Wärmetransportphänomene - Lehrstuhl für Thermodynamik - TUM
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Skriptum zur Vorlesung<br />
<strong>Wärmetransportphänomene</strong><br />
Sommersemester 2003<br />
Copyright c○<strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Thermodynamik</strong>, TU München, 2003
ii<br />
Vorlesung:<br />
Prof. Wolfgang Polifke – 289 16216 – MW 1726 – wolfgang.polifke@td.mw.tum.de<br />
Termin:<br />
Do, 8:30 - 10:00, MW 2001<br />
Termin der ersten Vorlesung:<br />
Mi, 9. April, 8:30 - 9:15, MW 0001<br />
Vorlesungsbetreuung:<br />
Jochen Kalb – 289 16230 – MW 0732 – jochen.kalb@td.mw.tum.de<br />
Übung:<br />
Mi, 8:30 - 9:15, MW 0001<br />
Zusatzübung:<br />
nach Vereinbarung<br />
Sprechstunde:<br />
Do, 14:00 - 15:30, MW 0732<br />
Copyright c○<strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Thermodynamik</strong>, TU München, 2003<br />
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte der Vervielfältigung<br />
und Verbreitung, sowie der Übersetzung und des Nachdrucks bleiben, auch bei nur auszugsweiser<br />
Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie,<br />
Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des <strong>Lehrstuhl</strong>s<br />
<strong>für</strong> <strong>Thermodynamik</strong> reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,<br />
vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />
Dieser Umdruck dient als vorlesungsbeleitendes Skript, das eine Mitschrift beim Besuch der<br />
Lehrveranstaltungen und das selbständige Erarbeiten von Übungsaufgaben nicht ersetzt.
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einführung 1<br />
2 Grundbegriffe der Wärmeleitung 5<br />
2.1 Das Fouriersche Gesetz der Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2.2 Fouriersche Differenzialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
2.3 Zeitliche und örtliche Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
3 Stationäre Wärmeleitung 15<br />
3.1 Wärmedurchgang und Péclet-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
3.1.1 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> die Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
3.1.2 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> den Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
3.1.3 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> die Kugelschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
3.1.4 Dimensionslose Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
3.1.5 Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
3.2 Zweidimensionale Wärmeleitung (Formfaktoren) . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
3.3 Wärmeleitung mit Wärmequellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
4 Instationäre Wärmeleitung - Methode der Blockkapazität 33<br />
4.1 Sprungantwort einer Blockkapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
4.2 Thermometerfehler der 1. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
4.3 Biot- und Fourier Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
4.3.1 Gültigkeitsbereich der Näherung ” Blockkapazität“ . . . . . . . . . . . 37<br />
4.3.2 Ähnlichkeitsform der Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
iii
iv INHALTSVERZEICHNIS<br />
5 Wärmestrahlung 41<br />
5.1 Begriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
5.2 Schwarze Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
5.3 Emission und Absorption nicht-schwarzer Strahler . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
5.3.1 Der “graue“ Strahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
5.3.2 Der “reale“ Strahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />
5.3.3 Schwarze Körper sind nicht schwarz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />
5.4 Kirchhoffsches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />
5.5 Einfache Strahlungsaustauschbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
5.6 Wellenlängenabhängigkeit optischer Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
5.6.1 Spektraler Emissionsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
5.6.2 Spektrale Absorptions-, Reflektions- & Transmissionsgrade . . . . . . 50<br />
5.6.3 Schwarzkörperfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
5.6.4 Der Treibhauseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
5.7 Gasstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
5.8 Strahlung & Wärmeübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
6 Massen- und Energiebilanzen <strong>für</strong> durchströmte Systeme 61<br />
6.1 Ideal gerührter Behälter mit Zu- und Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
6.2 Wärmeverluste bei Strömung im Rohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />
6.3 Wärmetauscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
6.3.1 Dimensionslose Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
6.3.2 Betriebscharakteristik des Gegenstromwärmetauschers . . . . . . . . . 70<br />
6.3.3 Wirkungsgrad eines Wärmetauschers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />
6.3.4 Mittlere Temperaturdifferenz des Gegenstrom-Wärmetauschers . . . . 73<br />
6.3.5 Wärmetauscher mit Phasenumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />
6.3.6 Weitere Bauformen von Wärmetauschern . . . . . . . . . . . . . . . . 75
INHALTSVERZEICHNIS v<br />
7 Grundbegriffe von Wärmeübergang und Konvektion 79<br />
7.1 Wesentliche Ergebnisse der Strömungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
7.1.1 Zähigkeit und Schubspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
7.1.2 Reibungs- und Widerstandsbeiwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
7.1.3 Der Begriff der Grenzschicht nach Prandtl . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
7.1.4 Der Begriff der Turbulenz nach Reynolds . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />
7.1.5 Die hydrodynamischen Grundgesetze viskoser Fluide . . . . . . . . . . 84<br />
7.1.6 Die Energieerhaltungsgleichung viskoser Fluide . . . . . . . . . . . . . 85<br />
7.2 Dimensionslose Form der Erhaltungsgleichungen und<br />
Kennzahlen der Thermo-Fluiddynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
7.2.1 Reynolds-, Péclet- und Prandtl-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
7.2.2 Nußelt-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
8 Impuls- und Wärmeübertragung in der Plattengrenzschicht 95<br />
8.1 Grenzschichtgleichungen <strong>für</strong> Zwangskonvektion . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />
8.2 Analytische Grenzschichtlösungen <strong>für</strong> die ebene Platte . . . . . . . . . . . . . 97<br />
8.2.1 Ähnlichkeitslösung <strong>für</strong> das Geschwindigkeitsfeld . . . . . . . . . . . . . 97<br />
8.2.2 Temperaturfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />
8.2.3 Anwendungsbeziehungen – Korrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />
8.3 Grenzschichtablösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />
9 Ähnlichkeitstheorie und Kennzahlen 107<br />
9.1 Bestimmung von Kennzahlen – π-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />
9.1.1 Sprungabkühlung eines Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />
9.1.2 Sprungabkühlung eines gut wärmeleitenden Körpers . . . . . . . . . . 110<br />
9.2 Bestimmung von Kennzahlen aus den Differenzialgleichungen . . . . . . . . . 111<br />
9.3 Die funktionale Form der Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />
9.4 Auslegung von Modellversuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />
9.5 Darstellung experimenteller Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />
9.5.1 Experimentelle Untersuchung des Wärmeübergangs an der ebenen Platte117<br />
9.5.2 Reibungswiderstand glatter Rohre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
vi INHALTSVERZEICHNIS<br />
9.6 Dimensionslose Form der Lösungen und<br />
Ähnlichkeitslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />
9.7 Analogien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />
9.7.1 Reynolds-Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />
10 Freie Konvektion 123<br />
10.1 Freie, laminare Konvektion an der isothermen Wand . . . . . . . . . . . . . . 124<br />
10.2 Boussinesq-Approximation der Grenzschichtgleichungen . . . . . . . . . . . . 124<br />
10.3 Kennzahlen und Ähnlichkeitslösungen <strong>für</strong> die isotherme Wand . . . . . . . . . 126<br />
A Nomenklatur 131<br />
B Kennzahlen 133
Kapitel 1<br />
Einführung<br />
In der Vorlesung <strong>Thermodynamik</strong> I wurden Systeme betrachtet, deren Zustandsgrößen Temperatur,<br />
Druck, innere Energie etc. sich durch Austausch von Arbeit und Wärme über die<br />
Systemgrenze oder Kontrollfläche mit der Umgebung von einem Anfangsgleichgewichtszustand<br />
” 1 “ - theoretisch nach unendlich langer Zeit - in einen Endgleichgewichtszustand ” 2 “<br />
überführen lassen. Für geschlossene Systeme liefert der 1. Hauptsatz der <strong>Thermodynamik</strong><br />
den quantitativen Zusammenhang zwischen Änderung der inneren Energie einerseits, sowie<br />
Arbeits- und Wärmezufuhr andererseits:<br />
U2 − U1 = W12 + Q12. (1.1)<br />
Die verschiedenen Arbeitsmoden und damit W12 sind zum Teil schon aus der Mechanikvorlesung<br />
bekannt sind. Um die Wärmezufuhr Q12 zu bestimmen, müssen wir im Folgenden die<br />
Mechanismen der Wärmeübertragung durch eine genauere Inspektion der Transportvorgänge<br />
an der Systemgrenze physikalisch und mathematisch erschließen. Hierbei sind zwei wesentliche<br />
Gesichtspunkte zu beachten:<br />
• Wärme ist definitionsgemäß die unter der Wirkung eines Temperaturgefälles - ohne<br />
Arbeitsleistung - vom höheren zum niederen Temperaturniveau fließende Energieform<br />
(2. Hauptsatz der <strong>Thermodynamik</strong>!).<br />
• Dieser Übertragungsprozess verläuft grundsätzlich zeitabhängig und durch Ungleichgewichtszustände;<br />
er lässt sich jedoch fast immer als quasistationär behandeln.<br />
• Um Wärmetransportvorgänge an der Systemgrenze zu beschreiben ist das ” Grenzgebiet“<br />
selbst als ausgedehntes System zu betrachten.<br />
Abb. 1.1 verdeutlicht den Sachverhalt. Sie zeigt einen (im Winter) beheizten ” Wohnraum“<br />
als Hauptsystem (1), der über das ausgedehnte Zwischensystem ” Kontrollgrenze“ (2) an das<br />
Nebensystem ” Umgebung“ (3) Wärme abgibt. Die Heizung H im System (1) soll z.B. so<br />
nachgeregelt werden, dass trotz variabler Umgebungstemperatur T∞(t) die Raumtemperatur<br />
1
2 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG<br />
¡ ¢<br />
£<br />
∞<br />
¥§¦¨ ©<br />
¥§¦¨ £ ¤<br />
Abbildung 1.1: Wärmedurchgang: Wohnraum (1) Gebäudehülle (2) Umgebung (3)<br />
T konstant bleibt; es fließt dann ein zeitveränderlicher Wärmestrom ˙ Q(t) durch das im thermischen<br />
Ungleichgewicht befindliche System (2), bestehend aus Mauerwerk und den beiden<br />
angrenzenden Luftgrenzschichten, in welchen Konvektionsbewegungen auftreten.<br />
Häufig sind Wärmetransportvorgänge eng mit Massen-, bzw. Stoff- und Impulstransportprozessen<br />
gekoppelt (Strömung, Verdunstung). Die physikalisch/mathematische Basis der Lehre<br />
von der Wärme- und Stoffübertragung bilden zum einen die Erhaltungssätze <strong>für</strong> Masse, Impuls<br />
und Energie sowie empirisch gefundenen Transportgesetze. Transportgesetze verknüpfen den<br />
” Fluss“ (Transport pro Zeit- und Flächeneinheit) einer Erhaltungsgröße über einen ” Transportkoeffizienten“<br />
mit einem angelegten ” Potentialgefälle“ verknüpfen.<br />
Beispiele 1: Ohm’sches Gesetz,<br />
j = σ E,<br />
die Stromdichte j (elektrische Ladung pro Fläche und Zeit) ist proportional zum elektrischen<br />
Feld E; die Proportionalitätskonstante ist die Leitfähigkeit σ.<br />
Beispiel 2: der aus der Strömungsmechanik bekannte Schubspannungsansatz von Newton:<br />
τ = η du<br />
dy ,<br />
die Schubspannung τ ist gleich dem Produkt aus Viskosität η und Geschwindigkeitsgradient<br />
du/dy.<br />
Die drei Hauptmechanismen der Wärmeübertragung sind:<br />
1. Wärmeleitung (Konduktion), d.h. diffuser Energietransport, bewirkt durch Bewegung<br />
der Atome bzw. Moleküle in Flüssigkeiten und Gasen, Gitterschwingungen (Phononen)<br />
in Festkörpern und freie Elektronen in elektrisch leitenden Medien.<br />
2. Konvektion, d.h. makroskopischer (advektiver) Energietransport in Flüssigkeiten und<br />
Gasen durch Strömung. Konvektion dominiert in strömenden Fluiden zumeist die Konduktion,<br />
mit Ausnahme von wandnahen Bereichen. Fluide kommen an Wänden völlig<br />
zur Ruhe (sie haften dort), in Wandnähe regieren sogenannte Geschwindigkeits- und
�����<br />
�����<br />
�������<br />
Abbildung 1.2: ” Feuerlöschen“ – Wassertransport in Analogie zu den drei Wärmetransportmechanismen<br />
Konduktion (1), Konvektion (2) und Strahlung (3).<br />
Temperaturgrenzschichten den Impuls-, Wärme- und Stofftransport. Die Gesetzmäßigkeite<br />
des Wärmeüberganges werden in dieser Vorlesung noch ausführlich diskutiert.<br />
3. Wärmestrahlung (Radiation), d.h. elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich<br />
von 0,1 bis 1000 µm, vornehmlich zwischen festen oder flüssigen Oberflächen<br />
unterschiedlicher Temperatur mit strahlungsdurchlässigen Zwischenräumen (Luft, Vakuum).<br />
Diese ” Temperaturstrahlung“ erfordert im Gegensatz zu den beiden anderen<br />
Mechanismen keinen stofflichen Träger (Beispiel: Solarenergie).<br />
Beachte, dass diese unterschiedlichen Mechanismen der Wärmeübertragung häufig in Kombination<br />
und sogar in Wechselwirkung miteinander auftreten.<br />
Anwendungsbereiche der Lehre vom Wärme- und Stoffaustausch:<br />
• Hemmende Wirkung: Wärmedämmung von Gebäuden, Rohrleitungen, Menschen (Kleidung).<br />
• Befördernde Wirkung: Chemieanlagen, Klimaanlagen, Wärmekraftanlagen, Wärmetauscher.<br />
• Ausbreitungsvorgänge: Rauchgasfahnen, Kühlwassereinleitung in Flüsse, Schadstoffausbreitung<br />
im Boden.<br />
• Extremanforderungen bezüglich Wärmeabfuhr: Generatoren, Kernreaktoren, Gasturbinen,<br />
elektronische Bauteile (!).<br />
�����<br />
3
4 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG<br />
e✷Xerzitien<br />
Richtig ✷X oder falsch ?<br />
✷ in Gasen ist die mittlere freie Weglänge viel größer als in Flüssigkeiten, weshalb bei<br />
Ersteren die Wärmeleitung (Konduktion) die Konvektion immer dominiert.<br />
✷ im Mikrowellenherd wird das Kochgut durch Mikrowellen – langwellige elektromagnetische<br />
Strahlung – erwärmt. Trotzdem zählen die Mikrowellen nicht zur Wärmestrahlung,<br />
da sie nicht ” thermisch angeregt“ sind, d.h. die Physik ihrer Entstehung ist eine Andere<br />
als bei der Wärmestrahlung.<br />
✷ wie der Name schon andeutet, ist der Wärmefluß (Transport von Wärme pro Zeit- und<br />
Flächeneinheit) nur bei der Konvektion von Bedeutung.<br />
✷ die Transportkoeffizienten sind Proportionalitätsfaktoren, welche eine Ursache (Temperatur-,<br />
Geschwindigkeits- oder Potentialgradient) mit der resultierenden Wirkung (Transport<br />
von Wärme, Impuls, elektrische Ladung) ins Verhältnis setzen.
Kapitel 2<br />
Grundbegriffe der Wärmeleitung<br />
2.1 Das Fouriersche Gesetz der Wärmeleitung<br />
Bereits Fourier 1 war mit folgendem Erfahrungsbefund vertraut: Prägt man einer umfangseitig<br />
wärmedichten Platte der Dicke ∆x und der Fläche A die unterschiedlichen Temperaturen T1<br />
und T2 auf (siehe Abb. 2.1), so fließt im Zeitintervall ∆t eine bestimmte Wärmemenge Q<br />
durch die Platte. Diese Wärmemenge Q ist<br />
• proportional zur Temperaturdifferenz T1 − T2,<br />
• proportional zur Fläche A,<br />
• proportional zur Zeitdauer ∆t,<br />
• invers proportional zur Dicke der Platte ∆x,<br />
und hängt ausserdem stark vom Material der Platte ab.<br />
1 Jean Baptiste Joseph Baron de (seit 1808) Fourier, frz. Physiker und Mathematiker, ∗ Auxerre 21.3.<br />
1768, † Paris 16.5. 1830; entwickelte die analyt. Theorie der Wärmeausbreitung und -leitung mit Hilfe von<br />
Fourier-Reihen und Fourier-Integralen, führte den Begriff der physikal. Dimension und der Fourier-Analyse<br />
(harmonische Analyse) ein. ( c○ Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG)<br />
���<br />
λ<br />
∆�<br />
�<br />
��� �<br />
Abbildung 2.1: Stationäre Wärmeleitung durch eine umfangseitig gut wärmeisolierte Platte<br />
5
6 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />
Schäume<br />
CO2<br />
Wärmedämmstoffe<br />
H2<br />
|-- Gase --|<br />
Plastik Eis<br />
Oxide<br />
nichtmetallische Feststoffe<br />
Öl Wasser<br />
Fasern<br />
Quecksilber<br />
|--- Flüssigkeiten ---|<br />
|-- Metalle --|<br />
Nickel Aluminium<br />
Legierungen<br />
0.01 0.1 1 10 100 1000<br />
Abbildung 2.2: Wärmeleitfähigkeit verschiedener Materialien (in W/m·K) verschiedener Materialien<br />
bei Standardbedingungen (nach [2].<br />
Dieser Zusammenhang wird analytisch wie folgt formuliert:<br />
Q = λ T1 − T2<br />
∆x<br />
A ∆t.<br />
Der Koeffizient λ, der die Materialabhängigkeit der Wärmeleitung erfasst, wird Wärmeleitfähigkeit<br />
genannt. Diese reine Stoffgröße ist durch obige Gleichungen definiert und erhält<br />
wegen:<br />
Zink<br />
[Q] = J = W s; [T ] = K; [x] = m; [A] = m 2 ;<br />
die Einheit [λ]= W/ (m K) zugewiesen. Die Wärmeleitfähigkeit ist eine Funktion der Temperatur<br />
des Körpers, diese Abhängigkeit kann in allerdings in vielen Fällen in guter Näherung<br />
vernachlässigt werden. Ganz grob gesprochen ist Die Wärmeleitfähigkeit von Metallen ist<br />
deutlich größer (ungefähr eine Größenordnung) als die von nicht-metallischen Festkörpern,<br />
diese deutlich größer als die von Flüssigkeiten, und diese wiederum wesentlich größer als die<br />
von Gasen. Ein Übersicht vermittelt Bild 2.2, einige Zahlenwerte {λ} sind in Tabelle 2.1<br />
angegeben.<br />
Silber<br />
Stoff Ag Cu Al St VA Glas H2O PVC Luft CO2<br />
{λ} W/ (m K) 410 390 230 52 15 1,4 0,60 0,15 0,026 0,015<br />
Tabelle 2.1: Wärmeleitfähigkeit λ verschiedener Materialien bei 20 ◦ C.
2.2. FOURIERSCHE DIFFERENZIALGLEICHUNG 7<br />
Die pro Zeiteinheit übertragene Wärmemenge ist als Wärmestrom ˙ Q (Einheit W) bekannt<br />
und es gilt:<br />
˙Q ≡ dQ<br />
dt = λ T1 − T2<br />
A. (2.1)<br />
∆x<br />
Die pro Zeit- und Flächeneinheit übertragene Wärmemenge ist die Wärmestromdichte ˙q (Einheit<br />
W/m 2 ). Für die in Bild 2.1 gezeigt Geometrie gilt ˙q = ˙ Q/A, allgemeiner definiert man<br />
<strong>für</strong> die Wärmestromdichte in x-Richung durch ein Flächenelement dA<br />
˙qx ≡ d ˙ Qx<br />
, (2.2)<br />
dA<br />
und analog <strong>für</strong> Wärmeleitung in die y- oder z-Richtung. Die Wärmestromdichte ist wird auch<br />
Wärmefluss genannt.<br />
Fourier postulierte nun, dass beim Grenzübergang ∆x → 0 <strong>für</strong> die Wärmestromdichte die<br />
Differenzialbeziehung<br />
˙qx = −λ ∂T<br />
(2.3)<br />
∂x<br />
gelten sollte, und zwar mit analogen Komponenten in y- und z- Richtung. Diese fundamentale<br />
Beziehung ist als Fouriersches Gesetz bekannt. Was zunächst als phänomenologischer, also<br />
rein empirischer Ansatz formuliert wurde, erwies sich später als nahezu ausnahmslos gültige<br />
Gesetzmäßigkeit.<br />
Die Wärmestromdicht ist eine gerichtete Größe, ein Vektor. Gemäß (2.3) steht dieser Vektor<br />
�˙q senkrecht auf den Isothermflächen des skalaren Temperaturfeldes, �˙q = −λ∇T . Bei dieser<br />
Formulierung wurde vorausgesetzt, dass λ nicht richtungsabhängig (anisotrop) sein soll, wie<br />
dies bei Kristallen, Knochen oder Naturholz der Fall wäre.<br />
Die Einheit des Wärmeflusses folgt zu [ ˙q]= W/m 2 ; typische Zahlenwerte hierzu zeigt folgende<br />
Tabelle:<br />
Solarkonstante : 1300; El. Haushaltsgeräte : 1 - 8 · 10 4 ;<br />
Bensonkessel : 1,5 - 6 · 10 5 ; Kernreaktor, Chips(!) : 1 - 2 · 10 6 ;<br />
2.2 Fouriersche Differenzialgleichung<br />
Nachdem das Transportgesetz der Wärmeleitung (2.3) aufgestellt war, konnte Fourier obwohl<br />
er mit einer inkorrekten Grundkonzeption arbeitete – dem sog. Phlogistonmodell – mit Hilfe<br />
des Energieprinzips die nach ihm benannte partielle Differentialgleichung ableiten. In einem<br />
Cartesischen Koordinatensystem ist die momentane Einspeicherungsrate thermischer Energie<br />
bezüglich eines Massenelementes<br />
durch den Enthalpiestrom<br />
d 3 m = ϱ · dx · dy · dz (2.4)
8 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />
d 3 ˙ HSp = cp · ϱ · ∂T<br />
∂t<br />
· dx · dy · dz (2.5)<br />
gegeben und der aus chemischen, elektrischen oder nuklearen Effekten resultierende ” Quellenthalpiestrom“<br />
über die Wärmequellendichte ˙w durch:<br />
d 3 ˙ HQu = ˙w · dx · dy · dz (2.6)<br />
Die Einheit der Wärmequellendichte ˙w ergibt sich zu [ ˙w] = W/m 3 .<br />
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������� �������������<br />
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�<br />
���������<br />
� � �<br />
Abbildung 2.3: Wärmeleitung durch ein Volumenelement im Cartesischen System<br />
Für die vermöge Wärmeleitung durch ein Volumenelement d 3 V = dx · dy · dz transportierte<br />
Enthalpie folgt über eine Taylor-Entwicklung bezüglich der x-Komponente d 2 ˙ Hx (siehe<br />
Abb. 2.3):<br />
d 2 ˙ Hx = ˙qx · dy · dz,<br />
d 2 �<br />
Hx+dx<br />
˙ = ˙qx +<br />
∂ ˙qx<br />
∂x dx<br />
�<br />
dy · dz.<br />
Werden dem Volumenelement zugeführte Enthalpieströme positiv gezählt, so resultiert nach<br />
Ergänzung der y- und z-Komponenten und Division durch dV die Bilanzgleichung:<br />
∂ ˙qx<br />
−<br />
∂x<br />
− ∂ ˙qy<br />
∂y<br />
− ∂ ˙qz<br />
∂z<br />
+ ˙w = ϱ cp<br />
∂T<br />
∂t ,<br />
bzw. nach Einfügung des Wärmetransportgesetzes nach Fourier:<br />
�<br />
∂<br />
λ<br />
∂x<br />
∂T<br />
�<br />
+<br />
∂x<br />
∂<br />
�<br />
λ<br />
∂y<br />
∂T<br />
�<br />
+<br />
∂y<br />
∂<br />
�<br />
λ<br />
∂z<br />
∂T<br />
�<br />
+ ˙w = ϱ cp<br />
∂z<br />
�<br />
�<br />
∂T<br />
. (2.7)<br />
∂t
2.3. ZEITLICHE UND ÖRTLICHE RANDBEDINGUNGEN 9<br />
Dies ist bezüglich isotroper Medien die allgemeinste Form der Fourierschen Differentialgleichung.<br />
Setzt man <strong>für</strong> λ ferner Unabhängigkeit vom Ort (Homogenität) und von der<br />
Temperatur voraus λ = const. �= λ (x, y, z, T), so folgt die in den nächsten Kapiteln ausschließlich<br />
verwendete vereinfachte Form (in Cartesischen Koordinaten):<br />
∂2T ∂x2 + ∂2T ∂y2 + ∂2T ˙w<br />
+<br />
∂z2 λ<br />
1 ∂T<br />
= . (2.8)<br />
a ∂t<br />
Als zusammengesetzte Stoffgröße erscheint hier beim Zeitterm die Temperaturleitfähigkeit<br />
a ≡ λ<br />
, (2.9)<br />
ϱ cp<br />
als eine Diffusionskonstante <strong>für</strong> Temperaturstörungen in einem Medium ([a] = m 2 /s).<br />
Im zylindrischen Koordinatensystem gilt (spezialisiert auf Rotationssymmetrie: ∂T/∂ϕ = 0)<br />
die analoge Differentialgleichung:<br />
∂ 2T 1 ∂T<br />
+<br />
∂r2 r<br />
∂r + ∂ 2T ˙w<br />
+<br />
∂z2 λ<br />
1 ∂T<br />
= , (2.10)<br />
a ∂t<br />
und im sphärischen Koordinatensystem (spezialisiert auf Kugelsymmetrie: ∂T/∂ϕ = 0;<br />
∂T/∂ψ = 0) entsprechend:<br />
∂ 2T 2 ∂T ˙w 1 ∂T<br />
+ + = (2.11)<br />
∂r2 r ∂r λ a ∂t<br />
Häufig darf man voraussetzen, dass eine untersuchte Platte näherungsweise ” unendlich ausgedehnt“<br />
ist, so dass nur Wärmeleitung in einer Richung berücksichtigt werden muss und<br />
ebenso beim Zylinder, dass dieser unendlich lang ist, also kein Wärmetransport in z-Richtung<br />
erfolgt.<br />
2.3 Zeitliche und örtliche Randbedingungen<br />
Bei den instationären Anfangswertproblemen der Wärmeübertragung ist neben den örtlichen<br />
Randbedingungen eine Anfangsbedingung zur Zeit t = 0 erforderlich, und zwar muss das örtliche<br />
Temperaturfeld T (x, y, z, t = 0) = T0(x, y, z) vorgegeben sein. Im eindimensionalen Fall<br />
demnach T0(x) bzw. T0(r). Die meisten Standardlösungen der instationären Fouriergleichung<br />
setzen überdies T0(x) = Tc = const. voraus.<br />
Bevor wir uns den örtlichen Randbedingungen zuwenden, ist ein Vorgriff auf das Hauptkapitel<br />
” Konvektion“ erforderlich, in dem untersucht wird, welcher Wärmeübergang sich einstellt<br />
zwischen einem Festkörper und einem angrenzenden Fluid (Flüssigkeit oder Gas), welches<br />
den Körper umströmt bzw. (im Fall eines Rohres) durchströmt. Newton hatte 1701 <strong>für</strong> den<br />
fluidseitigen Wärmetransport von der Wand an das strömende Fluid den Ansatz<br />
˙Q = α A (TW − T∞) (2.12)
10 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />
vorgeschlagen, worin neben der Oberfläche A des Körpers, den Wand- bzw. Fluidtemperaturen<br />
TW bzw. T∞ ein Wärmeübergangskoeffizient α eingefügt wurde, der die Einheit<br />
[α] = W/(m 2 K) haben muss. Der Wärmeübergangskoeffizient ist dabei kein Stoffwert, sondern<br />
hängt wesentlich von der Form des umströmten Körpers, sowie den hydrodynamischen<br />
und thermischen Bedingungen in dessen Umgebung ab; die Kapitel zur Konvektion sind<br />
fast ausschließlich der Ermittlung dieses Koeffizienten bei unterschiedlichen Geometrien und<br />
Strömungsbedingungen gewidmet. Bei Betrachtung ähnlicher Transportansätze zeigt sich das<br />
Grundprinzip:<br />
und noch allgemeiner:<br />
” Strom“ = ” Leitfähigkeit“ × ” Potentialdifferenz“<br />
” Wirkung“ = ” Kopplungselement“ × ” Ursache“<br />
Speziell hatten wir eben angeführt: ˙ Q = (α · A) × ∆T (Newton) und erinnern hierzu eine<br />
Analogie aus dem Physikunterricht: I = (1/Rel) × ∆U (Ohm). Man erkennt, dass sich das sehr<br />
anschauliche Widerstandskonzept der Elektrotechnik auf den thermischen Fall übertragen<br />
lässt, wobei <strong>für</strong> den Wärmeübergangswiderstand zu definieren wäre: Rα = 1/(αA).<br />
Wir fassen zusammen:<br />
• der Newtonsche Ansatz, Glchg. (2.12) bzw. <strong>für</strong> die Wärmestromdichte<br />
˙q = α (TW − T∞) , (2.13)<br />
beschreibt den Wärmeübergang von einer überströmten Wand mit der Temperatur TW<br />
an das umgebende Fluid mit der Temperatur T∞.<br />
• der Wärmeübergangskoeffizient α ist weder ein Stoffwert des Festkörpers noch des<br />
Fluids, sondern abhängig von der Geometrie sowie den Geschwindigkeits- und Temperaturverteilungen<br />
im Fluid (!).<br />
• wir beschränken uns (vorerst) auf die Wärmeleitung im Festkörper, betrachten dabei<br />
den Wärmeübergangskoeffizient als gegebene Größe und leiten daraus örtliche Randbedingungen<br />
<strong>für</strong> die Temperaturverteilung im Festkörper ab.<br />
Dabei lassen sich drei Arten der örtlichen Randbedingungen unterscheiden:<br />
Randbedingung 1. Art (Dirichletsche R.B.)<br />
Die Randbedingung der ersten Art macht eine explizite Aussage über den zeitlichen Verlauf<br />
der Wandtemperatur (z.B. bei x = 0).
2.3. ZEITLICHE UND ÖRTLICHE RANDBEDINGUNGEN 11<br />
������������<br />
��� ������������<br />
������������<br />
�<br />
Abbildung 2.4: Randbedingung 1. Art, speziell <strong>für</strong> TW = const.<br />
allgemein : TW = T (0, t) = f(t);<br />
speziell : TW = const.<br />
Realisieren lässt sich diese Bedingung durch extrem hohen Wärmeübergang, α → ∞ und<br />
somit TW = T∞. Ein – wg. der Cholesterinbelastung hoffentlich nicht alltägliches – Beispiel:<br />
das heiße Frühstücksei wird unter einem Kaltwasserstrahl abgeschreckt.<br />
Randbedingung 2. Art (Neumansche R.B.)<br />
ε<br />
ε<br />
λ � ���<br />
������������<br />
������������<br />
Abbildung 2.5: Randbedingung 2.Art, speziell <strong>für</strong> ˙qW = const.<br />
Dieser Typ Randbedingung bedingt eine Aussage über den zeitlichen Verlauf des Wandwärmeflusses,<br />
(z.B. bei x=0).<br />
allgemein : ˙qW = ˙q(0, t) =<br />
�<br />
g(t);<br />
speziell : ˙qW = −λ = const.<br />
� ∂T<br />
∂x<br />
W<br />
Diese Randbedingung lässt sich durch äußere Wärmequellen mit vorgegebener Leistung, z.B.<br />
Heizkissen, Elektrogrill, Nuklear-Brennelement realisieren.<br />
Im Spezialfall der adiabaten Wand, ˙qW = 0, verlaufen die Isothermen parallel zur Wandnormalen.<br />
Mathematisch das Gleiche gilt <strong>für</strong> den physikalisch ganz anders gearteten Fall der<br />
Symmetrie.
12 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />
Randbedingung 3.Art<br />
����<br />
� ∞<br />
� ���� � ����<br />
���������<br />
ε �<br />
λ/α<br />
���<br />
����������<br />
λ� �������������<br />
∞ ������� �<br />
Abbildung 2.6: Randbedingung der 3. Art, speziell <strong>für</strong> x = 0 mit Tangentenkonstruktion über<br />
Richtpunktabstand sR = λ/α.<br />
Diese Randbedingung verknüpft den wandnächsten Wärmefluss im Fluid (Index F) mit jenem<br />
an der Innenseite des Körperrandes (Index K). Falls ein Koordinatensystem und eine<br />
Vorzeichenkonvention wie in Abb. 2.6 gewählt wird, gilt nach Newton auf der linken Seite der<br />
Grenzfläche<br />
˙qW,F = α (TW − T∞) = − ˙qx(x = −0).<br />
Im Körper gilt nach Fourier<br />
� �<br />
∂T<br />
˙qW,K = −λ<br />
∂x W<br />
= ˙qx(x = +0).<br />
An der Grenzfläche wird i.a. keine Wärme entzogen oder freigesetzt 2 , somit folgt aus einer<br />
Kontrollraumbilanz über die Grenzfläche bei Beachtung der Vorzeichenkonventionen<br />
˙qx(x = +0) − ˙qx(x = −0) = 0,<br />
und somit<br />
� �<br />
∂T<br />
α(TW − T∞) = λ .<br />
∂x W<br />
(2.14)<br />
In Abb. 2.6 wird gezeigt, wie diese Randbedingung graphisch zu interpretieren ist.<br />
allgemein: α(t),T∞(t), T(x,t) zeitveränderlich.<br />
speziell: α, T∞, T(x) konstant.<br />
1. Grenzfall: λ endlich, ˙qW,K endlich, α → ∞:<br />
=⇒ TW → T∞: entsprechend der Randbedingung 1. Art<br />
2 wichtige Ausnahme wären Schmelzen bzw. Erstarren, Kondensation, chemische Oberflächenreaktionen, . . .
2.3. ZEITLICHE UND ÖRTLICHE RANDBEDINGUNGEN 13<br />
2. Grenzfall: λ endlich, TW -T∞ endlich, α → 0:<br />
� �<br />
∂T<br />
=⇒<br />
, ε, ˙q → 0, Adiabasie (oder Symmetrie).<br />
∂x<br />
W<br />
Zusammenfassung<br />
• Das Fouriersche Gesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen Temperaturgradient<br />
und Wärmestromdichte.<br />
• Die Fouriersche Differenzialgleichung beschreibt die zeitliche Entwicklung eines Temperaturfeldes<br />
T (�x, t) aufgrund von Wärmeleitung in Abhängigkeit von der räumlichen<br />
Verteilung von Temperatur und Wärmequellendichte. Die Fouriersche DGL kann mit<br />
Hilfe des Fourierschen Gesetzes aus einer Energiebilanz am infinitesimalen Kontrollvolumen<br />
hergeleitet werden.<br />
• Für die Fouriersche DGL kennt man unterschiedliche Randbedingungen:<br />
- Temperatur vorgegeben (RB 1. Art).<br />
- Wärmestromdichte vorgegeben (RB 2. Art).<br />
- Wärmefluss im Körper ist (an der Wand) gleich dem Wärmeübergang an die Umgebung<br />
(RB 3. Art).
14 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />
e✷Xerzitien<br />
Richtig ✷X oder falsch ?<br />
✷ aufgrund der hohen Beweglichkeit des Elektronengases sind elektrisch leitende Materialien<br />
im Allgemeinen auch sehr gute Wärmeleiter.<br />
✷ in kristallinen Festkörpern sind die Atome im Kristallgitter fixiert, die mikroskopische<br />
Bewegung der Atome und damit auch die Konduktion ist deshalb vernachlässigbar klein.<br />
✷ wir betrachten einen umströmten Körper, z.B. eine durch einen Ventilator gekühlte<br />
CPU. Der Wärmeübergangskoeffizient α beschreibt den Transport von Wärme von der<br />
CPU an die Kühlluft. Er hängt nur von den Stoffwerten des Fluids und der Temperaturverteilung<br />
ab.<br />
✷ wenn man die Wärmebilanz eines Einfamilienhauses aufstellt, so ist der Kühlschrank in<br />
der Küche insgesamt als eine Wärmesenke (= negative Wärmequelle) zu betrachten.<br />
✷ die Wärmequellendichte, wie sie in der Fourierschen Differenzialgleichung auftritt, ergibt,<br />
wenn multipliziert mit dem Volumen eines betrachteten Volumenelementes, den<br />
Enthalpiestrom, der in diesem Volumenelement durch interne Prozesse freigesetzt wird.<br />
Was ändert sich <strong>für</strong> die Wärmeleitung, wenn einerseits ein homogen-isotroper Festkörper<br />
(z.B. Glas), andererseits ein homogen-anisotroper Festkörper (z.B. Kristall) betrachtet wird?<br />
Markieren Sie korrekte Aussagen!<br />
✷ Im Gegensatz zum homogen-isotropen Festkörper hängt die Wärmeleitfähigkeit im<br />
homogen-anisotropen Festkörper von der Ortskoordinate ab.<br />
✷ Im homogen-anisotropen Festkörper muss der Wärmeleitfähigkeit ein vektorieller Wert<br />
zugewiesen werden.<br />
✷ Im homogen-anisotropen Festkörper ist die Wärmeleitfähigkeit richtungsabhängig.<br />
✷ Nichts. In beiden Fällen ist das Fouriersche Gesetz in genau gleicher Form anzuwenden.<br />
Zu den Randbedingungen (RB)<br />
✷ die RB 3. Art geht mit anwachsendem Wärmeübergangskoeffizienten α in die RB 1. Art<br />
über.<br />
✷ die RB 3. Art nähert sich mit anwachsendem Wärmeübergangskoeffizienten dem Grenzfall<br />
der Adiabasie, da die Temperaturdifferenz von der Oberfläche des Körpers zum Fluid<br />
gegen Null geht und somit keine Wärme mehr über die Grenzfläche übergeht.<br />
✷ der Wärmeübergangskoeffizient, der ja kein Stoffwert und somit auch keine Konstante<br />
ist, wird sich bei der RB 2. Art so einstellen, dass der übertragene Wärmestrom gleich<br />
der vorgegebenen Leistung ist.
Kapitel 3<br />
Stationäre Wärmeleitung<br />
3.1 Wärmedurchgang und Péclet-Gleichungen<br />
Selbst bei praxisnahen Fragestellungen kann die vorgegebene Geometrie oft näherungsweise<br />
als eine ebene, ” unendlich ausgedehnte“ Platte betrachtet werden oder weist eine zylindrische<br />
oder sphärische Symmetrie auf. In diesem Fall ist eine eindimensionale Formulierung<br />
angebracht. Falls zeitliche Änderungen nicht zu berücksichtigen sind, vereinfacht sich die<br />
Fouriersche Differentialgleichung (2.8) zur Laplaceschen Differentialgleichung:<br />
d 2T n dT<br />
+<br />
dr2 r dr<br />
= 0, (3.1)<br />
mit n=0 <strong>für</strong> die Platte (ebene Geometrie), n=1 <strong>für</strong> den Zylinder(mantel) und n=2 <strong>für</strong> die<br />
Kugel(schale).<br />
Ausgehend von (3.1) wird in diesem Abschnitt der Wärmedurchgang durch eine oder mehrere<br />
Schichten unterschiedlichen Materials und über Phasengrenzen hinweg besprochen. Bezugnehmend<br />
auf die schon angesprochenen Analogien zur Elektrotechnik leiten wir die sog.<br />
Péclet-Gleichungen <strong>für</strong> ebene, zylindrische und sphärische Geometrien her. Die Anwendungen<br />
der Péclet-Gleichungen sind vielfältig – Gebäudeisolation, Kühlung von elektronischen<br />
Bauteilen oder Kernbrennelementen, etc.<br />
15
16 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />
� ∞�<br />
����<br />
� �<br />
λ<br />
���� ��� � �����<br />
� ���<br />
Abbildung 3.1: Ebene Platte mit beidseitigem Wärmeübergang<br />
3.1.1 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> die Platte<br />
Für die Platte vereinfacht sich (3.1) zu<br />
was sich sofort integrieren läßt:<br />
d 2T = 0,<br />
dx2 � ∞�<br />
dT<br />
dx = C1, ( ˙qx = const.)<br />
T (x) = C1x + C2, (linearer Temperaturverlauf)<br />
Die Integrationskonstanten C1, C2 werden über die inneren Randbedingungen (Abb.3.1) bestimmt:<br />
T (x = 0) = TW 1 ⇒ C2 = TW 1,<br />
T (x = s) = TW 2 ⇒ C1 = TW 2 − TW 1<br />
,<br />
s<br />
und somit:<br />
T (x) = TW 1 + (TW 2 − TW 1) x<br />
.<br />
s<br />
(3.2)<br />
Für Wärmestrom und -fluss ergibt sich<br />
˙qx = −λ dT<br />
dx<br />
=<br />
λ<br />
s (TW 1 − TW 2),<br />
˙Q = A ˙qx = A λ<br />
s (TW 1 − TW 2).<br />
Die Wandtemperaturen TW 1, TW 2 sind nicht unmittelbar bekannt, die obige Lösung muss<br />
deshalb auf die äußeren (bekannten) Randbedingungen T∞1, T∞2 ” abgestützt“ werden. Dabei<br />
macht man sich zunutze, dass aufgrund der Energieerhaltung im stationären Zustand<br />
der Wärmestrom ˙ Q in der Wand gleich den über die Phasengrenzen zu- und abströmenden<br />
Wärmeströmen sein muss. Damit gilt nach Newton:<br />
˙Q = α1A (T∞1 − TW 1) = α2A (TW 2 − T∞2) .
