Krebsratgeber
Egal, ob man als Ärztin oder Arzt beim Diagnosegespräch die richtigen Worte finden muss, oder als Patient:in beim Gespräch mit Freunden, Familie, Kindern, Arbeitskolleg:innen, oder auch als nicht Betroffene:r (darf ich einen Menschen mit Glatze fragen, ob er Krebs hat?) – Über Krebs zu sprechen ist schwierig. Diese Kampagne hilft dabei, das Gespräch zu beginnen und zu vertiefen.
Egal, ob man als Ärztin oder Arzt beim Diagnosegespräch die richtigen Worte finden muss, oder als Patient:in beim Gespräch mit Freunden, Familie, Kindern, Arbeitskolleg:innen, oder auch als nicht Betroffene:r (darf ich einen Menschen mit Glatze fragen, ob er Krebs hat?) – Über Krebs zu sprechen ist schwierig. Diese Kampagne hilft dabei, das Gespräch zu beginnen und zu vertiefen.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
EINE THEMENZEITUNG VON MEDIAPLANET
In dieser Ausgabe: Persönliche Geschichten
von Ärzt:innen und Betroffenen zu verschiedenen Krebsarten
Lesen Sie mehr auf www.krebsratgeber.at
Krebsratgeber
FOTO: MANFRED WEIS
TABU BRECHEN:
ÜBER KREBS
SPRECHEN
Rational
Krebs ist kompliziert.
Wie spricht man
richtig darüber?
Emotional
Die eigenen Gefühle
in Worte zu fassen
fällt oft schwer.
Warum ist das so?
2 Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
IN DIESER AUSGABE
FOTO: FELICITAS MATERN
04
Univ.-Prof. Dr. Christian Marth
Der Leiter der Universitätsklinik
für Gynäkologie und Geburtshilfe
an der MedUni Innsbruck über das
Endometrium-Karzinom und warum
Zuhören ein Teil der Therapie ist
FOTO:CDC-JL3EEMWRNK4-UNSPLASH
FOTO: FELICITAS MATERN
05
Univ.-Prof. Dr.
Shahrokh F. Shariat
Der Gründer der Initiative STOP
Blasenkrebs über die Diagnose
Blasenkrebs und die Krebslandschaft
Österreich
Patient Advocacy oder:
Was dem Gesundheitssystem
noch fehlt
FOTO: FELICITAS MATERN
Das österreichische Gesundheitssystem verfügt über
einen sehr guten, niederschwelligen Zugang zur
Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig gibt es an vielen
Stellen massiven Anpassungs- und Aufholbedarf –
gerade im Feld der Patient:innenvertretung.
10
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe
Der Vorstand der ÖGHO über seine
Erfahrungen mit Kommunikation
und Krebs und warum sie so
herausfordernd sein kann
IMPRESSUM
Industry Manager Health: Paul Pirkelbauer
Lektorat: Sophie Müller, MA
Grafik & Layout: Daniela Fruhwirth
Managing Director: Bob Roemké
Medieninhaber: Mediaplanet GmbH,
Bösendorferstraße 4/23,
1010 Wien, ATU 64759844 · FN 322799f FG Wien
Impressum: https://mediaplanet.com/at/
impressum/
Distribution: Der Standard Verlagsgesellschaft
m.b.H.
Druck: Mediaprint Zeitungsdruckerei
Ges.m.b.H. & Co.KG
Kontakt bei Mediaplanet:
Tel: 01 236 34 38 0
E-Mail: hello-austria@mediaplanet.com
ET: 24.06.2022
Bleiben Sie in Kontakt:
@Mediaplanet Austria
@austriamediaplanet
Schaut man sich die Statistik an, ist
Österreich auf medizinischer Ebene
weltweit in der ersten Liga vertreten.
So glauben wir. Das bedeutet nicht,
dass wir hierzulande in einer medizinischen
Idylle leben. Die Ergebnisse im
Bereich der onkologischen Versorgung
befinden sich im europäischen Mittelfeld.
Ein fragmentiertes Gesundheitssystem
und fehlende Daten über den Ausgang der
Behandlungen lassen große Versorgungslücken
offen. Und: Es fehlt die Patient:innensicht.
Mehr als ein paar qualifizierte Stimmen
rufen derzeit simultan nach einem Kulturwandel
und Paradigmenwechsel. Warum?
Weil das Gesundheitssystem immer noch
nicht weiß, was Patient Advocacy ist.
Ganz allgemein bezeichnet Patient
Advocacy (Patient:innenvertretung
durch qualifizierte Patient:innenstimmen)
Bestrebungen, die Interessen von
Patient:innen zu stärken und ihre Realitäten
besser sichtbar zu machen. Patient
Advocates können auf lokaler oder nationaler
Ebene tätig sein. Sie unterstützen
erkrankte Menschen, schärfen das öffentliche
Bewusstsein für die Krankheit, treiben
die Forschung voran, verbessern die
Qualität der Versorgung oder beschäftigen
sich mit legislativen und regulatorischen
Fragen. Dabei werden der Mehrwert der
patient:innenzentrierten Behandlung,
die Vorteile der frühzeitigen Einbindung
in die Forschung und die Pluspunkte von
qualifizierten Erfahrungsberichten erklärt,
gefördert und gefordert. Es geht um Transparenz
und Patient:innenorientierung;
darum, Aspekte der Lebensqualität in die
Versorgung einzubeziehen. Typischerweise
handelt es sich bei Patient Advocates um
(ehemalige) Patient:innen oder deren Angehörige.
Es kann jedoch auch vorkommen,
dass medizinisches Fachpersonal in diese
Rolle schlüpft.
Mut ist Veränderung – nur früher.
In der österreichischen Praxis haben
Patient Advocates in Forschung und Entwicklung
sowie gesundheitspolitischen
Gremien (noch) keinen echten Platz, denn
hierzulande wird aufgrund aktueller
Gesetzestexte nicht zwischen Laienpatient:innen
und professionellen Patient:innenvertretungen
unterschieden. Auch
fehlen Erfahrung, Wissen und Verständnis
der einzelnen Stakeholder:innen, wann
und wie professionelle Patient:innenstimmen
in verschiedene Themen eingebunden
werden können. Es wird also primär über
und nicht mit Patient:innen gesprochen
und entschieden.
Der Grund: Es gibt keine offizielle
Berufsbezeichnung. Trotz Qualifikation
wird Patient Advocates immer noch der
Lai:innenstatus zugeschrieben. Die Lösung
liegt in der Innovation und im mutigen
Handeln der relevanten Stakeholder:innen.
Kulturwandel und Paradigmenwechsel
sollen durch die Etablierung des Berufsbilds
„Patient Advocate“ möglich sein.
Mehr dazu wissen die Patient Advocates
Martina Hagspiel (InfluCancer) und Anita
Kienesberger (Childhood Cancer Europe,
kurz CCI Europe). Ziel ist es, dass qualifizierte
Patient:innenstimmen besagten
Lai:innenstatus verlieren.
Wenn du weit gehen willst, dann
gehe mit anderen gemeinsam
Martina Hagspiel und Anita Kienesberger
vertreten Patient:innen mit onkologischen
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at 3
Erkrankungen, also Krebs – aus unterschiedlichen
Gründen. Martina hatte
Brustkrebs, Anita blickt auf 20 Jahre
Geschäftsführung der Österreichischen
Kinderkrebshilfe zurück. Heute sind sie als
Patient Advocates tätig, arbeiten Seite an
Seite in der in 2021 gegründeten Allianz der
onkologischen Patient:innenorganisationen.
Ihr Fokus liegt auf einer verbesserten
Versorgung von Patient:innen und deren
Angehörigen in Österreich. Unter anderem
soll mit dem Universitätslehrgang „Patient
Advocacy – Management in Patient:innenorganisationen“
eine richtungsweisende
Weiterbildung entstehen. So können nicht
nur die Kompetenzen der österreichischen
Patient:innenvertretung drastisch verbessert
werden, sondern durch die neue
Ausbildung werden auch objektivierbare
Rahmenbedingungen für das neue Berufsbild
Patient Advocate geschaffen.
