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Seltene Krankheiten

„Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebras.” Eine seltene Erkrankung bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie. In dieser Ausgabe sprechen Betroffene, Angehörige sowie Ärztinnen und Ärzte über den Diagnoseprozess, Therapien, Transition und wie man trotz seltener Krankheit seine Lebensqualität bewahren kann.

„Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebras.”

Eine seltene Erkrankung bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie.

In dieser Ausgabe sprechen Betroffene, Angehörige sowie Ärztinnen und Ärzte über den Diagnoseprozess, Therapien, Transition und wie man trotz seltener Krankheit seine Lebensqualität bewahren kann.

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2/9/22 8:12 AM<br />

MEDIAPLANET | 9<br />

Sie galten als medizinisches<br />

Mysterium, ohne Diagnose, aufgegeben<br />

von den Ärzt:innen. Wie<br />

haben Sie die Zeit damals erlebt?<br />

Ich war ein junger Mann von 20<br />

Jahren und immer gesund, sportlich,<br />

voller Energie. Ich hatte große<br />

Zukunftspläne, wollte Medizin<br />

studieren, Arzt werden und ins<br />

Ausland gehen.<br />

Dann begannen die mysteriösen<br />

Symptome: Ich hatte eine bleierne<br />

Schwäche, Schwindel und Schmerzen<br />

im ganzen Körper; jeder<br />

Schritt wurde zum Marathon, jeder<br />

gesprochene Satz war ein Kraftakt.<br />

Irgendwann konnte ich nur noch<br />

im Bett liegen. Und was sagten<br />

mir die Ärztinnen und Ärzte? „Das<br />

Problem liegt in Ihrem Kopf.“ Ich<br />

war gefangen in meinem eigenen<br />

Körper – machtlos, ausgeliefert<br />

und hoffnungslos.<br />

Drei Jahre verbrachten Sie<br />

mehrheitlich im Krankenbett.<br />

Von Ärzt:innen wurde Ihnen<br />

prognostiziert, dass Sie nie mehr<br />

gehen können und kein normales<br />

Leben mehr führen würden…<br />

Ich wies diese schreckliche Äußerung<br />

meines Arztes zurück, doch<br />

zugleich hatte sie etwas in mir<br />

ausgelöst. Ich hatte die Kontrolle<br />

über mein Leben und alle Würde<br />

verloren. Und die wollte ich nun<br />

um jeden Preis zurück. Ich war<br />

bereit zu kämpfen und mein medizinisches<br />

Rätsel zu lösen.<br />

Wie haben Sie das geschafft?<br />

Ich analysierte meine Symptome,<br />

begann im Internet zu<br />

recherchieren, las Unmengen an<br />

Fachliteratur und hatte irgendwann<br />

des Rätsels Lösung, meine<br />

Diagnose, gefunden: posturales<br />

orthostatisches Tachykardiesyndrom,<br />

kurz POTS 1 . Eine seltene<br />

Erkrankung, bei der unterschiedliche<br />

neurologische Probleme<br />

und Störungen im autonomen<br />

Nervensystem auftreten. Gleich<br />

nach der Diagnosestellung verfasste<br />

ich einen Blog, denn die<br />

Zahl der von POTS Betroffenen ist<br />

eine riesige Dunkelziffer – ich will<br />

mein Wissen teilen und anderen<br />

Patient:innen damit jahrelanges<br />

Leiden ersparen.<br />

POTS ist eine seltene chronische<br />

Krankheit, ohne Aussicht auf<br />

Heilung. Wie leben Sie damit?<br />

Ich habe gelernt, damit zu leben<br />

und es geht mir inzwischen<br />

sehr gut. Aber es hat seine Zeit<br />

gebraucht: Mit 27 Jahren brachte<br />

ich mir selbst wieder das Gehen<br />

und Sprechen bei. Zudem dauerte<br />

