Paracelsus Today
Ausgabe 2 | August 2022
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elastungen. Dazu kämen erhöhte Risiken<br />
etwa durch eine Frühgeburt – die<br />
unvermeidlich-belastende Sauerstofftherapie<br />
kann die Lunge schädigen<br />
– oder durch genetische Faktoren. Stefanie<br />
Fleimisch: „Da wird oft nicht genau<br />
genug hingesehen.“ Spannend: Zu<br />
den erblichen Faktoren, die die Wahr-<br />
Raucher-Lungen &<br />
Wikinger-Würmer<br />
FocusOn | Die Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD) wird häufig<br />
als „Raucherlunge“ trivialisiert und gleichzeitig in ihrer Gefährlichkeit unterschätzt.<br />
Neue Erkenntnisse aus alter Zeit und ein Fokus auf Prävention und<br />
Früherkennung könnten für frische Luft sorgen. Autor: Andreas Aichinger. Fotos I-stock, Salk.<br />
daran erkranken. Doch damit nicht genug:<br />
Im zeitlichen Verlauf ließ sich sogar<br />
ein stagnierendes Interesse beziehungsweise<br />
Suchveralten feststellen,<br />
und das bei anwachsender Neuerkrankungsrate.<br />
Wieso die Chronisch Obstruktive<br />
Lungenerkrankung somit<br />
trotz des hohen Krankheitsdrucks relativ<br />
unbekannt ist und noch immer im<br />
Volksmund als „Raucherlunge“ mit<br />
„Raucherhusten“ verharmlost wird, ist<br />
auch für Stefanie Fleimisch in Salzburg<br />
eine „sehr gute Frage“. Ein Teil der Antwort<br />
ist für die stellvertretende Leiterin<br />
der Uniklinik für Pneumologie auch die<br />
Stigmatisierung von Erkrankten.<br />
O-Ton Fleimisch:<br />
„COPD ist als Erkrankung der Raucher<br />
verpönt, vergleichbar einer durch Alkohol<br />
verursachten Leberzirrhose.“ Zudem<br />
würden Patienten im entsprechend-fortgeschrittenen<br />
Alter und mit<br />
einschlägigen Atemproblemen oft<br />
„ganz schnell“ als COPD-Fall abgestempelt<br />
werden, obwohl „vielleicht gar keine<br />
Befunde vorliegen und noch gar keine<br />
saubere Diagnose gemacht“ wurde,<br />
gibt sie zu bedenken. Tatsächlich ist<br />
COPD keineswegs immer und ausschließlich<br />
auf aktives oder passives<br />
Rauchen zurückzuführen. „Es gibt<br />
auch COPD-Erkrankte, die nie geraucht<br />
haben“, betont Fleimisch und verweist<br />
auf Risikofaktoren wie berufliche<br />
Schadstoff-Expositionen oder Umwelt-<br />
scheinlichkeit einer COPD-Erkrankung<br />
beeinflussen können gehört jüngeren<br />
Erkenntnissen zufolge wohl auch eine<br />
alte Gen-Last aus Nordeuropa:<br />
Der Fluch der Wikinger. Das in den Leberzellen<br />
gebildete Enzym Alpha-1-Antitrypsin<br />
(A1AT) schützt nämlich normalerweise<br />
Lunge und Leber vor Eiweiß<br />
abbauenden Enzymen, so<br />
genannten Proteasen. Wird der Protease-Inhibitor<br />
A1AT allerdings fehlerhaft<br />
oder in zu geringer Menge gebildet, so<br />
kann das die Lunge schädigen und<br />
COPD begünstigen. Und jetzt kommt‘s:<br />
Aus Ausgrabungen weiß man, dass speziell<br />
die Wikinger sehr häufig von massivem<br />
Wurmbefall geplagt waren. Die<br />
Folge eines aus dieser Belastung resultierenden<br />
Selektionsvorteils dürfte ein<br />
Gendefekt samt – ausgerechnet –<br />
A1AT-Defizit gewesen sein. Obwohl<br />
dieser Mangel heute vordergründig relativ<br />
selten ist, dürfte die Dunkelziffer<br />
der nicht diagnostizierten Betroffenen<br />
hoch sein. Somit lässt sich derzeit auch<br />
nicht quantifizieren, welche Rolle das<br />
genetische Erbe der Nordmänner für<br />
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