So wie Martina und Anita ihren Beruf
als Patient Advocate ausüben, basiert die
Arbeit vor allem auf der Kommunikation
zwischen unterschiedlichsten Stakeholdern
und Stakeholderinnen. Beide sind mit ihren
Organisationen länderübergreifend tätig;
Martina mit der Patient:innenorganisation
InfluCancer, die sich für den öffentlichen
Umgang mit Krebs einsetzt. Die Ziele
sind klar: Es geht um Selbstwirksamkeit,
Mündigkeit, das Aufbrechen von Tabus
und angstfreien Umgang mit Krebs. „Wir
brauchen ein grundsätzliches Verständnis
dafür, dass optimale Versorgung nur dann
gelingt, wenn der Kulturwandel Patient:innen
nicht nur mitgestalten lässt, sondern
ihnen auch eine Stimme gibt.“
„Patient:innen brauchen einen Platz am
Verhandlungstisch“, weiß Anita Kienesberger.
Als Vorsitzende von CCI Europe verfolgt
sie die Vision, ehemals an Krebs erkrankten
Kindern und Jugendlichen (Survivors) und
deren Eltern, den Zugang zu bestmöglichen
Behandlungsmethoden zu erleichtern, die
Erforschung von neuen Medikamenten
voranzutreiben und eine flächendeckende
Nachsorge für Survivors zu implementieren.
„Mit uns statt über uns“
lautet die Forderung
Patient Advocacy steht in Österreich erst
am Anfang und hat noch einen langen Weg
FOTO: SHUTTERSTOCK
zur Systemrelevanz vor sich. Dank der
gesundheitspolitischen Arbeit einiger sehr
aktiver Patient Advocates und aufgrund von
Zusammenschlüssen wie die Allianz der
onkologischen Patient:innenorganisationen
wird deutlich, dass es an der Zeit ist, der
stark unterrepräsentierten Gruppe der
Patient:innen einen Fixplatz am Verhandlungstisch
zu bieten und sie in die Diskussionsrunden
der Gesundheitspolitik und
darüber hinaus einzuladen.
Anita Kienesberger
Patient Advocate
Martina Hagspiel
Patient Advocate
FOTO:CCI EUROPE
FOTO: CARO STRASNIK
Weiterführende Links: www.influCancer.com,
www.ccieurope.eu, www.dieallianz.org
Entgeltliche Einschaltung
Kommunikation ist das
Um und Auf
Kommunikationsexpertin Birgit Hladschik-Kermer erklärt, warum
Kommunikation zwischen Medizinerinnen und Medizinern und
Patient:innen so wichtig ist und was es für ihr Gelingen braucht.
Univ. Ass. Dr. Mag.,
MME Birgit Hladschik-Kermer,
Psychotherapeutin,
Expertin für Supervision
& Gesundheitskommunikation
AT-6785, 05/2022
FOTO: RAFAELA PRÖLL
Wie wichtig ist Kommunikation?
Sie ist das Um und Auf. Ohne sie kommen
Ärztinnen und Ärzte nicht an die wichtigen
Informationen. Ohne Anamnese gibt es
keine Diagnose. Ärztinnen und Ärzte und
auch Menschen in anderen Gesundheitsberufen
verfügen über ein enormes Fachwissen.
Aber das nützt natürlich nichts,
wenn sie Informationen nicht so vermitteln
können, dass Patient:innen alles nachvollziehen,
sich merken und umsetzen können.
Aus Studien weiß man, dass nach ca. der
Hälfte aller Gespräche Ärztinnen und
Ärzte und deren Patient:innen nicht in der
Diagnose übereinstimmen. Hier ist natürlich
vorprogrammiert, dass die Umsetzung
einer Behandlung nicht optimal funktionieren
kann. Beide Seiten haben hier
eigene Vorstellungen von Diagnose und
Therapie. Darum ist es so wichtig, zu einem
gemeinsamen Verständnis der Dinge zu
kommen, um am selben Strang zu ziehen.
Wie macht man das?
Zum Beispiel indem Informationen und
Ablauf eines Gesprächs entsprechend aufbereitet
werden: „Ich habe die Ergebnisse
der letzten Untersuchung für Sie. Als erstes
würde ich Ihnen diese gern mitteilen und
danach über deren Bedeutung für Sie sprechen
und darüber, wie wir weitermachen.
Ist das in Ordnung für Sie?“ Es ist wichtig,
die Zustimmung einzuholen, denn wenn
der/die Patient:in „Ja“ sagt, habe ich die
volle Aufmerksamkeit. Im Gespräch selbst
sollte man auf eine verständliche Sprache
mit kurzen Sätzen achten. Wichtig sind
auch Pausen, um den Patient:innen die
Chance zu geben, das Gehörte zu verarbeiten.
Dies gilt insbesondere dann, wenn es
Nicht zuletzt stehen heute
vermehrt individualisierbare
und personalisierbare
Therapiemöglichkeiten zur
Verfügung.
Univ.-Prof. Dr. Edgar Petru
sich um belastende Nachrichten handelt.
Man kann Patient:innen auch dazu
ermutigen, das Gehörte für sich nochmal
zusammenzufassen um zu sehen, ob sie die
Informationen auch verstanden haben. Für
ein erfolgreiches Gespräch ist es aber auch
wichtig aktiv zuzuhören, aufmerksam zu
bleiben und die Patient:innen aussprechen
zu lassen.
Was können Patient:innen
selbst beitragen?
Es ist zwar prinzipiell die Kernaufgabe der
Mediziner:innen, Informationen verständlich
aufzubereiten; natürlich kann man
sich aber auch als Patient:in auf ein
Gespräch vorbereiten, indem vorab
überlegt wird, welche und wie viele
Informationen benötigt werden.
Text Werner Sturmberger
Univ.-Prof. Dr.
Edgar Petru
Stellvertretender
Klinikvorstand
Univ.-Klinik für
Frauenheilkunde und
Geburtshilfe
Klinische Abteilung
für Gynäkologie
Medizinische
Universität Graz
Lesen Sie das gesamte
Interview mit Prof.
Petru unter:www.
krebsratgeber.at/
expertise/metastasierter-brustkrebsaus-arztlicher-perspektive-woraufkommt-es-an/
FOTO:PRIVAT
4 Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
EXPERTISE
Endometriumkarzinom:
Zuhören ist Teil der Therapie
Der Krebs der Gebärmutterschleimhaut gilt als eine der häufigsten
bösartigen Erkrankungen. Dennoch fällt es vielen PatientInnen schwer
darüber zu reden, erklärt der Gynäkologe Christian Marth.
Text Werner Sturmberger
FOTO: UNSPLASH
Wie entsteht das Endometriumkarzinom?
Östrogen und Gelbkörperhormon regen das
Wachstum der Gebärmutterschleimhaut
während des Zyklus an. Bei der Monatsblutung
wird die oberste Schicht der Schleimhaut
wieder abgestoßen. Nach dem Wechsel
aber auch bei einer Hormontherapie oder
bei Übergewicht kann es dazu kommen, dass
Östrogene überwiegen, was das Wachstum
und damit
eine mögliche
Entartung der Schleimhaut anregt. Ein
solche Entartung kann in weiterer Folge über
Vorstufen zum Entstehen eines Endometriumkarzinoms
führen. Neben Übergewicht,
Diabetes sowie der erblichen Vorbelastung
ist es vor allem das fortgeschrittene Alter,
das einen bekannten Risikofaktor, an diesem
Tumor zu erkranken, darstellt. Jährlich sind
zwischen 900 und 1.000 Frauen betroffen.
Damit ist es der häufigste gynäkologische
Beckentumor. Für 180 Frauen pro Jahr
verläuft dieser immer noch tödlich. Gesamt
betrachtet bedeutet das aber, dass über 80
Prozent aller Patient:innen geheilt werden
können.
Wie entdeckt man den Tumor?
Thomas Mann hat die Erkrankung in seinem
Roman „Die Betrogene“ sehr gut beschrieben.
Darin geht es um eine Witwe, die sich in
einen jüngeren Mann verliebt. Sie leidet
darunter, dass sie ihm keine Kinder mehr
schenken kann. Als sie eines Tages
eine Blutung entdeckt, hält sie das für
ein Wiedereinsetzen ihrer Periode.
Tatsächlich handelt es sich dabei
aber um ein Endometriumkarzinom,
an dem sie letztlich verstirbt.
Treten nach dem Wechsel
Blutungen auf, sollte man das
darum immer abklären lassen.
Oftmals handelt es sich um
gutartige Veränderungen der
Gebärmutterschleimhaut –
aber eben nicht immer. Der
Tumor wird jedoch meist früh
entdeckt, was sich positiv auf
die Heilungsrate auswirkt.
