24.06.2022 Aufrufe

Krebsratgeber

Egal, ob man als Ärztin oder Arzt beim Diagnosegespräch die richtigen Worte finden muss, oder als Patient:in beim Gespräch mit Freunden, Familie, Kindern, Arbeitskolleg:innen, oder auch als nicht Betroffene:r (darf ich einen Menschen mit Glatze fragen, ob er Krebs hat?) – Über Krebs zu sprechen ist schwierig. Diese Kampagne hilft dabei, das Gespräch zu beginnen und zu vertiefen.

Egal, ob man als Ärztin oder Arzt beim Diagnosegespräch die richtigen Worte finden muss, oder als Patient:in beim Gespräch mit Freunden, Familie, Kindern, Arbeitskolleg:innen, oder auch als nicht Betroffene:r (darf ich einen Menschen mit Glatze fragen, ob er Krebs hat?) – Über Krebs zu sprechen ist schwierig. Diese Kampagne hilft dabei, das Gespräch zu beginnen und zu vertiefen.

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10 Lesen Sie mehr unter www.krebsratgeber.at<br />

Eine Themenzeitung von Mediaplanet<br />

INSPIRATION<br />

Zwischen schlechten<br />

Nachrichten und Hoffnung<br />

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe spricht täglich über Krebs. Als Experte<br />

