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ASO! Augsburg Süd-Ost - Oktober 2022

Stadtteilmagazin für Augsburg-Hochzoll, -Herrenbach, -Spickel, -Textilviertel und Friedberg

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8 <strong>ASO</strong>! <strong>Oktober</strong> ‚22<br />

Radeln in Hochzoll: Hindernisse und Gewissensbisse<br />

§ 1 der Straßenverkehrsordnung verlangt bekanntlich, „sich so zu<br />

verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr,<br />

als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt<br />

wird.“ Dieser Grundsatz ist unbedingt zu beherzigen, auch von<br />

Radfahrern.<br />

Das ist allerdings etwas anderes, als was die <strong>Augsburg</strong>er Ordnungsbehörde<br />

auf Anweisung des Ordnungsreferenten Frank<br />

Pintsch praktiziert, wenn sie an Stellen wie etwa dem Hochablass<br />

oder dem Osramsteg meint, Radfahrer auch dann zum Absteigen<br />

und Schieben verpflichten zu<br />

sollen, wenn weit und breit kein<br />

Fußgänger unterwegs ist. Denn<br />

nun behindern die abgestiegenen<br />

Radfahrer durch ihre verdoppelte<br />

Breite womöglich andere Radfahrer,<br />

die ihr Rad vielleicht schneller<br />

schieben wollen. Obendrein dauert<br />

auf diese Weise die Überquerung<br />

von Hochablass oder Osramsteg<br />

viermal so lange: Staugefahr! Ist<br />

das nicht ein klarer Verstoß gegen<br />

§ 1 der Straßenverkehrsordnung?<br />

Auch sonst macht einem das Radeln<br />

in Hochzoll vielerorts Gewissensbisse<br />

wegen unklarer Rechtslage und vermeidbarer Hindernisse.<br />

Darf man von der Garmischer Straße direkt durch den<br />

breiten Quasi-Bürgersteig in die Ortlerstraße radeln? Ja. Auch<br />

umgekehrt? Unklar. Darf man auf der Garmischer Straße von der<br />

Münchner Straße Richtung Zedlitzbrücke auf dem Radweg der<br />

linken Seite radeln? Unklar. Platz ist genug.<br />

Radelt man vom Grainauer Weg direkt Richtung Mittenwalder<br />

Straße, so kommt man über einen Weg, der mit dem blauen<br />

„Fußgänger“-Schild markiert ist. Kurz dahinter steht seit ein paar<br />

Monaten ein Warnschild vor künstlichen Bodenwellen, wie sie<br />

auf Autostraßen zum Entschleunigen eingesetzt werden. In der<br />

Gegenrichtung gibt es keine Einschränkung<br />

auf Fußgänger. Auch<br />

auf den Weg zum Zwölf-Apostel-<br />

Platz kann sich das „Fußgänger“-<br />

Schild nicht beziehen, denn andere<br />

Zugänge dorthin sind unbeschildert.<br />

Ob die Ordnungsbehörde für ihre<br />

Regelungen wohl ein Archiv führt?<br />

Alle paar Jahre werden nämlich an<br />

manchen Stellen die Regeln geändert.<br />

Als wir Ende 1980 nach <strong>Augsburg</strong><br />

zogen, war auf dem Hochablass<br />

das Radeln in den frühen<br />

Morgenstunden (ich glaube: von 5<br />

Romantische Straße für Fußgänger<br />

Nähe Kuhsee-Kiosk.<br />

Romantische Straße jetzt auch für<br />

Radler<br />

bis 7 Uhr) erlaubt. Siemens-Beschäftigte, von denen recht viele<br />

damals in Hochzoll lebten, konnten so Zeit sparen auf dem Weg<br />

zur Arbeit. Diese Anwandlung von Praxisnähe und Pragmatismus<br />

hielt man ein paar Jahre später offenbar für sittenwidrig.<br />

Das Problem ist aus meiner Sicht ein punktueller Regelungsfanatismus,<br />

gekoppelt mit Inkonsequenz. Sicherlich 80 Prozent<br />

der Radfahrer und Fußgänger in Hochzoll, wahrscheinlich sogar<br />

mehr, verhalten sich umsichtig und rücksichtsvoll. Manchmal<br />

muss man reagieren und evtl. ausweichen, das stimmt. Das gilt<br />

nicht nur bei zu schnellen Radlern, sondern z.B. auch bei Hundebesitzern,<br />

die auf der Radler-Seite stehen und vielleicht sogar die<br />

lange Leine quer über den Weg spannen. Werden unvernünftige<br />

oder unachtsame Hundebesitzer abkassiert? Meines Wissens<br />

nicht. Gut so. Warum werden Radfahrer anders behandelt?<br />

Auf dem Rad bin ich eine Art Mischwesen – zwischen Fußgänger<br />

