277.TIROL - April 2022
Ausgabe 6, April 2022
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tirol.modern und innovativ tirol.modern und innovativ 53<br />
MATTY?<br />
MATTY WAS?<br />
Wer von Ihnen hat schon mal den Namen „Matty“ gehört? Ja, „Matty“. Und was könnte<br />
sich hinter diesem Namen verbergen? Ich hatte aber so was von keine Ahnung. Wahrscheinlich<br />
wird es Ihnen gleich ergehen. Des Rätsels Lösung? „Matty“ steht für ein Tiroler<br />
Unternehmen, welches erst 2020 gegründet wurde, mittlerweile aber schon höchst<br />
erfolgreich ist. Am besten, Sie lesen gleich weiter.<br />
Aller Anfang ist schwer. „Du, ich hab<br />
diese Woche überhaupt keine Zeit, ich<br />
bin total eingedeckt, lass uns nächste<br />
Woche telefonieren.“ Eine Woche später.<br />
„Du, ich hab diese Woche überhaupt<br />
keine Zeit, ich bin total eingedeckt,<br />
lass uns nächste Woche telefonieren.“<br />
Nein, so nicht, denke ich mir und sage:<br />
„Schade, dann wird´s leider nichts mit<br />
unserer Geschichte.“ Kurzes Schweigen.<br />
„Warte mal, Donnerstag um neun,<br />
da hätte ich eine halbe Stunde Zeit.“<br />
„Tut mir leid, wir brauchen mindestens<br />
eine Stunde – mindestens,“ meine Antwort.<br />
„Ok, die krieg ich wohl auch noch<br />
zusammen. Also Donnerstag um neun.“<br />
Aller Anfang ist schwer. Als ich wie vereinbart<br />
um neun anrufe: „Du, ich sitz gerade<br />
im Auto, bin am Weg ins Büro. Kann ich<br />
dich in zehn Minuten anrufen?“ Eine halbe<br />
Stunde später klappt es dann endlich.<br />
Georg Foidl, der Gründer, Eigentümer und<br />
Geschäftsführer von Matty ruft an, nimmt<br />
sich nunmehr Zeit, über sich und sein<br />
Unternehmen zu erzählen. Am darauffolgenden<br />
Montag sitzen wir uns dann auch<br />
noch persönlich gegenüber, in Innsbruck.<br />
„Über mich magst was wissen? Hör auf,<br />
ich bin doch gar nicht wichtig.“ Deshalb<br />
nur im Schnelldurchgang. Der gebürtige<br />
Waidringer, mittlerweile 30 Jahre jung,<br />
absolvierte seine dreijährige Kochlehre<br />
im Vitalhotel Berghof in Erpfendorf bei<br />
Kirchdorf, um dann in diesem Hotel gleich<br />
als Sous Chef zu beginnen.<br />
Über ein namhaftes Hotel in Fieberbrunn,<br />
„dort war ich sogar Küchenchef“, gelangte<br />
er nach Braz. Braz, werden Sie sich fragen,<br />
wo bitte schön ist denn das? Braz<br />
ist eine Ansammlung weniger Häuser in<br />
der Nähe von Bludenz mit einem renommierten<br />
Haubenlokal und Golfhotel. „Ein<br />
Jahr lang war ich dort als Beilagenkoch<br />
tätig, wobei die Sprache schon wild war.<br />
Anfangs hab ich nicht einmal meinen<br />
Küchenchef verstanden.“ Ja, das Vorarlbergische<br />
ist für all jene, die aus Ländle-<br />
Sicht hinter dem Arlberg wohnen, also<br />
dem Rest Österreichs, tatsächlich nur<br />
schwer verständlich.<br />
„Georg – weißt keinen Koch für mich?“<br />
2019 – die fünf Jahre davor war Georg Foidl<br />
in der IT-Branche tätig, verkaufte Informationssysteme<br />
an Vier- und Fünf-Sterne-<br />
Hotels in der Schweiz und in Österreich.<br />
2019 dann die große Erleuchtung, die<br />
bahnbrechende Idee. „Die Tiroler Hotellerie<br />
ist ja ein Dorf, da kennt jeder jeden.<br />
Immer wieder wurde ich auf das Gleiche<br />
angesprochen: Du, Georg, weißt keinen<br />