Wenngleich seltener, kann
die Erkrankung ebenso bereits
vor dem Wechsel auftreten und
sich durch eine unregelmäßige
Blutung bemerkbar machen. Die
Unregelmäßigkeit sorgt dafür, dass
viele Frauen dies ohnehin abklären
lassen, weshalb die Erkrankung auch
in jungen Jahren oft rasch entdeckt wird.
Gerade wenn es in der Familie viele Fälle
von Darmkrebs gibt, sollte man die Möglichkeit
eines Endometriumkarzinoms im
Hinterkopf behalten.
Wie erleben Patient:innen die Diagnose?
Es ist immer sehr unterschiedlich, wie
Patient:innen reagieren – abhängig vom
Alter, vom Schweregerad der Erkrankung und
nicht zuletzt von der individuellen Resilienz,
die Patient:innen mitbringen. Ich hatte
heute eine Patientin, der die Gebärmutter
entnommen wird. Die Dame ist etwa 70 Jahre
alt und freut sich, dass sie geheilt nach Hause
gehen kann. Das ist aber natürlich nicht
immer so. Vor allem bei Frauen im gebärfähigen
Alter ist die Diagnose natürlich von
ganz anderer Bedeutung. Hier versucht man
deshalb oft, die Gebärmutter therapeutisch
zu erhalten, um den Kinderwunsch nach
wie vor ermöglichen zu können. Klar ist: Die
Wünsche der Patientin/des Patienten stehen
immer Zentrum.
Wie schwierig ist es,
über die Erkrankung zu sprechen?
Ich habe noch die Zeit miterlebt, da hat man
gar nicht von Krebs, sondern nur von einer
„Veränderung der Gebärmutter“ gesprochen –
und auch nur mit den Angehörigen und nicht
mit der Patientin/dem Patienten selbst. Das
hat sich natürlich mittlerweile vollkommen
geändert. Dennoch ist es nach wie vor nicht
so leicht, als Betroffene:r darüber zu sprechen.
Wie bei allen gynäkologisch relevanten
Organen handelt es sich auch hier um ein
sehr intimes Thema – vor allem, wenn die
Erkrankung sehr früh auftritt. Zuhören und
die Person erzählen lassen sind darum ganz
wichtig. Es geht auch darum, persönliche und
nicht nur unmittelbar medizinische Fragen
zu stellen, um zu erfahren, wie sozial eingebettet
jemand ist und wieviel Unterstützung
das soziale Umfeld bieten kann.
Welche Rolle kommt Angehörigen
und Freund:innen zu?
Ich habe schon erlebt, dass eine Patientin ihre
Angehörigen bis zum Schluss im Dunkeln
über die Erkrankung gelassen hat. Das ist
natürlich ihr gutes Recht, weil sie so ihr
Umfeld schützen wollte. Natürlich empfehlen
wir aber, Ängste und Sorge mit Menschen, die
einem nahe stehen, zu teilen. Wir Ärzte und
Ärztinnen können nicht allein dabei helfen,
die Erkrankung zu bewältigen. Der Kontakt
ist ja immer nur punktuell im Rahmen von
Terminen möglich. Darum braucht es
Menschen, die auch sonst ein offenes Ohr
haben. Gibt es diese Unterstützung aus dem
privaten Umfeld nicht oder reicht sie schlichtweg
nicht aus, kann es auch ratsam sein, sich
an die Krebshilfe oder entsprechende
Selbsthilfegruppen zu wenden.
FOTO: FELICITAS MATERN
Univ.-Prof. Dr.
Christian Marth,
Leiter der Universitätsklinik
für Gynäkologie
und Geburtshilfe
an der MedUni
Innsbruck
Diese Kampagne wurde unterstützt von Eisai GmbH.
Bei dieser Logoplatzierung handelt es sich
um eine entgeltliche Einschaltung.
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at 5
EXPERTISE
Univ.-Prof. Dr.
Shahrokh F. Shariat
Leiter der Universitätsklinik
für Urologie
am AKH Wien
FOTO: FELICITAS MATERN
Über Blasenkrebs
sprechen –
aber richtig
Ein Interview mit dem international
anerkannten Blasenkrebs-Experten
Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat über
verständliche Kommunikation, Quantensprünge
in der Medizin und das Tabuthema Tod.
Text Magdalena Reiter-Reitbauer
Sie haben 2019 die Initiative STOP
Blasenkrebs gegründet. Was war die
Intention zur Gründung und warum
braucht es diese Initiative?
Blasenkrebs ist eine sehr komplexe Erkrankung,
die nicht nur von klinischen Parametern
beeinflusst wird, sondern auch davon,
wie Patient:innen ihre Erkrankung wahrnehmen
und welche Auswirkungen Blasenkrebs
auf ihr Leben, deren Familien und
deren soziale Umgebung hat. Da es damals
keine Selbsthilfegruppe für Blasenkrebs gab,
wollten wir deshalb mit STOP Blasenkrebs
einen Ratgeber schaffen, der Patient:innen
empowert ihre Krankheit zu verstehen, um
so zu mündigen und informierten Partnerinnen
und Partnern zu werden. Mit unserer
Initiative möchten wir das Bewusstsein für
die Erkrankung stärken, gerade auch hinsichtlich
früher Anzeichen. Denn wir wissen:
Den besten Effekt auf eine Erkrankung
– vor allem auf Karzinome – haben nicht
ultrateure Medikamente in Spätphasen,
sondern Prävention und Früherkennung.
Eine weitere wichtige Komponente für die
Gründung von STOP Blasenkrebs war die
Tatsache, dass es noch zu wenig Investition
in die Forschung von Blasenkrebs gibt.
Leider hat Blasenkrebs eine hohe Rezidivrate
und ist in der Behandlung der teuerste
Tumor pro Patient:in. Das hat nicht nur auf
die persönliche Situation der Patient:innen
Auswirkungen, sondern auch einen sozioökonomischen
Effekt. Wir brauchen daher
bessere Forschung und mehr Awareness für
Blasenkrebs.
Was braucht es, damit Sie als Experte
mit Betroffenen gut sprechen können?
Und welche Informationen brauchen
Betroffene, um gut mit ihrer Situation
umgehen zu können?
Das ist eine schwierige Frage. Es braucht
eine spezifische Kommunikation abhängig
von Alter, Geschlecht und Lebenssituation
der Patient:innen. Dafür gibt es nicht das
eine Rezept. Mit jüngeren Patient:innen
müssen wir anders sprechen als mit 70- bis
80-jährigen, bei denen vielleicht auch
andere Begleiterkrankungen vorliegen.
Zusätzlich müssen wir darauf eingehen, wie
sehr Patient:innen involviert sein wollen.
Es gibt Patient:innen, die genau verstehen
möchten, was ihre Erkrankung ist und dafür
vielleicht sogar wissenschaftliche Artikel
lesen wollen. Und es gibt andere Patient:innen,
die sich nicht so sehr mit ihrer Erkrankung
befassen möchten. Wir müssen aber
auch Informationen zur Frühdiagnose in
einer verständlichen Sprache zur Verfügung
stellen – auf den diversen Plattformen und
auch in den Medien. Wichtig für uns ist, dass
wir sehr früh mit der Bewusstseinsbildung
für die Prävention von Blasenkrebs beginnen
und gut kommunizieren können, dass
bestimmte Karzinogene, wie insbesondere
Rauchen, vermieden werden sollten. Wir
brauchen eine gezielte Strategie, um gerade
auch jüngere Generationen anzusprechen –
und dafür braucht es sicherlich Social Media.
Stichwort Diagnose: Was hat sich in Hinblick
auf die Diagnosestellung – gerade
auch im technologischen Bereich – in den
letzten Jahren verändert?
Wir stehen am Beginn eines Quantensprungs.
Die Wahrnehmung von Blasenkrebs
hat sich verändert und damit sind auch die
Investitionen in die Erkennung der Krankheit
andere. Wir haben heute einerseits viele
neue Medikamente und andererseits neue
Technologien zur Diagnosestellung zur Verfügung.
