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Wärmetransportphänomene - Lehrstuhl für Thermodynamik - TUM

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Skriptum zur Vorlesung<br />

<strong>Wärmetransportphänomene</strong><br />

Sommersemester 2003<br />

Copyright c○<strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Thermodynamik</strong>, TU München, 2003


ii<br />

Vorlesung:<br />

Prof. Wolfgang Polifke – 289 16216 – MW 1726 – wolfgang.polifke@td.mw.tum.de<br />

Termin:<br />

Do, 8:30 - 10:00, MW 2001<br />

Termin der ersten Vorlesung:<br />

Mi, 9. April, 8:30 - 9:15, MW 0001<br />

Vorlesungsbetreuung:<br />

Jochen Kalb – 289 16230 – MW 0732 – jochen.kalb@td.mw.tum.de<br />

Übung:<br />

Mi, 8:30 - 9:15, MW 0001<br />

Zusatzübung:<br />

nach Vereinbarung<br />

Sprechstunde:<br />

Do, 14:00 - 15:30, MW 0732<br />

Copyright c○<strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Thermodynamik</strong>, TU München, 2003<br />

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte der Vervielfältigung<br />

und Verbreitung, sowie der Übersetzung und des Nachdrucks bleiben, auch bei nur auszugsweiser<br />

Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie,<br />

Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des <strong>Lehrstuhl</strong>s<br />

<strong>für</strong> <strong>Thermodynamik</strong> reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,<br />

vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />

Dieser Umdruck dient als vorlesungsbeleitendes Skript, das eine Mitschrift beim Besuch der<br />

Lehrveranstaltungen und das selbständige Erarbeiten von Übungsaufgaben nicht ersetzt.


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einführung 1<br />

2 Grundbegriffe der Wärmeleitung 5<br />

2.1 Das Fouriersche Gesetz der Wärmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

2.2 Fouriersche Differenzialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.3 Zeitliche und örtliche Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

3 Stationäre Wärmeleitung 15<br />

3.1 Wärmedurchgang und Péclet-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

3.1.1 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> die Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

3.1.2 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> den Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

3.1.3 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> die Kugelschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

3.1.4 Dimensionslose Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

3.1.5 Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

3.2 Zweidimensionale Wärmeleitung (Formfaktoren) . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

3.3 Wärmeleitung mit Wärmequellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

4 Instationäre Wärmeleitung - Methode der Blockkapazität 33<br />

4.1 Sprungantwort einer Blockkapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

4.2 Thermometerfehler der 1. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

4.3 Biot- und Fourier Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

4.3.1 Gültigkeitsbereich der Näherung ” Blockkapazität“ . . . . . . . . . . . 37<br />

4.3.2 Ähnlichkeitsform der Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

iii


iv INHALTSVERZEICHNIS<br />

5 Wärmestrahlung 41<br />

5.1 Begriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

5.2 Schwarze Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

5.3 Emission und Absorption nicht-schwarzer Strahler . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

5.3.1 Der “graue“ Strahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

5.3.2 Der “reale“ Strahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

5.3.3 Schwarze Körper sind nicht schwarz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

5.4 Kirchhoffsches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

5.5 Einfache Strahlungsaustauschbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

5.6 Wellenlängenabhängigkeit optischer Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

5.6.1 Spektraler Emissionsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

5.6.2 Spektrale Absorptions-, Reflektions- & Transmissionsgrade . . . . . . 50<br />

5.6.3 Schwarzkörperfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

5.6.4 Der Treibhauseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

5.7 Gasstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

5.8 Strahlung & Wärmeübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

6 Massen- und Energiebilanzen <strong>für</strong> durchströmte Systeme 61<br />

6.1 Ideal gerührter Behälter mit Zu- und Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

6.2 Wärmeverluste bei Strömung im Rohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

6.3 Wärmetauscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

6.3.1 Dimensionslose Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

6.3.2 Betriebscharakteristik des Gegenstromwärmetauschers . . . . . . . . . 70<br />

6.3.3 Wirkungsgrad eines Wärmetauschers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

6.3.4 Mittlere Temperaturdifferenz des Gegenstrom-Wärmetauschers . . . . 73<br />

6.3.5 Wärmetauscher mit Phasenumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

6.3.6 Weitere Bauformen von Wärmetauschern . . . . . . . . . . . . . . . . 75


INHALTSVERZEICHNIS v<br />

7 Grundbegriffe von Wärmeübergang und Konvektion 79<br />

7.1 Wesentliche Ergebnisse der Strömungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

7.1.1 Zähigkeit und Schubspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

7.1.2 Reibungs- und Widerstandsbeiwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

7.1.3 Der Begriff der Grenzschicht nach Prandtl . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

7.1.4 Der Begriff der Turbulenz nach Reynolds . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

7.1.5 Die hydrodynamischen Grundgesetze viskoser Fluide . . . . . . . . . . 84<br />

7.1.6 Die Energieerhaltungsgleichung viskoser Fluide . . . . . . . . . . . . . 85<br />

7.2 Dimensionslose Form der Erhaltungsgleichungen und<br />

Kennzahlen der Thermo-Fluiddynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

7.2.1 Reynolds-, Péclet- und Prandtl-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

7.2.2 Nußelt-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

8 Impuls- und Wärmeübertragung in der Plattengrenzschicht 95<br />

8.1 Grenzschichtgleichungen <strong>für</strong> Zwangskonvektion . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

8.2 Analytische Grenzschichtlösungen <strong>für</strong> die ebene Platte . . . . . . . . . . . . . 97<br />

8.2.1 Ähnlichkeitslösung <strong>für</strong> das Geschwindigkeitsfeld . . . . . . . . . . . . . 97<br />

8.2.2 Temperaturfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />

8.2.3 Anwendungsbeziehungen – Korrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

8.3 Grenzschichtablösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

9 Ähnlichkeitstheorie und Kennzahlen 107<br />

9.1 Bestimmung von Kennzahlen – π-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

9.1.1 Sprungabkühlung eines Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

9.1.2 Sprungabkühlung eines gut wärmeleitenden Körpers . . . . . . . . . . 110<br />

9.2 Bestimmung von Kennzahlen aus den Differenzialgleichungen . . . . . . . . . 111<br />

9.3 Die funktionale Form der Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />

9.4 Auslegung von Modellversuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />

9.5 Darstellung experimenteller Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

9.5.1 Experimentelle Untersuchung des Wärmeübergangs an der ebenen Platte117<br />

9.5.2 Reibungswiderstand glatter Rohre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118


vi INHALTSVERZEICHNIS<br />

9.6 Dimensionslose Form der Lösungen und<br />

Ähnlichkeitslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

9.7 Analogien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />

9.7.1 Reynolds-Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />

10 Freie Konvektion 123<br />

10.1 Freie, laminare Konvektion an der isothermen Wand . . . . . . . . . . . . . . 124<br />

10.2 Boussinesq-Approximation der Grenzschichtgleichungen . . . . . . . . . . . . 124<br />

10.3 Kennzahlen und Ähnlichkeitslösungen <strong>für</strong> die isotherme Wand . . . . . . . . . 126<br />

A Nomenklatur 131<br />

B Kennzahlen 133


Kapitel 1<br />

Einführung<br />

In der Vorlesung <strong>Thermodynamik</strong> I wurden Systeme betrachtet, deren Zustandsgrößen Temperatur,<br />

Druck, innere Energie etc. sich durch Austausch von Arbeit und Wärme über die<br />

Systemgrenze oder Kontrollfläche mit der Umgebung von einem Anfangsgleichgewichtszustand<br />

” 1 “ - theoretisch nach unendlich langer Zeit - in einen Endgleichgewichtszustand ” 2 “<br />

überführen lassen. Für geschlossene Systeme liefert der 1. Hauptsatz der <strong>Thermodynamik</strong><br />

den quantitativen Zusammenhang zwischen Änderung der inneren Energie einerseits, sowie<br />

Arbeits- und Wärmezufuhr andererseits:<br />

U2 − U1 = W12 + Q12. (1.1)<br />

Die verschiedenen Arbeitsmoden und damit W12 sind zum Teil schon aus der Mechanikvorlesung<br />

bekannt sind. Um die Wärmezufuhr Q12 zu bestimmen, müssen wir im Folgenden die<br />

Mechanismen der Wärmeübertragung durch eine genauere Inspektion der Transportvorgänge<br />

an der Systemgrenze physikalisch und mathematisch erschließen. Hierbei sind zwei wesentliche<br />

Gesichtspunkte zu beachten:<br />

• Wärme ist definitionsgemäß die unter der Wirkung eines Temperaturgefälles - ohne<br />

Arbeitsleistung - vom höheren zum niederen Temperaturniveau fließende Energieform<br />

(2. Hauptsatz der <strong>Thermodynamik</strong>!).<br />

• Dieser Übertragungsprozess verläuft grundsätzlich zeitabhängig und durch Ungleichgewichtszustände;<br />

er lässt sich jedoch fast immer als quasistationär behandeln.<br />

• Um Wärmetransportvorgänge an der Systemgrenze zu beschreiben ist das ” Grenzgebiet“<br />

selbst als ausgedehntes System zu betrachten.<br />

Abb. 1.1 verdeutlicht den Sachverhalt. Sie zeigt einen (im Winter) beheizten ” Wohnraum“<br />

als Hauptsystem (1), der über das ausgedehnte Zwischensystem ” Kontrollgrenze“ (2) an das<br />

Nebensystem ” Umgebung“ (3) Wärme abgibt. Die Heizung H im System (1) soll z.B. so<br />

nachgeregelt werden, dass trotz variabler Umgebungstemperatur T∞(t) die Raumtemperatur<br />

1


2 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG<br />

¡ ¢<br />

£<br />

∞<br />

¥§¦¨ ©<br />

¥§¦¨ £ ¤<br />

Abbildung 1.1: Wärmedurchgang: Wohnraum (1) Gebäudehülle (2) Umgebung (3)<br />

T konstant bleibt; es fließt dann ein zeitveränderlicher Wärmestrom ˙ Q(t) durch das im thermischen<br />

Ungleichgewicht befindliche System (2), bestehend aus Mauerwerk und den beiden<br />

angrenzenden Luftgrenzschichten, in welchen Konvektionsbewegungen auftreten.<br />

Häufig sind Wärmetransportvorgänge eng mit Massen-, bzw. Stoff- und Impulstransportprozessen<br />

gekoppelt (Strömung, Verdunstung). Die physikalisch/mathematische Basis der Lehre<br />

von der Wärme- und Stoffübertragung bilden zum einen die Erhaltungssätze <strong>für</strong> Masse, Impuls<br />

und Energie sowie empirisch gefundenen Transportgesetze. Transportgesetze verknüpfen den<br />

” Fluss“ (Transport pro Zeit- und Flächeneinheit) einer Erhaltungsgröße über einen ” Transportkoeffizienten“<br />

mit einem angelegten ” Potentialgefälle“ verknüpfen.<br />

Beispiele 1: Ohm’sches Gesetz,<br />

j = σ E,<br />

die Stromdichte j (elektrische Ladung pro Fläche und Zeit) ist proportional zum elektrischen<br />

Feld E; die Proportionalitätskonstante ist die Leitfähigkeit σ.<br />

Beispiel 2: der aus der Strömungsmechanik bekannte Schubspannungsansatz von Newton:<br />

τ = η du<br />

dy ,<br />

die Schubspannung τ ist gleich dem Produkt aus Viskosität η und Geschwindigkeitsgradient<br />

du/dy.<br />

Die drei Hauptmechanismen der Wärmeübertragung sind:<br />

1. Wärmeleitung (Konduktion), d.h. diffuser Energietransport, bewirkt durch Bewegung<br />

der Atome bzw. Moleküle in Flüssigkeiten und Gasen, Gitterschwingungen (Phononen)<br />

in Festkörpern und freie Elektronen in elektrisch leitenden Medien.<br />

2. Konvektion, d.h. makroskopischer (advektiver) Energietransport in Flüssigkeiten und<br />

Gasen durch Strömung. Konvektion dominiert in strömenden Fluiden zumeist die Konduktion,<br />

mit Ausnahme von wandnahen Bereichen. Fluide kommen an Wänden völlig<br />

zur Ruhe (sie haften dort), in Wandnähe regieren sogenannte Geschwindigkeits- und


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�����<br />

�������<br />

Abbildung 1.2: ” Feuerlöschen“ – Wassertransport in Analogie zu den drei Wärmetransportmechanismen<br />

Konduktion (1), Konvektion (2) und Strahlung (3).<br />

Temperaturgrenzschichten den Impuls-, Wärme- und Stofftransport. Die Gesetzmäßigkeite<br />

des Wärmeüberganges werden in dieser Vorlesung noch ausführlich diskutiert.<br />

3. Wärmestrahlung (Radiation), d.h. elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich<br />

von 0,1 bis 1000 µm, vornehmlich zwischen festen oder flüssigen Oberflächen<br />

unterschiedlicher Temperatur mit strahlungsdurchlässigen Zwischenräumen (Luft, Vakuum).<br />

Diese ” Temperaturstrahlung“ erfordert im Gegensatz zu den beiden anderen<br />

Mechanismen keinen stofflichen Träger (Beispiel: Solarenergie).<br />

Beachte, dass diese unterschiedlichen Mechanismen der Wärmeübertragung häufig in Kombination<br />

und sogar in Wechselwirkung miteinander auftreten.<br />

Anwendungsbereiche der Lehre vom Wärme- und Stoffaustausch:<br />

• Hemmende Wirkung: Wärmedämmung von Gebäuden, Rohrleitungen, Menschen (Kleidung).<br />

• Befördernde Wirkung: Chemieanlagen, Klimaanlagen, Wärmekraftanlagen, Wärmetauscher.<br />

• Ausbreitungsvorgänge: Rauchgasfahnen, Kühlwassereinleitung in Flüsse, Schadstoffausbreitung<br />

im Boden.<br />

• Extremanforderungen bezüglich Wärmeabfuhr: Generatoren, Kernreaktoren, Gasturbinen,<br />

elektronische Bauteile (!).<br />

�����<br />

3


4 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG<br />

e✷Xerzitien<br />

Richtig ✷X oder falsch ?<br />

✷ in Gasen ist die mittlere freie Weglänge viel größer als in Flüssigkeiten, weshalb bei<br />

Ersteren die Wärmeleitung (Konduktion) die Konvektion immer dominiert.<br />

✷ im Mikrowellenherd wird das Kochgut durch Mikrowellen – langwellige elektromagnetische<br />

Strahlung – erwärmt. Trotzdem zählen die Mikrowellen nicht zur Wärmestrahlung,<br />

da sie nicht ” thermisch angeregt“ sind, d.h. die Physik ihrer Entstehung ist eine Andere<br />

als bei der Wärmestrahlung.<br />

✷ wie der Name schon andeutet, ist der Wärmefluß (Transport von Wärme pro Zeit- und<br />

Flächeneinheit) nur bei der Konvektion von Bedeutung.<br />

✷ die Transportkoeffizienten sind Proportionalitätsfaktoren, welche eine Ursache (Temperatur-,<br />

Geschwindigkeits- oder Potentialgradient) mit der resultierenden Wirkung (Transport<br />

von Wärme, Impuls, elektrische Ladung) ins Verhältnis setzen.


Kapitel 2<br />

Grundbegriffe der Wärmeleitung<br />

2.1 Das Fouriersche Gesetz der Wärmeleitung<br />

Bereits Fourier 1 war mit folgendem Erfahrungsbefund vertraut: Prägt man einer umfangseitig<br />

wärmedichten Platte der Dicke ∆x und der Fläche A die unterschiedlichen Temperaturen T1<br />

und T2 auf (siehe Abb. 2.1), so fließt im Zeitintervall ∆t eine bestimmte Wärmemenge Q<br />

durch die Platte. Diese Wärmemenge Q ist<br />

• proportional zur Temperaturdifferenz T1 − T2,<br />

• proportional zur Fläche A,<br />

• proportional zur Zeitdauer ∆t,<br />

• invers proportional zur Dicke der Platte ∆x,<br />

und hängt ausserdem stark vom Material der Platte ab.<br />

1 Jean Baptiste Joseph Baron de (seit 1808) Fourier, frz. Physiker und Mathematiker, ∗ Auxerre 21.3.<br />

1768, † Paris 16.5. 1830; entwickelte die analyt. Theorie der Wärmeausbreitung und -leitung mit Hilfe von<br />

Fourier-Reihen und Fourier-Integralen, führte den Begriff der physikal. Dimension und der Fourier-Analyse<br />

(harmonische Analyse) ein. ( c○ Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG)<br />

���<br />

λ<br />

∆�<br />

�<br />

��� �<br />

Abbildung 2.1: Stationäre Wärmeleitung durch eine umfangseitig gut wärmeisolierte Platte<br />

5


6 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />

Schäume<br />

CO2<br />

Wärmedämmstoffe<br />

H2<br />

|-- Gase --|<br />

Plastik Eis<br />

Oxide<br />

nichtmetallische Feststoffe<br />

Öl Wasser<br />

Fasern<br />

Quecksilber<br />

|--- Flüssigkeiten ---|<br />

|-- Metalle --|<br />

Nickel Aluminium<br />

Legierungen<br />

0.01 0.1 1 10 100 1000<br />

Abbildung 2.2: Wärmeleitfähigkeit verschiedener Materialien (in W/m·K) verschiedener Materialien<br />

bei Standardbedingungen (nach [2].<br />

Dieser Zusammenhang wird analytisch wie folgt formuliert:<br />

Q = λ T1 − T2<br />

∆x<br />

A ∆t.<br />

Der Koeffizient λ, der die Materialabhängigkeit der Wärmeleitung erfasst, wird Wärmeleitfähigkeit<br />

genannt. Diese reine Stoffgröße ist durch obige Gleichungen definiert und erhält<br />

wegen:<br />

Zink<br />

[Q] = J = W s; [T ] = K; [x] = m; [A] = m 2 ;<br />

die Einheit [λ]= W/ (m K) zugewiesen. Die Wärmeleitfähigkeit ist eine Funktion der Temperatur<br />

des Körpers, diese Abhängigkeit kann in allerdings in vielen Fällen in guter Näherung<br />

vernachlässigt werden. Ganz grob gesprochen ist Die Wärmeleitfähigkeit von Metallen ist<br />

deutlich größer (ungefähr eine Größenordnung) als die von nicht-metallischen Festkörpern,<br />

diese deutlich größer als die von Flüssigkeiten, und diese wiederum wesentlich größer als die<br />

von Gasen. Ein Übersicht vermittelt Bild 2.2, einige Zahlenwerte {λ} sind in Tabelle 2.1<br />

angegeben.<br />

Silber<br />

Stoff Ag Cu Al St VA Glas H2O PVC Luft CO2<br />

{λ} W/ (m K) 410 390 230 52 15 1,4 0,60 0,15 0,026 0,015<br />

Tabelle 2.1: Wärmeleitfähigkeit λ verschiedener Materialien bei 20 ◦ C.


