30.06.2022 Aufrufe

Wirtschaftsstandort Österreich

Was macht den Wirtschaftsstandort Österreich aus? Seine Unternehmen und besonders die Bauwirtschaft halten auch in Krisenzeiten den Motor am Laufen. Wer regionale Produkte konsumiert und seinen Urlaub auch einmal in Österreich verbringt stärkt außerdem den Standort.

Was macht den Wirtschaftsstandort Österreich aus?

Seine Unternehmen und besonders die Bauwirtschaft halten auch in Krisenzeiten den Motor am Laufen.

Wer regionale Produkte konsumiert und seinen Urlaub auch einmal in Österreich verbringt stärkt außerdem den Standort.

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MEDIAPLANET | 9<br />

Die Vorstandsmitglieder der IG Lebenszyklus Bau,<br />

Christoph Müller-Thiede (M.O.O.CON) und Dominik Philipp<br />

(Dietrich|Untertrifaller), erarbeiten Ideen für eine neue,<br />

umsetzbare Bodenordnung<br />

Die Parabel von Tolstois<br />

Wieviel Erde braucht<br />

der Mensch, in der der<br />

Bauer Pachom an seiner<br />

Besessenheit nach mehr Landbesitz<br />

schließlich zugrunde geht,<br />

ist nach wie vor relevant – wie die<br />

ungleichmäßige Versiegelung von<br />

Flächen zeigt. Solange wir uneingeschränkt<br />

bauen, laufen wir Gefahr,<br />

uns geradezu in Grund und Boden<br />

zu versiegeln. Die Arbeitsgruppe<br />

Zukunftsfähige Raum- und Quartiersentwicklung<br />

der IG Lebenszyklus<br />

Bau erarbeitet konkrete<br />

Gegenmaßnahmen.<br />

Was aber ist Bodenversiegelung?<br />

Boden- oder Flächenversiegelung<br />

deckt den Boden luft- und wasserdicht<br />

ab, wodurch Regenwasser<br />

nicht oder nur erschwert versickern<br />

kann, was wiederum den<br />

Gasaustausch des Bodens mit der<br />

Erdatmosphäre hemmt. Nicht nur<br />

Gebäude oder Straßen brauchen<br />

versiegelten Boden, sondern auch<br />

unbebaute Flächen, die teilweise<br />

mit Beton, Asphalt, Pflastersteinen<br />

oder wassergebundenen Decken<br />

befestigt sind. Regenwasser kann<br />

so weniger gut eindringen und<br />

die Grundwasservorräte auffüllen.<br />

Außerdem steigt das Risiko<br />

für Überschwemmungen, da bei<br />

starken Regenfällen die Kanalisation<br />

die Wassermassen nicht fassen<br />

kann. Versiegelte Böden können<br />

darüber hinaus kein Wasser verdunsten<br />

lassen, tragen im Sommer<br />

daher nicht zur Kühlung der Luft<br />

bei und beeinträchtigen somit die<br />

natürliche Bodenfruchtbarkeit.<br />

Grund und Boden sind unsere<br />

einzigen nicht erneuerbaren<br />

Ressourcen<br />

Die Lage in <strong>Österreich</strong> ist besonders<br />

sensibel, da nur 37 % unserer<br />

Landesoberfläche Dauersiedlungsraum<br />

und für Landwirtschaft und<br />

als Wohnraum nutzbar sind. 18 %<br />

davon haben wir für Gebäude und<br />

Infrastruktur verbraucht, wovon<br />

etwa 40 % versiegelt sind. Es verlangt<br />

also dringenden Handlungsbedarf,<br />

denn von allen Ressourcen,<br />

die uns beim Bauen zur Verfügung<br />

stehen, sind Grund und Boden die<br />

einzigen nicht erneuerbaren.<br />

<strong>Österreich</strong> braucht eine neue<br />

Bodenordnung<br />

Ein Lösungsansatz ist, politische<br />

Entscheidungsträger:innen hinsichtlich<br />

der Flächenwidmungsund<br />

Bebauungsplanungen in<br />

die Pflicht zu nehmen, um eine<br />

sofortige Reform aller in <strong>Österreich</strong><br />

gültigen Bauordnungen und Stellplatzverordnungen<br />

einzufordern<br />

und das seit Jahrzehnten ungelöste<br />

