<br />

spitze Knochenfortsätze ragten<br />

von der Schädelbasis in meinen<br />

Hals hinein und verletzten dabei<br />

wichtige Hirnnerven, Muskeln und<br />

Blutgefäße. Diese Verknöcherung<br />

verursachte permanenten Schmerz<br />

im gesamten Hals-Nacken-<br />

Gesichts-Kopfbereich sowie<br />

Schluck- und Stimmstörungen. Da<br />

man zuvor lange vermutet hatte,<br />

meine Symptome wären psychischer<br />

Ursache, verlor ich zu dieser<br />

Zeit jegliches Vertrauen in mich<br />

selbst und in andere Menschen.<br />

Damals, also vor sechs Jahren, war<br />

ich 21, eine ursprünglich lebensfrohe<br />

Studentin der Uni Wien, und<br />

steuerte eigentlich gerade auf meinen<br />

Abschluss zu. Doch die Erkrankung<br />

stellte alles auf den Kopf.<br />

Anstatt zu lernen und Student:innenfeste<br />

zu besuchen, musste ich<br />

mich im Internet vernetzen und<br />

eigenständig über die Risiken von<br />

unterschiedlichen Behandlungsmethoden<br />

informieren.<br />

Es war eine harte Zeit, geprägt<br />

von Hilflosigkeit und Ohnmacht.<br />

Ich hatte stets das Gefühl, mich vor<br />

dem medizinischen Personal für<br />

meine „nicht zuordenbare“ Symptome<br />

rechtfertigen zu müssen. War<br />

ich nicht „überzeugend“ genug,<br />

musste ich damit rechnen, als<br />

Hypochonderin zu gelten, die sich<br />

alles nur einbildet, und mit meinen<br />

Schmerzen wieder nachhause<br />

gehen.<br />

Rückhalt von Herzensmenschen<br />

Was mir in dieser Situation<br />

geholfen hat, war der Beistand der<br />

Familie und engster Freunde. Nicht<br />

nur, dass sie das Reden für mich<br />

übernahmen, auch ihr emotionaler<br />

Rückhalt hat mir Kraft gegeben,<br />

FOTO: MANFRED BAUMANN<br />

Nora Sophie Aigner<br />

Patient Advocate &<br />

Journalistin


MEDIAPLANET | 17<br />

sonst hätte ich nie bis zur Diagnose<br />

durchgehalten. Sätze von nahestehenden<br />

Personen wie „Ich glaube<br />

dir“ oder „Wir suchen gemeinsam<br />

nach einer Lösung“ waren Gold<br />

wert. Was mir gefehlt hat, waren<br />

Verständnis und Empathie von<br />

Ärzt:innen sowie deren aufrichtige<br />

Initiative, meiner vermeintlich<br />

„unerklärlichen“ Symptomatik auf<br />

die Spur zu kommen. Was in so<br />

einem Fall für Betroffene wichtig<br />

ist, ist trotzdem dran zu bleiben<br />

und sich nichts einreden zu lassen,<br />

was der eigenen Körperwahrnehmung<br />

widerspricht. Leider ist<br />

man in einer solchen Situation<br />

jedoch abhängig von Fachleuten,<br />

die diverse Untersuchungen/medizinische<br />

Interventionen/Therapieversuche<br />

einleiten müssen. Auch<br />

finanziell ist es sehr belastend,<br />

da nicht alle Verfahren von der<br />

Krankenkassa bezahlt werden.<br />

FOTO: RAIMUND NICS<br />

Leidensdruck<br />

Um den Leidensdruck bewältigen<br />

zu können, sollte man seine Sorgen<br />

jemandem anvertrauen können.<br />

In meinem Fall war dies schwierig,<br />

weil ich wegen meiner Schmerzen<br />

kaum sprechen konnte. Abgesehen<br />

davon werden die Hemmungen für<br />

einen selbst immer höher, je länger<br />

man keine bestätigte Diagnose hat.<br />

Die Angst, abgelehnt oder nicht<br />

ernst genommen zu werden, wächst<br />

schnell. Sehr oft führt das in die<br />

Selbstisolation, wie es auch bei mir<br />

der Fall war. Ich hatte den Eindruck,<br />

das Leben der anderen würde weitergehen,<br />

während ich nicht mehr<br />

Teil der Gesellschaft wäre.<br />

Im Laufe meiner Geschichte<br />

habe ich erkannt, dass wir<br />

nicht für die Momente<br />

leben, in denen wir reden,<br />

sondern für jene, die uns<br />

sprachlos machen.<br />

Eine lange Reise<br />

Meine Diagnose brachte letztendlich<br />

Erleichterung mit sich, weil<br />

sie bewies, dass ich mich nicht<br />

getäuscht hatte, sondern tatsächlich<br />

an einer ernstzunehmenden<br />

Erkrankung litt. Ich konnte meine<br />

Schmerzen endlich beim Namen<br />

nennen. Dennoch wurde mir auch<br />

bewusst, dass dies erst der Anfang<br />

einer langen, nervenaufreibenden<br />

klinischen Reise war. Mein Zustand<br />

machte Spitals- und Therapieaufenthalte<br />

sowie zwei prekäre Operationen<br />

unumgänglich. Ich reiste<br />

außerdem für spezielle Therapien<br />

über 45-mal in verschiedenste<br />

Städte auf der ganzen Welt.<br />

Zurück in Österreich unterzog<br />

ich mich vielen Ersatzbehandlungen,<br />

um mein Studium wieder<br />

aufnehmen und abschließen zu<br />

können. Die prägende Zeit bis<br />

zur Diagnosefindung, klinisches<br />

Labeling und Stigmatisierung<br />

veranlassten mich deshalb dazu,<br />

eine wissenschaftliche Studie über<br />

die sozialen Folgen dieser „Rare<br />

Disease“ an der Uni Wien durchzuführen.<br />

Sie ist international die<br />

erste ihresgleichen. Patient:innen<br />

aus fünf verschiedenen Kontinenten<br />

nahmen daran teil.<br />

Die Kampagne<br />

Da ich nun auch über die Belastungen<br />

anderer Betroffener Bescheid<br />

wusste, beschloss ich, eine Awareness-Kampagne<br />

zu initiieren –<br />

mit dem Ziel, gesellschaftliches<br />

Bewusstsein für diese zu schaffen.<br />

Aus eigener Erfahrung weiß ich,<br />

wie oft man dazu tendiert, sich für<br />

sein „Anderssein“ zu schämen, und<br />

sich deshalb ausgegrenzt fühlt. Mit<br />

meiner medialen Präsenz wollte<br />

ich anderen Mut machen.<br />

Auf YouTube veröffentlichte<br />

ich ein Video unter dem Titel<br />

#VoiceForNora. In diesem suche<br />

ich nach neuen Behandlungsmöglichkeiten,<br />

da meine tiefen<br />

intraoralen Operationsnarben<br />

nach wie vor große Probleme<br />

verursachen. Freunde verfilmten<br />

meine Geschichte in vier Minuten<br />

und prominente Persönlichkeiten<br />

wie Thomas Brezina, Viktor<br />

Gernot, Ursula Strauss etc. liehen<br />

mir dafür ihre Stimme.<br />

Seitdem ist viel passiert. Ich<br />

wurde zu TEDx Vienna eingeladen,<br />

um eine Rede zu halten,<br />

durfte spezielle Zelltherapien bei<br />

Dr. Weber in Deutschland machen<br />

und werde demnächst mein<br />

erstes Buch veröffentlichen. Es<br />

ist ein Band voller Gedichte, die<br />

in den letzten Jahren entstanden<br />

sind, und heißt: „Stimme der<br />

Hoffnung“.<br />

All diese öffentlichen Auftritte<br />

haben mich viel Überwindung<br />

gekostet, denn eigentlich bin ich<br />

eher eine zurückhaltende Person.<br />

Dennoch bin ich dankbar, im Zuge<br />

der Kampagne so viele liebe<br />

Menschen und auch engagierte<br />

Ärztinnen und Ärzte und (Physio-)<br />

Therapeut:innen kennengelernt<br />

zu haben. Und ich hoffe noch auf<br />

weitere Hilfe. Im Laufe meiner<br />

Geschichte habe ich erkannt, dass<br />

wir nicht für die Momente leben,<br />

in denen wir reden, sondern für<br />

jene, die uns sprachlos machen.<br />

Instagram:<br />

@nora.sophiiie<br />

Hilfeaufruf:<br />

#voicefornora<br />

youtu.be/<br />

mubQfa4bzrc<br />

Ted Talk: Use your<br />

voice and tell your<br />

story.<br />

youtu.be/<br />

WWju-V98KLM


18 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

INSIGHT<br />

FOTO: STEVE JOHNSON VIA UNSPLASH<br />

Neuromuskuläre Erkrankungen:<br />

Nach der Diagnose gut begleitet<br />

In Österreich leben etwa 20.000 Menschen mit einer Muskelerkrankung, mehr als die Hälfte<br />

davon sind Kinder und Jugendliche. Die Diagnose bedeutet häufig den zunehmenden Verlust der<br />

Mobilität, auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein und eine verringerte Lebenserwartung.<br />