2.2. FOURIERSCHE DIFFERENZIALGLEICHUNG 7<br />

Die pro Zeiteinheit übertragene Wärmemenge ist als Wärmestrom ˙ Q (Einheit W) bekannt<br />

und es gilt:<br />

˙Q ≡ dQ<br />

dt = λ T1 − T2<br />

A. (2.1)<br />

∆x<br />

Die pro Zeit- und Flächeneinheit übertragene Wärmemenge ist die Wärmestromdichte ˙q (Einheit<br />

W/m 2 ). Für die in Bild 2.1 gezeigt Geometrie gilt ˙q = ˙ Q/A, allgemeiner definiert man<br />

<strong>für</strong> die Wärmestromdichte in x-Richung durch ein Flächenelement dA<br />

˙qx ≡ d ˙ Qx<br />

, (2.2)<br />

dA<br />

und analog <strong>für</strong> Wärmeleitung in die y- oder z-Richtung. Die Wärmestromdichte ist wird auch<br />

Wärmefluss genannt.<br />

Fourier postulierte nun, dass beim Grenzübergang ∆x → 0 <strong>für</strong> die Wärmestromdichte die<br />

Differenzialbeziehung<br />

˙qx = −λ ∂T<br />

(2.3)<br />

∂x<br />

gelten sollte, und zwar mit analogen Komponenten in y- und z- Richtung. Diese fundamentale<br />

Beziehung ist als Fouriersches Gesetz bekannt. Was zunächst als phänomenologischer, also<br />

rein empirischer Ansatz formuliert wurde, erwies sich später als nahezu ausnahmslos gültige<br />

Gesetzmäßigkeit.<br />

Die Wärmestromdicht ist eine gerichtete Größe, ein Vektor. Gemäß (2.3) steht dieser Vektor<br />

�˙q senkrecht auf den Isothermflächen des skalaren Temperaturfeldes, �˙q = −λ∇T . Bei dieser<br />

Formulierung wurde vorausgesetzt, dass λ nicht richtungsabhängig (anisotrop) sein soll, wie<br />

dies bei Kristallen, Knochen oder Naturholz der Fall wäre.<br />

Die Einheit des Wärmeflusses folgt zu [ ˙q]= W/m 2 ; typische Zahlenwerte hierzu zeigt folgende<br />

Tabelle:<br />

Solarkonstante : 1300; El. Haushaltsgeräte : 1 - 8 · 10 4 ;<br />

Bensonkessel : 1,5 - 6 · 10 5 ; Kernreaktor, Chips(!) : 1 - 2 · 10 6 ;<br />

2.2 Fouriersche Differenzialgleichung<br />

Nachdem das Transportgesetz der Wärmeleitung (2.3) aufgestellt war, konnte Fourier obwohl<br />

er mit einer inkorrekten Grundkonzeption arbeitete – dem sog. Phlogistonmodell – mit Hilfe<br />

des Energieprinzips die nach ihm benannte partielle Differentialgleichung ableiten. In einem<br />

Cartesischen Koordinatensystem ist die momentane Einspeicherungsrate thermischer Energie<br />

bezüglich eines Massenelementes<br />

durch den Enthalpiestrom<br />

d 3 m = ϱ · dx · dy · dz (2.4)


8 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />

d 3 ˙ HSp = cp · ϱ · ∂T<br />

∂t<br />

· dx · dy · dz (2.5)<br />

gegeben und der aus chemischen, elektrischen oder nuklearen Effekten resultierende ” Quellenthalpiestrom“<br />

über die Wärmequellendichte ˙w durch:<br />

d 3 ˙ HQu = ˙w · dx · dy · dz (2.6)<br />

Die Einheit der Wärmequellendichte ˙w ergibt sich zu [ ˙w] = W/m 3 .<br />

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������� �������������<br />

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Abbildung 2.3: Wärmeleitung durch ein Volumenelement im Cartesischen System<br />

Für die vermöge Wärmeleitung durch ein Volumenelement d 3 V = dx · dy · dz transportierte<br />

Enthalpie folgt über eine Taylor-Entwicklung bezüglich der x-Komponente d 2 ˙ Hx (siehe<br />

Abb. 2.3):<br />

d 2 ˙ Hx = ˙qx · dy · dz,<br />

d 2 �<br />

Hx+dx<br />

˙ = ˙qx +<br />

∂ ˙qx<br />

∂x dx<br />

�<br />

dy · dz.<br />

Werden dem Volumenelement zugeführte Enthalpieströme positiv gezählt, so resultiert nach<br />

Ergänzung der y- und z-Komponenten und Division durch dV die Bilanzgleichung:<br />

∂ ˙qx<br />

−<br />

∂x<br />

− ∂ ˙qy<br />

∂y<br />

− ∂ ˙qz<br />

∂z<br />

+ ˙w = ϱ cp<br />

∂T<br />

∂t ,<br />

bzw. nach Einfügung des Wärmetransportgesetzes nach Fourier:<br />

�<br />

∂<br />

λ<br />

∂x<br />

∂T<br />

�<br />

+<br />

∂x<br />

∂<br />

�<br />

λ<br />

∂y<br />

∂T<br />

�<br />

+<br />

∂y<br />

∂<br />

�<br />

λ<br />

∂z<br />

∂T<br />

�<br />

+ ˙w = ϱ cp<br />

∂z<br />

�<br />

�<br />

∂T<br />

. (2.7)<br />

∂t


2.3. ZEITLICHE UND ÖRTLICHE RANDBEDINGUNGEN 9<br />

Dies ist bezüglich isotroper Medien die allgemeinste Form der Fourierschen Differentialgleichung.<br />

Setzt man <strong>für</strong> λ ferner Unabhängigkeit vom Ort (Homogenität) und von der<br />

Temperatur voraus λ = const. �= λ (x, y, z, T), so folgt die in den nächsten Kapiteln ausschließlich<br />

verwendete vereinfachte Form (in Cartesischen Koordinaten):<br />

∂2T ∂x2 + ∂2T ∂y2 + ∂2T ˙w<br />

+<br />

∂z2 λ<br />

1 ∂T<br />

= . (2.8)<br />

a ∂t<br />

Als zusammengesetzte Stoffgröße erscheint hier beim Zeitterm die Temperaturleitfähigkeit<br />

a ≡ λ<br />

, (2.9)<br />

ϱ cp<br />

als eine Diffusionskonstante <strong>für</strong> Temperaturstörungen in einem Medium ([a] = m 2 /s).<br />

Im zylindrischen Koordinatensystem gilt (spezialisiert auf Rotationssymmetrie: ∂T/∂ϕ = 0)<br />

die analoge Differentialgleichung:<br />

∂ 2T 1 ∂T<br />

+<br />

∂r2 r<br />

∂r + ∂ 2T ˙w<br />

+<br />

∂z2 λ<br />

1 ∂T<br />

= , (2.10)<br />

a ∂t<br />

und im sphärischen Koordinatensystem (spezialisiert auf Kugelsymmetrie: ∂T/∂ϕ = 0;<br />

∂T/∂ψ = 0) entsprechend:<br />

∂ 2T 2 ∂T ˙w 1 ∂T<br />

+ + = (2.11)<br />

∂r2 r ∂r λ a ∂t<br />

Häufig darf man voraussetzen, dass eine untersuchte Platte näherungsweise ” unendlich ausgedehnt“<br />

ist, so dass nur Wärmeleitung in einer Richung berücksichtigt werden muss und<br />

ebenso beim Zylinder, dass dieser unendlich lang ist, also kein Wärmetransport in z-Richtung<br />

erfolgt.<br />

2.3 Zeitliche und örtliche Randbedingungen<br />

Bei den instationären Anfangswertproblemen der Wärmeübertragung ist neben den örtlichen<br />

Randbedingungen eine Anfangsbedingung zur Zeit t = 0 erforderlich, und zwar muss das örtliche<br />

Temperaturfeld T (x, y, z, t = 0) = T0(x, y, z) vorgegeben sein. Im eindimensionalen Fall<br />

demnach T0(x) bzw. T0(r). Die meisten Standardlösungen der instationären Fouriergleichung<br />

setzen überdies T0(x) = Tc = const. voraus.<br />

Bevor wir uns den örtlichen Randbedingungen zuwenden, ist ein Vorgriff auf das Hauptkapitel<br />

” Konvektion“ erforderlich, in dem untersucht wird, welcher Wärmeübergang sich einstellt<br />

zwischen einem Festkörper und einem angrenzenden Fluid (Flüssigkeit oder Gas), welches<br />

den Körper umströmt bzw. (im Fall eines Rohres) durchströmt. Newton hatte 1701 <strong>für</strong> den<br />

fluidseitigen Wärmetransport von der Wand an das strömende Fluid den Ansatz<br />

˙Q = α A (TW − T∞) (2.12)


10 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />

vorgeschlagen, worin neben der Oberfläche A des Körpers, den Wand- bzw. Fluidtemperaturen<br />

TW bzw. T∞ ein Wärmeübergangskoeffizient α eingefügt wurde, der die Einheit<br />

[α] = W/(m 2 K) haben muss. Der Wärmeübergangskoeffizient ist dabei kein Stoffwert, sondern<br />

hängt wesentlich von der Form des umströmten Körpers, sowie den hydrodynamischen<br />

und thermischen Bedingungen in dessen Umgebung ab; die Kapitel zur Konvektion sind<br />

fast ausschließlich der Ermittlung dieses Koeffizienten bei unterschiedlichen Geometrien und<br />

Strömungsbedingungen gewidmet. Bei Betrachtung ähnlicher Transportansätze zeigt sich das<br />

Grundprinzip:<br />

und noch allgemeiner:<br />

” Strom“ = ” Leitfähigkeit“ × ” Potentialdifferenz“<br />

” Wirkung“ = ” Kopplungselement“ × ” Ursache“<br />

Speziell hatten wir eben angeführt: ˙ Q = (α · A) × ∆T (Newton) und erinnern hierzu eine<br />

Analogie aus dem Physikunterricht: I = (1/Rel) × ∆U (Ohm). Man erkennt, dass sich das sehr<br />

anschauliche Widerstandskonzept der Elektrotechnik auf den thermischen Fall übertragen<br />

lässt, wobei <strong>für</strong> den Wärmeübergangswiderstand zu definieren wäre: Rα = 1/(αA).<br />

Wir fassen zusammen:<br />

• der Newtonsche Ansatz, Glchg. (2.12) bzw. <strong>für</strong> die Wärmestromdichte<br />

˙q = α (TW − T∞) , (2.13)<br />

beschreibt den Wärmeübergang von einer überströmten Wand mit der Temperatur TW<br />

an das umgebende Fluid mit der Temperatur T∞.<br />

• der Wärmeübergangskoeffizient α ist weder ein Stoffwert des Festkörpers noch des<br />

Fluids, sondern abhängig von der Geometrie sowie den Geschwindigkeits- und Temperaturverteilungen<br />

im Fluid (!).<br />

• wir beschränken uns (vorerst) auf die Wärmeleitung im Festkörper, betrachten dabei<br />

den Wärmeübergangskoeffizient als gegebene Größe und leiten daraus örtliche Randbedingungen<br />

<strong>für</strong> die Temperaturverteilung im Festkörper ab.<br />

Dabei lassen sich drei Arten der örtlichen Randbedingungen unterscheiden:<br />

Randbedingung 1. Art (Dirichletsche R.B.)<br />

Die Randbedingung der ersten Art macht eine explizite Aussage über den zeitlichen Verlauf<br />

der Wandtemperatur (z.B. bei x = 0).


2.3. ZEITLICHE UND ÖRTLICHE RANDBEDINGUNGEN 11<br />

������������<br />

��� ������������<br />

������������<br />

�<br />

Abbildung 2.4: Randbedingung 1. Art, speziell <strong>für</strong> TW = const.<br />

allgemein : TW = T (0, t) = f(t);<br />

speziell : TW = const.<br />

Realisieren lässt sich diese Bedingung durch extrem hohen Wärmeübergang, α → ∞ und<br />

somit TW = T∞. Ein – wg. der Cholesterinbelastung hoffentlich nicht alltägliches – Beispiel:<br />

das heiße Frühstücksei wird unter einem Kaltwasserstrahl abgeschreckt.<br />

Randbedingung 2. Art (Neumansche R.B.)<br />

ε<br />

ε<br />

λ � ���<br />

������������<br />

������������<br />

Abbildung 2.5: Randbedingung 2.Art, speziell <strong>für</strong> ˙qW = const.<br />

Dieser Typ Randbedingung bedingt eine Aussage über den zeitlichen Verlauf des Wandwärmeflusses,<br />

(z.B. bei x=0).<br />

allgemein : ˙qW = ˙q(0, t) =<br />

�<br />

g(t);<br />

speziell : ˙qW = −λ = const.<br />

� ∂T<br />

∂x<br />

W<br />

Diese Randbedingung lässt sich durch äußere Wärmequellen mit vorgegebener Leistung, z.B.<br />

Heizkissen, Elektrogrill, Nuklear-Brennelement realisieren.<br />

Im Spezialfall der adiabaten Wand, ˙qW = 0, verlaufen die Isothermen parallel zur Wandnormalen.<br />

Mathematisch das Gleiche gilt <strong>für</strong> den physikalisch ganz anders gearteten Fall der<br />

Symmetrie.


12 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />

Randbedingung 3.Art<br />

����<br />

� ∞<br />

� ���� � ����<br />

���������<br />

ε �<br />

λ/α<br />

���<br />

����������<br />

λ� �������������<br />

∞ ������� �<br />

Abbildung 2.6: Randbedingung der 3. Art, speziell <strong>für</strong> x = 0 mit Tangentenkonstruktion über<br />

Richtpunktabstand sR = λ/α.<br />

Diese Randbedingung verknüpft den wandnächsten Wärmefluss im Fluid (Index F) mit jenem<br />

an der Innenseite des Körperrandes (Index K). Falls ein Koordinatensystem und eine<br />

Vorzeichenkonvention wie in Abb. 2.6 gewählt wird, gilt nach Newton auf der linken Seite der<br />

Grenzfläche<br />

˙qW,F = α (TW − T∞) = − ˙qx(x = −0).<br />

Im Körper gilt nach Fourier<br />

� �<br />

∂T<br />

˙qW,K = −λ<br />

∂x W<br />

= ˙qx(x = +0).<br />

An der Grenzfläche wird i.a. keine Wärme entzogen oder freigesetzt 2 , somit folgt aus einer<br />

Kontrollraumbilanz über die Grenzfläche bei Beachtung der Vorzeichenkonventionen<br />

˙qx(x = +0) − ˙qx(x = −0) = 0,<br />

und somit<br />

� �<br />

∂T<br />

α(TW − T∞) = λ .<br />

∂x W<br />

(2.14)<br />

In Abb. 2.6 wird gezeigt, wie diese Randbedingung graphisch zu interpretieren ist.<br />

allgemein: α(t),T∞(t), T(x,t) zeitveränderlich.<br />

speziell: α, T∞, T(x) konstant.<br />

1. Grenzfall: λ endlich, ˙qW,K endlich, α → ∞:<br />

=⇒ TW → T∞: entsprechend der Randbedingung 1. Art<br />

2 wichtige Ausnahme wären Schmelzen bzw. Erstarren, Kondensation, chemische Oberflächenreaktionen, . . .


2.3. ZEITLICHE UND ÖRTLICHE RANDBEDINGUNGEN 13<br />

2. Grenzfall: λ endlich, TW -T∞ endlich, α → 0:<br />

� �<br />

∂T<br />

=⇒<br />

, ε, ˙q → 0, Adiabasie (oder Symmetrie).<br />

∂x<br />

W<br />

Zusammenfassung<br />

• Das Fouriersche Gesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen Temperaturgradient<br />

und Wärmestromdichte.<br />

• Die Fouriersche Differenzialgleichung beschreibt die zeitliche Entwicklung eines Temperaturfeldes<br />

T (�x, t) aufgrund von Wärmeleitung in Abhängigkeit von der räumlichen<br />

Verteilung von Temperatur und Wärmequellendichte. Die Fouriersche DGL kann mit<br />

Hilfe des Fourierschen Gesetzes aus einer Energiebilanz am infinitesimalen Kontrollvolumen<br />

hergeleitet werden.<br />

• Für die Fouriersche DGL kennt man unterschiedliche Randbedingungen:<br />

- Temperatur vorgegeben (RB 1. Art).<br />

- Wärmestromdichte vorgegeben (RB 2. Art).<br />

- Wärmefluss im Körper ist (an der Wand) gleich dem Wärmeübergang an die Umgebung<br />

(RB 3. Art).


14 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER WÄRMELEITUNG<br />

e✷Xerzitien<br />

Richtig ✷X oder falsch ?<br />

✷ aufgrund der hohen Beweglichkeit des Elektronengases sind elektrisch leitende Materialien<br />

im Allgemeinen auch sehr gute Wärmeleiter.<br />

✷ in kristallinen Festkörpern sind die Atome im Kristallgitter fixiert, die mikroskopische<br />

Bewegung der Atome und damit auch die Konduktion ist deshalb vernachlässigbar klein.<br />

✷ wir betrachten einen umströmten Körper, z.B. eine durch einen Ventilator gekühlte<br />

CPU. Der Wärmeübergangskoeffizient α beschreibt den Transport von Wärme von der<br />

CPU an die Kühlluft. Er hängt nur von den Stoffwerten des Fluids und der Temperaturverteilung<br />

ab.<br />

✷ wenn man die Wärmebilanz eines Einfamilienhauses aufstellt, so ist der Kühlschrank in<br />

der Küche insgesamt als eine Wärmesenke (= negative Wärmequelle) zu betrachten.<br />

✷ die Wärmequellendichte, wie sie in der Fourierschen Differenzialgleichung auftritt, ergibt,<br />

wenn multipliziert mit dem Volumen eines betrachteten Volumenelementes, den<br />

Enthalpiestrom, der in diesem Volumenelement durch interne Prozesse freigesetzt wird.<br />

Was ändert sich <strong>für</strong> die Wärmeleitung, wenn einerseits ein homogen-isotroper Festkörper<br />

(z.B. Glas), andererseits ein homogen-anisotroper Festkörper (z.B. Kristall) betrachtet wird?<br />

Markieren Sie korrekte Aussagen!<br />

✷ Im Gegensatz zum homogen-isotropen Festkörper hängt die Wärmeleitfähigkeit im<br />

homogen-anisotropen Festkörper von der Ortskoordinate ab.<br />

✷ Im homogen-anisotropen Festkörper muss der Wärmeleitfähigkeit ein vektorieller Wert<br />

zugewiesen werden.<br />

✷ Im homogen-anisotropen Festkörper ist die Wärmeleitfähigkeit richtungsabhängig.<br />

✷ Nichts. In beiden Fällen ist das Fouriersche Gesetz in genau gleicher Form anzuwenden.<br />

Zu den Randbedingungen (RB)<br />

✷ die RB 3. Art geht mit anwachsendem Wärmeübergangskoeffizienten α in die RB 1. Art<br />

über.<br />

✷ die RB 3. Art nähert sich mit anwachsendem Wärmeübergangskoeffizienten dem Grenzfall<br />

der Adiabasie, da die Temperaturdifferenz von der Oberfläche des Körpers zum Fluid<br />

gegen Null geht und somit keine Wärme mehr über die Grenzfläche übergeht.<br />

✷ der Wärmeübergangskoeffizient, der ja kein Stoffwert und somit auch keine Konstante<br />

ist, wird sich bei der RB 2. Art so einstellen, dass der übertragene Wärmestrom gleich<br />

der vorgegebenen Leistung ist.


Kapitel 3<br />

Stationäre Wärmeleitung<br />

3.1 Wärmedurchgang und Péclet-Gleichungen<br />

Selbst bei praxisnahen Fragestellungen kann die vorgegebene Geometrie oft näherungsweise<br />

als eine ebene, ” unendlich ausgedehnte“ Platte betrachtet werden oder weist eine zylindrische<br />

oder sphärische Symmetrie auf. In diesem Fall ist eine eindimensionale Formulierung<br />

angebracht. Falls zeitliche Änderungen nicht zu berücksichtigen sind, vereinfacht sich die<br />

Fouriersche Differentialgleichung (2.8) zur Laplaceschen Differentialgleichung:<br />

d 2T n dT<br />

+<br />

dr2 r dr<br />

= 0, (3.1)<br />

mit n=0 <strong>für</strong> die Platte (ebene Geometrie), n=1 <strong>für</strong> den Zylinder(mantel) und n=2 <strong>für</strong> die<br />

Kugel(schale).<br />

Ausgehend von (3.1) wird in diesem Abschnitt der Wärmedurchgang durch eine oder mehrere<br />

Schichten unterschiedlichen Materials und über Phasengrenzen hinweg besprochen. Bezugnehmend<br />

auf die schon angesprochenen Analogien zur Elektrotechnik leiten wir die sog.<br />

Péclet-Gleichungen <strong>für</strong> ebene, zylindrische und sphärische Geometrien her. Die Anwendungen<br />

der Péclet-Gleichungen sind vielfältig – Gebäudeisolation, Kühlung von elektronischen<br />

Bauteilen oder Kernbrennelementen, etc.<br />

15


16 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />

� ∞�<br />

����<br />

� �<br />

λ<br />

���� ��� � �����<br />

� ���<br />

Abbildung 3.1: Ebene Platte mit beidseitigem Wärmeübergang<br />

3.1.1 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> die Platte<br />

Für die Platte vereinfacht sich (3.1) zu<br />

was sich sofort integrieren läßt:<br />

d 2T = 0,<br />

dx2 � ∞�<br />

dT<br />

dx = C1, ( ˙qx = const.)<br />

T (x) = C1x + C2, (linearer Temperaturverlauf)<br />

Die Integrationskonstanten C1, C2 werden über die inneren Randbedingungen (Abb.3.1) bestimmt:<br />

T (x = 0) = TW 1 ⇒ C2 = TW 1,<br />

T (x = s) = TW 2 ⇒ C1 = TW 2 − TW 1<br />

,<br />

s<br />

und somit:<br />

T (x) = TW 1 + (TW 2 − TW 1) x<br />

.<br />

s<br />

(3.2)<br />

Für Wärmestrom und -fluss ergibt sich<br />

˙qx = −λ dT<br />

dx<br />

=<br />

λ<br />

s (TW 1 − TW 2),<br />

˙Q = A ˙qx = A λ<br />

s (TW 1 − TW 2).<br />

Die Wandtemperaturen TW 1, TW 2 sind nicht unmittelbar bekannt, die obige Lösung muss<br />

deshalb auf die äußeren (bekannten) Randbedingungen T∞1, T∞2 ” abgestützt“ werden. Dabei<br />

macht man sich zunutze, dass aufgrund der Energieerhaltung im stationären Zustand<br />

der Wärmestrom ˙ Q in der Wand gleich den über die Phasengrenzen zu- und abströmenden<br />

Wärmeströmen sein muss. Damit gilt nach Newton:<br />

˙Q = α1A (T∞1 − TW 1) = α2A (TW 2 − T∞2) .