Ich forsche außerdem seit 20 Jahren
an Biomarkern, um Tumore frühzeitig zu
diagnostizieren und prognostizieren. Über
den Harn könnte in Zukunft mittels eines
den Corona-Gurgeltests ähnlichen Systems
ein Screening durchgeführt werden, das den
gesamten Prozess der Früherkennung verändern
würde. Das wäre für unser Gesundheitssystem
ökonomisch sehr sinnvoll, weil es uns
erlauben würde, die richtigen Patient:innen
zur richtigen Zeit zum/zur richtigen Arzt/
Ärztin zu schicken. Ein solches Screening
würde die Überlebenschancen von Patient:innen
deutlich erhöhen.
Sie genießen als Arzt und Forscher nicht
nur in Österreich sondern auch international
ein hohes Renommee. Was könnten
wir hier in Österreich noch lernen?
Jedes Land, jede Gesellschaft, ja sogar jede
sozioökonomische Subgruppe in einem Land
hat eigene Herausforderungen. Ich glaube
nicht, dass das Gesundheitssystem in Österreich
schlechter ist als in anderen Ländern;
aber ich glaube auch nicht, dass wir besser
sind. Im Vergleich zu den USA haben wir hier
in Österreich zwar kein Problem hinsichtlich
des Zugangs zu Behandlungen, aber dafür im
Outcome. Wir sind noch nicht so qualitätsund
ergebnisorientiert, wie es sich unsere
Patient:innen vielleicht wünschen würden.
Darüber hinaus haben wir nach wie vor viel
zu wenige Psychoonkolog:innen in unseren
Krankenhäusern.
Was würden Sie sich
persönlich wünschen?
Viele Patient:innen kommen zu mir und
wissen nicht, wo und wie sie zu vertrauenswürdigen
Informationen kommen können.
Schließlich stehen ja so viele auch nicht
validierte Informationen im Internet. Wir
müssen also nicht nur in die Forschung im
klinischen, medizinischen Bereich investieren,
sondern auch in die adäquate Kommunikation.
Patient:innen müssen mit
hochqualitativen Informationen zuverlässig
versorgt werden. Ich würde mir wünschen,
dass in der Gesellschaft endlich das Tabu
rund um Krankheiten und den Tod durchbrochen
wird. In ihrer Ausbildung müssen
Ärzte und Ärztinnen lernen, wie man richtig
mit Patient:innen kommuniziert; wie man
zum Beispiel schlechte Nachrichten überbringt
und auch mit dem Thema Tod
umzugehen hat. Die Kommunikation über
dieses Thema ist in unserer Gesellschaft
nach wie vor ein großes Tabu. Wir müssen
Krankheit und Gesundheit ganz anders
wahrnehmen und den Wandel hin zu
proaktivem und präventivem Denken
schaffen. Das müssen wir verändern, wenn
wir erfolgreich gesund sein wollen.
Blasenkrebs hat unsere
volle Aufmerksamkeit
Photocure GmbH, Marc-Chagall-Straße 2, 40477 Düsseldorf, Deutschland – www.photocure.com
6 Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
COVERSTORY
FOTO: PRIVAT
Alexander Greiner
Krebssurvivor, geboren 1980, wuchs
im niederösterreichischen Mostviertel
auf. Bevor er zu schreiben begonnen
hat, war er Unternehmensberater
und gönnte sich eine berufliche
„Auszeit“ als Barista. Er bezeichnet
sich selbst als Schüler der Glückseligkeit,
lacht viel, liebt Bewegung und
die Natur und trägt bunte Socken.
Alexander Greiner lebt in Wien und
engagiert sich bei der Initiative „Loose
Tie“ der Österreichischen Krebshilfe
zur Enttabuisierung von männerspezifischen
Krebserkrankungen.
Kommunikation
und Krebs
Autor, Journalist und Krebs-Aktivist
Alexander Greiner erzählt im
Gespräch über die Bedeutung der
Kommunikation hinsichtlich des
Themas Krebs und das neue Projekt
„Herrenzimmer“.
Text Lukas Wieringer
Warum ist richtige Kommunikation beim
Thema Krebs so wichtig, Alexander?
In der Zeit, in der ich mich bislang mit Krebskommunikation
beschäftigt habe, ist mir insbesondere
bei Männern eines aufgefallen: Sehr viele Betroffene
praktizieren nach wie vor das althergebrachte
Tabuisieren nach dem Motto „Über Krankheiten
spricht man nicht, jede:r muss das mit sich selbst
ausmachen, wenn ich mich nicht damit beschäftige,
passiert auch nichts“. Ich denke, diese Herangehensweise
fällt größtenteils auch unter falsch
verstandenes Held:innentum. Spannend ist aber,
dass viele Betroffene beginnen nachzudenken und
zu reden, nachdem sie mich kennengelernt haben.
Ich glaube, es ist ganz wichtig einfach darüber zu
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at 7
reden, keine falsche Scheu an den Tag zu legen.
Richtig und wichtig ist, Krebs aus der Tabuzone zu
holen.
Besteht die Scheu zu sagen, dass man selbst
von Krebs betroffen ist, immer noch?
Oh ja, ganz klar! Wir erzählen zwar freimütig, dass
wir von der Kletterwand gestürzt sind und uns den
Knöchel verletzt haben – aber über Krebs sprechen
wir nicht. Und das passt für mich nicht zusammen.
Krebs ist eine Erkrankung wie jede andere, die uns
alle treffen kann und viele von uns treffen wird.
Jede zweite Person wird in Zukunft mit Krebs zu
tun haben. Entweder als direkt Betroffene:r oder
als nahe:r Angehörige:r. Bis 2030 wird die Zahl der
Krebspatient:innen laut Statistik Austria auf etwa
40 Prozent der Gesamtbevölkerung ansteigen.
Schon das zeigt, dass Krebs kein Nischenthema ist.
Wie bist du Krebs-Aktivist geworden?
Ich erkrankte 2015 an Hodenkrebs. Anfangs kam
es mir nur komisch vor, dass beim Radfahren in
der Hose irgendetwas nicht so ist wie sonst immer.
Natürlich habe auch ich nicht regelmäßig meine
Hoden abgetastet, wie das eigentlich jeder Mann
über 20 Jahren einmal im Monat machen sollte.
Mein Urologe hat dann schnell erkannt, dass ich
Krebs habe. Und schon ging es Schlag auf Schlag.
Keine 36 Stunden nachdem ich eine Anomalie
ertastet hatte, wurde ich schon operiert. Und
danach dachte ich, die Sache ist wieder erledigt.
Ich hatte keine Metastasen, meine Blutwerte waren
gut, somit war ich wieder gesund. Bloß ist der Krebs
zwei Jahre später mit Knochenmetastasen in der
Schulter zurückgekommen.
Wie ging es dir damit?
Diese Diagnose hat mir so richtig den Boden
unter den Füßen weggezogen. Da habe ich schnell
gemerkt, dass ich mit dieser alten Variante des
Wegschiebens – „Ist ja eh alles wieder gut.“ – nicht
weitermachen kann; dass das auf Dauer einfach
nicht funktioniert. Und somit war meine Motivation
geweckt. Ich wollte wissen, was es überhaupt
bedeutet, Krebs zu haben. Ich habe begonnen, mich
intensiv mit dem Thema Krebs und vor allem mit
der Kommunikation darüber zu beschäftigen. 2019
erschien mein Buch und seither rede ich in der
Öffentlichkeit darüber.
Und im Zuge dessen hast du erst gemerkt,
welches Tabuthema Krebs gerade bei Männern
noch ist?
Genau. Offenbar wird es nach wie vor als Eingeständnis
gesehen, dass Mann nicht immer stark
und unverletzlich ist – Krankheit wird immer noch
mit Schwäche gleichgesetzt. Und wenn es dann,
wie in meinem Fall, auch noch unter die Gürtellinie
geht, wird’s besonders schwierig. Vom Prostatakrebs,
dem häufigsten Krebs bei Männern, geht es
da ja über den Hodenkrebs hin zu Penis- und Analkrebs.
Man kann sich denken, wie schwer Mann
darüber spricht. Vor allem mit Frauen, aber auch
am Stammtisch oder mit männlichen Kollegen.
Daher ist es besonders wichtig, als gutes Beispiel
voranzugehen.
Wie bringt man Betroffene dazu,
über ihre Krankheit zu sprechen?
Wichtig ist es, ein Vorbild zu sein. Sie müssen
sehen, dass niemandem ein Stein aus der Krone
fällt, wenn man über eine Krebserkrankung spricht.