Koch für mich, wir bekommen keinen. Da<br />
hab ich dann gedacht, warum bietet denn<br />
niemand den Hotels verschiedene Menüs<br />
an? Da hätten doch beide Seiten etwas<br />
davon.“<br />
Zuvor gab es freilich noch ein kleines<br />
Problem: Die Finanzierung jener Großküche,<br />
die für Hotels an bestimmten Tagen<br />
eine ganze Bandbreite von Menüs frisch<br />
zubereiten und liefern sollte. „Wir haben<br />
dann eine Investorengruppe in Kramsach<br />
gefunden. Denen hat unsere Idee gefallen.<br />
Danach sind wir uns rasch einig geworden.“<br />
Im Jänner 2020 wird Matty gegründet (der<br />
Name steht für „Menus are transported to<br />
BILD: Georg Foidl,<br />
der Kopf von Matty, in<br />
seiner Großküche. Erst<br />
vor wenigen Wochen<br />
wurde das Unternehmen<br />
mit dem Innovationspreis<br />
des Landes<br />
Tirol ausgezeichnet.<br />
(© fancy tree films)<br />
you“), im Dezember<br />
gleichen Jahres wird<br />
die 1,5 Mio. € teure<br />
Großküche in Buch<br />
bei Jenbach eröffnet.<br />
„Das war damals die<br />
modernste Großküche<br />
Österreichs“,<br />
freut sich Foidl auch<br />
noch heute.<br />
Dezember 2020,<br />
Sie erinnern sich<br />
noch? Corona, Jahr<br />
eins. Strenger Lockdown,<br />
fast alles<br />
geschlossen, Ausgehverbote.<br />
„Jetzt<br />
hatten wir eine tolle<br />
Großküche, die freilich<br />
nichts produzieren<br />
konnte, weil<br />
alle Hotels zu hatten.<br />
Wir haben uns<br />
dann überlegt, wie<br />
wir das zum Laufen<br />
kriegen. Na ja, und dann kam die Idee,<br />
gesundes Essen für Beschäftigte aus den<br />
unterschiedlichsten Bereichen zuzubereiten.<br />
Im März 2021 wurden die ersten<br />
Essen für Betriebe ausgeliefert, von der<br />
Drei-Mann-Firma bis hin zu Unternehmen<br />
mit 600 Beschäftigten. Der Start<br />
war endlich geglückt.“<br />
2.000 Essen täglich<br />
Am 19. Mai des Vorjahres durften die<br />
Hotels in Tirol wieder öffnen. Bereits ein<br />
paar Tage später lieferte Matty die ersten<br />
Menüs aus. „Gute Köche waren und sind<br />
nicht so leicht zu bekommen, darum wurden<br />
wir mit offenen Armen empfangen.<br />
Wir stellen den Hotels an zwei bis drei<br />
Tagen die Woche fertige Menüs zur Verfügung,<br />
oder auch nur die Vor-, Hauptoder<br />
Nachspeise. In dieser Zeit können<br />
sie ihren Köchen freigeben, eine geregelte<br />
Arbeitswoche anbieten. Gute Köche sind<br />
immer gefragt, nur bestehen diese zu<br />
Recht auch auf ihre Freizeit. Wenn alles<br />
zusammenpasst, bleiben sie auch längerfristig<br />
im Hotel beschäftigt.“<br />
In der eigenen Großküche in Buch beschäftigt<br />
Foidl mittlerweile zwölf Köche, dazu<br />
vier Personen im Back Office. Personalprobleme<br />
kennt er keine. „Wir zahlen gute<br />
Löhne, weit über dem Kollektivvertrag. Es<br />
gibt durchgehende Arbeitszeiten, keine<br />
Teildienste, keine stundenlangen Leerzeiten.<br />
Außerdem gibt´s bei uns keine Saisonarbeit,<br />
sondern eine Jahresstelle. Das<br />
Gesamtpaket ist einfach sehr attraktiv.“<br />
Die Essenszubereitung<br />
erfolgt bei uns ausschließlich<br />
in Handarbeit.<br />
Da gibt es also keine<br />
Maschinen, die etwa<br />
Knödel machen.<br />
Aktuell werden über zehn Hotels in Tirol<br />
regelmäßig beliefert, dazu kommen noch<br />