Prim. Univ.Prof. Dr.<br />

Günther Bernert<br />

Neuropädiater,<br />

Präsident<br />

Österreichische<br />

Muskelforschung<br />

FOTO: A. ÖTTINGMeist ist es für die<br />

Eltern ein langer<br />

Leidensweg, bis bei<br />

ihrem Kind die<br />

Erkrankung diagnostiziert wird.<br />

Für eine Diagnose von Muskelerkrankungen<br />

bereits im Kleinkindalter<br />

ist es notwendig, dass<br />

Kinderärztinnen und -ärzte sowie<br />

Allgemeinmediziner:innen die für<br />

diese seltenen Erkrankungen<br />

typischen Symptome (er)kennen<br />

und deuten können. „Je früher<br />

Eltern bei Verdacht auf eine<br />

Muskelerkrankung mit ihrem Kind<br />

eine:n neurologisch spezialisierte:n<br />

Kinderärztin/-arzt oder eine<br />

Muskelspezialambulanz aufsuchen,<br />

umso rascher kann mit der<br />

individuellen Betreuung begonnen<br />

werden. Diese trägt dazu bei,<br />

den Krankheitsverlauf zu verlangsamen<br />

und die Lebensqualität der<br />

Betroffenen zu verbessern“, weiß<br />

Prim. Univ.Prof. Dr. Günther<br />

Bernert, Präsident der Österreichischen<br />

Muskelforschung – gemeinnütziger<br />

Verein zur Erforschung<br />

von Muskelerkrankungen bei<br />

Kindern und Erwachsenen.<br />

Neue Therapien<br />

Bislang konnten Krankheitsverlauf<br />

und Lebenserwartung durch<br />

medikamentöse, respiratorische,<br />

kardiale, orthopädische und<br />

rehabilitative Maßnahmen<br />

verbessert werden. In den letzten<br />

Jahren kamen in Österreich dann<br />

auch die ersten kausalen Therapien<br />

für die beiden häufigsten<br />

Muskelerkrankungen – Duchenne-<br />

Muskeldystrophie und Spinale<br />

Muskelatrophie – auf den Markt,<br />

ebenso für Morbus Pompe. Damit<br />

kommt der Früherkennung noch<br />

mehr Bedeutung zu als bisher: Gilt<br />

es doch wertvolle Therapiefenster<br />

nicht zu versäumen.<br />

Standards of Care und Casemanagement<br />

Alle neuen innovativen Therapien<br />

setzen voraus, dass „Standards of<br />

Care“ umgesetzt werden, d. h., dass<br />

Begleit- und Folgeerkrankungen<br />

der Muskelerkrankungen, die<br />

andere Organsysteme wie Herz,<br />

Lunge, Skelett, Verdauung plus<br />

Ernährung oder psychische<br />

Gesundheit betreffen, erkannt und<br />

behandelt werden. „Ist die<br />

Umsetzung der ‚Standards of Care‘<br />

bereits im ‚breiten‘ Fach Kinderheilkunde<br />

eine Herausforderung,<br />

so ist sie das in der Erwachsenenmedizin<br />

umso mehr“, so Bernert.<br />

Der Neuropädiater sieht bei der<br />

Transition von der Kinder- in die<br />

Erwachsenenmedizin noch großen<br />

Verbesserungsbedarf. Die für das<br />

Gelingen des Übergangs in die<br />

Erwachsenenmedizin aber auch<br />

schon davor extrem wichtige<br />

Berufsgruppe der Casemanager:innen<br />

ist im österreichischen<br />

Gesundheitssystem nicht verpflichtend<br />

vorgesehen und wird somit<br />

auch nicht finanziert. Ein entsprechendes<br />

Pilotprojekt der Österreichischen<br />

Muskelforschung ist in<br />

Planung. „Die Implementierung<br />

und Finanzierung von Casemanagement<br />

für Menschen mit<br />

einer Muskelerkrankung ist als<br />

Zukunftsaufgabe genauso wichtig<br />

wie der Einsatz neuer innovativer<br />

Medikamente“, erklärt Bernert.<br />

Wissen hilft<br />

Eine weitere hilfreiche Unterstützung<br />

für Menschen mit einer<br />

Muskelerkrankung und deren<br />

Familien besteht darin, Zugang zu<br />

den neuersten Informationen über<br />

ihre Erkrankung und die Therapiemöglichkeiten<br />

zu haben. „Eine<br />

wichtige Aufgabe sieht die<br />

Muskelforschung in der Vermittlung<br />

von Wissen über neuromuskuläre<br />

Erkrankungen und über den<br />

aktuellen Stand der Forschung“,<br />

kommentiert Bernert. „UpDate<br />

Muskelforschung“, die jährliche<br />

Tagung der Österreichischen<br />

Muskelforschung, die heuer am<br />

13./14. Mai stattfindet, bietet dazu<br />

Gelegenheit (siehe Infokasten). Die<br />

Teilnahme ist für Betroffene und<br />

Angehörige kostenlos. Mit<br />

MUSCULUS, der neuen Videoenzyklopädie<br />

der Österreichischen<br />

Muskelforschung, steht allen<br />

Interessierten eine weitere und<br />

stetig wachsende Möglichkeit zur<br />

Verfügung, sich über viele Themen<br />

rund um neuromuskuläre Erkrankungen<br />

zu informieren (siehe<br />

Infokasten), ganz nach dem Motto<br />

„Wissen hilft“.<br />

Tagung „UpDate<br />

Muskelforschung“:<br />

www.muskel<br />

forschung.at<br />

Videoenzyklopädie<br />

MUSCULUS:<br />

www.muskel<br />

forschung.at/<br />

musculus


MEDIAPLANET | 19<br />

INSIGHT<br />

<strong>Seltene</strong> Erkrankungen: Der<br />

Faktor Zeit entscheidet<br />

Durchschnittlich vergehen sechs bis acht Jahre bis Menschen mit einer seltenen Erkrankung<br />

die richtige Diagnose und damit Zugang zu einer angemessenen Therapie erhalten. Bis dahin<br />

suchen sie im Schnitt mehr als sieben Ärztinnen und Ärzte auf. Doch gerade bei seltenen<br />

Erkrankungen wie den Erbkrankheiten Duchenne-Muskeldystrophie oder Aromatische-L-<br />

Aminosäure-Decarboxylase-(AADC-)Mangel – einer Erkrankung des Zentralnervensystems –<br />

ist die frühzeitige Diagnose entscheidend für den Krankheitsverlauf.<br />

Duchenne-Muskeldystrophie ist<br />

die häufigste Muskelkrankheit im<br />

Kindesalter<br />

Duchenne-Muskeldystrophie<br />

(DMD) tritt bei etwa einem von<br />

3.600 bis 6.000 neugeborenen<br />

Buben auf. Erste Anzeichen können<br />

sich bereits im Kleinkindalter<br />

zeigen. Den betroffenen Kindern<br />

fehlt das funktionsfähige Muskeleiweiß<br />

„Dystrophin“, das vor allem<br />

für die Stabilität der Zellmembran<br />

zuständig ist. Ohne dieses Eiweiß<br />

kommt es bereits in der frühen<br />

Kindheit – vorerst unbemerkt – zu<br />

einem fortschreitenden Abbau<br />

der Bewegungsmuskulatur und<br />

später auch der Atem- und Herzmuskulatur.<br />

Ab etwa dem dritten<br />

Lebensjahr treten bei DMD erste<br />

spezifische muskuläre Symptome<br />

auf, wie häufiges Stolpern und<br />

Niederfallen, „watschelnder Gang“,<br />

auffälliges Bewegungsmuster beim<br />

Laufen sowie Schwierigkeiten beim<br />

Stiegensteigen und Aufstehen vom<br />

Boden. Zwischen dem achten und<br />

dem 15. Lebensjahr verlieren die<br />

Buben ihre Gehfähigkeit. Zusätzlich<br />

zu den Symptomen kann<br />

die Bestimmung eines einfachen<br />

Laborwertes, der Kreatinkinase<br />

(CK), Aufschluss geben, ob es<br />

sich um DMD handelt. Ist der<br />

CK-MM-Wert in den Muskelzellen<br />

des Bewegungsapparats deutlich<br />

erhöht, empfiehlt sich die weitere<br />

Abklärung durch Neuropädiater:innen.<br />

Seit Ende 2014 steht erstmalig<br />

auch in Österreich eine kausale<br />

Therapie für Träger:innen einer<br />

Nonsense-Mutation (10–15 % aller<br />

DMD-Patient:innen) zur Verfügung;<br />

inzwischen bereits ab dem zweiten<br />

Lebensjahr, was eine frühzeitige<br />

Diagnose noch wichtiger macht.<br />

Symptome bei AADC-Mangel<br />

können auf die falsche Fährte<br />

locken<br />

Aromatische L-Aminosäure-<br />

Decarboxylase-Mangel ist eine sehr<br />

seltene genetische Erkrankung, die<br />

sich auf das Gehirn auswirkt, sodass<br />

wichtige Signale im Nervensystem<br />

nicht mehr transportiert werden.<br />

Folgende Symptome bei Kindern<br />

können ein Hinweis auf AADC-<br />

Mangel sein: schlaffe Muskeln, isst<br />

oder trinkt nicht richtig, schreit<br />

ständig, verdreht immer wieder die<br />

Augen, schwitzt sehr stark, krampft,<br />

hat eine dauerhaft verstopfte Nase.<br />

Da diese Symptome nicht immer<br />

gemeinsam auftreten und auch ein<br />

Hinweis auf Epilepsie oder<br />

Cerebralparese sein können, führen<br />

sie oft auf die falsche Spur. Bei<br />

Auftreten dieser Symptome sollte<br />

eine einfache Blutabnahme<br />

(3-OMD-Test) als Untersuchung<br />

angeordnet werden. Auch wenn<br />

AADC-Mangel aktuell nicht geheilt<br />

werden kann, ermöglicht eine<br />

frühzeitige Diagnose dennoch, die<br />

Behandlung und Versorgung der<br />

kleinen Patient:innen zu verbessern.<br />

Hilfreiche Links:<br />

www.hinterher<br />

stattvolldabei.at<br />

www.duchenne.at<br />

www.aadc-mangel.at<br />

www.aadc-testen.de<br />

PTC1804KK098<br />

Hinter einer Entwicklungsverzögerung bei Jungen kann mehr stecken.<br />

Könnte es Duchenne Muskeldystrophie sein?<br />

Mehr erfahren: www.hinterherstattvolldabei.at


20 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

INSIGHT<br />

FOTO: PAUL BLENKHORN ON UNSPLASH<br />

Transition –<br />

gute Vorbereitung hilft<br />

Kinderkliniken und Pädiater:innen sind für die medizinische Versorgung von Kindern<br />

ab deren Geburt bis zu ihrem 18. Lebensjahr zuständig. Danach ist vorgesehen, dass die<br />

Patient:innen von der Erwachsenenmedizin weiterbetreut werden. Dies gilt auch für<br />

junge Menschen mit einer seltenen Erkrankung, um ihnen langfristig eine möglichst hohe<br />

Lebensqualität und bestmögliche Gesundheit zu bieten. Dieser Übergang wird als Transition<br />

bezeichnet und geschieht idealerweise nicht von heute auf morgen, sondern sollte ein<br />

stufenweiser Prozess sein, der die Jugendlichen (und ihre Familien) begleitet.<br />