3.1. WÄRMEDURCHGANG UND PÉCLET-GLEICHUNGEN 17<br />
Die unbekannten Wandtemperaturen werden eliminiert und Analogien zur Elektrotechnik<br />
deutlich gemacht:<br />
˙Q =<br />
T∞1 − T∞2<br />
1 s 1<br />
+ +<br />
α1A λA α2A<br />
=<br />
T∞1 − T∞2<br />
Rα1 + Rλ + Rα2<br />
= T∞1 − T∞2<br />
. (3.3)<br />
Rges<br />
Diese nach Péclet, einem Zeitgenossen Fouriers, benannte Formel verdeutlicht die offenkundige<br />
Tatsache, dass eine ” Reihenschaltung“ der thermischen Widerstände Rαi = 1/αiA (Übergang)<br />
und Rλ = s/λ A (Leitung) vorliegt.<br />
Häufig, insbesondere bei Gebäudehüllen, sind mehrere Materialschichten zu berücksichtigen,<br />
was in obiger Formel durch Austausch des zentralen Nennerterms mit<br />
erreicht wird.<br />
�<br />
Rλj = � � s �<br />
λ j<br />
A<br />
Praktiker auf dem Gebiet der Wärmedämmung von Gebäuden verwenden üblicherweise den<br />
Begriff ” k-Wert“, der folgendermaßen definiert ist (Indizes i: innen, a: außen):<br />
˙Q = kA (T∞1 − T∞2)<br />
k =<br />
1<br />
1<br />
+ � � �<br />
s<br />
λ<br />
αi<br />
j<br />
+ 1<br />
αa<br />
; [k] = W<br />
m 2 K<br />
Er wird auch als Wärmedurchgangskoeffizient bezeichnet, so wie auch die vorgeführte Reihenschaltung<br />
von Wärmeübergangs- und Wärmeleitmechanismen als Wärmedurchgang definiert<br />
ist. (Beim Plattenmodell ist neben ˙ Q auch der Wärmefluss konstant, d.h. A läßt sich ” vorziehen“).<br />
Normwerte <strong>für</strong> die Wärmebedarfsberechnung von Gebäuden:<br />
Ti = 20 ◦ C ; Ta = -15 ◦ C; αi= 6 - 8 W/(m 2 K) ; αa = 15 W/(m 2 K)<br />
Vollwärmeschutz verlangt: k = 0,4 W/(m 2 K)<br />
Zur Beachtung:<br />
(3.4)<br />
• Beim hier diskutierten Wärmedurchgang durch eine Platte mit beidseitigem Wärmeübergang<br />
liegt eine Reihenschaltung von thermischen Widerständen vor. Es sind durchaus<br />
Konfigurationen vorstellbar, die als Parallelschaltung von Wärmeleit- oder Wärmeübergangswiderständen<br />
interpretiert und entsprechend behandelt werden können. Beispiele<br />
wie z.B. die Überlagerung von Wärmeleitung und -Strahlung werden im Folgenden sowie<br />
in den Übungsaufgaben diskutiert.
18 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />
���<br />
��� � ��� ���<br />
�<br />
α�<br />
� �<br />
��<br />
λ<br />
Abbildung 3.2: Zylinder- bzw. Kugelschale mit beidseitigem Wärmeübergang<br />
• Während z.B. bei schlecht wärmeleitenden Baustoffen kein Kontaktwiderstand zwischen<br />
den einzelnen Schichten infolge von (dünnen) Luftspalten zu berücksichtigen ist, müssen<br />
z.B. bei Kernbrennelementen die Spalte zwischen Zirkalloy-Hülle und Uranzylinder mit<br />
dem sehr gut leitenden Gas Helium verpresst werden, um den nicht mehr zu vernachlässigenden<br />
Kontaktwiderstand möglichst klein zu halten. Im Labor wird oftmals Wärmeleitpaste<br />
verwendet um den Kontaktwiderstand zwischen unterschiedlichen Bauelementen<br />
zu verringern.<br />
3.1.2 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> den Zylinder<br />
Die Laplace-Gleichung (3.1) läßt sich <strong>für</strong> eine zylindrische Geometrie (n = 1) wie folgt schreiben:<br />
�<br />
1 d<br />
r<br />
r dr<br />
dT<br />
�<br />
= 0.<br />
dr<br />
So sieht man, dass <strong>für</strong> eine Lösung T (r) gelten muss: dT/dr ∼ 1/r und damit:<br />
T (r) = C1 ln(r) + C2.<br />
Der Wärmefluss ˙qr nimmt mit 1/r ab bzw. zu, die Temperatur verläuft logarithmisch! Die<br />
Integrationskonstanten C1, C2 werden wieder über die inneren Randbedingungen bestimmt,<br />
T (r = r1) = TW 1,<br />
T (r = r2) = TW 2.<br />
Das Ergebnis <strong>für</strong> den Verlauf von Temperatur und Wärmefluss bzw. -strom lautet:<br />
T (r) = TW 1 + (TW 2 − TW 1)<br />
α�<br />
�<br />
ln (r/r1)<br />
ln (r2/r1) ,<br />
�����
3.1. WÄRMEDURCHGANG UND PÉCLET-GLEICHUNGEN 19<br />
� �<br />
dT<br />
˙q(r) = −λ<br />
dr r<br />
= λ TW 1 − TW 2<br />
r ln(r2/r1) ,<br />
˙Q = ˙q(r)2πrl = 2πlλ<br />
ln(r2/r1) (TW 1 − TW 2) .<br />
Abstützung auf die äußeren Randbedingungen:<br />
Während T∞ wie bei der ebenen Platte als bekannte Freistromtemperatur vorgegeben werden<br />
kann, ist bei Rohrströmungen die zwischen Achsentemperatur T0 und der Wandtemperatur<br />
TW 1 gelegene messbare (1) ” Mischtemperatur“ TM in den Newtonschen Wärmeübergangsansatz<br />
einzusetzen:<br />
Rα1 =<br />
˙Q = α1 2π r1 l (TM − TW 1) = α2 2π r2 l(TW 2 − T∞).<br />
˙Q =<br />
1<br />
α1 r1<br />
2πl (TM − T∞)<br />
+ 1<br />
λ ln<br />
� r2<br />
1<br />
α1r12πl ; Rλ = 1<br />
2πlλ ln<br />
r1<br />
� r2<br />
�<br />
+ 1<br />
α2 r2<br />
r1<br />
�<br />
; Rα2 =<br />
. (3.5)<br />
1<br />
α2r22πl .<br />
Bei mehreren Schichten ist der zentrale Nennerterm wie bei der Platte durch eine Summe zu<br />
ersetzen.<br />
Alternative Herleitung aus einer Wärmestrombilanz:<br />
Die Péclet-Gleichungen <strong>für</strong> die Platte und die Zylinderschale haben wir aus der Fourierschen<br />
Differentialgleichung bestimmt. Alternativ kann der thermische Widerstand z.B. der Zylinderschale<br />
direkt aus einer Wärmestrombilanz berechnet werden. Im stationären Zustand und<br />
bei Abwesenheit von Wärmequellen in der Zylinderschale folgt aus der Energieerhaltung<br />
Dabei gilt nach Fourier<br />
˙Q(r1) = ˙ Q(r) = ˙ Q(r2), r1 ≤ r ≤ r2.<br />
˙Q(r) = A ˙q = −2πr l λ dT<br />
dr .<br />
Integration dieser Beziehung von r1 nach r2 liefert<br />
� r2<br />
r1<br />
˙Q<br />
r<br />
� TW 2<br />
dr = −2πlλ<br />
TW 1<br />
Der Wärmestrom ˙ Q ist konstant und kann vor das Integral gezogen werden, man erhält<br />
dT<br />
˙Q = 2πlλ<br />
ln(r2/r1) (TW 1 − TW 2).<br />
Das Inverse des Bruches auf der rechten Seite ist gerade der thermische Widerstand Rλ der<br />
Zylinderschale, q.e.d.. Leider ist die direkte Anwendung der Energiebilanzen nicht immer<br />
möglich 1 bzw. nicht immer einfacher als die (analytische oder numerische) Lösung der Fourier’schen<br />
Differentialgleichung.<br />
1 z.B. wenn innere Wärmequellen vorliegen.
20 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />
3.1.3 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> die Kugelschale<br />
Analog zur vorherigen Ableitung findet man <strong>für</strong> die Kugelschale, dass Temperatur und Wärmestromdichte<br />
mit 1/r bzw. 1/r 2 abfallen, während der Wärmestrom wiederum vom Radius<br />
unabhängig ist (Energieerhaltung im stationären Fall):<br />
Mit den äußeren Randbedingungen:<br />
T (r) = C1<br />
+ C2,<br />
r<br />
⎛<br />
1<br />
⎜<br />
T (r) = TW 1 + (TW 2 − TW 1) ⎜ r<br />
⎝ 1<br />
� �<br />
dT<br />
˙q(r) = −λ =<br />
dr r<br />
λ<br />
r2 r2<br />
− 1<br />
r1<br />
− 1<br />
r1<br />
TW 1 − TW 2<br />
1<br />
r1<br />
− 1<br />
r2<br />
˙Q = ˙q(r)4πr 2 = 4πλ (TW 1 − TW 2)<br />
1<br />
−<br />
r1<br />
1<br />
.<br />
r2<br />
˙Q =<br />
1<br />
α1r 2 1<br />
4π (T∞1 − T∞2)<br />
+ 1<br />
λ<br />
wobei T∞1 die Temperatur des Fluids im Kugelbehälter ist.<br />
3.1.4 Dimensionslose Variablen<br />
,<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ ,<br />
�<br />
1<br />
−<br />
r1<br />
1<br />
�<br />
+<br />
r2<br />
1<br />
α2r2 , (3.6)<br />
2<br />
Die Einführung sog. entdimensionierter oder dimensionsloser Variablen gestattet häufig eine<br />
besonders einfache und kompakte Darstellung. Mit den Definitionen<br />
θ ≡ T (x) − TW<br />
ξ ≡<br />
1<br />
,<br />
TW 2 − TW 1<br />
x<br />
s ,<br />
schreibt sich das oben berechnete Temperaturprofil T (x) in einer Platte der Dicke s wie folgt:<br />
θ(ξ) = ξ.<br />
Ähnlich findet man mit ξ ≡ r/r1 und ξ2 ≡ r2/r1 <strong>für</strong> den Zylinder<br />
während <strong>für</strong> die Kugel<br />
θ(ξ) = ln(ξ)<br />
ln(ξ2) ,<br />
θ(ξ) =<br />
1<br />
ξ<br />
1<br />
ξ2<br />
Im Folgenden werden wir die dimensionslose Darstellung von Differentialgleichungen und ihrer<br />
Lösungen sowie dimensionslose Kennzahlen noch ausführlich diskutieren.<br />
− 1<br />
− 1.
3.1. WÄRMEDURCHGANG UND PÉCLET-GLEICHUNGEN 21<br />
3.1.5 Sonderfälle<br />
Extrem dicke Körper<br />
Für die drei eben abgehandelten einfachen Körper Platte, Zylinder und Kugel soll der Grenzfall<br />
extrem großer Dicke untersucht werden, und zwar unter Vernachlässigung der Übergangswiderstände<br />
α1 → ∞, α2 → ∞ und damit TW 2 → T∞2 sowie TW 1 → T∞1 bzw TW 1 → TM.<br />
• Platte:<br />
˙Q = λA<br />
s (T∞1 − T∞2) .<br />
<strong>für</strong> s → ∞ geht ˙ Q → 0, Rλ → ∞.<br />
• Hohlzylinder:<br />
˙Q = 2πlλ<br />
ln (r2/r1) (TM − T∞2)<br />
<strong>für</strong> r2 → ∞ geht ˙ Q → 0, Rλ → ∞. Da ln(x) schwächer als jede andere Funktion gegen<br />
Unendlich geht, nimmt ˙ Q allerdings nur sehr langsam auf 0 ab.<br />
• Hohlkugel:<br />
˙Q<br />
4πλ<br />
=<br />
1/r1 − 1/r2<br />
(T∞1 − T∞2) .<br />
<strong>für</strong> r2 → ∞ folgt: ˙ Q = 4πλr1 (TW 1 − TW 2). Demnach wird in den dreidimensional unendlichen<br />
Raum ein endlicher Wärmestrom ausgespeichert! Dies gilt auch <strong>für</strong> ellipsoidoder<br />
scheibenförmige Hohlräume.<br />
Konsequenz: Ein Lebewesen wie die ” Made im Speck“ muss auch im dicksten Schinken nicht<br />
an Überhitzung eingehen, sofern es seine biologisch bedingte Wärmeproduktion ˙ Q so begrenzt,<br />
dass mit TW 1 = TMade und TW 2 = TSchinken gilt:<br />
Kritischer Radius<br />
TMade = TSchinken +<br />
˙Q<br />
4πλr1<br />
< 37 ◦ C.<br />
Bei oberflächlicher Betrachtung würde man erwarten, dass sich der Wärmedurchgang mit<br />
zunehmender Dicke des Körpers in jedem Fall verringert – mehr ” Isolationsmaterial“ sollte<br />
doch besser isolieren !? – dies trifft jedoch nur <strong>für</strong> die Platte zu, nicht aber <strong>für</strong> Hohlzylinder<br />
und Hohlkugeln, wie sich zeigen läßt.<br />
Konstant bleiben sollen: α1, α2, λ, r1, l und ∆ T; zu variieren ist der Außenradius r2. Vereinfachend,<br />
jedoch nicht einschränkend kann α1 → ∞ angenommen werden, was bei durchströmten,<br />
wärmegedämmten Rohren auch meist der Fall ist.<br />
Für den langen Zylinder folgt dann:<br />
˙Q = 2πl (TM − T∞)<br />
1<br />
λ ln<br />
� r2<br />
r1<br />
�<br />
+ 1<br />
,<br />
α2 r2
22 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />
Mit der Einführung dimensionsloser Variablen:<br />
vereinfacht sich diese Beziehung zu<br />
ϱ = ξ2 = r2<br />
, (Radius)<br />
r1<br />
Bi = α2r1<br />
, (Biot-Zahl)<br />
λ<br />
Φ =<br />
˙Q<br />
, (Wärmestrom)<br />
α22πlr1 (TW 1 − T∞2)<br />
Φ =<br />
1<br />
Bi ln(ϱ) + 1<br />
ϱ<br />
. (3.7)<br />
Die Biot-Zahl Bi [-], benannt nach Jean-Baptiste Biot, einem Zeitgenossen Fouriers, ist die erste<br />
einer Reihe von dimensionslosen Kennzahlen, welche in dieser Vorlesung diskutiert werden.<br />
Kennzahlen, gebildet als eine dimensionsfreie Kombination von charakteristischen Einflußgrößen<br />
oder Stoffwerten, sind von großem Nutzen um z.B. Wärmetransport- und Strömungsvorgänge<br />
qualitativ und quantitativ zu charakterisieren.<br />
Viele Kennzahlen lassen sich anschaulich als Verhältnis von zwei physikalischen Effekten interpretieren.<br />
So ist Biot-Zahl als Verhältnis von Wärmeleitwiderstand (Wärmeleitung durch<br />
einen Körper) zum Wärmeübergangswiderstand (Wärmetransport von der Oberfläche des<br />
Körpers zum umgebenden Fluid) zu verstehen. Wie wir noch sehen werden, spielt die Biot-<br />
Zahl nicht nur beim Wärmedurchgang, sondern auch bei Problemen der instationären Wärmeleitung<br />
oder der Wärmeleitung mit Quellen eine wichtige Rolle.<br />
Ein Extremum des dimensionslosen Wärmestromes Φ findet man auf bekannte Weise durch<br />
Nullsetzen der ersten Ableitung:<br />
dΦ<br />
dρ =<br />
dΦ<br />
dρ<br />
1 − Bi ρ<br />
2 ,<br />
(1 + Bi ρ ln ρ)<br />
(3.8)<br />
=<br />
1<br />
0 ⇔ ρ = .<br />
Bi<br />
(3.9)<br />
Ein Extremum findet sich also bei r2<br />
=<br />
r1<br />
1<br />
Bi oder r2 = λ<br />
. Fur die zweite Ableitung am<br />
α2<br />
Extremum findet man<br />
d2Φ dρ2 �<br />
�<br />
�<br />
Bi<br />
� = −�<br />
�<br />
ρ = 1/ Bi 1 + ln 1<br />
�2 < 0,<br />
Bi<br />
es liegt also in der Tat ein Maximum des Wärmestromes vor! Dieses liegt jedoch nur dann im<br />
vorgegebenen Hohlzylinderbereich r2/r1 ≥ 1, wenn Bi = r1/r2 ≤ 1 gilt. Abbildung 3.3 zeigt<br />
diese Abhängigkeit von Bi = α2r1/λ. Folglich kann ein Maximum des Wärmestroms auftreten,<br />
wenn der Innenradius r1 und der äußere Wärmeübergangskoeffizient α2 klein, die Wärmeleitfähigkeit<br />
λ hingegen eher hoch ist. Diese Zusammenhänge lässen sich einfach verstehen:<br />
beim Zylinder (wie auch bei der Kugel, s.u.) erhöht sich mit dem Radius r2 zwar die hemmende<br />
Wirkung des Isolationsmantels, jedoch nimmt auch die <strong>für</strong> den äusseren Wärmeübergang
3.2. ZWEIDIMENSIONALE WÄRMELEITUNG (FORMFAKTOREN) 23<br />
Φ<br />
�����<br />
�����<br />
�����<br />
�����<br />
�����������������������<br />
Abbildung 3.3: Zum kritischen Radius: Wärmedurchgangscharakteristik des Hohlzylinders,<br />
d.h. entdimensionierte Wärmeverlustrate als Funktion des Radienverhältnisses.<br />
� � � �<br />
zur Verfügung stehende Fläche 2π r2 l zu und damit der Wärmeübergangswiderstand Rα2<br />
ab. Je nach Biot-Zahl ergibt sich damit eine Vergrößerung oder Verringerung des gesamten<br />
thermischen Widerstands.<br />
Beispiel: Elektrokabel, Drahtdurchmesser: r = 2 mm, PVC Isolation mit λ = 0,15 W/m-K,<br />
Wärmeübergangskoeffizient α2 = 15 W/m 2 - K, es folgt: Bi = 0,2. Maximaler Wärmestrom<br />
tritt auf bei r2 = 10 mm ! Konsequenz: selbst ein dicker Isoliermantel begünstigt die Abfuhr<br />
der Jouleschen Wärme.<br />
Für die Hohlkugel liefert die analoge Ableitung <strong>für</strong> das Extremum<br />
r2<br />
r1<br />
= 2<br />
Bi oder r2 = 2λ<br />
.<br />
3.2 Zweidimensionale Wärmeleitung (Formfaktoren)<br />
Im Abschnitt 2.2 wurde die Fouriersche Differenzialgleichung bereits <strong>für</strong> isotrope, homogene<br />
Körper mit temperaturunabhängiger Wärmeleitfähigkeit vereinfacht. Schließt man ferner innere<br />
Wärmequellen aus und betrachtet nur stationäre Zustände, so erhält man als Spezialfall<br />
die Potenzialgleichung“ (Laplace-Gleichung), welche in Cartesischen Koordinaten <strong>für</strong> zwei<br />
”<br />
Dimensionen lautet:<br />
∂2T ∂x2 + ∂2T = 0. (3.10)<br />
∂y2 Die enge Beziehung dieser Gleichung zur Funktionentheorie einer komplexen Variablen ermöglicht<br />
analytische Lösungen <strong>für</strong> eine Reihe praktischer Probleme aus den Bereichen Wärmeleitung<br />
und Elektrotechnik, welche mit Hilfe sog. Formfaktoren formuliert werden.<br />
Betrachtet man einen Körper der Dicke l, dessen Querschnitt einen beliebig geformten, ebenen,<br />
einfach zusammenhängenden Bereich bildet (siehe Abbildungen 3.4-3.8), dessen Rand auf<br />
α2<br />
�����<br />
����<br />
�<br />
�<br />
ρ
24 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />
zwei getrennten Abschnitten die Temperaturen T1 und T2 aufgeprägt erhält, ansonsten aber<br />
adiabat ist, so gilt <strong>für</strong> den Wärmestrom:<br />
˙Q = Leitfähigkeit · Temperaturdifferenz = λ S (T1 − T2) . (3.11)<br />
Hierbei wurde die Leitfähigkeit in die stoffspezifische Wärmeleitfähigkeit λ und den nur von<br />
der Geometrie abhängigen Formkoeffizienten oder Formfaktor S (shape factor) aufgeteilt.<br />
In diesem Sinne lassen sich die drei Péclet-Gleichungen <strong>für</strong> Platte, Zylinder und Kugel aus<br />
Abschnitt 3.1 unter das Konzept ” Formkoeffizienten“ einordnen.<br />
S Platte = A<br />
s ,<br />
S Zylinder =<br />
S Kugel =<br />
2π l<br />
ln(r2/r1) ,<br />
4π<br />
1<br />
−<br />
r1<br />
1<br />
.<br />
r2<br />
Diese Beispiele sind mathematisch eindimensional, physikalisch ein-, zwei- und dreidimensional.<br />
Für den Zylinder kann man wie <strong>für</strong> alle prismatischen Körper ( ” Profilstangen“) einen<br />
bezogenen Formkoeffizienten<br />
SL ≡ S<br />
l<br />
definieren, so dass gilt:<br />
˙Q = λ l SL ∆T.<br />
Abbildungen 3.4, 3.5, 3.6, 3.7 zeigen (längenbezogene) Formkoeffizienten Sl <strong>für</strong> komplizierte<br />
prismatische Körper (zweidimensional) mit zwei isothermen Berandungen, Abbildung 3.8<br />
entsprechend S <strong>für</strong> dreidimensionale Körper mit Temperaturen T1 auf Kreisfläche und T2 im<br />
Unendlichen. Weitere Formfaktoren finden sich in den Arbeitsunterlagen zur Vorlesung und<br />
der einschlägigen Fachliteratur.<br />
Interessant ist der Vergleich der S-Werte <strong>für</strong> eine isotherme halbkugelförmige (napfförmige)<br />
Vertiefung im halbunendlich ausgedehnten Raum (Erdboden) mit dem entsprechenden Wert<br />
<strong>für</strong> die Kreisscheibe auf dem Halbraum:<br />
Aus obiger Beziehung folgt:<br />
Abbildung 3.8 entnimmt man:<br />
S Halbkugel = 2π r,<br />
S Kreisscheibe = 4 r1.<br />
Demnach erhöht eine isotherme halbkugelförmige Vertiefung den in den Halbraum eingetragenen<br />
Wärmestrom um 57% gegenüber einer isothermen Kreisscheibe.
3.2. ZWEIDIMENSIONALE WÄRMELEITUNG (FORMFAKTOREN) 25<br />
λ<br />
���<br />
���<br />
� �<br />
Abbildung 3.4: Schacht (innen und<br />
außen quadratisch)<br />
���<br />
λ<br />
���<br />
� �<br />
Abbildung 3.5: Schacht (innen<br />
kreisförmig)<br />
a<br />
b > 1.4 : SL ≈<br />
a<br />
b < 1.4 : SL ≈<br />
SL ≈<br />
2π<br />
0.93 ln(a/b) − 0.0502<br />
2π<br />
0.785 ln(a/b)<br />
2π<br />
ln(1.08 a/d).
26 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />
λ<br />
���<br />
��� � �<br />
Abbildung 3.6: Rohr im halbunendlichen<br />
Bereich<br />
λ<br />
� �<br />
��� ���<br />
Abbildung 3.7: zwei Rohre im halbunendlichen<br />
Bereich<br />
���<br />
���<br />
���<br />
�<br />
∞<br />
Abbildung 3.8: Scheibe auf halbunendlichem<br />
Körper.<br />
��<br />
SL =<br />
SL ≈<br />
SL =<br />
ln<br />
⎛<br />
⎝ a<br />
r +<br />
2π<br />
ln(2a/r)<br />
2π<br />
�<br />
a 2<br />
⎞,<br />
− 1⎠<br />
r2 <strong>für</strong> a<br />
r<br />
> 5.<br />
2π<br />
�<br />
ln u + √ u2 �,<br />
− 1<br />
mit u ≡ a2 − r2 1 − r2 2<br />
.<br />
2r1r2<br />
S = 4r. (dreidimensional!)
3.3. WÄRMELEITUNG MIT WÄRMEQUELLEN 27<br />
3.3 Wärmeleitung mit Wärmequellen<br />
Im Abschnitt 3 wurde die Fouriersche bzw. Laplacesche Differenzialgleichung (3.1) <strong>für</strong> die drei<br />
einfachen Geometrien Platte, Zylinder, Kugel gelöst, was der physikalischen Gegebenheit entspricht,<br />
dass diese Körper von einem zeitlich und örtlich konstanten Wärmestrom durchflutet<br />
werden, dessen Quellen und Senken außerhalb der betrachteten Bereiche liegen.<br />
Wir lassen jetzt in den drei Grundgebieten innere Wärmequellen zu und bestimmen die resultierenden<br />
stationären Temperaturfelder über die nach Poisson benannte Differenzialgleichung.<br />
d 2T n dT<br />
+<br />
dr2 r dr<br />
+ ˙w<br />
λ<br />
= 0, (3.12)<br />
mit n = 0: Platte, n = 1: Zylinder, n = 2: Kugel. Die Wärmequellendichte ˙w sei weder<br />
temperatur- noch ortsabhängig.<br />
Randbedingungen:<br />
1. Symmetrie (bei der Platte auch Adiabasie) bei r = 0:<br />
2. Randbedingung 3. Art bei r = R:<br />
−λ dT<br />
dr<br />
dT<br />
dr<br />
�<br />
�<br />
�<br />
� = 0.<br />
r=0<br />
�<br />
�<br />
�<br />
� = α(TW − T∞).<br />
r=R<br />
In diesem besonders einfachen Fall werden Differenzialgleichung und Randbedingungen <strong>für</strong><br />
alle drei Geometrien durch eine parabolische Temperaturverteilung, d.h. durch ein Polynom<br />
2. Grades erfüllt.<br />
Mit dem Ansatz<br />
� ∞<br />
���<br />
���<br />
T (r) = a + br + cr 2<br />
α<br />
λ ��<br />
���<br />
Abbildung 3.9: Symmetrische Temperaturverteilung in den 3 einfachen Körpern bei konstanter<br />
Wärmequellendichte<br />
α
28 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />
lautet somit die Differenzialgleichung:<br />
2c + n<br />
˙w<br />
(b + 2c · r) + = 0.<br />
r λ<br />
Aus der Randbedingungen bei r = 0 folgt b = 0, damit lässt sich der Koeffizient c aus der<br />
Differenzialgleichung bestimmen:<br />
2c (1 + n) + ˙w<br />
λ<br />
˙w<br />
= 0 ⇒ c = −<br />
2λ(1 + n) .<br />
Wegen der Randbedingungen bei r = R folgt <strong>für</strong> den Koeffizienten a:<br />
−2c λ R = −α (a + c R 2 − T∞) ⇒ a = −2c λ R<br />
α − c R2 + T∞.<br />
Ergebnis <strong>für</strong> die Temperatur im Körper (0 ≤ r ≤ R):<br />
T (r) = T∞ +<br />
˙wR 2<br />
2λ(n + 1)<br />
Für den Wärmefluss an der Außenwand gilt:<br />
Mit den Definitionen<br />
�<br />
� �<br />
dT<br />
˙q(R) = −λ =<br />
dr R<br />
˙w R<br />
ξ ≡ r<br />
R ,<br />
θ ≡<br />
Bi ≡ αR<br />
λ<br />
1 + 2λ<br />
αR −<br />
T − T0<br />
˙wR 2 /λ ,<br />
n + 1 .<br />
� � �<br />
2 r<br />
. (3.13)<br />
R<br />
lässt sich das Temperaturprofil kompakt in dimensionsfreier Form darstellen:<br />
θ(ξ) =<br />
Im Zentrum bzw. an der Oberfläche des Körpers gilt:<br />
θ(0) =<br />
�<br />
1<br />
1 +<br />
2(n + 1)<br />
2<br />
�<br />
− ξ2 , 0 ≤ ξ ≤ 1. (3.14)<br />
Bi<br />
�<br />
1<br />
1 +<br />
2(n + 1)<br />
2<br />
�<br />
Bi<br />
und θ(1) =<br />
1<br />
2(n + 1)<br />
Qualitativ sind die Temperaturverhältnisse <strong>für</strong> große bzw. kleine Werte der Biot-Zahl Bi in<br />
in Bild 3.10 dargestellt.<br />
2<br />
Bi ,
3.3. WÄRMELEITUNG MIT WÄRMEQUELLEN 29<br />
1+ 2<br />
Bi<br />
2<br />
Bi<br />
1<br />
1<br />
Bi > 1<br />
Abbildung 3.10: Quasi 1-D Wärmeleitung mit konstanter Wärmequellendichte und Randbedingung<br />
der 3. Art: Qualitative Darstellung der Temperaturverhältnisse <strong>für</strong> kleine und große<br />
Biot-Zahlen.<br />
Zusammenfassung<br />
• Die Péclet-Gleichungen kombinieren elementare Lösungen <strong>für</strong> die stationäre Wärmeleitung<br />
in einfachen, quasi-1D Geometrien ( ” Platte“, ” Zylinder“, ” Kugel“). So kann<br />
der Wärmedurchgang (inkl. des zugehörigen Koeffizienten k) durch mehrere Schichten<br />
unterschiedlichen Materials und über Phasengrenzen hinweg berechnet werden. Dies<br />
entspricht einer Reihenschaltung von Wärmeleitwiderständen.<br />
• Die Energieerhaltung - bereits bei der Herleitung der Fourierschen DGL benötigt -<br />
findet häufig explizit Anwendung bei der Lösung von Wärmetransportproblemen (in<br />
diesem Kapitel: Abstützen auf äussere Randbedingungen, alternative Herleitung der<br />
Péclet-Gleichung).<br />
• Dimensionslose (oder ” bezogene“) Größen erlauben oft eine besonders kompakte und<br />
übersichtliche Darstellung von Ergebnissen.<br />
• Die Biot-Zahl Bi ≡ αR/λ wurde als die erste einer Reihe von wichtigen Kennzahlen<br />
(dimensionsfreie Kombinationen von Einflußgrößen) eingeführt.<br />
• Formfaktoren erlauben die Berechnung von Wärmeströmen in einfachen Geometrien,<br />
typischerweise sog. prismatische Körper (quasi-2D).<br />
• Bei konstanter Wärmequellendichte und Randbedingungen der dritten Art ergibt sich<br />
<strong>für</strong> Platte, Zylinder und Kugel jeweils ein parabolisches Temperaturprofil.
30 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />
e✷Xerzitien<br />
Richtig ✷X oder falsch ?<br />
✷ Die Temperaturleitfähigkeit a ist eine Art Diffusionskonstante <strong>für</strong> Störungen des Temperaturfeldes<br />
✷ In einem homogen-isotropen Körper, dessen Geometrie im einfachsten Fall durch ein<br />
cartesisches Koordinatensystem beschrieben wird, ist das Temperaturprofil zwischen<br />
ebenen, parallelen Isothermenflächen durch einen exponentiellen Abfall gegeben.<br />
✷ Weil die Mantelfläche einer dünnen Zylinderschale proportional zu ihrem Radius zunimmt,<br />
muss die radiale Wärmestromdichte indirekt proportional zum Radius abnehmen,<br />
so dass sich ein logarithmischer Temperaturverlauf ergibt.<br />
✷ die Diskussion des kritischen Radius beim Zylinder hat gezeigt, dass mehr Isolationsmaterial<br />
z.B. um ein Heizungsrohr nicht immer weniger Wärmeverluste bedeutet. Dies läßt<br />
sich anschaulich wie folgt erklären: Vergrössert man die Dicke des Isolationsmantels, so<br />
vergrößert man den Wärmeleitwiderstand, verringert aber den Wärmeübergangswiderstand,<br />
da die <strong>für</strong> den Wärmeübergang zur Verfügung stehen Fläche ebenfalls zunimmt.<br />
Da Wärmeleit- und Wärmeübergangswiderstand in Reihe geschaltet sind, ist eine Verringerung<br />
des Gesamtwiderstandes möglich.<br />
✷ der k-Wert ist gleich dem Inversen des soeben angesprochenen Gesamtwärmeleitwiderstandes.<br />
✷ es sind auch Konfigurationen denkbar, die einer Parallelschaltung von Wärmeleitwiderständen<br />
entsprechen.<br />
✷ die Biot-Zahl Bi = α/λ ist das Verhältnis des Wärmeleit- zum Wärmeübergangswiderstand.<br />
✷ Voraussetzung <strong>für</strong> die Anwendbarkeit der Formfaktoren ist eine jeweils einheitliche Temperatur<br />
auf den verschiedenen Berandungsflächen.<br />
Wärmeleitung mit konstanter Wärmequellendichte:<br />
Eine dünne ebene Platte (einseitig adiabat, Dicke R), ein langer Zylinder und eine Kugel<br />
(jeweils Durchmesser R) aus dem selben Material sind vom selben Fluid mit konstanter Temperatur<br />
T∞ über- bzw. umströmt. Die jeweiligen Wärmeübergangskoeffizienten α sind als<br />
unendlich groß zu betrachten.<br />
✷ Das Temperaturmaximum (bezüglich T∞) beträgt im Zylinder das Doppelte derjenigen<br />
in der Kugel.<br />
✷ Das Temperaturmaximum beträgt in der Kugel nur ein Drittel derjenigen in der Platte.
3.3. WÄRMELEITUNG MIT WÄRMEQUELLEN 31<br />
✷ Das Temperaturmaximum bezüglich T∞ ist im Zylinder größer als in der Platte, da die<br />
Mantelfläche einer koaxialen Zylinderschale innerhalb des betrachteten Zylinders nach<br />
außen hin linear zunimmt, und somit die Wärme aus den äußeren Bereichen besser<br />
abgeführt werden kann.