3.1. WÄRMEDURCHGANG UND PÉCLET-GLEICHUNGEN 17<br />

Die unbekannten Wandtemperaturen werden eliminiert und Analogien zur Elektrotechnik<br />

deutlich gemacht:<br />

˙Q =<br />

T∞1 − T∞2<br />

1 s 1<br />

+ +<br />

α1A λA α2A<br />

=<br />

T∞1 − T∞2<br />

Rα1 + Rλ + Rα2<br />

= T∞1 − T∞2<br />

. (3.3)<br />

Rges<br />

Diese nach Péclet, einem Zeitgenossen Fouriers, benannte Formel verdeutlicht die offenkundige<br />

Tatsache, dass eine ” Reihenschaltung“ der thermischen Widerstände Rαi = 1/αiA (Übergang)<br />

und Rλ = s/λ A (Leitung) vorliegt.<br />

Häufig, insbesondere bei Gebäudehüllen, sind mehrere Materialschichten zu berücksichtigen,<br />

was in obiger Formel durch Austausch des zentralen Nennerterms mit<br />

erreicht wird.<br />

�<br />

Rλj = � � s �<br />

λ j<br />

A<br />

Praktiker auf dem Gebiet der Wärmedämmung von Gebäuden verwenden üblicherweise den<br />

Begriff ” k-Wert“, der folgendermaßen definiert ist (Indizes i: innen, a: außen):<br />

˙Q = kA (T∞1 − T∞2)<br />

k =<br />

1<br />

1<br />

+ � � �<br />

s<br />

λ<br />

αi<br />

j<br />

+ 1<br />

αa<br />

; [k] = W<br />

m 2 K<br />

Er wird auch als Wärmedurchgangskoeffizient bezeichnet, so wie auch die vorgeführte Reihenschaltung<br />

von Wärmeübergangs- und Wärmeleitmechanismen als Wärmedurchgang definiert<br />

ist. (Beim Plattenmodell ist neben ˙ Q auch der Wärmefluss konstant, d.h. A läßt sich ” vorziehen“).<br />

Normwerte <strong>für</strong> die Wärmebedarfsberechnung von Gebäuden:<br />

Ti = 20 ◦ C ; Ta = -15 ◦ C; αi= 6 - 8 W/(m 2 K) ; αa = 15 W/(m 2 K)<br />

Vollwärmeschutz verlangt: k = 0,4 W/(m 2 K)<br />

Zur Beachtung:<br />

(3.4)<br />

• Beim hier diskutierten Wärmedurchgang durch eine Platte mit beidseitigem Wärmeübergang<br />

liegt eine Reihenschaltung von thermischen Widerständen vor. Es sind durchaus<br />

Konfigurationen vorstellbar, die als Parallelschaltung von Wärmeleit- oder Wärmeübergangswiderständen<br />

interpretiert und entsprechend behandelt werden können. Beispiele<br />

wie z.B. die Überlagerung von Wärmeleitung und -Strahlung werden im Folgenden sowie<br />

in den Übungsaufgaben diskutiert.


18 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />

���<br />

��� � ��� ���<br />

�<br />

α�<br />

� �<br />

��<br />

λ<br />

Abbildung 3.2: Zylinder- bzw. Kugelschale mit beidseitigem Wärmeübergang<br />

• Während z.B. bei schlecht wärmeleitenden Baustoffen kein Kontaktwiderstand zwischen<br />

den einzelnen Schichten infolge von (dünnen) Luftspalten zu berücksichtigen ist, müssen<br />

z.B. bei Kernbrennelementen die Spalte zwischen Zirkalloy-Hülle und Uranzylinder mit<br />

dem sehr gut leitenden Gas Helium verpresst werden, um den nicht mehr zu vernachlässigenden<br />

Kontaktwiderstand möglichst klein zu halten. Im Labor wird oftmals Wärmeleitpaste<br />

verwendet um den Kontaktwiderstand zwischen unterschiedlichen Bauelementen<br />

zu verringern.<br />

3.1.2 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> den Zylinder<br />

Die Laplace-Gleichung (3.1) läßt sich <strong>für</strong> eine zylindrische Geometrie (n = 1) wie folgt schreiben:<br />

�<br />

1 d<br />

r<br />

r dr<br />

dT<br />

�<br />

= 0.<br />

dr<br />

So sieht man, dass <strong>für</strong> eine Lösung T (r) gelten muss: dT/dr ∼ 1/r und damit:<br />

T (r) = C1 ln(r) + C2.<br />

Der Wärmefluss ˙qr nimmt mit 1/r ab bzw. zu, die Temperatur verläuft logarithmisch! Die<br />

Integrationskonstanten C1, C2 werden wieder über die inneren Randbedingungen bestimmt,<br />

T (r = r1) = TW 1,<br />

T (r = r2) = TW 2.<br />

Das Ergebnis <strong>für</strong> den Verlauf von Temperatur und Wärmefluss bzw. -strom lautet:<br />

T (r) = TW 1 + (TW 2 − TW 1)<br />

α�<br />

�<br />

ln (r/r1)<br />

ln (r2/r1) ,<br />

�����


3.1. WÄRMEDURCHGANG UND PÉCLET-GLEICHUNGEN 19<br />

� �<br />

dT<br />

˙q(r) = −λ<br />

dr r<br />

= λ TW 1 − TW 2<br />

r ln(r2/r1) ,<br />

˙Q = ˙q(r)2πrl = 2πlλ<br />

ln(r2/r1) (TW 1 − TW 2) .<br />

Abstützung auf die äußeren Randbedingungen:<br />

Während T∞ wie bei der ebenen Platte als bekannte Freistromtemperatur vorgegeben werden<br />

kann, ist bei Rohrströmungen die zwischen Achsentemperatur T0 und der Wandtemperatur<br />

TW 1 gelegene messbare (1) ” Mischtemperatur“ TM in den Newtonschen Wärmeübergangsansatz<br />

einzusetzen:<br />

Rα1 =<br />

˙Q = α1 2π r1 l (TM − TW 1) = α2 2π r2 l(TW 2 − T∞).<br />

˙Q =<br />

1<br />

α1 r1<br />

2πl (TM − T∞)<br />

+ 1<br />

λ ln<br />

� r2<br />

1<br />

α1r12πl ; Rλ = 1<br />

2πlλ ln<br />

r1<br />

� r2<br />

�<br />

+ 1<br />

α2 r2<br />

r1<br />

�<br />

; Rα2 =<br />

. (3.5)<br />

1<br />

α2r22πl .<br />

Bei mehreren Schichten ist der zentrale Nennerterm wie bei der Platte durch eine Summe zu<br />

ersetzen.<br />

Alternative Herleitung aus einer Wärmestrombilanz:<br />

Die Péclet-Gleichungen <strong>für</strong> die Platte und die Zylinderschale haben wir aus der Fourierschen<br />

Differentialgleichung bestimmt. Alternativ kann der thermische Widerstand z.B. der Zylinderschale<br />

direkt aus einer Wärmestrombilanz berechnet werden. Im stationären Zustand und<br />

bei Abwesenheit von Wärmequellen in der Zylinderschale folgt aus der Energieerhaltung<br />

Dabei gilt nach Fourier<br />

˙Q(r1) = ˙ Q(r) = ˙ Q(r2), r1 ≤ r ≤ r2.<br />

˙Q(r) = A ˙q = −2πr l λ dT<br />

dr .<br />

Integration dieser Beziehung von r1 nach r2 liefert<br />

� r2<br />

r1<br />

˙Q<br />

r<br />

� TW 2<br />

dr = −2πlλ<br />

TW 1<br />

Der Wärmestrom ˙ Q ist konstant und kann vor das Integral gezogen werden, man erhält<br />

dT<br />

˙Q = 2πlλ<br />

ln(r2/r1) (TW 1 − TW 2).<br />

Das Inverse des Bruches auf der rechten Seite ist gerade der thermische Widerstand Rλ der<br />

Zylinderschale, q.e.d.. Leider ist die direkte Anwendung der Energiebilanzen nicht immer<br />

möglich 1 bzw. nicht immer einfacher als die (analytische oder numerische) Lösung der Fourier’schen<br />

Differentialgleichung.<br />

1 z.B. wenn innere Wärmequellen vorliegen.


20 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />

3.1.3 Péclet-Gleichung <strong>für</strong> die Kugelschale<br />

Analog zur vorherigen Ableitung findet man <strong>für</strong> die Kugelschale, dass Temperatur und Wärmestromdichte<br />

mit 1/r bzw. 1/r 2 abfallen, während der Wärmestrom wiederum vom Radius<br />

unabhängig ist (Energieerhaltung im stationären Fall):<br />

Mit den äußeren Randbedingungen:<br />

T (r) = C1<br />

+ C2,<br />

r<br />

⎛<br />

1<br />

⎜<br />

T (r) = TW 1 + (TW 2 − TW 1) ⎜ r<br />

⎝ 1<br />

� �<br />

dT<br />

˙q(r) = −λ =<br />

dr r<br />

λ<br />

r2 r2<br />

− 1<br />

r1<br />

− 1<br />

r1<br />

TW 1 − TW 2<br />

1<br />

r1<br />

− 1<br />

r2<br />

˙Q = ˙q(r)4πr 2 = 4πλ (TW 1 − TW 2)<br />

1<br />

−<br />

r1<br />

1<br />

.<br />

r2<br />

˙Q =<br />

1<br />

α1r 2 1<br />

4π (T∞1 − T∞2)<br />

+ 1<br />

λ<br />

wobei T∞1 die Temperatur des Fluids im Kugelbehälter ist.<br />

3.1.4 Dimensionslose Variablen<br />

,<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠ ,<br />

�<br />

1<br />

−<br />

r1<br />

1<br />

�<br />

+<br />

r2<br />

1<br />

α2r2 , (3.6)<br />

2<br />

Die Einführung sog. entdimensionierter oder dimensionsloser Variablen gestattet häufig eine<br />

besonders einfache und kompakte Darstellung. Mit den Definitionen<br />

θ ≡ T (x) − TW<br />

ξ ≡<br />

1<br />

,<br />

TW 2 − TW 1<br />

x<br />

s ,<br />

schreibt sich das oben berechnete Temperaturprofil T (x) in einer Platte der Dicke s wie folgt:<br />

θ(ξ) = ξ.<br />

Ähnlich findet man mit ξ ≡ r/r1 und ξ2 ≡ r2/r1 <strong>für</strong> den Zylinder<br />

während <strong>für</strong> die Kugel<br />

θ(ξ) = ln(ξ)<br />

ln(ξ2) ,<br />

θ(ξ) =<br />

1<br />

ξ<br />

1<br />

ξ2<br />

Im Folgenden werden wir die dimensionslose Darstellung von Differentialgleichungen und ihrer<br />

Lösungen sowie dimensionslose Kennzahlen noch ausführlich diskutieren.<br />

− 1<br />

− 1.


3.1. WÄRMEDURCHGANG UND PÉCLET-GLEICHUNGEN 21<br />

3.1.5 Sonderfälle<br />

Extrem dicke Körper<br />

Für die drei eben abgehandelten einfachen Körper Platte, Zylinder und Kugel soll der Grenzfall<br />

extrem großer Dicke untersucht werden, und zwar unter Vernachlässigung der Übergangswiderstände<br />

α1 → ∞, α2 → ∞ und damit TW 2 → T∞2 sowie TW 1 → T∞1 bzw TW 1 → TM.<br />

• Platte:<br />

˙Q = λA<br />

s (T∞1 − T∞2) .<br />

<strong>für</strong> s → ∞ geht ˙ Q → 0, Rλ → ∞.<br />

• Hohlzylinder:<br />

˙Q = 2πlλ<br />

ln (r2/r1) (TM − T∞2)<br />

<strong>für</strong> r2 → ∞ geht ˙ Q → 0, Rλ → ∞. Da ln(x) schwächer als jede andere Funktion gegen<br />

Unendlich geht, nimmt ˙ Q allerdings nur sehr langsam auf 0 ab.<br />

• Hohlkugel:<br />

˙Q<br />

4πλ<br />

=<br />

1/r1 − 1/r2<br />

(T∞1 − T∞2) .<br />

<strong>für</strong> r2 → ∞ folgt: ˙ Q = 4πλr1 (TW 1 − TW 2). Demnach wird in den dreidimensional unendlichen<br />

Raum ein endlicher Wärmestrom ausgespeichert! Dies gilt auch <strong>für</strong> ellipsoidoder<br />

scheibenförmige Hohlräume.<br />

Konsequenz: Ein Lebewesen wie die ” Made im Speck“ muss auch im dicksten Schinken nicht<br />

an Überhitzung eingehen, sofern es seine biologisch bedingte Wärmeproduktion ˙ Q so begrenzt,<br />

dass mit TW 1 = TMade und TW 2 = TSchinken gilt:<br />

Kritischer Radius<br />

TMade = TSchinken +<br />

˙Q<br />

4πλr1<br />

< 37 ◦ C.<br />

Bei oberflächlicher Betrachtung würde man erwarten, dass sich der Wärmedurchgang mit<br />

zunehmender Dicke des Körpers in jedem Fall verringert – mehr ” Isolationsmaterial“ sollte<br />

doch besser isolieren !? – dies trifft jedoch nur <strong>für</strong> die Platte zu, nicht aber <strong>für</strong> Hohlzylinder<br />

und Hohlkugeln, wie sich zeigen läßt.<br />

Konstant bleiben sollen: α1, α2, λ, r1, l und ∆ T; zu variieren ist der Außenradius r2. Vereinfachend,<br />

jedoch nicht einschränkend kann α1 → ∞ angenommen werden, was bei durchströmten,<br />

wärmegedämmten Rohren auch meist der Fall ist.<br />

Für den langen Zylinder folgt dann:<br />

˙Q = 2πl (TM − T∞)<br />

1<br />

λ ln<br />

� r2<br />

r1<br />

�<br />

+ 1<br />

,<br />

α2 r2


22 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />

Mit der Einführung dimensionsloser Variablen:<br />

vereinfacht sich diese Beziehung zu<br />

ϱ = ξ2 = r2<br />

, (Radius)<br />

r1<br />

Bi = α2r1<br />

, (Biot-Zahl)<br />

λ<br />

Φ =<br />

˙Q<br />

, (Wärmestrom)<br />

α22πlr1 (TW 1 − T∞2)<br />

Φ =<br />

1<br />

Bi ln(ϱ) + 1<br />

ϱ<br />

. (3.7)<br />

Die Biot-Zahl Bi [-], benannt nach Jean-Baptiste Biot, einem Zeitgenossen Fouriers, ist die erste<br />

einer Reihe von dimensionslosen Kennzahlen, welche in dieser Vorlesung diskutiert werden.<br />

Kennzahlen, gebildet als eine dimensionsfreie Kombination von charakteristischen Einflußgrößen<br />

oder Stoffwerten, sind von großem Nutzen um z.B. Wärmetransport- und Strömungsvorgänge<br />

qualitativ und quantitativ zu charakterisieren.<br />

Viele Kennzahlen lassen sich anschaulich als Verhältnis von zwei physikalischen Effekten interpretieren.<br />

So ist Biot-Zahl als Verhältnis von Wärmeleitwiderstand (Wärmeleitung durch<br />

einen Körper) zum Wärmeübergangswiderstand (Wärmetransport von der Oberfläche des<br />

Körpers zum umgebenden Fluid) zu verstehen. Wie wir noch sehen werden, spielt die Biot-<br />

Zahl nicht nur beim Wärmedurchgang, sondern auch bei Problemen der instationären Wärmeleitung<br />

oder der Wärmeleitung mit Quellen eine wichtige Rolle.<br />

Ein Extremum des dimensionslosen Wärmestromes Φ findet man auf bekannte Weise durch<br />

Nullsetzen der ersten Ableitung:<br />

dΦ<br />

dρ =<br />

dΦ<br />

dρ<br />

1 − Bi ρ<br />

2 ,<br />

(1 + Bi ρ ln ρ)<br />

(3.8)<br />

=<br />

1<br />

0 ⇔ ρ = .<br />

Bi<br />

(3.9)<br />

Ein Extremum findet sich also bei r2<br />

=<br />

r1<br />

1<br />

Bi oder r2 = λ<br />

. Fur die zweite Ableitung am<br />

α2<br />

Extremum findet man<br />

d2Φ dρ2 �<br />

�<br />

�<br />

Bi<br />

� = −�<br />

�<br />

ρ = 1/ Bi 1 + ln 1<br />

�2 < 0,<br />

Bi<br />

es liegt also in der Tat ein Maximum des Wärmestromes vor! Dieses liegt jedoch nur dann im<br />

vorgegebenen Hohlzylinderbereich r2/r1 ≥ 1, wenn Bi = r1/r2 ≤ 1 gilt. Abbildung 3.3 zeigt<br />

diese Abhängigkeit von Bi = α2r1/λ. Folglich kann ein Maximum des Wärmestroms auftreten,<br />

wenn der Innenradius r1 und der äußere Wärmeübergangskoeffizient α2 klein, die Wärmeleitfähigkeit<br />

λ hingegen eher hoch ist. Diese Zusammenhänge lässen sich einfach verstehen:<br />

beim Zylinder (wie auch bei der Kugel, s.u.) erhöht sich mit dem Radius r2 zwar die hemmende<br />

Wirkung des Isolationsmantels, jedoch nimmt auch die <strong>für</strong> den äusseren Wärmeübergang


3.2. ZWEIDIMENSIONALE WÄRMELEITUNG (FORMFAKTOREN) 23<br />

Φ<br />

�����<br />

�����<br />

�����<br />

�����<br />

�����������������������<br />

Abbildung 3.3: Zum kritischen Radius: Wärmedurchgangscharakteristik des Hohlzylinders,<br />

d.h. entdimensionierte Wärmeverlustrate als Funktion des Radienverhältnisses.<br />

� � � �<br />

zur Verfügung stehende Fläche 2π r2 l zu und damit der Wärmeübergangswiderstand Rα2<br />

ab. Je nach Biot-Zahl ergibt sich damit eine Vergrößerung oder Verringerung des gesamten<br />

thermischen Widerstands.<br />

Beispiel: Elektrokabel, Drahtdurchmesser: r = 2 mm, PVC Isolation mit λ = 0,15 W/m-K,<br />

Wärmeübergangskoeffizient α2 = 15 W/m 2 - K, es folgt: Bi = 0,2. Maximaler Wärmestrom<br />

tritt auf bei r2 = 10 mm ! Konsequenz: selbst ein dicker Isoliermantel begünstigt die Abfuhr<br />

der Jouleschen Wärme.<br />

Für die Hohlkugel liefert die analoge Ableitung <strong>für</strong> das Extremum<br />

r2<br />

r1<br />

= 2<br />

Bi oder r2 = 2λ<br />

.<br />

3.2 Zweidimensionale Wärmeleitung (Formfaktoren)<br />

Im Abschnitt 2.2 wurde die Fouriersche Differenzialgleichung bereits <strong>für</strong> isotrope, homogene<br />

Körper mit temperaturunabhängiger Wärmeleitfähigkeit vereinfacht. Schließt man ferner innere<br />

Wärmequellen aus und betrachtet nur stationäre Zustände, so erhält man als Spezialfall<br />

die Potenzialgleichung“ (Laplace-Gleichung), welche in Cartesischen Koordinaten <strong>für</strong> zwei<br />

