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27. Oktober 2022 DIES UND DAS
n 45
Mit der wertvollsten Währung Zeit
Nach einer beruflichen Krise orientiert sich Jan-Geert Schüdzig noch einmal neu. Mit dem gemeinnützigen Unternehmen
„Fynn-Zeit“ möchte er anderen helfen.
Von Britta Lübbers | Jan-Geert
Schüdzig kommt mit dem
Fahrrad zum Treffen – aus Wiefelstede,
im sportlichen Radleroutfit.
Durchtrainiert wirkt er,
entspannt. Das war nicht immer
so. Viele Jahre war es sogar
ganz anders. „Ich wurde derart
beansprucht von meiner Arbeit,
ich habe nicht nach rechts und
nicht nach links geschaut. Und
bewegt habe ich mich auch
nicht viel“, erklärt der 50-Jährige.
Vor rund zwei Jahren verlor
er seinen Job. Nach 28 Jahren.
Ziemlich plötzlich. Anlass war
eine betriebliche Umstrukturierung.
Schüdzig erhielt eine
Abfindung. Aber er fühlte sich
aussortiert und fiel in ein tiefes
Loch. Heute sagt er, dieser
Bruch sei seine Chance gewesen,
habe ihn gezwungen, sich
noch einmal neu zu orientieren.
„Ich habe die Chance genutzt“,
resümiert er.
Jan-Geert Schüdzig ist gelernter
Bäcker. In dem Betrieb,
dem er jahrzehntelang die
Treue hielt, hat er sich stetig
fortgebildet, hat sich hochgearbeitet
bis zum Hauptabteilungsleiter.
Dann kam die Trennung.
Und dann der Neuanfang.
Schüdzig richtete sich wieder
auf und stellte sich die grundlegende
Frage: Was möchte
ich? Die Antwort lautete: „Ich
möchte anderen helfen.“ Also
bewarb er sich bei sozialen Einrichtungen
– und erhielt Absagen.
Unterkriegen ließ er sich
nicht. Er holte Informationen
ein und stieß auf die „Lebenshelfer“
Berlin. Dabei handelt es
sich um eine Organisation, die
ältere Menschen unterstützt.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
sind Ansprechpartner
Jan-Geert Schüdzig zieht das Fahrrad dem Auto vor. Wer mag, kann mit ihm Radtouren machen –
oder mit ihm spazieren gehen | Foto: Lübbers
bei Sorgen und Problemen. Sie
hören zu und trösten. Sie gehen
mit den Älteren spazieren,
begleiten sie zum Arzt oder in
ein Konzert oder sie trinken
einfach einen Kaffee mit ihnen.
Der Kontakt mit den Lebenshelfern
sei die Initialzündung
für seine eigene Idee gewesen,
erzählt Schüdzig. „Da wusste
ich, das möchtest du auch machen.“
Im Juli gründete er eine
gemeinnützige UG, die „Fynn-
Zeit“. Fynn heißt Schüdzigs
Sohn. Und Zeit ist die Währung,
die er mitbringt. „Die wertvollste
Währung.“
Noch ist Fynn-Zeit in der Anfangsphase.
Es gibt aber schon
eine Homepage. Schüdzig wirbt
für das Projekt in Wiefelstede,
Rastede und Bad Zwischenahn.
Und er ist nicht alleine. Zu seinem
Team zählen eine staatliche
geprüfte Kinderpflegerin
und eine psychologische
Beraterin. Aber es sollen noch
mehr Mitarbeitende werden.
Und Fynn-Zeit braucht Spenden,
damit es richtig losgehen
kann. „Wir besuchen ältere und
einsame Menschen, wir entlasten
pflegende Angehörige,
wir begleiten in die Natur oder
zur Behörde, wir sind da beim
Schrei ben von Briefen, zum Vorlesen
oder für kleinere Reparaturhilfen“,
nennt der Wiefelsteder
konkrete Hilfsbeispiele.
Viele Menschen brauchen Hilfe
Jan-Geert Schüdzig, der auch
gesetzlicher Betreuer und Mitglied
bei Deutschlands größter
Spendenplattform für soziale
Projekte „A better place“
ist, weiß, wie es sich anfühlt,
wenn man glaubt, die Bodenhaftung
zu verlieren. Und wie es
ist, wenn man wieder aufsteht.
„Früher hatte ich einen Tunnelblick.
Jetzt kann ich zuhören,
kann da sein.“ Er ist sich sicher,
dass er viel zu geben hat. Und
dass es zahlreiche Menschen
gibt, die alleine sind und diese
Hilfe gut gebrauchen können.
„Lebenszeitbegleiter“ möchte er
sein, sagt Schüdzig, bevor er auf
sein Fahrrad steigt und weiterfährt,
um Flyer zu verteilen.
Wer Fynn-Zeit unterstützen
möchte oder wer Hilfe von
Fynn-Zeit braucht, melde sich
bei Jan-Geert Schüdzig unter
0176/62748427 oder per Mail
an hallo@fynn-zeit.de. Infos
gibt es auch auf der Homepage
www.fynn-zeit.de.
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