knapp sechzig Betriebe, deren Beschäftigte<br />
mit Mahlzeiten versorgt werden. Rund<br />
2.000 Essen werden derzeit täglich frisch<br />
zubereitet, in den nächsten zwei bis drei<br />
Jahren sollen es 10.000 Essen täglich sein.<br />
Was Foidl besonders herausstreicht:<br />
„Die Essenszubereitung erfolgt bei uns<br />
ausschließlich in Handarbeit. Da gibt es<br />
also keine Maschinen, die etwa Knödel<br />
machen.“ Offensichtlich kommt diese Art<br />
der Kooperation, der Essenslieferung in<br />
den Hotels gut an. Das Interesse ist groß,<br />
die Nachfrage steigt. „Das Allermeiste läuft<br />
über Mundpropaganda, über Empfehlungen.<br />
Wir beliefern derzeit ausschließlich<br />
Hotels im Vier-Sterne- und Vier-Sterne-<br />
Plus-Bereich. Da ist gehobene Küche<br />
gefragt, Qualität das zentrale Kriterium.“<br />
Kindergärten und Seniorenheime<br />
Eine weitere Tür wurde kürzlich auch in<br />
Richtung Kindergärten und Seniorenheime<br />
geöffnet. So werden etwa die Kindergärten<br />
in Stams und Aschau mit frisch zubereiteten<br />
Matty-Mahlzeiten beliefert, ebenso wie<br />
Seniorenheime in Münster und anderen<br />
Gemeinden. Dort spielt der Preis natürlich<br />
eine wichtigere Rolle. Foidl´s Credo: „Das<br />
Kind isst unsere Mahlzeiten im Kindergarten,<br />
die Mutter in der Firma, der Papa in<br />
der Werkstatt, der Opa und die Oma im<br />
Seniorenheim. Und wenn die ganze Familie<br />
dann auf Urlaub fährt, kommt das Menü<br />
ebenfalls von uns.“ Klingt gut, setzt freilich<br />
voraus, dass die Familie dann mindestens<br />
in einem Vier-Sterne-Hotel nächtigt. Und<br />
auch die entsprechenden Preise bezahlen<br />
kann.<br />
Für Matty und die Investorengruppe<br />
beginnt sich diese Idee langsam zu rechnen.<br />
Am 31. Dezember 2021 wurde bereits<br />
der Break Even erreicht, auch im Jänner<br />
konnte ein Gewinn erzielt werden. Und das<br />
in diesen herausfordernden Corona Zeiten<br />
– eine wirklich bemerkenswerte Leistung.<br />
Kein Wunder, dass die kurz- und mittelfristigen<br />
Planungen erweitert werden. Expansion<br />
ist angesagt, wenngleich man nicht zu<br />
schnell zu rasch wachsen will.<br />
Wirft man einen kurzen Blick in die Business-Pläne,<br />
so versteht man langsam<br />
auch die Foidl´sche Rastlosigkeit. In naher<br />
Zukunft soll eine zweite Großküche in München<br />
eröffnet werden, danach sollen noch<br />
weitere Großküchen folgen. „Vergangenen<br />
Monat musste ich einem großen Hotel<br />
absagen, einfach weil wir aktuell keine<br />
Kapazitäten mehr haben. Die Nachfrage<br />
ist einfach zu groß.“ Gut, diese „Probleme“<br />
würden sich andere Unternehmen wohl<br />
auch wünschen.<br />
Übrigens: Nach diesen Gesprächen mit<br />
Georg Foidl nehme ich sein „Du, ich hab<br />
diese Woche überhaupt keine Zeit.“ nicht<br />
mehr persönlich. Der Kerl hat offensichtlich<br />
wirklich sehr viel um die Ohren. Bei der<br />
Frage nach seinem Privatleben etwa lacht<br />
er laut auf. „Das ist derzeit echt schwierig.<br />
Ich bin zwar frisch verliebt, hab aber<br />
sehr wenig Zeit. Zum Glück sitzt meine<br />
Freundin in Wien, hat ebenfalls einen herausfordernden<br />
Job, auch nicht so viel Zeit.<br />
Sehen tun wir uns derzeit also vor allem<br />
über Videokonferenzen.“<br />
VON<br />
REINHOLD OBLAK