27.03.2022 Aufrufe

LERNEN MIT ZUKUNFT MÄRZ 2022

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bis dahin gibt es leider noch eine ganze<br />

Reihe von Problemen zu lösen: Die auf<br />

den Chip aufgetragenen Zellen müssen<br />

frisch sein und leben nur kurze Zeit.<br />

Man braucht also häufig gleichzeitigen<br />

Nachschub von menschlichem Gewebe<br />

verschiedenster Organe. In den OP-Sälen<br />

fällt aber überwiegend krankes Gewebe<br />

an. Man muss also sorgfältig die wenigen<br />

gesunden Zellen, die bei einer OP mit<br />

entfernt werden, von den ganzen kranken<br />

Zellen trennen. Zudem hat jeder Patient<br />

eine andere Vorgeschichte (Raucher,<br />

Diabetiker, etc.). Die Zellen auf dem Chip<br />

haben je nach Herkunft eine andere Qualität,<br />

was die Ergebnisse solcher Chips<br />

wenig vergleichbar macht. Die Organe in<br />

unserem Körper haben mitunter direkten<br />

Kontakt und sind nicht nur über Flüssigkeiten<br />

verbunden. Substanzen können<br />

direkt von den Hautzellen in Muskelinformation<br />

& gesellschaft<br />

Organ on a Chip:<br />

Werden Tierversuche bald überflüssig?<br />

MODELL EINES LEBENDEN ORGANISMUS AUF EINEM KLEINEN<br />

PLASTIKPLÄTTCHEN<br />

Thomas Kolbe<br />

Fachwissenschaftler<br />

für Versuchstierkunde,<br />

Ao. Prof. für die<br />

Service-Plattform<br />

Biomodels Austria<br />

Veterinärmedizinische<br />

Universität Wien<br />

Die Bemühungen, Tierversuche<br />

nach Möglichkeit zu reduzieren<br />

oder gar zu ersetzen, wurden<br />

vor über 10 Jahren mit der<br />

Einführung der Europäischen Richtlinie<br />

zum Schutz von Versuchstieren intensiviert.<br />

Die niederländische Regierung<br />

beabsichtigt gar, bis 2035 alle gesetzlich<br />

vorgeschriebenen Tests ohne Versuchstiere<br />

durchführen zu wollen. Bis dahin<br />

ist es aber noch ein weiter Weg. Neben<br />

der Nutzung von Zell- und Bakterienkulturen,<br />

einfacheren Organismen<br />

wie Fadenwürmern, Hühnereiern oder<br />

Süßwasserpolypen, Miniorganen in<br />

der Petrischale (Organoide, siehe LMZ<br />

August 2018) und Attrappen und Simulationen<br />

für die Ausbildung gibt es auch<br />

die Entwicklung von Testsystemen mit<br />

lebenden Zellen in kleinen Kunststoffkammern,<br />

genannt “Organ on a Chip“:<br />

Dabei werden in kleine Kunststoffplatten<br />

eine Reihe von winzigen Kammern<br />

eingearbeitet. In jede Kammer kommt<br />

eine andere Sorte Zellen (Niere, Leber,<br />

Nerven, Muskel, etc.). Durch Kanäle sind<br />

die Kammern verbunden und werden mit<br />

Nährstoffen versorgt. Dann lässt man<br />

Testsubstanzen in verschiedenen Konzentrationen<br />

durchlaufen und schaut,<br />

ob es schädliche Effekte auf bestimmte<br />

Gewebetypen gibt. Manche Substanzen<br />

sind nicht direkt schädlich, sondern erst<br />

nach Abbau in der Leber und wirken<br />

sich dann z.B. auf das Lungengewebe<br />

aus. Wenn die Kanäle in dem Chip<br />

einen Kreislauf bilden, kann man solche<br />

Effekte erkennen und braucht dafür nicht<br />

mehr am lebenden Versuchstier zu testen.<br />

Außerdem kann man mit menschlichen<br />

Zellen arbeiten und es stellt sich nicht<br />

mehr die Frage, wie gut Ergebnisse an<br />

Versuchstieren auf den Menschen übertragbar<br />

sind. Solche Testsysteme könnte<br />

man auf vielfältige Weise in der Entwicklung<br />

von Medikamenten, bei der Prüfung<br />

schädlicher Substanzen (Toxizität) bis hin<br />

zur personalisierten Medizin nutzen. Ein<br />

ausgesprochen ambitioniertes Ziel ist es,<br />

einen Human on a Chip herzustellen, also<br />

alle Organe und Gewebe eines Menschen<br />

auf einem einzigen Chip zu vereinen.<br />

12 | <strong>MÄRZ</strong> <strong>2022</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!