”<br />

Dimensionen lautet:<br />

∂2T ∂x2 + ∂2T = 0. (3.10)<br />

∂y2 Die enge Beziehung dieser Gleichung zur Funktionentheorie einer komplexen Variablen ermöglicht<br />

analytische Lösungen <strong>für</strong> eine Reihe praktischer Probleme aus den Bereichen Wärmeleitung<br />

und Elektrotechnik, welche mit Hilfe sog. Formfaktoren formuliert werden.<br />

Betrachtet man einen Körper der Dicke l, dessen Querschnitt einen beliebig geformten, ebenen,<br />

einfach zusammenhängenden Bereich bildet (siehe Abbildungen 3.4-3.8), dessen Rand auf<br />

α2<br />

�����<br />

����<br />

�<br />

�<br />

ρ


24 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />

zwei getrennten Abschnitten die Temperaturen T1 und T2 aufgeprägt erhält, ansonsten aber<br />

adiabat ist, so gilt <strong>für</strong> den Wärmestrom:<br />

˙Q = Leitfähigkeit · Temperaturdifferenz = λ S (T1 − T2) . (3.11)<br />

Hierbei wurde die Leitfähigkeit in die stoffspezifische Wärmeleitfähigkeit λ und den nur von<br />

der Geometrie abhängigen Formkoeffizienten oder Formfaktor S (shape factor) aufgeteilt.<br />

In diesem Sinne lassen sich die drei Péclet-Gleichungen <strong>für</strong> Platte, Zylinder und Kugel aus<br />

Abschnitt 3.1 unter das Konzept ” Formkoeffizienten“ einordnen.<br />

S Platte = A<br />

s ,<br />

S Zylinder =<br />

S Kugel =<br />

2π l<br />

ln(r2/r1) ,<br />

4π<br />

1<br />

−<br />

r1<br />

1<br />

.<br />

r2<br />

Diese Beispiele sind mathematisch eindimensional, physikalisch ein-, zwei- und dreidimensional.<br />

Für den Zylinder kann man wie <strong>für</strong> alle prismatischen Körper ( ” Profilstangen“) einen<br />

bezogenen Formkoeffizienten<br />

SL ≡ S<br />

l<br />

definieren, so dass gilt:<br />

˙Q = λ l SL ∆T.<br />

Abbildungen 3.4, 3.5, 3.6, 3.7 zeigen (längenbezogene) Formkoeffizienten Sl <strong>für</strong> komplizierte<br />

prismatische Körper (zweidimensional) mit zwei isothermen Berandungen, Abbildung 3.8<br />

entsprechend S <strong>für</strong> dreidimensionale Körper mit Temperaturen T1 auf Kreisfläche und T2 im<br />

Unendlichen. Weitere Formfaktoren finden sich in den Arbeitsunterlagen zur Vorlesung und<br />

der einschlägigen Fachliteratur.<br />

Interessant ist der Vergleich der S-Werte <strong>für</strong> eine isotherme halbkugelförmige (napfförmige)<br />

Vertiefung im halbunendlich ausgedehnten Raum (Erdboden) mit dem entsprechenden Wert<br />

<strong>für</strong> die Kreisscheibe auf dem Halbraum:<br />

Aus obiger Beziehung folgt:<br />

Abbildung 3.8 entnimmt man:<br />

S Halbkugel = 2π r,<br />

S Kreisscheibe = 4 r1.<br />

Demnach erhöht eine isotherme halbkugelförmige Vertiefung den in den Halbraum eingetragenen<br />

Wärmestrom um 57% gegenüber einer isothermen Kreisscheibe.


3.2. ZWEIDIMENSIONALE WÄRMELEITUNG (FORMFAKTOREN) 25<br />

λ<br />

���<br />

���<br />

� �<br />

Abbildung 3.4: Schacht (innen und<br />

außen quadratisch)<br />

���<br />

λ<br />

���<br />

� �<br />

Abbildung 3.5: Schacht (innen<br />

kreisförmig)<br />

a<br />

b > 1.4 : SL ≈<br />

a<br />

b < 1.4 : SL ≈<br />

SL ≈<br />

2π<br />

0.93 ln(a/b) − 0.0502<br />

2π<br />

0.785 ln(a/b)<br />

2π<br />

ln(1.08 a/d).


26 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />

λ<br />

���<br />

��� � �<br />

Abbildung 3.6: Rohr im halbunendlichen<br />

Bereich<br />

λ<br />

� �<br />

��� ���<br />

Abbildung 3.7: zwei Rohre im halbunendlichen<br />

Bereich<br />

���<br />

���<br />

���<br />

�<br />

∞<br />

Abbildung 3.8: Scheibe auf halbunendlichem<br />

Körper.<br />

��<br />

SL =<br />

SL ≈<br />

SL =<br />

ln<br />

⎛<br />

⎝ a<br />

r +<br />

2π<br />

ln(2a/r)<br />

2π<br />

�<br />

a 2<br />

⎞,<br />

− 1⎠<br />

r2 <strong>für</strong> a<br />

r<br />

> 5.<br />

2π<br />

�<br />

ln u + √ u2 �,<br />

− 1<br />

mit u ≡ a2 − r2 1 − r2 2<br />

.<br />

2r1r2<br />

S = 4r. (dreidimensional!)


3.3. WÄRMELEITUNG MIT WÄRMEQUELLEN 27<br />

3.3 Wärmeleitung mit Wärmequellen<br />

Im Abschnitt 3 wurde die Fouriersche bzw. Laplacesche Differenzialgleichung (3.1) <strong>für</strong> die drei<br />

einfachen Geometrien Platte, Zylinder, Kugel gelöst, was der physikalischen Gegebenheit entspricht,<br />

dass diese Körper von einem zeitlich und örtlich konstanten Wärmestrom durchflutet<br />

werden, dessen Quellen und Senken außerhalb der betrachteten Bereiche liegen.<br />

Wir lassen jetzt in den drei Grundgebieten innere Wärmequellen zu und bestimmen die resultierenden<br />

stationären Temperaturfelder über die nach Poisson benannte Differenzialgleichung.<br />

d 2T n dT<br />

+<br />

dr2 r dr<br />

+ ˙w<br />

λ<br />

= 0, (3.12)<br />

mit n = 0: Platte, n = 1: Zylinder, n = 2: Kugel. Die Wärmequellendichte ˙w sei weder<br />

temperatur- noch ortsabhängig.<br />

Randbedingungen:<br />

1. Symmetrie (bei der Platte auch Adiabasie) bei r = 0:<br />

2. Randbedingung 3. Art bei r = R:<br />

−λ dT<br />

dr<br />

dT<br />

dr<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� = 0.<br />

r=0<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� = α(TW − T∞).<br />

r=R<br />

In diesem besonders einfachen Fall werden Differenzialgleichung und Randbedingungen <strong>für</strong><br />

alle drei Geometrien durch eine parabolische Temperaturverteilung, d.h. durch ein Polynom<br />

2. Grades erfüllt.<br />

Mit dem Ansatz<br />

� ∞<br />

���<br />

���<br />

T (r) = a + br + cr 2<br />

α<br />

λ ��<br />

���<br />

Abbildung 3.9: Symmetrische Temperaturverteilung in den 3 einfachen Körpern bei konstanter<br />

Wärmequellendichte<br />

α


28 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />

lautet somit die Differenzialgleichung:<br />

2c + n<br />

˙w<br />

(b + 2c · r) + = 0.<br />

r λ<br />

Aus der Randbedingungen bei r = 0 folgt b = 0, damit lässt sich der Koeffizient c aus der<br />

Differenzialgleichung bestimmen:<br />

2c (1 + n) + ˙w<br />

λ<br />

˙w<br />

= 0 ⇒ c = −<br />

2λ(1 + n) .<br />

Wegen der Randbedingungen bei r = R folgt <strong>für</strong> den Koeffizienten a:<br />

−2c λ R = −α (a + c R 2 − T∞) ⇒ a = −2c λ R<br />

α − c R2 + T∞.<br />

Ergebnis <strong>für</strong> die Temperatur im Körper (0 ≤ r ≤ R):<br />

T (r) = T∞ +<br />

˙wR 2<br />

2λ(n + 1)<br />

Für den Wärmefluss an der Außenwand gilt:<br />

Mit den Definitionen<br />

�<br />

� �<br />

dT<br />

˙q(R) = −λ =<br />

dr R<br />

˙w R<br />

ξ ≡ r<br />

R ,<br />

θ ≡<br />

Bi ≡ αR<br />

λ<br />

1 + 2λ<br />

αR −<br />

T − T0<br />

˙wR 2 /λ ,<br />

n + 1 .<br />

� � �<br />

2 r<br />

. (3.13)<br />

R<br />

lässt sich das Temperaturprofil kompakt in dimensionsfreier Form darstellen:<br />

θ(ξ) =<br />

Im Zentrum bzw. an der Oberfläche des Körpers gilt:<br />

θ(0) =<br />

�<br />

1<br />

1 +<br />

2(n + 1)<br />

2<br />

�<br />

− ξ2 , 0 ≤ ξ ≤ 1. (3.14)<br />

Bi<br />

�<br />

1<br />

1 +<br />

2(n + 1)<br />

2<br />

�<br />

Bi<br />

und θ(1) =<br />

1<br />

2(n + 1)<br />

Qualitativ sind die Temperaturverhältnisse <strong>für</strong> große bzw. kleine Werte der Biot-Zahl Bi in<br />

in Bild 3.10 dargestellt.<br />

2<br />

Bi ,


3.3. WÄRMELEITUNG MIT WÄRMEQUELLEN 29<br />

1+ 2<br />

Bi<br />

2<br />

Bi<br />

1<br />

1<br />

Bi > 1<br />

Abbildung 3.10: Quasi 1-D Wärmeleitung mit konstanter Wärmequellendichte und Randbedingung<br />

der 3. Art: Qualitative Darstellung der Temperaturverhältnisse <strong>für</strong> kleine und große<br />

Biot-Zahlen.<br />

Zusammenfassung<br />

• Die Péclet-Gleichungen kombinieren elementare Lösungen <strong>für</strong> die stationäre Wärmeleitung<br />

in einfachen, quasi-1D Geometrien ( ” Platte“, ” Zylinder“, ” Kugel“). So kann<br />

der Wärmedurchgang (inkl. des zugehörigen Koeffizienten k) durch mehrere Schichten<br />

unterschiedlichen Materials und über Phasengrenzen hinweg berechnet werden. Dies<br />

entspricht einer Reihenschaltung von Wärmeleitwiderständen.<br />

• Die Energieerhaltung - bereits bei der Herleitung der Fourierschen DGL benötigt -<br />

findet häufig explizit Anwendung bei der Lösung von Wärmetransportproblemen (in<br />

diesem Kapitel: Abstützen auf äussere Randbedingungen, alternative Herleitung der<br />

Péclet-Gleichung).<br />

• Dimensionslose (oder ” bezogene“) Größen erlauben oft eine besonders kompakte und<br />

übersichtliche Darstellung von Ergebnissen.<br />

• Die Biot-Zahl Bi ≡ αR/λ wurde als die erste einer Reihe von wichtigen Kennzahlen<br />

(dimensionsfreie Kombinationen von Einflußgrößen) eingeführt.<br />

• Formfaktoren erlauben die Berechnung von Wärmeströmen in einfachen Geometrien,<br />

typischerweise sog. prismatische Körper (quasi-2D).<br />

• Bei konstanter Wärmequellendichte und Randbedingungen der dritten Art ergibt sich<br />

<strong>für</strong> Platte, Zylinder und Kugel jeweils ein parabolisches Temperaturprofil.


30 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG<br />

e✷Xerzitien<br />

Richtig ✷X oder falsch ?<br />

✷ Die Temperaturleitfähigkeit a ist eine Art Diffusionskonstante <strong>für</strong> Störungen des Temperaturfeldes<br />

✷ In einem homogen-isotropen Körper, dessen Geometrie im einfachsten Fall durch ein<br />

cartesisches Koordinatensystem beschrieben wird, ist das Temperaturprofil zwischen<br />

ebenen, parallelen Isothermenflächen durch einen exponentiellen Abfall gegeben.<br />

✷ Weil die Mantelfläche einer dünnen Zylinderschale proportional zu ihrem Radius zunimmt,<br />

muss die radiale Wärmestromdichte indirekt proportional zum Radius abnehmen,<br />

so dass sich ein logarithmischer Temperaturverlauf ergibt.<br />

✷ die Diskussion des kritischen Radius beim Zylinder hat gezeigt, dass mehr Isolationsmaterial<br />

z.B. um ein Heizungsrohr nicht immer weniger Wärmeverluste bedeutet. Dies läßt<br />

sich anschaulich wie folgt erklären: Vergrössert man die Dicke des Isolationsmantels, so<br />

vergrößert man den Wärmeleitwiderstand, verringert aber den Wärmeübergangswiderstand,<br />

da die <strong>für</strong> den Wärmeübergang zur Verfügung stehen Fläche ebenfalls zunimmt.<br />

Da Wärmeleit- und Wärmeübergangswiderstand in Reihe geschaltet sind, ist eine Verringerung<br />

des Gesamtwiderstandes möglich.<br />

✷ der k-Wert ist gleich dem Inversen des soeben angesprochenen Gesamtwärmeleitwiderstandes.<br />

✷ es sind auch Konfigurationen denkbar, die einer Parallelschaltung von Wärmeleitwiderständen<br />

entsprechen.<br />

✷ die Biot-Zahl Bi = α/λ ist das Verhältnis des Wärmeleit- zum Wärmeübergangswiderstand.<br />

✷ Voraussetzung <strong>für</strong> die Anwendbarkeit der Formfaktoren ist eine jeweils einheitliche Temperatur<br />

auf den verschiedenen Berandungsflächen.<br />

Wärmeleitung mit konstanter Wärmequellendichte:<br />

Eine dünne ebene Platte (einseitig adiabat, Dicke R), ein langer Zylinder und eine Kugel<br />

(jeweils Durchmesser R) aus dem selben Material sind vom selben Fluid mit konstanter Temperatur<br />

T∞ über- bzw. umströmt. Die jeweiligen Wärmeübergangskoeffizienten α sind als<br />

unendlich groß zu betrachten.<br />

✷ Das Temperaturmaximum (bezüglich T∞) beträgt im Zylinder das Doppelte derjenigen<br />

in der Kugel.<br />

✷ Das Temperaturmaximum beträgt in der Kugel nur ein Drittel derjenigen in der Platte.


3.3. WÄRMELEITUNG MIT WÄRMEQUELLEN 31<br />

✷ Das Temperaturmaximum bezüglich T∞ ist im Zylinder größer als in der Platte, da die<br />

Mantelfläche einer koaxialen Zylinderschale innerhalb des betrachteten Zylinders nach<br />

außen hin linear zunimmt, und somit die Wärme aus den äußeren Bereichen besser<br />

abgeführt werden kann.


32 KAPITEL 3. STATIONÄRE WÄRMELEITUNG


Kapitel 4<br />

Instationäre Wärmeleitung -<br />

Methode der Blockkapazität<br />

Die bisherige Behandlung von Wärmeleitungsproblemen erfolgte unter der Voraussetzung<br />

dass diese zeitunabhängig ablaufen. Solche Situationen treten - wenigstens näherungsweise<br />

- dann auf, wenn nach Einwirkung einer äußeren oder inneren thermischen Störung eines<br />

Systems soviel Zeit verstrichen ist, so dass sich (zumindest lokal) ein thermodynamischer<br />

Gleichgewichtszustand einstellen konnte (Realfall: wärmegedämmte Fernheizleitung; Trivialfall:<br />

kalter Kaffee“). In diesem Abschnitt soll nun der nichtstationäre thermische Anlauf<br />

”<br />

oder Ausgleich, d.h. das zeitliche und örtliche Temperaturverhalten eines Körpers unmittelbar<br />

nach erfolgter Störung der Rand- bzw. Anfangsbedingungen (Wärmeübergangssprung:<br />

” Abschrecken“ oder Wärmequellenzuschaltung: Mikrowellenherd“) untersucht werden.<br />

”<br />

Grundsätzlich beschreibt die Fouriersche Differenzialgleichung (2.8) <strong>für</strong> das Temperaturfeld<br />

T (�x, t) Probleme der instationären Wärmeleitung. Da die Bestimmung von Lösungen dieser<br />

partiellen Differenzialgleichungen jedoch anspruchsvollere mathematische Methoden erfordert,<br />

werden wir uns im Rahmen dieser Vorlesung nur mit einer einfachen Näherungslösung<br />

befassen, die als Methode der Blockkapazität bekannt ist. Im Rahmen dieser Modellvorstellung<br />

geht man davon aus, dass örtliche Temperaturunterschiede im Vergleich zur Differenz zwischen<br />

der Anfangstemperatur T0 des Körpers und der Umgebungstemperatur T∞ vernachlässigbar<br />

klein bleiben,<br />

|T (t, �x1) − T (t, �x2)| ≪ |T0 − T∞| <strong>für</strong> beliebige t und �x1, �x2 im Körper.<br />

Somit ist nur die Zeit-, nicht aber die Ortsabhängigkeit der Temperatur T zu berücksichtigen,<br />

d.h. T (t, �x) → T (t). Dies wird – wie im Folgenden noch gezeigt wird – näherungsweise der<br />

Fall sein, wenn der thermische Widerstand Rλ <strong>für</strong> die Wärmeleitung im Körper viel kleiner<br />

ist als der Widerstand Rα <strong>für</strong> den Wärmeübergang von der Oberfläche des Körpers an die<br />

Umgebung (siehe Abschnitt 3.1).<br />

Das Problem des Wärmeaustausches mit der Umgebung aufgrund eines Temperaturunterschiedes<br />

und gegen den Wärmeübergangswiderstand ist im Rahmen dieser Näherung vollständig<br />

33


34KAPITEL 4. INSTATIONÄRE WÄRMELEITUNG - METHODE DER BLOCKKAPAZITÄT<br />

T oo<br />

T(t)<br />

T 0<br />

, c,V<br />

, A<br />

C<br />

Abbildung 4.1: Analogie zwischen dem Abkühlen eines gut wärmeleitenden Festkörpers (links)<br />

oder eines gerührten Behälters (rechts) und dem Entladen eines elektrischen Kondensators.<br />

Einander entsprechende Einflussgrößen sind: 1) gespeicherte Wärme Q = ρcV (T0 − T∞) bzw.<br />

elektrische Ladung Q = CU, 2) der den Ausgleichsvorgang treibende Potenzialunterschied,<br />

d.h. Temperaturunterschied T0 − T∞ bzw. Spannung U, 3) Wärmeübergangs- und Wärmedurchgangswiderstand<br />

1/αA, 1/kA bzw. Ohmscher Widerstand R.<br />

analog zur Auf- oder Entladung eines elektrischen Kondensators gegen den Ohm’schen Widerstand<br />

R, siehe Bild 4.1 Mathematisch genau gleich zu behandeln wäre das Modell eines<br />

Behälters, in dem sich ein gut durchmischtes Fluid befindet, welches mit der Umgebung<br />

über einen Wärmedurchgangskoeffizienten k in thermischen Kontakt steht, weshalb der im<br />

Folgenden diskutierte Ansatz auch als Methode des (ideal) gerührten Behälters bekannt ist.<br />

Thematisch tangiert diese Betrachtungsweise schon eines der nächsten Kapitel, da die Durchmischung<br />

durch freie und erzwungene Konvektion bewirkt wird.<br />

4.1 Sprungantwort einer Blockkapazität<br />

Abbildung 4.1 zeigt einen thermisch gut leitenden Festkörper mit seinen thermischen Eigenschaften<br />

nebst dem entsprechenden Analogie-Modell aus der Elektrotechnik. Die Wärmekapazität<br />

des Körpers ist gleich dem Produkt der Masse m = ρV [kg] und der spezifischen<br />

Wärmekapazität c [J/kg-K]. Wie beim Entladen eines elektrischen Kondensator benötigt die<br />

” Ausspeicherung“ von Wärme eine gewisse Zeit. Je größer das treibende Potential, d.h. der<br />

Temperaturunterschied T − T0 (entsprechend der Spannung) bzw. je kleiner der Wärmeübergangswiderstand<br />

