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nKUNST UND KULTUR
46
Jahre seelischer Leere
11. August 2022
Das Theater Orlando zeigt die unglückliche Ehe zwischen Erbgroßherzog Friedrich August und seiner Ehefrau Elisabeth von
Mecklenburg als szenische Lesung. Für die Premiere in Oldenburg gab es viel Beifall.
Von Britta Lübbers | „Extrablatt,
Extrablatt“, brüllte der
Ausrufer und schmetterte die
Schlagzeile gleich hinterher.
„Dem Erbgroßherzog Nikolaus
Friedrich Peter wurde ein Sohn
geboren: Friedrich August.“ Die
frohe Kunde aus dem Haus
Oldenburg erreichte die Öffentlichkeit
am 16. November
1852. Noch bevor der Säugling
den ersten Schrei getan hatte,
stand seine Berufung fest. Er
würde die Regentschaft des Vaters
übernehmen und gleichfalls
einen Thronfolger zeugen.
So geschah es, wenngleich mit
Verzögerung. Nachdem seine
erste Frau Elisabeth Anna gestorben
war, ohne ihm einen
Sohn zu hinterlassen, musste er
eine zweite Gattin finden. Die
Wahl fiel auf Herzogin Elisabeth
von Mecklenburg-Schwerin.
Sie schenkte ihrem Gatten
den Thronfolger Nikolaus sowie
die beiden Töchter Ingeborg
und Altburg. Die Ehe aber
war eine Katastrophe. Thomas
Kossendey, ehemaliger Vorsitzender
der Oldenburgischen
Landschaft, hat einen Text über
diese unglückliche Verbindung
geschrieben, den das Theater
Orlando nun als szenische
Lesung präsentiert. Die Premiere
fand Ende Juli im Elisabeth-Anna-Palais
in Oldenburg
statt, wo das Ehepaar zunächst
gemeinsam gelebt hatte. Thomas
Kossendey trat als Vorleser
auf, der souverän durch die
sich immer weiter zuspitzende
Geschichte führte. Ulf Goerges
und Sylvia Meining schlüpften
in unterschiedliche historische
Rollen, darunter der Großherzog,
einige preußische Minister,
Elisabeth und ihre Tochter Ingeborg.
Die Bühne bildete ein
wuchtiger Schreibtisch, hinter
dem Kossendey saß und las.
Grundlage für seinen Text sind
Akten des Geheimen Staatsarchivs
Berlin, Berichte preußischer
Gesandter in Oldenburg,
Zeugnisse anderer Zeitzeugen
sowie Tagebucheinträge und
Briefe der Familie.
An den beiden Tischenden
wiederum hatten Ulf Goerges
und Sylvia Meining Platz genommen.
Mit dem Wechsel ihrer
Kopfbedeckung kündigten
sie jedes Mal eine neue Person
an. Auch spielten sie ein
namenloses Ehepaar – er ergriff
Partei für den Herzog, sie
für Elisabeth. „Das ist ja wie
bei Leuten!“, ereiferte sich die
Frau angesichts der royalen
Schlammschlacht.
Keiner der Akteure schauspielerte
im eigentlichen Sinne.
Und doch schafften es die
drei ihr Auditorium in eine Zeit
zu entführen, in der der Schein
höher wog als individuelles
Glück. Eine bleierne Zeit, in
der Frauen keine Rechte besaßen
und ihre Männer über
sie verfügen konnten, wie es
ihnen beliebte. Dabei gelang
auf der Bühne das Kunststück,
Eli sa beths Ohnmacht kompromisslos
darzustellen, ohne ein
Urteil abzugeben. Ulf Goerges
ließ den Erbgroßherzog als
jähzornigen Mann auftreten.
Tatsächlich galt Friedrich August
als konservativ und unbeherrscht.
Als Leutnant soll
er seine Soldaten geschunden
haben. Zu seiner Frau war er
zeitweise derart grob, dass sie
sich nicht traute, ihm alleine
Ernste Mienen: Thomas Kossendey (l.), Ulf Goerges und Sylvia
Meining gelingt das Kunststück, ohne eigentliches Schauspiel die
Katastrophen-Ehe anschaulich auf die Bühne zu bringen | Foto:
Theater Orlando
gegenüberzutreten. Er interessierte
sich vor allem für Technik
und entwickelte einen neuen
Schiffspropeller, der nach
seinem Sohn Niki-Propeller
genannt wurde. Sie spielte Piano,
war den schönen Künsten
zugetan und mit Cosima Wagner
befreundet. Als die Ehe der
beiden Gegensätzlichen nicht
mehr zu retten war, ging sie
eine Affäre zum Schiffbauingenieur
Jan Schütte ein. Der Großherzog
tobte, ließ sie in Nervenheilanstalten
einweisen, verbannte
sie nach Mecklenburg,
verbot ihr öffentliche Auftritte
und hielt sie von ihren Kindern
fern. Letzteres schmerzte sie
am meisten. Nicht einmal an
der Hochzeit ihrer Tochter Ingeborg
durfte sie teilnehmen,
was diese ihrem Vater kaum
verzeihen konnte. Herzzerreißend
sind Elisabeths Briefe aus
den so genannten Sanatorien:
„Wenn sich nicht bald etwas
ändert, werde ich wirklich verrückt.“
Liebe habe sie nie für ihren
Mann empfunden, vertraute
sie einem Beamten an. Aber
sie habe sich bemüht „eine Neigung“
zu ihm zu finden. Noch
aus der Verbannung schrieb sie
Dieter von Seggern
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