Wenn andere Betroffene sehen, dass sich niemand
über mich lustig macht, fassen sie vielleicht auch
den Mut, über die eigene Erkrankung zu sprechen.
Und da kommen wir zum neuen Projekt
„Herrenzimmer“.
Erzähl uns bitte mehr über das Projekt,
Alexander!
Das „Herrenzimmer“ ist ein relativ neues Projekt,
bei dem sich einmal im Monat krebserkrankte
Männer virtuell zu einem Gespräch treffen.
Gestartet wurde es im November letzten Jahres von
der Krebshilfe Österreich, Martina Löwe hat das
Format entwickelt. Beim „Herrenzimmer“ geht es
darum, sich dem Thema Krebs möglichst niederschwellig
annähern zu können. Jeden Monat ist ein
anderer Experte mit dabei, der im Gespräch mit den
Teilnehmern für Fragen zur Verfügung steht.
Abschließend glaube ich, ist es das Wichtigste zu
kommunizieren, dass Mann nicht immer der starke
Kämpfer sein muss, der keinen Schmerz kennt.
www.krebshilfe.net/herrenzimmer
BUCH TIPP
Alexander Greiner
Als ich dem Tod in die Eier trat
Format 13,5 x 21,5 cm
224 Seiten Hardcover, Schutzumschlag
ISBn 978-3-218-01188-4 € (A, d) 22,–
K & S Auch als e-Book erhältlich
Niemandem fällt ein
Stein aus der Krone,
wenn man über eine
Krebserkrankung spricht.
Alexander Greiner
Entgeltliche Einschaltung
Mag. Christoph
Slupetzky,
Patient Advocacy
Lead
Janssen Austria
Dr. Holger Bartz,
Medical Director
Janssen Austria
AT_EM-99659
FOTO: KLAUS RANGER
FOTO: LENA GRIPSHOEFER
Sie haben eine Krebsdiagnose erhalten und
fragen sich: Wie viel Zeit bleibt mir? Muss
ich operiert werden? Wie kann ich meine
Lebensqualität erhalten? Gleich vorweg:
Für viele Krebsarten gibt es effektive Behandlungsmöglichkeiten.
Janssen Austria setzt alles
daran, für jeden Patienten die passende Behandlung
zu entwickeln und mit Hilfestellungen rund
um das Leben mit Krebs zu versorgen. Sensible,
offene Kommunikation innerhalb des Teams
„Patient-Angehörige-Medizinisches Fachpersonal“
ist dafür Voraussetzung.
„Es ist 5 vor 12 und der Patient wartet“
Bei Janssen forschen tausende Experten weltweit,
um einige der schwersten Krankheiten zu
heilen oder zu lindern. Dazu zählen Lungenkrebs,
Prostatakrebs und Blutkrebsformen wie Multiples
Myelom oder Chronisch Lymphatische Leukämie.
„Das Motto unseres Gründers Paul Janssen ist
unser Auftrag: ‚Es ist 5 vor 12 und der Patient wartet’.
Wir investieren jährlich weltweit elf Milliarden
Euro, um die bestmögliche Behandlung für
Patienten und ihre individuellen Krankheitsverläufe
zu entwickeln“, erklärt Ramez Mohsen-Fawzi,
Managing Director von Janssen Austria. Dieser
Ansatz der Präzisionsmedizin berücksichtigt
Lebensstil und Umfeld jedes Einzelnen ebenso wie
biologische und naturwissenschaftliche Aspekte.
„Wir wollen die richtige Medizin zur richtigen
Zeit für den richtigen Patienten anbieten, um die
Zukunftsaussichten Betroffener nachhaltig zu verbessern“,
so Holger Bartz, Medical Director.
Reden wir offen über Krebs
Dazu braucht es ein offenes Ohr für die Bedürfnisse,
Wünsche und Sorgen der Patienten. „Wir hören
Patienten ganz genau zu und helfen außerdem
Ärzten und Pflegenden dabei, sensibel zu kommunizieren.
Aus dem Dialog wissen wir, dass
Betroffene vor allem möglichst lange und gut
weiterleben wollen. Nutzen Sie daher gezielt alle
Möglichkeiten, um besser mit der Erkrankung
umzugehen“, betont Christoph Slupetzky, Patient
Engagement and Advocacy Lead. Janssen
unterstützt aktiv Patienten und ihre Angehörigen
mit Ratgebern und arbeitet eng mit Experten und
Patientenorganisation zusammen, um diese
laufend zu erweitern.
Patienten,
Ärzte, Forscher:
Reden wir über
Krebs
Mit Forschung zu effektiven
Behandlungsmöglichkeiten
und Ratgebern für Betroffene
ist Janssen Austria ein starker
Partner in der Onkologie.
Tipps für bessere
Kommunikation
mit Krebs
Lernen Sie Ihre Krankheit
kennen und verstehen
Informieren Sie sich über
Ursachen, Symptome, Formen
und Behandlungsoptionen
Begegnen Sie Ihrer
Diagnose im Team – mit
Angehörigen, Ärzten,
Pflegenden und Patientenorganisationen
Nehmen Sie die Hilfe Ihrer
Bezugspersonen an
Setzen Sie auf professionelle
Unterstützung von speziell ausgebildeten
Psychoonkologen an
FOTO: MONKEYBUSINESSIMAGES
8 Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
INSIGHT
FOTO: SHUTTERSTOCK
Keine Götter
und Göttinnen
in Weiß
Wie kommuniziert man Patient:innen, dass sie an einem
unheilbaren Gehirntumor leiden? Die Neuroonkologin Dr.
Martha Nowosielski erzählt, worauf es in der Kommunikation
zwischen Arzt/Ärztin und Patient:in heute ankommt.
Priv. Doz. Dr.
Martha
Nowosielski, PhD
Medizinische
Universität Innsbruck
Department für
Neurologie
Text Magdalena
Reiter-Reitbauer
FOTO: PRIVAT
Das Glioblastom ist einer der
häufigsten Gehirntumore bei
Erwachsenen. Können Sie die
Erkrankung erklären?
Genau, das Glioblastom ist einer
der häufigsten primären Gehirntumore
im Erwachsenenalter.
Primär bedeutet, dass der Tumor
aus den Gehirnzellen entstanden
ist und im Vergleich zu Gehirnmetastasen
nicht aus einem anderen
Organ gestreut hat. In Österreich
liegt die Zahl der Neuerkrankungen
bei vier pro 100.000
Einwohnern.
Was ist ein Glioblastom genau?
Ist Gehirntumor gleich
Gehirntumor?
Ein Glioblastom beschreibt den
bösartigsten Tumor, der von den
Stützzellen des zentralen Nervensystems
ausgeht. Diese Malignität
(Bösartigkeit) ist einerseits auf
ein schnelles, andererseits auch
auf ein infiltratives Wachstum
zurückzuführen. Auch wenn
man in der Magnetresonanztomographie
– das diagnostische
Werkzeug um einen Gehirntumor
festzustellen – einen lediglich ein
Zentimeter großen Tumorknoten
sieht, weiß man mittlerweile, dass
Tumorzellen bereits im ganzen
Gehirn verstreut zu finden sind.
Das macht die Behandlung so
schwer, weil man im Gehirn nicht
so einfach ohne Funktionseinbuße
operieren kann. Zudem
konnten mittlerweile anhand von
molekularen Markern unterschiedliche
Subtypen identifiziert
und die Glioblastome neu klassifiziert
werden.
Welche Therapiemöglichkeiten
gibt es ungeachtet dessen?
Durch Kenntnis der molekularen
Marker kann die Therapie
zunehmend individualisiert und
die Prognose besser vorhergesagt
werden. Prinzipiell gibt es mehrere
Stützpfeiler, auf denen die
Behandlung basiert. Zunächst
sollte der Tumor so radikal wie
– funktionserhaltend – möglich
reseziert werden. Danach folgen
Strahlen- und Chemotherapie, weil
diese Tumore eben sehr infiltrativ
wachsen. Abgesehen davon gibt
es noch lokale Therapieformen
mit elektrischen Wechselfeldern
(sog. „tumor treating fields“), die
man bei ausgewählten Patienten
anwenden kann.
Wie teilt man Patient:innen
diese Diagnose mit? Welche Erfahrungen
haben Sie gemacht?
