ASO! Augsburg Süd-Ost - August / September 2022
Stadtteilmagazin für Augsburg-Hochzoll, -Herrenbach, -Spickel, -Textilviertel und Friedberg
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18 <strong>ASO</strong>! <strong>August</strong> / <strong>September</strong> ‚22<br />
„Wir tanzen alles ab.“ –<br />
Das Tanzkunstwerk auf den <strong>Augsburg</strong>er Stadtteilbühnen<br />
Der erste Anschein mag es nicht hergeben,<br />
aber die überdurchschnittliche Anzahl an<br />
Tanzschulen spricht für sich: <strong>Augsburg</strong>er<br />
sind ganz offenkundig ein tanzbegeistertes<br />
Volk. Niemand soll behaupten, dass<br />
sich „die schreibende Zunft“ dem Thema<br />
nur mit Stift und Block nähert, nein, ich absolvierte<br />
tatsächlich eine Probestunde bei<br />
Ida Mahin im Tanzkunstwerk in der Jakobervorstadt.<br />
25 Jahre, nachdem ich Gymnastik<br />
und Tanz in der Schule glücklich abgewählt<br />
habe! Auf geht‘s, wo war nochmal<br />
die alte Leggins?<br />
Auf Instagram kommentierte Mahins Kostümschneiderin:<br />
„Ich denke, an dieser Stelle<br />
kann man schon mal erwähnen, dass es<br />
sich bei dem tollen Kostüm um ein Stück<br />
Zeitgeschichte aus den frühen 1960er Jahren<br />
handelt. Es entstammt dem Fundus<br />
des Fernsehballetts. Hatte viele Einsätze.<br />
Das belegen die von Hand eingenähten<br />
Kennzeichen und Nummern verschiedener<br />
Shows. Tadellos in Schuss! Nur deshalb<br />
waren ja die Änderungen möglich. Schön,<br />
wenn ein solches Kostüm noch einmal so<br />
intensiv bewegt belebt wird.“<br />
Am Kirschblütenfest <strong>2022</strong> in Oberhausen<br />
führten Tanzkunstwerk das auf, was als<br />
Heavy-Metal-Fusion-Dance bezeichnet<br />
werden kann, also Bewegungen der aggressiveren<br />
Art verbunden mit traditionellen<br />
Formationstänzen aus aller Welt. Einer<br />
von Ida Mahins „Klassikern“: Die Choreografie<br />
zu Sepulturas „Ratamahatta“. Und<br />
genau darum ging es in der „Probestunde“.<br />
„Stell dir vor, du hast zwei Verehrer. Einer<br />
kniet zu deiner Linken, einer zu deiner<br />
Rechten und du legst deine Hände gnädig<br />
auf ihre Köpfe, so ist die Handhaltung.“ Ich<br />
schätze es außerordentlich, wenn Lehrpersonal<br />
praxisnah unterrichtet. Nicht<br />
umsonst ist Ida Mahin dafür bekannt und<br />
beliebt, dass sie es schafft wirklich jede<br />
und jeden auf der Bühne gut aussehen<br />
zu lassen. Im Moment fühle ich mich zwar<br />
wie Miss Piggy, die für ihren Hochzeitstanz<br />
mit Kermit dem Frosch übt (wird keine<br />
leichte Angelegenheit), aber Ida greift<br />
kennerhaft lächelnd ein: „Ich sag immer,<br />
das andere Links.“<br />
Das, was Ida Mahin auf die Bühne bringt,<br />
nennt sich World Fusion Dance. Im Grunde<br />
handelt es sich dabei um ein Zusammenspiel<br />
aus Tänzen aus aller Welt, eine Art<br />
Label, das garantiert, dass man machen<br />
kann, was man will, ohne sich um die teils<br />
doch strengen Konventionen im tänzerischen<br />
Bereich scheren zu müssen. Die<br />
Wege der gebürtigen Berlinerin mit ganz<br />
klassischer Ballettausbildung führten sie<br />
vor allem in den orientalischen Raum.<br />
Auf ihrer Homepage schreibt sie über ihre<br />
Arbeit: „Als Kulturwissenschaftlerin liegt<br />
Ida daran, die Entwicklung verschiedene<br />
Sirenentanz (links) und orientalischer Tanz (oben) bei<br />