32 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG
Kapitel 4<br />
Instationäre Wärmeleitung -<br />
Methode der Blockkapazität<br />
Die bisherige Behandlung von Wärmeleitungsproblemen erfolgte unter der Voraussetzung<br />
dass diese zeitunabhängig ablaufen. Solche Situationen treten - wenigstens näherungsweise<br />
- dann auf, wenn nach Einwirkung einer äußeren oder inneren thermischen Störung eines<br />
Systems soviel Zeit verstrichen ist, so dass sich (zumindest lokal) ein thermodynamischer<br />
Gleichgewichtszustand einstellen konnte (Realfall: wärmegedämmte Fernheizleitung; Trivialfall:<br />
kalter Kaffee“). In diesem Abschnitt soll nun der nichtstationäre thermische Anlauf<br />
”<br />
oder Ausgleich, d.h. das zeitliche und örtliche Temperaturverhalten eines Körpers unmittelbar<br />
nach erfolgter Störung der Rand- bzw. Anfangsbedingungen (Wärmeübergangssprung:<br />
” Abschrecken“ oder Wärmequellenzuschaltung: Mikrowellenherd“) untersucht werden.<br />
”<br />
Grundsätzlich beschreibt die Fouriersche Differenzialgleichung (2.8) <strong>für</strong> das Temperaturfeld<br />
T (�x, t) Probleme der instationären Wärmeleitung. Da die Bestimmung von Lösungen dieser<br />
partiellen Differenzialgleichungen jedoch anspruchsvollere mathematische Methoden erfordert,<br />
werden wir uns im Rahmen dieser Vorlesung nur mit einer einfachen Näherungslösung<br />
befassen, die als Methode der Blockkapazität bekannt ist. Im Rahmen dieser Modellvorstellung<br />
geht man davon aus, dass örtliche Temperaturunterschiede im Vergleich zur Differenz zwischen<br />
der Anfangstemperatur T0 des Körpers und der Umgebungstemperatur T∞ vernachlässigbar<br />
klein bleiben,<br />
|T (t, �x1) − T (t, �x2)| ≪ |T0 − T∞| <strong>für</strong> beliebige t und �x1, �x2 im Körper.<br />
Somit ist nur die Zeit-, nicht aber die Ortsabhängigkeit der Temperatur T zu berücksichtigen,<br />
d.h. T (t, �x) → T (t). Dies wird – wie im Folgenden noch gezeigt wird – näherungsweise der<br />
Fall sein, wenn der thermische Widerstand Rλ <strong>für</strong> die Wärmeleitung im Körper viel kleiner<br />
ist als der Widerstand Rα <strong>für</strong> den Wärmeübergang von der Oberfläche des Körpers an die<br />
Umgebung (siehe Abschnitt 3.1).<br />
Das Problem des Wärmeaustausches mit der Umgebung aufgrund eines Temperaturunterschiedes<br />
und gegen den Wärmeübergangswiderstand ist im Rahmen dieser Näherung vollständig<br />
33
34KAPITEL 4. INSTATIONÄRE WÄRMELEITUNG - METHODE DER BLOCKKAPAZITÄT<br />
T oo<br />
T(t)<br />
T 0<br />
, c,V<br />
, A<br />
C<br />
Abbildung 4.1: Analogie zwischen dem Abkühlen eines gut wärmeleitenden Festkörpers (links)<br />
oder eines gerührten Behälters (rechts) und dem Entladen eines elektrischen Kondensators.<br />
Einander entsprechende Einflussgrößen sind: 1) gespeicherte Wärme Q = ρcV (T0 − T∞) bzw.<br />
elektrische Ladung Q = CU, 2) der den Ausgleichsvorgang treibende Potenzialunterschied,<br />
d.h. Temperaturunterschied T0 − T∞ bzw. Spannung U, 3) Wärmeübergangs- und Wärmedurchgangswiderstand<br />
1/αA, 1/kA bzw. Ohmscher Widerstand R.<br />
analog zur Auf- oder Entladung eines elektrischen Kondensators gegen den Ohm’schen Widerstand<br />
R, siehe Bild 4.1 Mathematisch genau gleich zu behandeln wäre das Modell eines<br />
Behälters, in dem sich ein gut durchmischtes Fluid befindet, welches mit der Umgebung<br />
über einen Wärmedurchgangskoeffizienten k in thermischen Kontakt steht, weshalb der im<br />
Folgenden diskutierte Ansatz auch als Methode des (ideal) gerührten Behälters bekannt ist.<br />
Thematisch tangiert diese Betrachtungsweise schon eines der nächsten Kapitel, da die Durchmischung<br />
durch freie und erzwungene Konvektion bewirkt wird.<br />
4.1 Sprungantwort einer Blockkapazität<br />
Abbildung 4.1 zeigt einen thermisch gut leitenden Festkörper mit seinen thermischen Eigenschaften<br />
nebst dem entsprechenden Analogie-Modell aus der Elektrotechnik. Die Wärmekapazität<br />
des Körpers ist gleich dem Produkt der Masse m = ρV [kg] und der spezifischen<br />
Wärmekapazität c [J/kg-K]. Wie beim Entladen eines elektrischen Kondensator benötigt die<br />
” Ausspeicherung“ von Wärme eine gewisse Zeit. Je größer das treibende Potential, d.h. der<br />
Temperaturunterschied T − T0 (entsprechend der Spannung) bzw. je kleiner der Wärmeübergangswiderstand<br />
(entsprechend dem Ohmschen Widerstand), desto kleiner ist diese Zeit.<br />
Die Energieerhaltung fordert, dass die Abfuhr von Wärme zu einer Verringerung der Temperatur<br />
des Körpers führt:<br />
α A (T − T∞) dt = −ϱcV dT,<br />
oder mit dT = d(T − T∞):<br />
d (T − T∞)<br />
(T − T∞)<br />
R<br />
U<br />
= − αA<br />
ϱcV dt.<br />
Anfangsbedingung: T (t = 0) = T0. Mit den normierten Größen<br />
θ ≡<br />
T − T∞<br />
,<br />
T0 − T∞<br />
T oo<br />
T 0<br />
k, A
4.1. SPRUNGANTWORT EINER BLOCKKAPAZITÄT 35<br />
θ H = 0.5<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
θ z<br />
0.2<br />
0.0<br />
0.0<br />
0.5<br />
τ H<br />
1.0<br />
Abbildung 4.2: Systemcharacteristika einer Blockkapazität: Halbwertszeit τH und Zeitkonstante<br />
(<strong>für</strong> den Fall τZ = 1).<br />
τ ≡<br />
t<br />
t Bezug<br />
findet man<br />
dθ<br />
= −dτ.<br />
θ<br />
Diese Gleichung kann sofort integriert werden:<br />
≡<br />
1.5<br />
τ<br />
ln(θ) = −τ + C1.<br />
2.0<br />
t<br />
ϱcV/(αA) ,<br />
Mit der normierten Anfangsbedingungen θ(τ = 0) = 1 ergibt sich C1 = 0 und<br />
2.5<br />
θ = exp (−τ), (4.1)<br />
die Anfangsstörung klingt also exponentiell ab. Gebräuchliche Systemcharakteristika einer<br />
Blockkapazität sind die Halbwertzeit (gebräuchlich v.a. in der Physik)<br />
θH = 1<br />
2 → τH = ln(2) = 0.693 → tH = ϱcV<br />
αA ln(2) = t Bezug ln(2),<br />
oder die Zeitkonstante (oft bevorzugt von Ingenieuren):<br />
τZ ≡ 1 → θZ = 0.368 → tZ = ϱcV<br />
αA = t Bezug ,<br />
τ2Z ≡ 2 → θ2Z = 0.135,<br />
τ3Z ≡ 3 → θ3Z = 0.050.<br />
Die Form des Körpers spielt nur insoweit eine Rolle, als sie das Verhältnis A/V ∼ 1/L bestimmt.<br />
Für die einfachen Körper findet man:<br />
Platte: A<br />
V<br />
2A 1<br />
= =<br />
2AL L<br />
(Plattendicke: 2L ≪ X- bzw. Y -Abmessungen),<br />
3.0
36KAPITEL 4. INSTATIONÄRE WÄRMELEITUNG - METHODE DER BLOCKKAPAZITÄT<br />
Zylinder: A<br />
V<br />
Θ(τ)<br />
�����<br />
�����<br />
Θ� (τ)<br />
∆Θ ∞<br />
Θ(τ)<br />
�����<br />
� � �<br />
Abbildung 4.3: Thermometer im aufgeheizten Bad<br />
2πl<br />
=<br />
R2 2<br />
=<br />
πl R<br />
Kugel: A<br />
V = 4R2 π<br />
4/3R 3 π<br />
(A entspricht nur Mantelfäche wegen l ≫ R),<br />
= 3<br />
R .<br />
Anwendungsbeispiel <strong>für</strong> das Blockmodell: Ein Thermometer wird plötzlich in kaltes Wasser<br />
getaucht ( ” Sprungabkühlung“).<br />
4.2 Thermometerfehler der 1. Art<br />
Das gleiche Grundmodell kann auch zur Berechnung der Temperaturänderung eines Thermometers<br />
verwendet werden, das sich in einem stetig aufgeheizten Bad befindet. Auch in diesem<br />
Fall wird der Sensorbereich des Thermometers als Blockkapazität der Größe mc = ρcV betrachtet.<br />
Die Bad-Temperatur TB soll linear mit der Zeit T zunehmen:<br />
TB(t) = T0 + B t.<br />
Die Differenzialgleichung <strong>für</strong> die Temperatur T des Thermometers folgt wieder aus der Energieerhaltung:<br />
−αA(T − TB) dt = m c dT,<br />
mit der Anfangsbedingung T (t = 0) = TB(t = 0) = T0.<br />
Normierung:<br />
θ(t) =<br />
T − T0<br />
,<br />
∆TBez<br />
θB(t) = TB − T0<br />
∆TBez<br />
τ = αAt<br />
m c .<br />
= B · t<br />
∆TBez<br />
,<br />
τ
4.3. BIOT- UND FOURIER ZAHL 37<br />
Die Bezugstemperatur TBez ist nicht a priori bekannt, sondern wird so gewählt, dass sich die<br />
normierte Differentialgleichung<br />
dθ<br />
dτ<br />
+ θ = B · t<br />
∆TBez<br />
= B · τ<br />
∆TBez<br />
m c<br />
αA<br />
möglichst einfach darstellt. Damit liegt folgende Definition nahe:<br />
∆TBez ≡ B ·<br />
dθ<br />
dτ<br />
+ θ = τ<br />
mit der normierten Anfangsbedingung θ(τ = 0) = 0 und der normierten Badtemperatur<br />
θB(τ) = τ. Es folgt die Lösung:<br />
m c<br />
αA<br />
θ(τ) = exp(−τ) + τ − 1,<br />
mit dem asymptotischen Verhalten (siehe Abb. 4.3):<br />
θτ→∞ = τ − 1, (4.2)<br />
θτ→0 =<br />
τ 2<br />
τ 2<br />
1 − τ + + .... + τ − 1 ≈ .<br />
2 2<br />
(4.3)<br />
Für ausreichend lange Zeiten τ → ∞ ”hinkt” die vom Thermometer angezeigte Temperatur<br />
der Badtemperatur um den Betrag ∆θ = 1 bzw.<br />
TB − T (t → ∞) = B mc<br />
αA<br />
hinterher. Diese Differenz ist als Thermometerfehler der 1. Art bekannt. Falls die Aufheizgeschwindigkeit<br />
(B) vorgegeben ist kann, der Fehler minimiert werden indem die Wärmekapazität<br />
mc klein, der Wärmeübergangseinfluss αA möglichst hoch gewählt wird.<br />
Die quantiative Kenntnis des Thermometerfehlers erlaubt zudem eine Korrektur von Messwerten<br />
und damit eine genauere Bestimmung der Temperatur unter instationären Bedingungen.<br />
4.3 Biot- und Fourier Zahl<br />
4.3.1 Gültigkeitsbereich der Näherung ” Blockkapazität“<br />
Mit zunehmendem Wärmeübergang αA nimmt, wie gezeigt, die Größe des Thermometerfehlers<br />
TB − T (t → ∞) ab. Bei endlicher Wärmeleitfähigkeit λ ist dies jedoch unter Umständen<br />
nicht mehr mit den zugrunde liegenden Näherungen vereinbar! Voraussetzung <strong>für</strong> das Modell<br />
der Blockkapazität ist – wie einleitend gesagt – dass der Wärmeübergangswiderstand<br />
1/αA ∼ 1/αL 2 wesentlich größer sei als der Wärmeleitwiderstand 1/λL im Material, wobei L<br />
eine charakteristisches Längenmaß der Geometrie – z.B. die Dicke der Platte oder der Radius
38KAPITEL 4. INSTATIONÄRE WÄRMELEITUNG - METHODE DER BLOCKKAPAZITÄT<br />
T∞ , α<br />
-L L<br />
x<br />
T∞ , α<br />
t<br />
-L L<br />
Bi > 1<br />
T = T(x,t)<br />
Abbildung 4.4: Qualitative Darstellung der zeitlichen Entwicklung der Temperaturverteilung<br />
in einer ebenen Platte bei Sprungabkühlung <strong>für</strong> verschiedene Werte der Biot-Zahl.<br />
von Zylinder bzw. Kugel – ist. Mit Hilfe der im letzten Kapitel bereits eingeführten Biot-Zahl,<br />
dem Verhältnis des konduktiven zum konvektiven thermischen Widerstand,<br />
Bi ≡ αL<br />
λ<br />
Wärmeleitwiderstand<br />
∼ . (4.4)<br />
Wärmeübergangswiderstand<br />
lässt sich diese Bedingung wie folgt formulieren:Die Methode der Blockkapazität ist anwendbar,<br />
wenn die Biot-Zahl deutlich kleiner als 1 ist, etwa Bi < ∼ 0,1. Eine exakte, quantitative<br />
Formulierung dieses Kriteriums <strong>für</strong> Platte, Zylinder und Kugel findet sich in den Arbeitsunterlagen.<br />
Mit Hilfe der Biot-Zahl kann man auch die Verhältnisse zwischen den Temperaturen TK<br />
und TW im Inneren bzw. an der Oberfläche des Körpers und der Umgebungstemperatur T∞<br />
ungefähr abschätzen. Es gilt größenordnungsmäßig<br />
und damit<br />
−λ TW − TK<br />
L<br />
TW ∼ λTK + αLT∞<br />
λ + αL<br />
∼ α(TW − T∞),<br />
= TK + Bi T∞<br />
.<br />
1 + Bi<br />
Wie man sieht, gilt TW → TK <strong>für</strong> Bi → 0 – die Methode der Blockkapazität ist dann<br />
anwendbar – und umgekehrt TW → T∞ <strong>für</strong> Bi → ∞. In Bild 4.4 sind diese Zusammhänge<br />
<strong>für</strong> die Sprungabkühlung einer ebenen Platte dargestellt. Beachten Sie auch die Analogie zu<br />
den Ergebnissen des Abschnittes 3.3 <strong>für</strong> die Temperaturverteilung θ(ξ) bei Wärmeleitung mit<br />
konstanter Wärmequellendichte ˙w.
4.3. BIOT- UND FOURIER ZAHL 39<br />
4.3.2 Ähnlichkeitsform der Lösung<br />
Eine weitere Kennzahl, welche bei Problemen der instationären Wärmeleitung eine wichtige<br />
Rolle spielt ist, die Fourier-Zahl Fo. Sie ist definiert als eine dimensionslose Zeit<br />
Fo ≡ at Wärmeleitung<br />
∼ . (4.5)<br />
L2 Wärmespeicherung<br />
Hier ist a ≡ λ/ρc die Temperaturleitfähigkeit des Festkörpers. Die oben hergeleitete Lösung<br />
(4.1) <strong>für</strong> die zeitliche Entwicklung der Temperatur θ einer Blockkapazität lässt sich mit diesen<br />
Definitionen kompakt darstellen<br />
mit n = 0, 1, 2 <strong>für</strong> Platte / Zylinger / Kugel.<br />
Zusammenfasssung<br />
θ = θ( Bi, Fo) = exp(−(n + 1) Bi Fo).<br />
• Die Temperatur eines Körpers, der einer plötzlichen Änderung der Umgebungstemperatur<br />
ausgesetzt ist, bleibt in guter Näherung räumlich konstant wenn der Wärmeübergangswiederstand<br />
(∼ 1/αA) viel größer ist als der Wärmeleitwiderstand (∼ 1/λL).<br />
• Diese Bedingung lässt sich mit Hilfe der Biot-Zahl Bi ≡ αL/λ, einer dimensionslosen<br />
Kennzahl, wie folgt formulieren: Bi ≪ 1.<br />
• Der Temperaturunterschied zwischen dem Körperinneren und der Umgebung klingt mit<br />
der Zeit exponentiell ab. Die Abklingkonstante ist proportional zur Wärmekapazität des<br />
Körpers und zum Wärmeübergangswiederstand. Mit Hilfe der Biot- und der Fourier-<br />
Zahlen schreibt man dimensionslos θ = exp(−Fo Bi).<br />
• Ein gut wärmeleitender Festkörper verhält sich damit in seinem Sprungantwortverhalten<br />
analog zu einem elektrischen Kondensator.<br />
• Der Thermometerfehler der 1. Art ist auf die thermische Trägheit der Thermometerperle<br />
zurückzuführen und lässt sich mittels der Methode der Blockkapazität quantitativ<br />
erfassen (und damit korrigieren).
40KAPITEL 4. INSTATIONÄRE WÄRMELEITUNG - METHODE DER BLOCKKAPAZITÄT<br />
e✷Xerzitien<br />
Richtig ✷X oder falsch ?<br />
✷ Wenn der Wärmeleitwiderstand eines endlich ausgedehnten Körpers groß ist im Vergleich<br />
zum thermischen Widerstand des Wärmeübergangs zwischen dem Körper und<br />
seiner Umgebung, so bleibt der Körper in seinem Inneren hinreichend unbeeinflusst von<br />
äußeren Temperaturänderungen. Er darf deshalb in seiner Gesamtheit als ” wärmekapazitiver<br />
Block“ von einheitlicher Temperatur betrachtet werden, was die Beschreibung<br />
seiner Temperaturentwicklung erleichtert.<br />
✷ Wenn der Wärmeleitwiderstand eines endlich ausgedehnten Körpers klein ist im Vergleich<br />
zum thermischen Widerstand des Wärmeübergangs zwischen dem Körper und<br />
seiner Umgebung, so kann der Körper bezüglich seiner internen Temperaturverteilung<br />
in guter Näherung analog zum Inneren eines ideal gerührten Behälters behandelt werden.<br />
✷ Der ” gut gerührte Behälter“ verhält sich analog zu einem gut wärmeleitenden Körper<br />
( Bi ≪ 1), weil sich aufgrund des Rührens ein besonders hoher Wärmeübergangskoeffizient<br />
α an der Behälterinnenwand einstellt.<br />
✷ Der Thermometerfehler der 1. Art lässt sich minimieren, indem man mit dem Thermometer<br />
das sich aufheizende Wasserbad kräftig rührt.<br />
✷ Je kleiner die Biot-Zahl, desto schneller das exponentielle Abklingen des Temperaturunterschiedes<br />
bei der Sprungantwort eines gut wärmeleitenden Körpers.
Kapitel 5<br />
Wärmestrahlung<br />
5.1 Begriffe und Definitionen<br />
Unter Wärmestrahlung oder Temperaturstrahlung verstehen wir elektromagnetische Strahlungsenergie,<br />
die von Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen infolge ihres Temperaturniveaus<br />
ausgesandt wird. Diese Form des Wärmetransportes bedarf keines stofflichen Trägers. Die<br />
Wärmestrahlung der Materie wird ursächlich beim Wechsel der Anregungszustände von Molekülen<br />
(Translation → Rotation → Oszillation) und von Elektronen in deren Schalen um<br />
die Atomkerne ausgelöst. Sie tritt im Wellenlängenbereich zwischen 0,1 µm und 1 mm auf.<br />
Was unser Auge als ” Licht“ registriert, liegt im schmalen Band von 0,38 µm bis 0,78 µm. Bis<br />
0,1 µm reicht das nahe Ultraviolett (UV), oberhalb von 0,78 µm bis 1 mm erstreckt sich das<br />
weite Gebiet des Infrarot (IR), in dem die meisten irdischen Körper strahlen.<br />
Röntgen- und γ-Strahlen (λ < 0.01 µm) sowie Radar- und Radiowellen (λ > 1 mm) sind nicht<br />
thermisch angeregt und bleiben daher außer Betracht. Das Leuchten von fluoreszenten Farbstoffen<br />
(Leuchtstoffröhre, Bildschirm, Glühwürmchen) oder LEDs ist - obwohl im sichtbaren<br />
Bereich des Spektrums - ebenfalls nicht thermischen Ursprungs und lässt sich nicht durch die<br />
im Folgenden diskutierten Gesetze beschreiben.<br />
Alle Körper senden kontinuierlich Wärmestrahlung aus, so dass sie zwangsläufig mit anderen,<br />
entfernt liegenden Körpern in Strahlungsaustausch stehen. Beim Auftreffen des Strahlungsstromes<br />
˙ Q auf einen Körper K wird ˙ Q teils “absorbiert“ ( ˙ QA) , teils “reflektiert“ ( ˙ QR), teils<br />
“transmittiert“ ( ˙ QT ), also hindurchgelassen. Der vom Körper K absorbierte Anteil wandelt<br />
sich um in Wärmeenergie (innere Energie), aus deren Reservoir ein Strom ˙ QE “emittiert“<br />
wird. Letzterer ist nur eine Funktion der Temperatur und der Oberflächeneigenschaften des<br />
jetzt als Sender wirkenden Körpers K; er enthält also keine Information mehr über den Ursprung<br />
der Energie. Für die insgesamt vom Körper K ausgesandte Strahlungsenergie ˙ Q❀<br />
gilt<br />
˙Q❀ = ˙ QE + ˙ QR + ˙ QT .<br />
41
42 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />
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�<br />
��� ���<br />
�<br />
Abbildung 5.1: Verteilung der auf einen Körper K treffenden Strahlungsenergie ˙ Q und dessen<br />
Emissionsstrom ˙ QE. ˙ QA – absorbierter, ˙ QR – reflektierter, ˙ QT – transmittierter Anteil.<br />
Mit Blick auf Abb. 5.1 folgt aus dem Energiesatz<br />
mit den Definitionen<br />
die dimensionslose Bilanzgleichung<br />
���<br />
˙Q = ˙QA + ˙QR + ˙QT ,<br />
α ≡ ˙ QA<br />
˙Q<br />
, Absorptionsgrad, (5.1)<br />
ρ ≡ ˙ QR<br />
˙Q,<br />
τ ≡ ˙ QT<br />
˙Q<br />
Reflexionsgrad, (5.2)<br />
, Transmissionsgrad, (5.3)<br />
α + ρ + τ = 1. (5.4)<br />
Man kann folgende Extrem- bzw. Idealfälle unterscheiden (obwohl sie praktisch nur näherungsweise<br />
und in begrenzten Wellenlängenbereichen realisierbar sind):<br />
• Schwarzer Körper: α = 1; ρ = τ = 0,<br />
Die gesamte (auftreffende) Strahlungsenergie wird absorbiert.<br />
• Weißer Körper: ρ = 1; α = τ = 0,<br />
Vorausgesetzt, die gesamte Strahlungsenergie wird über den ganzen Halbraum, also<br />
diffus, reflektiert (und nicht spiegelnd nach den Gesetzen der geometrischen Optik).<br />
• Diathermaner (strahlungsdurchlässiger) Körper: τ = 1; α = ρ = 0,<br />
Die gesamte auftreffende Strahlungsenergie wird durchgelassen. Beispiel: Luft ohne<br />
H2O- und CO2-Anteile; Fensterglas im optischen Bereich (Licht).<br />
• Oberflächenstrahler: τ = 0; α + ρ = 1,<br />
Hierzu zählen (vor allem im technisch interessanten IR-Bereich) fast alle Festkörper<br />
bzw. Flüssigkeiten, da diese die Strahlungsenergie in einer etwa 1 µm bzw. 1 mm dicken<br />
Schicht absorbieren und emittieren.
5.2. SCHWARZE KÖRPER 43<br />
Abbildung 5.2: Der “schwarze Körper“ als Idealabsorber und Idealemitter (Hohlraumstrahler)<br />
5.2 Schwarze Körper<br />
Das Emissionsvermögen e (Einheit W/m 2 ) eines Körpers umfasst die Energiemenge, welche<br />
pro Oberflächeneinheit dA und Zeiteinheit in den darüber liegenden Halbraum im Wellenlängenbereich<br />
von λ = 0 bis λ = ∞ emittiert wird; es korrespondiert daher energetisch mit<br />
dem Wärmefluss ˙q. Um e bestimmen zu können, muss die “spektrale Intensität“ eλ = de/dλ<br />
im Intervall λ bis λ + dλ als Funktion der Temperatur T bekannt sein: eλ = eλ(λ, T) (Einheit<br />
W/m 3 ). Doch selbst bei gleichem λ und T ist eλ noch von der Oberflächenbeschaffenheit<br />
(glatt, rauh) und der Art (Metall, Halbleiter, Nichtleiter) des emittierenden Körpers abhängig.<br />
Kirchhoff 1 hatte 1898 aus dem 2. Hauptsatz die Folgerung gezogen, dass ein die gesamte Strahlung<br />
absorbierender “schwarzer Körper“ (technisch realisierbar durch einen gleichtemperierten<br />
Hohlraum mit gut absorbierenden Wänden und kleiner Öffnung gemäß Abb. 5.2) auch die<br />
maximale Strahlungsintensität emittieren muss. Dann kann ein solcher Hohlraum als stoffunabhängiger<br />
Standardstrahler <strong>für</strong> Referenzzwecke dienen. Diese so emittierte Grenzintensität<br />
wird mit eλS bezeichnet. Experimentelle Ergebnisse <strong>für</strong> die Intensität dieser Schwarzkörperstrahlung<br />
lagen bereits in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts vor, ihre theoretische<br />
Ermittlung gelang erst, als Max Planck 2 1901 die Prinzipien der klassischen Physik um die<br />
revolutionären Ideen der Quantentheorie erweiterte.<br />
1 Gustav Kirchhoff, ∗ Königsberg, 1824, † Berlin, 1887. Studium in Königsberg bei der Physiker F. Neumann<br />
und dem Mathematiker C. G. J. Jacobi. Professor <strong>für</strong> Physik in Breslau 1850, in Heidelberg 1854, in Berlin<br />
1875. Entwickelte zusammmen mit dem Chemiker Robert Bunsen die Spektralanalyse.<br />
2 Max Planck, ∗ Kiel, 1858, † Göttingen,1947. Studium der Physik in München und Berlin, Habilitation im<br />
Alter von 22 Jahren. 1889 Nachfolger Kirchhoffs in Berlin. Planck betonte die Bedeutung der Entropie in der<br />
<strong>Thermodynamik</strong> und ist als Wegbereiter der Quantenmechanik zu betrachten, er postulierte die Quantelung<br />
der Energie und entdeckte dabei die Existenz einer neuen Naturkonstante (Plancksches Wirkungsquantum h).<br />
1918 Nobelpreis <strong>für</strong> Physik.<br />
�
44 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />
Das Plancksche Strahlungsgesetz<br />
Die spektrale Verteilung der von einem schwarzen Körper ausgehenden Wärmestrahlung wird<br />
durch das Plancksche Strahlungsgesetz beschrieben<br />
eλS =<br />
λ5 �<br />
exp<br />
c1<br />
� c2<br />
λ T<br />
� �. (5.5)<br />
− 1<br />
Die Konstanten c1 und c2 lassen sich auf fundamentale Naturkonstanten, d.h. die Lichtgeschwindigkeit<br />
c, die Boltzmannsche Konstante k und das Plancksche Wirkungsquantum h<br />
zurückführen:<br />
Damit erhält man<br />
� λ �<br />
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����� � ��� � � ��� �¥� �� � ��<br />
c1 = 2πc 2 h,<br />
c2 = ch<br />
k .<br />
c1 = 3,741 × 10 −16 Wm 2 ,<br />
c2 = 1,438 × 10 −2 mK.<br />
������� � ����� ��� �����<br />
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¦ µ§©¨<br />
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����� � � � ��� � µ§��<br />
Abbildung 5.3: Verteilung der spektralen Strahlungsintensität eλS des schwarzen Körpers in<br />
den Halbraum nach Planck. Parameter: Absoluttemperatur T<br />
Das Wiensche Verschiebungsgesetz<br />
Von Wien bereits vor 1891 mit Hilfe der klassischen <strong>Thermodynamik</strong> abgeleitet, folgt dieses<br />
Gesetz aus der Planckschen Formel durch Differentation, da das Maximum der Emission
5.3. EMISSION UND ABSORPTION NICHT-SCHWARZER STRAHLER 45<br />
gesucht ist (Index M):<br />
λM T = 2898 µm K. (5.6)<br />
In Abb. 5.3 ist dieser Zusammenhang durch den gestrichelten Kurvenast wiedergegeben. Anwendungsbeispiel:<br />
Ein Kachelofen strahle bei T ≈ 320 K ab; also liegt das Emissionsmaximum<br />
im IR bei ≈ 9µm. In der Umgebung dieses λ-Wertes sollte das Emissionsvermögen ɛ der Kacheln<br />
möglichst groß sein.<br />
Das Stefan-Boltzmannsche Gesetz<br />
Dieses, die Gesamtemission in den Halbraum beschreibende Gesetz wurde von Stefan 1879<br />
empirisch gefunden und von Boltzmann 3 1884 aus der klassischen Physik abgeleitet; es folgt<br />
aus der Planckschen Formel durch Integration über alle Wellenlängen:<br />
eS(T ) =<br />
mit der Stefan-Boltzmann Konstante<br />
� ∞<br />
0<br />
eλS(λ, T ) dλ = σ T 4 . (5.7)<br />
−8 W<br />
σ = 5, 67 × 10<br />
m2 4 .<br />
K<br />
In Abb. 5.3 entspricht eS (500K) der schraffierten Fläche.<br />
5.3 Emission und Absorption nicht-schwarzer Strahler<br />
Das Plancksche Strahlungsgesetz gibt bei gegebener Temperatur und Wellenlänge die Intensität<br />
an, mit der ein idealer Strahler (ein “schwarzer Körper“) strahlen kann. Eine Unterschreitung<br />
dieser Intensität ist bei natürlichen Strahlern (manchmal etwas umständlich “nichtschwarze<br />
Körper“ genannt) die Regel. Dabei wird wiederum je nach Wellenzahlabhängigkeit<br />
der emittierten Strahlung zwischen “grauen“ und “realen Strahlern“ unterschieden. Zunächst<br />
wird der idealisierte Grenzfall des “grauen Strahlers“diskutiert.<br />
5.3.1 Der “graue“ Strahler<br />
Verkleinert man die Ordinaten der Abb. 5.3 überall im gleichen Maßstab, so erhält man eine<br />
spektrale Intensitätsverteilung, die der eines schwarzen Körpers ähnlich ist, wie in Abb. 5.4<br />
durch die gestrichelte Kurve angedeutet. Die von einem grauen Strahler ausgesandte Energie<br />
kann nach dem Planckschen oder Stefan-Boltzmannschen Gesetz berechnet werden, wenn<br />
3 Ludwig Boltzmann, österr. Physiker, ∗ Wien 20.2. 1844, † Duino 5.9. 1906; Prof. in Graz, Wien, München,<br />
Leipzig; Vorkämpfer der Atomistik und der statistischen Interpretation der <strong>Thermodynamik</strong> (kinetische Gastheorie,<br />
Boltzmann-Statistik, Entropie als Maß der mikroskopischen ” Unordnung“, Entropie ist der Logarithmus<br />
der Wahrscheinlichkeit.). Erkrankte an Depression und beging Selbstmord.
46 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />
man die Konstanten c1 bzw. σ mit einem empirisch zu bestimmenden Faktor ɛ(T ) < 1, dem<br />
“Emissionsgrad“ multipliziert, <strong>für</strong> den gelten muss:<br />
ɛ(T ) = eλ<br />
eλS<br />
= e<br />
.<br />
eS<br />
Das zweite Gleichheitszeichen gilt, weil nach Voraussetzung der Emissionsgrad von der Wellenlänge<br />
λ unabhängig ist. Demnach lautet das bezüglich technischer Berechnungen wichtige<br />
Stefan-Boltzmannsche Gesetz <strong>für</strong> das Emissionsvermögen des grauen Strahlers:<br />
e = ɛσT 4 . (5.8)<br />
Der Emissionsgrad ɛ variiert sehr stark mit Material und Oberflächenbeschaffenheit ab. So<br />
ist z.B. der Emissionsgrad von polierten Edelmetalloberflächen sehr klein (ɛ ≈ 0, 02). Bei<br />
Metallen sind typische Emissionsgrade im Bereich ɛ ≈ 0, 1 − 0, 4. Oxidschichten auf Metallen<br />
können deren Emissionsgrade um ein Mehrfaches erhöhen. Nichtleiter sind meist gute Emitter<br />
mit ɛ > ∼ 0.6.<br />
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Abbildung 5.4: a) schwarzer Strahler b) grauer Strahler c) realer Strahler.<br />
5.3.2 Der “reale“ Strahler<br />
In der natürlichen Umwelt ist das spektrale Emissionsvermögen eλ eines Körpers keinesfalls<br />
bei allen Temperaturen und in allen λ-Bereichen proportional zum spektralen Emissionsvermögen<br />
eλS des schwarzen Körpers (bei der gleichen Temperatur), wie die dünn ausgezogene<br />
Kurve in Abb. 5.4 qualitativ vermitteln soll. Folglich ist dann der Emissionsgrad ebenfalls<br />
Temperatur- und wellenlängenabhängig: eλ = eλ(λ, T ). Aufgrund der Integraleigenschaft des<br />
Stefan-Boltzmannschen Gesetzes bietet sich jedoch die Möglichkeit eλ intervallweise (von<br />
λn bis λn+1) als λ-unabhängig anzunähern und die resultierenden ∆e-Anteile des Emissionsvermögens<br />
anschließend aufzusummieren. Diese Berechnungsprozedur wird gegen Ende dieses<br />
Kapitels kurz vorgestellt.<br />
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�<br />
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5.4. KIRCHHOFFSCHES GESETZ 47<br />
5.3.3 Schwarze Körper sind nicht schwarz<br />
Trotz der Tatsache, dass unser empfindlichstes Sinnesorgan, das Auge, Lichtintensitäten über<br />
12 Zehnerpotenzen zu akkomodieren vermag, sehen wir die emittierte Strahlung von Körpern<br />
erst, wenn deren Oberfläche mehr als 600 o C heiß ist. (Hingegen “fühlt“ man die Wärmestrahlung<br />
eines 40 o C warmen Babyfläschchens sehr wohl am Handrücken.) Dann allerdings<br />
leuchten auch sog. schwarze Körper, ihre Farbe hängt dabei von der Temperatur ab (rot- und<br />
weissglühend, Farbtemperatur von fotografischem Material bzw. Leuchten). Was wir in unserer<br />
bunten Welt sehen, ist fast nur der reflektierte Anteil heißer Strahler, vor allem der Sonne<br />
(5800K). Ein Kleid erscheint “rot“, weil seine Oberfläche das “Blau“ absorbiert hat; “nachts<br />
sind alle Katzen grau“, weil die farbempfindlichen Netzhautzäpfchen nicht mehr ansprechen,<br />
wohl aber die lichtempfindlicheren, nur Grautöne registrierenden Stäbchen.<br />
5.4 Kirchhoffsches Gesetz<br />
Anders als der Emissionsgrad ɛ ist der Absorptionsgrad<br />
α einer Oberfläche nicht einfach<br />
ein (temperaturabhängiger) Stoffwert,<br />
sondern hängt auch von den Eigenschaften<br />
der einfallenden Strahlung, d.h. ihrer spektralen<br />
Verteilung, ab. Dies wird im Abschnitt<br />
5.6 noch ausführlicher diskutiert.<br />
Zumindest <strong>für</strong> diffus-graue Strahler gilt jedoch<br />
nach Kirchhoff, dass Emissions- und<br />
Absorptionsgrad gleich groß sind. Diese einfache<br />
Beziehung kann aus der Betrachtung<br />
des Strahlungsaustausches zwischen einem<br />
diffus-grauen Strahler ”1”, der mit einem<br />
schwarzen Körper ”2” im thermischen<br />
Gleichgewicht steht, hergeleitet werden (siehe<br />
Abb. 5.5).<br />
e 1<br />
''1''<br />
(1-α1)e ''2''<br />
S<br />
e S<br />
Abbildung 5.5: Strahlungsgleichgewicht zwischen<br />
einem diffus-grauen Strahler ”1” mit<br />
e1 = ɛ1eS(T1) und einem schwarzen Körper<br />
”2”.<br />
Im Gleichgewicht ist a) die vom Körper ”1” emittierte Strahlungsintensität gleich der absorbierten<br />
4 ,<br />
ɛ1eS(T1) = α1eS(T2) (5.9)<br />
4 Man kann alternativ wie folgt argumentieren: Im dynamischen Strahlungsgleichgewicht durchdringen sich<br />
zwei Wärmeströme gleicher Stärke und entgegengesetzter Richung; die auf den Körper ”1” einfallende Strahlungsintensität<br />
eS(T2) ist somit gleich der vom Körper ausgehenden. Letztere setzt sich zusammen aus der<br />
emittierten Strahlung mit der Intensität ɛ1eS(T1) und dem reflektierten Anteil ρ1eS(T2). Da bei verschwindendem<br />
Transmissiongrad ρ1 = 1 − α1 folgt damit<br />
woraus (5.9) folgt.<br />
eS(T2) = ɛ1eS(T1) + (1 − α1)eS(T2),
48 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />
und b) aufgrund des 2. Hauptsatzes der <strong>Thermodynamik</strong> T1 = T2. Daraus folgt<br />
<strong>für</strong> den diffus-grauen Strahler ”1”.<br />
ɛ1 = α1<br />
5.5 Einfache Strahlungsaustauschbeziehungen<br />
(5.10)<br />
Wir setzen zwei diffus-graue Strahlungsflächen A1 und A2 und damit die Gültigkeit des Kirchhoffschen<br />
Gesetzes voraus. Wegen ɛi = αi und αi + ρi = 1 (<strong>für</strong> Oberflächenstrahler) können<br />
Reflexions- und Absorptionsgrad eliminiert werden, so dass in den folgenden Formeln nur der<br />
Emissionsgrad der verschiedenen Flächen i erscheint. Beziehungen <strong>für</strong> den von der Fläche A1<br />
netto ausgestrahle Wärmestrom ˙ Q1❀2 resultieren aus der Summation von Reihentermen, welche<br />
bei einem, gegenüber Abb. 5.5 verallgemeinerten Wechselspiel von Emission, Absorption<br />
und Reflexion entstehen (siehe Abb. 5.6). Eine Herleitung dieser Beziehungen findet sich z.B.<br />
in der Vorlesung Wärme- und Stoffübertragung.<br />
• Zwei planparallele Platten großer Ausdehnung<br />
˙Q1❀2 = A C12 (T 4 1 − T 4 2 ).<br />
C12 =<br />
σ<br />
1<br />
+<br />
ɛ1<br />
1<br />
.<br />
− 1<br />
ɛ2<br />
• Konvexer Köper im geschlossenen Raum<br />
������<br />
�<br />
������
5.5. EINFACHE STRAHLUNGSAUSTAUSCHBEZIEHUNGEN 49<br />
˙Q1❀2 = A1 C12 (T 4 1 − T 4 2 ).<br />
C12 =<br />
1<br />
ɛ1<br />
Sonderfall: A1<br />
C12 = ɛ1 σ.<br />
σ<br />
+ 1 A1<br />
ɛ2 − 1 A2<br />
A2<br />
≪ 1 :<br />
.<br />
���<br />
������������<br />
������������<br />
���<br />
���<br />
���<br />
• Strahlungsschutzschirme zwischen parallelen Platten, die weder durch Wärmeleitung<br />
noch durch Konvektion beeinflusst sind<br />
n Schirme; ɛ1 = ɛ2 = ɛ!<br />
˙Q1❀2 =<br />
A C12<br />
1 + n (T 4 1 − T 4 2 ).<br />
dabei ist C12 wie bei den planparallelen<br />
Platten. Eine Schutzschirm reduziert die<br />
Strahlungsleistung also bereits um 50 %,<br />
<strong>für</strong> n → ∞ geht ˙ Q1❀2 → 0.<br />
Abbildung 5.6:<br />
Strahlungsaustausch in verschiedenen Geometrien<br />
Linearisierung der Strahlungsformel:<br />
� �<br />
ε �<br />
ε ε ε ε ε<br />
Besonders bei komplexen wärmetechnischen Berechnungen erweist sich die Näherungsbeziehung<br />
T 4 1 − T 4 2 ≈ 4 T 3 M (T1 − T2) mit TM = T1 + T2<br />
2<br />
als sehr vorteilhaft. Für 2/3 ≤ T1<br />
4 % <strong>für</strong> 0,8 ≤ T1<br />
T2<br />
verbessert werden muss.<br />
T2<br />
≤ 3/2 beträgt der Relativfehler dieser Linearisierung knapp<br />
< 1,25 nur noch 1,2 %. Unter Umständen muss TM vorgeschätzt und iterativ<br />
���<br />
� �<br />
���<br />
���<br />
ε �
50 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />
5.6 Wellenlängenabhängigkeit optischer Eigenschaften<br />
Bei der Betrachtung des Strahlungsaustausches zwischen Oberflächen haben wir idealisierte<br />
diffus - graue oder schwarze Strahler mit spektraler Intensität<br />
eλ = ɛ eλ,S(T, λ)<br />
vorausgesetzt mit einem konstanten (!) Emissionsgrad ɛ ≤ 1, der weder von der Temperatur<br />
noch von der Wellenlängen abhängt. Dies ist eine grobe Vereinfachung, da der Emissionsgrad<br />
realer Strahler mit der Wellenlänge variiert und ein ungefähr konstanter Wert von ɛ meist nur<br />
über einen begrenzten Bereich von Wellenlängen λ beobachtet werden kann. Ähnliches gilt<br />
<strong>für</strong> die Koeffizienten von Absorption α, Reflektion ρ und Transmission τ.<br />
In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie die Wellenlängenabhängigkeiten der optischen Eigenschaften<br />
realer Strahler beschrieben werden können. Mit der Wellenlängenabhängigkeit des<br />
Transmissionskoeffizienten wird abschließend der Treibhauseffekt erklärt.<br />
5.6.1 Spektraler Emissionsgrad<br />
Das spektrale Emissionsvermögen eλ(T, λ) wurde schon bei der Diskussion des ” realen Strahler“<br />
eingeführt. Analog zum Gesamt-Emissionsgrad ɛ definiert man<br />
ɛλ(T, λ) ≡ eλ(T, λ)<br />
eλ,S(T, λ) ,<br />
d.h. der spektrale Emissionsgrad ist das Verhältnis der tatsächlichen Strahlungsleistung zu<br />
der eines schwarzen Körpers im Wellenlängenbereich λ → λ + dλ.<br />
Der Gesamt-Emissionsgrad ɛ ergibt sich aus dem spektralen Emissionsgrad durch Integration<br />
über alle Wellenlängen, gewichtet mit der spektralen Intensität der Schwarzkörperstrahlung:<br />
ɛ(T ) =<br />
� ∞<br />
0 ɛλ(T, λ) eλ,S(T, λ) dλ<br />
� ∞<br />
0 eλ,S(T,<br />
.<br />
λ) dλ<br />
Beachte, dass der Gesamt-Emissionsgrad ɛ auch dann von der Temperatur T abhängt wenn<br />
der spektrale Emissionsgrad zwar mit der Wellenlänge, nicht aber der Temperatur variiert,<br />
ɛλ = ɛλ(λ).<br />
5.6.2 Spektrale Absorptions-, Reflektions- & Transmissionsgrade<br />
Für die (Gesamt-) Koeffizienten der Absorption α, Reflektion ρ und Transmission τ – siehe<br />
Gleichungen (5.1) - (5.3) lassen sich ebenfalls leicht wellenlängenabhängige, spektrale Entsprechungen<br />
finden. So definiert man z.B. den spektralen Absorptionsgrad<br />
αλ(T, λ) ≡ ˙ QA,λ(λ) dλ<br />
˙Qλ(λ) dλ
5.6. WELLENLÄNGENABHÄNGIGKEIT OPTISCHER EIGENSCHAFTEN 51<br />
Abbildung 5.7: Bei gleichem spektralem Absorptionsgrad αλ kann je nach spektraler Verteilung<br />
der Bestrahlungsstärke bλ der Gesamt-Absorptionsgrad groß (α ≈ 1, links) oder klein<br />
(α ≈ 0, rechts) sein.<br />
als Verhältnis des absorbierten zum insgesamt eingestrahlten Wärmestrom im Wellenlängenintervall<br />
(λ, λ + dλ).<br />
Der gesamte und der spektrale Absorptionsgrad stehen in folgender Beziehung:<br />
α(T ) ≡<br />
� ∞<br />
0 αλ(T, λ)bλ(T, λ) dλ<br />
� ∞<br />
0 bλ(T,<br />
.<br />
λ) dλ<br />
und ganz analog <strong>für</strong> die Transmission. In dieser Gleichung ist bλ die spektrale Bestrahlungsstärke,<br />
d.h. die Intensität (in W/m 3 ) der einfallenden Strahlung (vgl. mit der spektralen<br />
Intensität eλ). Der Gesamt-Absorptionsgrad α ist also ein mit der spektralen Bestrahlungsstärke<br />
gewichtetes Integral des spektralen Absorptionsgrads αλ über die Wellenlängen.<br />
Somit wird klar, dass der Gesamt-Absorptionsgrad α nicht nur von den Eigenschaften des<br />
absorbierenden Materials, sondern auch von der spektralen Verteilung der einfallenden Strahlung<br />
abhängt, siehe Bild 5.7.<br />
Bei der Reflektion ist zu beachten, dass diese sowohl von der Richtung des einfallenden Strahls<br />
als auch der des reflektierten Strahls abhängen kann (Spiegel !). Wenn wir uns auf sog. diffuse<br />
Strahler mit richtungsunabhängigen Emissions- und Reflektionseigenschaften beschränken<br />
(siehe dazu das folgende Kapitel), so sind diese Komplikationen irrelevant und man kann mit<br />
einem hemisphärischen Reflektionskoeffizienten arbeiten.<br />
Aus einer Bilanz <strong>für</strong> die Strahlungsenergie pro Wellenlänge folgt:<br />
αλ(T, λ) + ρλ(T, λ) + τλ(T, λ) = 1.
