Hanfjournal 01/04
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10<br />
guerilla growing<br />
Das Eckthema:<br />
Bekiffte Prominente<br />
Moritz Bleibtreu:<br />
„Ich rauche mir gern<br />
ab und an einen<br />
Joint.“ (aus einem<br />
Interview mit Sandra<br />
Maischberger)<br />
Vor kurzem war es wieder so weit: Die Kompetenz unserer<br />
Redaktion stieß an ihre Grenzen. Ein Gewinnspiel war angesagt<br />
und es ging um den Unterschied zwischen feminisiertem und<br />
weiblichem Saatgut. Mit solchen Fremdwörtern kann unsere<br />
growing-mäßig relativ unbelastete Redaktion wenig anfangen.<br />
Also erstmal die Antworten gecheckt. Häh? Jeder schreibt was<br />
anderes, aber im Prinzip geht’s immer irgendwie um Chemie<br />
und Gene. Dann halt noch mal schnell die Website von No<br />
Mercy überflogen (www.nomercy.nl). Aha, auch hier Chemie,<br />
Gene und haufenweise weitere Fremdwörter. Also gut, denkt<br />
sich unser dummdreister Redakteur, es geht um Chemie und<br />
Gene. So werden halt alle, die beide Wörter genannt haben, zu<br />
potenziellen Gewinnern. Wir sind da ja nicht so.<br />
Also schwupps, ein Gewinner ausgesucht und ab zu No Mercy<br />
damit. Aber als Growing-Spezialist lassen die sich natürlich<br />
nicht so leicht von ein paar Fremdwörtern beeindrucken.<br />
„Totaler Unsinn“ schallt es aus den Niederlanden.<br />
Oh, oh, da wurde wohl eine peinliche Wissenslücke entdeckt,<br />
bei der unbedingt Abhilfe geschaffen werden muss. Nach<br />
ewigem Studium der No Mercy-Website und einem ebenso<br />
langen Telefongespräch hab’ dann selbst ich es verstanden.<br />
Hoff’ ich zumindest. Und weil es wirklich wertvolles und<br />
spannendes Wissen zu sein scheint, werdet auch ihr nicht<br />
davon verschont.<br />
Deswegen jetzt noch mal ganz von vorne:<br />
Für gewöhnlich arbeiten professionelle Züchter mit weiblichen<br />
Stecklingen. Dadurch erhalten sie die selbe Qualität wie bei<br />
der Mutterpflanze und ersparen sich die unnötige Arbeit auch<br />
die Männchen bis zur Blüte großziehen zu müssen. Das bedeutet<br />
halben Platzbedarf und einen Ausschluss des Risikos<br />
ungewollter Bestäubungen.<br />
Doch seit gar nicht allzu langer Zeit geht das auch anders.<br />
Feminisiertes und weibliches Saatgut lautet die Zauberformel.<br />
Dieses ist insofern den Stecklingen überlegen, als dass die<br />
Pflanzen robuster sowie ertragreicher sind und das Risiko, sich<br />
Schädlinge aus der Plantage des Herstellers einzufangen,<br />
ausgeschlossen wird.<br />
100-prozentig weiblich Der Traum eines jeden Growers<br />
Eigentlich Weibchen, aber doch männlich genug um sich selbst zu bestäuben - verrückt!<br />
Im Prinzip funktioniert das ganz einfach:<br />
Eine Cannabispflanze besitzt, wie der Mensch, zwei Chromosomen,<br />
die das Geschlecht regeln. Ein X- und ein Y- Chromosom<br />
bei Männchen – zwei X bei einem Weibchen. Jetzt ist es aber<br />
beim Hanf von Natur aus so, dass sich bei weiblichen Hanfpflanzen<br />
einzelne männliche Blüten bilden können, vor allem<br />
wenn die Pflanzen gestresst wurden. Dies machen sich die<br />
meisten Samenbanken zunutze, wenn sie feminisiertes Saatgut<br />
produzieren. Sie nehmen eine weibliche Pflanze, stressen sie<br />
und bekommen so männliche Blüten und damit auch männlichen<br />
Pollen von dieser Pflanze. Normalerweise sollte dieser<br />
Pollen dann nur X-Chromosomen enthalten, denn er stammt<br />
ja genetisch von einem Weibchen. So werden in der Theorie<br />
die Samen dieser Züchtung rein weiblich. Laut Cees von No<br />
Mercy ist dies aber leider in der Praxis nicht der Fall. Denn:<br />
Wenn jetzt zum Beispiel ein einsames Weibchen irgendwo in<br />
der Pampa rumsteht und sich denkt, dass es bald sterben muss,<br />
produziert es schnell noch ein paar männliche Blüten. Wenn<br />
jetzt aber diese männlichen Blüten nur weiblichen Pollen<br />
produzieren würden, hätten die Nachfahren der sich dann<br />
