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OceanWoman Band 1 (2018)

Von Adria-Skippern im Adamskostüm bis zum Bach-Konzert am Strand von Tonga. Autorin Alexandra Schöler segelte mit Mann Peter und Sohn Finn viereinhalb Jahre um die Welt. Seit 2010 ist sie als OceanWoman-Kolumnistin mit an Bord der Redaktion und unterhält unsere LeserInnen mit launigen Beträgen, viel Witz und dem feinen Gespür einer Frau über die Welt der Langfahrtsegler. Eine Top-Auswahl ihrer Geschichten von 2010 bis 2018 wurde nun in dieser Sonderausgabe aufgelegt – zur erlesenen Unterhaltung erfahrener SkiperInnen, aber auch zum lockeren Einstieg angehender BlauwasserseglerInnen!

Von Adria-Skippern im Adamskostüm bis zum Bach-Konzert am Strand von Tonga.
Autorin Alexandra Schöler segelte mit Mann Peter und Sohn Finn viereinhalb Jahre um die Welt. Seit 2010 ist sie als OceanWoman-Kolumnistin mit an Bord der Redaktion und unterhält unsere LeserInnen mit launigen Beträgen, viel Witz und dem feinen Gespür einer Frau über die Welt der Langfahrtsegler.
Eine Top-Auswahl ihrer Geschichten von 2010 bis 2018 wurde nun in dieser Sonderausgabe aufgelegt – zur erlesenen Unterhaltung erfahrener SkiperInnen, aber auch zum lockeren Einstieg angehender BlauwasserseglerInnen!

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Wann ist man alt genug?<br />