52 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />
ε λ<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
10 -7<br />
2 3 4 5 6 7 8<br />
10 -6<br />
2 3 4 5 6 7 8<br />
10 -5<br />
λ<br />
2 3 4 5 6 7<br />
Abbildung 5.8: Stückweise konstanter spektraler Emissionsgrad ɛλ.<br />
5.6.3 Schwarzkörperfunktionen<br />
Falls wie in Bild 5.8 illustriert die spektrale Emissions- oder Absorptionsgrade zumindest<br />
annähernd stückweise konstant sind, z.B.<br />
ɛλ(T, λ) = ɛn <strong>für</strong> λn < λ < λn+1, n = 1, . . . , N,<br />
so liefert stückweise Integration die entsprechenden Gesamt-Größen, z.B.<br />
ɛ(T ) =<br />
� ∞<br />
0 ɛλ(T, λ) eλ,S(T, λ) dλ<br />
� ∞<br />
0 eλ,S(T,<br />
=<br />
λ) dλ<br />
� λn+1<br />
N� eλ,S(T, λ) dλ<br />
λn<br />
ɛn � ∞<br />
n 0 eλ,S(T, λ) dλ .<br />
Die Auswertung der hier vorkommenden Integrale � λn+1<br />
. . . dλ ist numerisch leicht möglich.<br />
λn<br />
Alternativ können die sog. Schwarzkörperfunktionen genutzt werden, definiert als<br />
F0→λ ≡<br />
� λ<br />
0 eλ,S(T, λ) dλ<br />
� ∞<br />
0 eλ,S(T, λ) dλ .<br />
Die Schwarzkörperfunktion gibt an, welcher Anteil der gesamten Strahlungsenergie eines<br />
schwarzen Körpers bei Temperatur T im Wellenlängenbereich 0 → λ liegt, siehe Bild 5.9.<br />
Mit den Strahlungsgesetzen von Planck (5.5) und Stefan-Boltzmann (5.7) gilt<br />
F0→λ =<br />
� λ<br />
0<br />
c1<br />
λ5 [exp c2 )−1] λT dλ<br />
σT 4<br />
� λ<br />
=<br />
0<br />
c1<br />
λ5 σT 4 � exp c2<br />
� λ T<br />
dλ =<br />
λT ) − 1� 0<br />
c1<br />
σ(λT ) 5 � exp c2 dλ T.<br />
λT ) − 1�<br />
Folglich ist F0→λ eine Funktion mit Argument λ T und findet sich tabelliert in der Literatur,<br />
z.B. [2].
5.6. WELLENLÄNGENABHÄNGIGKEIT OPTISCHER EIGENSCHAFTEN 53<br />
ε λ<br />
10 14<br />
10 13<br />
10 12<br />
10 11<br />
10 -7<br />
F 0 -> λ<br />
2 3 4 5 6 7 8 9<br />
10 -6<br />
λ<br />
2 3 4 5 6 7 8 9<br />
10 -5<br />
Abbildung 5.9: Schwarzkörperfunktion F0→λ: Anteil der gesamten Strahlungsenergie eines<br />
schwarzen Körpers bei Temperatur T im Wellenlängenbereich 0 → λ (schraffierte Fläche im<br />
Bild).
54 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />
e λ,S (5800, λ)<br />
4<br />
2<br />
10<br />
8<br />
6<br />
14<br />
4<br />
2<br />
10<br />
8<br />
6<br />
13<br />
4<br />
2<br />
10<br />
8<br />
6<br />
12<br />
4<br />
10 -7<br />
1 % 99 % 1 %<br />
99 %<br />
2 3 4 5 6 7 8<br />
10 -6<br />
2 3 4 5 6 7 8<br />
10 -5<br />
λ<br />
2 3 4 5 6 7<br />
Abbildung 5.10: Spektrale Intensität eines schwarzen Körpers bei T = 5800 K (Sonne) und T<br />
= 300 K (Erde) nach Planck. Jeweils weniger als 1 % der abgestrahlten Energie liegt unterhalb<br />
bzw. oberhalb der durch |—| angezeigten Wellenlängenbereiche.<br />
5.6.4 Der Treibhauseffekt<br />
Glas besitzt einen hohen Transmissionsgrad im sichtbaren Spektrum<br />
(0.4 - 0.7 µm), d.h. in einem Wellenlängenbereich, in dem auch die Sonneneinstrahlung ihre<br />
maximale spektrale Intensität erreicht. Bei Wellenlängen oberhalb von etwa 2 bis 4 µm (je<br />
nach Sorte) ist Glas hingegen nahezu vollständig lichtundurchlässig. Dies ermöglicht, Solarenergie<br />
zum Beispiel in einem Treibhaus mit Glasfenstern ”einzufangen”, da der größte Teil<br />
der einfallenden Strahlungsenergie die Glaswände ungehindert passiert.<br />
Konkret: Die spektrale Verteilung der Sonnenenergie entspricht in etwa der eines schwarzen<br />
Strahlers bei 5800 K, ca. 99 % der emittierten Strahlungsenergie liegt im Bereich λ < 4µm.),<br />
siehe Bild 5.10. Gegenstände und Pflanzen im Inneren des Treibhauses weisen hingegen Temperaturen<br />
der Größenordnung 300 K auf und emittieren langwellige Strahlung im tiefen Infrarot<br />
(99 % der emittierten Strahlungsenergie bei λ > 5µm.), die von den Wänden das<br />
Glashauses größtenteils absorbiert wird. Die eingestrahlte Wärme kann somit das Treibhaus<br />
nicht durch Strahlung verlassen. Ganz analog kann die Glasabdeckung eines Solarkollektors<br />
helfen, Strahlungs- und konvektive Verluste klein zu halten.<br />
Da auch Gase selektiv, d.h. wellenzahlabhängig, absorbieren und transmittieren, kann die Gegenwart<br />
sogenannter ”Treibhausgase” auch zu einem atmosphärischen bzw. globalen Treibhauseffekt<br />
führen. Treibhausgase sind Gase, die im sichtbaren Wellenlängenbereich gut transmittieren,<br />
hingegen im Infraroten (λ > 0,7µm) absorbieren, wie zum Beispiel Wasserdampf,<br />
CO2, CO, Methan und andere Kohlenwasserstoffe, SO2, NH3 oder Lachgas (N2O).<br />
4<br />
3<br />
2<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
10 8<br />
10 7<br />
e λ,S (300, λ)
5.7. GASSTRAHLUNG 55<br />
5.7 Gasstrahlung<br />
Wir sind bisher bei der Diskussion des Strahlungaustausches davon ausgegangen, dass die<br />
Wärmestrahlung den Raum zwischen den austauschenden Oberflächen ungehindert passiert.<br />
Dies ist streng genommen nur im Vakuum gültig, da Gase Strahlung sehr wohl absorbieren<br />
und damit auch emittieren (Kirchhoffsches Gesetz !) können. Dies geschieht allerdings nur in<br />
engen Wellenlängenbereichen, sog. Banden.<br />
Für technische Anwendungen ist meist nur die Gasstrahlung im Infraroten von Bedeutung.<br />
In diesem Wellenlängenbereich (lambda > 0,7µm) absorbieren bzw. emittieren die bei der<br />
Diskussion des globalen Treibhauseffektes im letzten Abschnitt schon genannten ” Treibhausgase“.<br />
Da Wasserdampf und/oder Kohlendioxid bei der Verbrennung von fossilen und<br />
regenerativen Brennstoffen entstehen und in Brennräumen in hohen Konzentrationen und bei<br />
hoher Temperatur vorliegen, trägt die mit diesen Gasen verbundene Strahlung wesentlich zum<br />
Wärmeübergang in den Feuerungen von Dampferzeugern und Industrieöfen bei.<br />
Umgekehrt wechselwirken Stickstoff und Sauerstoff, die Hauptbestandteile der Luft, kaum<br />
mit der Wärmestrahlung.<br />
5.8 Strahlung & Wärmeübergang<br />
Wie schon erwähnt können die unterschiedlichen Mechanismen des Wärmetransportes auch<br />
nebeneinander auftreten, entsprechend einer Parallelschaltung von Wärmetransportwiderständen.<br />
In diesem Abschnitt betrachten wir das Zusammenspiel von Wärmestrahlung und Wärmeübergang<br />
am Ausdehnungskolben eines Thermometers ”1”, das mit den Wänden ”2” eines Raumes<br />
Strahlung austauscht und gleichzeitig Wärme an die Raumluft mit der Temperatur T oo<br />
überträgt (siehe Abb. 5.11). Anhand dieses Beispieles lässt sich das Zusammenwirken der<br />
beiden Wärmetransportmechanismen gut verdeutlichen, gleichzeitig lernen wir einen weiteren<br />
Thermometerfehler kennen.<br />
Die Gasstrahlung wird vernachlässigt, die (hin und her) transportierten Strahlungsströme<br />
stören weder sich selbst noch den Wärmeübergang, d.h. der Strahlungstransport erfolgt parallel<br />
zum konvektiven Transport und unbeeinflusst durch den Luftraum 5 .<br />
Der Ausdehnungskolben des Thermometers ist als ein kleines Objekt in großer Umgebung<br />
anzusehen, C12 = ɛ1 σ. Damit lautet die Wärmebilanz <strong>für</strong> den Stationärzustand:<br />
α1A1(T∞ − T1) − ɛ1 σ A1 (T 4 1 − T 4 2 ) = 0,<br />
und man erhält den Thermometerfehler der zweiten Art:<br />
T∞ − T1 = (T 4 1 − T 4 2 ) ɛ1 σ<br />
5 In Außenbereichen ist die atmosphärische Gegenstrahlung zu berücksichtigen, siehe [2]<br />
α1<br />
.
56 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />
����������� ε �<br />
� ∞<br />
���<br />
����������� ε �<br />
Abbildung 5.11: Thermometerfehler der 2. Art durch Strahlungseinfluss<br />
Er lässt sich durch Wahl eines kleinen ɛ1- Wertes (Verspiegeln, Strahlungsschutzhülle) und<br />
eines hohen α1-Wertes (“Schleuderthermometer“) senken. Dies ist besonders zu beachten,<br />
wenn die Temperatur T∞ von Heißgasen in der Nähe kälterer Wände (T2) gemessen werden<br />
soll.<br />
Zur Behandlung von Problemen des kombinierten Wärmetransportes benutzt man häufig<br />
einen Strahlungswärmeübergangskoeffizienten<br />
Mit obiger Definition gilt<br />
T<br />
αSt ≡ C12<br />
4 1 − T 4 2<br />
T1 − T2<br />
˙Q1❀2 = αStA1(T1 − T2),<br />
wie beim konvektiven Wärmeübergang. Näherungsweise gilt:<br />
αSt ≈ 4 C12T 3 M mit TM = T1 + T2<br />
.<br />
2<br />
Dieses Ergebnis macht schon den großen Nachteil dieser Formulierung deutlich – αSt ist extrem<br />
temperaturabhängig, weshalb man oft gleich mit dem Gesamtausdruck <strong>für</strong> ˙ Q1❀2 arbeitet um<br />
iteratives Rechnen zu vermeiden.<br />
Trotzdem ein Beispiel: In einer Fabrikhalle steht ein elektronisches Steuergerät, dessen Teilfläche<br />
A mit der Wandtemperatur TW 1 Wärme durch Konvektion an die Umgebungsluft (T∞) abgibt:<br />
˙QK = A αK [TW 1 − T∞].<br />
Der konvektive Wärmeübergangskoeffizient ist der Eindeutigkeit halber mit dem Index K<br />
gekennzeichnet. Fläche A steht gleichzeitig mit den Hallenwänden (TW 2) im Strahlungsaustausch:<br />
˙Q1❀2 = A C12 (T 4 W 1 − T 4 W 2) = A αSt [TW 1 − TW 2].<br />
Für den Gesamtwärmestrom folgt:<br />
˙Q = ˙ QK + ˙ Q1❀2 = A [αK (TW 1 − T∞) + αSt (TW 1 − TW 2)].<br />
.
5.8. STRAHLUNG & WÄRMEÜBERGANG 57<br />
Ist speziell TW 2 ≈ T∞, so folgt<br />
˙Q = A (αK + αSt) (TW 1 − T∞).<br />
Beide Beziehungen verdeutlichen das Parallelstromprinzip bezüglich Konvektion und Strahlung.<br />
Die wärmetechnische Berechnung eines von der Sonne (TSo = 5800K) beschienenen Hausdaches<br />
ist deshalb nur dann möglich, wenn die eben angegebenen Formeln um einen getrennt zu<br />
ermittelnden solaren Absorptionsterm erweitert werden. Für die wie eine Gegenwand mit der<br />
Temperatur TW 2 wirkende atmosphärische Gegenstrahlung kann überschlägig angenommen<br />
werden:<br />
Winter, Himmel klar: TW 2 ≈ 230K,<br />
Sommer, Himmel bedeckt: TW 2 ≈ 285K.<br />
Weitere Details finden sich z.B. in [2].<br />
Zusammenfassung<br />
• Alle Körper mit einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes emittieren Wärmestrahlung,<br />
eine Form der elektromagnetischen Strahlung.<br />
• Der sog. schwarz Körper, technisch realisierbar durch einen Hohlraum mit kleiner Öffnung,<br />
absorbiert sämtliche einfallende Strahlung und emittiert Wärmestrahlung mit<br />
maximaler Intensität.<br />
• Die Strahlungsgesetze von Planck, Wien und Stefan-Boltzmann geben Auskunft über<br />
die spektrale Verteilung bzw. die gesamte Leistung der Wärmestrahlung eines schwarzen<br />
Körpers.<br />
• Nach Kirchhoff sind Emissions- und Absorptionsgrad diffus-grauer Strahler identisch.<br />
• Wenn zwei Körper einander ” sehen“, wird durch Strahlung Wärme ausgetauscht. Strahlungsaustauschbeziehungen<br />
erlauben eine einfache Berechnung von Netto-Wärmeströmen<br />
in Abhängigkeit von den Temperaturen, der Geometrie und den Emissionsgraden.<br />
• Strahlung tritt im Allgemeinen parallel zu Konduktion bzw. Konvektion auf.<br />
• Nicht nur die spektrale Intensität der Emission, auch die spektralen Koeffizienten der<br />
Absorption, Reflektion und Transmission sind wellenlängenabhängig.<br />
• Viele Gase sind im Infraroten optisch ”trübe” (Gasstrahlung, Treibhausgase).
58 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />
e✷Xerzitien<br />
Richtig ✷X oder falsch ?<br />
✷ Der ideale Strahler ist weiß.<br />
✷ Glühwürmchen leuchten nur im Flug, da erst der Flügelschlag einen ausreichend hohen<br />
Wärmeübergangskoeffizienten am Hinterkörper des Insekts ergibt um den Wärmetod<br />
zu vermeiden.<br />
✷ Aus dem Planckschen Strahlungsgesetz lässt sich durch Integration das Stefan-Boltzmannsche<br />
Gesetz, durch Differentiation das Wiensche Verschiebungsgesetz ableiten.<br />
✷ Die spektrale Intensität eλ trägt die Einheit W/m 2 (Wärmestrahlungsleistung pro Fläche<br />
des strahlenden Körpers).<br />
✷ Graue Strahler leuchten mit der gleichen Farbe, jedoch mit geringerer Intensität als ein<br />
” schwarzer Körper“ der gleichen Temperatur.<br />
✷ Die Sonne ist annähernd ” schwarz“.<br />
✷ Identische Werte <strong>für</strong> die Koeffizienten von Emission und Absorption dürfen im Allgemeinen<br />
nur <strong>für</strong> einen diffus-grauen Strahler angenommen werden, der sich im thermischen<br />
Gleichgewicht mit seiner Umgebung befindet.<br />
✷ Zwei diffus-graue Strahler ”1” und ”2” mit unterschiedlichen Emissionsgraden ɛ1 �= ɛ2<br />
können ein thermisches Gleichgewicht bei unterschiedlichen Temperaturen T1 �= T2 erreichen.<br />
In diesem dynamischen Strahlungsgleichgewicht ( ˙ Q1❀2 = ˙ Q2❀1) nimmt der<br />
Körper mit dem geringeren Emissionsgrad die höhere Temperatur an und erreicht dadurch<br />
die gleiche Strahlungsleistung wie sein Partner mit höherem Emissionsgrad.<br />
✷ Diffus-graue Strahler leuchten – wie der Name schon andeutet – mit insgesamt höherer<br />
Intensität bei gleicher spektraler Verteilung als ein ” schwarzer Körper“ der gleichen<br />
Temperatur.<br />
✷ Ein Körper ”1” steht durch Strahlung und Wärmeübergang im Wärmeaustausch mit<br />
seiner Umgebung . Mit zunehmender Temperaturdifferenz T1 − T∞ zwischen Körper<br />
und Umgebung nimmt der Gesamtwärmestrom zu, das Verhältnis des konvektiven zum<br />
radiativen Anteils bleibt dabei jedoch konstant.<br />
✷ Der Gesamt-Absorptionsgrad α ist kein Stoffwert, da er auch von der spektralen Zusammensetzung<br />
der einfallenden Strahlung abhängt.<br />
✷ Der Gesamt-Transmissionsgrad τ ist kein Stoffwert, da er auch von der spektralen Zusammensetzung<br />
der einfallenden Strahlung abhängt.<br />
✷ Gewöhnliches Glas ist <strong>für</strong> sog. sichtbares Licht diatherm, ultraviolettes und infrarotes<br />
Licht werden absorbiert.
5.8. STRAHLUNG & WÄRMEÜBERGANG 59<br />
✷ Aus der Energieerhaltung folgt <strong>für</strong> die Koeffizienten der Emission, der Absorption, der<br />
Transmission und der Reflektion: ɛ + α + τ + ρ = 1.
60 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG
Kapitel 6<br />
Massen- und Energiebilanzen <strong>für</strong><br />
durchströmte Systeme<br />
Mit Konduktion und Strahlung haben wir bislang zwei der anfangs vorgestellten drei Wärmetransportmechanismen<br />
näher kennen gelernt. In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, wie<br />
Masse- und Energiebilanzen in durchströmten Systemen wie Rührreaktoren, Rohrleitungen<br />
und Wärmetauschern die Berechnung der zeitlichen bzw. räumlichen Temperaturverläufe erlauben.<br />
Dabei spielt der advektive Transport von Masse und Energie, den wir im Folgenden<br />
noch eingehend diskutieren werden, bereits eine entscheidende Rolle. Die Wärmedurchgangsbeziehungen<br />
nach Péclet werden ebenfalls benötigt um die Fluidströme miteinander bzw. mit<br />
ihrer Umgebung thermisch zu koppeln.<br />
6.1 Ideal gerührter Behälter mit Zu- und Ablauf<br />
Abbildung 6.1 zeigt einen ideal gerührten Behälter mit Fluiddurchlauf, Zufuhr von Heizleistung<br />
( ˙ Qel) sowie Wärmeverlust an die Umgebung in Abhängigkeit von einem Wärmedurchgangskoeffizienten<br />
k und der Behälteroberfläche AB. Zur Zeit t = 0 sollen die Zulauftemperatur<br />
TE(t = 0), die Behältertemperatur T (t = 0) = T0 und die Umgebungstemperatur T∞<br />
gleich sein und die elektrische Heizleistung ˙ Qel eingeschaltet werden. Gesucht ist die Temperatur<br />
des Behälterinhalts <strong>für</strong> Zeiten t > 0.<br />
Massenbilanz<br />
Der Behälter soll nur Energie, keine Fluidmasse speichern:<br />
m(t) = m0 = const.,<br />
Dann folgt <strong>für</strong> die Massenströme am Zu- und Ablauf:<br />
dm<br />
dt<br />
= 0.<br />
˙mE(t) − ˙mA(t) = dm<br />
dt = 0 ⇒ ˙mE(t) = ˙mA(t)<br />
61
62KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />
����� � �<br />
� �������<br />
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�����<br />
�<br />
�<br />
� ∞<br />
� ∞<br />
����� � �<br />
� �������<br />
Abbildung 6.1: Ideal gerührter Behälter mit Fluiddurchlauf, Wärmeverlust an die Umgebung<br />
und elektrischer Beheizung.<br />
Zu- und Ablaufmassenströme könnten also noch zeitveränderlich sein. Dies wird durch die<br />
Festlegung ˙mE = ˙mA = ˙m = const. bzw. ϱ (AE wE) = ϱ (AA wA) ausgeschlossen.<br />
Energiebilanz<br />
Es sei ein raumbeständiges (ϱ = const.) Fluid mit temperaturbeständiger spezifischer Wärme<br />
(cp = cV = c = const.) als Wärmeträger vorgesehen. Bei mäßigen Druckänderungen gilt<br />
dann die kalorische Zustandsgleichung:<br />
dh = c dT ≈ du.<br />
Das Modellkonzept ” ideal gerührter Behälter“ impliziert, dass im Behälter überall der gleiche<br />
thermodynamische Zustand herrscht, T (�x, t) = T (t), und das dieser Zustand auch am Ablauf<br />
herscht, TA(t) = T (t). Unter Berücksichtigung aller Voraussetzungen lautet die Energie-<br />
Bilanzgleichung <strong>für</strong> den Behälter (ein offenes, ruhendes System):<br />
Für die einzelnen Beiträge zur Bilanz gilt:<br />
˙Ein − ˙ Eout + ˙ EQuelle = ˙ ESpeicher.<br />
• ˙ Ein = ˙m c TE(t) + ˙ Qel.<br />
Der erste Term auf der rechten Seite dieser Gleichung beschreibt den advektiven Transport<br />
von Enthalpie durch die Strömung in den Behälter. Der Massenstrom ˙m transportiert<br />
gewissermaßen im Huckepack-Verfahren entsprechend seiner spezifischen Wärme
6.1. IDEAL GERÜHRTER BEHÄLTER MIT ZU- UND ABLAUF 63<br />
und seiner Temperatur auch Enthalphie. Der zweite Term ist die Zufuhr von elektrischer<br />
Energie an das Fluid (beachte den Verlauf der Bilanzgrenze in Bild 6.1).<br />
• ˙ Eout = ˙m c TA(t) + k AB (T (t) − T∞).<br />
Hier finden wir Abfuhr von Energie durch Advektion (am Auslass) und Wärmeverlust<br />
(Wärmedurchgang) über die Behälterwand.<br />
• ˙ EQuelle = ˙ Wt,<br />
die Dissipationsleistung ˙ Wt des Rührwerks. Dieser Term soll der Einfachheit halber im<br />
Folgenden vernachlässigt werden.<br />
• ˙ ESpeicher = m0 c dT<br />
dt ,<br />
d.h. eingespeicherte Wärme führt entsprechend der gesamten Wärmekapazität zu einer<br />
Erwärmung des Behälterinhaltes.<br />
Zusammenfassend findet man:<br />
˙m c (TE(t) − T (t)) + ˙ Qel − AB k (T (t) − T∞) = m0 c dT<br />
dt .<br />
Bei zeitlich konstanter Zulauftemperatur TE(t) = T∞ folgt schließlich:<br />
dT<br />
dt +<br />
�<br />
˙m<br />
m0<br />
+ AB<br />
�<br />
k<br />
(T (t) − T∞) =<br />
m0 c<br />
˙ Qel<br />
. (6.1)<br />
m0 c<br />
Anstatt diese Differentialgleichung <strong>für</strong> die zeitliche Entwicklung der Temperatur sofort zu<br />
integrieren, entdimensionieren wir sie mit den Bezugsgrößen ∆T und ∆t:<br />
1. dimensionslose Temperatur θ [-]:<br />
2. dimensionslose Zeit τ [-]:<br />
Die Gleichung (6.1) lautet somit<br />
dθ<br />
dτ<br />
+ ∆t<br />
˙m<br />
m0<br />
�<br />
θ =<br />
1 + AB k<br />
˙m c<br />
T − T∞<br />
∆T .<br />
τ = t<br />
∆t .<br />
�<br />
θ(τ) = ˙ Qel ∆t<br />
m0 c ∆T .<br />
Die Bezugsgrößen ∆T und ∆t werden nun so gewählt, dass sich diese Gleichung möglichst<br />
einfach schreibt, d.h. sowohl der Faktor vor θ als auch die rechte Seite der Gleichung sollen<br />
gleich 1 sein. Mit der Abkürzung<br />
ω ≡ AB k<br />
˙m c
64KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />
<strong>für</strong> das Verhältnis Wandwärmeverlust zu Frischwasserkühlung ergibt sich:<br />
Mit diesen Definitionen vereinfacht sich Gleichung (6.1) zu<br />
∆t ≡ m0 1<br />
,<br />
˙m 1 + ω<br />
(6.2)<br />
∆T ≡<br />
˙Qel<br />
.<br />
˙m c (1 + ω)<br />
(6.3)<br />
dθ<br />
dτ<br />
+ θ = 1,<br />
mit der Randbedingung θ(τ = 0) = 0. Daraus folgt die Lösung:<br />
θ(τ) = 1 − exp (−τ). (6.4)<br />
Man beachte, dass ursprünglich die folgenden 9 Systemparameter gegeben waren: T0, ˙m, m0, c,<br />
AB, k, ˙ Qel, T (t) und t, welche dann mit Hilfe der Normierungsstrategie auf θ und τ reduziert<br />
werden konnten!<br />
6.2 Wärmeverluste bei Strömung im Rohr<br />
Wieder setzen wir ein Fluid mit temperatur- und druckunabhängiger Dichte ϱ ≈ const. und<br />
Wärmekapazität c ≈ const. voraus. Dann gilt bezüglich der spez. Enthalpie h ≈ c T und<br />
damit<br />
<strong>für</strong> die Enthalphie dH eines Massenelements dm.<br />
dH ≈ dm c T (6.5)<br />
Ein konstanter Massenstrom ˙m dieses Fluids werde in eine Rohrleitung bei x = 0 mit der<br />
Temperatur T0 eingespeist (Anwendungsbeispiel: Fernwärmeleitung). Die Rohrwand kann aus<br />
mehreren Schichten 1, . . . , N aufgebaut sein (z.B. Stahl und wärmedämmendes Isolationsmaterial,<br />
siehe Abb. 6.2), der Wärmeverlust d ˙ Q auf der Streckenlänge dx wird dann aus der<br />
Péclet-Gleichung bestimmt:<br />
d ˙ Q = �<br />
1<br />
αiri<br />
2π dx (Tm(x) − T∞)<br />
+ 1<br />
λ1<br />
ln r1<br />
ri<br />
+ . . . + 1<br />
αara<br />
� ≡ k 2πra (Tm(x) − T∞) dx.<br />
Die hier vorkommenden Koeffizienten αi, αa, λ1, λ2, . . . , λN und die Abmessungen ri, r1, r2,<br />
. . . , ra sollen gegeben und konstant sein, T∞ ist dabei die Umgebungstemperatur und Tm(x) eine<br />
mittlere örtliche Fluidtemperatur. Letztere ist als über den Querschnitt energetisch gemittelte<br />
adiabate Mischtemperatur definiert, näheres findet sich im Skript zur Vorlesung Wärmeund<br />
Stoffübertragung. Mit k [W/m 2 -K] wird wie in Abschnitt 3.1 der Wärmedurchgangskoeffizient<br />
der Rohrwand bezeichnet.
6.2. WÄRMEVERLUSTE BEI STRÖMUNG IM ROHR 65<br />
�<br />
���<br />
�<br />
� ���<br />
α�<br />
�<br />
���<br />
�<br />
� �<br />
�<br />
��� ���<br />
���<br />
��� ���������<br />
� ∞<br />
�<br />
α�<br />
� ���������<br />
�¥� ���<br />
Abbildung 6.2: Abkühlung eines Fluids beim Durchströmen einer mehrlagigen Rohrleitung<br />
bezüglich der konstanten Umgebungstemperatur<br />
Eine stationäre Energiebilanz am ortsfesten ” Kontrollfenster“ K im Bereich (x; x + dx) liefert<br />
bei Vernachlässigung jeglicher Längswärmeleitung (Fluid, Stahlrohr, Wärmedämmung) die<br />
Differenzialgleichung<br />
˙H(x) − ˙ H(x + dx) − d ˙ Q = 0.<br />
Für den (advektiven) Enthalpiestrom in x-Richtung gilt mit (6.5) ˙ H(x) = ˙m c Tm(x) und<br />
somit<br />
− ˙m c dTm<br />
dx − k 2πra (Tm − T∞) = 0.<br />
Nach Umstellung folgt die dimensionsbehaftete Differenzialgleichung nebst Randbedingung.<br />
dTm<br />
dx<br />
+ k 2πra<br />
˙m c<br />
(Tm − T∞) = 0; T (x = 0) = T0. (6.6)<br />
Da der Wärmeaustauschvorgang im Temperaturintervall T0 − T∞ abläuft und sich der Quotient<br />
˙m c/k 2πra als Bezugslänge xB anbietet, definieren wir:<br />
mit der Lösung<br />
θ ≡ Tm(x) − T∞<br />
, ξ ≡<br />
T0 − T∞<br />
x<br />
xB<br />
= k 2πra x<br />
. (6.7)<br />
˙m c<br />
θ(ξ) = exp (−ξ). (6.8)<br />
Ein exponentiell abklingender Temperaturverlauf war zu erwarten, da die Änderungsgeschwindigkeit<br />
dT/dx bzw. dθ/dξ der Temperatur proportional zu der den Wärmestrom treibenden<br />
Temperaturdifferenz zwischen dem Fluid im Rohr und der Umgebung ist.<br />
���
66KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />
Abbildung 6.3: Fluid- und Wärmeströme (unten) sowie Temperaturverläufe (oben) von Doppelrohrwärmetauschern.<br />
Links: Gegenstrom, rechts: Gleichstrom<br />
6.3 Wärmetauscher<br />
So unterschiedlichen technischen Geräten und Anlagen wie Heizkörpern und -kesseln, Kühlschränken,<br />
Kleingasturbinen und Kondensatoren von Dampfturbinen ist gemeinsam, dass sie<br />
Wärmetauscher (auch Wärmeübertrager ) besitzen, welche Wirkungsgrad, Kosten, Größe<br />
und Gewicht usw. wesentlich beeinflussen. In einem Wärmetauscher – verschiedene Bauformen<br />
sind in Abb. 6.3 bis 6.5 gezeigt – wird Wärme zwischen zwei Arbeitsmedien übertragen,<br />
welche den Wärmetauscher durchströmen und dabei nicht in unmittelbarem Kontakt miteinander<br />
stehen oder sich gar durchmischen, sondern durch (Rohr-)Wände voneinander getrennt<br />
sind. Die Arbeitsmedien mögen Gase oder Flüssigkeiten sein, in wichtigen Anwendungen auch<br />
verdampfende oder kondensierende Fluide.<br />
Die in den obigen Abschnitten vorgestellten Beziehungen der Wärmeleitung und v.a. der<br />
Wärmeübertragung reichen in Kombination mit dem ersten Hauptsatz der <strong>Thermodynamik</strong><br />
aus, um Wärmetauscher zu berechnen. Wegen der großen Anwendungsrelevanz sollen im<br />
Folgenden nichtsdestotrotz Berechnungs- und Auslegungsverfahren sowie die maßgeblichen<br />
dimensionslosen Kennzahlen diskutiert werden.<br />
6.3.1 Dimensionslose Kennzahlen<br />
Die maßgeblichen Größen eines Wärmetauschers beliebiger Bauart sind in Bild 6.6 skizziert.<br />
Die Indices ”h”und ”c” verweisen auf den wärmeren bzw. kälteren Strom, gestrichene Größen<br />
beziehen sich auf den Austritt eines Stroms. A bezeichne die gesamte <strong>für</strong> die Wärmeübertragung<br />
zur Verfügung stehende Fläche, während k einen (mittleren) k-Wert darstellt, der von<br />
Wärmeübergangskoeffizienten αh und αc und Wärmeleitung in den Rohrwänden bestimmt
6.3. WÄRMETAUSCHER 67<br />
Abbildung 6.4: Rohrbündel-Wärmetauscher<br />
Abbildung 6.5: Beispiel eines Kompakt-Wärmetauschers, wie sie häufig zum Einsatz kommen,<br />
wenn z.B. zwischen Gas und Flüssigkeit Wärme transferiert werden muss. Flächen- zu<br />
Volumenverhältnisse von bis zu 700 m 2 /m 3 werden erreicht.
68KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />
Abbildung 6.6: Maßgebliche Einflussgrößen eines Wärmetauschers (Prinzipskizze).<br />
wird. In vielen Anwendungen werden Rippen oder Nadeln eingesetzt, um die Wärmeübergangskoeffizienten<br />
zu erhöhen. Dies soll uns hier jedoch nicht beschäftigen; wir setzen voraus<br />
dass k bekannt und konstant (!) ist.<br />
Einige der in Bild 6.6 gezeigten Einflussgrößen lassen sich sofort eliminieren:<br />
• In einem (intakten) Wärmetauscher wird kein Material zwischen den beiden Strömen<br />
ausgetauscht, deshalb gilt ˙m ′ = ˙m.<br />
• Da zumindest hinsichtlich der wärmetechnischen Berechnung der absolute Wert der<br />
Temperatur irrelevant ist, genügt es mit 3 Temperaturdifferenzen anstatt 4 Temperaturniveaus<br />
zu rechnen.<br />
• Auch die Massenströme ˙m sind nicht von primärem Interesse, wohl aber die sog. Wärmekapazitätsströme<br />
˙Ci ≡ ˙micp,i, i = h, c. (6.9)<br />
Somit verbleiben 6 Einflussgrößen<br />
Th − Tc, T ′ c − Tc, T ′ h − Th, ˙ Ch, ˙ Cc und kA,<br />
mit Einheiten K und W/K, die sich zu 6 - 2 = 4 dimensionslosen Kennzahlen kombinieren<br />
lassen. Folgende Definitionen haben sich als vorteilhaft erwiesen:<br />
θh ≡ Th − T ′ h , (6.10)<br />
Th − Tc<br />
θc ≡ T ′ c − Tc<br />
, (6.11)<br />
Th − Tc
6.3. WÄRMETAUSCHER 69<br />
N ≡ kA<br />
, (6.12)<br />
˙Cmin<br />
˙Cr ≡ ˙ Cmin<br />
, (6.13)<br />
˙Cmax<br />
mit ˙ Cmin = min( ˙ Cc, ˙ Ch) und analog <strong>für</strong> ˙ Cmax. Die Kennzahl N ist in der englischsprachigen<br />
Literatur als number of transfer units (NTU) bekannt, wörtlich mit Zahl der Übertragungseinheiten<br />
oder – etwas freier – als dimensionslose Übertragungsfähigkeit zu übersetzen. Diese<br />
Übertragungsfähigkeit setzt den pro Grad Kelvin ausgetauschten Wärmestrom zwischen den<br />
Fluiden ins Verhältnis zu der Wärmeleistung – ebenfalls pro Grad Kelvin – des Fluidstromes<br />
mit dem geringeren Wärmekapazitätsstrom. Die dimensionlosen Temperaturerhöhungen θh<br />
und θh sind auf die Differenz der Einstrittstemperatur zwischen heißem und kaltem Fluidstrom<br />
bezogen.<br />
Im Folgenden wird gezeigt, dass dank des ersten Hauptsatzes eine der vier Kennzahlen als<br />
Funktion der restlichen drei ausgedrückt werden kann, z.B.<br />
θh = θh(θc, ˙ Cr, N). (6.14)<br />
Eine detaillierte Wärmestrombilanz erlaubt dann, die verbleibenden drei Kennzahlen in einen<br />
funktionalen Zusammenhang<br />
F (θc, ˙ Cr, N) = 0 (6.15)<br />
zu stellen, der Betriebscharakteristik genannt wird.<br />
Bei der Berechnung eines Wärmetauschers lassen sich folgende Problemstellungen unterscheiden:<br />
• Bestimme bei gegebenen Eintrittstemperaturen Th und Tc, Wärmekapazitätsströmen<br />
˙Ch, ˙ Cc und Übertragungsfähigkeit kA die Austrittstemperaturen T ′ h und T ′ c sowie den<br />
Wärmestrom ˙ Q. Dieser Aufgabentyp ist als Nachrechnen eines Wärmetauschers bekannt,<br />
da mit kA Geometrie und Strömungsverhältnisse im Wärmetauscher als gegeben<br />
betrachtet werden können. Die Lösung dieser Aufgabe erfordert die Aufstellung der<br />
Betriebscharakteristik in der Form<br />
θc = θc( ˙ Cr, N).<br />
Mit (6.14) wird anschließend die Austrittstemperatur des zweiten Fluidstromes bestimmt.<br />
• Falls die vorgegebenen bzw. erforderlichen Temperaturniveaus an den Ein- und Austritten<br />
des Wärmetauschers oder die Wärmekapazitätsströme bekannt sind, so ist bei einer<br />
Auslegungsrechung die Übertragungsfähigkeit kA resp. deren dimensionslose Entsprechung<br />
N zu bestimmen. In diesem Fall wird folgende Form der Betriebscharakteristik<br />
benötigt:<br />
N = N(θc, ˙ Cr).
70KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />
θ C<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
0<br />
1<br />
Auslegung<br />
2<br />
C r (N,θ h ) = const<br />
N<br />
3<br />
Nachrechnung<br />
Abbildung 6.7: Graphische Lösung der Nachrechungs- resp. Auslegungsaufgabe und Bestimmung<br />
des Betriebspunktes bei nicht explizit aufzulösender Betriebscharakteristik.<br />
Falls die Betriebscharakteristik F (θc, ˙ Cr, N) = 0 nicht explizit nach der gesuchten Kennzahl<br />
aufgelöst werden kann – was häufig der Fall ist – so sind graphische (siehe Bild 6.7) oder<br />
iterative Lösungsverfahren anzuwenden.<br />
Die vorgestellte Strategie soll nun am Beispiel eines Gegenstromwärmetauschers mit Leben<br />
erfüllt werden.<br />
6.3.2 Betriebscharakteristik des Gegenstromwärmetauschers<br />
Die maßgeblichen Größen und Temperaturverhältnisse am Gegenstromwärmetauscher wurden<br />
bereits in Bild 6.3 skizziert. Aus einer globalen Wärmebilanz folgt 1 , dass die Wärme, die das<br />
heißere Fluid abgegeben hat, vollständig vom kühleren Fluid aufgenommen werden muss:<br />
˙Q = ˙ Ch(Th − T ′ h) = ˙ Cc(T ′ c − Tc). (6.16)<br />
Wie oben schon angedeutet, kann nun eine der vier Kennzahlen durch die verbleibenden drei<br />
ausgedrückt werden. Wir nehmen o.B.d.A. an, dass ˙ Cc < ˙ Ch und somit ˙ Cr = ˙ Cc/ ˙ Ch. Dann<br />
folgt aus (6.16)<br />
θh = ˙ Crθc. (6.17)<br />
Nun soll die Betriebscharakteristik des Wärmetauschers aus einer detaillierten Betrachtung<br />
der Wärmeübertragungsvorgänge abgeleitet werden. Die lokalen Bilanzen der Energieströme<br />
1 Wir setzen einen bzgl. der Umgebung adiabaten Wärmetauscher voraus.<br />
4<br />
5
6.3. WÄRMETAUSCHER 71<br />
Abbildung 6.8: Energieströme an infinitesimalen Volumenelementen eines Gegenstromwärmetauschers.<br />
an infinitesimalen Volumenelementen dV der beiden Fluidströme ergeben (siehe Bild 6.8)<br />
˙Ch(x)Th(x) = d ˙ Q(x) + ˙ Ch(x + dx)Th(x + dx),<br />
˙Cc(x + dx)Tc(x + dx) + d ˙ Q(x) = ˙ Cc(x)Tc(x).<br />
Hier stehen jeweils links die zugeführten, rechts die abgeführten Wärmeströme.<br />
Da sich die Wärmekapazitätsströme mit der Lauflänge nicht ändern, ˙ Ci = const und<br />
Ti(x + dx) = Ti(x) + dTi(x) kann man sofort schreiben<br />
d ˙ Q = − ˙ CcdTc = − ˙ ChdTh.<br />
Der besseren Lesbarkeit halber wird hier das Argument x nicht aufgeführt. Nun gilt noch,<br />
dass der zwischen den Volumenelementen ausgetauschte Wärmestrom d ˙ Q proportional zur<br />
lokalen Temperaturdifferenz ∆T ≡ Th − Tc zwischen den Fluidströmen ist,<br />
d ˙ Q = k dA ∆T.<br />
Diese beiden Gleichungen lassen sich nun zu einer Differentialgleichung <strong>für</strong> die Temperaturdifferenz<br />
∆T kombinieren:<br />
d∆T<br />
∆T<br />
�<br />
1<br />
= −k dA<br />
˙Ch<br />
− 1<br />
�<br />
.<br />
˙Cc<br />
(6.18)<br />
Diese Gleichung kann von ”1” nach ”2” integriert werden<br />
� � �<br />
∆T2<br />
1<br />
ln = −k A<br />
∆T1<br />
˙Ch<br />
− 1<br />
�<br />
.<br />
˙Cc<br />
(6.19)<br />
Die Einführung der oben definierten Kennzahlen θc, ˙ Cr und N liefert nun nach einigen Umformungen<br />
die gesuchte Betriebscharakteristik:<br />
� � �<br />
∆T2 T ′ � �<br />
h − Tc Th − Tc + T<br />
ln = ln<br />
= ln<br />
∆T1<br />
′ h − Th<br />
Th − Tc − T ′ � � �<br />
1 − θh<br />
= ln ,<br />
c + Tc 1 − θc<br />
Th − T ′ c
72KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />
und somit<br />
oder<br />
� �<br />
1 − θh<br />
ln =<br />
1 − θc<br />
k A<br />
(1 −<br />
˙Cc<br />
˙ Cr),<br />
N(θc, ˙ 1<br />
Cr) =<br />
1 − ˙ � �<br />
1 − Crθc<br />
˙<br />
ln<br />
. (6.20)<br />
Cr 1 − θc<br />
Hiermit ist <strong>für</strong> den Gegenstromwärmetauscher das Auslegungsproblem gelöst. Durch Umformen<br />
der Gleichung (6.20) ist in diesem Fall auch die <strong>für</strong> eine Nachrechnung benötigte explizite<br />
Form der Betriebscharakteristik zu finden:<br />
�<br />
1 − exp −N(1 −<br />
θc = ˙ �<br />
Cr)<br />
1 − ˙ �<br />
Cr exp −N(1 − ˙ �. (6.21)<br />
Cr)<br />
Wie man leicht nachprüfen kann, gelten die Betriebscharakteristiken (6.20) und (6.21) auch<br />
dann, wenn der heißere Fluidstrom den kleineren Wärmekapazitätsstrom aufweist. In diesem<br />
Fall ist einfach in (6.21) und (6.20) θc durch θh zu ersetzen.<br />
6.3.3 Wirkungsgrad eines Wärmetauschers<br />
Um den Wirkungsgrad eines Wärmetauschers zu bestimmen, muss zuerst geklärt werden, was<br />
unter einem idealen Wärmetauscher zu verstehen ist bzw. wie groß dessen Wärmeleistung ist.<br />
Ein thermodynamisch idealer, reversibler Wärmetauscher müsste mit infinitesimal kleinen<br />
Temperaturdifferenzen zwischen heißem und kaltem Fluid arbeiten. Damit wäre zwangsläufig<br />
auch die Austrittstemperatur des kalten Fluids gleich der Eintrittstemperatur des heißen<br />
Stromes und umgekehrt:<br />
T ′ c = Th; T ′ h = Tc. (6.22)<br />
Dieser ideale Wärmetauscher setzt nicht nur eine unendlich große Übertragungsfähigkeit<br />
kA → ∞ zur Erreichung eines endlichen Wärmestromes bei verschwindender Temperaturdifferenz<br />
∆T voraus, sondern auch Gleichheit der beiden Wärmekapazitätströme ˙ Cc = ˙ Ch.<br />
Letzteres folgt aus dem ersten Hauptsatz (6.16) mit (6.22) – oder lässt sich intuitiv mit<br />
Symmetrieargumenten begründen.<br />
Falls nun ˙ Cc �= ˙ Ch, so erreicht nur der Strom mit geringerem ˙ C die Eintrittstemperatur<br />
des anderen Fluidstroms. Dies lässt sich durch ein Widerspruchsargument leicht zeigen. Man<br />
nehme an, dass ˙ Cc < ˙ Ch und trotzdem T ′ h = Tc. Mit dem ersten Hauptsatz (6.16)<br />
˙Cc(T ′ c − Tc) = ˙ Ch(Th − T ′ h )<br />
folgt daraus sofort T ′ c > Th – was unmöglich ist ! (q.e.d.)<br />
Der maximale Wärmestrom eines idealen Wärmetauschers mit ungleichen Wärmekapazitätströmen<br />
beträgt somit<br />
˙Qmax = ˙ Cmin(Th − Tc),
6.3. WÄRMETAUSCHER 73<br />
und entsprechend definiert man einen Wirkungsgrad<br />
ɛ ≡<br />
˙ Q<br />
˙Qmax<br />
Nun findet man durch Einsetzen in (6.16) sofort, dass<br />
�<br />
θc; Cc<br />
˙ <<br />
ɛ =<br />
˙ Ch,<br />
θh; Ch<br />
˙ < ˙ Cc.<br />
. (6.23)<br />
(6.24)<br />
Der Wirkungsgrad ɛ eines Wärmetauschers ist somit gleich der dimensionslosen Temperaturerhöhung<br />
des Fluidstromes mit geringerem Wärmekapazitätsstrom ˙ C.<br />
Betriebscharakteristiken werden vorteilhaft mit Hilfe des Wirkungsgrades ɛ anstatt θc bzw.<br />
θh formuliert, da dann lästige Fallunterscheidungen nicht explizit angegeben werden müssen,<br />
also N = N(ɛ, ˙ Cr) oder ɛ = ɛ( ˙ Cr, N) (siehe Incropera und DeWitt, 1996).<br />
Aus der Definitionsgleichung (6.23) folgt, dass man bei bekanntem Wirkungsgrad ɛ die Wärmeleistung<br />
eines Wärmetauschers einfach nach folgender Formel berechnen kann:<br />
˙Q = ɛ ˙ Cmin(Th − Tc).<br />
6.3.4 Mittlere Temperaturdifferenz des Gegenstrom-Wärmetauschers<br />
Bei der Berechnung von Wärmetauschern erweist sich oft eine mittlere Temperatur<br />
∆Tm ≡ 1<br />
�<br />
(Th − Tc) dA (6.25)<br />
A A<br />
als nützlich, obwohl damit keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse generiert werden, die nicht<br />
auch die Betriebscharakteristik liefern könnte. Konstanten k-Wert vorausgesetzt kann nämlich<br />
mit Hilfe von ∆Tm die Wärmeleistung eines Wärmetauschers sofort zu<br />
berechnet werden.<br />
˙Q = k A ∆Tm<br />
(6.26)<br />
Die Bestimmung von ∆Tm erfordert wieder eine detaillierte Analyse der Temperaturverläufe<br />
entlang der Trennwand. Für den Gegenstromwärmetauscher wurde diese Analyse bereits<br />
durchgeführt; wir können an die Berechnung der Betriebscharakteristik im vorletzten Abschnitt<br />
anknüpfen. Mit dem ersten Hauptsatz (6.16) kann der Term in Klammern auf der<br />
rechten Seite von (6.19) wie folgt umgeformt werden:<br />
� 1<br />
˙Ch<br />
− 1<br />
�<br />
˙Cc<br />
= 1 �<br />
Th − T<br />
˙Q<br />
′ h − T ′ � 1 �<br />
c + Tc = (Th − T<br />
˙Q<br />
′ c) − (T ′ h − Tc) � = 1<br />
˙Q (∆T1 − ∆T2) .<br />
Hier bezeichnen ∆T1 und ∆T2 wieder die Temperaturdifferenz zwischen den Fluidströmen an<br />
den Enden des Wärmetauschers. Einsetzen in (6.19) liefert dann<br />
˙Q = k A ∆T2 − ∆T1<br />
� . (6.27)<br />
ln<br />
� ∆T2<br />
∆T1
74KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />
Daraus folgt aber, dass die gesuchte mittlere Temperaturdifferenz ∆Tm <strong>für</strong> einen Gegenstromwärmetauscher<br />
die mittlere logarithmische Temperaturdifferenz ∆Tlog ist,<br />
∆Tlog = ∆T2 − ∆T1<br />
� . (6.28)<br />
ln<br />
� ∆T2<br />
∆T1<br />
6.3.5 Wärmetauscher mit Phasenumwandlung<br />
Wie anfangs schon erwähnt, ist in wichtigen Anwendungen eines der beiden Arbeitsmedien<br />
eines Wärmetauschers ein verdampfendes oder kondensierendes Fluid. Die bei der Phasenumwandlung<br />
zuzuführende bzw. freiwerdende Verdampfungsenthalphie wird dabei vom zweiten<br />
Fluidstrom geliefert bzw. aufgenommen. Die Verhältnisse sind in Abb. 6.9 dargestellt. Wie<br />
im Bild angedeutet, ändert sich die Temperatur des verdampfenden bzw. kondensierenden<br />
Mediums nicht, was die Berechnung eines Wärmetauschers bzw. seiner Betriebscharakteristik<br />
vereinfacht.<br />
Für einen Wärmetauscher mit Verdampfung gilt zum Beispiel <strong>für</strong> das verdampfende Fluid<br />
Tc = const. und somit<br />
θc = 0.<br />
Mit c → ∞ folgt außerdem<br />
˙Cc → ∞, ˙ Cr → 0.<br />
Die gesuchte Betriebscharakteristik reduziert sich somit auf eine Beziehung zwischen nur zwei<br />
Kennzahlen<br />
N = N(θh). (6.29)<br />
Ausgehend von der Bilanz der Energieflüsse am Volumenelement kann man sogar explizit<br />
zeigen, dass unter den gegebenen Bedingungen<br />
N = − ln(1 − ɛ), (6.30)<br />
ɛ = 1 − exp(−N), (6.31)<br />
<strong>für</strong> einen Wärmetauscher gleich welcher Bauart bzw. Stromführung.<br />
Die Betriebscharakteristiken (6.30) und (6.31) sind näherungsweise gültig, wenn ˙ Cr ≈ 0 z.B.<br />
wegen sehr unterschiedlicher Massenströme und/oder bei sehr unterschiedlichen spezifischen<br />
Wärmekapazitäten.<br />
Falls in einem Wärmetauscher vollständige Verdampfung mit anschließender Erwärmung des<br />
Dampfes stattfindet, so ist dieses System als eine Hintereinanderschaltung von zwei Wärmetauschern<br />
zu behandeln, welche über die Eintritts- bzw. Austrittsbedingungen <strong>für</strong> die Temperaturen<br />
und Massenströme miteinander verkoppelt sind. Der erste Wärmetauscher wird mit<br />
einer reduzierten Betriebscharakteristik der Form (6.29) berechnet, der zweite Wärmetauscher<br />
mit den weiter oben vorgestellten Methoden.<br />
Der Wärmetauscher mit Kondensation ist analog zu behandeln.
6.3. WÄRMETAUSCHER 75<br />
Abbildung 6.9: Temperaturverläufe und Austausch von Verdampfungsenthalphie H beim<br />
Wärmetauscher mit Verdampfen (links) und Kondensieren (rechts). Beachte, dass eine Unterscheidung<br />
zwischen Gegenstrom- und Gleichstromwärmetauscher nicht mehr sinnvoll ist,<br />
wenn die Temperatur eines Fluidstromes konstant ist.<br />
6.3.6 Weitere Bauformen von Wärmetauschern<br />
Die am Beispiel des Gegenstrom-Wärmetauschers entwickelten Methoden zur Berechnung<br />
der Betriebscharakteristik und der mittleren Temperaturdifferenz ∆Tm lassen sich auch auf<br />
einen (Doppelrohr) Gleichstrom-Wärmetauscher anwenden. Die Ergebnisse <strong>für</strong> die Betriebscharakteristik,<br />
d.h. Wirkungsgrad ɛ und dimensionslose Übertragungsfähigkeit N sind in<br />
Tabelle 6.1 zusammengestellt. Für ∆Tm findet man wieder die mittlere logarithmische Temperaturdifferenz<br />
∆Tlog, siehe Gleichung (6.28), wobei allerdings zu beachten ist, dass nun mit<br />
∆T2 = T ′ h − T ′ c und ∆T1 = Th − Tc die Temperaturdifferenzen am Ein- und Austritt des<br />
Wärmetauschers anders lauten als bei der Gegenstromführung.<br />
Ein Vergleich der Wirkungsgrade der beiden Varianten zeigt, dass zumindest bei ausreichend<br />
hoher Übertragungsfähigkeit und bei Wärmekapazitätsströmen vergleichbarer Größenordnung<br />
der Gegenstrom- dem Gleichstrom-Wärmetauscher überlegen ist:<br />
lim<br />
N→∞ ɛ↑↑ = 1<br />
1+ ˙ Cr<br />
Gleichstrom,<br />
lim<br />
N→∞ ɛ↑↓ = 1 Gegenstrom.<br />
Hier ist mit ɛ↑↑ die Gleichstrom- und mit ɛ↑↓ die Gegenstrombauweise gekennzeichnet. Wie<br />
man sieht, ist der Wirkungsgrad der Gegenstromanordung größer, solange ˙ Cr > 0, andernfalls<br />
gilt wie oben schon gesagt ɛ↑↑ = ɛ↑↓ = 1 − exp(−N).<br />
Eine Bauform, der man in der Praxis häufig begegnet, ist der Kreuzstrom-Wärmetauscher.<br />
Hier kann zwischen einem einseitig quervermischten und einem unvermischten Kreuzstrom<br />
unterschieden werden, siehe Bild 6.11 und 6.10. Der quervermischte Kreuzstrom ist mathematisch<br />
einfacher zu behandeln, da die Temperaturänderungen in den beiden Raumrichtungen<br />
dank der Quermischung gewissermaßen sequentiell berechnet werden können. Details finden<br />
sich z.B. in Baehr und Stephan [1]. Es ist noch zu unterscheiden, ob das Fluid mit dem geringeren<br />
oder dem höheren Wärmekapazitätsstrom ˙ C quervermischt ist, die Ergebnisse finden<br />
sich in Tabelle 6.1. Für den ungemischten Kreuzstrom ist keine geschlossene Lösung zu finden;
76KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />
Abbildung 6.10: Temperaturverteilung T(x,y) bei einer einzelnen Rohrreihe als Beispiel des<br />
einseitig quergemischten Kreuzstroms.<br />
Abbildung 6.11: Temperaturverteilung T(x,y) bei einem Plattenwärmetauscher als Beispiel<br />
des ungemischten Kreuzstroms.
6.3. WÄRMETAUSCHER 77<br />
Strömungsführung Wirkungsgrad ɛ(N, ˙ Cr) dimensionslose<br />
Übertragungsfähigkeit<br />
N(ɛ, ˙ Cr).<br />
Gegenstrom<br />
Gleichstrom<br />
Kreuzstrom<br />
(ungemischt)<br />
Kreuzstrom<br />
(einseitig quergemischt,<br />
˙Cmin ungemischt)<br />
Kreuzstrom<br />
(einseitig quergemischt,<br />
˙Cmax ungemischt)<br />
˙Cr = 0<br />
(beliebige Bauform)<br />
1−exp[−N(1− ˙Cr)]<br />
1− ˙Cr exp[−N(1− ˙Cr)]<br />
1−exp[−N(1+ ˙Cr)]<br />
1+ ˙ Cr<br />
� �<br />
1˙Cr 1 − exp N 0.22 exp[− ˙CrN 0.78 ��<br />
] − 1<br />
� �<br />
1 1 − exp − ˙Cr<br />
˙ ��<br />
Cr[1 − exp(−N)]<br />
�<br />
1 − exp − 1 �<br />
1 − exp[− ˙Cr<br />
˙ ��<br />
CrN]<br />
1<br />
1− ˙ � �<br />
1−ɛCr ˙<br />
ln<br />
Cr 1−ɛ<br />
− ln[1−ɛ(1+ ˙Cr)]<br />
1+ ˙ Cr<br />
�<br />
− ln 1 + 1 Cr ˙ ln(1 − ɛ ˙ �<br />
Cr)<br />
− 1 ˙Cr<br />
ln[ ˙ Cr ln(1 − ɛ) + 1]<br />
1 − exp(−N) − ln(1 − ɛ)<br />
Tabelle 6.1: Betriebscharakteristiken verschiedener Wärmetauscher.<br />
es muss auf eine Reihenentwicklung zurückgegriffen werden. Die in Tabelle 6.1 angegebene<br />
Form des Wirkungsgrades ist nur <strong>für</strong> ˙ Cr = 1 exakt, ist jedoch in guter Näherung <strong>für</strong> alle<br />
˙Cr > 0 anwendbar.
78KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />
Zusammenfassung<br />
• Massen- und Energiebilanzen erlauben die Berechnung der zeitlichen bzw. räumlichen<br />
Temperaturverläufe in durchströmten Systemen wie Rührreaktoren, Rohrleitungen und<br />
Wärmetauschern.<br />
• Mit einem Massenstrom ˙m eines inkompressiblen Fluides der Temperatur T und der<br />
Wärmekapazität c geht ein advektiver Enthalpiestrom ˙ H = ˙m c T einher.<br />
• Bei der Bestimmung von Wärmeverlusten ist die Ursache (Temperaturdifferenz) oft proportional<br />
zur Wirkung (Änderung der Temperatur), weshalb ein zeitlich bzw. räumlich<br />
exponentieller Verlauf zu beobachten ist.<br />
• Die Betriebscharakteristik erlaubt sowohl das Auslegen als auch das sog. Nachrechnen<br />
eines Wärmetauschers. Es gibt sehr viele verschiedene Bauformen von Wärmetauschern.<br />
Nicht immer ist die Betriebscharakteristik analytisch in der gewünschten Form darstellbar,<br />
dann sind grafische Methoden anzuwenden.<br />
• Entdimensionierung, d.h. die Einführung von dimensionslosen Kennzahlen, erlaubt eine<br />
kompakte Diskussion der wesentlichen Zusammenhänge mit einer deutlich reduzierten<br />
Zahl von Modellparametern.<br />
e✷Xerzitien<br />
Richtig ✷X oder falsch ?<br />
✷ Der durchströmte, ideal gerührte Behälter ist in Analogie zu einer Blockkapazität (elektrischer<br />
Kondensator) zu betrachten. Der Massenstrom ˙m [kg/s] ist dabei analog zum<br />
elektrischen Strom I [Ampere = Coulomb/Sekunde].<br />
✷ Sowohl bei der Bestimmung der Wärmeverluste bei der Rohrströmung als auch beim Gegenstromwärmetauscher<br />
wird die Energie an einem ” hybriden“ Kontrollvolumen bilanziert,<br />
welches in Strömungsrichtung infinitesimal und über den Rohrquerschnitt endlich<br />
ausgedehnt ist.<br />
✷ Beim Wärmetauscher mit Phasenübergang ist die Temperatur eines Teilstromes konstant,<br />
weshalb in dieser Konfiguration der maximale Wirkungsgrad erreicht wird.<br />
✷ Beim Wärmetauscher mit Phasenübergang ist der Wirkungsgrad von Gleichstrom- und<br />
Gegenstromanordung identisch.<br />
✷ Alternativ zur Betriebscharakteristik kann auch mit der mittleren logarithmischen Temperaturdifferenz<br />
gearbeitet werden um einen Wärmetauscher auszulegen bzw. nachzurechnen.
Kapitel 7<br />
Grundbegriffe von Wärmeübergang<br />
und Konvektion<br />
In diesem und den nächsten Kapiteln wird der Wärmeaustausch zwischen einem Fluid (Gas<br />
oder Flüssigkeit) und einer begrenzenden Wand behandelt. Im Inneren des Fluids findet dabei<br />
der Wärmeaustausch im Wesentlichen in der Form statt, dass die von der Wand abgegebene<br />
Wärme durch das vorbeiströmende Medium mitgenommen oder – bei kühlerer Wand –<br />
herantransportiert wird. Die Strömung kann dabei durch Pumpen oder Gebläse – also durch<br />
Zwangskonvektion – erzeugt werden, oder sie entsteht durch Dichteunterschiede aufgrund von<br />
Temperatur- oder Konzentrationsgradienten als freie bzw. natürliche Konvektion. In beiden<br />
Fällen konzentriert sich der Wärmeübergangswiderstand auf eine dünne Grenzschicht unmittelbar<br />
an der Körperoberfläche. In der Grenzschicht wird die Intensität des konvektiven<br />
Transports sowohl durch Wärmeleitung wie durch Advektion (Heran- oder Hinwegführung)<br />
bestimmt. Es stellt sich somit heraus, dass der durch den Newtonschen Ansatz<br />
˙Q = α A(TW − T∞)<br />
definierte Wärmeübergangskoeffizient α, den wir bei Wärmeleitungsproblemen als eine vorgegebene<br />
Randbedingung unterstellt hatten, von den Wärmetransportvorgängen in der Grenzschicht<br />
abhängt. Der Wärmeübergangskoeffizient ist also nicht einfach ein Stoffwert des<br />
Fluids, sondern eine ” Eigenschaft“ der Strömung (!) entlang der Körperoberfläche. Grob<br />
vereinfachend kann man sagen, dass α von der Dicke der Grenzschicht abhängt. Historisch<br />
wurde die Grenzschichtdicke durch Prandtl 1 so definiert, dass an ihrem Außenrand 99% des<br />
Geschwindigkeitswertes u∞ im Freistrom erreicht werden sollen, während an der Körperoberfläche<br />
als wichtigste Randbedingung die sog. ” Haftbedingung“ u(x, 0) = 0 zu erfüllen ist.<br />
Die Bestimmung oder Abschätzung des Wärmeübergangskoeffizienten α bzw. der Nußelt-Zahl<br />
Nu – ein entdimensionierter Wärmeübergangskoeffizient – <strong>für</strong> verschiedene Strömungstypen<br />
1 Ludwig Prandtl, Physiker, ∗ Freising 4.2. 1875, † Göttingen 15.8. 1953; Direktor des Kaiser-Wilhelm-Inst.<br />
<strong>für</strong> Strömungsforschung in Göttingen, Begründer der modernen Aero- und Hydrodynamik. Seine Untersuchungen<br />
zur Theorie der Unterschall- und Überschallströmung (u.a. mithilfe von Windkanälen) führten zu wichtigen<br />
Verbesserungen im Schiff- und Flugzeugbau. c○Bib. Inst. & F.A. Brockhaus AG<br />
79
80 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />
wird uns in den nächsten Kapiteln hauptsächlich beschäftigen. Ausgangspunkt sind dabei die<br />
Differentialgleichungen, die den Strömungsvorgang und den Wärmetransport beschreiben, das<br />
heisst die Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong> Masse, Impuls und Energie.<br />
Für erzwungene Konvektion lässt sich aus diesen Erhaltungsgleichungen ableiten, dass das<br />
Strömungsfeld und damit auch die Ausbildung der Grenzschicht durch den Wärmeübergang<br />
nicht beeinflusst wird, wenn von der Temperaturabhängigkeit der relevanten Stoffwerte abgesehen<br />
werden kann; die Ausbildung der Grenzschicht ist dann ein rein strömungstechnisches<br />
Problem. Der wesentliche Schritt im Ausbau einer Lehre vom Wärmeübergang durch Wilhelm<br />
Nusselt 2 bestand gerade in der Einführung einer solchen idealen Flüssigkeit mit temperaturunabhängigen<br />
Stoffwerten. Beim Großteil der technischen Anwendungen kann auch <strong>für</strong> Gase die<br />
Dichte als unveränderliche Größe betrachtet werden, so dass keine wesentlichen Unterschiede<br />
zwischen Flüssigkeiten und Gasen bestehen.<br />
Bei der thermisch angeregten freien Konvektion wird die Strömung erst durch die Temperaturunterschiede<br />
induziert, weshalb Strömungs- und Wärmeaustauschvorgang von vorneherein<br />
miteinander gekoppelt sind.<br />
7.1 Wesentliche Ergebnisse der Strömungslehre<br />
Die eben erläuterte starke Bindung des Wärmeübergangs an die hydrodynamischen Vorgänge<br />
legt es nahe, zunächst einige grundlegende Begriffe aus der Strömungslehre zu klären und<br />
zwar vorrangig unter dem Aspekt der Zwangskonvektion. Im Folgenden werden wesentliche<br />
Ergebnisse der Fluiddynamik am Beispiel einer Strömung nach Abb. 7.1, in der die Geschwindigkeiten<br />
u parallel zu einer in x-Richtung erstreckten Wand gerichtet sind (man spricht von<br />
einer längsangeströmte Platte) vorgestellt.<br />
7.1.1 Zähigkeit und Schubspannung<br />
Das Zusammenwirken von Trägheits- und Druckkräften in idealen Fluiden längs eines Stromfadens<br />
(Koordinate s) wird durch die sog. Potentialtheorie bzw. durch die Gleichung von<br />
Bernoulli beschrieben:<br />
p(s) + ϱ w(s)2<br />
= const.,<br />
2<br />
mit dem Flüssigkeitsdruck p , konstanter Dichte ϱ = const. und der Strömungsgeschwindigkeit<br />
w(s) in s-Richtung, der Normalen auf dem Flächenelement dA eines Stromröhrenquerschnittes.<br />
2 Wilhelm Nusselt ∗ Nürnberg 25. Nov. 1882, † München 1. Sept. 1957. Studierte Machinenwesen an der<br />
TU Berlin-Charlottenburg und TH München. Assistent von O. Knoblauch am Labor <strong>für</strong> Technische Physik.<br />
Veröffentlichte 1915 ” Die Grundgesetze des Wärmeübergangs“, worin erstmals die dimensionslosen Gruppen,<br />
die heute als Kennzahlen bekannt sind, eingeführt wurden. Professor in Karlsruhe (1920-1925) und Ordinarius<br />
des <strong>Lehrstuhl</strong>s <strong>für</strong> <strong>Thermodynamik</strong> der TH Münchnen (1925-1952).
7.1. WESENTLICHE ERGEBNISSE DER STRÖMUNGSLEHRE 81<br />
�<br />
� ∞<br />
� �<br />
τ<br />
�<br />
Abbildung 7.1: Geschwindigkeitsverteilung u(x, y), Schubspannung τ in der laminaren Grenzschicht<br />
δ(x) einer längsangeströmten Platte (Ordinate gegenüber Abszisse stark überhöht)<br />
Die Wirkung der Zähigkeit oder Viskosität realer Fluid, welche an überströmten Flächen und<br />
zwischen einzelnen, mit verschiedener Geschwindigkeit fließenden Stromfäden Reibungs- oder<br />
Schubspannungen entstehen lässt, wird bei dieser Formulierung vernachlässigt. Wir betrachten<br />
z.B. die Strömung über eine längsangeströmte Platte nach Abb. 7.1, in der infolge Abbremsung<br />
Geschwindigkeitsunterschiede du in y-Richtung (senkrecht zur Wand) auftreten. Nach Stokes 3<br />
entsteht zähigkeitsbedingt in einer zur Wand parallelen Ebene a-a eine Schubspannung τ<br />
(Einheit Kraft pro Fläche N/m 2 ), deren Größe der Ansatz von Newton erfasst,<br />
τ<br />
�����<br />
�<br />
δ( ���<br />
τ = η du<br />
. (7.1)<br />
dy<br />
Wir begegnen wieder einmal dem Prinzip ” Wirkung“ = ” Kopplungsparameter“ × ” Ursache“.<br />
Der Kopplungskoeffizient ist hier die dynamischen Zähigkeit oder Viskosität η mit der Einheit<br />
[η]= kg/m-s = Pa s. Neben der dynamischen Zähigkeit η wird häufig die kinematische Zähigkeit<br />
ν = η/ϱ mit der Einheit [ν]=m 2 /s verwendet. Fast immer darf man davon ausgehen,<br />
dass η ein Stoffwert ist, also sehr wohl von der Zusammensetzung und dem thermodynamischen<br />
Zustand des Fluids, nicht aber seiner Bewegung abhängt; man spricht dann von<br />
einer Newtonschen Flüssigkeit. In mehrdimensionalen Strömungsfeldern gelten kompliziertere<br />
Beziehungen, da τ Tensorcharakter 4 hat.<br />
3 Sir (seit 1889) George Gabriel Stokes: brit. Mathematiker und Physiker, ∗ Skreen (Irland) 13.8. 1819, †<br />
Cambridge 1.2. 1903; wurde 1849 Prof. in Cambridge und war 1885-90 Präs. der Royal Society; bed. Beiträge<br />
zur Hydrodynamik, Optik (Stokes’sche Regel) und Analysis, in der er den Begriff der gleichmäßigen Konvergenz<br />
und den Zusammenhang zw. Oberflächen- und Kurvenintegralen (Stokes’scher Integralsatz) erarbeitete.<br />
( c○1999 Bib. Inst. & F.A. Brockhaus AG)<br />
4 Die Komponente τyx gibt dabei die Kraft x-Richtung an, welche auf ein Flächenelement mit Normalenvektor<br />
in y-Richtung wirkt. Bei einfacher Scherung wie in Bild 7.1 gilt somit τyx = η∂u/∂y.
82 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />
7.1.2 Reibungs- und Widerstandsbeiwert<br />
Der im letzten Abschnitt vorgestellte Ansatz von Stokes (7.1) beschreibt zwar, wie die Reibungskräfte<br />
von der Geschwindigkeitsverteilung abhängen – damit ist jedoch noch keine<br />
Lösung <strong>für</strong> das Geschwindigkeitsfeld gefunden. In der Tat wurde es aufgrund großer mathematischer<br />
Schwierigkeiten erst am Anfang des 20. Jahrhunderts mit der sog. Grenzschichttheorie<br />
(s.u.) möglich, <strong>für</strong> anwendungsrelevante Konfigurationen neben den Trägheits- und<br />
Druckkräften in der Hydrodynamik auch noch die Reibungskräfte zu berücksichtigen.<br />
Nehmen wir trotzdem einmal an, das die Geschwindigkeitsverteilung u(x, y) über einer angeströmten<br />
Platte bekannt ist. Dann kann kann z.B. der Reibungswiderstand W einer Platte der<br />
Breite b (gleich der Tiefe des zweidimensionalen laminaren Strömungsfeldes) und der Länge<br />
L berechnet werden. Dazu berechnet man nach Stokes die Wandschubspannung τW aus dem<br />
Gradienten der Geschwindigkeitsverteilung an der Wand (y = 0):<br />
τW = η ∂u<br />
�<br />
�<br />
� ,<br />
∂y<br />
und daraus durch Integration der Schubspannung über die benetzte Oberfläche der Platte die<br />
gesamte Widerstandskraft<br />
�<br />
W = τW dA =<br />
A<br />
�b<br />
0<br />
�L<br />
0<br />
� y=0<br />
�L<br />
τW (x) dx dy = b τW (x) dx. (7.2)<br />
In der Praxis wird oft ein dimensionsloser örtlicher Reibungsbeiwert cf als Verhältnis der<br />
Wandschubspannung und des dynamischen Druckes außerhalb der Grenzschicht angegeben:<br />
Gebräuchlich ist auch ein Widerstandsbeiwert cW :<br />
0<br />
cf ≡ τW (x)<br />
ϱ<br />
2u2 . (7.3)<br />
∞<br />
cW ≡ W<br />
ϱ<br />
2 u2 ∞ A.<br />
Hier ist mit A die überströmte oder benetzte Fläche bekennzeichnet. Für die längsangeströmte<br />
Platte gilt A = bL. Mit (7.2) lässt sich der Widerstandsbeiwert cW als mittlerer Reibungsbeiwert<br />
cf bestimmen:<br />
cW = 1<br />
L<br />
7.1.3 Der Begriff der Grenzschicht nach Prandtl<br />
�L<br />
0<br />
(7.4)<br />
cf (x) dx ≡ cf . (7.5)<br />
Abb. 7.1 zeigt exemplarisch, wie die Geschwindigkeit u innerhalb einer dünnen Grenzschicht<br />
der Dicke δ vom Wert 0 an der Wand (Haftbedingung) asymptotisch auf den Wert u∞ = const.<br />
der Kernströmung ansteigt.
7.1. WESENTLICHE ERGEBNISSE DER STRÖMUNGSLEHRE 83<br />
Nach Ludwig Prandtl (1904) kann eine solche Unterscheidung zwischen Grenzschicht und<br />
Kernströmung auch <strong>für</strong> andere umströmte Körper – Tragflügel, Schiffsrümpfe, Turbinenschaufeln,<br />
. . . – getroffen werden. Dabei kann die Kernströmung in guter Näherung als zähigkeitsfreie<br />
Potentialströmung behandelt werden (Bernoulli !), während sich die Wirkung der Zähigkeit<br />
auf das Grenzschichtgebiet beschränkt. Mit Hilfe der sog. Grenzschichtnäherungen, die<br />
im nächsten Kapitel ausführlich diskutiert werden, kann dann der Geschwindigkeitsgradient<br />
an der Wand und somit die Schubspannung bzw der Wärmeübergangskoeffizient quantitativ<br />
bestimmt werden. Diese Strategie des ”divide et impera” nach Prandtl ist <strong>für</strong> die ganze<br />
Strömungslehre und den Wärmeaustausch von grundlegender Bedeutung.<br />
Sogar in einem durchströmten Rohr (Abb. 7.3) bildet sich in der Nähe des Einlaufes 5 eine<br />
(rotationssymmetrische) Grenzschicht aus. Allerdings wächst nach einer bestimmten Einlauflänge<br />
Le die Grenzschicht bis zur Rohrachse an, so dass dann der Einfluss der Zähigkeit<br />
in der gesamten Strömung spürbar ist.<br />
7.1.4 Der Begriff der Turbulenz nach Reynolds<br />
Von Reynolds 6 wurde 1883 erstmalig gezeigt, dass zwei grundsätzlich verschiedene Strömungsformen<br />
existieren: eine laminare und eine turbulente. Bei der Ersteren laufen die einzelnen<br />
Stromlinien geordnet nebeneinander her, während sie bei der Letzteren in unregelmäßiger<br />
Weise miteinander verflochten sind und die einzelnen Flüssigkeitsteilchen stochastische<br />
Schwankungsbewegungen um ihren mittleren Strömungsweg ausführen. Dieser vor allem quer<br />
zur Strömungsrichtung erfolgende Vermischungsvorgang erhöht den Reibungswiderstand und<br />
den Wärmeaustausch turbulent umströmter Körper bzw. turbulent durchströmter Kanäle<br />
gegenüber der laminaren Strömung ganz wesentlich (siehe Abb. 7.2).<br />
Reynolds hat als erster festgestellt, dass der Umschlag laminar/turbulent bei einem bestimmten<br />
” kritischen“ Wert des dimensionslosen Ausdrucks u∞ xk/ν erfolgt. Später wurde ihm zu<br />
Ehren dieser erste Ähnlichkeitsparameter in seiner allgemeinen Form<br />
Rex = u∞ x<br />
ν<br />
als Reynoldsche Kennzahl bezeichnet. Für die ebene Platte gilt abhängig vom Störgrad der<br />
Anströmung speziell: 10 5 ≤ Rex,k ≤ 4 10 6 ; unter technischen Bedingungen rechnet man mit<br />
Rex,k ≈ 5 10 5 .<br />
Die Reynolds-Zahl kann durch die Erweiterung<br />
Rex = u∞ x<br />
ν = ϱ u2 ∞<br />
η u∞/x<br />
als Verhältnis der Beschleunigungs- bzw. Trägheits- zu den Reibungskräften interpretiert werden.<br />
5 bei Vermeidung von Ablösung durch entsprechend gerundeten Einlauf<br />
6 Osborne Reynolds, brit. Physiker, ∗ Belfast 23.8. 1842, † Watchet (Cty. Somerset) 21.2. 1912; Prof. in Manchester<br />
(1868-1905), stellte 1883 das nach ihm benannte hydrodynam. Ähnlichkeitsgesetz bei Vorhandensein<br />
von Druck-, Reibungs- und Trägheitskräften auf. ( c○1999 Bib. Inst. & F.A. Brockhaus AG)
84 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />
���<br />
�����<br />
��� �<br />
���<br />
δ( �£�<br />
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�<br />
������������� �������£�������£�<br />
��� �<br />
���<br />
�������£���������¥�<br />
��������� �<br />
���������������<br />
���£�����������������£�<br />
Abbildung 7.2: Entwicklung der Geschwindigkeitsgrenzschicht an einer ebenen Platte<br />
Für ein durchströmtes Rohr definiert man eine auf den Durchmesser D bezogene Reynolds-<br />
Zahl,<br />
ReD = um D<br />
.<br />
ν<br />
Die mittlere Geschwindigkeit um folgt mit dem Volumenstrom bzw. dem Durchfluß ˙ V aus der<br />
Definitionsgleichung<br />
˙V<br />
D<br />
= um<br />
2π 4 .<br />
Für die kritische Reynolds-Zahl gilt (wiederum abhängig vom Störgrad des Zulaufs):<br />
2300 ≤ ReD,k ≤ 5 × 10 4 , (Technik: Rek ≈ 3000),<br />
und <strong>für</strong> die bezogene hydraulische Einlauflänge:<br />
Le,h<br />
D<br />
= 0,05 ReD.<br />
Stromab des Einlaufs ändert sich das Geschwindigkeitsprofil nicht mehr, mit anderen Worten:<br />
es liegt eine hydraulisch ausgebildete Strömung vor. Verläuft die Strömung im Rohr<br />
laminar, so ist das Geschwindigkeitsprofil im ausgebildeten Zustand parabolisch, wie Hagen<br />
und Poiseuille erstmals gefunden haben (siehe Vorlesung Wärme- und Stoffübertragung).<br />
7.1.5 Die hydrodynamischen Grundgesetze viskoser Fluide<br />
Diese werden in den Vorlesung ” Fluidmechanik“ abgeleitet und sind in jedem einschlägigen<br />
Lehrbuch zu finden, weshalb wir hier nur das Ergebnis mitteilen. Für ein raumbeständiges<br />
Fluid (ϱ = const.) und stationäre, ebene Strömung (2D, kartesische Koordinaten) gilt:
7.1. WESENTLICHE ERGEBNISSE DER STRÖMUNGSLEHRE 85<br />
�<br />
���<br />
� �<br />
���<br />
�����<br />
�����������������<br />
�������������<br />
Abbildung 7.3: Grenzschicht und Geschwindigkeitsverteilung beim Einlauf in ein Rohr vom<br />
Durchmesser D<br />
Der Massenerhaltungsatz (Kontinuitätsgleichung):<br />
∂u ∂v<br />
+<br />
∂x ∂y<br />
Der Impulserhaltungssatz (Navier-Stokes-Gleichungen7 )<br />
�<br />
ϱ u ∂u<br />
�<br />
∂u<br />
+ v<br />
∂x ∂y<br />
= − ∂p<br />
∂x<br />
+<br />
�<br />
∂2u η<br />
∂x2 + ∂2u ∂y2 �<br />
ϱ u<br />
�<br />
∂v<br />
�<br />
∂v<br />
+ v<br />
∂x ∂y<br />
= − ∂p<br />
∂y<br />
+<br />
�<br />
∂2v η<br />
∂x2 + ∂2v ∂y2 �<br />
= 0. (7.6)<br />
+ ϱ gx, (7.7)<br />
+ ϱ gy, (7.8)<br />
Trägheitskraft Druckkraft Zähigkeitskraft Feldkraft<br />
Neben diesen drei Differentialgleichungen müssen zur eindeutigen Beschreibung eines Modellfalles<br />
noch Randbedingungen sowie die Körperkontur vorgegeben werden. Für die längsangeströmte<br />
ebene Platte lauten die Randbedingungen:<br />
y = 0 : u(x, 0) = 0, (Haftbedingung)<br />
v(x, 0) = 0, (Platte massedicht)<br />
y → ∞ : u(x, ∞). = u∞ (Anströmgeschwindigkeit)<br />
7.1.6 Die Energieerhaltungsgleichung viskoser Fluide<br />
Die hydrodynamischen Grundgleichungen – ein System nichtlinearer partieller Differentialgleichungen<br />
– konnten bis 1908 (!) nur <strong>für</strong> wenige einfache Fälle gelöst werden. Diese Feststellung<br />
führt naheliegenderweise auf die Frage, welches die neuen Methoden waren, die der<br />
7 Claude Louis Marie Henri Navier, frz. Physiker und Ingenieur, *Dijon 15.2. 1785, Paris 23.8. 1836; ab 1819<br />
Prof. in Paris, leistete bed. Beiträge zur Mechanik, Baustatik und Hydrodynamik. c○1999 Bib. Inst. & F.A.<br />
Brockhaus AG
86 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />
modernen Hydrodynamik den Weg bahnten. Zuvor soll jedoch der Energietransport in zähen<br />
Flüssigkeiten - das Hauptanliegen dieses Kapitels - formuliert werden.<br />
Die Zustandsgleichungen der Fluide: Bei Unterstellung nahezu konstanter Dichte kann<br />
auf die Angabe einer thermischen Zustandsgleichung verzichtet werden; man benötigt nur die<br />
kalorische Zustandsgleichung <strong>für</strong> den Energietransport<br />
� � � �<br />
T ∂ϱ dp<br />
dh = cp dT +<br />
+ 1<br />
ϱ ∂T ϱ ,<br />
du = cv dT −<br />
�<br />
T<br />
� ∂p<br />
∂T<br />
p<br />
�<br />
ϱ<br />
− p<br />
�<br />
dϱ<br />
.<br />
ϱ2 Raumbeständige Fluide (ϱ=const.) bei mäßiger Druckänderung:<br />
Ideale Gase:<br />
dh ≈ cp dT,<br />
du ≈ cv dT,<br />
cp ≈ cv = c.<br />
dh = cp dT,<br />
du = cv dT,<br />
cp − cv = R.<br />
Vereinbarung: Wir verwenden - wie schon bei den Festkörpern- die Beziehungen dh = cp dT<br />
und du = cv dT <strong>für</strong> beide Fluidmodelle.<br />
Über eine Energiebilanz an einem raumfesten Volumenelement folgt <strong>für</strong> raumbeständige Fluide<br />
(ϱ = const.) und ebene Strömung (x, y, u, v):<br />
�<br />
ϱcp u ∂T<br />
� �<br />
∂T<br />
∂2T + v = λ<br />
∂x ∂y<br />
∂x2 + ∂2T ∂y2 �<br />
+ u ∂p ∂p<br />
+ v<br />
∂x ∂y<br />
+ η φ. (7.9)<br />
Advektion Wärmeleitung Kompression Dissipation<br />
Mit φ wird die Dissipationsfunktion nach Rayleigh bezeichnet. Kompressions- und Dissipationsarbeit<br />
sind bei Hochgeschwindigkeitsströmungen von Bedeutung, letztere auch noch bei<br />
sehr zähen Flüssigkeiten. Beide Terme sollen im Weiteren vernachlässigt werden. Dann folgt<br />
die vereinfachte Gleichung<br />
u ∂T ∂T<br />
+ v<br />
∂x ∂y<br />
= a<br />
�<br />
∂2T ∂x2 + ∂2T ∂y2 �<br />
, (7.10)<br />
welche nur noch den makroskopischen (molaren) Energietransport mit dem molekularen (diffusiven)<br />
verknüpft. Für die Temperaturleitfähigkeit gilt bekanntermaßen: a = λ/(ϱcp).<br />
Ergänzend zu den hydrodynamischen Randbedingungen folgen die thermischen:<br />
y = 0 : T (x, 0) = TW (konstante Plattentemperatur),<br />
y → ∞ : T (x, ∞) = T∞ (Freistromtemperatur).