FOTO: KINDERLIGA/JANA MADZIGON<br />

Mag. a Dr. in Caroline<br />

Culen<br />

Klinische und Gesundheitspsychologin<br />

Geschäftsführerin<br />

Österreichische<br />

Liga für Kinder- und<br />

Jugendgesundheit<br />

Transitionsbereitschaft<br />

Um bereit für die Transition<br />

zu sein braucht es die Fähigkeit,<br />

für sich selbst zu sprechen<br />

(„Selbstfürsprache“), eine<br />

gewisse Selbständigkeit („Autonomie“),<br />

Krankheitswissen<br />

und Gesundheitskompetenz<br />

sowie Therapietreue („Therapieadhärenz“).<br />

Transitionsbereitschaft<br />

wird zunehmend mittels<br />

Screening-Fragebögen, z. B. dem<br />

TRAQ-GV-15, abgefragt. So kann<br />

das betreuende Team mit den<br />

jungen Patient:innen überlegen,<br />

was schon gut läuft und wo noch<br />

Unterstützung wichtig ist.<br />

Rolle der Familie<br />

Für jugendliche Patient:innen<br />

ist die Familie sehr wichtig. Die<br />

Erfahrung zeigt, dass Eltern sehr<br />

viele Krankheitsmanagementaufgaben<br />

übernehmen: Besorgung<br />

von Medikamenten, Erinnerung<br />

an die Medikamenteneinnahme,<br />

Vereinbarung von Terminen oder<br />

auch Auseinandersetzung mit<br />

neuen Therapieformen.<br />

Im Zuge der Transition entsteht<br />

innerhalb der Familie die Aufgabe,<br />

jugendliche Patient:innen schrittweise<br />

selbständiger und sicherer<br />

im Umgang mit der Diagnose und<br />

den damit verbundenen Aufgaben<br />

werden zu lassen.<br />

Folgendes gilt es dabei zu klären:<br />

• Kann ich meine Diagnose/<br />

Symp tome benennen und<br />

erklären?<br />

• Kenne ich die Medikamentennamen<br />

plus Wirkung (Nebenwirkungen)<br />

und die für mich<br />

richtige Dosierung?<br />

• Was ist im Zusammenhang mit<br />

meiner speziellen Behandlung<br />

und allgemeinen Gesundheit<br />

wichtig?<br />

• Wo werde ich zukünftig medizinisch<br />

gut betreut werden?<br />

• Wie führe ich Gespräche mit<br />

dem medizinischen Betreuungsteam<br />

alleine?<br />

DREI KONKRETE TIPPS FÜR JUGENDLICHE PATIENT:INNEN IM<br />

TRANSITIONSPROZESS<br />

Tipp 1: Lege eine Mappe mit allen wichtigen Befunden an.<br />

Bei der letzten Visite an der Kinderklinik sollte besprochen werden, welche<br />

Befunde aus der Mappe unbedingt zu den Terminen bei den neuen Ärzt:innen<br />

mitgenommen werden müssen!<br />

Tipp 2: Meine Gesundheit in drei Sätzen<br />

1. Satz: Nenne deinen Namen, dein Alter und deine Diagnose.<br />

2. Satz: Beschreibe deinen derzeitigen Therapieplan.<br />

3. Satz: Schildere dein derzeitiges Anliegen.<br />

Tipp 3: Sammle Fragen oder Sorgen schriftlich.<br />

In der Gesprächssituation passiert es leicht, dass Anliegen vergessen werden.<br />

Das macht dann unzufrieden. Mit einer schriftlichen Liste auf einem Zettelchen,<br />

im Kalender oder in den Notizen auf dem Handy passiert das nicht.<br />

Damit nicht nur jugendliche Patient:innen für den<br />

Transitionsprozess gut vorbereitet sind sondern auch<br />

ihre betreuenden Teams und Patient:innen-Organisationen,<br />

bietet die Österreichische Liga für Kinder- und<br />

Jugendgesundheit am 20. und 21. Mai 2022 erstmals<br />

das „Basismodul Transitionsmanagement“ an:<br />

www.kinderjugendgesundheit.at/<br />

themenschwerpunkte/transition/<br />

basismodul-transitionsmanagement/<br />

Anmeldungen werden unter<br />

office@kinderjugendgesundheit.at<br />

entgegengenommen.


MEDIAPLANET | 21<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

Ein Haus<br />

für die<br />

Transition<br />

FOTO: DMITRY9131 VIA SHUTTERSTOCK<br />

Junge Erwachsene mit Spinaler Muskelatrophie (SMA) im Transitionsprozess in den<br />

Mittelpunkt zu stellen – das wünscht sich die Neuropädiaterin OÄ Dr. Astrid Eisenkölbl.<br />

OÄ Dr. in Astrid<br />

Eisenkölbl<br />

Kepler Universitätsklinikum<br />

Universitätsklinik für<br />

Kinder- und Jugendheilkunde<br />

FOTO: ZVG<br />

Was bedeutet Transition im<br />

medizinischen Kontext und worin<br />

sehen Sie die Herausforderungen<br />

für Jugendliche oder junge Erwachsene?<br />

Unter Transition versteht man<br />

den Prozess der Übergabe von<br />

Patient:innen von der Kinder- in<br />

die Erwachsenenmedizin. Dank<br />

der heute verfügbaren Therapien<br />

ist ein Erwachsenwerden für Kinder<br />

und Jugendliche mit seltenen<br />

Erkrankungen und insbesondere<br />

für SMA-Patient:innen überhaupt<br />

erst möglich. Das ist ein großer<br />

medizinischer Fortschritt! Gleichzeitig<br />

besteht für Patient:innen die<br />

Herausforderung eine geeignete<br />

Ansprechperson im Erwachsenenbereich<br />

zu finden, damit sie sich<br />

gut betreut fühlen.<br />

Was braucht es aus Ihrer Sicht<br />

als betreuende Ärztin für eine<br />

optimale Transition und wer<br />

sollte daran beteiligt sein?<br />

Im Idealfall steht der/die Patient:in<br />

im Mittelpunkt. Gerade SMA-Patient:innen<br />

sind auf die Hilfe ihrer<br />

Familie angewiesen. Daher spielen<br />

auch die Eltern eine große Rolle.<br />

Von medizinischer Seite sind einerseits<br />

die Neuropädiatrie beteiligt<br />

und im Erwachsenenbereich ein<br />

entsprechendes Pendant. Wobei<br />

hier bereits eine erste Schwierigkeit<br />

besteht: In der Pädiatrie<br />

vereinen wir all jene Bereiche, die<br />

in der Erwachsenenmedizin auf<br />

mehrere Fachgebiete wie Kardiologie,<br />

Pulmologie oder Orthopädie<br />

aufgeteilt sind. Das bedeutet, dass<br />

wir im Transitionsprozess eine:n<br />

Erwachsenenmediziner:in brauchen,<br />

der/die sich zuständig fühlt.<br />

Es ist wichtig, dass der Transitionsprozess<br />

auf geordnete Art und<br />

Weise stattfindet. Leider hängt das<br />

momentan wirklich vom Engagement<br />

einzelner Personen ab.<br />

Wie kann die Transition in<br />

Zukunft gut oder eben besser<br />

gelingen?<br />

Dazu sind politisches Commitment<br />

sowie eine Veränderung der<br />

Wahrnehmung hinsichtlich des<br />

Themas Transition nötig. Bereits<br />

im Studium sollte in den einzelnen<br />

Unterrichtsfächern verstärkt<br />

über Transition gelehrt werden.<br />

Dasselbe gilt für die Ausbildung<br />

zur Fachärztin/zum Facharzt. Es<br />

braucht sicherlich auch eine Art<br />

der Finanzierung, denn die Transition<br />

ist nicht mit einem Gespräch<br />

abgetan, sondern sollte ein Prozess<br />

sein, der mehrere Jahre dauert.<br />

Im besten Fall kann dieser etwa<br />

ab dem 16. Lebensjahr beginnen<br />

und ermöglicht über mehrere<br />

Termine hinweg ein Kennenlernen<br />

der Erwachsenenmedizin. Dafür<br />

bedarf es jedoch einer gewissen<br />

Finanzierung, damit sich auch von<br />

Betreuungsseite ausreichend Zeit<br />

genommen werden kann.<br />

Gibt es Beispiele besonders erfolgreicher<br />

Transitionsprozesse?<br />

Im Bereich der Betreuung von<br />

jungen Erwachsenen mit Epilepsie<br />

funktioniert der Transitionsprozess<br />

bereits sehr gut, auch weil man hier<br />

kein so großes Team wie bei der<br />

SMA benötigt. Für Patient:innen<br />

mit Muskelerkrankungen ist das<br />

schwieriger. Mein Traum wäre ein<br />

kleines „Transitionshaus“. An<br />

diesem Ort kämen alle beteiligten<br />

Disziplinen und Ansprechpersonen<br />

der Kinder- und Erwachsenenmedizin<br />

zusammen zur Patientin/zum<br />

Patienten – und nicht umgekehrt,<br />

wie es derzeit der Fall ist.<br />

LINZER EXPERTISE<br />

An der Universitätsklinik für<br />

Kinder- und Jugendheilkunde<br />

am Kepler Universitätsklinikum<br />

wird hochspezialisierte Medizin<br />

mit internationaler Vernetzung<br />

betrieben.<br />

Einzeln selten, in Summe häufig.<br />

Gemeinsam arbeiten wir daran,<br />

eine bessere Welt für Menschen mit<br />

seltenen Erkrankungen zu schaffen.


22 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

INSIGHT<br />

Elisabeth<br />

Jodlbauer-Riegler<br />

Obfrau der Cystische<br />

Fibrose Hilfe OÖ<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Pubertät und Therapiepläne –<br />