(entsprechend dem Ohmschen Widerstand), desto kleiner ist diese Zeit.<br />

Die Energieerhaltung fordert, dass die Abfuhr von Wärme zu einer Verringerung der Temperatur<br />

des Körpers führt:<br />

α A (T − T∞) dt = −ϱcV dT,<br />

oder mit dT = d(T − T∞):<br />

d (T − T∞)<br />

(T − T∞)<br />

R<br />

U<br />

= − αA<br />

ϱcV dt.<br />

Anfangsbedingung: T (t = 0) = T0. Mit den normierten Größen<br />

θ ≡<br />

T − T∞<br />

,<br />

T0 − T∞<br />

T oo<br />

T 0<br />

k, A


4.1. SPRUNGANTWORT EINER BLOCKKAPAZITÄT 35<br />

θ H = 0.5<br />

1.0<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

θ z<br />

0.2<br />

0.0<br />

0.0<br />

0.5<br />

τ H<br />

1.0<br />

Abbildung 4.2: Systemcharacteristika einer Blockkapazität: Halbwertszeit τH und Zeitkonstante<br />

(<strong>für</strong> den Fall τZ = 1).<br />

τ ≡<br />

t<br />

t Bezug<br />

findet man<br />

dθ<br />

= −dτ.<br />

θ<br />

Diese Gleichung kann sofort integriert werden:<br />

≡<br />

1.5<br />

τ<br />

ln(θ) = −τ + C1.<br />

2.0<br />

t<br />

ϱcV/(αA) ,<br />

Mit der normierten Anfangsbedingungen θ(τ = 0) = 1 ergibt sich C1 = 0 und<br />

2.5<br />

θ = exp (−τ), (4.1)<br />

die Anfangsstörung klingt also exponentiell ab. Gebräuchliche Systemcharakteristika einer<br />

Blockkapazität sind die Halbwertzeit (gebräuchlich v.a. in der Physik)<br />

θH = 1<br />

2 → τH = ln(2) = 0.693 → tH = ϱcV<br />

αA ln(2) = t Bezug ln(2),<br />

oder die Zeitkonstante (oft bevorzugt von Ingenieuren):<br />

τZ ≡ 1 → θZ = 0.368 → tZ = ϱcV<br />

αA = t Bezug ,<br />

τ2Z ≡ 2 → θ2Z = 0.135,<br />

τ3Z ≡ 3 → θ3Z = 0.050.<br />

Die Form des Körpers spielt nur insoweit eine Rolle, als sie das Verhältnis A/V ∼ 1/L bestimmt.<br />

Für die einfachen Körper findet man:<br />

Platte: A<br />

V<br />

2A 1<br />

= =<br />

2AL L<br />

(Plattendicke: 2L ≪ X- bzw. Y -Abmessungen),<br />

3.0


36KAPITEL 4. INSTATIONÄRE WÄRMELEITUNG - METHODE DER BLOCKKAPAZITÄT<br />

Zylinder: A<br />

V<br />

Θ(τ)<br />

�����<br />

�����<br />

Θ� (τ)<br />

∆Θ ∞<br />

Θ(τ)<br />

�����<br />

� � �<br />

Abbildung 4.3: Thermometer im aufgeheizten Bad<br />

2πl<br />

=<br />

R2 2<br />

=<br />

πl R<br />

Kugel: A<br />

V = 4R2 π<br />

4/3R 3 π<br />

(A entspricht nur Mantelfäche wegen l ≫ R),<br />

= 3<br />

R .<br />

Anwendungsbeispiel <strong>für</strong> das Blockmodell: Ein Thermometer wird plötzlich in kaltes Wasser<br />

getaucht ( ” Sprungabkühlung“).<br />

4.2 Thermometerfehler der 1. Art<br />

Das gleiche Grundmodell kann auch zur Berechnung der Temperaturänderung eines Thermometers<br />

verwendet werden, das sich in einem stetig aufgeheizten Bad befindet. Auch in diesem<br />

Fall wird der Sensorbereich des Thermometers als Blockkapazität der Größe mc = ρcV betrachtet.<br />

Die Bad-Temperatur TB soll linear mit der Zeit T zunehmen:<br />

TB(t) = T0 + B t.<br />

Die Differenzialgleichung <strong>für</strong> die Temperatur T des Thermometers folgt wieder aus der Energieerhaltung:<br />

−αA(T − TB) dt = m c dT,<br />

mit der Anfangsbedingung T (t = 0) = TB(t = 0) = T0.<br />

Normierung:<br />

θ(t) =<br />

T − T0<br />

,<br />

∆TBez<br />

θB(t) = TB − T0<br />

∆TBez<br />

τ = αAt<br />

m c .<br />

= B · t<br />

∆TBez<br />

,<br />

τ


4.3. BIOT- UND FOURIER ZAHL 37<br />

Die Bezugstemperatur TBez ist nicht a priori bekannt, sondern wird so gewählt, dass sich die<br />

normierte Differentialgleichung<br />

dθ<br />

dτ<br />

+ θ = B · t<br />

∆TBez<br />

= B · τ<br />

∆TBez<br />

m c<br />

αA<br />

möglichst einfach darstellt. Damit liegt folgende Definition nahe:<br />

∆TBez ≡ B ·<br />

dθ<br />

dτ<br />

+ θ = τ<br />

mit der normierten Anfangsbedingung θ(τ = 0) = 0 und der normierten Badtemperatur<br />

θB(τ) = τ. Es folgt die Lösung:<br />

m c<br />

αA<br />

θ(τ) = exp(−τ) + τ − 1,<br />

mit dem asymptotischen Verhalten (siehe Abb. 4.3):<br />

θτ→∞ = τ − 1, (4.2)<br />

θτ→0 =<br />

τ 2<br />

τ 2<br />

1 − τ + + .... + τ − 1 ≈ .<br />

2 2<br />

(4.3)<br />

Für ausreichend lange Zeiten τ → ∞ ”hinkt” die vom Thermometer angezeigte Temperatur<br />

der Badtemperatur um den Betrag ∆θ = 1 bzw.<br />

TB − T (t → ∞) = B mc<br />

αA<br />

hinterher. Diese Differenz ist als Thermometerfehler der 1. Art bekannt. Falls die Aufheizgeschwindigkeit<br />

(B) vorgegeben ist kann, der Fehler minimiert werden indem die Wärmekapazität<br />

mc klein, der Wärmeübergangseinfluss αA möglichst hoch gewählt wird.<br />

Die quantiative Kenntnis des Thermometerfehlers erlaubt zudem eine Korrektur von Messwerten<br />

und damit eine genauere Bestimmung der Temperatur unter instationären Bedingungen.<br />

4.3 Biot- und Fourier Zahl<br />

4.3.1 Gültigkeitsbereich der Näherung ” Blockkapazität“<br />

Mit zunehmendem Wärmeübergang αA nimmt, wie gezeigt, die Größe des Thermometerfehlers<br />

TB − T (t → ∞) ab. Bei endlicher Wärmeleitfähigkeit λ ist dies jedoch unter Umständen<br />

nicht mehr mit den zugrunde liegenden Näherungen vereinbar! Voraussetzung <strong>für</strong> das Modell<br />

der Blockkapazität ist – wie einleitend gesagt – dass der Wärmeübergangswiderstand<br />

1/αA ∼ 1/αL 2 wesentlich größer sei als der Wärmeleitwiderstand 1/λL im Material, wobei L<br />

eine charakteristisches Längenmaß der Geometrie – z.B. die Dicke der Platte oder der Radius


38KAPITEL 4. INSTATIONÄRE WÄRMELEITUNG - METHODE DER BLOCKKAPAZITÄT<br />

T∞ , α<br />

-L L<br />

x<br />

T∞ , α<br />

t<br />

-L L<br />

Bi > 1<br />

T = T(x,t)<br />

Abbildung 4.4: Qualitative Darstellung der zeitlichen Entwicklung der Temperaturverteilung<br />

in einer ebenen Platte bei Sprungabkühlung <strong>für</strong> verschiedene Werte der Biot-Zahl.<br />

von Zylinder bzw. Kugel – ist. Mit Hilfe der im letzten Kapitel bereits eingeführten Biot-Zahl,<br />

dem Verhältnis des konduktiven zum konvektiven thermischen Widerstand,<br />

Bi ≡ αL<br />

λ<br />

Wärmeleitwiderstand<br />

∼ . (4.4)<br />

Wärmeübergangswiderstand<br />

lässt sich diese Bedingung wie folgt formulieren:Die Methode der Blockkapazität ist anwendbar,<br />

wenn die Biot-Zahl deutlich kleiner als 1 ist, etwa Bi < ∼ 0,1. Eine exakte, quantitative<br />

Formulierung dieses Kriteriums <strong>für</strong> Platte, Zylinder und Kugel findet sich in den Arbeitsunterlagen.<br />

Mit Hilfe der Biot-Zahl kann man auch die Verhältnisse zwischen den Temperaturen TK<br />

und TW im Inneren bzw. an der Oberfläche des Körpers und der Umgebungstemperatur T∞<br />

ungefähr abschätzen. Es gilt größenordnungsmäßig<br />

und damit<br />

−λ TW − TK<br />

L<br />

TW ∼ λTK + αLT∞<br />

λ + αL<br />

∼ α(TW − T∞),<br />

= TK + Bi T∞<br />

.<br />

1 + Bi<br />

Wie man sieht, gilt TW → TK <strong>für</strong> Bi → 0 – die Methode der Blockkapazität ist dann<br />

anwendbar – und umgekehrt TW → T∞ <strong>für</strong> Bi → ∞. In Bild 4.4 sind diese Zusammhänge<br />

<strong>für</strong> die Sprungabkühlung einer ebenen Platte dargestellt. Beachten Sie auch die Analogie zu<br />

den Ergebnissen des Abschnittes 3.3 <strong>für</strong> die Temperaturverteilung θ(ξ) bei Wärmeleitung mit<br />

konstanter Wärmequellendichte ˙w.


4.3. BIOT- UND FOURIER ZAHL 39<br />

4.3.2 Ähnlichkeitsform der Lösung<br />

Eine weitere Kennzahl, welche bei Problemen der instationären Wärmeleitung eine wichtige<br />

Rolle spielt ist, die Fourier-Zahl Fo. Sie ist definiert als eine dimensionslose Zeit<br />

Fo ≡ at Wärmeleitung<br />

∼ . (4.5)<br />

L2 Wärmespeicherung<br />

Hier ist a ≡ λ/ρc die Temperaturleitfähigkeit des Festkörpers. Die oben hergeleitete Lösung<br />

(4.1) <strong>für</strong> die zeitliche Entwicklung der Temperatur θ einer Blockkapazität lässt sich mit diesen<br />

Definitionen kompakt darstellen<br />

mit n = 0, 1, 2 <strong>für</strong> Platte / Zylinger / Kugel.<br />

Zusammenfasssung<br />

θ = θ( Bi, Fo) = exp(−(n + 1) Bi Fo).<br />

• Die Temperatur eines Körpers, der einer plötzlichen Änderung der Umgebungstemperatur<br />

ausgesetzt ist, bleibt in guter Näherung räumlich konstant wenn der Wärmeübergangswiederstand<br />

(∼ 1/αA) viel größer ist als der Wärmeleitwiderstand (∼ 1/λL).<br />

• Diese Bedingung lässt sich mit Hilfe der Biot-Zahl Bi ≡ αL/λ, einer dimensionslosen<br />

Kennzahl, wie folgt formulieren: Bi ≪ 1.<br />

• Der Temperaturunterschied zwischen dem Körperinneren und der Umgebung klingt mit<br />

der Zeit exponentiell ab. Die Abklingkonstante ist proportional zur Wärmekapazität des<br />

Körpers und zum Wärmeübergangswiederstand. Mit Hilfe der Biot- und der Fourier-<br />

Zahlen schreibt man dimensionslos θ = exp(−Fo Bi).<br />

• Ein gut wärmeleitender Festkörper verhält sich damit in seinem Sprungantwortverhalten<br />

analog zu einem elektrischen Kondensator.<br />

• Der Thermometerfehler der 1. Art ist auf die thermische Trägheit der Thermometerperle<br />

zurückzuführen und lässt sich mittels der Methode der Blockkapazität quantitativ<br />

erfassen (und damit korrigieren).


40KAPITEL 4. INSTATIONÄRE WÄRMELEITUNG - METHODE DER BLOCKKAPAZITÄT<br />

e✷Xerzitien<br />

Richtig ✷X oder falsch ?<br />

✷ Wenn der Wärmeleitwiderstand eines endlich ausgedehnten Körpers groß ist im Vergleich<br />

zum thermischen Widerstand des Wärmeübergangs zwischen dem Körper und<br />

seiner Umgebung, so bleibt der Körper in seinem Inneren hinreichend unbeeinflusst von<br />

äußeren Temperaturänderungen. Er darf deshalb in seiner Gesamtheit als ” wärmekapazitiver<br />

Block“ von einheitlicher Temperatur betrachtet werden, was die Beschreibung<br />

seiner Temperaturentwicklung erleichtert.<br />

✷ Wenn der Wärmeleitwiderstand eines endlich ausgedehnten Körpers klein ist im Vergleich<br />

zum thermischen Widerstand des Wärmeübergangs zwischen dem Körper und<br />

seiner Umgebung, so kann der Körper bezüglich seiner internen Temperaturverteilung<br />

in guter Näherung analog zum Inneren eines ideal gerührten Behälters behandelt werden.<br />

✷ Der ” gut gerührte Behälter“ verhält sich analog zu einem gut wärmeleitenden Körper<br />

( Bi ≪ 1), weil sich aufgrund des Rührens ein besonders hoher Wärmeübergangskoeffizient<br />

α an der Behälterinnenwand einstellt.<br />

✷ Der Thermometerfehler der 1. Art lässt sich minimieren, indem man mit dem Thermometer<br />

das sich aufheizende Wasserbad kräftig rührt.<br />

✷ Je kleiner die Biot-Zahl, desto schneller das exponentielle Abklingen des Temperaturunterschiedes<br />

bei der Sprungantwort eines gut wärmeleitenden Körpers.


Kapitel 5<br />

Wärmestrahlung<br />

5.1 Begriffe und Definitionen<br />

Unter Wärmestrahlung oder Temperaturstrahlung verstehen wir elektromagnetische Strahlungsenergie,<br />

die von Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen infolge ihres Temperaturniveaus<br />

ausgesandt wird. Diese Form des Wärmetransportes bedarf keines stofflichen Trägers. Die<br />

Wärmestrahlung der Materie wird ursächlich beim Wechsel der Anregungszustände von Molekülen<br />

(Translation → Rotation → Oszillation) und von Elektronen in deren Schalen um<br />

die Atomkerne ausgelöst. Sie tritt im Wellenlängenbereich zwischen 0,1 µm und 1 mm auf.<br />

Was unser Auge als ” Licht“ registriert, liegt im schmalen Band von 0,38 µm bis 0,78 µm. Bis<br />

0,1 µm reicht das nahe Ultraviolett (UV), oberhalb von 0,78 µm bis 1 mm erstreckt sich das<br />

weite Gebiet des Infrarot (IR), in dem die meisten irdischen Körper strahlen.<br />

Röntgen- und γ-Strahlen (λ < 0.01 µm) sowie Radar- und Radiowellen (λ > 1 mm) sind nicht<br />

thermisch angeregt und bleiben daher außer Betracht. Das Leuchten von fluoreszenten Farbstoffen<br />

(Leuchtstoffröhre, Bildschirm, Glühwürmchen) oder LEDs ist - obwohl im sichtbaren<br />

Bereich des Spektrums - ebenfalls nicht thermischen Ursprungs und lässt sich nicht durch die<br />

im Folgenden diskutierten Gesetze beschreiben.<br />

Alle Körper senden kontinuierlich Wärmestrahlung aus, so dass sie zwangsläufig mit anderen,<br />

entfernt liegenden Körpern in Strahlungsaustausch stehen. Beim Auftreffen des Strahlungsstromes<br />

˙ Q auf einen Körper K wird ˙ Q teils “absorbiert“ ( ˙ QA) , teils “reflektiert“ ( ˙ QR), teils<br />

“transmittiert“ ( ˙ QT ), also hindurchgelassen. Der vom Körper K absorbierte Anteil wandelt<br />

sich um in Wärmeenergie (innere Energie), aus deren Reservoir ein Strom ˙ QE “emittiert“<br />

wird. Letzterer ist nur eine Funktion der Temperatur und der Oberflächeneigenschaften des<br />

jetzt als Sender wirkenden Körpers K; er enthält also keine Information mehr über den Ursprung<br />

der Energie. Für die insgesamt vom Körper K ausgesandte Strahlungsenergie ˙ Q❀<br />

gilt<br />

˙Q❀ = ˙ QE + ˙ QR + ˙ QT .<br />

41


42 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />

���<br />

�<br />

�<br />

��� ���<br />

�<br />

Abbildung 5.1: Verteilung der auf einen Körper K treffenden Strahlungsenergie ˙ Q und dessen<br />

Emissionsstrom ˙ QE. ˙ QA – absorbierter, ˙ QR – reflektierter, ˙ QT – transmittierter Anteil.<br />

Mit Blick auf Abb. 5.1 folgt aus dem Energiesatz<br />

mit den Definitionen<br />

die dimensionslose Bilanzgleichung<br />

���<br />

˙Q = ˙QA + ˙QR + ˙QT ,<br />

α ≡ ˙ QA<br />

˙Q<br />

, Absorptionsgrad, (5.1)<br />

ρ ≡ ˙ QR<br />

˙Q,<br />

τ ≡ ˙ QT<br />

˙Q<br />

Reflexionsgrad, (5.2)<br />

, Transmissionsgrad, (5.3)<br />

α + ρ + τ = 1. (5.4)<br />

Man kann folgende Extrem- bzw. Idealfälle unterscheiden (obwohl sie praktisch nur näherungsweise<br />

und in begrenzten Wellenlängenbereichen realisierbar sind):<br />

• Schwarzer Körper: α = 1; ρ = τ = 0,<br />

Die gesamte (auftreffende) Strahlungsenergie wird absorbiert.<br />

• Weißer Körper: ρ = 1; α = τ = 0,<br />

Vorausgesetzt, die gesamte Strahlungsenergie wird über den ganzen Halbraum, also<br />

diffus, reflektiert (und nicht spiegelnd nach den Gesetzen der geometrischen Optik).<br />

• Diathermaner (strahlungsdurchlässiger) Körper: τ = 1; α = ρ = 0,<br />

Die gesamte auftreffende Strahlungsenergie wird durchgelassen. Beispiel: Luft ohne<br />

H2O- und CO2-Anteile; Fensterglas im optischen Bereich (Licht).<br />

• Oberflächenstrahler: τ = 0; α + ρ = 1,<br />

Hierzu zählen (vor allem im technisch interessanten IR-Bereich) fast alle Festkörper<br />

bzw. Flüssigkeiten, da diese die Strahlungsenergie in einer etwa 1 µm bzw. 1 mm dicken<br />

Schicht absorbieren und emittieren.