und Autofahrer. Darum gibt es besondere Verkehrsschilder für<br />

den Radverkehr mit fein nuancierten Bedeutungsunterschieden.<br />

Autos dürfen überall fahren, soweit es nicht ausdrücklich verboten<br />

ist. Radler müssen entweder (1) auf der Straße fahren, oder (2)<br />

auf einem Radweg, wenn es ihn gibt, oder (3) sich einen Fuß- und<br />

Radweg mit Fußgängern zur Hälfte teilen, oder dürfen (4) den<br />

Weg gemeinsam mit Fußgängern rücksichtsvoll benutzen, oder<br />

dürfen (5) auf dem Fußweg im Schritttempo Rad fahren, wenn<br />

sie nicht die Straße bevorzugen – so zumindest die Schilder und<br />

Erläuterungen auf https://www.radfahren.de/service/bedeutung-verkehrsschilder-radfahrer/.<br />

Jede Ampelkreuzung enthält eine Überraschung: Gibt es eine<br />

Radler-Ampel? Seltenst. Ist auf der Fußgänger-Ampel auch ein<br />

Rad-Symbol? Oft. Oder gilt einfach die Auto-Ampel? Kann sein.<br />

Ist die Kreuzung auf einem Radweg zugänglich? Müsste ich mich<br />

auf der Straße neben ein Auto oder zwischen Autos quetschen,<br />

auch wenn die Radler-Ampel früher grün hat als die Auto-Ampel<br />

(siehe beispielsweise die Kreuzung Friedberger Straße/Zugspitz-/<br />

Hochzoller Straße).<br />

Originell ist auch die Regelung, einen Radweg mal kurz zu unterbrechen,<br />

weil eine Bushaltestelle kommt, wie auf der Zugspitzstraße.<br />

Sich einfach 20 Meter weiterzubeamen<br />

gelingt nicht jedem.<br />

Besonders humorig ist die Verkehrsregelung<br />

vom Kuhsee-Kiosk<br />

Richtung Schwabhof (siehe Foto).<br />

Der Weg ist vielleicht vier Meter<br />

breit, die Benutzung ist auf Fußgänger<br />

beschränkt. Ein kleines<br />

Schild weist darauf hin, dass hier<br />

die „Romantische Straße“ „vom<br />

Main bis zu den Alpen“ verläuft.<br />

Nur für Fußgänger? Ein paar hundert<br />

Meter weiter befindet man<br />

„Nur für Fußgänger“, kombiniert<br />

mit „Langsam fahren“. Könnte sich<br />

auf Bobbycars beziehen?<br />

sich plötzlich auf dem „Bayernweg<br />

für Radler“.<br />

Meine Lieblings-Schilderregelung<br />

findet sich an einem beliebten <strong>Augsburg</strong>er Biergarten: „Nur für<br />

Fußgänger“, kombiniert mit „Langsam fahren“. Könnte sich auf<br />

Bobbycars beziehen.<br />

Man steckt als Radler in <strong>Augsburg</strong> (nicht nur dort) immer mit einem<br />

Bein in der Ordnungswidrigkeit. Das ist sehr bedauerlich,<br />

denn man braucht doch eigentlich beide Beine zum Radeln.<br />

Der Bürgertreff Hochzoll hat den Ordnungsreferenten Frank<br />

Pintsch zu einer Diskussion zum Thema Radverkehr in Hochzoll<br />

eingeladen (21. September, 18 Uhr). Wir ließen ihm den Artikel<br />

vorab zukommen und waren gespannt auf die Diskussion.<br />

Ordnungsreferent Frank Pintsch kam mit dem Leiter des Ordnungsamtes,<br />

Herrn Bleymaier. Herr Pintsch, selbst ein bekennender<br />

Radler, betonte, wie wichtig, wenn auch schwierig, der Weg zu<br />

einer Fahrradstadt <strong>Augsburg</strong> sei. Herr Bleymaier listete auf, dass<br />

die Ahndung von Autofahrer-Verstößen wie Falschparken oder<br />

überhöhte Geschwindigkeit in <strong>Augsburg</strong> mehr als 100-mal zahlreicher<br />

sei als das Ahnden von Radler-Fehlverhalten. Von einer gezielten<br />

Abzocke etwa am Osram-Steg könne keine Rede sein, mit<br />

nur 30 Vollzeit-Stellen decke der Ordnungsdienst die ganze Stadt<br />

ab, man orientiere sich an der Beschwerdelage. Und bei fragwürdiger<br />

Beschilderung (wie in diesem Artikel beispielhaft illustriert)<br />

müsse man sich ans Baureferat wenden. – Die Diskussion war<br />

engagiert, jeder kam ausführlich zu Wort, und die Standpunkte<br />

näherten sich immerhin insoweit an, dass eine praxisgerechtere<br />

Regelung an Osramsteg und Hochablass, vielleicht per Diskussion<br />

im Stadtrat, möglich scheint.<br />

Text und Fotos: M. Friedrichs

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