wie passt das zusammen?<br />

Das Erwachsenwerden ist schon ohne einer chronischen<br />

Erkrankung kompliziert. Für Patient:innen mit Cystischer<br />

Fibrose kommen dann auch noch Therapiepläne,<br />

Behandlungsumstellungen und Krankenhausbesuche hinzu.<br />

Wie man diesen Prozess am besten unterstützen kann, erklärt<br />

Elisabeth Jodlbauer-Riegler, Obfrau der Cystischen Fibrose<br />

Hilfe Oberösterreich.<br />

Wie kann Transition bei Cystischer<br />

Fibrose gelingen?<br />

Transition im Sinne von Loslassen<br />

und Neubeginn beginnt im Kopf.<br />

Die Betroffenen selbst und auch<br />

deren Angehörige müssen von<br />

Anfang an in die Aufklärung über<br />

die Erkrankung und das Leben mit<br />

ihr eingebunden sein. Transition<br />

gemäß der Versorgungsstruktur,<br />

also die Übergabe von der Betreuung<br />

der Abteilung für Kinder- und<br />

Jugendheilkunde an die Abteilung<br />

für Lungenerkrankungen und/oder<br />

Innere Medizin<br />

ist als Prozess zu<br />

sehen. Es müssen<br />

Wenn mich Mama und alle miteinbezogen<br />

werden: der/die<br />

Papa ans Inhalieren<br />

Betroffene selbst,<br />

erinnert haben, habe ich die Eltern oder<br />

es noch weniger gerne Betreuer:innen,<br />

oder sogar absichtlich die Kinderabteilung<br />

und die<br />

nicht gemacht."<br />

Erwachsenenmediziner:innen.<br />

Je<br />

Zitat Anja S.<br />

mehr Personen des alten und neuen<br />

Teams bei den Übergabevisiten<br />

dabei sein können, umso besser.<br />

Um diese Zeit, die oft mit Unsicherheit<br />

und Ängsten wahrgenommen<br />

wird, mit so wenig Betreuungsverlusten<br />

wie möglich schaffen zu<br />

Ich denke, dass der Start der Transition<br />

mit 16 oder 18 Jahren schon viel zu<br />

spät ist. Der Prozess muss bereits im<br />

Kindesalter beginnen. Für meine Tochter<br />

war es schon immer sehr wichtig, dass<br />

ihr persönlich eine Ärztin oder ein Arzt<br />

erklärt, welches Medikament sie nehmen<br />

muss und wofür das wichtig ist –<br />

nur dann wurde dies auch problemlos<br />

umgesetzt."<br />

Zitat Michaela W.<br />

können, sollte man früh beginnen.<br />

Ein erster Schritt ist es, regelmäßige<br />

Kontrollen mit den jugendlichen<br />

Patient:innen schon in der Kinderambulanz<br />

alleine, ohne Eltern,<br />

durchzuführen. So lernen die<br />

Jugendlichen, was sie über sich und<br />

ihre Krankheit wissen müssen. Sie<br />

lernen damit, auch im Alltag mehr<br />

Verantwortung zu übernehmen.<br />

Doch oft sind es eher die Ängste<br />

der Eltern, die das Selbständigwerden<br />

erschweren. Psychologische<br />

Begleitung ist in dieser Zeit deshalb<br />

hilfreich. Aber auch das Gespräch<br />

mit anderen Eltern oder jungen<br />

CF-Erwachsenen kann helfen, diese<br />

herausfordernden Jahre gut zu<br />

bewältigen.<br />

Seitens der Erwachsenenmedizin<br />

muss bei jenen Jugendlichen,<br />

deren Krankheit noch vorwiegend<br />

von den Eltern gemanagt wird, ein<br />

anderer Zugang gefunden werden.<br />

Es lohnt sich, Zeit zu investieren,<br />

um den Prozess des Loslassens zu<br />

begleiten – Zeit, die in späteren<br />

Visiten gespart wird und die die<br />

jungen Erwachsenen in die Selbständigkeit<br />

führt.<br />

Egal ob mit chronischer Erkrankung<br />

oder ohne sie – ein eigenständiges<br />

und selbstbestimmtes<br />

Leben sollte immer das wichtigste<br />

Ziel sein.“<br />

Wie können Eltern ihre Kinder<br />

bestmöglich im Alltag mit CF<br />

unterstützen?<br />

Eltern werden mit der Diagnosestellung<br />

in die Rolle von<br />

Therapeut:innen gedrängt. Das ist<br />

etwas, das grundsätzlich nicht der<br />

Idealfall aber dennoch Alltag aller<br />

Familien mit chronisch kranken<br />

Kindern ist. Gewichtsabnahme<br />

oder -zunahme und Abfall oder<br />

Verbesserung der Lungenfunktion<br />

sind Erfolg oder Versagen der<br />

FOTO: JENÉ STEPHANIUK ON UNSPLASH<br />

Eltern. Eltern werden von Beginn<br />

an oft an diesen Faktoren gemessen<br />

und danach bewertet. Das tut<br />

der Eltern-Kind-Beziehung nicht<br />

immer gut.<br />

Kinder, aber auch alle Erwachsenen,<br />

brauchen feste Rituale oder<br />

Gewohnheiten, die den Alltagsablauf<br />

erleichtern. Wenn beispielsweise<br />

klar ist, dass am Abend<br />

inhaliert und therapiert wird – es<br />

eine Routine gibt, die nur in Ausnahmefällen<br />

verschoben wird –,<br />

Gerade im Kindesalter spielen Eltern hier<br />

eine enorm wichtige Rolle. Sie ‚leiten‘ einen<br />

den Weg, fungieren als Vorbild und geben<br />

jede Menge Unterstützung! Auch wenn<br />

es oft ein Machtkampf zwischen mir und<br />

meinen Eltern war. Wäre meine Mama nicht<br />

so streng gewesen und hätte die Therapien<br />

als Kind nicht eingefordert, würde ich das<br />

heute bestimmt nicht so genau machen –<br />

immerhin wurde es dank ihr zur Routine,<br />

täglich die Medikamente zur richtigen<br />

Zeit einzunehmen, sich öfters als sonst die<br />

Hände zu waschen oder auf bestimmte<br />

andere Dinge zu achten. Danke, Mama!“<br />

Zitat Stefanie K.


MEDIAPLANET | 23<br />

dann wächst man als Betroffene:r<br />

und als Familie hinein in einen CF-<br />

Alltag. Es wird zur Normalität und<br />

belastet nicht jeden Tag aufs Neue<br />

die Motivationsfähigkeit. Es gehört<br />

dazu – Ausbruchsversuche in der<br />

Pubertät übrigens auch. Dies ist<br />

eine schwierige Zeit, in der Eltern<br />

oft nur das Zusehen bleibt. Sind<br />

Rituale und Gewohnheiten in der<br />

Kindheit aber als hilfreich erlebt<br />

worden, kommen die Betroffenen<br />

als junge Erwachsene oft wieder<br />

darauf zurück. Eine besondere<br />

Freude sind dann die positiven<br />

Rückmeldungen auf das „strenge<br />

Therapieregime“ der Eltern – eine<br />

Wertschätzung, die Eltern nach<br />

dieser Zeit des Kampfes um jede<br />

Therapieeinheit wirklich gut tut.<br />

Wie können Eltern die Therapietreue<br />

ihrer Kinder am besten<br />

fördern?<br />

Wie bereits oben beschrieben ist<br />

das Erlernen guter Gewohnheiten,<br />

das Ritualisieren von Therapie ein<br />

Bei einer Krankheit wie CF startet die<br />

Therapie bereits kurz nach der Geburt, somit<br />

sind die Kinder schon früh mit ihr vertraut<br />

und an sie gewöhnt. Die tägliche Therapie<br />

gehört bei uns dazu wie das Zähneputzen.“<br />

Zitat Claudia S.<br />

besonders wichtiges Moment in<br />

der Therapieannahme und auch<br />

Therapietreue. Als Eltern muss<br />

man aber auch spüren, wenn das<br />

eigene Kind eine Pause braucht. Ein<br />

besonderer Anlass, eine besondere<br />

familiäre Situation oder ein<br />

Durchhänger sollten berücksichtigt<br />

werden. Gemeinsam wird aber auch<br />

besprochen, warum an solchen<br />

Tagen „Pause“ ist. Und am nächsten<br />

Tag, zum nächstmöglichen<br />

Zeitpunkt, wird die Routine wieder<br />

aufgenommen. Die Therapie ist<br />

der Alltag, den man tagtäglich lebt.<br />

Alles andere ist eine Auszeit davon.<br />

Wie überall ist auch hier die<br />

Vorbildfunktion der Eltern bzw.<br />

Erziehenden das Wichtigste. Nur<br />

wenn ich selbst diszipliniert bin<br />

und therapietreu die vorgegebenen<br />

Aufgaben erledige, wird mein<br />

Kind akzeptieren und lernen, dass<br />

es dazu gehört. Das ist nicht<br />

immer einfach. Auch Eltern haben<br />

Durchhänger – und da braucht es<br />

viel Selbstmotivation und<br />

Disziplin, um hier nicht „umzufallen“,<br />

denn Regeln müssen auch<br />

von Eltern eingehalten werden.<br />

Um sowohl die eigene Überforderung,<br />

als auch die des Kindes zu<br />

vermeiden ist es daher wichtig,<br />

mit dem Behandlungsteam ehrlich<br />

zu besprechen, was im Alltag zu<br />

schaffen ist. Man muss offen über<br />

die eigenen Möglichkeiten und<br />

auch die vorhandenen Grenzen<br />

Da gibt es nur eines zu sagen: immer<br />

und immer regelmäßig. Auch, wenn es<br />

einem gerade gut geht, CF macht keine<br />

Pause. Also muss die Therapie jeden<br />

Tag durchgezogen werden, wie auch<br />

das Zähneputzen Teil des Alltags ist.<br />

Das hinterfragt ja auch keiner.<br />

Und ebenso wichtig ist es, sich Zeit<br />

dafür zu nehmen; es zu einer Zeit zu<br />

machen, die ‚unsere Zeit‘ ist: also zum<br />

Beispiel Inhalieren mit Buchvorlesen<br />

verbinden. Das kann dann auch zur<br />

harmonischen, entspannenden Zeit<br />

werden, die ich mir bewusst für mein<br />

Kind nehme. Es wird nicht immer<br />

funktionieren, aber hilft doch oft.“<br />

Zitat Barbara H.<br />

reden. Der beste Therapieplan<br />

nützt nichts, wenn man nach zwei<br />

Tagen erschöpft aufgeben und<br />

dann mit schlechtem Gewissen<br />

zur nächsten Kontrolle gehen<br />

muss. Ehrlichkeit sich selbst und<br />

dem Behandlungsteam gegenüber<br />

ist der beste Weg. Gemeinsam<br />

können Therapiepläne und -ziele<br />

definiert werden; und auch bei<br />

wenig Zeitressourcen gibt es einen<br />

Weg. Ganz ohne Aufwand und<br />

Selbstmotivation funktioniert es<br />

aber nicht. Zeitfenster für<br />

therapeutische Maßnahmen<br />

müssen gefunden und dann auch<br />

täglich eingehalten werden.<br />

Die digitale Plattform<br />

mit Informationen und<br />

Services rund um CF.<br />

www.CFSource.at<br />

AT-32-2200005<br />

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24 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

INSIGHT<br />

FOTO: ZAY NYI NYI VIA SHUTTERSTOCK<br />

Bradykinin als Verursacher<br />

rezidivierender Schwellungen<br />

Das Hereditäre Angioödem (HAE) ist eine seltene Erkrankung. Sie ist so selten,<br />