7.2. DIMENSIONSLOSE FORM DER ERHALTUNGSGLEICHUNGEN UNDKENNZAHLEN DER THERM<br />
7.2 Dimensionslose Form der Erhaltungsgleichungen und<br />
Kennzahlen der Thermo-Fluiddynamik<br />
In den Kapiteln zur Wärmeleitung wurde bereits mehrmals gezeigt, wie durch die Einführung<br />
von geeignet gewählten Bezugsgrößen eine Differentialgleichung resp. die darin vorkommenden<br />
Größen entdimensioniert werden können. Die dabei auftretenden dimensionslosen Gruppen<br />
von Einflußgrößen spielen als Kennzahlen – z.B. Biot- oder Fourier-Zahl – eine äußerst<br />
wichtige Rolle in der Thermo-Fluidynamik. Vorteile dieser Darstellung ist eine größere Verallgemeinerungsfähigkeit<br />
von experimentell oder analytische gewonnenen Ergebnissen.<br />
7.2.1 Reynolds-, Péclet- und Prandtl-Zahl<br />
Als Beispiel aus der konvektiven Wärmeübertragung diene wiederum die längs angeströmte<br />
ebene Platte bei Zwangskonvektion und vernachlässigbarer Feldkraft (gx = gy = 0), siehe<br />
Bild 7.4. Es sollen die folgenden (konstanten) Systemparameter gegeben sein: Plattenlänge<br />
L, Freistromgeschwindigkeit u∞, Freistromtemperatur T∞ und Wandtemperatur TW .<br />
Im ersten Schritt werden die schon vorgestellten Grundgleichungen (7.6) - (7.8) sowie (7.10)<br />
(nebst Randbedingungen) in dimensionslose Form gebracht, indem jede Variable k mit Hilfe<br />
einer zunächst unbekannten Bezugsvariablen kB eine dimensionslose ( ” nackte“) Variable ˜ k<br />
gemäß der Definition ˜ k = k/kB zugewiesen erhält.<br />
Das Plattenmodell wird durch fünf Variable beschrieben. Für x, y, u und v liefern die obigen<br />
Systemparameter die benötigten Bezugsgrößen unmittelbar; nur pB bleibt unbekannt und<br />
dient als ” Spion“, den man zwecks Erkundung zum ” Gegner“ (ins Differentialgleichungsystem)<br />
schickt.<br />
˜x = x<br />
L<br />
y u<br />
; ˜y = ; ũ = ; ˜v =<br />
L u∞<br />
v<br />
; ˜<br />
T − T∞<br />
T = ; ˜p =<br />
u∞ TW − T∞<br />
p<br />
.<br />
pB<br />
Im nächsten Schritt ersetzt man in den bereits aufgeführten partiellen Differentialgleichungen<br />
x durch ˜x L; u durch ũ u∞; etc. und erhält:<br />
1. Kontinuitätsgleichung (vgl. mit 7.6):<br />
� ∂ũ<br />
∂˜x<br />
�<br />
∂˜v u∞<br />
+<br />
∂˜y L<br />
Diese liefert keine der erhofften Bedingungen, da u∞/L beliebige Werte annehmen, bzw.<br />
wegdividiert werden kann.<br />
= 0.<br />
2. Bewegungsgleichung: Impulssatz (z.B. <strong>für</strong> x-Richtung, vgl. 7.7):<br />
�<br />
ũ ∂ũ<br />
∂˜x<br />
�<br />
∂ũ<br />
+ ˜v ϱ<br />
∂˜y<br />
u2∞ L<br />
∂ ˜p pB<br />
= −<br />
∂˜x L +<br />
�<br />
∂2ũ ∂˜x 2 + ∂2ũ ∂˜y 2<br />
�<br />
ηu∞<br />
.<br />
L2
88 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />
3. Energiegleichung (vgl. mit 7.10):<br />
�<br />
ũ ∂ ˜ T<br />
∂˜x + ˜v ∂ ˜ T<br />
∂˜y<br />
�<br />
ϱ cp<br />
u∞<br />
L =<br />
�<br />
∂2T˜ ∂˜x 2 + ∂2T˜ ∂˜y 2<br />
�<br />
λ<br />
.<br />
L2 Dividiert man Gleichung <strong>für</strong> den x-Impuls durch ϱu2 ∞ /L, so erhält der vorletzte Term den<br />
dimensionslosen Faktor pB/(ϱ u2 ∞ ), den wir wegen der noch nicht belegten, also freien Bezugsgröße<br />
pB gleich 1 setzen dürfen. Dann folgt:<br />
pB = ϱ u 2 ∞ bzw. ˜p = p<br />
ϱ u2 .<br />
∞<br />
Beim letzten Term resultiert nach Division der Faktor:<br />
η ν 1<br />
= =<br />
ϱ u∞ L u∞ L ReL<br />
Sollen zwei Strömungsvorgänge (in der Nähe hydraulisch glatter Wände) hydrodynamisch<br />
ähnlich sein, so ist neben ähnlicher Geometrie nur noch Wertegleichheit bezüglich des Ähnlichkeitsparameters<br />
ReL erforderlich.<br />
Nach Division von Gleichung (3) durch ϱcp u∞/L erhält man mit der Temperaturleitfähigkeit<br />
a = λ/(ϱcp) beim letzten Term den Faktor<br />
λ<br />
ϱcp<br />
1<br />
u∞ L<br />
a 1<br />
= =<br />
u∞ L ReL<br />
Die neue, nach Péclet benannte Kennzahl<br />
a<br />
ν<br />
= 1<br />
ReL<br />
PeL ≡ u∞ L<br />
a = ϱcp u∞<br />
λ/L ,<br />
!<br />
1 1<br />
= .<br />
Pr PeL<br />
kann physikalisch als das Verhältnis des rein advektiven (makroskopischen) Energietransportes<br />
zum diffusiven (mikroskopischen) interpretiert werden.<br />
Zu Ehren Ludwig Prandtls wird das Verhältnis von kinematischer Zähigkeit und Temperaturleitfähigkeit<br />
Pr = ν<br />
a<br />
als Prandtl-Zahl bezeichnet. Dieses Stoffwertverhältnises charakterisiert das Verhältnis von<br />
diffusivem Impuls- zu diffusivem Wärmetransport in den wandnahen Grenzschichten des<br />
Geschwindigkeits- und Temperaturfeldes. Einige Zahlenwerte sind in Tafel 7.1 angegeben.<br />
Wie im nächsten Kapitel gezeigt wird, sind ganz allgemein Produkte von Kennzahlen wiederum<br />
Kennzahlen. Hier gilt offensichtlich:<br />
PeL = ReL Pr.
7.2. DIMENSIONSLOSE FORM DER ERHALTUNGSGLEICHUNGEN UNDKENNZAHLEN DER THERM<br />
In der Tat ist die Prandtl-Zahl (in Kombination mit der Reynolds-Zahl) gebräuchlicher als die<br />
Péclet-Zahl. Damit lauten die Erhaltungsgleichungen der Thermo-Fluiddynamik in dimensionsloser<br />
Form (2-dimensional, ohne Körperkräfte):<br />
∂ũ ∂˜v<br />
+<br />
∂˜x ∂˜y<br />
ũ ∂ũ ∂ũ<br />
+ ˜v<br />
∂˜x ∂˜y<br />
ũ ∂˜v ∂˜v<br />
+ ˜v<br />
∂˜x ∂˜y<br />
ũ ∂ ˜ T<br />
∂˜x + ˜v ∂ ˜ T<br />
∂˜y =<br />
= 0. (Masse), (7.11)<br />
=<br />
�<br />
∂ ˜p 1 ∂2ũ − +<br />
∂˜x ReL ∂˜x 2 + ∂2ũ ∂˜y 2<br />
=<br />
�<br />
(x-Impuls),<br />
�<br />
˜p 1 ∂2˜v −∂ +<br />
∂˜y ReL ∂˜x<br />
(7.12)<br />
2 + ∂2˜v ∂˜y 2<br />
�<br />
(y-Impuls),<br />
�<br />
1 ∂2T˜ ReL Pr ∂˜x<br />
(7.13)<br />
2 + ∂2T˜ ∂˜y 2<br />
�<br />
(Energie), (7.14)<br />
Als Ergebnis dieser Untersuchung kann festgehalten werden:<br />
Die Kennzahlen ReL und Pr (alternativ PeL bestimmen neben der<br />
Geometrie die Ähnlichkeit thermofluiddynamischer Vorgänge bei Zwangskonvektion<br />
(an hydraulisch glatten Flächen).<br />
7.2.2 Nußelt-Zahl<br />
Im vorhergehenden Abschnitt haben wir den örtlichen Übertragungskoeffizienten <strong>für</strong> den Impuls<br />
in Gestalt des Reibungsbeiwertes cf(x) eingeführt. In diesem Abschnitt wird der entsprechende<br />
dimensionslose Übertragungskoeffizient <strong>für</strong> Wärme, die Nußeltsche Kennzahl oder<br />
kurz Nußelt-Zahl vorgestellt.<br />
Aufgrund der Prandtlschen Haftbedingung verschwindet die Geschwindigkeit an der Wand,<br />
u(x, y = 0) = 0. Folglich ist dort ausschließlich die Wärmeleitung im Fluid (!) <strong>für</strong> die<br />
Wärmeübertragung vom Festkörper an das Fluid verantwortlich. Falls nun das Temperaturfeld<br />
T (x, y) im Fluid bekannt ist, so läßt sich der lokale wandnormale Wärmefluss über<br />
das Fouriersche Transportgesetz<br />
˙qW (x) ≡ ˙qy(x, 0) = −λ<br />
∂T (x, y)<br />
∂y<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
y=0+<br />
ermitteln. Damit haben wir unser Ziel – die Bestimmung des Wärmeübergangskoeffizienten<br />
– bereits erreicht, da sich nun α(x) aus dem Gradienten des Temperaturprofils im Fluid und<br />
Flüssige Metalle Hg: 0,025<br />
Gase Luft: 0,71 CO2: 0,80 NH3: 0,94<br />
Flüssigkeiten Wasser: 7,03 Alkohol: 16,2 Trafo-Öl: 480<br />
Tabelle 7.1: Prandtl-Zahlen verschiedener Fluide bei 20 ◦ C.
90 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />
� ∞<br />
� ∞<br />
���<br />
�<br />
�����<br />
� ∞<br />
���������<br />
�<br />
�<br />
� ∞<br />
���<br />
��� �������<br />
δ( �£�<br />
� �£� δ�<br />
Abbildung 7.4: Entwicklung der laminaren hydrodynamischen und thermischen Grenzschichten<br />
an einer ebenen beheizten Platte bei erzwungener Konvektion <strong>für</strong> ein Fluid mit<br />
P r = ν/a < 1 (Gase).<br />
an der Wand berechnen lässt:<br />
α(x) = ˙qW (x)<br />
TW − T∞<br />
= −<br />
λ<br />
TW − T∞<br />
∂T (x, y)<br />
∂y<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
y=0+<br />
(7.15)<br />
Aus dem gerade Gesagten sollte klar sein, dass λ die Wärmeleitfähigkeit des Fluids ist und<br />
nicht die des Wandmaterials.<br />
Man könnte aus diesem Ergebnis schließen, dass die Strömung des Fluids doch keinen Einfluss<br />
auf den Wärmeübergang hat, schließlich taucht die Geschwindigkeit in obiger Gleichung<br />
überhaupt nicht auf. Das ist jedoch ein unzulässiger Schluss, da der Temperaturgradient an<br />
der Wand wesentlich von der Advektion in der Grenzschicht beeinflusst wird.<br />
Wir definieren mit Hilfe von Gleichung (7.15) nun die örtliche Nußelt-Zahl wie folgt<br />
NuL ≡<br />
α L<br />
λ<br />
= −<br />
L<br />
TW − T∞<br />
∂T<br />
∂y<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
y=0+<br />
= ∂ ˜ T<br />
∂˜y<br />
Die zuletzt aufgeführte Schreibweise mit den dimensionslosen Variablen<br />
˜y ≡ y<br />
L ;<br />
T˜ T − TW<br />
≡ ,<br />
T∞ − TW<br />
�<br />
�<br />
�<br />
� . (7.16)<br />
�<br />
˜y=0+<br />
macht deutlich, dass die Nußelt-Zahl auch als ein dimensionsloser Temperaturgradient (im<br />
Fluid, an der Wand) angesehen werden kann, ähnlich wie der Reibungsbeiwert cf sich aus<br />
dem entdimensionierten Gradienten der Geschwindigkeit an der Wand bestimmen lässt. Der<br />
Index L weist darauf hin, dass die Nußelt-Zahl auf die Länge L bezogen ist. Beachte, dass<br />
dieser Index nicht immer explizit angeführt ist.
7.2. DIMENSIONSLOSE FORM DER ERHALTUNGSGLEICHUNGEN UNDKENNZAHLEN DER THERM<br />
Meist interessiert der mittlere Wärmeübergangskoeffizient α zwischen x = 0 und x = L,<br />
definiert als:<br />
bzw. die mittlere Nußelt-Zahl<br />
α ≡ 1<br />
L<br />
�L<br />
0<br />
NuL =<br />
α(x)dx,<br />
α L<br />
λ .<br />
Für den gesamten, von der Platte (einseitig) übertragenen Wärmestrom ˙ Q folgt:<br />
˙Q = α b L (TW − T∞) .<br />
Auch <strong>für</strong> das Temperaturfeld lässt sich analog zum Geschwindigkeitfeld eine thermische<br />
Grenzschichtdicke δt(x) angeben, wenn man fordert, dass ihr Außenrand bei 99% der Temperaturdifferenz<br />
(TW − T∞) liegen soll. δt(x) kann dünner oder dicker als δ(x) sein (siehe Abb.<br />
7.4)
92 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />
Zusammenfassung<br />
• Für den Impulsübertrag in viskosen Fluiden gilt nach Newton, dass die Schubspannung<br />
proportional zum Gradienten der Geschwindigkeit ist. Proportionalitätskonstante ist<br />
die Viskosität. Die Schubspannung τij ist ein Tensor, im einfachsten Fall (konstante<br />
wandparallele Strömung) schreibt man τ = η ∂u/∂y.<br />
• Laminare Strömung schlägt bei ausreichend hoher Reynolds-Zahl in turbulente Strömung<br />
um. Die unregelmäßige Bewegung der Fluidteilchen bei turbulenter Strömung verstärkt<br />
den Austausch von Impuls, Energie und Stoff.<br />
• Laminare wie turbulente Strömungen lassen sich unterteilen in eine Kernströmung,<br />
die näherungsweise reibungsfrei behandelt werden kann, und eine Grenzschicht, in der<br />
Zähigkeitseffekte den Austausch von Impuls, Energie und Stoff wesentlich bestimmen.<br />
• Die folgenden Kennzahlen lassen sich durch Entdimensionieren der thermo-fluiddynamischen<br />
Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong> Masse, Impuls und Energie identifizieren:<br />
Reynolds-Zahl Re ∼ Trägheit<br />
Reibung ,<br />
Péclet-Zahl Pe ∼<br />
Prandtl-Zahl Pr ∼<br />
Nußelt-Zahl Nu ∼<br />
Trägheit<br />
Wärmeleitung ,<br />
Reibung<br />
Wärmeleitung ,<br />
�<br />
dimensionsloser Wärmeübergangskoeffizient,<br />
dim.loser Temperaturgradient im Fluid / an der Wand.
7.2. DIMENSIONSLOSE FORM DER ERHALTUNGSGLEICHUNGEN UNDKENNZAHLEN DER THERM<br />
e✷Xerzitien<br />
Richtig ✷X oder falsch ?<br />
Betrachten Sie den Wärmeübergang von einem umströmten Körper an das Fluid.<br />
✷ Der Wärmeübergangskoeffizient α gibt zwar die Randbedingung <strong>für</strong> die Wärmeleitung<br />
im Körper an, ist jedoch ein Stoffwert des strömenden Mediums.<br />
✷ Der Gradient der Fluidtemperatur an der Wand läßt sich wie bei der Wärmeleitung mit<br />
Hilfe einer Randbedingung der 3. Art aus dem Wärmeübergangskoeffizienten bestimmen.<br />
✷ Der Wärmeübergangskoeffizient bzw. die Nußelt-Zahl kann als eine ” Eigenschaft“ der<br />
Strömung angesehen werden, der er vereinfacht gesprochen von der Grenzschichtdicke<br />
abhängt.<br />
✷ Die Nußelt-Zahl hat die Dimension eines Temperaturgradienten.<br />
✷ Es macht keinen wesentlichen Unterschied ob man bei der Diskussion thermo-fluiddynamischer<br />
Zusammenhänge mit der Reynolds- oder der Péclet-Zahl arbeitet, da sich<br />
diese beiden Kennzahlen mit Hilfe der Prandtl-Zahl ineinander überführen lassen.<br />
✷ Der Wert des dimensionslosen Temperaturgradienten an der Wand ist zum Wärmeübergangskoeffizienten<br />
direkt proportional.<br />
Betrachten Sie den Wärmeübergang von einer beheizten Wand an ein ruhendes Fluid.<br />
✷ Beim ruhenden Fluid strebt die Grenzschichtdicke gegen unendlich, da es keine Kernströmung<br />
gibt. Damit gilt: Nu → 0 (verschwindender Temperaturgradient im Fluid).<br />
✷ Die Grenzschicht wird infinitesimal dünn, da aufgrund des verschwindenden Geschwindigkeitsgradienten<br />
die Schubspannung und damit die ” Zähigkeitswirkung“ im gesamten<br />
Fluid gleich Null ist. Damit gilt Nu → ∞ und somit auch α → ∞. Wegen<br />
λW<br />
∂TW<br />
∂y = α(TW − T∞)<br />
muss deshalb bei endlichem Wärmefluß im Wandmaterial auch TW → T∞.<br />
✷ An der Wand gilt die folgende Koppelbedingung (mit Fl <strong>für</strong> Fluid):<br />
�<br />
∂TW �<br />
λW<br />
�<br />
∂y<br />
�<br />
∂TF l �<br />
= λF<br />
�<br />
l<br />
∂y<br />
.<br />
� y=0−<br />
� y=0+<br />
✷ Ein ruhendes Fluid ist bezüglich des Wärmetransportes wie ein wärmeleitender Festkörper<br />
zu betrachten. Die Anwendung von Grenzschichtkonzepten u. ä. ist nicht sinnvoll.
94 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION
Kapitel 8<br />
Impuls- und Wärmeübertragung in<br />
der Plattengrenzschicht<br />
In diesem Kapitel wird die sog. Grenzschicht-Theorie nach Prandtl am Beispiel der Strömung<br />
über eine ebene Platte vorgestellt. Erst im Rahmen dieser Näherung gelang es, Lösungen <strong>für</strong><br />
die Verteilungen von Geschwindigkeit und Temperatur bei laminarer Strömung zu finden,<br />
woraus sich wiederum die <strong>für</strong> die Arbeit des Ingenieurs unentbehrlichen Korrelationen <strong>für</strong><br />
Reibungsbeiwert cf und Nußelt-Zahl Nu in Abhängigkeit von Reynolds- und Prandtl-Zahl<br />
bestimmen lassen.<br />
8.1 Grenzschichtgleichungen <strong>für</strong> Zwangskonvektion<br />
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren – trotz erheblicher Anstrengungen der besten Mathematiker<br />
– nur sehr wenige Lösungen der Navier-Stokes Gleichungen (siehe z.B. Gleichungen<br />
(7.7) und (7.8) mit (7.6) ) bekannt. Wegen unüberwindlicher mathematischer Schwierigkeiten<br />
konnten <strong>für</strong> viele strömungsmechanische Probleme, bei denen die Reibungskräfte bzw. die aus<br />
der Viskosität resultierenden Randbedingungen ( ” Haftbedingung“) eine Rolle spielen, keine<br />
Lösungen gefunden werden.<br />
Ludwig Prandtl gelang 1904 ein entscheidender Durchbruch: gestützt auf ein tiefgreifendes<br />
Verständnis der physikalischen Zusammenhänge führte er den Begriff der ” Grenzschicht“ ein.<br />
Dieser Ansatz setzt voraus, dass bei grossen Reynolds - Zahlen – also deutlicher Dominanz<br />
der Trägheits- über die Zähigkeitskräfte – schon in geringer Entfernung von festen Wänden<br />
der Einfluss der Reibung zu vernachlässigen ist, die Strömung dort also potentialtheoretisch<br />
beschrieben werden kann. Nur innerhalb einer dünnen, wandnahen Grenzschicht sind die<br />
Zähigkeitskräfte von gleicher Größenordnung wie die Reibungskräfte.<br />
Diese Modellvorstellung hat zur Folge, dass in den hydrodynamischen Differentialgleichungen<br />
Glieder geringerer Größenordungen vernachlässigt werden können. So resultiert aus den<br />
95
96KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />
Navier-Stokes- und Energiegleichungen (7.6) - (7.8) sowie (7.9) ein einfacherer1 Satz von<br />
” Grenzschichtgleichungen“ .<br />
Im Fall der Strömung bei großer Reynolds-Zahl ReL ≫ 1 über eine ebene Platte (siehe Bild<br />
7.1) oder generell gesprochen einen stromlinienförmigen Körper führt Prandtls Ansatz auf die<br />
folgenden Ungleichungen <strong>für</strong> die Geschwindigkeitsgrenzschicht δ:<br />
δ(x) ≪ x,<br />
∂u<br />
∂y<br />
u ≫ v,<br />
∂u ∂v<br />
≫ ,<br />
∂x ∂y .<br />
Ganz ähnlich gilt <strong>für</strong> die Temperaturgrenzschicht δt:<br />
δt(x) ≪ x,<br />
∂T<br />
∂y<br />
≫ ∂T<br />
∂x .<br />
Damit vereinfachen sich die im letzten Kapitel vorgestellten Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong> Masse,<br />
Impuls und Energie – Gleichungen (7.6) - (7.8) und (7.10) – zu den sog. Grenzschichtgleichungen<br />
<strong>für</strong> zweidimensionale laminare Zwangskonvektion:<br />
Die Randbedingungen lauten:<br />
∂ũ ∂˜v<br />
+<br />
∂˜x ∂˜y<br />
= 0, (8.1)<br />
ũ ∂ũ ∂ũ<br />
+ ˜v<br />
∂˜x ∂˜y<br />
=<br />
∂ ˜p 1 ∂<br />
− +<br />
∂˜x ReL<br />
2ũ ,<br />
∂˜y 2 (8.2)<br />
0 =<br />
∂ ˜p<br />
− ,<br />
∂˜y<br />
(8.3)<br />
ũ ∂ ˜ T<br />
∂˜x + ˜v ∂ ˜ T<br />
∂˜y =<br />
1<br />
ReL Pr<br />
ũ(˜x, 0) = 0 (Haftbedingung)<br />
˜v(˜x, 0) = 0 (Wand massedicht)<br />
ũ(˜x, ∞) = 1 (Freistromzustand)<br />
˜T (˜x, ∞) = 1 (Freistromzustand)<br />
˜T (˜x, 0) = 0 (Konstanz der Wandtemperatur)<br />
∂2T˜ . (8.4)<br />
∂˜y 2<br />
Wegen der geringen Dicke der Grenzschicht (δ/L ≪ 1) lassen sich die Gleichungen, welche die Strömung innerhalb<br />
der Grenzschicht über einen stromlinienförmigen Körper beschreiben, in einfacher Weise in einem Koordinatensystem<br />
darstellen, in dem die x-Achse in Strömungsrichtung entlang der Oberfläche und die y-Achse normal dazu verläuft,<br />
siehe Abb. 8.1. Es folgt, dass die <strong>für</strong> die ebene Platte hergeleiteten Grenzschichtgleichungen (8.1) - (8.4) auch auf<br />
solche Geometrien übertragen werden können.<br />
1 Mathematisch führt dies dazu, dass das ursprünglich zu lösende partielle Differentialgleichungssystem vom<br />
elliptischen Typ in den wesentlich traktableren parabolischen übergeht.
8.2. ANALYTISCHE GRENZSCHICHTLÖSUNGEN FÜR DIE EBENE PLATTE 97<br />
y<br />
v<br />
x<br />
u<br />
Abbildung 8.1: Koordinatensystem <strong>für</strong> die Grenzschichtströmung um ein Tragflächenprofil<br />
Aus Gl. (8.3) folgt unmittelbar, dass der Außendruck ˜p(˜x, ∞) der (Potential-)Strömung sich der Grenzschicht<br />
aufprägt,<br />
˜p(˜x, ˜y) = ˜p(˜x, ∞),<br />
oder<br />
∂ ˜p<br />
∂˜x ≡ ˜ dp<br />
˜dx .<br />
Anders formuliert: der Druck ˜p innerhalb der Geschwindigkeitsgrenzschicht δ bleibt längs y konstant. Die Umrisslinie<br />
des umströmten Körpers nach Abb. 8.1 soll durch eine ” Konturfunktion“ K(˜x, ˜y) festgelegt sein; dann lässt sich das<br />
Druckfeld p(x) bzw. ˜p(˜x) am Grenzschichtrand in sehr guter Näherung (keine Berücksichtigung der Verdrängungs-<br />
wirkung von δ(x)) potentialtheoretisch lösen, ohne die Gleichungen (8.1), (8.2) und (8.4) einbeziehen zu müssen.<br />
�(x)<br />
N.B.: <strong>für</strong> die ebene Platte oder in guter Näherung z.B. <strong>für</strong> dünne Tragflügelprofile gilt ∂ ˜p/∂˜x = 0.<br />
8.2 Analytische Grenzschichtlösungen <strong>für</strong> die ebene Platte<br />
Als einfachster Modellfall wird die längsangeströmte ebene und isotherme (T (x, 0) = TW )<br />
Platte untersucht (siehe Abb. 7.4). Hierbei ist der Druck p zusätzlich in x-Richtung konstant,<br />
weshalb neben dem Gradienten ∂p/∂y auch noch ∂p/∂x entfällt (schon bei dünnen<br />
Tragflügelprofilen gilt dies nicht mehr).<br />
8.2.1 Ähnlichkeitslösung <strong>für</strong> das Geschwindigkeitsfeld<br />
Betrachten wir die laminare Strömung über eine ebenen Platte, so stellen wir fest, dass<br />
aufgrund der besonders einfachen Geometrie die Geschwindigkeitsprofile in verschiedenen<br />
Abständen x von der Vorderkante zueinander ” affin“ oder ” (selbst-)ähnlich“ sein sollten.<br />
Genauer: Geschwindigkeistprofile u(x, y) sollten sich <strong>für</strong> verschiedene Positionen x1, x2 zur<br />
Deckung bringen lassen, wenn man jeweils einen geeigneten Maßstabsfaktor wählt um das<br />
Profil zu strecken bzw. zu stauchen 2 .<br />
2 Für die Existenz einer Ähnlichkeitslösung spricht auch folgende Beobachtung: Der parabolische Typ des<br />
Differentialgleichungssystems impliziert, dass ein sog. ” Anfangswertproblem“ vorliegt, d.h. dass sich eine etwa<br />
bei x = xk aufgetretene Störung - z.B. der Umschlag laminar/turbulent - nur stromabwärts ( im Bereich<br />
x ≥ xk) auswirken kann. Setzt man xk = L, so kann die Strömung im Bereich x ≤ L auch nicht ” merken“,<br />
dass die Platte bei L zu Ende ist !
98KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />
Für die tangentiale Geschwindigkeitskomponente u bedeutet das<br />
�<br />
u(x, y) = u<br />
y<br />
yBez(x)<br />
wobei yBez eine noch zu bestimmende Bezugslänge ist. Diese Bezugslänge ist allerdings a<br />
priori nicht bekannt, sondern muss als Teil der Lösung des Problems bestimmt werden!<br />
Skalierung der Grenzschichtdicke<br />
Aus der geforderten Selbstähnlichkeit der Lösung darf ohne Kenntnis weiterer Details der<br />
Schluss gezogen werden, dass yBez proportional zur Grenzschichtdicke δ sein muss. Eine<br />
Größenordnungsvergleich der in der Grenzschicht relevanten Kräfte liefert dann das benötigte<br />
Längenmaß. Dazu rufen wir in Erinnerung, dass in der Grenzschicht Reibungs- und Trägheitskräfte<br />
von der gleichen Größenordnung sind. Ein Vergleich der Trägheits- und Reibungsterme<br />
in der Impulserhaltungsgleichung (7.7) liefert die folgenden Abschätzungen:<br />
�<br />
,<br />
Reibungskraft ∼ ν u∞<br />
,<br />
δ2 Trägheitskraft ∼ u2 ∞<br />
x .<br />
Das Zeichen ” ∼“ steht dabei <strong>für</strong> ” ist von der Größenordnung“ oder ” skaliert mit “. Es folgt<br />
bzw.<br />
δ 2 ∼<br />
ν x<br />
u∞<br />
= x2<br />
,<br />
Rex<br />
δ(x) ∼ x Re −1/2<br />
x .<br />
Dieses Ergebnis – die Dicke der laminaren Geschwindigkeitsgrenzschicht nimmt proportional<br />
zur Wurzel das Abstandes von der Vorderkante zu – ist an sich schon bemerkenswert. Darüber<br />
hinaus legt es folgende Definitionen <strong>für</strong> die Bezugslänge yBez und eine Ähnlichkeitsvariable γ<br />
nahe:<br />
Stromfunktion f<br />
yBez ≡ x Re −1/2<br />
x ,<br />
γ ≡ y<br />
yBez<br />
= y<br />
x Re1/2<br />
x .<br />
Das hydrodynamische Modell ” ebene Platte“ ergibt sich aus (8.1) und (8.2) mit ∂p/∂x = 0:<br />
∂ũ ∂˜v<br />
+<br />
∂˜x ∂˜y<br />
ũ ∂ũ ∂ũ<br />
+ ˜v<br />
∂˜x ∂˜y =<br />
= 0 (Massenerhaltung), (8.5)<br />
1<br />
ReL<br />
∂2ũ (x-Impuls). (8.6)<br />
∂˜y 2
8.2. ANALYTISCHE GRENZSCHICHTLÖSUNGEN FÜR DIE EBENE PLATTE 99<br />
8<br />
6<br />
γ = 5 γ = 5<br />
γ γ = = 5 5 γ = 5<br />
4<br />
γ = 5<br />
2<br />
γ = y/(x Re-1/2 )<br />
x<br />
0.2 0.4 0.6 0.8 1 u / u ∞<br />
u = 0.998 u ∞<br />
Abbildung 8.2: Profil der tangentialen Geschwindigkeitskomponente ũ bei laminarer Strömung<br />
über einer ebenen, glatten Platte in dimensionsloser Darstellung.<br />
mit den Randbedingungen<br />
ũ (˜x, 0) = 0; ˜v (˜x, 0) = 0; ũ (˜x, ∞) = 1;<br />
Man führt nun eine Stromfunktion f(˜x, ˜y) ein, die die folgenden Beziehungen erfülle:<br />
Einsetzen in Glchg. (8.5) liefert nun<br />
∂ũ ∂˜v<br />
+<br />
∂˜x ∂˜y<br />
ũ = ∂f<br />
, ˜v = −∂f<br />
∂˜y ∂˜x .<br />
∂2<br />
∂2<br />
= f(˜x, ˜y) − f(˜x, ˜y) = 0,<br />
∂˜x∂˜y ∂˜y∂˜x<br />
d.h. durch die Einführung der Stromfunktion wird die Massenerhaltungsgleichung ” automatisch“<br />
erfüllt (siehe hierzu Lehrbücher aus der Strömungslehre).<br />
Mit Hilfe der Ähnlichkeitsvariablen γ läßt sich dann die Impulsgleichung (8.6) (eine partielle<br />
Differentialgleichung) in eine gewöhnliche (!) Differentialgleichung <strong>für</strong> die Stromfunktion f(γ)<br />
überführen, indem nach folgendem Muster die Kettenregel ausgiebig angewendet wird:<br />
ũ = ∂f<br />
∂˜y<br />
∂γ ∂f<br />
=<br />
∂˜y ∂γ<br />
�<br />
∂ y<br />
=<br />
∂˜y x Re1/2<br />
�<br />
x f ′ = Re1/2 x<br />
˜x f ′ .<br />
f ′ (γ) benennt die Ableitung der Stromfunktion nach γ. Ähnliche Beziehungen ergeben sich<br />
<strong>für</strong> ˜v und die diversen partiellen Ableitungen in (8.6). Letztendlich erhält man die folgende<br />
nichtlineare, gewöhnliche Differentialgleichung dritter Ordnung <strong>für</strong> die Stromfunktion:<br />
f f ′′ + 2f ′′′ = 0.<br />
Die Funktion ũ = f ′ (γ) ist in Abb. 8.2 dargestellt.<br />
Bemerkungen:
100KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />
• H. Blasius entwickelte währen der Arbeit an seiner Dissertation (Göttingen, 1908) die<br />
” Ähnlichkeitslösung“ (similarity solution) <strong>für</strong> die Plattengrenzschicht.<br />
• Die Proportionalität δ(x) ∼ x/ √ Rex ∼ √ x (Parabelform der Grenzschicht) war bereits<br />
Prandtl aus der Lösung <strong>für</strong> einen sehr einfachen Fall bekannt.<br />
• f(γ) konnte erst nach mühsamer analytisch-numerischer Rechnung von Hand (!) gefunden<br />
werden.<br />
8.2.2 Temperaturfeld<br />
1921 gelang es Polhausen unter Verwendung der von Blasius eingeführten Ähnlichkeitsvariable<br />
γ = y/(x Re −1/2<br />
x ) und der von diesem bereitgestellten Lösung f(γ) <strong>für</strong> die Stromfunktion die<br />
folgende Differentialgleichung <strong>für</strong> das Temperaturfeld der laminar umströmten Platte mit<br />
konstanter Wandtemperatur herzuleiten und zu integrieren:<br />
˜T ′′ + Pr<br />
2 f(γ) ˜ T ′ = 0.<br />
Hierzu gehören die Randbedingungen ˜ T (˜x, 0) = 0, ˜ T (˜x, ∞) = 1. Das numerisch bestimmte<br />
Ergebnis ˜ T (γ) ist in Abb. 8.3 <strong>für</strong> verschiedene Prandtl-Zahlen graphisch dargestellt. Für<br />
Pr = 1 ist das Profil der Temperatur identisch mit dem der tangentialen Geschwindigkeitskomponente<br />
(s.o.), <strong>für</strong> Pr < 1 ist die thermische Grenzschicht dicker als die hydrodynamische<br />
(und umgekehrt).<br />
γ = y/(x Re -1/2 )<br />
γ = 5<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
x<br />
Pr = 0.1<br />
0.2 0.4 0.6 0.8 1<br />
1<br />
10<br />
100<br />
T/(T W -T oo )<br />
Abbildung 8.3: Temperaturverteilung in der laminaren Grenzschicht der längs angeströmten<br />
beheizten Platte bei unterschiedlichen Prandtl-Zahlen.