selbst bestäubenden Pflanze keine Chance zur Fortpflanzung.<br />
Denn: es wären alles Weibchen. Also werden auch immer gleich<br />
noch ein paar männliche Samen mitproduziert. Der Erfahrung<br />
nach schwankt der Anteil der weiblichen Samen bei diesem<br />
Verfahren zwischen 70 und 95 Prozent.<br />
männlich<br />
weiblich<br />
Das wird dadurch erschwert, dass in den 60er- und 70er-Jahren<br />
in der Landwirtschaft und im GrowBereich ziemlich viel mit<br />
Kolchizin experimentiert wurde. Die Behandlung mit Kolchizin,<br />
einem äußerst giftigen und mutagenen Präparat, schafft Pflanzen<br />
mit einem doppelten, dreifachen oder noch größeren<br />
Chromosomensatz. Das geschah relativ zeitgleich mit dem<br />
heute oft diskutierten Sprung in der Qualität des Grases. Zufall?<br />
Eins ist zumindest sicher: Damals wurde nicht nur der THC-<br />
Gehalt erhöht, sondern es hat sich auch ein kaum wiedergutzumachender<br />
Makel eingeschlichen. Viele der heutigen<br />
Pflanzen neigen aufgrund dieser Kolchizin-Ära stärker zum<br />
Hermaphroditentum (=Zwittertum). Dadurch werden weniger<br />
Pflanzen rein weiblich.<br />
Das war dann schon die erste Hälfte der Frage. Feminisierte<br />
Samen werden aus gewöhnlichen Weibchen gewonnen, von<br />
denen eins durch Stress männliche Blüten ausbildet. Aber was<br />
100 Prozent weibliches Saatgut ist, weiß ich immer noch nicht.<br />
Wie macht das denn, No Mercy?<br />
Zuerst einmal wirkt No Mercy der potenziellen Hermaphrodisierung<br />
dadurch entgegen, dass sie vor der Auswahl der<br />
Elternpflanzen allen „Bewerberinnen“ ordentlich Stress verabreichen.<br />
Nur die stabilsten, also die, die sich ihrer sexuellen<br />
Identität möglichst sicher sind, dürfen sich dann fortpflanzen.<br />
Damit wird gesichert, dass die Kinder der beiden Weibchen<br />
sich durch Umwelteinflüsse möglichst nicht vom gewünschten<br />
Geschlecht abbringen lassen. Denn die Wahrscheinlichkeit der<br />
Hermaphrodisierung verstärkt sich mit jeder Generation.<br />
Ein weiteres Problem ist, wie oben schon genannt, dass die<br />
Samen der „zum Männchen gestressten Weibchen“ dazu<br />
tendieren relativ viele männliche Samen auszubilden. Demnach<br />
sollte man vermeiden die Pflanze zu stressen und muss sie<br />
aber trotzdem zwingen männliche Blüten auszubilden. Ein<br />
echter Knackpunkt. Cees von No Mercy hat als Lösung dafür<br />
Gibberelinsäure entdeckt. Das ist ein Pflanzenhormon, das<br />
auch im gewöhnlichen Gartenbau zur Blütenvermehrung<br />
eingesetzt wird und das in geringster Konzentration in jeder<br />
Pflanze vorkommt. Benutzt man eine etwas höhere Konzentration<br />
des Mittels während eines Blütenwachstumsschubes,<br />
verwirrt das die Pflanze dermaßen, dass sie sich ihres Geschlechtes<br />
nicht mehr sicher ist. Sie bildet männliche Blüten.<br />
Und das ohne die vielen männlichen Samen, die bei der<br />
Stressvariante mitproduziert würden. No Mercy erreicht so<br />
eine Quote von 100 Prozent weiblichen Samen. Das ist das<br />
gesuchte weibliche Saatgut.<br />
Wenn ihr jetzt noch Fragen habt, dann macht euch keine Sorgen,<br />
das ist völlig normal. Ich hab’s ja auch erst nicht gepeilt und<br />
die Leute von No Mercy haben Jahre gebraucht um dieses<br />
Konzept auszutüfteln (und brauchen vermutlich noch weitere<br />
um es auf ihrer Homepage klar darzustellen). Aber es ist auf<br />
alle Fälle eine geniale Idee. Man erhält Pflanzen, die den Ertrag<br />
und die Robustheit von aus Samen gezogenem Hanf mitbringen<br />
und trotzdem so einfach zu handhaben sind wie Stecklinge.<br />
Kein doppelter Platzbedarf mehr, kein Risiko unfreiwilliger<br />
Bestäubungen, keine mitgelieferten Spinnmilben. Klasse Idee!<br />
Und es ist gar nicht so kompliziert, wenn man’s erst mal gepeilt<br />
hat.<br />
Wer mehr Infos sucht sollte einfach mal bei www.nomercy.nl<br />
vorbeischauen.<br />
Martin Schwarzbeck