XX X XX<br />

AUSGABE 7-8/2010<br />

Also, das ist schon interessant. Alle regen sich über die Jugend auf:<br />

lasch, verwöhnt, desinteressiert, leidenschaftslos, faul – und dann<br />

segelt eine 16-Jährige um die Welt und alle regen sich auf, wie<br />

unverantwortlich das ist.<br />

Risho Maru in einer Ankerbucht auf Vanuatu.<br />

kehrt besser funktioniert, aber ich denke,<br />

man sollte es versuchen. Vielleicht glaubt<br />

der Kapitän, eine Katastrophe könnte<br />

passieren, wäre er nicht am Steuer, denn<br />

nur wer lenkt, denkt – denkt er, der lenkt<br />

… oder … wie auch immer.<br />

Oder die Frauen denken sich, na mit<br />

der Maschine kenn’ ich mich nicht aus,<br />

wie war das mit dem Vorwärtsgang?<br />

Hallo? Autofahren ist schwieriger! Und<br />

wer sind denn bitte rein statistisch die<br />

besseren AutofahrerInnen?<br />

Also ran ans Steuer!<br />

Und vielleicht fällt dem Freizeitkapitän<br />

vorne bei der elektrischen Ankerwinsch<br />

mit einem Blick auf den Meeresgrund<br />

auf, dass der Anker auf einem Flecken<br />

Seegras nicht so gut hält wie auf einem<br />

Flecken Sand. Oder es fällt ihm sogar ein,<br />

ganz archaisch so wie Odysseus Mannen<br />

den Anker runterzulassen bzw. aufzuholen,<br />

ohne Elektrik, nur mit Muskelkraft,<br />

die sich am Ende des Urlaubs auch andeutungsweise<br />

an den Oberarmen und<br />

eventuell sogar waschbrettbauchmäßig<br />

zeigen wird – was der Seefrau sicher angenehm<br />

auffällt.<br />

Im Idealfall also passiert Folgendes:<br />

Die Seefrau knallt den Rückwärtsgang<br />

rein, bis der Anker einrastet und spart<br />

sich so nächtlich die Panik eines Not-<br />

Ankermanövers. Odysseus – pardon,<br />

Kapitän springt klassisch vom Bug in<br />

das Wasser und schaut, ob sich die Kette<br />

spannt, gibt ein Victory-Handzeichen<br />

und beide genießen dann ein kaltes Getränk<br />

ihrer Wahl.<br />

Ankern. Segeln. Ehekrisen. Das<br />

kennt man doch. Ankern. Seefrau und<br />

Odysseus. Das wäre doch einmal etwas<br />

anderes, oder? <br />

<br />

Dabei ist das Mädel mit 16 kein<br />

Kind mehr, fit, zäh, interessiert<br />

(offensichtlich), voller Leidenschaft<br />

(fürs Segeln), fleißig – alles was sie doch<br />

besser sein sollte. Komisch. Was hat<br />

Jessica Watson also falsch gemacht?<br />

Na ja, ich denke, das Problem war die<br />

Weltumsegelung. Obwohl, das ist ja nichts<br />

Besonderes mehr, hörte ich vor kurzem<br />

von einem Bekannten. Das machen eh<br />

schon so viele. Und bei der Jessica Watson<br />

waren sicher die Eltern dahinter, dass sie<br />

das macht, damit Geld ins Haus kommt.<br />

Nur – äh, kleiner Zwischenruf! – keinen<br />

Menschen kann man zu einer Weltumsegelung<br />

zwingen. Auch wenn es angeblich<br />

eh so viele machen. Die so vielen<br />

tun es freiwillig! Eine Weltumsegelung ist<br />

nicht wie ein Klavierabend oder eine<br />

Tanzvorstellung, wo die Oldies sagen:<br />

„Geh Spatzi, jetzt zeig’ doch einmal, was<br />

du am Konservatorium gelernt hast!“ Und<br />

dann klopfen sich alle auf die Schulter<br />

und das Spatzi verzieht sich wieder mit<br />

seinem Nintendo ins Jugendzimmer.<br />

Natürlich findet sich der Profilierungszwang<br />

mancher Eltern in unserer Gesellschaft.<br />

Und ich gebe zu, ein 13-Jähriger<br />

auf dem Mount Everest oder auf dem<br />

Ozean ist bescheuert. Aber mit 16?<br />

Einerseits soll die Jugend tough, fleißig<br />

und zielstrebig sein, anderseits kann so<br />

mancher 16-Jährige heutzutage nicht einmal<br />

sein Frühstück selber machen und<br />

ein paar Jährchen später wohnt er/sie<br />

noch immer zu Hause bei Mama, weil es<br />

halt so praktisch ist.<br />

In Wirklichkeit geht’s nämlich gar nicht<br />

um die Weltumsegelung, sondern um etwas<br />

ganz anderes: um das Nicht-mit-dem<br />

Strom-schwimmen. Um das Sich-trauenund-es-machen.<br />

Uiuiuiuiu!<br />

Das ist unser Thema! Ich erinnere<br />

mich, als wir unsere Entscheidung loszusegeln<br />

verkündeten, an die Reaktionen<br />

der Umgebung. Die meisten fanden es<br />

toll, aber fürchteten um unsere Wiedereingliederung<br />

und die Erziehung unseres<br />

Kindes. Andere gaben uns ein knappes<br />

Jahr, um dann doch wieder in den Kreis<br />

der Normalität zu finden. Und wieder andere<br />

redeten plötzlich nur mehr von sich<br />

und – ups – begannen ihr Leben zu rechtfertigen,<br />

warum es für sie besser sei dazubleiben,<br />

wegen Karriere, Kindern, Garten,<br />

Arbeitskollegen. Ist ja alles fein, aber warum<br />

das Gerede?<br />

Weil es eben so ist, dass man weiß, man<br />

sollte etwas ändern, aber man kann nicht.<br />

Und dann kommt da jemand, der kann<br />

und macht und dann muss man irgend -<br />

etwas finden, um das zu erklären und um<br />

sich zu erklären, dass eh alles so passt, wie<br />

es ist und unausweichlich seinen Weg<br />

geht.<br />

Passt ja! Es muss nicht jeder eine Weltumsegelung<br />

machen! Es will nicht jeder!<br />

Aber wenn’s einer tut – warum denn<br />

nicht? Obwohl, es machen ja schon so<br />

viele. Fragt sich nur, warum nie die, die<br />

das so normal finden.<br />

Das Thema sorgt natürlich auch für<br />

Diskussionsstoff in unserem Seglerfreundeskreis.<br />

Und der Peter meinte dann einmal:<br />

„Also wenn der Finn in der Pubertät<br />

zu spinnen anfängt, schick’ ich ihn<br />

auch über den Atlantik – allein!“ Darauf<br />

tönte Sohnemann, der zufällig mit seinen<br />

zehn Lenzen schon 29.000 Seemeilen<br />

auf dem Buckel und wie immer mit<br />

halben Ohr aus dem Nebenzimmer<br />

gelauscht hatte: „Ok. Und was ist da<br />

besonderes dabei?“<br />

<br />

Jugend (Sohn Finn) am Ruder.<br />

OCEAN WOMAN <strong>2018</strong> 9

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