OceanWoman Band 2 (2022)
Von der Schleiferin auf Curacao über die Küchenhilfe auf den Tuamotus bis zur Skipperin bei Sturm über Neukaledonien. Nach dem großen Erfolg der OceanWoman Sonderausgabe 2018 ist 2022 der zweite Band erschienen. Diesmal mit einem Best-of 2018–2022 der Berichte unserer OceanWoman-Kolumnistin Alexandra Schöler. Mit vielen neuen und unterhaltsamen Geschichten aus der Welt der Langfahrtsegler – abenteuerlich, erheiternd und auf bewegende Weise den Horizont erweiternd.
Von der Schleiferin auf Curacao über die Küchenhilfe auf den Tuamotus bis zur Skipperin bei Sturm über Neukaledonien.
Nach dem großen Erfolg der OceanWoman Sonderausgabe 2018 ist 2022 der zweite Band erschienen. Diesmal mit einem Best-of 2018–2022 der Berichte unserer OceanWoman-Kolumnistin Alexandra Schöler. Mit vielen neuen und unterhaltsamen Geschichten aus der Welt der Langfahrtsegler – abenteuerlich, erheiternd und auf bewegende Weise den Horizont erweiternd.
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Annabels Welt<br />
AUSGABE 5/2020<br />
Zu Gast bei einer Französin auf einem knallroten Katamaran. Was wir dort erfahren haben?<br />
Franzosen essen ungern vor 23 Uhr zu Abend, das Dessert wird mitunter erst um Mitternacht gereicht.<br />
Wir waren von einem exorbitanten<br />
Einkaufstrip am<br />
Steg in der Marina in Santa<br />
Cruz auf Teneriffa heimgekehrt<br />
und schleppten taschenweise Einkäufe<br />
zur Risho Maru.<br />
Ich rätselte gerade, wo ich eigentlich<br />
die 20 Packungen Haltbarmilch<br />
stauen sollte, die ich gekauft hatte.<br />
Und dann stand da plötzlich Annabel<br />
vor mir. Im kleinen Schwarzen!<br />
„Bonjour, ça va?“ hauchte sie, streifte<br />
eine blonde Haarlocke aus dem<br />
Gesicht und ihre blauen Augen<br />
blitzten spitzbübisch. „Tu veux un<br />
café?“ Und schon saßen wir alle im<br />
Cockpit des knallroten Katamarans<br />
Tahoma.<br />
Fabien, Annabels Ehemann, und<br />
mein Skipper vertieften sich sofort<br />
in eine Gespräch über Sperrholzkatamarane.<br />
Peter half Fabien später<br />
mit Epoxyarbeiten an einem beschädigten<br />
Rumpf aus, wofür sich<br />
Fabien mit einem riesigen spanischen<br />
Schinken bedankte. Wir teilten<br />
mit allen anwesenden Fahrtenseglern<br />
und alle hatten damals<br />
genug Fleischvorrat für mindestens<br />
zwei Atlantiküberquerungen.<br />
Finns Ohren glühten. Drei Töchter<br />
gab‘s an Bord! Die sechsjährige<br />
Sigrid und ihre neunjährige<br />
Schwester Mahauld bastelten an<br />
Muschelkettchen. Sybille, ihre 16-<br />
jährige Schwester, schrieb Mails<br />
an ihre Schulfreundinnen in Paris<br />
und der große Bruder Vincent<br />
zupfte auf seiner Gitarre. Der<br />
Nachmittag verging wie im Flug.<br />
Vier Kinder an Bord? Ich staunte<br />
nicht schlecht. Vincent war sehr<br />
schwierig, knurrte Annabel. Er<br />
kam mit der Autorität an Bord<br />
nicht zurecht. Es gab einen Kapitän<br />
und das war nicht er. Nach der<br />
Atlantiküberquerung stieg Vincent<br />
übrigens aus, zog nach Paris, wo<br />