5.2. SCHWARZE KÖRPER 43<br />

Abbildung 5.2: Der “schwarze Körper“ als Idealabsorber und Idealemitter (Hohlraumstrahler)<br />

5.2 Schwarze Körper<br />

Das Emissionsvermögen e (Einheit W/m 2 ) eines Körpers umfasst die Energiemenge, welche<br />

pro Oberflächeneinheit dA und Zeiteinheit in den darüber liegenden Halbraum im Wellenlängenbereich<br />

von λ = 0 bis λ = ∞ emittiert wird; es korrespondiert daher energetisch mit<br />

dem Wärmefluss ˙q. Um e bestimmen zu können, muss die “spektrale Intensität“ eλ = de/dλ<br />

im Intervall λ bis λ + dλ als Funktion der Temperatur T bekannt sein: eλ = eλ(λ, T) (Einheit<br />

W/m 3 ). Doch selbst bei gleichem λ und T ist eλ noch von der Oberflächenbeschaffenheit<br />

(glatt, rauh) und der Art (Metall, Halbleiter, Nichtleiter) des emittierenden Körpers abhängig.<br />

Kirchhoff 1 hatte 1898 aus dem 2. Hauptsatz die Folgerung gezogen, dass ein die gesamte Strahlung<br />

absorbierender “schwarzer Körper“ (technisch realisierbar durch einen gleichtemperierten<br />

Hohlraum mit gut absorbierenden Wänden und kleiner Öffnung gemäß Abb. 5.2) auch die<br />

maximale Strahlungsintensität emittieren muss. Dann kann ein solcher Hohlraum als stoffunabhängiger<br />

Standardstrahler <strong>für</strong> Referenzzwecke dienen. Diese so emittierte Grenzintensität<br />

wird mit eλS bezeichnet. Experimentelle Ergebnisse <strong>für</strong> die Intensität dieser Schwarzkörperstrahlung<br />

lagen bereits in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts vor, ihre theoretische<br />

Ermittlung gelang erst, als Max Planck 2 1901 die Prinzipien der klassischen Physik um die<br />

revolutionären Ideen der Quantentheorie erweiterte.<br />

1 Gustav Kirchhoff, ∗ Königsberg, 1824, † Berlin, 1887. Studium in Königsberg bei der Physiker F. Neumann<br />

und dem Mathematiker C. G. J. Jacobi. Professor <strong>für</strong> Physik in Breslau 1850, in Heidelberg 1854, in Berlin<br />

1875. Entwickelte zusammmen mit dem Chemiker Robert Bunsen die Spektralanalyse.<br />

2 Max Planck, ∗ Kiel, 1858, † Göttingen,1947. Studium der Physik in München und Berlin, Habilitation im<br />

Alter von 22 Jahren. 1889 Nachfolger Kirchhoffs in Berlin. Planck betonte die Bedeutung der Entropie in der<br />

<strong>Thermodynamik</strong> und ist als Wegbereiter der Quantenmechanik zu betrachten, er postulierte die Quantelung<br />

der Energie und entdeckte dabei die Existenz einer neuen Naturkonstante (Plancksches Wirkungsquantum h).<br />

1918 Nobelpreis <strong>für</strong> Physik.<br />


44 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />

Das Plancksche Strahlungsgesetz<br />

Die spektrale Verteilung der von einem schwarzen Körper ausgehenden Wärmestrahlung wird<br />

durch das Plancksche Strahlungsgesetz beschrieben<br />

eλS =<br />

λ5 �<br />

exp<br />

c1<br />

� c2<br />

λ T<br />

� �. (5.5)<br />

− 1<br />

Die Konstanten c1 und c2 lassen sich auf fundamentale Naturkonstanten, d.h. die Lichtgeschwindigkeit<br />

c, die Boltzmannsche Konstante k und das Plancksche Wirkungsquantum h<br />

zurückführen:<br />

Damit erhält man<br />

� λ �<br />

�<br />

�<br />

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�<br />

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� � � �<br />

λ �<br />

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� � ����<br />

� � � ��� ��¥��� �<br />

����� � ��� � � ��� �¥� �� � ��<br />

c1 = 2πc 2 h,<br />

c2 = ch<br />

k .<br />

c1 = 3,741 × 10 −16 Wm 2 ,<br />

c2 = 1,438 × 10 −2 mK.<br />

������� � ����� ��� �����<br />

���������<br />

� �������<br />

¦ µ§©¨<br />

� �<br />

� �������¡ ¢£ �� ¥¤�� �� �<br />

����� � � � ��� � µ§��<br />

Abbildung 5.3: Verteilung der spektralen Strahlungsintensität eλS des schwarzen Körpers in<br />

den Halbraum nach Planck. Parameter: Absoluttemperatur T<br />

Das Wiensche Verschiebungsgesetz<br />

Von Wien bereits vor 1891 mit Hilfe der klassischen <strong>Thermodynamik</strong> abgeleitet, folgt dieses<br />

Gesetz aus der Planckschen Formel durch Differentation, da das Maximum der Emission


5.3. EMISSION UND ABSORPTION NICHT-SCHWARZER STRAHLER 45<br />

gesucht ist (Index M):<br />

λM T = 2898 µm K. (5.6)<br />

In Abb. 5.3 ist dieser Zusammenhang durch den gestrichelten Kurvenast wiedergegeben. Anwendungsbeispiel:<br />

Ein Kachelofen strahle bei T ≈ 320 K ab; also liegt das Emissionsmaximum<br />

im IR bei ≈ 9µm. In der Umgebung dieses λ-Wertes sollte das Emissionsvermögen ɛ der Kacheln<br />

möglichst groß sein.<br />

Das Stefan-Boltzmannsche Gesetz<br />

Dieses, die Gesamtemission in den Halbraum beschreibende Gesetz wurde von Stefan 1879<br />

empirisch gefunden und von Boltzmann 3 1884 aus der klassischen Physik abgeleitet; es folgt<br />

aus der Planckschen Formel durch Integration über alle Wellenlängen:<br />

eS(T ) =<br />

mit der Stefan-Boltzmann Konstante<br />

� ∞<br />

0<br />

eλS(λ, T ) dλ = σ T 4 . (5.7)<br />

−8 W<br />

σ = 5, 67 × 10<br />

m2 4 .<br />

K<br />

In Abb. 5.3 entspricht eS (500K) der schraffierten Fläche.<br />

5.3 Emission und Absorption nicht-schwarzer Strahler<br />

Das Plancksche Strahlungsgesetz gibt bei gegebener Temperatur und Wellenlänge die Intensität<br />

an, mit der ein idealer Strahler (ein “schwarzer Körper“) strahlen kann. Eine Unterschreitung<br />

dieser Intensität ist bei natürlichen Strahlern (manchmal etwas umständlich “nichtschwarze<br />

Körper“ genannt) die Regel. Dabei wird wiederum je nach Wellenzahlabhängigkeit<br />

der emittierten Strahlung zwischen “grauen“ und “realen Strahlern“ unterschieden. Zunächst<br />

wird der idealisierte Grenzfall des “grauen Strahlers“diskutiert.<br />

5.3.1 Der “graue“ Strahler<br />

Verkleinert man die Ordinaten der Abb. 5.3 überall im gleichen Maßstab, so erhält man eine<br />

spektrale Intensitätsverteilung, die der eines schwarzen Körpers ähnlich ist, wie in Abb. 5.4<br />

durch die gestrichelte Kurve angedeutet. Die von einem grauen Strahler ausgesandte Energie<br />

kann nach dem Planckschen oder Stefan-Boltzmannschen Gesetz berechnet werden, wenn<br />

3 Ludwig Boltzmann, österr. Physiker, ∗ Wien 20.2. 1844, † Duino 5.9. 1906; Prof. in Graz, Wien, München,<br />

Leipzig; Vorkämpfer der Atomistik und der statistischen Interpretation der <strong>Thermodynamik</strong> (kinetische Gastheorie,<br />

Boltzmann-Statistik, Entropie als Maß der mikroskopischen ” Unordnung“, Entropie ist der Logarithmus<br />

der Wahrscheinlichkeit.). Erkrankte an Depression und beging Selbstmord.


46 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />

man die Konstanten c1 bzw. σ mit einem empirisch zu bestimmenden Faktor ɛ(T ) < 1, dem<br />

“Emissionsgrad“ multipliziert, <strong>für</strong> den gelten muss:<br />

ɛ(T ) = eλ<br />

eλS<br />

= e<br />

.<br />

eS<br />

Das zweite Gleichheitszeichen gilt, weil nach Voraussetzung der Emissionsgrad von der Wellenlänge<br />

λ unabhängig ist. Demnach lautet das bezüglich technischer Berechnungen wichtige<br />

Stefan-Boltzmannsche Gesetz <strong>für</strong> das Emissionsvermögen des grauen Strahlers:<br />

e = ɛσT 4 . (5.8)<br />

Der Emissionsgrad ɛ variiert sehr stark mit Material und Oberflächenbeschaffenheit ab. So<br />

ist z.B. der Emissionsgrad von polierten Edelmetalloberflächen sehr klein (ɛ ≈ 0, 02). Bei<br />

Metallen sind typische Emissionsgrade im Bereich ɛ ≈ 0, 1 − 0, 4. Oxidschichten auf Metallen<br />

können deren Emissionsgrade um ein Mehrfaches erhöhen. Nichtleiter sind meist gute Emitter<br />

mit ɛ > ∼ 0.6.<br />

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Abbildung 5.4: a) schwarzer Strahler b) grauer Strahler c) realer Strahler.<br />

5.3.2 Der “reale“ Strahler<br />

In der natürlichen Umwelt ist das spektrale Emissionsvermögen eλ eines Körpers keinesfalls<br />

bei allen Temperaturen und in allen λ-Bereichen proportional zum spektralen Emissionsvermögen<br />

eλS des schwarzen Körpers (bei der gleichen Temperatur), wie die dünn ausgezogene<br />

Kurve in Abb. 5.4 qualitativ vermitteln soll. Folglich ist dann der Emissionsgrad ebenfalls<br />

Temperatur- und wellenlängenabhängig: eλ = eλ(λ, T ). Aufgrund der Integraleigenschaft des<br />

Stefan-Boltzmannschen Gesetzes bietet sich jedoch die Möglichkeit eλ intervallweise (von<br />

λn bis λn+1) als λ-unabhängig anzunähern und die resultierenden ∆e-Anteile des Emissionsvermögens<br />

anschließend aufzusummieren. Diese Berechnungsprozedur wird gegen Ende dieses<br />

Kapitels kurz vorgestellt.<br />

�<br />

�<br />

�<br />


5.4. KIRCHHOFFSCHES GESETZ 47<br />

5.3.3 Schwarze Körper sind nicht schwarz<br />

Trotz der Tatsache, dass unser empfindlichstes Sinnesorgan, das Auge, Lichtintensitäten über<br />

12 Zehnerpotenzen zu akkomodieren vermag, sehen wir die emittierte Strahlung von Körpern<br />

erst, wenn deren Oberfläche mehr als 600 o C heiß ist. (Hingegen “fühlt“ man die Wärmestrahlung<br />

eines 40 o C warmen Babyfläschchens sehr wohl am Handrücken.) Dann allerdings<br />

leuchten auch sog. schwarze Körper, ihre Farbe hängt dabei von der Temperatur ab (rot- und<br />

weissglühend, Farbtemperatur von fotografischem Material bzw. Leuchten). Was wir in unserer<br />

bunten Welt sehen, ist fast nur der reflektierte Anteil heißer Strahler, vor allem der Sonne<br />

(5800K). Ein Kleid erscheint “rot“, weil seine Oberfläche das “Blau“ absorbiert hat; “nachts<br />

sind alle Katzen grau“, weil die farbempfindlichen Netzhautzäpfchen nicht mehr ansprechen,<br />

wohl aber die lichtempfindlicheren, nur Grautöne registrierenden Stäbchen.<br />

5.4 Kirchhoffsches Gesetz<br />

Anders als der Emissionsgrad ɛ ist der Absorptionsgrad<br />

α einer Oberfläche nicht einfach<br />

ein (temperaturabhängiger) Stoffwert,<br />

sondern hängt auch von den Eigenschaften<br />

der einfallenden Strahlung, d.h. ihrer spektralen<br />

Verteilung, ab. Dies wird im Abschnitt<br />

5.6 noch ausführlicher diskutiert.<br />

Zumindest <strong>für</strong> diffus-graue Strahler gilt jedoch<br />

nach Kirchhoff, dass Emissions- und<br />

Absorptionsgrad gleich groß sind. Diese einfache<br />

Beziehung kann aus der Betrachtung<br />

des Strahlungsaustausches zwischen einem<br />

diffus-grauen Strahler ”1”, der mit einem<br />

schwarzen Körper ”2” im thermischen<br />

Gleichgewicht steht, hergeleitet werden (siehe<br />

Abb. 5.5).<br />

e 1<br />

''1''<br />

(1-α1)e ''2''<br />

S<br />

e S<br />

Abbildung 5.5: Strahlungsgleichgewicht zwischen<br />

einem diffus-grauen Strahler ”1” mit<br />

e1 = ɛ1eS(T1) und einem schwarzen Körper<br />

”2”.<br />

Im Gleichgewicht ist a) die vom Körper ”1” emittierte Strahlungsintensität gleich der absorbierten<br />

4 ,<br />

ɛ1eS(T1) = α1eS(T2) (5.9)<br />

4 Man kann alternativ wie folgt argumentieren: Im dynamischen Strahlungsgleichgewicht durchdringen sich<br />

zwei Wärmeströme gleicher Stärke und entgegengesetzter Richung; die auf den Körper ”1” einfallende Strahlungsintensität<br />

eS(T2) ist somit gleich der vom Körper ausgehenden. Letztere setzt sich zusammen aus der<br />

emittierten Strahlung mit der Intensität ɛ1eS(T1) und dem reflektierten Anteil ρ1eS(T2). Da bei verschwindendem<br />

Transmissiongrad ρ1 = 1 − α1 folgt damit<br />

woraus (5.9) folgt.<br />

eS(T2) = ɛ1eS(T1) + (1 − α1)eS(T2),


48 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />

und b) aufgrund des 2. Hauptsatzes der <strong>Thermodynamik</strong> T1 = T2. Daraus folgt<br />

<strong>für</strong> den diffus-grauen Strahler ”1”.<br />

ɛ1 = α1<br />

5.5 Einfache Strahlungsaustauschbeziehungen<br />

(5.10)<br />

Wir setzen zwei diffus-graue Strahlungsflächen A1 und A2 und damit die Gültigkeit des Kirchhoffschen<br />

Gesetzes voraus. Wegen ɛi = αi und αi + ρi = 1 (<strong>für</strong> Oberflächenstrahler) können<br />

Reflexions- und Absorptionsgrad eliminiert werden, so dass in den folgenden Formeln nur der<br />

Emissionsgrad der verschiedenen Flächen i erscheint. Beziehungen <strong>für</strong> den von der Fläche A1<br />

netto ausgestrahle Wärmestrom ˙ Q1❀2 resultieren aus der Summation von Reihentermen, welche<br />

bei einem, gegenüber Abb. 5.5 verallgemeinerten Wechselspiel von Emission, Absorption<br />

und Reflexion entstehen (siehe Abb. 5.6). Eine Herleitung dieser Beziehungen findet sich z.B.<br />

in der Vorlesung Wärme- und Stoffübertragung.<br />

• Zwei planparallele Platten großer Ausdehnung<br />

˙Q1❀2 = A C12 (T 4 1 − T 4 2 ).<br />

C12 =<br />

σ<br />

1<br />

+<br />

ɛ1<br />

1<br />

.<br />

− 1<br />

ɛ2<br />

• Konvexer Köper im geschlossenen Raum<br />

������<br />

�<br />

������


5.5. EINFACHE STRAHLUNGSAUSTAUSCHBEZIEHUNGEN 49<br />

˙Q1❀2 = A1 C12 (T 4 1 − T 4 2 ).<br />

C12 =<br />

1<br />

ɛ1<br />

Sonderfall: A1<br />

C12 = ɛ1 σ.<br />

σ<br />

+ 1 A1<br />

ɛ2 − 1 A2<br />

A2<br />

≪ 1 :<br />

.<br />

���<br />

������������<br />

������������<br />

���<br />

���<br />

���<br />

• Strahlungsschutzschirme zwischen parallelen Platten, die weder durch Wärmeleitung<br />

noch durch Konvektion beeinflusst sind<br />

n Schirme; ɛ1 = ɛ2 = ɛ!<br />

˙Q1❀2 =<br />

A C12<br />

1 + n (T 4 1 − T 4 2 ).<br />

dabei ist C12 wie bei den planparallelen<br />

Platten. Eine Schutzschirm reduziert die<br />

Strahlungsleistung also bereits um 50 %,<br />

<strong>für</strong> n → ∞ geht ˙ Q1❀2 → 0.<br />

Abbildung 5.6:<br />

Strahlungsaustausch in verschiedenen Geometrien<br />

Linearisierung der Strahlungsformel:<br />

� �<br />

ε �<br />

ε ε ε ε ε<br />

Besonders bei komplexen wärmetechnischen Berechnungen erweist sich die Näherungsbeziehung<br />

T 4 1 − T 4 2 ≈ 4 T 3 M (T1 − T2) mit TM = T1 + T2<br />

2<br />

als sehr vorteilhaft. Für 2/3 ≤ T1<br />

4 % <strong>für</strong> 0,8 ≤ T1<br />

T2<br />

verbessert werden muss.<br />

T2<br />

≤ 3/2 beträgt der Relativfehler dieser Linearisierung knapp<br />

< 1,25 nur noch 1,2 %. Unter Umständen muss TM vorgeschätzt und iterativ<br />

���<br />

� �<br />

���<br />

���<br />

ε �


50 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />

5.6 Wellenlängenabhängigkeit optischer Eigenschaften<br />

Bei der Betrachtung des Strahlungsaustausches zwischen Oberflächen haben wir idealisierte<br />

diffus - graue oder schwarze Strahler mit spektraler Intensität<br />

eλ = ɛ eλ,S(T, λ)<br />

vorausgesetzt mit einem konstanten (!) Emissionsgrad ɛ ≤ 1, der weder von der Temperatur<br />

noch von der Wellenlängen abhängt. Dies ist eine grobe Vereinfachung, da der Emissionsgrad<br />

realer Strahler mit der Wellenlänge variiert und ein ungefähr konstanter Wert von ɛ meist nur<br />

über einen begrenzten Bereich von Wellenlängen λ beobachtet werden kann. Ähnliches gilt<br />

<strong>für</strong> die Koeffizienten von Absorption α, Reflektion ρ und Transmission τ.<br />

In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie die Wellenlängenabhängigkeiten der optischen Eigenschaften<br />

realer Strahler beschrieben werden können. Mit der Wellenlängenabhängigkeit des<br />

Transmissionskoeffizienten wird abschließend der Treibhauseffekt erklärt.<br />

5.6.1 Spektraler Emissionsgrad<br />

Das spektrale Emissionsvermögen eλ(T, λ) wurde schon bei der Diskussion des ” realen Strahler“<br />

eingeführt. Analog zum Gesamt-Emissionsgrad ɛ definiert man<br />

ɛλ(T, λ) ≡ eλ(T, λ)<br />

eλ,S(T, λ) ,<br />

d.h. der spektrale Emissionsgrad ist das Verhältnis der tatsächlichen Strahlungsleistung zu<br />

der eines schwarzen Körpers im Wellenlängenbereich λ → λ + dλ.<br />

Der Gesamt-Emissionsgrad ɛ ergibt sich aus dem spektralen Emissionsgrad durch Integration<br />

über alle Wellenlängen, gewichtet mit der spektralen Intensität der Schwarzkörperstrahlung:<br />

ɛ(T ) =<br />

� ∞<br />

0 ɛλ(T, λ) eλ,S(T, λ) dλ<br />

� ∞<br />

0 eλ,S(T,<br />

.<br />

λ) dλ<br />

Beachte, dass der Gesamt-Emissionsgrad ɛ auch dann von der Temperatur T abhängt wenn<br />

der spektrale Emissionsgrad zwar mit der Wellenlänge, nicht aber der Temperatur variiert,<br />

ɛλ = ɛλ(λ).<br />

5.6.2 Spektrale Absorptions-, Reflektions- & Transmissionsgrade<br />

Für die (Gesamt-) Koeffizienten der Absorption α, Reflektion ρ und Transmission τ – siehe<br />

Gleichungen (5.1) - (5.3) lassen sich ebenfalls leicht wellenlängenabhängige, spektrale Entsprechungen<br />

finden. So definiert man z.B. den spektralen Absorptionsgrad<br />

αλ(T, λ) ≡ ˙ QA,λ(λ) dλ<br />

˙Qλ(λ) dλ


5.6. WELLENLÄNGENABHÄNGIGKEIT OPTISCHER EIGENSCHAFTEN 51<br />

Abbildung 5.7: Bei gleichem spektralem Absorptionsgrad αλ kann je nach spektraler Verteilung<br />

der Bestrahlungsstärke bλ der Gesamt-Absorptionsgrad groß (α ≈ 1, links) oder klein<br />

(α ≈ 0, rechts) sein.<br />

als Verhältnis des absorbierten zum insgesamt eingestrahlten Wärmestrom im Wellenlängenintervall<br />

(λ, λ + dλ).<br />

Der gesamte und der spektrale Absorptionsgrad stehen in folgender Beziehung:<br />

α(T ) ≡<br />

� ∞<br />

0 αλ(T, λ)bλ(T, λ) dλ<br />

� ∞<br />

0 bλ(T,<br />

.<br />

λ) dλ<br />

und ganz analog <strong>für</strong> die Transmission. In dieser Gleichung ist bλ die spektrale Bestrahlungsstärke,<br />

d.h. die Intensität (in W/m 3 ) der einfallenden Strahlung (vgl. mit der spektralen<br />

Intensität eλ). Der Gesamt-Absorptionsgrad α ist also ein mit der spektralen Bestrahlungsstärke<br />

gewichtetes Integral des spektralen Absorptionsgrads αλ über die Wellenlängen.<br />

Somit wird klar, dass der Gesamt-Absorptionsgrad α nicht nur von den Eigenschaften des<br />

absorbierenden Materials, sondern auch von der spektralen Verteilung der einfallenden Strahlung<br />

abhängt, siehe Bild 5.7.<br />

Bei der Reflektion ist zu beachten, dass diese sowohl von der Richtung des einfallenden Strahls<br />

als auch der des reflektierten Strahls abhängen kann (Spiegel !). Wenn wir uns auf sog. diffuse<br />

Strahler mit richtungsunabhängigen Emissions- und Reflektionseigenschaften beschränken<br />

(siehe dazu das folgende Kapitel), so sind diese Komplikationen irrelevant und man kann mit<br />

einem hemisphärischen Reflektionskoeffizienten arbeiten.<br />

Aus einer Bilanz <strong>für</strong> die Strahlungsenergie pro Wellenlänge folgt:<br />

αλ(T, λ) + ρλ(T, λ) + τλ(T, λ) = 1.