dass nur 150 Menschen in ganz Österreich an dieser potenziell tödlichen<br />

Schwellung leiden.<br />

Text <br />

Dr. Clemens<br />

Schöffl<br />

Beim HAE kommt es zu<br />

unregelmäßig wiederkehrenden<br />

Schwellungen<br />

(Angioödemen) an der<br />

Haut (vor allem an Armen und<br />

Beinen, Händen und Füßen), aber<br />

auch an den Schleimhäuten im<br />

Magen-Darm-Trakt. Letztere sind<br />

überaus schmerzhaft, können mit<br />

kolikartigen Schmerzen, Erbrechen<br />

oder Diarrhoe einhergehen und<br />

schränken die Lebensqualität von<br />

Betroffenen sehr ein. Die Schwellungsattacken<br />

dauern drei bis fünf<br />

Tage an – das heißt, diese Form<br />

von Ödem drückt sich als keine<br />

dauerhafte Schwellung an einer<br />

Stelle aus. Doch auch wenn das<br />

HAE grundsätzlich immer wieder<br />

vollkommen abklingt, kann es bei<br />

Schwellungen im Halsbereich,<br />

genauer gesagt der Atem-Schluckstraße,<br />

zur Verlegung der Atemwege<br />

kommen, was im schlimmsten<br />

Fall zum Tod führt.<br />

Wer ist vom Hereditären Angioödem<br />

betroffen und wie entsteht<br />

es?<br />

Männer und Frauen sind vom<br />

HAE gleichermaßen betroffen. Die<br />

ersten Schwellungen treten bei<br />

HAE-Patient:innen meist schon<br />

vor dem Erwachsenenalter auf. Oft<br />

sind auch weitere Familienmitglieder<br />

betroffen, daher der Name<br />

(hereditär – in der Familie vererbt).<br />

Der Grund für die Schwellungen,<br />

die bei manchen Patient:innen<br />

wöchentlich, bei anderen auch<br />

viel seltener auftreten können, ist<br />

ein genetisch bedingter Mangel an<br />

dem Protein C1-Inhibitor. Es fungiert<br />

im Blut im Kallikrein-Kinin-<br />

System bei gesunden Menschen<br />

als Hemmer bzw. Bremse. Bei<br />

HAE-Patient:innen ist das Protein<br />

jedoch in geringerem Ausmaß<br />

vorhanden bzw. weniger funktionstüchtig.<br />

Folglich wird durch Kallikrein<br />

vermehrt Bradykinin (ein<br />

Gewebshormon) gebildet, das die<br />

Blutgefäße weit und durchlässig<br />

macht und so für die Schwellungen<br />

verantwortlich ist.<br />

Richtige Diagnose essenziell für<br />

„normales“ Leben<br />

HAE wird dabei oft mit Erkrankungen<br />

aus dem histaminvermittelten<br />

Formenkreis (z. B. mit Allergien,<br />

Urticaria, Unverträglichkeitsreaktionen)<br />

verwechselt. Wesentliche<br />

Unterscheidungsmerkmale sind<br />

jedoch, dass HAE-Schwellungen<br />

nicht jucken, nicht mit Nesselsucht<br />

einhergehen, und eine<br />

Behandlung mit Antihistaminika,<br />

Glukokortikosteroiden oder Adrenalin<br />

keinen Erfolg herbeiführt.<br />

Dennoch wird angenommen, dass<br />

in Österreich nur ca. die Hälfte der<br />

Patient:innen richtig diagnostiziert<br />

ist. Die durchschnittliche Dauer bis<br />

zur richtigen Diagnose beträgt 15<br />

Jahre – eine viel zu lange Leidenszeit,<br />

denn mit den heute zur<br />

Verfügung stehen Medikamenten<br />

steht einem normalen Leben nichts<br />

im Weg.<br />

Mittlerweile gibt es nämlich<br />

mehrere Therapieansätze: Es<br />

können einerseits akute Schwellungsattacken<br />

behandelt werden.<br />

Andererseits kann auch eine<br />

Prophylaxebehandlung durchgeführt<br />

werden – wenn Patient:innen<br />

häufige und/oder schwere Attacken<br />

haben oder sie sich durch die<br />

Unvorhersehbarkeit des Auftretens<br />

von Schwellungen sehr eingeschränkt<br />

fühlen. Gängige Medikamente<br />

zur Behandlung von HAE<br />

werden entweder intravenös oder<br />

subkutan verabreicht. Außerdem<br />

sind neue, orale Therapiemöglichkeiten<br />

zusätzlich bald verfügbar.<br />

Bevor solch spezielle Therapieoptionen<br />

verfügbar waren, sind ca. 30<br />

Prozent aller HAE-Patient:innen<br />

vorzeitig – an einer Schwellung im<br />

Halsbereich – verstorben.<br />

FOTO: WERNER STIEBER<br />

Dr. Clemens Schöffl<br />

Abteilung für<br />

Dermatologie und<br />

Venerologie<br />

Medizinische<br />

Universität Graz


MEDIAPLANET | | 25 31<br />

INSIGHT<br />

INTERVIEW<br />

Birgit Drew<br />

Senior Homecare<br />

Specialist<br />

Healthcare Austria<br />

Text<br />

Magdalena<br />

Reiter-Reitbauer<br />

FOTO: ZVG<br />

Unerklärliche Schwellungen –<br />

ein Hinweis auf HAE?<br />

Bei welchen Symptomen sollte Diagnose durch Spezialist:innen eine auf HAE spezialisierte<br />

man<br />

Wöchentliche<br />

HAE abklären lassen und bei eingefordert und gestellt wird.<br />

Attacken<br />

diplomierte Gesundheits- und<br />

wem (Hausärzt:innen)?<br />

Patient:innen können sich<br />

Krankenpflegeperson.<br />

HAE – Hereditäres Angioödem – ist diesbezüglich mittels Selbsthilfegruppen<br />

oder Recherche im Internet eine<br />

Nach einer Schulung, die auf<br />

eine<br />

bis<br />

Erkrankung,<br />

zur<br />

die oft über einen<br />

richtigen Diagnose<br />

sichere Selbstmedikation –<br />

langen Zeitraum, im schlechtesten informieren.<br />

sowohl auf die Verabreichung von<br />

Fall über mehrere Jahre, unentdeckt<br />

subkutanen als auch intravenösen<br />

bleibt.<br />

Wie erleben Patient:innen die Präparaten – ausgerichtet ist, können<br />

Betroffene einem normalen,<br />

Grundsätzlich ist das Krankheitsbild<br />

HAE durch Schwellungen Krankheit?<br />

autonomen Alltag nachgehen.<br />

Diagnose und die Erklärung der<br />

(Ödeme),<br />

Es vergingen<br />

die örtlich<br />

knapp<br />

begrenzt<br />

20 Jahre,<br />

Auch<br />

bis<br />

wenn<br />

Adelheid<br />

Patient:innen<br />

Huemer<br />

mit einer<br />

die richtige<br />

Einen<br />

Diagnose<br />

weiteren Mehrwert<br />

ihrer Erkrankung<br />

der<br />

HAE<br />

sind, erhielt, erkennbar. erzählt Die sie häufigsten im Interview. Erkrankung, Heute ist die sie nicht Vorsitzende heilbar ist, der Heimtherapie Selbsthilfegruppe stellt eine auf HAE in Österreich.<br />

Schwellungen treten in den folgenden<br />

Bereichen auf: Gesicht, mehrere Therapieoptionen zur heits- und Krankenpflegeperson<br />

diagnostiziert werden, stehen ihnen spezialisierte diplomierte Gesund-<br />

Wie lange hat es bei Ihnen<br />

richtigen Diagnose. Wir leiden eben<br />

Kehlkopf, Luftröhre, Extremitäten, Verfügung, die ihnen eine höhere dar. Sie steht für Ratschläge und<br />

gedauert, bis Sie die Diagnose an einer seltenen Erkrankung, die<br />

Magen-Darmtrakt und Genitalien. Lebensqualität ermöglichen. Sowohl Informationsaustausch rund FACTS um<br />

Hereditäres Angioödem, kurz Ärztinnen und Ärzte nicht immer<br />

Diese vorübergehend auftretenden bei akuter Schwellung als auch zur das Krankheitsbild HAE zur<br />

HAE, erhalten haben?<br />

gleich erkennen. Daher brauchen<br />

Schwellungen erzeugen keinen Juckreiz,<br />

bereiten Betroffenen aber starke dene Medikamente zur Verfügung, zusätzliche Sicherheit. • wiederholte Schwellungsat-<br />

Prophylaxetherapie stehen verschie-<br />

Verfügung und vermittelt Typische so Anzeichen für HAE sind:<br />

Bei mir ist das HAE zwar das<br />

wir Fachärztinnen und Fachärzte,<br />

erste Mal im vierten Lebensjahr die uns auf die Medikamente einstellen<br />

und gleichzeitig auch gut<br />

Schmerzen. Leider kann man ebenso die subkutan oder intravenös<br />

tacken der Haut, die mehr<br />

aufgetreten, diagnostiziert wurde<br />

wenig voraussagen, wann und wo die verabreicht werden können. Welche HAE-FACTBOX als 24 Stunden anhalten und<br />

es aber erst, als ich 22 Jahre alt erreichbar sind. Denn die Attacken<br />

nicht jucken (Juckreiz weist<br />

nächste Schwellung auftreten und medikamentöse Therapie am besten<br />

war. Ich hatte mein Leben lang kommen selten zu Ordinationszeiten!<br />

Als Vorsitzende versuche ich,<br />

• fehlende Wirkung von<br />

Typische Anzeichen für auf HAE eine sind: Allergie hin)<br />

wie lange diese anhalten wird.<br />

für einzelne Patient:innen geeignet<br />

wöchentliche Attacken, die immer<br />

Mit steigender Awareness für ist, bestimmt die/der behandelnde<br />

falsch diagnostiziert wurden. Als ebenso gut verfügbar zu sein, dafür Adelheid • wiederholte Schwellungsattacken Antihistaminika der oder Haut, Kortison die<br />

dieses Krankheitsbild sind Fachärztinnen<br />

und Fachärzte mit dermato-<br />

Obfrau (Juckreiz der Selbsthil-<br />

weist auf eine bedingten Allergie Schwellungen)<br />

hin)<br />

Ärztin/Arzt.<br />

Huemer, mehr MScals 24 Stunden anhalten<br />

Jugendliche hat man mir unter habe ich ein Notfallhandy. Der große<br />

(wirksam bei und allergisch nicht jucken<br />

anderem Hysterie attestiert und Vorteil der Selbsthilfegruppe liegt in fegruppe HAE<br />

logischem Hintergrund jedoch<br />

Wie sieht der Alltag mit HAE aus • fehlende Wirkung • von immer Antihistaminika wieder auftretende oder<br />

gedacht, dass ich an Entwicklungsepilepsie<br />

leide. Ich bin damals Da die Medikamente nicht billig<br />

der Weitergabe von Informationen.<br />

mittlerweile mit der Diagnose bestens<br />

vertraut. Da es sich um eine Erblich?<br />

Schwellungen) Bauchschmerzen, die mehr<br />

und ist eine Heimtherapie mög-<br />

Kortison (wirksam bei anfallsartige allergisch bedingten<br />

und krampfartige<br />

zu vielen Ärzt(inn)en und Heilpraktiker(inne)n<br />

gegangen und versuchen wir als Selbsthilfegruppe,<br />

sind und bewilligt werden müssen,<br />

erkrankung handelt, wird von den Der Alltag von HAE-Patient:innen<br />

wird durch die Angst vor der<br />

krampfartige Bauchschmerzen,<br />

• immer wieder auftretende als sechs anfallsartige Stunden dauern und und<br />

meisten behandelnden Ärzt:innen<br />

keine klare<br />

die<br />

Ursache<br />

mehr<br />

haben<br />

als sechs<br />

habe x verschiedene Wundermittel aktiv dafür zu kämpfen. Glücklicherweise<br />

wurde in den letzten Jahren<br />

Schwellungsattacken im Hals<br />

• eine oder mehrere<br />

eine Familienanamnese erhoben, um nächsten, potenziell tödlichen<br />

Stunden dauern und keine klare Ursache haben<br />

eingenommen – doch nichts hat<br />

auch anderen Familienmitgliedern Schwellung bestimmt. Bevor die • eine oder mehrere Schwellungsattacken im Hals<br />

geholfen. Erst als ich direkt von viel zum HAE geforscht, sodass es<br />

• erste Symptome im Kindeseine<br />

frühzeitige Diagnosestellung Patient:innen nicht fähig sind, sich • erste Symptome im Kindesder<br />