weiß er, wie herausfordernd die Kommunikation über Krebserkrankungen<br />

sein kann – für Patient:innen, Angehörige aber auch für das medizinische<br />

Personal selbst.<br />

Kommunikation und Krebs: Welchen Stellenwert<br />

nimmt Kommunikation in Ihrem medizinischen<br />

Arbeitsalltag ein?<br />

Kommunikation nimmt in meinem Arbeitsalltag 95 Prozent<br />

der Zeit ein und ist für mich eine wesentliche Aufgabe<br />

– auch weil ich Abteilungsleiter bin. Die Diagnose Krebserkrankung<br />

ist für Patient:innen und Angehörige natürlich<br />

immer ein Schockerlebnis. Es gibt verschiedene Möglichkeiten,<br />

wie Menschen auf diese Krisensituation reagieren.<br />

Daher stellt sich natürlich die Frage, wie wir als medizinisches<br />

Personal mit Patient:innen richtig kommunizieren<br />

und „Bad News“ teilen. Dies stellt eine große Herausforderung<br />

dar, da der Umgang mit emotionaler Betroffenheit<br />

nicht immer einfach ist. Es gibt dafür Kurse, aber kein<br />

Grundrezept zur allgemeinen Herangehensweise – auch<br />

weil vieles von der individuellen Persönlichkeit abhängt.<br />

Meine Lebenserfahrung beinhaltet zum Beispiel eine gute<br />

Informationsbasis für Gespräche und das Prinzip, authentisch<br />

zu sein und die Wahrheit zu sagen. Manche Ärztinnen<br />

und Ärzte schrecken davor zurück, das komplette Schicksal<br />

im Gespräch darzulegen. Ich persönlich denke aber, dass<br />

ein:e Arzt/Ärztin ehrlich sein sollte. Kein medizinisches Personal<br />

der Welt kann genau wissen, was die Zukunft bringt.<br />

Jede:r Patient:in ist ein Individuum, jede Tumorerkrankung<br />

hat einen individuellen Verlauf und jeder Mensch befindet<br />

sich in einer individuellen Situation.<br />

Hat sich die Kommunikation rund um Krebs – nicht nur<br />

im Krankenhaus, sondern ganz grundsätzlich in der Gesellschaft<br />

– verändert?<br />

Selbstverständlich hat sie das; das Stigma „Ich habe Krebs<br />

und bin gleich tot“ ist in der Gesellschaft dennoch nach wie<br />

vor verankert. Von Jahr zu Jahr werden aber immer mehr<br />

Menschen von einer Krebserkrankung geheilt und sprechen<br />

darüber. Gerade am Beispiel von Brustkrebserkrankungen<br />

wird das besonders deutlich. Bei Bauchspeicheldrüsenkrebs<br />

hingehen sehen wir etwa ein ganz anders Bild. Die wenigsten<br />

Menschen, die wissen, dass sie aufgrund einer Krebserkrankung<br />

nur mehr eine gewisse Zeit zu leben haben, wollen<br />

alles verkaufen und eine Weltreise machen. Die meisten<br />

Menschen sehnen sich in dieser Phase der Krankheit nach<br />

Normalität: in der Früh aufstehen, Zeitung lesen, zu Kaffeerunden<br />

gehen, Freunde treffen und Zeit mit der Familie<br />

verbringen. Viele wollen einfach den Alltag erleben, in dem<br />

man nicht über die eigene Erkrankung spricht, sondern<br />

Kraft aus der Normalität schöpft.<br />

Emotionales auch mit nach Hause, gerade als junge:r Arzt/<br />

Ärztin. Ich habe es aber praktisch nie zuhause mit meiner<br />

Familie besprochen, weil es beispielsweise wichtiger war,<br />

die gerade verlorenen Schnuller meiner Kinder zu finden.<br />

Aber natürlich kann es auch passieren, dass man selbst in<br />

eine Depression stürzt. Gerade wenn Menschen sterben,<br />

mit denen man viele Gespräche geführt oder zu denen man<br />

eine Beziehung aufgebaut hat, ist das eine Belastung. Daher<br />

braucht es in diesem Kontext einen Raum, in dem man<br />

sich mit Kolleg:innen austauschen kann. Heute geht diese<br />

Reflexion durch das neue Arbeitszeitgesetz leider immer<br />

mehr verloren. Vor allem junge Kolleg:innen lassen wir mit<br />

all diesen Herausforderungen allein. Das ist schlecht.<br />

Was sollte sich hier ändern,<br />

was könnte man konkret tun?<br />

Aus meiner Erfahrung ist es wichtig, dass ein Team Zeit<br />

hat, miteinander zu reden. Wir müssen den Gesprächen<br />

wieder Raum gehen. In Österreich nennen wir das zum<br />

Beispiel Kaffeetrinken. Dieses Tool des Reflektierens, des<br />

Zusammensetzens im Team ist ein ganz wichtiger Prozess,<br />

der ermöglicht, dass nicht nur Patient:innen sondern auch<br />

Mitarbeiter:innen mit Belastungen umgehen können. Diese<br />

Kommunikation ist wichtig!<br />

Was möchten Sie persönlich gerne rund um<br />

das Thema Krebs kommunizieren?<br />

Die Frage ist, ob wir überhaupt von „Krebs“ sprechen sollen.<br />

Es gibt nicht „den Krebs“, sondern hunderte Arten von<br />

Tumorerkrankungen. Nur die Diagnose Krebs allein heißt<br />

genau gar nichts. Es hängt davon ab, welches Erkrankungsbild<br />

vorliegt und was das für den/die Einzelne:n bedeutet.<br />

Es ist alles möglich: von Krebserkrankungen, die<br />

tödlich enden, über jene, mit denen man<br />

und nicht an denen man stirbt, bis hin<br />

zur Heilung. Jede:r Patient:in hat ihr/<br />

sein eigenes Schicksal und wird ihren/<br />

seinen eigenen Weg gehen. Es<br />

macht daher einen Unterschied,<br />

welche Termini wir verwenden<br />

und wie wir über<br />

Erkrankungen<br />

sprechen.<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Wolfgang Hilbe<br />

Präsident der Österreichischen<br />

Gesellschaft<br />

für Hämatologie<br />

und Medizinische<br />

Onkologie<br />

FOTO: FELICITAS MATERN<br />

Text Magdalena<br />

Reiter-Reitbauer<br />

Sie arbeiten in einem sehr herausfordernden Umfeld. Wie<br />

gehen Sie damit um, gerade im Übergang zwischen beruflichem<br />

Wirken und Privatleben?<br />

Aus meiner eigenen Kariere kann ich sagen, dass man nicht<br />

immer so einfach abschalten kann. Natürlich trägt man<br />

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FOTO: SHUTTERSTOCK

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