der Jakober Kirchweih.<br />
Foto: die Freyfrau<br />
Tanzstile, deren Bedeutung, Formensprache<br />
und Besonderheiten zu erkunden<br />
und die daraus gewonnen Erkenntnisse<br />
in ihren eigenen Tanz und Unterricht einfließen<br />
zu lassen. Ihr künstlerischer Fokus<br />
liegt auf dem Erzählen von Geschichten,<br />
dem Erwecken von Gestalten und dem<br />
Ausdruck authentischer Emotionen. Sowohl<br />
solo als auch gemeinsam mit ihren<br />
Ensembles bringt sie experimentelle<br />
Tanzfusionen, Cyber-Medusen, asiatische<br />
Fächerkämpferinnen oder auch singende<br />
Füchse auf nationale wie internationale<br />
Bühnen.“ Zu den Höhepunkten ihrer Laufbahn<br />
gehörte die Präsentation ihres Beitrags<br />
beim UNESCO Tanzkongress 2010 in<br />
Istanbul im Türkischen Fernsehen. Auch ist<br />
sie in der amerikanischen DVD-Produktion<br />
„Visions – A Night of Theatral Belly Dance“<br />
zu sehen.<br />
Singende Füchse sind bestimmt lustig,<br />
aber wir sind immer noch bei „Ratamahatta“<br />
und der Refrain wird bestimmt von einer<br />
ganz anderen Gestalt, die wohl sowas<br />
wie maximale Verachtung ausdrücken soll,<br />
dem „puking camel“, also dem kotzenden<br />
Kamel, einer Aufwärtsbauchrolle. Es könnte<br />
wichtig sein zu betonen, dass diese Geste<br />
selbstverständlich nicht dem Publikum<br />
gilt, sondern dem jeweiligen Widerpart.<br />
Was ein ordentlicher Metalhead ist, vergisst<br />
das Headbangen nicht: „Noch vier<br />
Mal und die Frise hat wieder Volumen.“, so<br />
die Ansage. Hat sie, die Haare werden zerzauster,<br />
die Bewegungen verwischen, und<br />
dann tritt ein Effekt ein, der nicht anders<br />
sein kann als gewünscht...<br />
Am 25. Juni traten Tanzkunstwerk wiederum<br />
in Oberhausen auf dem Friedensplatz<br />
auf. Das Publikum feierte die diesmal bunten<br />
Kostüme der Fusion-Belly-Tänzerinnen.<br />
Ida Mahin<br />
Foto: Uwe N. Philipp<br />
Ida Mahin hat sich durch ihre Unkonventionalität<br />
einen Namen gemacht. Zum<br />
Zeitpunkt der Niederschrift dieses Artikels<br />
wird das Programm für die Jakober Kirchweih<br />
am 24. diesen Monats vorbereitet,<br />
ein Programm mit Mitmachelementen in<br />
drei Blöcken, Gruppentänze, Solos, Duos,<br />
Trios, alles soll beim Tanz im eigenen Kiez<br />
vertreten sein. Das Tanzkunstwerk selbst<br />
ist sowohl vom Alter, von den Geschlechtern<br />
und vom Background ziemlich bunt<br />
gemischt. Jeder ist eingeladen. Eine ihrer<br />
langjährigen Schülerinnen betont mit<br />
Nachdruck, dass die „Meisterin der Bühneninszenierung“<br />
auch wirklich jeden,<br />
der sich anschickt, auf die Bühne lässt. Sie<br />
selbst fühle sich sehr sicher bei Ida.<br />
Denen, die sich einen ersten Eindruck<br />
von der Vielfalt machen wollen, sei der<br />
Youtube-Kanal von Ida Mahin empfohlen.<br />
Ein Ausschnitt von der GothlaUK 2015, der<br />
„Mutter“ aller Gothic-Bellydance-Festivals,<br />
zeigt meine liebste geniale Anmoderation<br />
ihres Mannes Max Wildgruber: „Remember:<br />
If you dance with the devil, you gonna<br />
need good shoes.“<br />
Und das Ende meiner Bemühungen? Ein<br />
angenehm abgekämpftes Körpergefühl<br />
mit einem Kopf, in dem der Tanz alles<br />
verdrängt hat. Nichts anderes ist mehr<br />
wichtig.<br />
Freyfrau vom Alten Heuweg<br />
Nähere Informationen unter www.ida-mahin.de