Skipiste mit einer Halsschwellung<br />

in einem kleinen Kranken-<br />

zehn oder 20 Jahren geht.<br />

• häufig Vorläufersymptome/ für<br />

uns heute viel besser als noch vor<br />

und Jugendalter und Jugendalter<br />

gewährleisten zu können.<br />

die medikamentöse Therapie im • häufig Vorläufersymptome/Vorboten<br />

Da die Schwellung sowohl an eine richtigen Augenblick selbst zu verabreichen,<br />

sind sie Tag und Nacht<br />

attacken<br />

Schwellungsattacken Vorboten für Schwellungshaus<br />

gelandet bin, hat ein junger<br />

Allergie (Hautschwellung) als auch –<br />

Turnusarzt den Verdacht auf HAE Inwiefern helfen HAE-Therapien,<br />

bei unklaren Bauchkrämpfen – an auf die Behandlung in einer Klinik Erkrankungen, die mit dem HAE<br />

geäußert und mich zu einem seiner um die Lebensqualität von<br />

Erkrankungen, die mit dem HAE<br />

eine Blinddarmentzündung erinnern angewiesen.<br />

verwechselt werden<br />

früheren Professoren nach Wien Betroffenen zu verbessern?<br />

verwechselt können: werden können:<br />

kann, denken weder Patient:in noch Auf Wunsch der Patient:innen • allergische Hautreaktionen<br />

• allergische Hautreaktionen<br />

geschickt. Ein absoluter Zufall! Im Laufe der Jahre ist unsere<br />

Den Podcast zu<br />

Ärztin oder Arzt an eine seltene und behandelnden Ärzt:innen<br />

• Nesselsucht • Nesselsucht<br />

Lebensqualität immer besser<br />

HAE finden Sie<br />

Erkrankung wie zum Beispiel HAE. wird die verordnete Therapie im<br />

• Reizdarmsyndrom<br />

Mit welchen Erfahrungen<br />

geworden! Wenn man jetzt<br />

auf • www.seltene<br />

Reizdarmsyndrom<br />

Dies hat zur Folge, dass die Erkrankung<br />

lange unentdeckt bleibt.<br />

Dazu erfolgt eine Schulung zur • Harnwegsinfektionen<br />

häuslichen Umfeld ermöglicht. krankheit.info<br />

• Lebensmittelunverträglichkeiten<br />

• Lebensmittelunverträglichkeiten<br />

kommen andere Betroffene medikamentös gut eingestellt ist<br />

• Harnwegsinfektionen<br />

zu Ihnen beziehungsweise zur – und dafür braucht es einerseits<br />

• Gallen- und Nierensteine<br />

Daher ist für alle Patient:innen eigenständigen Verabreichung der • Gallen- und Nierensteine<br />

Selbsthilfegruppe?<br />

gute Medikamente und andererseits<br />

• Blinddarmentzündung<br />

von größter Bedeutung, dass bei auftretenden<br />

Symptomen eine rasche und deren Angehörige durch<br />

Medikation durch Patient:innen • Blinddarmentzündung (Appendizitis)<br />

Auch andere Betroffene kennen leider<br />

den langen Leidensweg bis zur nahezu ohne Attacken leben.<br />

gute FachärztInnen – kann man<br />

(Appendizitis)<br />

www.hae-austria.at<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Könnte ich<br />

HAE haben?<br />

Machen Sie den HAE Symptom-Check.<br />

INFOS<br />

www.hae-info.at<br />

C-APROM/AT/HAE/0004; 02/21


26 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

EXPERTISE<br />

Die große<br />

Unbekannte. Das<br />

Cushing-Syndrom<br />

Das Cushing-Syndrom entsteht durch die vermehrte<br />

Produktion des Hormons Cortisol. Die Ursache hierfür sind<br />

Tumore im Bereich der Hirnanhangdrüse oder Nebennieren<br />

und selten bei anderen Organen.<br />

FOTO: JENÉ STEPHANIUK ON UNSPLASH<br />

Assoc.-Prof. Priv.-Doz.<br />

Dr. in Greisa Vila<br />

Ambulanz für<br />

Hormonelle<br />

Erkrankungen,<br />

KIM III, AKH Wien<br />

FOTO: MEDUNI WIEN/MATERN<br />

Das Cushing-Syndrom<br />

manifestiert<br />

sich klinisch durch<br />

Gewichtszunahme,<br />

Bluthochdruck, gestörten Glukosestoffwechsel<br />

bis hin zu Diabetes,<br />

Depressionen, kognitive Störungen,<br />

Osteoporose, Akne, rote<br />

Dehnungsstreifen, Zyklusstörungen<br />

bei Frauen und Impotenz bei<br />

Männern. Zu den akuten Komplikationen<br />

gehören Thrombosen,<br />

Infekte, hypertensive Krisen 1 und<br />

Herzrhythmusstörungen. Frauen<br />

sind dabei häufiger betroffen: 80<br />

Prozent der Patient:innen mit Cushing-Syndrom<br />

sind weiblich.<br />

Die Diagnose erfolgt oft erst einige<br />

Jahre nachdem sich die ersten<br />

klinischen Symptome zeigen. Dieser<br />

lange Weg zur Diagnose belastet<br />

die Patient:innen sowohl physisch<br />

als auch emotional. Ein Viertel der<br />

Patient:innen benötigt mindestens<br />

eine stationäre Aufnahme schon<br />

vor der Diagnosestellung. Die<br />

Schwierigkeit der Diagnose erklärt<br />

sich durch die Häufigkeit der durch<br />

das Cushing-Syndrom bedingten<br />

Begleiterkrankungen in der allgemeinen<br />

Population. Darüber hinaus<br />

weisen viele Patient:innen nur<br />

einige der erwähnten Symptome<br />

auf und nicht das volle Krankheitsbild.<br />

Während Gewichtszunahme<br />

zu den häufigsten Beschwerden<br />

gehört, bestimmen Alter und<br />

genetische Prädisposition den<br />

Zeitpunkt der Manifestation<br />

anderer Begleiterkrankungen, wie<br />

z. B. Bluthochdruck und Diabetes.<br />

Hilfreich für die Diagnosestellung<br />

ist die Konstellation der Symptome.<br />

So kommen zum Beispiel<br />

Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck<br />

bei vielen Menschen<br />

häufig gemeinsam vor, das Vorhandensein<br />

von Osteoporose oder<br />

Knochenbruch wäre dabei jedoch<br />

nicht typisch und könnte auf ein<br />

Cushing-Syndrom hinweisen.<br />

Die Diagnose erfolgt primär biochemisch:<br />

durch die Bestimmung<br />

von Cortisol im Blut, Harn und<br />

Speichel. Für die Diagnosestellung<br />

bzw. den Krankheitsausschluss sind<br />

auch endokrine, sprich hormonelle,<br />

Tests notwendig. Erst nach<br />

biochemischer Bestätigung der<br />

erhöhten Produktion von Cortisol<br />

werden Bildgebungsuntersuchungen<br />

geplant, um die Ursache der<br />

Hormonproduktion zu lokalisieren.<br />

Die Therapie ist hier die operative<br />

Entfernung des Tumors, die zur<br />

unmittelbaren Senkung der Cortisol-Spiegel<br />

führt. Nach erfolgreicher<br />

chirurgischer Sanierung benötigen<br />

Patient:innen oft über Monate oder<br />

Jahre eine zusätzliche Gabe des<br />

Hormons Cortisol in Form von Tabletten<br />

sowie eine Dosissteigerung<br />

oder intravenöse Verabreichung in<br />

Stresssituationen. Bei einem Drittel<br />

der Patient:innen mit einem Tumor<br />

der Hirnanhangdrüse ist eine<br />

operative Sanierung nicht möglich<br />

– diesen Patient:innen stehen<br />

andere Behandlungsoptionen (wie<br />

Medikamente oder Bestrahlung) zur<br />

Verfügung.<br />

Auch nach Entfernung der<br />

Ursache der übermäßigen Cortisol-<br />

Produktion bleiben bei manchen<br />

Patient:innen einige Begleiterkrankungen<br />

bestehen: Bluthochdruck<br />

bei 64 Prozent der Patient:innen;<br />

Diabetes bei 44 Prozent. Die Zahl<br />

der bleibenden Begleiterkrankungen<br />

hängt unter anderem von der<br />

Zeit ab, wie lange der/die Patient:in<br />

das Cushing-Syndrom davor hatte.<br />

Je länger der Weg zur Diagnose und<br />

zielgerichteten Therapie dauert,<br />

desto höher ist die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass die Begleiterkrankungen<br />

lebenslang anhalten. Dies unterstreicht<br />

nochmals die Wichtigkeit<br />

der rechtzeitigen Diagnose bei<br />

Patient:innen mit Cushing-Syndrom.<br />

1<br />

Hypertensive Krise: Als hypertensive Krise<br />

bezeichnet man einen plötzlichen, massiven<br />

Blutdruckanstieg, der sofortiger medizinischer<br />

Versorgung bedarf.<br />

A-0-22-02-1, CH-0-22-02-1 Stand Feb. 2022


MEDIAPLANET | 27<br />

Sorgenfrei leben mit der<br />

richtigen Prophylaxe<br />

Klemens lebt mit Hämophilie und engagiert sich bei der Österreichischen<br />

Hämophilie Gesellschaft. Im Interview erzählt er, wie ein selbständiges und<br />

