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LERNEN MIT ZUKUNFT MÄRZ 2022

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Interessengruppen – links, rechts, reich, arm, dienstgebend, dienstnehmend,<br />

Impfbefürworter, Impfskeptiker, für schnelle Maßnahmen gegen den Klimawandel, für überlegtes Handeln gegen den<br />

Klimawandel, Ost, West uvam – dauernd diskutiert, verhandelt, evaluiert, welche Lösung für konkrete Herausforderungen<br />

in der Gesellschaft die richtigen seien. In einer Demokratie müssen besagte Lösungen schließlich mehrheitstauglich sein.<br />

Wer an einem gewissen Punkt erkennt, dass er seine Lösung, mit der er seine Ziele zu erreichen gedenkt, nicht auf friedlichem,<br />

jedenfalls unblutigem Weg erreichen wird, wird versucht sein, sie mit Waffengewalt durchzusetzen. Hier kommt<br />

wieder Herr von Clausewitz in Aktion.<br />

Wie verhält man sich richtig, wenn Einer, der in den politischen Prozess Involvierten glaubt, nurmehr<br />

mit Waffengewalt seine Position durchdrücken zu können? Angebracht scheint, zu erkennen, dass der,<br />

der zu Gewalt als Mittel der Wahl greift, sich verrannt hat. «Normal», oder besser gesagt «zivilisiert»,<br />

kann man mit ihm aller Voraussicht nach in diesem Stadium nicht mehr kommunizieren. Er sieht seinen<br />

Standpunkt, den will er erreichen.<br />

Komme, was wolle, koste es, was es wolle. Sanktionen, Aufrufe, Demonstrationen sind in dieser Situation<br />

nette Versuche der normalen, zivilisierten Kommunikationen. Für den Urheber der Gewalt erfolgen sie zu<br />

logisch, sind sie zu vorhersehbar. Er weiss exakt, wie er darauf reagieren muss.<br />

Womit der Initiator von Gewalt in der Regel nicht rechnet, ist, dass sein Konterpart seinerseits unlogisch<br />

kommuniziert. In der Psychologie ist ein solches Vorgehen als paradoxe Intervention bekannt. Wer sich unlogisch<br />

verhält, wird mit einer unlogischen Reaktion konfrontiert. Die Erwartungshaltung dahinter ist, dass der,<br />

der sich unlogisch verhält, sich aufgrund der unlogischen Reaktion seines Gegenübers neu orientieren muss,<br />

sich und sein Verhalten überdenkt und selbst zu einer adäquaten Lösung der Konfliktsituation, die er mit seinem<br />

Verhalten geschaffen hat, findet.<br />

Die normale, zivilisierte Kommunikation, die vorab die USA und die EU gegen Russland zelebrieren, hat eine gute Tradition.<br />

Angesichts der Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine erweist sie sich Ende Februar <strong>2022</strong><br />

als wenig wirkungsvoll. Da wäre es vielleicht klug, statt mehr vom immer Gleichen zu tun, neue Wege für<br />

die Lösung von Konflikten zu erdenken und zu gehen.<br />

Wie eine paradoxe Intervention gegen die Russische Föderation aussehen könnte? Der Einmarsch österreichischer<br />

Truppen in der Slowakei, um die Slowakei bei der Sicherung der eigenen Infrastruktur zu unterstützen?<br />

Die Invasion Schweizer Truppen in Liechtenstein, wonach die Schweiz dem Fürsten von Liechtenstein<br />

die Königswürde antragen würde, damit man als deutlich größeres Staatsgebiet sich besser gegen fremde Anmaßungen<br />

schützen könnte? Eine Entsendung deutscher Friedenstruppen nach Aserbeidschan, um den Aufbau der dortigen<br />

Zivilgesellschaft tatkräftig zu begleiten?<br />

Die Denkerinnen, Denker und Thinktanks in und um Washington D.C. und Brüssel entwickeln vermutlich bessere Ideen für<br />

eine paradoxe Intervention in Richtung Russische Föderation. Wenn hernach die Hohen Repräsentanten der USA und der<br />

EU die Maßnahme umsichtig und konsequent implementieren, steht einer adäquaten Lösung des Ukraine-Konflikts wohl<br />

nichts mehr im Wege.<br />

P.S. Dürfte auch paradoxe Kommunikation die richtige Antwort an die Russische Föderation auf strategischer Ebene sein,<br />

ist gleichzeitig doch eines dringend geboten. Gegenüber den Opfern der russischen Aggression in der Ukraine müssen<br />

unsere Botschaften logisch bleiben. Der Einmarsch von Truppen der Russischen Föderation stellt einen aggressiven Akt<br />

dar und kann auf keinen Fall akzeptiert werden. Unsere Solidarität gilt dem ukrainischen Volk, das den Invasoren furchtlos<br />

und mutig Widerstand leistet. So lange wie irgend möglich.<br />

27 | <strong>MÄRZ</strong> <strong>2022</strong>

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