Für diese Aufklärungsgespräche
muss man gut vorbereitet sein. Es
ist ein Gespräch mit schwierig zu
kommunizierendem Inhalt, das
stufenweise, oft auch unter Einbeziehung
der Angehörigen, und vorzugsweise
zusammen mit einem
Psychoonkologen stattfinden
sollte. Patienten sollen zum einen
verstehen, dass sie eine unheilbare
Erkrankung haben, zum anderem
sollen sie aber nicht die Hoffnung
und den Mut verlieren, die zur
Verfügung stehenden Therapieoptionen
in Anspruch zu nehmen.
Mit welchen Fragen kommen
Patient:innen zu Ihnen?
Der Wissensstand der Patienten
hat sich in den letzten Jahren und
Jahrzehnten stark gewandelt. Zu
Beginn meiner Arbeit waren sie
nicht so gut informiert wie heute.
Durch den Zugang zum Internet
haben Patienten bereits ein
bestimmtes Wissen und kommen
mit ihren eigenen Wertvorstellungen
und Wünschen zu uns Ärzten.
Diesen Umstand gilt es einfach
anzunehmen. Wir Ärzte sind heute
nicht mehr die Götter in Weiß,
sondern stellen unseren Patienten
im Rahmen des Shared Decision
Making – also der partizipativen
Entscheidungsfindung – alle
Informationen zur Verfügung, auf
denen aufbauend gemeinsam eine
Therapieentscheidung getroffen
wird.
Wie nehmen Patient:innen die
Diagnose Gehirntumor wahr –
gerade im Vergleich zu anderen
Krebserkrankungen?
Viele Patienten haben Angst, dass
sich die Persönlichkeit verändert
und der Tumor das eigene Denken
und Fühlen beeinflussen wird.
Was können Sie als Ärztin tun,
damit Patient:innen trotz ihrer
Erkrankung eine möglichst gute
Lebensqualität beibehalten
können?
Es muss gesagt werden, dass sich
in den letzten zwei Jahrzehnten
die Lebensqualität unter den
einzelnen Therapien deutlich
gebessert hat. Die Präzision der
Strahlentherapie, zum Beispiel,
erlaubt eine bessere Schonung
von Nachbarstrukturen im Gehirn
und begleitende Therapien
verbessern die Verträglichkeit
von Chemotherapien. Durch
neurorehabilitative Maßnahmen
kann die Selbständigkeit erhöht
und dadurch die Lebensqualität
verbessert werden. Zudem
bedeutet Lebensqualität für jeden
Menschen etwas anders. Es ist
wichtig, dass wir dies als Ärzte
den Patienten gleich zu Beginn
gut kommunizieren. Je besser die
Arzt-Patienten-Kommunikation
funktioniert, desto besser kann
der Patient auch die Therapien
mitmachen. Die Diagnose Krebs
ist in unserer Gesellschaft nach
wie vor leider etwas sehr Stigmatisierendes.
Viele Patienten fragen
mich, ob man die Erkrankung
hätte verhindern können. Hier
lautet die Antwort: leider nein.
Wird es in Zukunft einfacher
werden, Gehirntumore zu
behandeln?
In den letzten 20 Jahren hat sich
das Wissen um das Glioblastom
quasi verdoppelt. Eine Kollegin
aus der Neuropathologie hat im
Zuge der aktuellen Hirntumor-
Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation
Folgendes
herausgefunden: Die erste
schriftliche Auflage dieser
Klassifikation aus 1956 wog 360 g;
die aus 2021 bereits 1.650 g. Dieser
Wissenszuwachs ist also sogar
messbar! Es gibt viele neue,
zielgerichtete Therapieoptionen
und auch Medikamente. Außerdem
entstehen neue Studiendesigns,
sodass das Glioblastom in
Zukunft sicherlich deutlich besser
zu behandeln sein wird.
physik im einsatz
gegen krebs
©2022 Novocure GmbH. Alle Rechte vorbehalten. In der Europäischen Union ist Novocure
eingetragene Marke der Novocure GmbH. AT-OPT-00011. v1.0. Juni 2022.
>24.000 behandelte
Patient:innen weltweit
3 CE-zertifizierte
Indikationen
4 Indikationen
in der späten
Entwicklungsphase
Weitere Informationen auf
www.novocure.at
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at 9
INSPIRATION
KOMMUNIKATION UND KREBS –
Man kann nicht nicht
kommunizieren
(Paul Watzlawick)
Eine Krebsdiagnose trifft Menschen meist völlig
unerwartet und unvorbereitet mitten im Leben – und
löst starke Gefühle der Angst, Verzweiflung, Hilflosigkeit
und Hoffnungslosigkeit aus. Nicht nur Betroffene sind
sprachlos und geschockt, auch die Familie gerät in eine
Ausnahmesituation, denn „keiner erkrankt alleine“.
Sprichst du
„Krebs“?
Krebs ist eine sehr komplexe
und vielfältige Erkrankung. Die
Kommunikation darüber wird noch
erschwert durch den vorherrschenden
Krebsjargon. Hier ein Überblick über
wichtige Begriffe:
Krebs
Die Bezeichnung umfasst bösartige Tumoren, die verdrängend
in gesundes Gewebe einwachsen (Karzinom, Sarkom)
und maligne Erkrankung des blutbildenden Systems (Leukämie,
Lymphom).
Maligne/benigne
Bösartig/gutartig
Mag. Karin Isak
Klinische Psychologin,
Schwerpunkt
Psychoonkologie
Beratungsstellenleiterin
der Österreichischen
Krebshilfe
Wien Mitglied
des Präsidiums der
Österreichischen
Krebshilfe
FOTO: PRIVAT
Kommunikation bestimmt
unser Leben und das
unserer Mitmenschen.
Wir teilen uns ununterbrochen
und überall allen mit.
Kommunikation kann nützen –
oder behindern.
Eine hilfreiche Kommunikation,
Zuwendung und Empathie ändern
nicht die Diagnose, jedoch die
augenblickliche Lage. Eine von
Verständnis geprägte Beziehung
zwischen Patient:innen und dem
gesamten Behandlungsteam
schafft Vertrauen, bietet in der
Krise Sicherheit und Halt und
trägt wesentlich zur Verbesserung
der Lebensqualität bei.
Kommunikation
innerhalb der Familie
Auch das gesamte Familiensystem
ist durch die Krebsdiagnose (heraus)gefordert.
Aufgaben müssen
umverteilt, Rollen getauscht,
Kinder gut versorgt werden.
Familienmitglieder schonen sich
nun häufig gegenseitig, keine:r
möchte den/die andere:n belasten
– doch dieses Verhalten gepaart
mit Sprachlosigkeit führt häufig
zu Missverständnissen. Daher ist
es wichtig, aufeinander zuzugehen
und das Gespräch zu suchen.
Kinder müssen altersentsprechend
mit viel Verständnis und
Einfühlungsvermögen aufgeklärt
werden, denn sie spüren, dass
etwas Wichtiges in der Familie
nicht stimmt und sind verunsichert.
Je früher sie die Wahrheit
erfahren, desto besser.
Als Angehörige:r achten Sie
gut auf Ihre Grenzen und überfordern
sich nicht. Die Frage „Was
brauchst du von mir?“ kann sehr
nützlich sein.
Kommunikation des Behandlungsteams
mit den Betroffenen
Für eine gute Diagnosevermittlung
und Erklärung von
Behandlungen braucht es Zeit und
Empathie. „Es geht nicht um das
unartikulierte Intellektualisieren,
sondern um die Fähigkeit zu
fühlen“ (C. Rogers).
Ein offenes Gespräch und die
Zuwendung zum/zur Erkrankten
vermindert Unsicherheit, Angst,
Isolation und Einsamkeit und
bringt spürbare Erleichterung für
den Patienten oder die Patientin.
Fragen, die gestellt werden, sollen
vom Behandlungsteam ernst
genommen und in verständlicher
Sprache beantwortet werden.
Der Arzt oder die Ärztin passt
sich idealerweise an die Sprache
des Gesprächspartners oder der
Gesprächspartnerin an.
Auch nonverbale Kommunikation
wie Mimik und Gestik ist
wichtig, denn Erkrankte sind
besonders sensibel und interpretieren
Zwischentöne – jede
hochgezogene Augenbraue, jede
Unsicherheit des Gegenübers – in
eine negative Richtung.