sorgenfreies Leben trotz der seltenen Erkrankung möglich ist.<br />

Text <br />

Magdalena<br />

Reiter-Reitbauer<br />

Die wichtigste Frage zu Beginn:<br />

Was ist Hämophilie?<br />

Hämophilie zählt zu den angeborenen<br />

Blutgerinnungsstörungen.<br />

Bei gesunden Menschen sorgt die<br />

sogenannte Gerinnungskaskade<br />

bei Verletzungen dafür, dass die<br />

Blutung zum Stillstand kommt.<br />

Wenn man Hämophilie hat, ist ein<br />

Teil dieser Gerinnungskaskade<br />

nicht hundertprozentig intakt<br />

und es kommt zu einer verzögerten<br />

Gerinnung. Eine Person,<br />

die „Bluter:in“ ist – so werden<br />

die von Hämophilie Betroffenen<br />

umgangssprachlich bezeichnet –,<br />

blutet nicht stärker oder schneller,<br />

sondern ihre Blutung stoppt erst<br />

verzögert. Kleine, oberflächliche<br />

Verletzungen sind dabei nicht<br />

dramatisch. Problematisch hingegen<br />

sind großflächige und innere<br />

Verletzungen sowie Gelenks- oder<br />

Weichteilblutungen.<br />

Wie erfolgt die Diagnose bei<br />

Hämophilie in der Regel?<br />

Hämophilie ist eine vererbbare<br />

Erkrankung. Wenn das Erkrankungsbild<br />

also in der Familie<br />

bereits bekannt ist, können<br />

Familien bei Neugeborenen vor<br />

einer möglichen Diagnosestellung<br />

proaktiv sein. Ein Drittel der<br />

Erkrankungen weist aber Spontanmutationen<br />

auf. Im Idealfall erfolgt<br />

die Diagnose möglichst früh, wobei<br />

jedoch diese spontanen Genmutationen<br />

von Ärzt:innen oft nicht<br />

gleich erkannt werden, weil Hämophilie<br />

eine seltene Erkrankung ist.<br />

Daher ist hier das Wissen an der<br />

richtigen Stelle wesentlich, um<br />

Patient:innen zu Spezialist:innen<br />

schicken zu können.<br />

Das Thema Prophylaxe ist in<br />

der Behandlung von Hämophilie<br />

zentral. Was bedeutet das genau<br />

und wie funktioniert sie?<br />

Die Erkrankung ist sehr gut<br />

behandelbar und Patient:innen<br />

können ein selbständiges und<br />

sorgenfreies Leben mit praktisch<br />

keinen Einschränkungen führen.<br />

Aber es steht und fällt alles mit<br />

dem Zugang zur Therapie, also mit<br />

der Gabe des fehlenden Faktors.<br />

Diesen injiziert man sich in regelmäßigen<br />

Abständen, damit man<br />

immer gut geschützt ist.<br />

Wie oft spritzt man sich diesen<br />

Faktor?<br />

In den letzten Jahren hat sich viel<br />

in der Forschung getan, sodass<br />

man heute nicht mehr pauschal<br />

sagen kann, wie häufig die Faktorgaben<br />

notwendig sind. Das variiert<br />

natürlich auch nach Schweregrad<br />

der Erkrankung. Zumeist wird der<br />

Faktor aber ein- bis dreimal pro<br />

Woche verabreicht. Sobald die<br />

Patient:innen alt genug sind, können<br />

sie dies selbst durchführen.<br />

Wie organisiert bzw. strukturiert<br />

man die Faktorgaben am besten<br />

für sich selbst?<br />

Wie die Faktorgaben im Alltag am<br />

besten umgesetzt werden, ist von<br />

Patient:in zu Patient:in verschieden.<br />

Manche haben einen sehr<br />

konstanten Rhythmus und stehen<br />

etwa dreimal in der Woche früher<br />

auf, andere organisieren sie um<br />

ihre – beispielsweise sportlichen –<br />

Aktivitäten herum. Es gibt<br />

mittlerweile auch diverse Apps am<br />

Markt, mit denen man ein<br />

Behandlungstagebuch führen,<br />

Erinnerungen erhalten oder auch<br />

die Faktorgaben dokumentieren<br />

kann. Das hilft, damit man<br />

gemeinsam mit den behandelnden<br />

Ärzt:innen die richtige Dosis<br />

findet. Was früher handschriftlich<br />

in einem Patient:innentagebuch<br />

eingetragen wurde passiert heute<br />

unkompliziert und direkt mittels<br />

Smartphone.<br />

Österreichische<br />

Hämophilie<br />

Gesellschaft<br />

www.bluter.at<br />

FOTO: HENRIK DØNNESTAD VIA UNSPLASH<br />

Die App für ein<br />

planbares Leben<br />

mit Hämophilie*<br />

* Zur Verwendung der App ist eine Aktivierung<br />

durch dein Behandlungszentrum erforderlich<br />

096-HAE-A(D)-0222-V01<br />

Florio ist ein eingetragenes Warenzeichen der Swedish<br />

Orphan Biovitrum AB (publ). Alle Rechte vorbehalten.<br />

Die Florio GmbH ist der verantwortliche Hersteller<br />

von florio HAEMO. florio HAEMO wird von Sobi<br />

vertrieben.