Thema einer neuen Bodenordnung<br />

umzusetzen. Grund und Boden<br />

als Ware und somit als spekulative<br />

„commodity“ endlich aus dem<br />

Markt zu nehmen ist schon lange<br />

eine Forderung. Wirft man einen<br />

Blick auf die Preisentwicklung von<br />

Bauland, so sieht man, dass sein<br />

Wert in den letzten vier Jahren in<br />

<strong>Österreich</strong> im Schnitt um 11,5 %<br />

pro Jahr gestiegen ist, während die<br />

Inflation bis 2021 bei 2,5 % lag. Diese<br />

Wertsteigerung führt zu einer hohen<br />

Nachfrage österreichischer Grundstücke,<br />

was wiederum zu deren<br />

Verknappung führt, die schließlich<br />

exorbitant hohe Grundstückspreise<br />

zur Folge hat. Die IG Lebenszyklus<br />

Bau fordert daher, dass es keinen<br />

leistungslosen Profit des bloßen<br />

Grundeigentums geben darf.<br />

Ortskerne beleben, statt neue<br />

Flächen erschließen<br />

Die Arbeitsgruppe Zukunftsfähige<br />

Raum- und Quartiersentwicklung<br />

unter der Leitung von Christoph<br />

Müller-Thiede und Dominik<br />

Philipp setzt die Diskussion sogar<br />

noch früher an, nämlich bei der<br />

Vermeidung von Neubauten<br />

bzw. der drastischen Reduktion<br />

des Neubauvolumens sowie der<br />

Vermeidung von Neuversiegelung<br />

durch die Aktivierung des Leerstands<br />

in <strong>Österreich</strong>s Ortskernen.<br />

Durch die Leerstandsaktivierung<br />

gelingt es nicht nur, keine neuen<br />

Flächen zu versiegeln, sondern<br />

auch die bereits vorhandene Infrastruktur<br />

zu nutzen. Verdoppelt<br />

wird dieser positive Effekt durch<br />

die gleichzeitige Erhöhung der<br />

Dichte von bestehenden Quartieren.<br />

Mithilfe der richtigen multifunktionalen<br />

Programmierung der<br />

Ortskerne, mit den Themen Wohnen,<br />

Arbeit, Freizeit, Einkaufen<br />

und ärztliche Versorgung, werden<br />

lebendige und atmosphärisch<br />

hochwertige Umgebungen geschaffen<br />

und die Mobilität reduziert.<br />

Entsiegeln statt Neuversiegeln<br />

Das Ziel ist eine Netto-Neuversiegelung<br />

gleich null. Das bedeutet,<br />

dass jeder Quadratmeter, der versiegelt<br />

wird, an anderer Stelle entsiegelt<br />

werden muss. Das ist weder<br />

einfach noch günstig, aber der<br />

Rückgewinn ist möglich. Für dieses<br />

Vorhaben wird es jedoch politische<br />

Anreizsysteme oder Handlungsempfehlungen<br />

geben müssen. Die<br />

Infrastruktur für neu gewidmete<br />

Einfamilienhausgebiete (inklusive<br />

Straßen, Kanäle, Leitungen etc.)<br />

sollte in Zukunft nicht mehr durch<br />

die Allgemeinheit getragen werden,<br />

sondern durch die Bauwerber:innen<br />

selbst. Diese sollten auch<br />

einen Mobilitätsbeitrag zahlen,<br />

wenn sie Gebäude in Gebieten<br />

entwickeln, die vom öffentlichen<br />

Nahverkehr mangelhaft erschlossen<br />

sind. Die Bürgermeister:innen<br />

und Landeshauptleute müssen<br />

über Förderungen und Anreizmodelle<br />

zur Programmierung multifunktionaler<br />

Quartiere und Dörfer<br />

nachdenken.<br />

So kann einiges möglich werden<br />

– aber wir müssen jetzt damit<br />

beginnen!<br />

FOTO: LEO HAGEN/IG LEBENSZYKLUS BAU<br />

Christoph<br />

Müller-Thiede<br />

Vorstandsmitglied<br />

der IG Lebenszyklus<br />

Bau<br />

FOTO: LEO HAGEN/IG LEBENSZYKLUS BAU<br />

Dominik Philipp<br />

Vorstandsmitglied<br />

der IG Lebenszyklus<br />

Bau

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