Kommunikation im
Freundeskreis und mit
Arbeitskolleg:innen
Freundinnen und Freunde und
Kolleg:innen ziehen sich häufig
und für den/die Erkrankte:n nicht
nachvollziehbar zurück. Sie haben
Angst um den/die Betroffene:n
und auch Angst davor, eventuell
selbst zu erkranken. Diese
unausgesprochene und meist
völlig unbewusste Angst führt
zum Rückzug von dem oder der
Erkrankten, der oder die dies als
Kränkung erlebt. Auch hier ist es
ganz wichtig, im Gespräch zu
bleiben.
Mammografie
Röntgen der Brust
Metastase
Tochtergeschwulst, auch Filiae (von lat. filia: Tochter).
Der Begriff Metastase bezeichnet die Absiedelung eines
bösartigen Tumors in entferntem Gewebe bei einer Krebserkrankung.
Krebszellen neigen dazu, sich über Blut- und
Lymphgefäße in weitere Organe auszubreiten und dort als
Tochtergeschwülste anzusiedeln. Die Untersuchung von
Metastasierung bei einer Krebserkrankung ist Gegenstand
der Onkologie.
Onkologie
Lehre von den Krebserkrankungen
Psychoonkologie
Psychoonkologie ist eine multiprofessionelle Fachrichtung,
die sich mit den psychischen und sozialen Bedürfnissen und
Belangen von Krebspatient:innen und deren Angehörigen
beschäftigt. Psychoonkolog:innen betreuen und begleiten
Krebspatient:innen zu den verschiedenen Zeitpunkten
der Erkrankung und der medizinischen Behandlung. Im
Zentrum der psychoonkologischen Arbeit stehen die Unterstützung
der Patient:innen im Umgang mit der Erkrankung,
die Behandlung von psychischen Belastungsreaktionen und
das Erreichen einer möglichst guten Lebensqualität.
Remission
Es sind keine Tumorzellen mehr nachweisbar.
Rezidiv
Wiederauftreten eines Tumors, Rückfall
Screening
Auf eine bestimmte Krankheit gerichtete Untersuchungen
zur Erkennung von symptomlosen Krankheitsträgern
(möglichst im Frühstadium)
Tumor
Gutartiges oder bösartiges Geschwulst, das durch
unkontrollierte Wucherung von Zellen entstanden ist
Tumormarker
Einstufung des Tumors anhand seines Stadiums, d.h. meist
anhand von Größe sowie Ausbreitung in Lymphknoten und
andere Gewebe. Hiernach richten sich Verlauf und Behandlung
der Tumorerkrankung.
Weiterführende Links:
Österreichische Krebshilfe
service@krebshilfe.net
www.krebshilfe.net
Krebshilfe Wien
beratung@krebshilfe-wien.at
www.krebshilfe-wien.at
Eine ausführliche Übersicht über
verschiedene Krebsbegriffe finden Sie hier:
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/
basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeine-informationen/glossar.html
IHR LEBEN MIT
METASTASIERTEM BRUSTKREBS
Handbuch:
Es geht um mich!
Ratgeber:
Sexualität und Brustkrebs
Jetzt kostenlos bestellen oder downloaden auf
www.pfi.sr/ratgeber
Lesen Sie Stellungnahmen Betroffener,
entlastende Perspektiven und
wertvolle Informationen zu Krankheit,
Behandlungsmethoden und Lebensqualität.
www.pfizer.at
Pfizer Corp. Austria GmbH, Wien; PP-ONC-AUT-0321/05.2021
10 Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
INSPIRATION
Zwischen schlechten
Nachrichten und Hoffnung
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe spricht täglich über Krebs. Als Experte
weiß er, wie herausfordernd die Kommunikation über Krebserkrankungen
sein kann – für Patient:innen, Angehörige aber auch für das medizinische
Personal selbst.
Kommunikation und Krebs: Welchen Stellenwert
nimmt Kommunikation in Ihrem medizinischen
Arbeitsalltag ein?
Kommunikation nimmt in meinem Arbeitsalltag 95 Prozent
der Zeit ein und ist für mich eine wesentliche Aufgabe
– auch weil ich Abteilungsleiter bin. Die Diagnose Krebserkrankung
ist für Patient:innen und Angehörige natürlich
immer ein Schockerlebnis. Es gibt verschiedene Möglichkeiten,
wie Menschen auf diese Krisensituation reagieren.
Daher stellt sich natürlich die Frage, wie wir als medizinisches
Personal mit Patient:innen richtig kommunizieren
und „Bad News“ teilen. Dies stellt eine große Herausforderung
dar, da der Umgang mit emotionaler Betroffenheit
nicht immer einfach ist. Es gibt dafür Kurse, aber kein
Grundrezept zur allgemeinen Herangehensweise – auch
weil vieles von der individuellen Persönlichkeit abhängt.
Meine Lebenserfahrung beinhaltet zum Beispiel eine gute
Informationsbasis für Gespräche und das Prinzip, authentisch
zu sein und die Wahrheit zu sagen. Manche Ärztinnen
und Ärzte schrecken davor zurück, das komplette Schicksal
im Gespräch darzulegen. Ich persönlich denke aber, dass
ein:e Arzt/Ärztin ehrlich sein sollte. Kein medizinisches Personal
der Welt kann genau wissen, was die Zukunft bringt.
Jede:r Patient:in ist ein Individuum, jede Tumorerkrankung
hat einen individuellen Verlauf und jeder Mensch befindet
sich in einer individuellen Situation.
Hat sich die Kommunikation rund um Krebs – nicht nur
im Krankenhaus, sondern ganz grundsätzlich in der Gesellschaft
– verändert?
Selbstverständlich hat sie das; das Stigma „Ich habe Krebs
und bin gleich tot“ ist in der Gesellschaft dennoch nach wie
vor verankert. Von Jahr zu Jahr werden aber immer mehr
Menschen von einer Krebserkrankung geheilt und sprechen
darüber. Gerade am Beispiel von Brustkrebserkrankungen
wird das besonders deutlich. Bei Bauchspeicheldrüsenkrebs
hingehen sehen wir etwa ein ganz anders Bild. Die wenigsten
Menschen, die wissen, dass sie aufgrund einer Krebserkrankung
nur mehr eine gewisse Zeit zu leben haben, wollen
alles verkaufen und eine Weltreise machen. Die meisten
Menschen sehnen sich in dieser Phase der Krankheit nach
Normalität: in der Früh aufstehen, Zeitung lesen, zu Kaffeerunden
gehen, Freunde treffen und Zeit mit der Familie
verbringen. Viele wollen einfach den Alltag erleben, in dem
man nicht über die eigene Erkrankung spricht, sondern
Kraft aus der Normalität schöpft.
Emotionales auch mit nach Hause, gerade als junge:r Arzt/
Ärztin. Ich habe es aber praktisch nie zuhause mit meiner
Familie besprochen, weil es beispielsweise wichtiger war,
die gerade verlorenen Schnuller meiner Kinder zu finden.
Aber natürlich kann es auch passieren, dass man selbst in
eine Depression stürzt. Gerade wenn Menschen sterben,
mit denen man viele Gespräche geführt oder zu denen man
eine Beziehung aufgebaut hat, ist das eine Belastung. Daher
braucht es in diesem Kontext einen Raum, in dem man
sich mit Kolleg:innen austauschen kann. Heute geht diese
Reflexion durch das neue Arbeitszeitgesetz leider immer
mehr verloren. Vor allem junge Kolleg:innen lassen wir mit
all diesen Herausforderungen allein. Das ist schlecht.
Was sollte sich hier ändern,
was könnte man konkret tun?
Aus meiner Erfahrung ist es wichtig, dass ein Team Zeit
hat, miteinander zu reden. Wir müssen den Gesprächen
wieder Raum gehen. In Österreich nennen wir das zum
Beispiel Kaffeetrinken. Dieses Tool des Reflektierens, des
Zusammensetzens im Team ist ein ganz wichtiger Prozess,
der ermöglicht, dass nicht nur Patient:innen sondern auch
Mitarbeiter:innen mit Belastungen umgehen können. Diese
Kommunikation ist wichtig!
Was möchten Sie persönlich gerne rund um
das Thema Krebs kommunizieren?
Die Frage ist, ob wir überhaupt von „Krebs“ sprechen sollen.
Es gibt nicht „den Krebs“, sondern hunderte Arten von
Tumorerkrankungen. Nur die Diagnose Krebs allein heißt
genau gar nichts. Es hängt davon ab, welches Erkrankungsbild
vorliegt und was das für den/die Einzelne:n bedeutet.