8.2. ANALYTISCHE GRENZSCHICHTLÖSUNGEN FÜR DIE EBENE PLATTE 101<br />
�������£� �<br />
�<br />
���£�<br />
�<br />
�<br />
� � ���������¥� �<br />
Abbildung 8.4: Qualitative Darstellung der Grenzschichtdicke δ(x) sowie des örtlichen und<br />
mittleren Reibungssbeiwertes als Funktion der Lauflänge x<br />
Die Stromfunktion f(γ) erscheint in dieser Differenzialgleichung <strong>für</strong> die Temperatur, da – wie<br />
schon erwähnt – das Strömungsfeld bei temperaturunabhängigen Stoffwerten zwar nicht vom<br />
Temperaturfeld abhängt; sich letzteres jedoch als Funktion des ersteren (und der speziellen<br />
thermischen Randbedingungen) entwickelt.<br />
Wie in der Einleitung von Kapitel 7 (Konvektion) festgestellt, gelten alle mitgeteilten analytischen Beziehungen<br />
streng nur <strong>für</strong> eine ideale Flüssigkeit mit konstanten Stoffwerten. Man berücksichtigt die in der Realität zu ak-<br />
zeptierende Temperaturabhängigkeit näherungsweise, indem die Stoffwerte bei der mittleren Grenzschicht - bzw.<br />
Bezugstemperatur TB = (TW + T∞)/2 ermittelt werden!<br />
8.2.3 Anwendungsbeziehungen – Korrelationen<br />
Aus den Lösungen <strong>für</strong> die Stromfunktion f und die Temperatur ˜ T nach Blasius bzw. Pohlhausen<br />
lassen sich die folgenden, <strong>für</strong> die praktische Anwendung unentbehrlichen Korrelationen<br />
gewinnen:<br />
δ(x) = 5,0 x Re −1/2<br />
x , (8.7)<br />
cf (x) =<br />
cW = cf = 1<br />
L<br />
τW<br />
ϱ u2 = 0,664 Re−1/2 x . (8.8)<br />
∞/2<br />
�L<br />
0<br />
cf (x) dx = 1,328 Re −1/2<br />
L . (8.9)<br />
Abbildung 8.4 zeigt qualitativ die Abhängigkeit technisch wichtiger Parameter der laminaren<br />
Plattenströmung über der Lauflänge.<br />
Für 0, 6 ≤ Pr ≤ 50 gilt bezüglich der Steigung des Temperaturprofils an der Wand als<br />
Approximation numerischer Resultate die einfache Potenzbeziehung<br />
d ˜ �<br />
T �<br />
�<br />
� = 0,332 Pr<br />
dγ<br />
1/3 ,<br />
� γ=0
102KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />
womit sich die folgenden wichtigen Anwendungsformeln ergeben:<br />
Zur Erinnerung:<br />
δt ∼ δ Pr −1/3 ,<br />
α(x) = λ�<br />
Rex<br />
x<br />
d ˜ T<br />
dγ<br />
Nux = 0,332 Re 1/2<br />
x<br />
α = 1<br />
L<br />
�L<br />
0<br />
�<br />
�<br />
�<br />
� ,<br />
�<br />
γ=0<br />
Pr 1/3 g( Pr),<br />
α(x)dx = 2 α(L) ,<br />
NuL = 0,664 Re 1/2<br />
L Pr1/3 g( Pr).<br />
Pr ≡ ν<br />
a , Rex ≡ u∞ x<br />
ν , ReL ≡ u∞ L<br />
, Nux ≡<br />
ν<br />
α(x) x α L<br />
, NuL ≡<br />
λ<br />
ν .<br />
Man erkennt im Vergleich mit cf (x) und cf , dass auch α(x) und α proportional zu 1/ √ x<br />
bzw. 1/ √ L verlaufen und sich folglich ähnliche Kurven wie in Abbildung 8.4 ergeben müssen.<br />
Es bestätigt sich ferner, dass lokale Größen wie δ(x), α(x) und Nux nicht von der stromab<br />
fixierten Stelle L (der realen Plattenlänge L) beeinflußt werden (deshalb die Unterscheidung:<br />
NuL = α(x) L/λ; Nux = α(x) x/λ!)<br />
Diese Formeln, insbesondere die Korrekturfunktion g( Pr), sind auch in den Arbeitsunterlagen<br />
zur Vorlesung zu finden. Dort finden sich auch Korrelationen <strong>für</strong> den technisch besonders<br />
wichtigen Fall der turbulenten Strömung!<br />
Die Verdrängungsdicke δV ist jene Schichtdicke, um welche die Potentialströmung infolge der Geschwindigkeitsabminderung<br />
in der Grenzschicht nach außen abgedrängt wird. Es gilt<br />
δV (x) = 1<br />
�∞<br />
u∞<br />
0<br />
(u∞ − u) dy = 1,721 Re −1/2<br />
x<br />
(8.10)
8.3. GRENZSCHICHTABLÖSUNG 103<br />
a)<br />
Abbildung 8.5: Ablösung der Grenzschicht: Umströmung eines Körpers mit Ablösung<br />
(A = Ablösungpunkt).<br />
8.3 Grenzschichtablösung<br />
Ist längs der Kontur eines umströmten Körpers ein Gebiet mit Druckanstieg vorhanden,<br />
wie etwa hinter der größten Profildicke des ellipsenförmigen Körpers in Abbildung 8.5, so<br />
kann im allgemeinen die in der Grenzschicht abgebremste Flüssigkeit wegen ihrer geringeren<br />
kinetischen Energie nicht allzu weit in das Gebiet höheren Druckes eindringen. Sie weicht<br />
diesem dann seitlich aus (Abb. 8.6), löst sich dabei vom Körper ab und wird in das Innere<br />
der Strömung abgedrängt.<br />
Dabei wird es im allgemeinen vorkommen, dass in Wandnähe die Flüssigkeitsteilchen, dem<br />
Druckgradienten folgend, in umgekehrter Richtung strömen wie die Außenströmung. Als<br />
Ablösungspunkt definiert man die Grenze zwischen Vor- und Rückströmung der wandnächsten<br />
Schicht, also die Stelle ∂u/∂y| y=0 = 0:<br />
Die Entscheidung der Frage, ob und gegebenfalls wo Ablösung auftritt, erfordert die Integration<br />
der Grenzschichtgleichungen. Der Ablösungspunkt markiert die Stelle, bis zur welcher<br />
die Grenzschichtrechnung Gültigkeit hat, denn kurz hinter der Ablösungstelle wird die Reibungsschicht<br />
so dick, dass die Voraussetzung δ(x)/x ≤ 1 nicht mehr erfüllt ist.<br />
Bei stationärer Strömung kann Grenzschichtablösung nur in verzögerter Strömung (dp/dx > 0)<br />
eintreten und es lässt sich leicht zeigen, dass im Bereich verzögerter Außenströmung das<br />
Grenzschichtprofil einen Wendepunkt aufweisen muss.<br />
A<br />
A
104KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />
b)<br />
y<br />
Abbildung 8.6: Ablösung der Grenzschicht: Verlauf der Stromlinien in der Nähe des<br />
Ablösungspunktes.<br />
c)<br />
y<br />
� � u �<br />
�� �<br />
y<br />
��<br />
� � � 0<br />
0;<br />
A<br />
�<br />
A<br />
� �u<br />
�<br />
�� �<br />
y<br />
��<br />
� � �0<br />
WP<br />
0;<br />
WP<br />
� �u<br />
�<br />
�� �<br />
y<br />
��<br />
� � �0<br />
Abbildung 8.7: Ablösung der Grenzschicht: Geschwindigkeitsverteilung in der Nähe des<br />
Ablösungspunktes (WP = Wendepunkt).<br />
0<br />
x<br />
x
8.3. GRENZSCHICHTABLÖSUNG 105<br />
Zusammenfassung<br />
• Wandgrenzschichten stromlinienförmiger Körper weisen die folgenden Eigenschaften<br />
auf: die Grenzschichtdicke ist gering, die Strömungsgeschwindigkeiten entlang der Wand<br />
dominieren die Geschwindigkeiten senkrecht zur Wand, Gradienten der Geschwindigkeit<br />
oder der Temperatur in Wandnormalenrichtung sind viel größer als in tangentialer<br />
Richtung. Dank dieser Eigenschaften lassen sich aus den Grundgleichungen der Thermo-<br />
Fluiddynamik die (wesentlich einfacheren) Grenzschichtgleichungen herleiten.<br />
• Für die laminar umströmte ebene Platten lassen sich (selbstähnliche) Lösungen <strong>für</strong> Geschwindigkeit<br />
und Temperatur bei parabelförmiger Grenzschicht finden. Der Reibungsbeiwert<br />
cf ist dabei eine Funktion der Reynolds-Zahl, die Nußelt-Zahl Nu eine Funktion<br />
von Reynolds- und Prandtl-Zahl.<br />
• Für turbulente Strömungen lassen sich Korrelationen erstellen, die die gleichen funktionalen<br />
Zusammenhänge aufweisen, d.h. cf = cf( Re), Nu = Nu( Re, Pr).<br />
e✷Xerzitien<br />
Richtig ✷X oder falsch ?<br />
✷ Die Haftbedingung an der Wand besagt, dass der Geschwindigkeitswert an der Wand<br />
gleich null ist.<br />
✷ Die Massedichtigkeit der Wand besagt, dass der Geschwindigkeitswert an der Wand<br />
gleich null ist.<br />
✷ Innerhalb der Grenzschicht kann die Strömung potenzialtheoretisch beschrieben werden,<br />
da durch den Reibungseinfluss der Wand ein Geschwindigkeitsgradient senkrecht zur<br />
Wand in der Strömung existiert, der dann als proportional der entsprechenden partiellen<br />
Ableitung eines zu definierenden Potentialfeldes angenommen werden darf.<br />
✷ Außerhalb der Grenzschicht kann die Strömung potenzialtheoretisch beschrieben werden,<br />
da hier die Reibung vernachlässigbar ist, wenn die Reynoldszahl genügend groß<br />
ist.<br />
✷ In der Grenzschicht-Näherung gilt, dass alle Ableitungen der auftretenden Größen senkrecht<br />
zur Wand einen wesentlich größeren Wert besitzen als parallel zur Wand.<br />
✷ Da die Stromfunktion f(γ) nach Blasius nur durch numerische Lösung einer nichtlinearen<br />
Differenzialgleichung bestimmt werden kann und bei Änderung eines Parameters<br />
sowieso wieder neu berechnet werden muss, ist es heutzutage vorteilhafter, die<br />
Grundgleichungen der Thermo-Fluiddynamik direkt auf einem Großrechner numerisch<br />
zu lösen.
106KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />
✷ Die selbstähnliche Lösung nach Blasius zeichnet sich dadurch aus, dass die Geschwindigkeitsprofile<br />
an verschiedenen Positionen x1, x2 entlang der Platte durch Skalierung der<br />
y-Koordinate mit der lokalen Grenzschichtdicke δ(xi) zur Übereinstimmung gebracht<br />
werden können. Das Gleiche gilt <strong>für</strong> die Temperaturprofile.<br />
✷ Bei höherer Reynolds-Zahl ist die Turbulenz und damit auch der turbulente Austausch<br />
weg von der Wand intensiver. Dementsprechend nimmt die Grenzschichtdicke auch zu.<br />
✷ Die Idealisierung ” Newtonsche Flüssigkeit“ ist dadurch definiert, dass sich ihre Stoffwerte<br />
exakt linear mit der Temperatur ändern.<br />
✷ Die Kennzahlen sind <strong>für</strong> turbulente Strömung nicht von großem Interesse, weil sich<br />
sowieso keine analytischen Lösungen finden lassen.
Kapitel 9<br />
Ähnlichkeitstheorie und<br />
Kennzahlen<br />
Der Begriff der Ähnlichkeit ist aus der Geometrie bekannt; man nennt zwei Körper einander<br />
ähnlich, wenn entsprechende Strecken beider Körper in einem konstanten Zahlenverhältnis<br />
zueinander stehen. Zum Beispiel sind eine reale Landschaft und die zugehörige Landkarte<br />
einander ähnlich. Zwischen ähnlichen Objekten lassen sich Übertragungsregeln aufstellen, die<br />
oftmals mit Hilfe von Kennzahlen formuliert werden – die Ausrichtung einer Magnetnadel<br />
nach Norden entspricht z.B. der ”Windrose” auf der Landkarte, der Maßstab einer Landkarte<br />
muss bekannt sein, um Abstände auf der Karte in reale Entfernungen umzurechnen.<br />
Der <strong>für</strong> die Wärme- und Stoffübertragung und allgemein <strong>für</strong> die Naturwissenschaften ungeheuer<br />
wichtige Begriff der ” physikalischen Ähnlichkeit“ verlangt neben der konstanten Proportionen<br />
der Längen auch eine solche der Kräfte, Zeiten, Geschwindigkeiten, Temperaturen,<br />
usw. Die konstanten Proportionen der relevanten physikalischen Größen manifestieren sich<br />
dabei als Gleichheit der entsprechenden Kennzahlen.<br />
Die Frage, wie man Ähnlichkeitsgesetze zu formulieren hat, was sie genau bedeuten und wie<br />
man sie nutzbringend einsetzen kann, lässt sich nicht einfach beantworten, da ”sich unter dem<br />
Oberbegriff der Ähnlichkeit sehr viele unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten finden” [6]. Grob<br />
zusammenfassend kann man sagen, dass Ähnlichkeitstheorie und dimensionslosen Kennzahlen<br />
in Experiment und Theorie Folgendes leisten:<br />
• Verringerung der Anzahl der ”Freiheitsgrade” eines Problems. Anstatt von vielen einzelnen<br />
Parametern hängt die Lösung eines Problems von wenigen Parametergruppen – den<br />
Kennzahlen – ab. Dies konnte z.B. schon bei der Diskussion des ”Kritischen Radius” bei<br />
der Wärmedämmung von Zylinder oder Kugel (siehe Glchg. (3.7)), der Blockkapazität<br />
bzw. des Thermometerfehlers der ersten Art (Abschnitte 4 und speziell 4.2) oder des<br />
”Ideal gerührten Behälters mit Zu- und Ablauf” (Abschnitt 6.1) beobachtet werden.<br />
• Die verringerte Anzahl der Freiheitsgrade führt zu einer entsprechenden Verringerung<br />
der Anzahl von Messungen die nötig sind um ein Problem experimentell umfassend<br />
107
108 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />
zu untersuchen. Grundsätzlich liefern erst die Ähnlichkeitsgesetze Übertragungsregeln,<br />
welche es erlauben, Messungen an einem Modell auf die reale Geometrie zu übertragen.<br />
• Umgekehrt folgt, dass Ähnlichkeitsgesetze bei der Auslegung eines Experiments und bei<br />
der Darstellung experimenteller Ergebnisse einzubeziehen sind.<br />
• Bei der Suche nach analytischen Lösungen spielen oft sog. ” Ähnlichkeitsvariablen“ eine<br />
wichtige Rolle, mit Hilfe der Ähnlichkeitsgesetze lassen sich spezielle Lösungen (meist<br />
dimensionslos formuliert) auf konkrete Probemstellungen übertragen<br />
• Ähnlichkeitsgesetze und Kennzahlen vermitteln oft einen Einblick in die typischen Eigenschaften<br />
eines Problems und erlauben die Identifikation der wesentlichen Effekte<br />
noch bevor explizite analytische oder numerische Lösungen oder umfassende Experimente<br />
vorliegen.<br />
In den folgenden Abschnitten werden diese unterschiedlichen Facetten der Ähnlichkeitsgesetze<br />
anhand einiger Beispiele erläutert. Zuerst aber muss geklärt werden, wie die relevanten<br />
Kennzahlen eines Problems bestimmt werden können.<br />
9.1 Bestimmung von Kennzahlen – π-Theorem<br />
Das Verständnis der wesentlichen physikalischen Zusammenhänge eines Problems in Kombination<br />
mit ” Einheitenarithmetik“ ermöglicht oftmals die Identifikation der wichtigen dimensionslosen<br />
Kennzahlen ohne weiteren Einsatz von mathematischen Hilfsmitteln. Das theoretische<br />
Fundament dieser Methode ist das sog. π-Theorem von Buckingham (siehe z.B. [6]), die<br />
praktische Anwendung wird im Folgenden anhand zweier uns bekannter Beispiele diskutiert.<br />
9.1.1 Sprungabkühlung eines Körpers<br />
Wir betrachten wie schon in Kapitel 4 die zeitliche Änderung der Temperatur eines wärmeleitenden<br />
Festkörpers, welcher einer sprunghaften Änderung der Umgebungstemperatur ausgesetzt<br />
ist. Der Einfachheit halber beschränken wir uns wieder auf effektiv 1-dimensionale<br />
Geometrien (z.B. die ”ebene Platte”). Die Temperaturverteilung T (x, t) ist somit im Allgemeinen<br />
eine Funktion der Ortes x und die Zeit t.<br />
Eine phänomenologische Analyse dieses Problems führt – ganz ohne Differentialgleichungen<br />
– zu dem Schluss, dass die folgenden Einflussgrößen <strong>für</strong> die Temperaturverteilung bei Sprungabkühlung<br />
wesentlich sein sollten:<br />
• Das Volumen V , welches die Wärmekapazität des Körpers mitbestimmt, die Oberfläche<br />
A, die <strong>für</strong> den Wärmeübergang zur Verfügung steht, und eine Länge L, über die ein<br />
Temperaturausgleich stattfinden muss. Da bei geometrisch ähnlichen Körpern – davon<br />
gehen wir aus !! – V , A und L jeweils in bekannten Beziehungen zueinander stehen, sind<br />
diese drei geometrischen Größen effektiv durch ein einziges Längemaß L erfasst.
9.1. BESTIMMUNG VON KENNZAHLEN – π-THEOREM 109<br />
• die Wärmekapazität ρcV des Körpers. Da V schon durch L erfasst ist, können wir ρc<br />
als Einflussgröße festhalten.<br />
• der insgesamt in den Körper fließend Wärmestrom ˙ Q = αA∆T bringt neben dem<br />
Wärmeübergangskoeffizienten α auch eine charakteristische Temperaturdifferenz ∆T<br />
ins Spiel.<br />
• schließlich ist noch die Wärmeleitfähigkeit λ wichtig.<br />
Damit haben wir 5 Einflussgrößen L, ρc, α, λ, ∆T und 3 Variablen T , x und t identifiziert,<br />
welche die Sprungabkühlung eines Körpers beschreiben. Die Einheiten dieser 8 Parameter<br />
sind [m], [J/kg-K], [W/m 2 -K], [W/m-K], [K] und [s], welche aus den 4 Grundeinheiten [m],<br />
[s], [kg] und [K] zusammengesetzt sind. Das sogenannte π-Theorem von Buckingham (siehe<br />
z.B. [6]) besagt nun, dass die Lösung dieses Problems als ein funktionaler Zusammenhang<br />
f(π1, π2, π3, π4) = 0 (9.1)<br />
zwischen 8 - 4 = 4 dimensionslosen, linear unabhängigen (!) Kennzahlen π1, π2, π3, π4 dargestellt<br />
werden kann.<br />
Die erste Kennzahl ist die entdimensionierte abhängige Variable des Problems, d.h. die Temperatur<br />
T . Als Bezugstemperatur kann sofort der treibende anfängliche Temperaturunterschied<br />
∆T identifiziert werden, und (9.1) kann nach der entdimensionierten Temperatur θ ≡ T/∆T<br />
aufgelöst werden:<br />
θ = θ(π2, π3, π4)<br />
Die entdimensionierte Ortskoordinate ξ ≡ x/L ist leicht als weitere Kennzahl zu identifizieren.<br />
Da wir es mit einem instationären Problem zu tun haben, spielt die Zeit t offensichtlich<br />
eine wichtige Rolle und sollte in entdimensionierter Form ebenfalls als Kennzahl auftauchen.<br />
Schliesslich können Temperaturverteilungen in ähnlichen Körpern nur dann zueinander ähnlich<br />
sein, wenn sie zum ” richtigen“ Zeitpunkt miteinander verglichen werden. Es zeigt sich,<br />
dass z.b. die folgende Kombination von Einflussgrößen dimensionlos ist:<br />
π3 ≡ tλ<br />
.<br />
ρc L2 Mit a = λ/ρc (Temperaturleitfähigkeit) finden wir<br />
π3 = at<br />
= Fo,<br />
L2 die Fourier-Zahl ist also die gesuchte dimensionslose Zeit.<br />
Weiterhin leuchtet ein, dass das Verhältnis des Wärmeübergangskoeffizienten zur Wärmeleitfähigkeit<br />
λ eine wichtige Größe sein sollte. Allerdings ist α/λ nicht dimensionslos, sondern<br />
mit der Einheit 1/m behaftet und muss noch mit L multipliziert werden um eine Kennzahl<br />
zu bilden:<br />
π4 ≡ αL<br />
λ .
110 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />
Diese Kennzahl ist die uns bereits bekannte Biot-Zahl Bi. Ohne weitere Details zu kennen und<br />
ohne weitere mathematische Exerzitien dürfen wir den Schluss ziehen, dass <strong>für</strong> die gesuchte<br />
Temperaturverteilung im Inneren eines wärmeleitenden Körpers nach plötzlicher Änderung<br />
der Umgebungstemperatur gilt:<br />
θ = θ(ξ, Fo, Bi).<br />
In der Vorlesung ” Wärme- und Stoffübertragung“ (und in vielen Lehrbüchern) wird gezeigt,<br />
dass in der Tat z.B. <strong>für</strong> die instationäre Wärmeleitung in der ebenen Platte folgende Reihenlösung<br />
die Temperaturentwicklung darstellt:<br />
Θ(ξ, Fo, Bi) =<br />
∞�<br />
Ai cos (δiξ) exp(−δ 2 Fo).<br />
i=0<br />
Dabei gilt dass die Koeffizienten Ai = Ai( Bi) als auch δn = δn( Bi) Funktionen der Biot-Zahl<br />
sind. Somit ist diese Lösung in der Tat durch die drei Kennzahlen ξ, Fo und Bi bestimmt.<br />
Beachte, dass man alternativ auch eine Kennzahl<br />
π ′ 3 = αt<br />
ρ c L<br />
bilden könnte. Man sieht aber sofort, dass π ′ 3 = Fo Bi – jede weitere dimensionslose Kombination<br />
von Einflussparametern ist linear abhängig von den bereits identifizierten Kennzahlen.<br />
Solche Produktbildungen von Kennzahlen enthalten grundsätzlich keine zusätzliche Information,<br />
trotzdem bringt ihr Gebrauch oft Vorteile. Soll etwa der Einfluß der Körperdicke L auf<br />
die Sprungabkühlung einer Blockkapazität dargestellt werden, so bietet eine Kennzahl<br />
π ′′<br />
3 ≡ α2t = Fo Bi2<br />
ρ c λ<br />
den Vorteil, dass L darin nicht explizit vorkommt. Zweckmäßigerweise wird dann die zeitliche<br />
Entwicklung der Temperatur θ über der Kennzahl π ′′<br />
3 mit der Biot-Zahl als Kurvenparameter<br />
aufgetragen.<br />
9.1.2 Sprungabkühlung eines gut wärmeleitenden Körpers<br />
Im Kapitel Instationäre Wärmeleitung wurde die Methode der Blockkapazität vorgestellt,<br />
welche die Sprungantwort eines gut wärmeleitenden 1 Körpers näherungsweise beschreibt. Falls<br />
der innere Wärmeleitwiderstand vernachlässigbar klein ist, sind räumliche Temperaturunterschiede<br />
unwesentlich, T (�x, t) ≈ T (t), weshalb die Ortskoordinaten x in der oben beschriebenen<br />
Analyse nicht mehr auftaucht. Die Anzahl der Einflussparameter reduziert sich damit wie die<br />
der Kennzahlen um jeweils 1. Wir dürfen schließen, dass in einem wärmeleitenden Körper, der<br />
einer plötzlichen Änderung der Umgebungstemperatur ausgesetzt ist, die auf ∆T bezogene<br />
Temperatur θ eine Funktion von Biot- und Fourier-Zahl ist:<br />
θ = θ( Bi, Fo).<br />
1 Beachte: Bi ≪ 1 quantifiziert, was unter gut leitend zu verstehen ist.
9.2. BESTIMMUNG VON KENNZAHLEN AUS DEN DIFFERENZIALGLEICHUNGEN111<br />
In der Tat fanden wir in Abschnitt 4, dass <strong>für</strong> den Spezialfall Bi ≪ 1 gilt:<br />
θ = exp(−(n + 1) Bi Fo).<br />
Die ” Einheitenarithmetik“ bestätigt, dass die Biot-Zahl in der Beschreibung der Sprungantwort<br />
eines Festkörpers in jedem Fall eine wichtige Rolle spielen sollte – egal ob dieser gut<br />
oder schlecht wärmeleitend ist.<br />
Wie soeben beispielhaft gezeigt, lässt sich ein vollständiger Satz von Kennzahlen folgendermaßen<br />
bestimmen: Man identifiziere zuerst die n wesentlichen physikalischen Parameter des<br />
Problems (unabhängige und abhängige Variablen sowie Einflussgrößen wie Anfangs- oder<br />
Randbedingungen, relevante Stoffwerte, etc.) und bestimme die Zahl m der vorkommenden<br />
Grundeinheiten 2 Die Lösung des Problems läßt sich dann als ein funktionaler Zusammenhang<br />
zwischen n − m Kennzahlen (linear unabhängige, dimensionslose Parametergruppen)<br />
darstellen.<br />
Die ” Einheitenarithmetik“, wie sie hier vorgestellt wurde, ist in mancher Hinsicht mehr eine<br />
Kunst als eine Wissenschaft, die bei schwierigen Problemen nur mit Hilfe von Erfahrung und<br />
Inspiration zum Ziel führt. Deshalb wurde auch eine streng logische, systematische Vorgehensweise<br />
entwickelt, siehe z.B. Stichlmair [5], die im Rahmen dieser Vorlesung jedoch nicht<br />
behandelt werden soll. Es ist auch möglich, die Kennzahlen in systematischer Art und Weise<br />
aus den Differentialgleichungen zu bestimmen. Dies ist im nächsten Abschnitt am Beispiel<br />
der ebenen Platte gezeigt, siehe aber auch das Kapitel über Freie Konvektion.<br />
Wie schon am Beispiel der Sprungantwort gezeigt, lassen die Zahlenwerte der Kennzahlen,<br />
die sich mit den vorliegenden charakteristischen Längen und Geschwindigkeiten, Stoffwerten,<br />
etc. ergeben, Schlüsse über die wichtigen physikalischen Effekte zu oder erlauben bestimmte<br />
Vereinfachungen. So ist z.B. die Mach-Zahl der Umströmung des Laminarflügels eines Segelflugzeuges<br />
sehr klein, weshalb Kompressibilitätseffekte keine Rolle spielen. Umgekehrt ist<br />
beim Space Shuttle oder bei einem Kampfflugzeug die Mach-Zahl oft groß, was eine ganze andere<br />
Strömungsphysik mit sich bringt. Andere Beispiele wurden bereits bei der Wärmeleitung<br />
angeführt: Abbruch von Reihenentwicklungen bei ausreichend großer Fourier-Zahl, Anwendbarkeit<br />
des einfachen Modells ” gerührter Behälter“ bei ausreichen kleiner Biot-Zahl. Es ist<br />
allerdings gerade bei komplizierten Phänomenen oft so, dass aus den Differentialgleichungen<br />
kein eindeutiger Satz von Kennzahlen bestimmt werden kann. In diesem Fall braucht es<br />
dann doch die Kombination von Intuition und physikalischem Verständnis um die relevanten<br />
Kennzahlen zu bestimmen.<br />
9.2 Bestimmung von Kennzahlen aus den Differenzialgleichungen<br />
In den Kapiteln zur Wärmeleitung wurde mehrmals gezeigt, wie Kennzahlen, z.B. eine dimensionslose<br />
Länge ξ oder Temperatur θ, die Biot-Zahl oder die Fourier-Zahl Fo, aus den Dif-<br />
2 mathematisch exakt: den Rang m der Dimensionsmatrix, siehe Zierep [6] oder Stichlmair [5].
112 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />
ferenzialgleichungen hergeleitet werden können. Die Kennzahlen der Thermo-Fluiddynamik –<br />
die Reynolds-, Péclet-, Prandtl- und Nußelt-Zahlen – wurden im Kapitel 7.2 aus den Erhaltungsgleichungen<br />
<strong>für</strong> Masse, Impuls und Energie bestimmt.<br />
Eine nochmalige Diskussion dieser Strategie erübrigt sich somit. Es bleibt festzuhalten, dass<br />
dieser Weg am ehesten formale Strenge mit physikalischer Anschaulichkeit verbindet und<br />
neben Kenntnis der relevanten Differenzialgleichungen nur einfache Algebra – und Logik –<br />
erfordert.<br />
9.3 Die funktionale Form der Lösungen<br />
Die Darlegungen im vorausgegangenen Kapitel haben gezeigt, welch große Bedeutung der<br />
Ähnlichkeitstheorie durch die Verdichtung der zahlreichen Einflussparameter eines Modellfalles<br />
auf nur wenige dimensionslose Kennzahlen zukommt. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist<br />
die auf obigem Fundament gründende Verallgemeinerungsfähigkeit experimentell oder analytisch<br />
gewonnener Ergebnisse. Dies soll in diesem Abschnitt durch eine etwas abstrakte,<br />
von Nebensächlichkeiten befreite Darstellung der funktionalen Zusammenhänge der Grenzschichtlösung<br />
um einen stromlinienförmigen Körper aufgezeigt werden. Hauptziel ist hierbei<br />
wiederum, den Widerstand und den Wärmeübergang an einem Körper abhängig vom Ort und<br />
den Kennzahlen zu bestimmen. Es wird sich zeigen, dass einige Eigenschaften der Lösung der<br />
Plattengrenzschicht, wie sie im letzten Kapitel diskutiert wurden, allgemeine Gültigkeit besitzen.<br />
Aus der Kontinuitätsgleichung (8.1) folgt die Beziehung:<br />
˜v = ˜v(˜x, ˜y, ũ),<br />
d.h. die Geschwindigkeit ˜v normal zur Platte ist eine Funktion des Ortes und der wandparallelen<br />
Geschwindigkeit ũ. Wo immer ˜v bisher im Formalismus aufgetaucht ist, soll es im<br />
Weiteren durch die entsprechende Funktion der Parameter ˜x, ˜y, ũ ersetzt (eliminiert) werden.<br />
Aus der x-Komponente der Bewegungsgleichung (8.2) folgt dann ähnlich:<br />
�<br />
ũ = ũ ˜x, ˜y, ReL, d˜p<br />
�<br />
. (9.2)<br />
d˜x<br />
Bei festgelegter Konturfunktion K(˜x, ˜y) entfällt der Druckterm als 4. Variable; er kann (wegen<br />
Gl. (8.3) ) potentialtheoretisch, also unabhängig von den übrigen Grenzschichtgleichungen als<br />
Funktion von ˜x bestimmt werden. Damit gilt:<br />
ũ = ũ (˜x, ˜y, ReL) .<br />
Das hydrodynamische Modell ist damit komplett beschrieben und wir können bezüglich der<br />
Wandschubspannung in Erinnerung bringen:<br />
τW = η ∂u<br />
�<br />
�<br />
�<br />
� =<br />
∂y<br />
η u∞<br />
�<br />
∂ũ �<br />
�<br />
� .<br />
L ∂˜y<br />
� y=0<br />
� ˜y=0
9.3. DIE FUNKTIONALE FORM DER LÖSUNGEN 113<br />
Für den örtlichen Reibungsbeiwert folgt dann:<br />
cf (˜x) = τW<br />
ϱu2 2<br />
=<br />
∞ /2 ReL<br />
∂ũ<br />
∂˜y<br />
�<br />
�<br />
�<br />
� ,<br />
�<br />
˜y=0<br />
Wegen Gleichung (9.2) gilt im Allgemeinen, d.h. bei beliebiger Kontur, <strong>für</strong> den entdimensionierten<br />
wandnormalen Gradienten von ũ :<br />
�<br />
∂ũ �<br />
�<br />
� =<br />
∂˜y<br />
∂ũ<br />
�<br />
� �<br />
�<br />
� ˜x, ReL,<br />
∂˜y<br />
d˜p<br />
�<br />
.<br />
d˜x<br />
� ˜y=0<br />
� ˜y=0<br />
Bei bekannter Kontur entfällt wiederum der Druckgradient als Variable, und somit hängt der<br />
örtliche Reibungsbeiwert nur von der Lauflänge ˜x sowie der Reynolds-Zahl ReL ab:<br />
cf (˜x) = cf (˜x, ReL).<br />
Durch Integration von cf(˜x) zwischen 0 und L wird die ˜x-Abhängigkeit eliminiert und es folgt<br />
<strong>für</strong> den Mittelwert des Reibungsbeiwert (dem Widerstandsbeiwerts cW )<br />
cf = cf ( ReL).<br />
Diese Funktionalbeziehung zwischen cf und ReL kann universelle Gültigkeit beanspruchen,<br />
d.h. sie trifft <strong>für</strong> alle Newtonschen Flüssigkeiten in weiten Bereichen der Systemparameter L<br />
und u∞ bei hydraulisch glatten Oberflächen zu!<br />
Aus der Energiegleichung lässt sich allgemein erschließen:<br />
˜T = ˜ T (˜x, ˜y, ũ, ˜v, ReL Pr) .<br />
Mit dem oben Gesagten darf man vereinfachen<br />
˜T = ˜ �<br />
T ˜x, ˜y, ReL, Pr, d˜p<br />
�<br />
.<br />
d˜x<br />
Der Druckterm vermittelt den (einseitigen!) Einfluss des Geschwindigkeitsfeldes (ũ und ˜v) auf<br />
das Temperaturfeld: bei vorgegebener Kontur ist dieser wie schon gesagt festgelegt und nicht<br />
mehr variabel:<br />
˜T = ˜ T (˜x, ˜y, ReL, Pr) . (9.3)<br />
Dem Übertragungskoeffizienten cf (˜x) <strong>für</strong> Impuls entspricht die örtliche Nusselt-Zahl Nu <strong>für</strong><br />
den Wärmetransport. Wir haben bereits formuliert:<br />
�<br />
α L L ∂T �<br />
NuL = = −<br />
� =<br />
λ ∂y<br />
∂ ˜ �<br />
T �<br />
�<br />
� ,<br />
∂˜y<br />
TW − T∞<br />
– siehe Gleichung (7.16) – und folgern aus der Funktionalbeziehung (9.3) speziell <strong>für</strong> vorgegebene<br />
Kontur und mit der Festlegung ˜y = 0:<br />
� W<br />
� ˜y=0<br />
NuL = NuL(˜x, ReL, Pr). (9.4)
114 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />
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� �������������������<br />
����� � ���<br />
Abbildung 9.1: Skizze des Kühlkanals<br />
� ����������������� ��� �¨���<br />
Da der mittlere WÜK α durch Integration über die Körperoberfläche bestimmt wird, entfällt<br />
die Ortskoordinate ˜x und wir erhalten als universell gültige Beziehung <strong>für</strong> die mittlere Nusselt-<br />
Zahl:<br />
NuL ≡<br />
α L<br />
λ = NuL ( ReL, Pr) . (9.5)<br />
Historische Anmerkung: Im Jahre 1916 hat Nusselt diese überraschend einfache, universelle<br />
Beziehung abgeleitet und Einstein seine ” Allgemeine Relativitätstheorie“ veröffentlicht!<br />
9.4 Auslegung von Modellversuchen<br />
Bei korrekter Anwendung der aus der Ähnlichkeitstheorie gewonnenen Übertragungsregeln<br />
ist es möglich, das Verhalten eines Apparates in einem Modellversuch zu studieren. Im einfachsten<br />
Fall ist das Modell geometrisch kleiner, was von Vorteil sein kann da <strong>für</strong> den Versuch<br />
z.B. weniger Material und Energie verbraucht wird. Umgekehrt können kleinskalige Phänomene<br />
an einem vergrößerten Modell bequem und ” ohne Mikroskop“ untersucht werden. In der<br />
Wärmeübertragung oft besonders wichtig ist die Möglichkeit Phänomene, die im Original bei<br />
sehr hohen Temperaturen ablaufen, bei gemäßigten Temperaturen zu untersuchen, was dann<br />
den Einsatz von temperaturempfindlichen Materialien und Messtechniken ermöglicht. Häufig<br />
wird auch mit anderen Fluiden (Wasser statt Luft, Kältemittel anstatt Dampf, ...) gearbeitet<br />
um den Einsatz bestimmter Messtechniken zu ermöglichen. Bedingung <strong>für</strong> die korrekte Anwendung<br />
der Übertragungsregeln ist strenggenommen, dass alle relevanten Kennzahlen von<br />
Modell und Original den gleichen Zahlenwert haben, oder – falls das nicht zu realisieren ist –<br />
dass die weniger wichtigen Kennzahlen zumindest vergleichbare Größenordnungen aufweisen.<br />
�<br />
�<br />
�
9.4. AUSLEGUNG VON MODELLVERSUCHEN 115<br />
Auslegung eines Kühlkanalmodells<br />
Die Brennkammern moderner Gasturbinen sind häufig doppelwandig, um eine konvektive<br />
Kühlung der Brennkammerwände zu ermöglichen. Der Spalt zwischen den Wänden ist dabei<br />
in Umfangsrichtung in Segmente unterteilt, so dass sich eine Vielzahl von Kühlkanälen ergibt<br />
(siehe Abb. 9.1 ). Die der Brennkammer zugewandte Seitenwand der Kühlkanäle wird von<br />
heissen Abgasen (T ≈ 1600 K) überströmt, während im Kanal Kühlluft (TGT ≈ 600 K)<br />
strömt, die die von den Heissgasen an die Brennkammerwand abgegebene Wärme abführt<br />
und so die Wandtemperatur auf einen materialvertäglichen Wert reduziert. Ein einzelnes<br />
Kühlkanalsegment stellt annähernd einen geraden Kanal rechteckigen Querschnitts dar mit<br />
einer Länge von lGT , einer Breite von bGT und einer Höhe von hGT . Im Kanal strömt Kühlluft<br />
mit einer Geschwindigkeit von uGT = 40 m/s bei einem Druck von pGT =20 bar.<br />
Nun ist geplant, den Wärmeübergang im Kanal durch den Einbau von Rippen zu erhöhen,<br />
weshalb experimentell bei Atmosphärendruck der Wärmeübergang im Kanal untersucht werden<br />
soll. Ein maßstäbliches Modell des Kühlkanals wird zu diesem Zweck aus Plexiglas gefertigt,<br />
um Strömungsvisualisierung und Temperaturmessung mittels temperaturempfindlicher<br />
Flüssigkristalle (TLC Thermo-Liquid Crystals) zu ermöglichen.<br />
Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Ähnlichkeitsgesetzten <strong>für</strong> die Auslegung des Modells?<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> die Anwendung der Ähnlichkeitsregeln ist in jedem Fall die geometrische<br />
Ähnlichkeit zwischen Maschine und Modell. Für die Geometrie des Kühlkanals bedeutet<br />
dies:<br />
�<br />
b �<br />
� =<br />
h<br />
b<br />
�<br />
�<br />
� sowie<br />
h<br />
l<br />
�<br />
�<br />
� =<br />
h<br />
l<br />
�<br />
�<br />
� .<br />
h<br />
� M<br />
� GT<br />
Darüber hinaus müssen die Werte der relevanten Kennzahlen von Modell und Maschine gleich<br />
sein. Aus dieser Forderung ergibt sich sofort die Frage, welche der bisher eingeführten Kennzahlen<br />
<strong>für</strong> die vorliegende Aufgabe relevant sind? Die Fourier-Zahl Fo – eine entdimensionierte<br />
Zeit – ist nicht von Bedeutung, da instationäre Effekte ausser Acht gelassen werden. Die Biot-<br />
Zahl Bi – das Verhältnis von Wärmeleitwiderstand in der Wand zum Wärmeübergangswiderstand<br />
– spielt ebenfalls keine wichtige Rolle, da die Wandtemperatur der Brennkammer vom<br />
Verhältnis der Wärmeübergangswiderstand auf der heissen und kalten Seite, nicht aber vom<br />
(kleinen) Wärmeleitwiderstand des Wandmaterials bestimmt wird. Die Reynolds-Zahl Re –<br />
ein Maß <strong>für</strong> die relative Größe von Trägheits- und Reibungskräften im Fluid – ist sicherlich<br />
wichtig, ebenso die Prandtl-Zahl Pr, welche molekularen Impuls- und Wärmetransport in’s<br />
Verhältnis setzt. Die Mach-Zahl – das Verhältnis von Strömungs- zur Schallgeschwindigkeit –<br />
kann vernachlässigt werden, solange die Strömungsgeschwindigkeit u nur deutlich kleiner als<br />
die Schallgeschwindigkeit c ist (Als Faustregel gilt: Mach-Zahl Effekte können vernachlässigt<br />
werden, solange Ma = u/c < 0.3).<br />
Damit bleiben zwei relevante Kennzahlen: die Reynolds-Zahl Re = u L/ν und die Prandtl-Zahl<br />
Pr = ν/a. Letztere ist das Verhältnis zweier Stoffwerte, die je nach Fluid und Temperatur<br />
unterschiedlich sein können. Da allerdings sowohl in der Maschine als auch im Modell Luft<br />
verwendet wird, und der Einfluss des Temperaturunterschieds im betrachteten Temperaturbereich<br />
nicht wesentlich ist, darf davon ausgegangen werden, das PrGT ≈ PrM (Die Indices<br />
� M<br />
� GT
116 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />
”GT” und ”M” stehen <strong>für</strong> Gasturbine bzw. Modell). Aus der Forderung nach Gleichheit der<br />
Prandtl-Zahl lassen sich in diesem Fall also keine Bedingungen <strong>für</strong> die Auslegung des Versuchsstandes<br />
ableiten.<br />
Reynolds-Ähnlichkeit ReM = ReGT erfordert anderseits, dass<br />
uh| M = uh| GT<br />
wenn die Reynolds-Zahl Re = uh/ν mit einer Geschwindigkeit u = ˙m/h b ρ und der Höhe h<br />
des Kühlkanals gebildet wird. Aus dieser Bedingung allein lassen sich die mittlere Geschwindigkeit<br />
u im Kanal und dessen Höhe hm noch nicht bestimmen, da offensichtlich eine Erhöhung<br />
der Geschwindigkeit im Modell durch eine Verringerung der Kanalhöhe so kompensiert werden<br />
kann, dass die Reynolds-Zahl gleich bleibt.<br />
Um eine möglichst hohe räumliche Auflösung der optischen Messungen zu erzielen, wird deshalb<br />
entschieden das Model so groß wie möglich zu machen ohne einen bestimmten (maximalen)<br />
Massenstrom ˙m0 der Laborluftversorgung zu überschreiten. Aus dieser ”Nebenbedingung”<br />
folgt<br />
und damit<br />
hM = ˙m0<br />
�<br />
�<br />
�<br />
ρ u b<br />
� M<br />
= ˙m0<br />
ρ<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
M<br />
˙m0 = ρ u h b| M<br />
�<br />
1 �<br />
�<br />
u h<br />
� M<br />
�<br />
h �<br />
�<br />
b<br />
� M<br />
νM<br />
νGT<br />
= ˙m0<br />
ρ<br />
,<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
M<br />
�<br />
1 �<br />
�<br />
u h<br />
Mit bekanntem hM ergeben sich sofort die übrigen Abmessungen des Modells sowie die Geschwindigkeit<br />
hM νM<br />
uM = uGT<br />
hGT νGT<br />
Wie schon gesagt, legt in diesem Beispiel die Forderung nach Reynoldsähnlichkeit allein die<br />
Größe des Modells nicht fest – ein größeres Modell bei entsprechend reduzierter Geschwindigkeit<br />
hätte die gleiche Reynolds-Zahl! Erst mit der durch die Leistungsfähigkeit der Luftversorgung<br />
vorgegebene Massenstrombedingung ergibt sich eine eindeutige Größe. Falls Ähnlichkeit<br />
bezüglich mehrerer Kennzahlen eingehalten werden muss, engt sich der ” Spielraum“ des Experimentators<br />
sehr schnell ein, unter Umständen können dann nur durch die Wahl bestimmter<br />
Materialen mit ungewöhnlichen Stoffwerten die wesentlichen Ähnlichkeitsbedingungen eingehalten<br />
werden.<br />
9.5 Darstellung experimenteller Ergebnisse<br />
Selbst wenn sich keine analytische oder numerische Lösung finden lässt, so liefert die Ähnlichkeitstheorie<br />
doch die Methode um mit einer geringen Anzahl von Versuchen experimentelle<br />
Erkenntnisse in weitgehend allgemeingültiger Form zu gewinnen, da die an einem Versuchsmodell<br />
(s.o.) gefundenen Gesetze <strong>für</strong> alle untereinander und mit dem Modell physikalisch<br />
ähnlichen Objekte gelten (!). Die Ähnlichkeitslehre gestattet also eine Verallgemeinerung von<br />
.<br />
� GT<br />
νGT<br />
νM<br />
�<br />
h �<br />
�<br />
b<br />
� GT<br />
.