52 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />

ε λ<br />

1.0<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0.0<br />

10 -7<br />

2 3 4 5 6 7 8<br />

10 -6<br />

2 3 4 5 6 7 8<br />

10 -5<br />

λ<br />

2 3 4 5 6 7<br />

Abbildung 5.8: Stückweise konstanter spektraler Emissionsgrad ɛλ.<br />

5.6.3 Schwarzkörperfunktionen<br />

Falls wie in Bild 5.8 illustriert die spektrale Emissions- oder Absorptionsgrade zumindest<br />

annähernd stückweise konstant sind, z.B.<br />

ɛλ(T, λ) = ɛn <strong>für</strong> λn < λ < λn+1, n = 1, . . . , N,<br />

so liefert stückweise Integration die entsprechenden Gesamt-Größen, z.B.<br />

ɛ(T ) =<br />

� ∞<br />

0 ɛλ(T, λ) eλ,S(T, λ) dλ<br />

� ∞<br />

0 eλ,S(T,<br />

=<br />

λ) dλ<br />

� λn+1<br />

N� eλ,S(T, λ) dλ<br />

λn<br />

ɛn � ∞<br />

n 0 eλ,S(T, λ) dλ .<br />

Die Auswertung der hier vorkommenden Integrale � λn+1<br />

. . . dλ ist numerisch leicht möglich.<br />

λn<br />

Alternativ können die sog. Schwarzkörperfunktionen genutzt werden, definiert als<br />

F0→λ ≡<br />

� λ<br />

0 eλ,S(T, λ) dλ<br />

� ∞<br />

0 eλ,S(T, λ) dλ .<br />

Die Schwarzkörperfunktion gibt an, welcher Anteil der gesamten Strahlungsenergie eines<br />

schwarzen Körpers bei Temperatur T im Wellenlängenbereich 0 → λ liegt, siehe Bild 5.9.<br />

Mit den Strahlungsgesetzen von Planck (5.5) und Stefan-Boltzmann (5.7) gilt<br />

F0→λ =<br />

� λ<br />

0<br />

c1<br />

λ5 [exp c2 )−1] λT dλ<br />

σT 4<br />

� λ<br />

=<br />

0<br />

c1<br />

λ5 σT 4 � exp c2<br />

� λ T<br />

dλ =<br />

λT ) − 1� 0<br />

c1<br />

σ(λT ) 5 � exp c2 dλ T.<br />

λT ) − 1�<br />

Folglich ist F0→λ eine Funktion mit Argument λ T und findet sich tabelliert in der Literatur,<br />

z.B. [2].


5.6. WELLENLÄNGENABHÄNGIGKEIT OPTISCHER EIGENSCHAFTEN 53<br />

ε λ<br />

10 14<br />

10 13<br />

10 12<br />

10 11<br />

10 -7<br />

F 0 -> λ<br />

2 3 4 5 6 7 8 9<br />

10 -6<br />

λ<br />

2 3 4 5 6 7 8 9<br />

10 -5<br />

Abbildung 5.9: Schwarzkörperfunktion F0→λ: Anteil der gesamten Strahlungsenergie eines<br />

schwarzen Körpers bei Temperatur T im Wellenlängenbereich 0 → λ (schraffierte Fläche im<br />

Bild).


54 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />

e λ,S (5800, λ)<br />

4<br />

2<br />

10<br />

8<br />

6<br />

14<br />

4<br />

2<br />

10<br />

8<br />

6<br />

13<br />

4<br />

2<br />

10<br />

8<br />

6<br />

12<br />

4<br />

10 -7<br />

1 % 99 % 1 %<br />

99 %<br />

2 3 4 5 6 7 8<br />

10 -6<br />

2 3 4 5 6 7 8<br />

10 -5<br />

λ<br />

2 3 4 5 6 7<br />

Abbildung 5.10: Spektrale Intensität eines schwarzen Körpers bei T = 5800 K (Sonne) und T<br />

= 300 K (Erde) nach Planck. Jeweils weniger als 1 % der abgestrahlten Energie liegt unterhalb<br />

bzw. oberhalb der durch |—| angezeigten Wellenlängenbereiche.<br />

5.6.4 Der Treibhauseffekt<br />

Glas besitzt einen hohen Transmissionsgrad im sichtbaren Spektrum<br />

(0.4 - 0.7 µm), d.h. in einem Wellenlängenbereich, in dem auch die Sonneneinstrahlung ihre<br />

maximale spektrale Intensität erreicht. Bei Wellenlängen oberhalb von etwa 2 bis 4 µm (je<br />

nach Sorte) ist Glas hingegen nahezu vollständig lichtundurchlässig. Dies ermöglicht, Solarenergie<br />

zum Beispiel in einem Treibhaus mit Glasfenstern ”einzufangen”, da der größte Teil<br />

der einfallenden Strahlungsenergie die Glaswände ungehindert passiert.<br />

Konkret: Die spektrale Verteilung der Sonnenenergie entspricht in etwa der eines schwarzen<br />

Strahlers bei 5800 K, ca. 99 % der emittierten Strahlungsenergie liegt im Bereich λ < 4µm.),<br />

siehe Bild 5.10. Gegenstände und Pflanzen im Inneren des Treibhauses weisen hingegen Temperaturen<br />

der Größenordnung 300 K auf und emittieren langwellige Strahlung im tiefen Infrarot<br />

(99 % der emittierten Strahlungsenergie bei λ > 5µm.), die von den Wänden das<br />

Glashauses größtenteils absorbiert wird. Die eingestrahlte Wärme kann somit das Treibhaus<br />

nicht durch Strahlung verlassen. Ganz analog kann die Glasabdeckung eines Solarkollektors<br />

helfen, Strahlungs- und konvektive Verluste klein zu halten.<br />

Da auch Gase selektiv, d.h. wellenzahlabhängig, absorbieren und transmittieren, kann die Gegenwart<br />

sogenannter ”Treibhausgase” auch zu einem atmosphärischen bzw. globalen Treibhauseffekt<br />

führen. Treibhausgase sind Gase, die im sichtbaren Wellenlängenbereich gut transmittieren,<br />

hingegen im Infraroten (λ > 0,7µm) absorbieren, wie zum Beispiel Wasserdampf,<br />

CO2, CO, Methan und andere Kohlenwasserstoffe, SO2, NH3 oder Lachgas (N2O).<br />

4<br />

3<br />

2<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

10 8<br />

10 7<br />

e λ,S (300, λ)


5.7. GASSTRAHLUNG 55<br />

5.7 Gasstrahlung<br />

Wir sind bisher bei der Diskussion des Strahlungaustausches davon ausgegangen, dass die<br />

Wärmestrahlung den Raum zwischen den austauschenden Oberflächen ungehindert passiert.<br />

Dies ist streng genommen nur im Vakuum gültig, da Gase Strahlung sehr wohl absorbieren<br />

und damit auch emittieren (Kirchhoffsches Gesetz !) können. Dies geschieht allerdings nur in<br />

engen Wellenlängenbereichen, sog. Banden.<br />

Für technische Anwendungen ist meist nur die Gasstrahlung im Infraroten von Bedeutung.<br />

In diesem Wellenlängenbereich (lambda > 0,7µm) absorbieren bzw. emittieren die bei der<br />

Diskussion des globalen Treibhauseffektes im letzten Abschnitt schon genannten ” Treibhausgase“.<br />

Da Wasserdampf und/oder Kohlendioxid bei der Verbrennung von fossilen und<br />

regenerativen Brennstoffen entstehen und in Brennräumen in hohen Konzentrationen und bei<br />

hoher Temperatur vorliegen, trägt die mit diesen Gasen verbundene Strahlung wesentlich zum<br />

Wärmeübergang in den Feuerungen von Dampferzeugern und Industrieöfen bei.<br />

Umgekehrt wechselwirken Stickstoff und Sauerstoff, die Hauptbestandteile der Luft, kaum<br />

mit der Wärmestrahlung.<br />

5.8 Strahlung & Wärmeübergang<br />

Wie schon erwähnt können die unterschiedlichen Mechanismen des Wärmetransportes auch<br />

nebeneinander auftreten, entsprechend einer Parallelschaltung von Wärmetransportwiderständen.<br />

In diesem Abschnitt betrachten wir das Zusammenspiel von Wärmestrahlung und Wärmeübergang<br />

am Ausdehnungskolben eines Thermometers ”1”, das mit den Wänden ”2” eines Raumes<br />

Strahlung austauscht und gleichzeitig Wärme an die Raumluft mit der Temperatur T oo<br />

überträgt (siehe Abb. 5.11). Anhand dieses Beispieles lässt sich das Zusammenwirken der<br />

beiden Wärmetransportmechanismen gut verdeutlichen, gleichzeitig lernen wir einen weiteren<br />

Thermometerfehler kennen.<br />

Die Gasstrahlung wird vernachlässigt, die (hin und her) transportierten Strahlungsströme<br />

stören weder sich selbst noch den Wärmeübergang, d.h. der Strahlungstransport erfolgt parallel<br />

zum konvektiven Transport und unbeeinflusst durch den Luftraum 5 .<br />

Der Ausdehnungskolben des Thermometers ist als ein kleines Objekt in großer Umgebung<br />

anzusehen, C12 = ɛ1 σ. Damit lautet die Wärmebilanz <strong>für</strong> den Stationärzustand:<br />

α1A1(T∞ − T1) − ɛ1 σ A1 (T 4 1 − T 4 2 ) = 0,<br />

und man erhält den Thermometerfehler der zweiten Art:<br />

T∞ − T1 = (T 4 1 − T 4 2 ) ɛ1 σ<br />

5 In Außenbereichen ist die atmosphärische Gegenstrahlung zu berücksichtigen, siehe [2]<br />

α1<br />

.


56 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />

����������� ε �<br />

� ∞<br />

���<br />

����������� ε �<br />

Abbildung 5.11: Thermometerfehler der 2. Art durch Strahlungseinfluss<br />

Er lässt sich durch Wahl eines kleinen ɛ1- Wertes (Verspiegeln, Strahlungsschutzhülle) und<br />

eines hohen α1-Wertes (“Schleuderthermometer“) senken. Dies ist besonders zu beachten,<br />

wenn die Temperatur T∞ von Heißgasen in der Nähe kälterer Wände (T2) gemessen werden<br />

soll.<br />

Zur Behandlung von Problemen des kombinierten Wärmetransportes benutzt man häufig<br />

einen Strahlungswärmeübergangskoeffizienten<br />

Mit obiger Definition gilt<br />

T<br />

αSt ≡ C12<br />

4 1 − T 4 2<br />

T1 − T2<br />

˙Q1❀2 = αStA1(T1 − T2),<br />

wie beim konvektiven Wärmeübergang. Näherungsweise gilt:<br />

αSt ≈ 4 C12T 3 M mit TM = T1 + T2<br />

.<br />

2<br />

Dieses Ergebnis macht schon den großen Nachteil dieser Formulierung deutlich – αSt ist extrem<br />

temperaturabhängig, weshalb man oft gleich mit dem Gesamtausdruck <strong>für</strong> ˙ Q1❀2 arbeitet um<br />

iteratives Rechnen zu vermeiden.<br />

Trotzdem ein Beispiel: In einer Fabrikhalle steht ein elektronisches Steuergerät, dessen Teilfläche<br />

A mit der Wandtemperatur TW 1 Wärme durch Konvektion an die Umgebungsluft (T∞) abgibt:<br />

˙QK = A αK [TW 1 − T∞].<br />

Der konvektive Wärmeübergangskoeffizient ist der Eindeutigkeit halber mit dem Index K<br />

gekennzeichnet. Fläche A steht gleichzeitig mit den Hallenwänden (TW 2) im Strahlungsaustausch:<br />

˙Q1❀2 = A C12 (T 4 W 1 − T 4 W 2) = A αSt [TW 1 − TW 2].<br />

Für den Gesamtwärmestrom folgt:<br />

˙Q = ˙ QK + ˙ Q1❀2 = A [αK (TW 1 − T∞) + αSt (TW 1 − TW 2)].<br />

.


5.8. STRAHLUNG & WÄRMEÜBERGANG 57<br />

Ist speziell TW 2 ≈ T∞, so folgt<br />

˙Q = A (αK + αSt) (TW 1 − T∞).<br />

Beide Beziehungen verdeutlichen das Parallelstromprinzip bezüglich Konvektion und Strahlung.<br />

Die wärmetechnische Berechnung eines von der Sonne (TSo = 5800K) beschienenen Hausdaches<br />

ist deshalb nur dann möglich, wenn die eben angegebenen Formeln um einen getrennt zu<br />

ermittelnden solaren Absorptionsterm erweitert werden. Für die wie eine Gegenwand mit der<br />

Temperatur TW 2 wirkende atmosphärische Gegenstrahlung kann überschlägig angenommen<br />

werden:<br />

Winter, Himmel klar: TW 2 ≈ 230K,<br />

Sommer, Himmel bedeckt: TW 2 ≈ 285K.<br />

Weitere Details finden sich z.B. in [2].<br />

Zusammenfassung<br />

• Alle Körper mit einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes emittieren Wärmestrahlung,<br />

eine Form der elektromagnetischen Strahlung.<br />

• Der sog. schwarz Körper, technisch realisierbar durch einen Hohlraum mit kleiner Öffnung,<br />

absorbiert sämtliche einfallende Strahlung und emittiert Wärmestrahlung mit<br />

maximaler Intensität.<br />

• Die Strahlungsgesetze von Planck, Wien und Stefan-Boltzmann geben Auskunft über<br />

die spektrale Verteilung bzw. die gesamte Leistung der Wärmestrahlung eines schwarzen<br />

Körpers.<br />

• Nach Kirchhoff sind Emissions- und Absorptionsgrad diffus-grauer Strahler identisch.<br />

• Wenn zwei Körper einander ” sehen“, wird durch Strahlung Wärme ausgetauscht. Strahlungsaustauschbeziehungen<br />

erlauben eine einfache Berechnung von Netto-Wärmeströmen<br />

in Abhängigkeit von den Temperaturen, der Geometrie und den Emissionsgraden.<br />

• Strahlung tritt im Allgemeinen parallel zu Konduktion bzw. Konvektion auf.<br />

• Nicht nur die spektrale Intensität der Emission, auch die spektralen Koeffizienten der<br />

Absorption, Reflektion und Transmission sind wellenlängenabhängig.<br />

• Viele Gase sind im Infraroten optisch ”trübe” (Gasstrahlung, Treibhausgase).


58 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG<br />

e✷Xerzitien<br />

Richtig ✷X oder falsch ?<br />

✷ Der ideale Strahler ist weiß.<br />

✷ Glühwürmchen leuchten nur im Flug, da erst der Flügelschlag einen ausreichend hohen<br />

Wärmeübergangskoeffizienten am Hinterkörper des Insekts ergibt um den Wärmetod<br />

zu vermeiden.<br />

✷ Aus dem Planckschen Strahlungsgesetz lässt sich durch Integration das Stefan-Boltzmannsche<br />

Gesetz, durch Differentiation das Wiensche Verschiebungsgesetz ableiten.<br />

✷ Die spektrale Intensität eλ trägt die Einheit W/m 2 (Wärmestrahlungsleistung pro Fläche<br />

des strahlenden Körpers).<br />

✷ Graue Strahler leuchten mit der gleichen Farbe, jedoch mit geringerer Intensität als ein<br />

” schwarzer Körper“ der gleichen Temperatur.<br />

✷ Die Sonne ist annähernd ” schwarz“.<br />

✷ Identische Werte <strong>für</strong> die Koeffizienten von Emission und Absorption dürfen im Allgemeinen<br />

nur <strong>für</strong> einen diffus-grauen Strahler angenommen werden, der sich im thermischen<br />

Gleichgewicht mit seiner Umgebung befindet.<br />

✷ Zwei diffus-graue Strahler ”1” und ”2” mit unterschiedlichen Emissionsgraden ɛ1 �= ɛ2<br />

können ein thermisches Gleichgewicht bei unterschiedlichen Temperaturen T1 �= T2 erreichen.<br />

In diesem dynamischen Strahlungsgleichgewicht ( ˙ Q1❀2 = ˙ Q2❀1) nimmt der<br />

Körper mit dem geringeren Emissionsgrad die höhere Temperatur an und erreicht dadurch<br />

die gleiche Strahlungsleistung wie sein Partner mit höherem Emissionsgrad.<br />

✷ Diffus-graue Strahler leuchten – wie der Name schon andeutet – mit insgesamt höherer<br />

Intensität bei gleicher spektraler Verteilung als ein ” schwarzer Körper“ der gleichen<br />

Temperatur.<br />

✷ Ein Körper ”1” steht durch Strahlung und Wärmeübergang im Wärmeaustausch mit<br />

seiner Umgebung . Mit zunehmender Temperaturdifferenz T1 − T∞ zwischen Körper<br />

und Umgebung nimmt der Gesamtwärmestrom zu, das Verhältnis des konvektiven zum<br />

radiativen Anteils bleibt dabei jedoch konstant.<br />

✷ Der Gesamt-Absorptionsgrad α ist kein Stoffwert, da er auch von der spektralen Zusammensetzung<br />

der einfallenden Strahlung abhängt.<br />

✷ Der Gesamt-Transmissionsgrad τ ist kein Stoffwert, da er auch von der spektralen Zusammensetzung<br />

der einfallenden Strahlung abhängt.<br />

✷ Gewöhnliches Glas ist <strong>für</strong> sog. sichtbares Licht diatherm, ultraviolettes und infrarotes<br />

Licht werden absorbiert.


5.8. STRAHLUNG & WÄRMEÜBERGANG 59<br />

✷ Aus der Energieerhaltung folgt <strong>für</strong> die Koeffizienten der Emission, der Absorption, der<br />

Transmission und der Reflektion: ɛ + α + τ + ρ = 1.