28 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

EXPERTISE<br />

Wie wird ein<br />

Medikament<br />

entwickelt?<br />

1.<br />

In Österreich nehmen jährlich rund<br />

5.340 Patient:innen an laufenden,<br />

begonnenen oder beendeten<br />

klinischen Prüfungen teil.<br />

Präklinische<br />

Studien<br />

Zellmodelle und Tierversuche<br />

Bevor neue Wirkstoffe in klinischen<br />

Studien, und damit am Menschen,<br />

geprüft werden, liefern präklinische<br />

Studien erste Hinweise über<br />

Wirkung, Verträglichkeit und<br />

Dosierung. Dies passiert im<br />

Labor an Zellmodellen oder über<br />

Tierversuche. Nur wenn keine<br />

gefährlichen Nebenwirkungen<br />

auftreten, werden Wirkstoffe<br />

anschließend in klinischen Studien<br />

getestet.<br />

Phase I:<br />

Pharmakokinetik<br />

Allgemeine Verträglichkeit<br />

Unter strenger ärztlicher Überwachung wird in der<br />

Phase I an gesunden und freiwillig teilnehmenden<br />

Menschen ein neuer Wirkstoff hinsichtlich der<br />

allgemeinen Verträglichkeit geprüft. Dabei werden<br />

unter anderem Informationen zu Anwendung,<br />

Aufnahme und Ausscheidung gesammelt.<br />

3.<br />

Phase II:<br />

Dosisfindung<br />

Verträglichkeit bei Patient:innen<br />

In der Phase II steht die Dosisfindung<br />

und die Verträglichkeit bei Patient:innen<br />

im Fokus. Damit erhält die klinische<br />

Forschung Erkenntnisse über die<br />

Wirkung der neuen Substanz in kranken<br />

Organismen. Grundsätzlich wird der<br />

Wirkstoff mit einer Kontrollsubstanz,<br />

einem „Placebo“, verglichen, wobei<br />

weder Patient:innen noch Ärztinnen<br />

oder Ärzte wissen, wer den neuen<br />

Wirkstoff und wer das Placebo erhält.<br />

Durchschnittlich werden<br />

österreichweit 462<br />

klinische Prüfungen<br />

pro Jahr durchgeführt.<br />

2.<br />

4.<br />

5.<br />

Phase III: Nachweis<br />

der Wirksamkeit<br />

Breite Erprobung des Wirkstoffes<br />

Die Phase III steht für die große und breite<br />

Prüfung eines neuen Wirkstoffes. In dieser<br />

Phase, die häufig in mehreren Ländern zur<br />

gleichen Zeit durchgeführt wird, wird der neue<br />

Wirkstoff an hunderten, teilweise sogar tausenden<br />

Patient:innen getestet. Wird die Phase III<br />

erfolgreich abgeschlossen, kann die Zulassung<br />

des neuen Medikamentes bei den jeweiligen<br />

Arzneimittelbehörden eingereicht werden.<br />

Phase IV:<br />

Untersuchungen<br />

nach Zulassung<br />

Weitere klinische Überprüfungen<br />

Nach der Zulassung können in Phase IV-<br />

Studien weiterhin Daten zu Wirksamkeit<br />

und Verträglichkeit gesammelt werden, mit<br />

dem Ziel, dringend benötigte Medikamente<br />

für schwere, fortschreitende Erkrankungen<br />

Patient:innen schneller zugänglich zu machen.<br />

ICONS: SHUTTERSTOCK<br />

Quelle: https://www.pharmig.at/arzneimittel/forschung-entwicklung/


MEDIAPLANET | 29<br />

Entgeltliche Einschaltung<br />

<strong>Seltene</strong> Erkrankungen<br />

fordern die Forschung<br />

Forschung im Bereich der seltenen Erkrankungen heißt: weniger Daten<br />

und weniger Patient:innen. Das sind Herausforderungen, die es zu<br />

überwinden gilt.<br />

Dr. Christoph Klade<br />

Chief Scientific Officer<br />

bei AOP Health<br />

FOTO: VERDINO | ANGELIKA SCHIEMER<br />

AOP Health ist der<br />

europäische Pionier im<br />

Bereich seltene Erkrankungen<br />

und Intensivmedizin.<br />

Das Unternehmen mit<br />

Hauptsitz in Wien erforscht,<br />

entwickelt und vertreibt weltweit<br />

innovative Therapielösungen. Dr.<br />

Christoph Klade, Chief Scientific<br />

Officer bei AOP Health, erklärt, was<br />

Forschung für seltene Erkrankungen<br />

besonders herausfordernd<br />

macht.<br />

Dr. Klade, welche Rahmenbedingungen<br />

hat die Forschung im<br />

Bereich seltene Erkrankungen?<br />

Wie der Begriff impliziert, wird<br />

eine Therapie für eine seltene<br />

Erkrankung vergleichsweise<br />

wenigen Menschen helfen. Das<br />

hat natürlich wirtschaftliche<br />

Konsequenzen, weshalb nicht alle<br />

Pharmafirmen hier aktiv sind;<br />

denn pharmazeutische Forschung<br />

ist immer teuer, langwierig, riskant<br />

und streng reguliert. Für seltene<br />

Erkrankungen kommen noch weitere<br />

Herausforderungen hinzu.<br />

Welche Herausforderungen sind<br />

das?<br />

Von der Entdeckung eines Wirkstoffs<br />

bis zum fertig entwickelten<br />

marktreifen Medikament vergehen<br />

rund zehn Jahre. Die erste Hürde<br />

bei seltenen Erkrankungen sind<br />

meist weniger Daten und somit<br />

mehr Unwägbarkeiten als bei<br />

häufiger vorkommenden <strong>Krankheiten</strong>.<br />

Zudem gibt es weniger<br />

Patient:innen. Da in klinischen<br />

Studien Therapien aber am<br />

Menschen angewendet werden,<br />

bedeutet dies weniger potenzielle<br />

Studienteilnehmer:innen, die<br />

häufig weit über den Globus verteilt<br />

sind. Sowohl die Rekrutierung<br />

als auch die Durchführung solcher<br />

Studien sind daher sehr aufwendig.<br />

Das verursacht mehr Zeitaufwand<br />

und höhere Kosten.<br />

Und wenn man eine Therapie<br />

gefunden hat?<br />

Wenn Wirksamkeit und Verträglichkeit<br />

bei Patient:innen<br />

hinreichend belegt sind, wird um<br />

Zulassung angesucht. Das dauert<br />

mindestens ein Jahr. Danach<br />

beginnt die Verhandlung, welche<br />

Kosten das Gesundheitssystem für<br />

die Therapie bereit ist zu erstatten.<br />

Das erfolgt auf nationaler Ebene,<br />

auch innerhalb der EU, und dauert<br />

zusätzlich oft mehrere Jahre.<br />

Faire Kostenerstattung kann eine<br />

Herausforderung sein, denn Entwicklungskosten<br />

müssen sich auch<br />

rentieren, wenn es nur wenige<br />

Patient:innen gibt.<br />

Zahlt sich Forschung für seltene<br />

Erkrankungen denn überhaupt<br />

aus?<br />

Wir fühlen uns für Patient:innen<br />

mit seltenen Erkrankungen verantwortlich,<br />

denn nur weil die<br />

Entwicklung besonders herausfordernd<br />

ist und es weniger Patient:innen<br />

gibt, kann man sie nicht<br />

ignorieren. Zu dieser Erkenntnis<br />

ist auch die Politik gekommen. Seit<br />

2.000 gibt es in der Europäischen<br />

Union die „Orphan Regulation“,<br />

die für Pharmaunternehmen unter<br />

anderem einen längeren Produktschutz<br />

und teilweise geringere<br />

Gebühren gebracht hat. Ziel war es,<br />

Forschung im Bereich der seltenen<br />

Erkrankungen zu fördern, denn<br />

es gibt sehr viele seltene Erkrankungen,<br />

für die es noch gar keine<br />

medikamentöse Therapie gibt. Dies<br />

wurde sicher nur zum Teil erreicht;<br />

derzeit wird die Orphan Regulation<br />

deshalb überarbeitet, um weitere<br />

Verbesserungen zu schaffen.<br />

Was treibt AOP Health an, sich<br />

in diesem Bereich zu spezialisieren?<br />

Als der europäische Pionier für<br />

seltene Erkrankungen haben wir<br />

uns viel Expertise in unterschiedlichen<br />

Therapiegebieten aufgebaut.<br />

Wir fühlen uns für die Patient:innen<br />

verantwortlich und wollen<br />

möglichst vielen mit seltenen<br />

Erkrankungen helfen. Gleichzeitig<br />

müssen wir als Unternehmen<br />

jedoch auch wirtschaftlich<br />

arbeiten. Uns treibt aber vor allem<br />

das Engagement an, das wir uns<br />

seit Gründung auf die Fahnen<br />

geheftet haben.


30 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

INSIGHT<br />

Kurzdarmsyndrom: „Plötzlich hatten<br />

wir ein schwer krankes Kind“<br />

Vermeintlich harmlose Bauchschmerzen und die späte Diagnose – Darmdrehung – hätten dem<br />

kleinen Tobias fast das Leben gekostet. Was bleibt ist das bislang unheilbare Kurzdarmsyndrom.<br />

Schon mehrfach<br />

hing das<br />

Leben des<br />

heute<br />

12-jährigen Tobias am<br />

seidenen Faden.<br />

Notoperationen und<br />

eine Reanimation<br />

retteten ihn. „Unser<br />

Junge ist ein Kämpfer,<br />

sonst wäre er heute<br />

nicht mehr hier“,<br />

sagen seine Eltern.<br />

Familie Köppl, links vorne: Tobias<br />

Hinter der Familie liegen schwierige<br />

schwer krankes Kind, das ein Leben<br />

Jahre, geprägt von der Angst um lang auf medizinische Hilfe<br />

ihr Kind, Machtlosigkeit gegenüber angewiesen sein würde. Das zu<br />

einer Krankheit und dem sorgenvollen<br />

verkraften ist hart“, sagen Tobias<br />

Blick in die Zukunft. Ein Eltern. Beim Kurzdarmsyndrom<br />

gesundes, fröhliches Kleinkind sei können Nährstoffe nicht verwertet<br />

Tobias gewesen, erzählen seine werden, weshalb Tobias eine<br />

Eltern. Mit knapp drei Jahren wird parenterale Ernährung mittels<br />

der Bub jedoch von starken<br />

Katheter erhält. Jede Nacht wird er<br />

Bauchschmerzen und Erbrechen dafür insgesamt 14 Stunden an eine<br />

geplagt. Die Diagnose des Kinderarztes<br />

Infusion mit parenteraler Ernäh-<br />

lautet damals: harmloser rung und Flüssigkeit gehängt;<br />

Magendarminfekt. „Tobias ging es zusätzlich wird ihm ein Hormon<br />

immer schlechter, ich spürte, dass gespritzt, das die Darmzotten des<br />

da mehr ist“, erinnert sich seine Dünndarms zum Wachstum<br />

Mama. Als endlich weitere<br />

anregen soll. Ein normaler Alltag<br />

Untersuchungen eingeleitet<br />

ist für die vierköpfige Familie –<br />

werden, ist es schon fast zu spät. Tobias hat noch einen älteren<br />

Tobias hat einen Volvulus (Darmdrehung),<br />

Bruder – undenkbar: „Tobias<br />

er schwebt in akuter Gesundheitszustand kann sich von<br />

Lebensgefahr und muss umgehend einer Minute auf die andere<br />

notoperiert werden. Dabei wird verschlechtern, weshalb wir in<br />

ihm ein großer Teil seines Dünndarms<br />

ständiger Alarmbereitschaft sind.“<br />

und etwa die Hälfte des Und Tobias? Der ist trotz all seinen<br />

Dickdarms entfernt, was nun das Einschränkungen ein fröhlicher,<br />

sogenannte Kurzdarmsyndrom zur positiver Junge geblieben, der am<br />

Folge hat. „Plötzlich hatten wir ein liebsten Computerspiele spielt.<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Frau Dr. Stefanie<br />

Dabsch, welche<br />

Ursachen hat das Kurzdarmsyndrom?<br />

Ein Kurzdarmsyndrom<br />

tritt dann auf, wenn<br />

aufgrund von verschiedenen<br />

Ursachen, wie<br />

etwa Durchblutungsstörungen<br />

oder Morbus<br />

Crohn, der Großteil des<br />

Dünndarms operativ<br />

entfernt werden muss<br />

oder wenn der vorhandene<br />

Dünndarm<br />

nicht funktioniert und<br />

dadurch die notwendige<br />

Nährstoff- oder Flüssigkeitsaufnahme<br />

nicht<br />

mehr gewährleistet ist.<br />

Welche Symptome<br />

zeigen sich bei der Erkrankung?<br />

Charakteristisch sind<br />

massive Durchfälle,<br />

Gewichtsverlust, Mangelerscheinungen<br />

und<br />

Durstgefühl aufgrund<br />

von Flüssigkeitsverlust,<br />

sowie Bauchschmerzen<br />

und Blähungen.<br />

Aufgrund des Gewichtsverlustes<br />

und des<br />

Mangels an diversen<br />

Mikronährstoffen<br />

kommt es zu allgemeiner<br />

Schwäche und in weiterer<br />

Folge reduziertem<br />

Allgemeinzustand.<br />

Was bedeutet die Diagnose<br />

für die Betroffenen?<br />

Wie die Geschichte von<br />

Tobias zeigt, hat die<br />

Krankheit einen großen<br />

Einfluss auf das Leben<br />

der Patient:innen und<br />

deren Angehörige. Sie<br />

kann zu einer massiven<br />

psychischen Belastung<br />

werden, weswegen eine<br />

psychologische Begleitung<br />

hilfreich sein kann.<br />

Bislang ist das Kurzdarmsyndrom<br />

nicht<br />

heilbar. Welche Behandlungsoptionen<br />

gibt es?<br />

Die Behandlung ist je<br />

nach Schweregrad der<br />

Erkrankung unterschiedlich,<br />

hat jedoch immer<br />

zum Ziel, die Aufnahmefähigkeit<br />

des Restdarms<br />

zu maximieren. Das kann<br />

etwa mit einer optimierten<br />

Ernährung oder durch<br />

eine Hormonbehandlung<br />

erreicht werden. Die Höhe<br />

der Darmzotten und die<br />

Tiefe der Darmkrypten<br />

kann durch die Hormontherapie<br />

zunehmen und<br />

dadurch die Aufnahme<br />

der Nährstoffe verbessern.<br />

Ist das nicht der Fall, ist<br />

oftmals dauerhaft eine<br />

künstliche Ernährung<br />

erforderlich.<br />

FOTO: VALERIE ECCLI<br />

Priv.-Doz. Dr.<br />

Stefanie Dabsch<br />

Abteilung für Gastroenterologie<br />

und<br />

Hepatologie, Klinik<br />

für Innere Medizin 3,<br />

Medizinische<br />

Universität Wien<br />

Die Chronischen<br />

Experten<br />

www.chronisch.at<br />

Text Anna<br />

Birkenmeier<br />

C-APROM/AT/REV/0021, Feb. 2022<br />

DAS KURZDARMSYNDROM<br />

IST EINE SCHWERE FOLGE VON DARMRESEKTIONEN<br />

UMFANGREICHE INFOS & TIPPS AUF<br />

WWW.KURZDARMSYNDROM.AT


MEDIAPLANET | 31<br />

<strong>Seltene</strong> <strong>Krankheiten</strong> und<br />

abstrakte Kunst<br />

In dieser Ausgabe finden sich mehrere Werke von<br />

internationalen Künstler:innen.<br />

Gerade bei seltenen <strong>Krankheiten</strong> ist ein empathischer Austausch<br />

zwischen Ärzt:innen und Patient:innen von großer Wichtigkeit. Wie<br />

die Krankheit von den Betroffenen empfunden wird, ist oft sehr<br />

individuell und bedarf deshalb auch besonderer Aufmerksamkeit.<br />

Kunst kann dabei helfen, den Horizont zu erweitern, Emotionen zu<br />

vermitteln und somit effektiver zu kommunizieren.<br />

Danke an alle Künstler:innen, die ihre Werke via Unsplash zur freien<br />

Verwendung zur Verfügung gestellt haben.<br />

FOTO: JR KORPA VIA UNSPLASH


<strong>Seltene</strong><br />

Erkrankungen<br />

UNSER AUFTRAG FÜR<br />

INNOVATIVE LÖSUNGEN<br />

Am 28. Februar ist<br />

TAG DER<br />

<strong>Seltene</strong>n<br />

Erkrankungen<br />

TAKEDA UNTERSTÜTZT MENSCHEN MIT SELTENEN ERKRANKUNGEN<br />

Fünf Prozent der Weltbevölkerung leiden an <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen. 1 In Österreich sind 400.000<br />

Menschen betroffen. 2 Takeda unterstützt die Patient*innen von der Diagnose bis zur bestmöglichen<br />

Versorgung mit Therapien. Seit 70 Jahren entwickeln und produzieren wir in Österreich eine Vielzahl<br />

von hochinnovativen Arzneimitteln, um die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.<br />

1<br />

Global Genes. RARE Diseases: Facts and Statistics. Verfügbar unter:<br />

https://globalgenes.org/rare-disease-facts/ Letzter Zugriff: Februar 2022.<br />

2<br />

Dachverband Pro Rare Austria. Verfügbar unter:<br />

https://www.prorare-austria.org/mitglieder/ueber-seltene-erkrankungen/<br />

Letzter Zugriff: Februar 2022.<br />

ERFAHREN SIE MEHR über den Kranich<br />

und das Engagement von Takeda<br />

für Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen.<br />

www.takeda.at<br />

C-APROM/AT/PO/0001, Feb. 2022

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