9.5. DARSTELLUNG EXPERIMENTELLER ERGEBNISSE 117<br />
Versuchergebnissen – genauer formuliert: die allgemein gültige Darstellung von Versuchsergebnissen<br />
– mit Hilfe der Übertragungsregeln, der sog. Modellgesetze.<br />
Die Erstellung und Anwendung der in der Strömungslehre und der Wärme- und Stoffübertragung<br />
so häufig vorkommenden Korrelationen – analytisch, numerisch oder empirisch ermittelte<br />
Beziehungen zwischen Kennzahlen – beruht also auch auf den Ähnlichkeitsgesetzen.<br />
9.5.1 Experimentelle Untersuchung des Wärmeübergangs an der ebenen<br />
Platte<br />
Zwei Arbeitsgruppen untersuchen experimentell den Wärmeübergang an der turbulent überströmten<br />
ebenen Platte.<br />
Gruppe A benutzt dazu eine elektrisch beheizte, gut wärmeleitende Platte der Länge L = 1 m<br />
und der Breite b = 0.4 m, die bei Geschwindigkeiten U im Bereich von 8 bis 25 m/s von Luft<br />
der Temperatur T = 300 K überströmt wird (siehe Abb. 9.2). Die Leistung des elektrischen<br />
Heizers wird so eingestellt dass die Temperaturdifferenz zwischen Wand und Freistrom ∆T =<br />
2 K. Dazu wird – je nach Geschwindigkeit – eine elektrische Heizleistung ˙ Q von ca. 15 bis 80<br />
kW benötigt. Die Heizleistung bzw. der von der Platte an das Fluid übertragene Wärmestrom<br />
˙Q ist als Funktion der Geschwindigkeit U in Bild 9.3 dargestellt.<br />
Gruppe B entwickelt eine andere Methode: heisse Verbrennungsabgase aus einem Gasturbinenprüfstand<br />
werden bei einem Druck von 6 bar und bei einer Temperatur von 800 K mit<br />
Geschwindigkeiten U von 35 bis 80 m/s über eine Brennkammerwand geführt.Die Brennkammerwand<br />
(L = 0.4 m, b = 0,16 m ist rückseitig ” prallgeküh lt“ mit Luft von TK = 640 K.<br />
Der Wärmeübergangskoeffizient der Prallkühlung ist so hoch, dass man in guter Näherung<br />
TW ≈ TK setzen darf und damit ∆T ≈ 160K. Die Temperaturerhöhung der Kühlluft wird<br />
gemessen, mittels einer Energiebilanz wird der übertragene Wärmestrom ˙ Q = ˙m cp (T ′ K −TK)<br />
bzw. der Wärmeübergangskoeffizient α bestimmt (siehe wiederum Bild 9.3. Relevante Stoffwerte<br />
sind: η = 1.8 × 10 −5 N s/m 2 , λ = 2.6 × 10 −2 W/m-K bei 300 K, η = 8.5 × 10 −5 N<br />
s/m 2 , λ = 5.7 × 10 −2 W/m-K bei 800 K.)<br />
U, T oo<br />
L<br />
T W<br />
V<br />
Q .<br />
A<br />
b<br />
T' k<br />
U = 35 - 80 m/s,<br />
T oo = 800 K,<br />
p = 6 bar<br />
. .<br />
Q = cp m (T'k - Tk )<br />
c -> oo<br />
.<br />
Q = (TW -Too )<br />
Abbildung 9.2: Zwei Experimente zur Untersuchung des Wärmeüberganges an einer überströmten<br />
ebenen Platte. Links: elektrisch beheizte Platte, rechts: Brennkammerwand mit sog.<br />
Prallkühlung.<br />
h<br />
.<br />
mk , Tk
118 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />
Q [W/s]<br />
50<br />
-100x10 3<br />
0<br />
-50<br />
10<br />
20<br />
30<br />
40 50<br />
U<br />
60<br />
70 80m/s<br />
100x10 3<br />
α [W/m 2 -K]<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
10<br />
20<br />
30<br />
40 50<br />
U<br />
60<br />
70 80m/s<br />
Abbildung 9.3: Wärmestrom (links) und Wärmeübergangskoeffizienten (rechts) an der ebenen<br />
Platte. ” +“ — elektrisch beheizte Platte, ” ⋄“ — konvektiv gekühlte Brennkammerwand.<br />
Offensichtlich lässt die <strong>für</strong> Bild 9.3 gewählte Auftragung der experimentellen Ergebnisse<br />
keine systematischen Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen erkennen. Die Auftragung<br />
des Wärmeübergangskoeffizienten (rechts) mag insofer überraschen, als sie zeigt, dass der<br />
Wärmeübergangskoeffizient des Hochdruckexperiments von Gruppe B trotz der wesentlich<br />
höheren Wärmeströme geringer ist als bei den Versuchen von Gruppe A. Erst die dimensionsbefreite<br />
Darstellung Nußelt- gegen Reynolds-Zahl, wie sie in Bild 9.4 zu sehen ist, zeigt<br />
deutlich, dass die Daten sehr wohl denselben physikalischen Sachverhalt darstellen und dass<br />
sie sich gut miteinander korrelieren lassen. Wie im Bild angedeutet, beschreibt der funktionale<br />
Zusammenhang – die Korrelation – Nu = (0.037 Re 4/5 − 871) Pr 1/3 alle vorliegenden<br />
experimentellen Daten in guter Näherung.<br />
9.5.2 Reibungswiderstand glatter Rohre<br />
Die Strömung durch ein Rohr ist im laminaren Fall durch die Lösung von Hagen/Poiseuille<br />
vollständig beschrieben (parabolisches Geschwindigkeitsprofil). Insbesonders der zur verlässlichen<br />
Auslegung von Rohrleitungssystemen wichtige Druckverlust pro Rohrlänge kann in analytischer<br />
Form als Funktion des Volumenstroms, des Rohrdurchmesser und der Viskosität des<br />
Fluids dargestellte werden. Beim technisch vorherrschenden turbulenten Strömungszustand<br />
muss hingegen die Widerstandscharakteristik empirisch ermittelt werden. Bevor Reynolds<br />
1883 entdeckt hatte, dass der Reibungswiderstand eines (hydraulisch glatten) Rohres nur<br />
durch die Kennzahl ReD = umD/ν bestimmt wird, hätten Ingenieure zur Auslegung von<br />
Wasser-, Abwasser-, oder z.B. Leuchtgasleitungen etwa fünf Druckverlustwerte je Einflussgröße<br />
(um, D und ν) benötigt, also insgesamt 5 3 = 125 Messpunkte (25 Kurven mit je 5<br />
Stützpunkten). Nach Entdeckung der Ähnlichkeitskennzahl ReD genügten 5 Messwerte zur<br />
Abstützung der Druckverlustfunktion <strong>für</strong> alle glatten, von Newtonschen Flüssigkeiten durchstömten<br />
Rohre.
9.6. DIMENSIONSLOSE FORM DER LÖSUNGEN UNDÄHNLICHKEITSLÖSUNGEN119<br />
Nu [-]<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0.6<br />
Nu = (0.037 Re 4/5 -871) Pr 1/3<br />
Electrically Heated Plate<br />
Water- Cooled Combustor Liner<br />
0.8<br />
1.0<br />
1.2<br />
Re [-]<br />
1.4<br />
1.6<br />
1.8x10 6<br />
Abbildung 9.4: Nußelt-Zahl der elektrisch beheizten Platte (+) und der konvektiv gekühlten<br />
Brennkammerwand (⋄) aufgetragen über der Reynolds-Zahl. Gezeigt ist auch eine entsprechende<br />
Korrelation (<strong>für</strong> Pr = 0.7).<br />
9.6 Dimensionslose Form der Lösungen und<br />
Ähnlichkeitslösungen<br />
Wie schon mehrmals gezeigt, lassen sich nicht nur die Kennzahlen und die beschreibenden Differentialgleichungen,<br />
sondern auch die (analytische) Lösung eines Problems in dimensionsloser<br />
Form darstellen, was meistens – aber nicht immer – die Bestimmung und die Interpretation<br />
der Lösung erleichtert.<br />
Für spezielle, sog. selbstähnliche Geometrien lassen sich Ähnlichkeitslösungen herleiten – hierzu<br />
gehört die Wärmeleitung an der ebenen Platte oder die freie, laminare Konvektion an einer<br />
senkrechten Wand. Unter Ausnutzung der Selbstähnlichkeit lässt sich bei solchen Konfigurationen<br />
die Dimensionalität des Problems reduzieren. Aus einer partiellen Differentialgleichung<br />
wird dann im günstigsten Fall – siehe die Plattengrenzschicht oder die freie Konvektion – eine<br />
gewöhnliche Differentialgleichung, was die Bestimmung und Darstellung der Lösung ungemein<br />
erleichtert. Details zu selbstähnlichen Geometrien und Geschwindigkeits- bzw. Temperaturverteilungen<br />
finden sich in diesem Skript in den entsprechenden Unterkapiteln.
120 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />
9.7 Analogien<br />
Eine häufig anzutreffende Variante der Ähnlichkeit stellen die schon mehrmals angesprochenen<br />
Analogien zwischen Phänomenen in unterschiedlichen natur- bzw. ingenieurswissenschaftlichen<br />
Disziplinen dar. Wir erinnern z.B. an die Analogie zwischen Wärmedurchgang<br />
und dem elektrischen Widerstand von Reihen- und Parallelschaltungen (siehe die Diskussion<br />
der Péclet-Gleichung in Abschnitt 3.1).<br />
Generell gilt, dass physikalische Phänomene, die durch ähnliche – d.h. identisch bis auf Zahlenwerte<br />
von Koeffizienten oder Kennzahlen – (Differential-)Gleichungen beschrieben werden,<br />
sich auch ähnlich verhalten müssen.<br />
Für die Thermo-Fluiddynamik besonders wichtig ist die von Reynolds bereits 1875 erkannte<br />
Analogie zwischen dem Impuls- und Energietransport 3 in Strömungen.<br />
9.7.1 Reynolds-Analogie<br />
Wir betrachten bei Vernachlässigung von Feldkräften die Strömung um einen stromlinienförmigen<br />
Körper wie z.B. eine längs angeströmte ebene Platte, siehe Bild 7.4. Falls der<br />
Druckgradient ∂ ˜p/∂˜x entlang der Wand vernachlässigt werden darf und die Prandtl-Zahl<br />
Pr = 1, sind die Gleichungen (7.11) und (7.12) <strong>für</strong> den konvektiven Transport von wandtangetialem<br />
Impuls und Wärme einander ähnlich:<br />
ũ ∂ũ ∂ũ<br />
+ ˜v<br />
∂˜x ∂˜y =<br />
ũ ∂ ˜ T<br />
∂˜x + ˜v ∂ ˜ T<br />
∂˜y =<br />
�<br />
1 ∂2ũ ReL ∂˜x 2 + ∂2ũ ∂˜y 2<br />
�<br />
,<br />
�<br />
1 ∂2T˜ ReL ∂˜x 2 + ∂2T˜ ∂˜y 2<br />
�<br />
.<br />
Mit den Randbedingungen <strong>für</strong> Geschwindigkeit und Temperatur<br />
ũ(˜x, 0) = 0, ũ(˜x, ∞) = 1,<br />
˜T (˜x, 0) = 0, ˜ T (˜x, ∞) = 1,<br />
herrscht offensichtlich vollständige Analogie zwischen Impuls- und Wärmeübertragung. In<br />
dimensionsloser Darstellung stimmen die Verteilungen von Geschwindigkeit und Temperatur<br />
überein, ũ(˜x, ˜y) = ˜T (˜x, ˜y).<br />
Schon bei der Definition der Nußelt-Zahl haben wir bemerkt, das Nu als wandnormaler Gradient<br />
der Temperatur des Fluids an der Wand interpretiert werden kann,<br />
NuL = ∂ ˜ �<br />
T �<br />
�<br />
� .<br />
∂˜y<br />
� ˜y=0+<br />
3 Die Reynolds-Analogie umfasst auch den Stofftransport, was im Rahmen dieser Vorlesung allerdings nicht<br />
weiter diskutiert wird.
9.7. ANALOGIEN 121<br />
Für den Reibungsbeiwert findet man ganz analog:<br />
cf = τW (x)<br />
ϱ<br />
2 u2 ∞<br />
= 2η<br />
ρ u 2 ∞<br />
�<br />
∂u �<br />
�<br />
∂y<br />
� y=0+<br />
= 2ν<br />
u∞ L<br />
�<br />
∂u �<br />
�<br />
∂y<br />
� y=0+<br />
= 2<br />
ReL<br />
�<br />
∂ũ �<br />
�<br />
∂˜y<br />
� ˜y=0+<br />
Bei Ähnlichkeit der Geschwindigkeits- und Temperaturverteilungen muß offensichtlich gelten:<br />
�<br />
∂ũ �<br />
�<br />
∂˜y<br />
= ∂ ˜ �<br />
T �<br />
�<br />
�<br />
∂˜y<br />
,<br />
� ˜y=0+<br />
� ˜y=0+<br />
und damit wie bereits von Reynolds postuliert <strong>für</strong> Reibungsbeiwert, Reynolds und Nußelt-<br />
Zahl:<br />
ReL<br />
cf<br />
2 = NuL. (9.6)<br />
Diese Beziehung gilt wie gesagt zunächst nur <strong>für</strong> Pr = 1 und verschwindenden Druckgradienten.<br />
Im vorrangig interessierenden Fall der Turbulenz erweist sich auch bei dp/dx �= 0 und<br />
Pr �= 1 die nach Chilton-Colburn modifizierte Analogie als sehr brauchbar:<br />
cf ReL<br />
Pr 1/3<br />
2 = NuL. (9.7)<br />
Mit Hilfe der Beziehungen (9.6) bzw. (9.7) kann man den Wärmeübergangskoeffizienten berechnen,<br />
wenn der Reibungsbeiwert bekannt ist, und umgekehrt.<br />
.
122 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />
Zusammenfassung<br />
Die Theorie der physikalischen Ähnlichkeit und – damit eng verknüpft – die dimensionslosen<br />
Kennzahlen sind <strong>für</strong> die Ingenieur- wie die Naturwissenschaften von großer Bedeutung<br />
• Das π-Theorem liefert in Kombination mit physikalischer Einsicht und ” Einheitenarithmetik“<br />
die Kennzahlen eines Problems dessen wesentliche Einflußgrößen bekannt sind.<br />
• Alternativ können Kennzahlen in systematischer Art und Weise aus den Differenzialgleichungen<br />
bestimmt werden.<br />
• Die Ähnlichkeitstheorie erlaubt grundsätzliche Aussagen über die funktionale Form der<br />
Lösung eines Problems.<br />
• Die korrekte Auslegung von Modellversuchen und die allgemeingültige Darstellung experimenteller<br />
Ergebnisse ist ohne Ähnlichkeitstheorie nicht zu machen.<br />
• Analogien zwischen physikalisch unterschiedlichen Phänomenen sind eine weitere, oftmals<br />
nützliche Form der Ähnlichkeit.<br />
e✷Xerzitien<br />
Richtig ✷X oder falsch ?<br />
✷ Dimensionslose Kennzahlen sind das Bindeglied zwischen Modellexperiment und technischer<br />
Anwendung, so wie der Maßstab die Relation zwischen Landkarte und Landschaft<br />
herstellt.<br />
✷ Die physikalische Ähnlichkeit zweier Versuchskonfigurationen ist gleichbedeutend ihrer<br />
geometrischen Ähnlichkeit.<br />
✷ Bedingung <strong>für</strong> die korrekte Übertragung vom Modell zum Original ist, dass die relevanten<br />
Kennzahlen in beiden Fällen den selben Zahlenwert haben.<br />
✷ Hinreichende Bedingung <strong>für</strong> die korrekte Übertragung vom Modell zum Original ist,<br />
dass alle Kennzahlen des Systems in der selben Größenordnung liegen.<br />
✷ Die Reynolds-Ähnlichkeit legt die Größe eines Windkanal-Modells eindeutig fest.<br />
✷ Die Anzahl der Einflussgrößen eines Systems abzüglich der Anzahl der in den ersteren<br />
vorkommenden Grundeinheiten ergibt die Anzahl der unabhängigen Kennzahlen.
Kapitel 10<br />
Freie Konvektion<br />
Wenn eine Massenkraft auf ein Fluid mit räumlich unterschiedlicher Dichte wirkt, so resultieren<br />
Auftriebskräfte, welche eine freie oder natürliche Konvektionsströmung hervorrufen<br />
können. Die Dichteinhomogenitäten können dabei aus Temperatur- oder Konzentrationsunterschieden<br />
des Fluids resultieren. Anders als bei der bisher untersuchten Zwangskonvektion<br />
wird die Fluidbewegung in diesem Falle also nicht durch äußere Antriebe (Pumpen, Gebläse,<br />
Wind) verursacht, sondern durch systemimmanente treibende Kräfte.<br />
Die wohl häufigste Situation, auf die wir uns in diesem Kapitel konzentrieren werden, ist die<br />
durch Temperaturunterschiede induzierte Strömung eines Gases im Schwerefeld der Erde 1 .<br />
Betrachte z.B. die Temperatur- und Geschwindigkeitsverteilung in einem beheizten Raum:<br />
die am Heizkörper erwärmte Luft steigt aufgrund der verringerten Dichte nach oben und<br />
verursacht im Zimmer eine Zirkulationsströmung. Diese freie Konvektionsströmung sorgt nicht<br />
nur <strong>für</strong> eine gleichmäßigere Verteilung der Temperatur im Raum, sondern erhöht auch den<br />
Wärmeübergang am Heizkörper – die Wirkung (= Strömung) beeinflusst gewissermaßen ihre<br />
Ursache (= Temperatur- und Dichteunterschiede).<br />
In der Tat sind – wie wir sehen werden – die Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong> Impuls und Energie<br />
bei freier Konvektion stark miteinander gekoppelt. Anders als bei Problemen der Zwangskonvektion<br />
ist es deshalb nicht möglich, das Geschwindigkeitsfeld vorab und unabhängig von<br />
der Temperatur zu bestimmen, um dann in einem zweiten Schritt die Temperaturverteilung<br />
bei gegebenem Geschwindigkeitsfeld zu berechnen. Dies macht die Berechnung von freien<br />
Konvektionsströmungen ungleich schwieriger als bei erzwungener Strömung.<br />
Mm Modellfall der laminaren, freien Konvektion an einer vertikalen, isotherm beheizten Platte<br />
(einer isothermen Wand) wesentliche Konzepte – Grenzschichtgleichungen, Boussinesq-Näherung,<br />
Kennzahlen – vorgestellt und einige Aspekte der (Ähnlichkeits)lösung nach Pohlhausen<br />
und Ostrach [4, 3] diskutiert. Außerdem werden einige wichtige Korrelationen vorgestellt.<br />
1 Neben der Schwerkraft können z.B. in der Meteorologie auch Coriolis- oder Zentrifugalkräfte eine wichtige<br />
Rolle spielen.<br />
123
124 KAPITEL 10. FREIE KONVEKTION<br />
10.1 Freie, laminare Konvektion an der isothermen Wand<br />
T -T<br />
T w<br />
w �<br />
T �<br />
x<br />
� t<br />
�<br />
T(y)<br />
u(y)<br />
Abbildung 10.1: Geschwindigkeits- und<br />
Temperaturgrenzschichten bei freier, laminarer<br />
Konvektion an einer isothermen<br />
Wand.<br />
y<br />
Als beispielhafter Modellfall soll eine vertikale<br />
ebene Platte der Länge L mit der konstanten<br />
Wandtemperatur TW in einem umgebenden Fluid<br />
(η, ρ, cp, λ) der Temperatur T∞ < TW gegeben<br />
sein. Wie bei der Zwangskonvektion wird sich eine<br />
hydraulische und eine thermische Grenzschicht<br />
ausbilden. Während das Temperaturprofil den<br />
gleichen monotonen Verlauf erwarten lässt, muss<br />
das Geschwindigkeitsprofil nicht nur an der Wand<br />
” haften“, sondern auch beim Übergang zum ruhenden<br />
Fluid gegen Null streben und demnach<br />
ein Maximum und einen Wendepunkt aufweisen<br />
(siehe Abb. 10.1).<br />
Eine ungewöhnliche Eigenschaft dieser Grenzschichtströmung<br />
lässt sich aus elementaren Überlegungen<br />
und ” ganz ohne Mathematik“ herleiten:<br />
Fluidelemente, deren Dichte geringer ist als die<br />
Umgebungsdichte ρ∞, verspüren eine Auftriebskraft<br />
und werden mit einer Geschwindigkeit,<br />
die sich aus dem Gleichgewicht von Zähigkeitsund<br />
Auftriebskräften ergibt, nach oben steigen.<br />
Darüber hinaus werden aufgrund der Zähigkeit<br />
auch benachbarte Fluidelemente, die selbst keine<br />
Auftriebskraft verspüren, ”mitgeschleppt”. Es<br />
folgt, dass unabhängig vom Wert der Prandtl-<br />
Zahl die Geschwindigkeitsgrenzschicht in jedem<br />
Falle dicker ist als die thermische Grenzschicht.<br />
Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Zwangskonvektion,<br />
wo im allgemeinen gilt<br />
δt ∼ δ<br />
n ,<br />
Pr<br />
(mit positivem n) und somit bei kleinen Prandtl-Zahlen die thermische Grenzschicht dicker<br />
als die hydraulische Grenzschicht ist.<br />
10.2 Boussinesq-Approximation der Grenzschichtgleichungen<br />
Die nach dem Prandtlschen Grenzschichtkonzept vereinfachten Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong><br />
Masse, Impuls und Energie sind bis auf die Berücksichtigung der Dichte in der Kontinuitätsgleichung<br />
und des Schwerkraft- bzw. Auftriebsterms in der x-Impulsgleichung mit jenen des
10.2. BOUSSINESQ-APPROXIMATION DER GRENZSCHICHTGLEICHUNGEN 125<br />
vorausgegangenen Abschnitts identisch. Da kein Stoffaustausch stattfinden soll, werden Dichteänderungen<br />
und Auftrieb nur thermisch ausgelöst.<br />
Kontinuitätsgleichung:<br />
x-Impuls (Grenzschicht):<br />
x-Impuls (ruhendes Fluid):<br />
y-Impuls (Grenzschicht):<br />
Energiegleichung:<br />
∂ρu<br />
∂x<br />
+ ∂ρv<br />
∂y<br />
u ∂u ∂u<br />
+ v = −1<br />
∂x ∂y ρ<br />
0 = − 1<br />
0 = − 1<br />
ρ<br />
u ∂T<br />
∂x<br />
∂p<br />
∂y<br />
ρ∞<br />
= 0; (10.1)<br />
∂p<br />
∂x − g + ν ∂2u ; (10.2)<br />
∂y2 ∂p<br />
− g + 0; (10.3)<br />
∂x<br />
⇒ ∂p<br />
∂x<br />
+ v ∂T<br />
∂y = a∂2 T<br />
∂x 2<br />
dp<br />
≡ ; (10.4)<br />
dx<br />
(10.5)<br />
Nach Gleichung (10.3) folgt <strong>für</strong> das ruhende Fluid außerhalb der Grenzschicht die Beziehung<br />
dp/dx = −ρ∞ · g, welche wegen (10.4) in (10.2) substituiert werden kann:<br />
u ∂u<br />
∂x<br />
+ v ∂u<br />
∂y<br />
g<br />
=<br />
ρ (ρ∞ − ρ) + ν ∂2u ∂y2 Trägheit Auftrieb Zähigkeit<br />
Boussinesq bzw. Oberbeck führten zur Vereinfachung obiger Gleichungen folgende Näherungen<br />
ein:<br />
1. Das Fluid wird bis auf den Auftriebsterm (in obiger Gleichung) als inkompressibel behandelt,<br />
die Kontinuitätsgleichung vereinfacht sich zu ∂u/∂x + ∂v/∂y = 0 (Divergenzfreie<br />
Geschwindigkeit).<br />
2. Der Volumenausdehnungskoeffizient β wird linearisiert:<br />
β = − 1<br />
ρ<br />
� �<br />
∂ρ<br />
∂T<br />
≈ − 1<br />
ρ<br />
� �<br />
ρ∞ − ρ<br />
=<br />
T∞ − T<br />
1<br />
ρ<br />
die x-Impuls-Gleichung (10.2) lautet dann:<br />
p<br />
u ∂u ∂u<br />
+ v<br />
∂x ∂y = gβ (T − T∞) + ν ∂2u ∂y2 � ρ∞ − ρ<br />
T − T∞<br />
�<br />
;<br />
(10.6)<br />
3. Sämtliche Stoffwerte (β, λ, ρ, cp, ν) werden als näherungsweise konstant betrachtet, man<br />
wählt die mittlere Grenzschichttemperatur TB = (TW + T∞)/2 als Bezugstemperatur.<br />
Bewegungs- und Energiegleichung sind demnach über den Temperaturterm wechselseitig gekoppelt.
126 KAPITEL 10. FREIE KONVEKTION<br />
10.3 Kennzahlen und Ähnlichkeitslösungen <strong>für</strong> die isotherme<br />
Wand<br />
Als Bezugsgrößen sind L und ∆T ≡ TW − T∞ durch die Modellbeschreibung gegeben, jedoch<br />
existiert keine aufgeprägte charakteristische Geschwindigkeit. Wir definieren deshalb:<br />
dann folgt das Gleichungssystem<br />
� ∂ũ<br />
�<br />
ũ ∂θ<br />
∂˜x<br />
˜x = x y u<br />
; ˜y = ; ũ =<br />
L L uB<br />
� uB<br />
; θ =<br />
T − T∞<br />
TW − T∞<br />
∂˜v<br />
+ = 0,<br />
∂˜x ∂˜y L<br />
�<br />
ũ ∂ũ<br />
�<br />
∂ũ u2 B + ˜v<br />
∂˜x ∂˜y L = gβ (TW − T∞) θ + ∂2ũ ∂˜y<br />
�<br />
∂θ uB<br />
+ ˜v<br />
∂˜y L · (TW − T∞) = a<br />
L2 (TW − T∞) ∂2θ ,<br />
∂˜y 2<br />
mit den erforderlichen Randbedingungen<br />
ũ(˜x, 0) = ˜v(˜x, 0) = 0; θ(˜x, 0) = 1,<br />
ũ(˜x, ∞) = 0; θ(˜x, ∞) = 0.<br />
ν,<br />
L2 2 · uB<br />
Die ” Kundschafter“-Geschwindigkeit uB liefert aus der zweiten Gleichung (nach bekanntem<br />
Schema) die ” System“-Geschwindigkeit uB = ν/L sowie die nach Grashof benannte Auftriebskennzahl:<br />
bzw. ” örtlich“<br />
GrL = gβ (TW − T∞) L3 ν2 ,<br />
Grx = gβ (TW − T∞) x3 ν2 .<br />
Diese repräsentiert das Verhältnis der auf das Fluid wirkenden Auftriebskraft zur hemmenden<br />
Zähigkeitskraft.<br />
Aus der Energiegleichung lässt sich auf einfache Weise die schon bekannte Prandtl-Zahl<br />
P r = ν a als Einflussparameter eruieren. 1930 gelang es Schmidt und Beckmann mit Unterstützung<br />
des Mathematikers Polhausen den oben definierten Modellfall speziell <strong>für</strong> Luft<br />
experimentell und theoretisch zu lösen. Squire hat 1938 mit Hilfe des sog. Integralverfahrens<br />
die (angenäherte) allgemeine Lösung <strong>für</strong> 0 ≤ P r → ∞ gewonnen. Schließlich gelang es 1953<br />
Ostrach die lange gesuchte Ähnlichkeitslösung“ zu finden, indem er dimensionslose y- und<br />
”<br />
u-Koordinaten der Form<br />
y = y<br />
� �1/4 Grx<br />
u · x<br />
und u =<br />
x 4<br />
2v Gr−1/2 x .<br />
einführte. Die Lösungen <strong>für</strong> das Geschwindigkeitsfeld und das Temperaturfeld sind in Abb.<br />
10.2 in dimensionsloser Form dargestellt
10.3. KENNZAHLEN UND ÄHNLICHKEITSLÖSUNGEN FÜR DIE ISOTHERME WAND127<br />
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�<br />
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� �������<br />
�� ���<br />
Abbildung 10.2: Ähnlichkeitslösungen <strong>für</strong> Geschwindigkeit (links) und Temperatur (rechts)<br />
bei freier, laminarer Konvektion an einer isothermen Wand.<br />
Auch bei freier Konvektion existiert eine kritische Lauflänge xk, bei der die Strömung den<br />
schon bekannten Umschlag laminar/turbulent erfährt. Maßgebend ist hier<strong>für</strong> - wie nach den<br />
vorausgegangenen Erörterungen zu erwarten- wieder ein dimensionsloser Ähnlichkeitsparameter,<br />
und zwar die nach Lord Rayleigh benannte Kennzahl<br />
Es gilt<br />
Rax = Grx · Pr = g · β · (TW − T∞) x3 , bzw. RaL = GrL · Pr<br />
ν · a<br />
Rax,k = Grx,k · Pr ≈ 10 9 .<br />
Fragt man sich, warum nicht analog zur Zwangskonvektion die wie die Rex-Zahl aus der Bewegungsgleichung<br />
erschlossene Grx-Zahl <strong>für</strong> den Umschlag alleine maßgeblich ist, so lautet<br />
die Erklärung: Die enge wechselseitige Verkettung von Temperatur- und Geschwindigkeitsfeld<br />
bei freier Konvektion bedingt folgerichtig die Einbeziehung der das Zusammenwirken von<br />
diffusivem Impuls- und Wärmetransport regierenden Prandtl-Zahl .<br />
Wegen der viel geringeren Geschwindigkeiten bei Naturkonvektion erhält man wesentlich<br />
dickere Grenzschichten als bei Zwangskonvektion mit der Konsequenz, dass unterhalb von<br />
Rax,0 ≈ 10 4 die Voraussetzungen der Grenzschichttherorie δ(x)/x ≪ 1 nicht mehr erfüllt sind<br />
und folglich die im Anschluss mitgeteilten Gebrauchsformeln unbrauchbar werden:
128 KAPITEL 10. FREIE KONVEKTION<br />
δ<br />
x<br />
=<br />
Ra1/4 x<br />
3, 93<br />
h( Pr)<br />
mit<br />
�<br />
Pr<br />
h( Pr) =<br />
0, 952 + Pr<br />
α(x) = 0, 508 · h( Pr) λ<br />
Nu(x)x =<br />
1/4<br />
(Rax)<br />
x<br />
α(x) · x<br />
= 0, 508 · h( Pr) (Rax)<br />
λ<br />
1/4<br />
α = 1<br />
�L<br />
α(x) dx =<br />
L<br />
4<br />
3 α(L)<br />
NuL =<br />
0<br />
α · L<br />
0, 679 · h( Pr) · Ra1/4<br />
L<br />
λ<br />
mit RaL = GrL · Pr = gβ (TW − T∞) L 3<br />
und 10 4 ≤ Ra ≤ 10 9<br />
νa<br />
� 1/4
Literaturverzeichnis<br />
[1] H. D. Baehr and K. Stephan. Wärme- und Stoffübertragung. Springer Verlag, 1998. 3rd<br />
Edition.<br />
[2] F. P. Incropera and D. P. DeWitt. Fundamentals of Heat and Mass Transfer. John Wiley<br />
& Sons, 1996. 4th Edition.<br />
[3] S. Ostrach. An Analysis of Laminar Free Convection Flow and Heat Transfer about a<br />
Flat Plate Parallel to the Direction of the Generating Body Force. NACA Techn. Report,<br />
(1111), 1953.<br />
[4] E. Pohlhausen. Der Wärmeaustausch zwischen festen Körpern und Flüssigkeiten mit<br />
kleiner Reibung. Z. Angew. Math. Mech., 1:115–121, 1921.<br />
[5] J. Stichlmair. Anwendung der Ähnlichkeitsgesetze bei vollständiger und partieller Ähnlichkeit.<br />
Chem.-Ing.-Tech., 63(1):38–51, 1991.<br />
[6] J. Zierep. Ähnlichkeitsgesetze und Modellregeln der Strömungslehre. G. Braun, Karlsruhe,<br />
2nd edition, 1982.<br />
129
130 LITERATURVERZEICHNIS
Anhang A<br />
Nomenklatur<br />
Deutsche und englische Formelzeichen<br />
dt. Bezeichnung engl. Bezeichnung Einheit<br />
Temperaturleitfähigkeit a α thermal diffusivity m 2<br />
s<br />
Wärmestrom ˙ Q q heat transfer rate W<br />
Wärmestromdichte ˙q q ′′ heat flux W<br />
m 2<br />
Wärmequellendichte ˙w ˙q rate of energy generation per unit<br />
volume<br />
Wärmedurchgangszahl k U overall heat transfer coefficient W<br />
m 2 K<br />
Wärmeübergangskoeffizient α h convection heat transfer coefficient W<br />
m 2 K<br />
Wärmeleitfähigkeit λ k thermal conductivity W<br />
mK<br />
dynamische Viskosität η µ viscosity Ns<br />
m 2<br />
Rohrreibungsbeiwert ψ f friction factor –<br />
131<br />
W<br />
m 3
132 ANHANG A. NOMENKLATUR
Anhang B<br />
Kennzahlen<br />
Biot-Zahl<br />
Bi = L/λ<br />
1/α<br />
= α · L<br />
λ<br />
(B.1)<br />
Die Biot-Zahl stellt das Verhältnis des Wärmeleitwiderstandes im Körper zu dem<br />
Wärmeübergangswiderstand der Grenzschicht dar.<br />
Bond-Zahl<br />
Bo = g (ϱl − ϱv) L 2<br />
σ<br />
(B.2)<br />
Die Bond-Zahl trägt zur dimensionslosen Beschreibung von Wärmeübertragungsvorgängen<br />
mit Phasenumwandlung bei. Sie charakterisiert das Verhältnis von Gravitationskraft zu<br />
Oberflächenspannungskräften.<br />
Fourier-Zahl<br />
Fo =<br />
a · t<br />
L 2<br />
(B.3)<br />
Die Fourier-Zahl ist eine dimensionslose Zeit. Sie beschreibt das Verhältnis von Wärmeleitung<br />
zu Wärmespeicherung im Festkörper<br />
133
134 ANHANG B. KENNZAHLEN<br />
Grashof-Zahl<br />
Gr =<br />
g β ∆T L3<br />
ν 2<br />
(B.4)<br />
Die Grashof-Zahl, eine Kennzahl der freien Konvektion. beschreibt das Varhältnis der<br />
Auftriebskräfte zu den Reibungskräften.<br />
Jakob-Zahl<br />
Ja = cP ∆T<br />
∆hV<br />
(B.5)<br />
Die Jakob-Zahl stellt das Verhältnis der fühlbaren Wärme zur zu- oder abgeführten Umwandlungsenthalpie<br />
dar. Somit ist die Jakob-zahl eine weitere dimensionslose Kennzahl,<br />
die der Beschreibung des Wärmeübergangs bei Phasenumwandlung dient.<br />
Lewis-Zahl<br />
Le = a<br />
DAB<br />
Die Lewis-Zahl beschriebt das Verhältnis von thermischer zu stofflicher Diffusion.<br />
Nußelt-Zahl<br />
Nu =<br />
α · L<br />
λ<br />
(B.6)<br />
(B.7)<br />
Die Nußelt-Zahl bezieht den Wärmestrom infolge Konvektion auf den Wärmestrom infolge<br />
Leitung durch die Grenzschicht. Sie wird oft auch als dimensionsloser Wärmeübergangskoeffizient<br />
oder dimensionsloser Temperaturgradient bezeichnet.<br />
Péclet-Zahl<br />
Pe =<br />
w · L<br />
a<br />
= w · L<br />
ν<br />
· ν<br />
a<br />
= Re · Pr (B.8)<br />
Die Péclet-Zahl gibt das Verhältnis des konvektiven Wärmetransportes zum Wärmestrom<br />
infolge Wärmeleitung an.
Prandtl-Zahl<br />
Pr = ν<br />
(B.9)<br />
a<br />
Die Prandtl-Zahl ist ein Maß <strong>für</strong> das Verhältnis von Impuls- zu Wärmetransport und<br />
enthält nur Stoffgrößen.<br />
Rayleigh-Zahl<br />
g β ∆T L3<br />
Ra = =<br />
ν a<br />
g β ∆T L3<br />
ν2 · ν<br />
= Gr · Pr (B.10)<br />
a<br />
Die Rayleigh-Zahl charakterisiert den Umschlag laminar/turbulent der freien Konvektion.<br />
Reynolds-Zahl<br />
w · L<br />
Re = (B.11)<br />
ν<br />
Die Reynolds-Zahl stellt das Verhältnis von Trägheitskraft zur Reibungskraft dar.<br />
Schmidt-Zahl<br />
Sc = ν<br />
DAB<br />
135<br />
(B.12)<br />
Die Schmidt-Zahl beschreibt den Impuls-Transport durch Diffusion bezogen auf den<br />
Spezies-Transport durch Diffusion<br />
Sherwood-Zahl<br />
Sh =<br />
β · L<br />
DAB<br />
Die Sherwood-Zahl ist der dimensionslose Konzentrationsgradient an der Wand.<br />
(B.13)