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Seltene Krankheiten

„Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebras.” Eine seltene Erkrankung bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie. In dieser Ausgabe sprechen Betroffene, Angehörige sowie Ärztinnen und Ärzte über den Diagnoseprozess, Therapien, Transition und wie man trotz seltener Krankheit seine Lebensqualität bewahren kann.

„Wenn du Hufschläge hörst, denk an Zebras.”

Eine seltene Erkrankung bedeutet für betroffene Personen oft einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie.

In dieser Ausgabe sprechen Betroffene, Angehörige sowie Ärztinnen und Ärzte über den Diagnoseprozess, Therapien, Transition und wie man trotz seltener Krankheit seine Lebensqualität bewahren kann.

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MEDIAPLANET | 17<br />

sonst hätte ich nie bis zur Diagnose<br />

durchgehalten. Sätze von nahestehenden<br />

Personen wie „Ich glaube<br />

dir“ oder „Wir suchen gemeinsam<br />

nach einer Lösung“ waren Gold<br />

wert. Was mir gefehlt hat, waren<br />

Verständnis und Empathie von<br />

Ärzt:innen sowie deren aufrichtige<br />

Initiative, meiner vermeintlich<br />

„unerklärlichen“ Symptomatik auf<br />

die Spur zu kommen. Was in so<br />

einem Fall für Betroffene wichtig<br />

ist, ist trotzdem dran zu bleiben<br />

und sich nichts einreden zu lassen,<br />

was der eigenen Körperwahrnehmung<br />

widerspricht. Leider ist<br />

man in einer solchen Situation<br />

jedoch abhängig von Fachleuten,<br />

die diverse Untersuchungen/medizinische<br />

Interventionen/Therapieversuche<br />

einleiten müssen. Auch<br />

finanziell ist es sehr belastend,<br />

da nicht alle Verfahren von der<br />

Krankenkassa bezahlt werden.<br />

FOTO: RAIMUND NICS<br />

Leidensdruck<br />

Um den Leidensdruck bewältigen<br />

zu können, sollte man seine Sorgen<br />

jemandem anvertrauen können.<br />

In meinem Fall war dies schwierig,<br />

weil ich wegen meiner Schmerzen<br />

kaum sprechen konnte. Abgesehen<br />

davon werden die Hemmungen für<br />

einen selbst immer höher, je länger<br />

man keine bestätigte Diagnose hat.<br />

Die Angst, abgelehnt oder nicht<br />

ernst genommen zu werden, wächst<br />

schnell. Sehr oft führt das in die<br />

Selbstisolation, wie es auch bei mir<br />

der Fall war. Ich hatte den Eindruck,<br />

das Leben der anderen würde weitergehen,<br />

während ich nicht mehr<br />

Teil der Gesellschaft wäre.<br />

Im Laufe meiner Geschichte<br />

habe ich erkannt, dass wir<br />

nicht für die Momente<br />

leben, in denen wir reden,<br />

sondern für jene, die uns<br />

sprachlos machen.<br />

Eine lange Reise<br />

Meine Diagnose brachte letztendlich<br />

Erleichterung mit sich, weil<br />

sie bewies, dass ich mich nicht<br />

getäuscht hatte, sondern tatsächlich<br />

an einer ernstzunehmenden<br />

Erkrankung litt. Ich konnte meine<br />

Schmerzen endlich beim Namen<br />

nennen. Dennoch wurde mir auch<br />

bewusst, dass dies erst der Anfang<br />

einer langen, nervenaufreibenden<br />

klinischen Reise war. Mein Zustand<br />

machte Spitals- und Therapieaufenthalte<br />

sowie zwei prekäre Operationen<br />

unumgänglich. Ich reiste<br />

außerdem für spezielle Therapien<br />

über 45-mal in verschiedenste<br />

Städte auf der ganzen Welt.<br />

Zurück in Österreich unterzog<br />

ich mich vielen Ersatzbehandlungen,<br />

um mein Studium wieder<br />

aufnehmen und abschließen zu<br />

können. Die prägende Zeit bis<br />

zur Diagnosefindung, klinisches<br />

Labeling und Stigmatisierung<br />

veranlassten mich deshalb dazu,<br />

eine wissenschaftliche Studie über<br />

die sozialen Folgen dieser „Rare<br />

Disease“ an der Uni Wien durchzuführen.<br />

Sie ist international die<br />

erste ihresgleichen. Patient:innen<br />

aus fünf verschiedenen Kontinenten<br />

nahmen daran teil.<br />

Die Kampagne<br />

Da ich nun auch über die Belastungen<br />

anderer Betroffener Bescheid<br />

wusste, beschloss ich, eine Awareness-Kampagne<br />

zu initiieren –<br />

mit dem Ziel, gesellschaftliches<br />

Bewusstsein für diese zu schaffen.<br />

Aus eigener Erfahrung weiß ich,<br />

wie oft man dazu tendiert, sich für<br />

sein „Anderssein“ zu schämen, und<br />

sich deshalb ausgegrenzt fühlt. Mit<br />

meiner medialen Präsenz wollte<br />

ich anderen Mut machen.<br />

Auf YouTube veröffentlichte<br />

ich ein Video unter dem Titel<br />

#VoiceForNora. In diesem suche<br />

ich nach neuen Behandlungsmöglichkeiten,<br />

da meine tiefen<br />

intraoralen Operationsnarben<br />

nach wie vor große Probleme<br />

verursachen. Freunde verfilmten<br />

meine Geschichte in vier Minuten<br />

und prominente Persönlichkeiten<br />

wie Thomas Brezina, Viktor<br />

Gernot, Ursula Strauss etc. liehen<br />

mir dafür ihre Stimme.<br />

Seitdem ist viel passiert. Ich<br />

wurde zu TEDx Vienna eingeladen,<br />

um eine Rede zu halten,<br />

durfte spezielle Zelltherapien bei<br />

Dr. Weber in Deutschland machen<br />

und werde demnächst mein<br />

erstes Buch veröffentlichen. Es<br />

ist ein Band voller Gedichte, die<br />

in den letzten Jahren entstanden<br />

sind, und heißt: „Stimme der<br />

Hoffnung“.<br />

All diese öffentlichen Auftritte<br />

haben mich viel Überwindung<br />

gekostet, denn eigentlich bin ich<br />

eher eine zurückhaltende Person.<br />

Dennoch bin ich dankbar, im Zuge<br />

der Kampagne so viele liebe<br />

Menschen und auch engagierte<br />

Ärztinnen und Ärzte und (Physio-)<br />

Therapeut:innen kennengelernt<br />

zu haben. Und ich hoffe noch auf<br />

weitere Hilfe. Im Laufe meiner<br />

Geschichte habe ich erkannt, dass<br />

wir nicht für die Momente leben,<br />

in denen wir reden, sondern für<br />

jene, die uns sprachlos machen.<br />

Instagram:<br />

@nora.sophiiie<br />

Hilfeaufruf:<br />

#voicefornora<br />

youtu.be/<br />

mubQfa4bzrc<br />

Ted Talk: Use your<br />

voice and tell your<br />

story.<br />

youtu.be/<br />

WWju-V98KLM

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