Es ist alles möglich: von Krebserkrankungen, die
tödlich enden, über jene, mit denen man
und nicht an denen man stirbt, bis hin
zur Heilung. Jede:r Patient:in hat ihr/
sein eigenes Schicksal und wird ihren/
seinen eigenen Weg gehen. Es
macht daher einen Unterschied,
welche Termini wir verwenden
und wie wir über
Erkrankungen
sprechen.
Univ.-Prof. Dr.
Wolfgang Hilbe
Präsident der Österreichischen
Gesellschaft
für Hämatologie
und Medizinische
Onkologie
FOTO: FELICITAS MATERN
Text Magdalena
Reiter-Reitbauer
Sie arbeiten in einem sehr herausfordernden Umfeld. Wie
gehen Sie damit um, gerade im Übergang zwischen beruflichem
Wirken und Privatleben?
Aus meiner eigenen Kariere kann ich sagen, dass man nicht
immer so einfach abschalten kann. Natürlich trägt man
EVENT TIPP
Best of ASCO® 2022
24.–25. Juni 2022 | 20 Jahre – Jubiläumsedition
Aktuelle Erkenntnisse vom ASCO® 2022 komprimiert & von
Fachexpert*innen für die klinische Praxis aufbereitet!
GI-Tumore • Urogenitale Tumore • Sarkome & Melanome •
HNO-Tumore & ZNS • Bronchuskarzinome •
Gynäkologische Tumore • Mammakarzinome
Link zur Anmeldung: https://www.onconovum.academy/
anmeldung/anmeldung-best-of-asco-2022
FOTO: SHUTTERSTOCK
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at 11
Seltene Krebserkrankungen
vor den Vorhang holen
Etwa 20-25 % aller Krebserkrankungen sind
selten. Statistisch gesehen ist das weniger
als ein Mensch von 2.000 Menschen.
Bei seltenen Krebserkrankungen gibt
es deshalb großen Bedarf an der
Beschleunigung der Diagnosestellung,
adäquater Versorgung, innovativen
Therapien sowie an Aufbau und
Verbreitung von Wissen.
FOTO: SHUTTERSTOCK
Claas Röhl –
Mitglied des
Vorstands
von Pro Rare Austria
– Allianz für seltene
Erkrankungen
Österreich
Obmann NF Kinder
Austria
Obmann NF Patients
United
Obmann EUPATI
Austria
FOTO: FELICITAS MATERN
Kontakt:
Email: claas.roehl@
nfkinder.at
Tel. +43 699 16624548
Servitengasse 5/16
1090 Wien
Angeborenes Risiko für Tumore
Eine besondere Rolle nehmen die
genetischen Tumorprädispositionssyndrome
ein. Diese machen etwa
10 % aller onkologischen Erkrankungen
aus. Die Betroffenen kommen
mit einer genetischen Veränderung
zur Welt, die ihr Tumorrisiko erhöht.
In manchen Fällen kann das Risiko
einen Tumor zu entwickeln nahezu
100 % betragen. Die Besonderheit
ist, dass in diesen Fällen eine Diagnose
per Gentest teilweise schon im
Kindheitsalter gestellt werden kann,
theoretisch sogar mit dem Neugeborenen-Screening.
Natürlich ist eine
solche Diagnose ein großer Schock für
die betroffene Familie, aber sie birgt
auch die Chance, sich früh mit der
Diagnose auseinandersetzen zu können.
Das heißt, man kann das eigene
Leben danach frühzeitig ausrichten
und vor allem auch lebenswichtige
Vorsorgeuntersuchungen planen und
sich in die Hände einer Expertin/eines
Experten begeben.
Abgesehen davon ist es schon vor der
Familienplanung wichtig zu wissen,
ob man Träger:in einer genetischen
Veränderung ist, die mit einer Wahrscheinlichkeit
von oft 50 % oder höher
an das eigene Kind vererbt werden
kann.
Offener Umgang –
Abbau von Stigmata
Ein Beispiel für ein genetisches
Tumorprädispositionssyndrom ist
Neurofibromatose (NF). Jeden Tag
kommt im deutschsprachigen Raum
ein Kind mit NF zu Welt. Die vielen
verschiedenen Tumore, die bei dieser
Erkrankung auftreten können, sind
mitunter sehr entstellend. Gerade
deswegen braucht es hier mutige
Botschafter:innen, die anderen helfen,
das eigene Schattendasein zu verlassen,
und Betroffenen Mut machen,
ebenfalls offen mit der Erkrankung
umzugehen. Nur wenn Betroffene ihr
Schweigen brechen und sich engagieren,
kann es zu einem gesteigerten
Bewusstsein in der Öffentlichkeit und
zu Verbesserungen der Versorgung in
Bezug auf seltene Krebserkrankungen
kommen.
Internationale Vernetzung
Besonders im Bereich dieser seltenen
Erkrankungen ist eine internationale
Vernetzung ein Schlüsselthema. In
Europa gibt es 24 sogenannte europäische
Referenznetzwerke (ERN). Das
sind Netzwerke von akademischen
Institutionen, die gemeinsam mit
Patient:innen-Vertreter:innen unter
dem Motto „Share – Care – Cure“
daran arbeiten, die Lebensqualität von
Menschen mit seltenen Erkrankungen
zu verbessern. Die vier ERN, die sich
mit seltenen Krebserkrankungen
beschäftigen, sind: EuroCan (für
seltene solide Tumore im Erwachsenenalter),
PaedCan (für seltene
Krebserkrankungen bei pädiatrischen
Patient:innen), EurobloodNet (für
seltene hämatologische Krebserkrankungen)
und GENTURIS (für erblich
bedingte Tumorerkrankungen).
Die Rolle von
Patient:innenorganisationen
Patient:innenorganisationen leisten
wichtige Arbeit, um Betroffene in den
Phasen der Diagnoseabklärung zu
informieren, ihnen Orientierung zu
schenken und um sie an Expert:innen
zu vermitteln. Darüber hinaus ist auch
die Zusammenarbeit mit Forscher:innen
von Bedeutung, um patient:innenzentrierte
Forschungsprojekte
umzusetzen. Beratungsmöglichkeiten
sowie Möglichkeiten zur Vernetzung
mit anderen Betroffenen und zur psychosozialen
Unterstützung sind weitere
Beispiele für die wertvolle Arbeit von
Patient:innenorganisationen.
Patient:innen-Vertreter:innen, die
sich in die Arzneimittelentwicklung
einbringen möchten, brauchen
entsprechendes Wissen über präklinische
und klinische Forschung sowie
über Zulassungsprozesse. Die europäische
Patient:innen-Akademie (EUPATI)
vermittelt seit 2015 genau dieses
Know-how an Patient:innen-Vertreter:innen.
Etwa 300 Absolvent:innen,
viele davon aus onkologischen Indikationen,
haben den Patient Expert
Training Kurs von EUPATI absolviert
und sind dadurch zu gefragten Partnern
in Forschungsprojekten geworden. In
Österreich plant der Dachverband
„Allianz der onkologischen PatientInnenorganisationen“
einen Universitätslehrgang
in deutscher Sprache zum
Thema Patient Advocacy.
Weiterführende Links:
www.prorare-austria.org
www.nf-patients.eu
www.nfkinder.at
www.dieallianz.org
www.eupati.eu
Diese Kampagne wurde unterstützt von Incyte.
Bei dieser Logoplatzierung handelt es sich
um eine entgeltliche Einschaltung.
12 Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at
Eine Themenzeitung von Mediaplanet
HÄUFIGSTE KREBSARTEN
in der EU
2.948.369
neue Fälle im Jahr 2020
12,1 %
Brustkrebs
11,6 %
Dickdarm
11,4 %
Prostata
10,8 %
Lunge
3,6 %
Haut
5,3 %
Blase
3,2 %
Bauchspeicheldrüse
FOTO: SHUTTERSTOCK
(Wie) kann ich über
Krebs sprechen?
Wie gut muss man sich kennen, um über
Krebs sprechen zu können/dürfen/müssen?
Ist Humor erlaubt oder eher nicht?
Ist es manchmal besser, nichts zu sagen?
42 %
Sonstige
Egal, wie du über Krebs sprichst –
Hauptsache du tust es.
– Martina Hagspiel, InfluCancer Kurvenkratzer
Quelle: Global Cancer Observatory,2020