er verwundert draufkam, dass das<br />
Führen eines eigenen Haushalts<br />
viel Geld und Zeit kostet!<br />
Zwei Jahre Segeln waren geplant.<br />
Annabel sagte lange nicht „nein“ zur<br />
Reise und erst ganz spät „ja“. Doch<br />
schnell wurde ihr klar, wie wertvoll<br />
das alles für sie war. Und für die<br />
Kinder. „Mon dieu, wie dumm ich<br />
war! Ich dachte, die Kinder hätten<br />
nur den Wind in den Haaren, sonst<br />
keinerlei Erziehung für zwei Jahre.<br />
Wie unüberlegt von mir!“<br />
Ihre Kinder lernten Verantwortung<br />
auf dem Schiff, auch wenn sie<br />
das noch nicht wussten! Wasser<br />
musste gespart werden, der Gashahn<br />
abgedreht, Nachtwachen geschoben,<br />
damit auf Tahoma alles<br />
wie am Schnürchen lief. Und jeder<br />
war eingebunden. Annabel selbst<br />
fühlte sich wie „ein weißes Blatt,<br />
das beschrieben werden musste“.<br />
Während der Nachtfahrten saß sie<br />
an ihrem Computer und schrieb.<br />
DESSERT UM MITTERNACHT<br />
Sie war dabei, sich einen eigenen<br />
Job zu kreieren: „Ich will der Welt<br />
was zurückgeben, von all den guten<br />
Dingen, die mir passiert sind.“ Und<br />
wie erging es ihr sonst beim Segeln?<br />
Co-Skipperin, Stewardess, Lehrerin,<br />
Krankenschwester, Webmasterin,<br />
Freizeitmanagerin, Trösterin aller<br />
Qualen. „Köchin!“ warf ich zustimmend<br />
ein. „Je déteste cuisiner –<br />
ich hasse Kochen“, seufzte Annabel.<br />
Der Kapitän war der Koch. Fabiens<br />
Ratatouille duftete verführerisch.<br />
Wir waren zum Abendessen eingeladen<br />
worden. Es war inzwischen<br />
21 Uhr. Mein Magen knurrte. Die<br />
Kinder dinierten zuerst. Pasta mit<br />
Ratatouille. Ich naschte unauffällig<br />
bei Finn mit. Um 22 Uhr Essen für<br />
Himmlische Schokoladen-Tarte<br />
125 g feine Schokolade geschmolzen<br />
125 g Butter<br />
125 g geriebene Mandeln<br />
50 g Mehl<br />
3 Eier<br />
1 Prise Salz<br />
Zucker und Eier mischen, Butter und die geschmolzene<br />
Schokolade beifügen, dann die<br />
Nüsse, das Mehl und die Prise Salz zugeben.<br />
Rühren, bis eine schöne Masse entsteht.<br />
In eine gefettete Form gießen, bei mittlerer<br />
Hitze 20 bis 30 Minuten backen.<br />
Der knallrote Katamaran Tahoma war zwei Jahre<br />
lang das Zuhause von Annabel und ihrer Familie.<br />
uns. Dazwischen hörte ich von Annabels<br />
Eltern, die in der Provence<br />
lebten, dass Annabel als Journalistin<br />
arbeitete, aber auch Restaurantbesitzerin<br />
gewesen war. Und dass<br />
Franzosen ungern vor 23 Uhr zu<br />
Abend essen. Dessert um 24 Uhr.<br />
Finn jubelte. Eine Schokoladen-<br />
Tarte. Annabel‘s Werk, denn Backen<br />
war ihr Ding! Sie schmeckte himmlisch.<br />
Im Hintergrund sang die Gattin<br />
des damaligen französischen<br />
Präsidenten „Quelqu‘un m‘a dit …“.<br />
Am nächsten Morgen ging unsere<br />
French Family shoppen – auf Vorrat.<br />
Mon dieu! War<br />
ich froh, dass<br />
wir nur zu<br />
dritt waren!<br />
<br />
FOTO: SHUTTERSTOCK<br />
32 OCEAN WOMAN <strong>2022</strong>