ewusst leben I gewürze Seltene Kostbarkeit: ähnelt einer Nelke, heißt aber Zimtblüte und ist eigentlich eine kleine unreife Frucht. Sie bildet sich an den jungen Zweigen des Zimtbaums. Kino der Gewürze Der Scharfmacher Wenn Alexander Lodner einem eine pfeffert, macht er es mit viel Leidenschaft. Er differenziert dabei äußerst feinsinnig. Egal, um welche Speise es auch geht – er findet die passende Würze. 26 I vegetarisch <strong>fit</strong>
Wer sich unter dem weißen Gewölbe der Genusswerkstatt in die braunen Sessel fallen lässt und an den Tisch rückt, sucht vergeblich nach gewöhnlichen Pfeffer- und Salzstreuern. Dafür steht eine ganze Batterie kleiner achteckiger Gläschen bereit. Gefüllt mit Substanzen, die pulverig, körnig oder in feinen Flöckchen daherkommen. Eines davon sticht orangerot hervor: Salz von Hawaii. Die Kristalle werden auf der Insel Molokai mit Vulkanerde mineralisiert, das Eisenoxid darin färbt es so kräftig. Daneben glitzert das schwarze Pendant. Farblich täuscht es Pfeffer an. Doch dieses mit hochreiner Aktivkohle versetzte, daher verdauungsfördernde Salz glänzt mit weicher, eleganter Note. Ein echter Blickfang auf den Gerichten – das Auge isst ja bekanntlich auch mit. Auf anderen Gläschen überrascht ein Begriff, den die meisten eher von Weinen kennen dürften: Cuvée. Eine Zeitlang als Verschnitt verschrien, steht er heute eher für gelungene Kompositionen aus mehreren Rebsorten. In der Summe besser als ihre Einzelteile. Nach diesem Prinzip mixt Alexander Lodner seine Pfeffercuvées. In seinen verschiedenen Kombinationstöpfchen finden sich bis zu acht unterschiedliche Pfeffersorten, um den Gerichten gehörig einzuwürzen. AUFSTEIGER Restaurant und Hotel des gebürtigen Grazers stehen in Lauingen, einer früheren Residenzstadt an der Donau. Nur ein paar Schritte vom Marktplatz entfernt, wo die klassizistische Rathausfassade und ein Arkadengang der Szenerie einen Hauch von Venedig verleihen. Darüber erhebt sich mit dem Schimmelturm einer der sieben Türme, die das 11.000-Einwohner-Städtchen von Weitem deutlich größer wirken lassen. 214 Stufen schrauben sich im dicken Gemäuer des Wachturms empor. Dann öffnet sich hinter einer schweren Holztür ein herrlicher Rundumblick: Hübsche, bunte Giebel reihen sich an der Hauptstraße. Die Donau zieht gemächlich vorbei. Gesäumt von Auwald, durch den sich der mehrtägige Premiumweg „DonAUwald“ schlägt. Den Schlüssel für den Turm leiht Lodner Interessierten an seiner Rezeption aus. Schließlich blickt sein Haus auf bald 500 Jahre zurück. Mal Handelshaus, dann Offiziersquartier. Sogar als Rathaus, später Brauerei und Kino hat es schon gedient. „Den Kochlöffel hab ich inzwischen abgegeben“, erzählt der Hotelier mit seinem offenherzigen Lachen. Seit vergangenem Herbst führt in seinem Res taurant Genusswerkstatt ein langjähriger Sternekoch Regie. Der Österreicher steigt ein paar Stufen hinab in sein Reich: Der alte Lichtspielsaal führt nun ein wahres Geruchskino vor. Aus Säcken und Kisten strömen Düfte. Estragon, wilde Rosmarinnadeln und Dillspitzen. Blüten von Hibiskus, Orangen und Lavendel. Chiliflocken, geräucherter Paprika und Fenchelsaat. Alle mischen ihre ätherischen Öle zu einer eindringlichangenehmen, herb-süßlichen Mischung. In Regalen stapeln sich weiße Behälter, beschriftete Gewürzschachteln und -gläser. Hier wiegt, mahlt und mischt der gelernte Hotelfachwirt, verpackt und etikettiert die hauseigenen Gewürzspezialitäten. Er zieht eine Box hervor, öffnet den Deckel und streicht mit der Hand liebevoll durch gestielten Kubebenpfeffer. Mit schrumpeliger Oberfläche, antiseptischen Eigenschaften und Mentholnote findet Lodner ihn auch als Kaugummi-Ersatz spannend. Er präsentiert Langpfeffer, zeigt, worin sich Zimtstangen verschiedener Sorten unterscheiden, wie vielfältig Vanilleschoten duften. Wenn er schildert, wieso er vor mehr gewürze I bewusst leben Auf dem Schimmelturm: Unsere Autorin Beate Wand guckt über Lauingen. als zehn Jahren anfing, mit Gewürzen zu handeln, redet er sich immer noch in Rage: „Einer unserer Lieferanten rief ein Curry zurück. Es enthielt Dieselfarbstoff, der in der Lebensmittelindustrie längst verboten war.“ Er habe schon immer Wert auf die Qualität seiner Produkte gelegt, fahre für tolle Ware von einem Biobauern zum anderen. „Da muss so was natürlich net sein!“ Zudem stiegen die Preise für besondere Salze wie indische Sonnenflocken oder Inkasalz dermaßen, dass es für den Realisten in keiner Relation mehr stand: „Da gab es Spezial-Salze, die sollten 700 Euro pro Kilo Kosten und lauter so a G’schmarrn.“ Für ihn der Moment, selbst nach Rohstoffen zu suchen. Zu lernen, wie man Gewürze verarbeitet. Schon als Koch spielte er sehr gern mit Aromen. Er fand heraus, wie sie Speisen verändern. „I hab da permanent ausprobiert, und so hab i einfach selbst SCHMECKEN Gewürze und Mischungen verkauft Alexander Lodner in den Geschmackswelten, dem neuen Feinkostladen, der Hotel und Restaurant ergänzt. Vor Ort vervollständigen italienische Käse, Weine, Pasta und Pralinen das Sortiment: hotel-lodner.de. Einiges wie Essen im Glas, Kaffee und Fruchtaufstriche gibt es auch online: lodner. shop. Für die Gewürze bietet der Onlineshop gewuerzideen.de bessere Übersicht, pfefferkontor.de erweitert das Angebot noch. vegetarisch <strong>fit</strong> I 27