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Seltene Krankheiten

„Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebras.” Eine seltene Erkrankung bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie. In dieser Ausgabe sprechen Betroffene, Angehörige sowie Ärztinnen und Ärzte über den Diagnoseprozess, Therapien, Transition und wie man trotz seltener Krankheit seine Lebensqualität bewahren kann.

„Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebras.”

Eine seltene Erkrankung bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie.

In dieser Ausgabe sprechen Betroffene, Angehörige sowie Ärztinnen und Ärzte über den Diagnoseprozess, Therapien, Transition und wie man trotz seltener Krankheit seine Lebensqualität bewahren kann.

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26 | Lesen Sie mehr unter seltenekrankheit.info<br />

EXPERTISE<br />

Die große<br />

Unbekannte. Das<br />

Cushing-Syndrom<br />

Das Cushing-Syndrom entsteht durch die vermehrte<br />

Produktion des Hormons Cortisol. Die Ursache hierfür sind<br />

Tumore im Bereich der Hirnanhangdrüse oder Nebennieren<br />

und selten bei anderen Organen.<br />

FOTO: JENÉ STEPHANIUK ON UNSPLASH<br />

Assoc.-Prof. Priv.-Doz.<br />

Dr. in Greisa Vila<br />

Ambulanz für<br />

Hormonelle<br />

Erkrankungen,<br />

KIM III, AKH Wien<br />

FOTO: MEDUNI WIEN/MATERN<br />

Das Cushing-Syndrom<br />

manifestiert<br />

sich klinisch durch<br />

Gewichtszunahme,<br />

Bluthochdruck, gestörten Glukosestoffwechsel<br />

bis hin zu Diabetes,<br />

Depressionen, kognitive Störungen,<br />

Osteoporose, Akne, rote<br />

Dehnungsstreifen, Zyklusstörungen<br />

bei Frauen und Impotenz bei<br />

Männern. Zu den akuten Komplikationen<br />

gehören Thrombosen,<br />

Infekte, hypertensive Krisen 1 und<br />

Herzrhythmusstörungen. Frauen<br />

sind dabei häufiger betroffen: 80<br />

Prozent der Patient:innen mit Cushing-Syndrom<br />

sind weiblich.<br />

Die Diagnose erfolgt oft erst einige<br />

Jahre nachdem sich die ersten<br />

klinischen Symptome zeigen. Dieser<br />

lange Weg zur Diagnose belastet<br />

die Patient:innen sowohl physisch<br />

als auch emotional. Ein Viertel der<br />

Patient:innen benötigt mindestens<br />

eine stationäre Aufnahme schon<br />

vor der Diagnosestellung. Die<br />

Schwierigkeit der Diagnose erklärt<br />

sich durch die Häufigkeit der durch<br />

das Cushing-Syndrom bedingten<br />

Begleiterkrankungen in der allgemeinen<br />

Population. Darüber hinaus<br />

weisen viele Patient:innen nur<br />

einige der erwähnten Symptome<br />

auf und nicht das volle Krankheitsbild.<br />

Während Gewichtszunahme<br />

zu den häufigsten Beschwerden<br />

gehört, bestimmen Alter und<br />

genetische Prädisposition den<br />

Zeitpunkt der Manifestation<br />

anderer Begleiterkrankungen, wie<br />

z. B. Bluthochdruck und Diabetes.<br />

Hilfreich für die Diagnosestellung<br />

ist die Konstellation der Symptome.<br />

So kommen zum Beispiel<br />

Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck<br />

bei vielen Menschen<br />

häufig gemeinsam vor, das Vorhandensein<br />

von Osteoporose oder<br />

Knochenbruch wäre dabei jedoch<br />

nicht typisch und könnte auf ein<br />

Cushing-Syndrom hinweisen.<br />

Die Diagnose erfolgt primär biochemisch:<br />

durch die Bestimmung<br />

von Cortisol im Blut, Harn und<br />

Speichel. Für die Diagnosestellung<br />

bzw. den Krankheitsausschluss sind<br />

auch endokrine, sprich hormonelle,<br />

Tests notwendig. Erst nach<br />

biochemischer Bestätigung der<br />

erhöhten Produktion von Cortisol<br />

werden Bildgebungsuntersuchungen<br />

geplant, um die Ursache der<br />

Hormonproduktion zu lokalisieren.<br />

Die Therapie ist hier die operative<br />

Entfernung des Tumors, die zur<br />

unmittelbaren Senkung der Cortisol-Spiegel<br />

führt. Nach erfolgreicher<br />

chirurgischer Sanierung benötigen<br />

Patient:innen oft über Monate oder<br />

Jahre eine zusätzliche Gabe des<br />

Hormons Cortisol in Form von Tabletten<br />

sowie eine Dosissteigerung<br />

oder intravenöse Verabreichung in<br />

Stresssituationen. Bei einem Drittel<br />

der Patient:innen mit einem Tumor<br />

der Hirnanhangdrüse ist eine<br />

operative Sanierung nicht möglich<br />

– diesen Patient:innen stehen<br />

andere Behandlungsoptionen (wie<br />

Medikamente oder Bestrahlung) zur<br />

Verfügung.<br />

Auch nach Entfernung der<br />

Ursache der übermäßigen Cortisol-<br />

Produktion bleiben bei manchen<br />

Patient:innen einige Begleiterkrankungen<br />

bestehen: Bluthochdruck<br />

bei 64 Prozent der Patient:innen;<br />

Diabetes bei 44 Prozent. Die Zahl<br />

der bleibenden Begleiterkrankungen<br />

hängt unter anderem von der<br />

Zeit ab, wie lange der/die Patient:in<br />

das Cushing-Syndrom davor hatte.<br />

Je länger der Weg zur Diagnose und<br />

zielgerichteten Therapie dauert,<br />

desto höher ist die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass die Begleiterkrankungen<br />

lebenslang anhalten. Dies unterstreicht<br />

nochmals die Wichtigkeit<br />

der rechtzeitigen Diagnose bei<br />

Patient:innen mit Cushing-Syndrom.<br />

1<br />

Hypertensive Krise: Als hypertensive Krise<br />

bezeichnet man einen plötzlichen, massiven<br />

Blutdruckanstieg, der sofortiger medizinischer<br />

Versorgung bedarf.<br />

A-0-22-02-1, CH-0-22-02-1 Stand Feb. 2022

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