es weitere fünf Jahre mit unregelmäßigen<br />

Remissionsphasen um<br />

mich vollständig zu rehabilitieren<br />

und wieder in die Gesellschaft zu<br />

integrieren. Damit ich symptomfrei<br />

bleibe, muss ich auf einen<br />

geregelten Alltag mit gesunder<br />

Ernährung, Sport, wenig Stress und<br />

ausreichend Schlaf achten.<br />

In Ihrem aktuellen Buch<br />

schreiben Sie: „[…] Ich war das<br />

hässliche Gesicht des Gesundheitswesens,<br />

allein gelassen,<br />

um zu sterben“. Was läuft Ihrer<br />

Meinung nach schief in unserem<br />

medizinischen System?<br />

Ich wurde zwar „von Kopf bis Fuß“<br />

durchgecheckt, machte unzählige<br />

Tests und Untersuchungen und<br />

war bei den besten Professor:innen<br />

– doch was gefehlt hat, waren<br />

Kommunikation, Zuhören und Verständnis.<br />

Es herrscht eine Schieflage<br />

in der Beziehung zwischen<br />

Ärzt:innen und Patient:innen, die<br />

sich negativ auf den Diagnoseprozess<br />

auswirkt. Ich hatte das<br />

Gefühl, dass den Patient:innen oft<br />

nicht zugehört und deren Meinung<br />

nicht wertgeschätzt wird. Dabei<br />

sind das Wissen und die Erfahrung<br />

der Patient:innen essenziell beim<br />

Finden und Stellen der Diagnose<br />

und darüber hinaus.<br />

Abschließend noch die Frage:<br />

Welche Botschaft haben Sie für<br />

Betroffene?<br />

Gebt niemals auf und zweifelt nie<br />

an euch – egal, welche Diagnose ihr<br />

von Ärzt:innen gestellt oder was ihr<br />

sonst zu hören bekommt. Wir<br />

haben erstaunliche Kräfte in uns<br />

und wenn wir diese aktivieren,<br />

wenn wir kämpfen und uns nicht<br />

entmutigen lassen, gelingt der Weg<br />

raus aus dem Spitalbett!<br />

Roi Shternin, gebürtiger Israeli, ist<br />

erfolgreicher Unternehmensgründer<br />

im Gesundheitssektor, Patient &<br />

Entrepreneur in Residence für The<br />

Health Hub Vienna, Entwickler von<br />

prämierten Gesundheitsprojekten,<br />

Buchautor und internationaler<br />

Keynote-Speaker. Er war als „Patient<br />

in Residence“ am Ludwig-Boltzmann-<br />

Institut in Wien tätig, wo er, basierend<br />

auf seiner eigenen Krankheitsgeschichte,<br />

gemeinsam mit Medizinerinnen<br />

und Medizinern, Krankenhausmanagerinnen<br />

und -managern und<br />

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />

Wege entwickelte, die die<br />

Patient:innen wieder ins Zentrum<br />

des Gesundheitssystems rücken.<br />

Darüber schreibt er in seinem Buch<br />

„Revolution From My Bed“.<br />

1<br />

Das posturale orthostatische<br />

Tachykardiesyndrom gehört zu<br />

den häufigeren unter den seltenen<br />

<strong>Krankheiten</strong>, dennoch dauert es im<br />

Durchschnitt sechs Jahre*, bis die<br />

korrekte Diagnose gestellt wird. Zu<br />

den Symptomen zählen: Schmerzen,<br />

Schwindel, Herzrasen, Fatigue u. v. m.<br />

Typisch ist, dass sich die Symptome<br />

beim Stehen verschlimmern und im<br />

Liegen besser werden.<br />

*Quelle: www.pots-dysautonomia.net<br />

WIR FREUEN<br />

UNS, DEN TAG DER<br />

SELTENEN<br />

ERKRANKUNGEN 2022<br />

ZU UNTERSTÜTZEN.<br />

ROBERTA<br />

LEBT MIT gMG<br />

#gemeinsamstark #seltensindviele<br />

#RareDiseaseDay<br />

Date of Preparation: February 2022 AT/UNB-U/0037<br />

RareDiseaseDay.org

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