60 KAPITEL 5. WÄRMESTRAHLUNG


Kapitel 6<br />

Massen- und Energiebilanzen <strong>für</strong><br />

durchströmte Systeme<br />

Mit Konduktion und Strahlung haben wir bislang zwei der anfangs vorgestellten drei Wärmetransportmechanismen<br />

näher kennen gelernt. In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, wie<br />

Masse- und Energiebilanzen in durchströmten Systemen wie Rührreaktoren, Rohrleitungen<br />

und Wärmetauschern die Berechnung der zeitlichen bzw. räumlichen Temperaturverläufe erlauben.<br />

Dabei spielt der advektive Transport von Masse und Energie, den wir im Folgenden<br />

noch eingehend diskutieren werden, bereits eine entscheidende Rolle. Die Wärmedurchgangsbeziehungen<br />

nach Péclet werden ebenfalls benötigt um die Fluidströme miteinander bzw. mit<br />

ihrer Umgebung thermisch zu koppeln.<br />

6.1 Ideal gerührter Behälter mit Zu- und Ablauf<br />

Abbildung 6.1 zeigt einen ideal gerührten Behälter mit Fluiddurchlauf, Zufuhr von Heizleistung<br />

( ˙ Qel) sowie Wärmeverlust an die Umgebung in Abhängigkeit von einem Wärmedurchgangskoeffizienten<br />

k und der Behälteroberfläche AB. Zur Zeit t = 0 sollen die Zulauftemperatur<br />

TE(t = 0), die Behältertemperatur T (t = 0) = T0 und die Umgebungstemperatur T∞<br />

gleich sein und die elektrische Heizleistung ˙ Qel eingeschaltet werden. Gesucht ist die Temperatur<br />

des Behälterinhalts <strong>für</strong> Zeiten t > 0.<br />

Massenbilanz<br />

Der Behälter soll nur Energie, keine Fluidmasse speichern:<br />

m(t) = m0 = const.,<br />

Dann folgt <strong>für</strong> die Massenströme am Zu- und Ablauf:<br />

dm<br />

dt<br />

= 0.<br />

˙mE(t) − ˙mA(t) = dm<br />

dt = 0 ⇒ ˙mE(t) = ˙mA(t)<br />

61


62KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />

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�<br />

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� �<br />

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���<br />

������<br />

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�<br />

�<br />

� ∞<br />

� ∞<br />

����� � �<br />

� �������<br />

Abbildung 6.1: Ideal gerührter Behälter mit Fluiddurchlauf, Wärmeverlust an die Umgebung<br />

und elektrischer Beheizung.<br />

Zu- und Ablaufmassenströme könnten also noch zeitveränderlich sein. Dies wird durch die<br />

Festlegung ˙mE = ˙mA = ˙m = const. bzw. ϱ (AE wE) = ϱ (AA wA) ausgeschlossen.<br />

Energiebilanz<br />

Es sei ein raumbeständiges (ϱ = const.) Fluid mit temperaturbeständiger spezifischer Wärme<br />

(cp = cV = c = const.) als Wärmeträger vorgesehen. Bei mäßigen Druckänderungen gilt<br />

dann die kalorische Zustandsgleichung:<br />

dh = c dT ≈ du.<br />

Das Modellkonzept ” ideal gerührter Behälter“ impliziert, dass im Behälter überall der gleiche<br />

thermodynamische Zustand herrscht, T (�x, t) = T (t), und das dieser Zustand auch am Ablauf<br />

herscht, TA(t) = T (t). Unter Berücksichtigung aller Voraussetzungen lautet die Energie-<br />

Bilanzgleichung <strong>für</strong> den Behälter (ein offenes, ruhendes System):<br />

Für die einzelnen Beiträge zur Bilanz gilt:<br />

˙Ein − ˙ Eout + ˙ EQuelle = ˙ ESpeicher.<br />

• ˙ Ein = ˙m c TE(t) + ˙ Qel.<br />

Der erste Term auf der rechten Seite dieser Gleichung beschreibt den advektiven Transport<br />

von Enthalpie durch die Strömung in den Behälter. Der Massenstrom ˙m transportiert<br />

gewissermaßen im Huckepack-Verfahren entsprechend seiner spezifischen Wärme


6.1. IDEAL GERÜHRTER BEHÄLTER MIT ZU- UND ABLAUF 63<br />

und seiner Temperatur auch Enthalphie. Der zweite Term ist die Zufuhr von elektrischer<br />

Energie an das Fluid (beachte den Verlauf der Bilanzgrenze in Bild 6.1).<br />

• ˙ Eout = ˙m c TA(t) + k AB (T (t) − T∞).<br />

Hier finden wir Abfuhr von Energie durch Advektion (am Auslass) und Wärmeverlust<br />

(Wärmedurchgang) über die Behälterwand.<br />

• ˙ EQuelle = ˙ Wt,<br />

die Dissipationsleistung ˙ Wt des Rührwerks. Dieser Term soll der Einfachheit halber im<br />

Folgenden vernachlässigt werden.<br />

• ˙ ESpeicher = m0 c dT<br />

dt ,<br />

d.h. eingespeicherte Wärme führt entsprechend der gesamten Wärmekapazität zu einer<br />

Erwärmung des Behälterinhaltes.<br />

Zusammenfassend findet man:<br />

˙m c (TE(t) − T (t)) + ˙ Qel − AB k (T (t) − T∞) = m0 c dT<br />

dt .<br />

Bei zeitlich konstanter Zulauftemperatur TE(t) = T∞ folgt schließlich:<br />

dT<br />

dt +<br />

�<br />

˙m<br />

m0<br />

+ AB<br />

�<br />

k<br />

(T (t) − T∞) =<br />

m0 c<br />

˙ Qel<br />

. (6.1)<br />

m0 c<br />

Anstatt diese Differentialgleichung <strong>für</strong> die zeitliche Entwicklung der Temperatur sofort zu<br />

integrieren, entdimensionieren wir sie mit den Bezugsgrößen ∆T und ∆t:<br />

1. dimensionslose Temperatur θ [-]:<br />

2. dimensionslose Zeit τ [-]:<br />

Die Gleichung (6.1) lautet somit<br />

dθ<br />

dτ<br />

+ ∆t<br />

˙m<br />

m0<br />

�<br />

θ =<br />

1 + AB k<br />

˙m c<br />

T − T∞<br />

∆T .<br />

τ = t<br />

∆t .<br />

�<br />

θ(τ) = ˙ Qel ∆t<br />

m0 c ∆T .<br />

Die Bezugsgrößen ∆T und ∆t werden nun so gewählt, dass sich diese Gleichung möglichst<br />

einfach schreibt, d.h. sowohl der Faktor vor θ als auch die rechte Seite der Gleichung sollen<br />

gleich 1 sein. Mit der Abkürzung<br />

ω ≡ AB k<br />

˙m c


64KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />

<strong>für</strong> das Verhältnis Wandwärmeverlust zu Frischwasserkühlung ergibt sich:<br />

Mit diesen Definitionen vereinfacht sich Gleichung (6.1) zu<br />

∆t ≡ m0 1<br />

,<br />

˙m 1 + ω<br />

(6.2)<br />

∆T ≡<br />

˙Qel<br />

.<br />

˙m c (1 + ω)<br />

(6.3)<br />

dθ<br />

dτ<br />

+ θ = 1,<br />

mit der Randbedingung θ(τ = 0) = 0. Daraus folgt die Lösung:<br />

θ(τ) = 1 − exp (−τ). (6.4)<br />

Man beachte, dass ursprünglich die folgenden 9 Systemparameter gegeben waren: T0, ˙m, m0, c,<br />

AB, k, ˙ Qel, T (t) und t, welche dann mit Hilfe der Normierungsstrategie auf θ und τ reduziert<br />

werden konnten!<br />

6.2 Wärmeverluste bei Strömung im Rohr<br />

Wieder setzen wir ein Fluid mit temperatur- und druckunabhängiger Dichte ϱ ≈ const. und<br />

Wärmekapazität c ≈ const. voraus. Dann gilt bezüglich der spez. Enthalpie h ≈ c T und<br />

damit<br />

<strong>für</strong> die Enthalphie dH eines Massenelements dm.<br />

dH ≈ dm c T (6.5)<br />

Ein konstanter Massenstrom ˙m dieses Fluids werde in eine Rohrleitung bei x = 0 mit der<br />

Temperatur T0 eingespeist (Anwendungsbeispiel: Fernwärmeleitung). Die Rohrwand kann aus<br />

mehreren Schichten 1, . . . , N aufgebaut sein (z.B. Stahl und wärmedämmendes Isolationsmaterial,<br />

siehe Abb. 6.2), der Wärmeverlust d ˙ Q auf der Streckenlänge dx wird dann aus der<br />

Péclet-Gleichung bestimmt:<br />

d ˙ Q = �<br />

1<br />

αiri<br />

2π dx (Tm(x) − T∞)<br />

+ 1<br />

λ1<br />

ln r1<br />

ri<br />

+ . . . + 1<br />

αara<br />

� ≡ k 2πra (Tm(x) − T∞) dx.<br />

Die hier vorkommenden Koeffizienten αi, αa, λ1, λ2, . . . , λN und die Abmessungen ri, r1, r2,<br />

. . . , ra sollen gegeben und konstant sein, T∞ ist dabei die Umgebungstemperatur und Tm(x) eine<br />

mittlere örtliche Fluidtemperatur. Letztere ist als über den Querschnitt energetisch gemittelte<br />

adiabate Mischtemperatur definiert, näheres findet sich im Skript zur Vorlesung Wärmeund<br />

Stoffübertragung. Mit k [W/m 2 -K] wird wie in Abschnitt 3.1 der Wärmedurchgangskoeffizient<br />

der Rohrwand bezeichnet.


6.2. WÄRMEVERLUSTE BEI STRÖMUNG IM ROHR 65<br />

�<br />

���<br />

�<br />

� ���<br />

α�<br />

�<br />

���<br />

�<br />

� �<br />

�<br />

��� ���<br />

���<br />

��� ���������<br />

� ∞<br />

�<br />

α�<br />

� ���������<br />

�¥� ���<br />

Abbildung 6.2: Abkühlung eines Fluids beim Durchströmen einer mehrlagigen Rohrleitung<br />

bezüglich der konstanten Umgebungstemperatur<br />

Eine stationäre Energiebilanz am ortsfesten ” Kontrollfenster“ K im Bereich (x; x + dx) liefert<br />

bei Vernachlässigung jeglicher Längswärmeleitung (Fluid, Stahlrohr, Wärmedämmung) die<br />

Differenzialgleichung<br />

˙H(x) − ˙ H(x + dx) − d ˙ Q = 0.<br />

Für den (advektiven) Enthalpiestrom in x-Richtung gilt mit (6.5) ˙ H(x) = ˙m c Tm(x) und<br />

somit<br />

− ˙m c dTm<br />

dx − k 2πra (Tm − T∞) = 0.<br />

Nach Umstellung folgt die dimensionsbehaftete Differenzialgleichung nebst Randbedingung.<br />

dTm<br />

dx<br />

+ k 2πra<br />

˙m c<br />

(Tm − T∞) = 0; T (x = 0) = T0. (6.6)<br />

Da der Wärmeaustauschvorgang im Temperaturintervall T0 − T∞ abläuft und sich der Quotient<br />

˙m c/k 2πra als Bezugslänge xB anbietet, definieren wir:<br />

mit der Lösung<br />

θ ≡ Tm(x) − T∞<br />

, ξ ≡<br />

T0 − T∞<br />

x<br />

xB<br />

= k 2πra x<br />

. (6.7)<br />

˙m c<br />

θ(ξ) = exp (−ξ). (6.8)<br />

Ein exponentiell abklingender Temperaturverlauf war zu erwarten, da die Änderungsgeschwindigkeit<br />

dT/dx bzw. dθ/dξ der Temperatur proportional zu der den Wärmestrom treibenden<br />

Temperaturdifferenz zwischen dem Fluid im Rohr und der Umgebung ist.<br />

���


66KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />

Abbildung 6.3: Fluid- und Wärmeströme (unten) sowie Temperaturverläufe (oben) von Doppelrohrwärmetauschern.<br />

Links: Gegenstrom, rechts: Gleichstrom<br />

6.3 Wärmetauscher<br />

So unterschiedlichen technischen Geräten und Anlagen wie Heizkörpern und -kesseln, Kühlschränken,<br />

Kleingasturbinen und Kondensatoren von Dampfturbinen ist gemeinsam, dass sie<br />

Wärmetauscher (auch Wärmeübertrager ) besitzen, welche Wirkungsgrad, Kosten, Größe<br />

und Gewicht usw. wesentlich beeinflussen. In einem Wärmetauscher – verschiedene Bauformen<br />

sind in Abb. 6.3 bis 6.5 gezeigt – wird Wärme zwischen zwei Arbeitsmedien übertragen,<br />

welche den Wärmetauscher durchströmen und dabei nicht in unmittelbarem Kontakt miteinander<br />

stehen oder sich gar durchmischen, sondern durch (Rohr-)Wände voneinander getrennt<br />

sind. Die Arbeitsmedien mögen Gase oder Flüssigkeiten sein, in wichtigen Anwendungen auch<br />

verdampfende oder kondensierende Fluide.<br />

Die in den obigen Abschnitten vorgestellten Beziehungen der Wärmeleitung und v.a. der<br />

Wärmeübertragung reichen in Kombination mit dem ersten Hauptsatz der <strong>Thermodynamik</strong><br />

aus, um Wärmetauscher zu berechnen. Wegen der großen Anwendungsrelevanz sollen im<br />

Folgenden nichtsdestotrotz Berechnungs- und Auslegungsverfahren sowie die maßgeblichen<br />

dimensionslosen Kennzahlen diskutiert werden.<br />

6.3.1 Dimensionslose Kennzahlen<br />

Die maßgeblichen Größen eines Wärmetauschers beliebiger Bauart sind in Bild 6.6 skizziert.<br />

Die Indices ”h”und ”c” verweisen auf den wärmeren bzw. kälteren Strom, gestrichene Größen<br />

beziehen sich auf den Austritt eines Stroms. A bezeichne die gesamte <strong>für</strong> die Wärmeübertragung<br />

zur Verfügung stehende Fläche, während k einen (mittleren) k-Wert darstellt, der von<br />

Wärmeübergangskoeffizienten αh und αc und Wärmeleitung in den Rohrwänden bestimmt


6.3. WÄRMETAUSCHER 67<br />

Abbildung 6.4: Rohrbündel-Wärmetauscher<br />

Abbildung 6.5: Beispiel eines Kompakt-Wärmetauschers, wie sie häufig zum Einsatz kommen,<br />

wenn z.B. zwischen Gas und Flüssigkeit Wärme transferiert werden muss. Flächen- zu<br />

Volumenverhältnisse von bis zu 700 m 2 /m 3 werden erreicht.


68KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />

Abbildung 6.6: Maßgebliche Einflussgrößen eines Wärmetauschers (Prinzipskizze).<br />

wird. In vielen Anwendungen werden Rippen oder Nadeln eingesetzt, um die Wärmeübergangskoeffizienten<br />

zu erhöhen. Dies soll uns hier jedoch nicht beschäftigen; wir setzen voraus<br />

dass k bekannt und konstant (!) ist.<br />

Einige der in Bild 6.6 gezeigten Einflussgrößen lassen sich sofort eliminieren:<br />

• In einem (intakten) Wärmetauscher wird kein Material zwischen den beiden Strömen<br />

ausgetauscht, deshalb gilt ˙m ′ = ˙m.<br />

• Da zumindest hinsichtlich der wärmetechnischen Berechnung der absolute Wert der<br />

Temperatur irrelevant ist, genügt es mit 3 Temperaturdifferenzen anstatt 4 Temperaturniveaus<br />

zu rechnen.<br />

• Auch die Massenströme ˙m sind nicht von primärem Interesse, wohl aber die sog. Wärmekapazitätsströme<br />

˙Ci ≡ ˙micp,i, i = h, c. (6.9)<br />

Somit verbleiben 6 Einflussgrößen<br />

Th − Tc, T ′ c − Tc, T ′ h − Th, ˙ Ch, ˙ Cc und kA,<br />

mit Einheiten K und W/K, die sich zu 6 - 2 = 4 dimensionslosen Kennzahlen kombinieren<br />

lassen. Folgende Definitionen haben sich als vorteilhaft erwiesen:<br />

θh ≡ Th − T ′ h , (6.10)<br />

Th − Tc<br />

θc ≡ T ′ c − Tc<br />

, (6.11)<br />

Th − Tc


6.3. WÄRMETAUSCHER 69<br />

N ≡ kA<br />

, (6.12)<br />

˙Cmin<br />

˙Cr ≡ ˙ Cmin<br />

, (6.13)<br />

˙Cmax<br />

mit ˙ Cmin = min( ˙ Cc, ˙ Ch) und analog <strong>für</strong> ˙ Cmax. Die Kennzahl N ist in der englischsprachigen<br />

Literatur als number of transfer units (NTU) bekannt, wörtlich mit Zahl der Übertragungseinheiten<br />

oder – etwas freier – als dimensionslose Übertragungsfähigkeit zu übersetzen. Diese<br />

Übertragungsfähigkeit setzt den pro Grad Kelvin ausgetauschten Wärmestrom zwischen den<br />

Fluiden ins Verhältnis zu der Wärmeleistung – ebenfalls pro Grad Kelvin – des Fluidstromes<br />

mit dem geringeren Wärmekapazitätsstrom. Die dimensionlosen Temperaturerhöhungen θh<br />

und θh sind auf die Differenz der Einstrittstemperatur zwischen heißem und kaltem Fluidstrom<br />

bezogen.<br />

Im Folgenden wird gezeigt, dass dank des ersten Hauptsatzes eine der vier Kennzahlen als<br />

Funktion der restlichen drei ausgedrückt werden kann, z.B.<br />

θh = θh(θc, ˙ Cr, N). (6.14)<br />

Eine detaillierte Wärmestrombilanz erlaubt dann, die verbleibenden drei Kennzahlen in einen<br />

funktionalen Zusammenhang<br />

F (θc, ˙ Cr, N) = 0 (6.15)<br />

zu stellen, der Betriebscharakteristik genannt wird.<br />

Bei der Berechnung eines Wärmetauschers lassen sich folgende Problemstellungen unterscheiden:<br />

• Bestimme bei gegebenen Eintrittstemperaturen Th und Tc, Wärmekapazitätsströmen<br />

˙Ch, ˙ Cc und Übertragungsfähigkeit kA die Austrittstemperaturen T ′ h und T ′ c sowie den<br />

Wärmestrom ˙ Q. Dieser Aufgabentyp ist als Nachrechnen eines Wärmetauschers bekannt,<br />

da mit kA Geometrie und Strömungsverhältnisse im Wärmetauscher als gegeben<br />

betrachtet werden können. Die Lösung dieser Aufgabe erfordert die Aufstellung der<br />

Betriebscharakteristik in der Form<br />

θc = θc( ˙ Cr, N).<br />

Mit (6.14) wird anschließend die Austrittstemperatur des zweiten Fluidstromes bestimmt.<br />

• Falls die vorgegebenen bzw. erforderlichen Temperaturniveaus an den Ein- und Austritten<br />

des Wärmetauschers oder die Wärmekapazitätsströme bekannt sind, so ist bei einer<br />

Auslegungsrechung die Übertragungsfähigkeit kA resp. deren dimensionslose Entsprechung<br />

N zu bestimmen. In diesem Fall wird folgende Form der Betriebscharakteristik<br />

benötigt:<br />

N = N(θc, ˙ Cr).


70KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />

θ C<br />

1.0<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0.0<br />

0<br />

1<br />

Auslegung<br />

2<br />

C r (N,θ h ) = const<br />

N<br />

3<br />

Nachrechnung<br />

Abbildung 6.7: Graphische Lösung der Nachrechungs- resp. Auslegungsaufgabe und Bestimmung<br />

des Betriebspunktes bei nicht explizit aufzulösender Betriebscharakteristik.<br />

Falls die Betriebscharakteristik F (θc, ˙ Cr, N) = 0 nicht explizit nach der gesuchten Kennzahl<br />

aufgelöst werden kann – was häufig der Fall ist – so sind graphische (siehe Bild 6.7) oder<br />

iterative Lösungsverfahren anzuwenden.<br />

Die vorgestellte Strategie soll nun am Beispiel eines Gegenstromwärmetauschers mit Leben<br />

erfüllt werden.<br />

6.3.2 Betriebscharakteristik des Gegenstromwärmetauschers<br />

Die maßgeblichen Größen und Temperaturverhältnisse am Gegenstromwärmetauscher wurden<br />

bereits in Bild 6.3 skizziert. Aus einer globalen Wärmebilanz folgt 1 , dass die Wärme, die das<br />

heißere Fluid abgegeben hat, vollständig vom kühleren Fluid aufgenommen werden muss:<br />

˙Q = ˙ Ch(Th − T ′ h) = ˙ Cc(T ′ c − Tc). (6.16)<br />

Wie oben schon angedeutet, kann nun eine der vier Kennzahlen durch die verbleibenden drei<br />

ausgedrückt werden. Wir nehmen o.B.d.A. an, dass ˙ Cc < ˙ Ch und somit ˙ Cr = ˙ Cc/ ˙ Ch. Dann<br />

folgt aus (6.16)<br />

θh = ˙ Crθc. (6.17)<br />

Nun soll die Betriebscharakteristik des Wärmetauschers aus einer detaillierten Betrachtung<br />

der Wärmeübertragungsvorgänge abgeleitet werden. Die lokalen Bilanzen der Energieströme<br />

1 Wir setzen einen bzgl. der Umgebung adiabaten Wärmetauscher voraus.<br />

4<br />

5


6.3. WÄRMETAUSCHER 71<br />

Abbildung 6.8: Energieströme an infinitesimalen Volumenelementen eines Gegenstromwärmetauschers.<br />

an infinitesimalen Volumenelementen dV der beiden Fluidströme ergeben (siehe Bild 6.8)<br />

˙Ch(x)Th(x) = d ˙ Q(x) + ˙ Ch(x + dx)Th(x + dx),<br />

˙Cc(x + dx)Tc(x + dx) + d ˙ Q(x) = ˙ Cc(x)Tc(x).<br />

Hier stehen jeweils links die zugeführten, rechts die abgeführten Wärmeströme.<br />

Da sich die Wärmekapazitätsströme mit der Lauflänge nicht ändern, ˙ Ci = const und<br />

Ti(x + dx) = Ti(x) + dTi(x) kann man sofort schreiben<br />

d ˙ Q = − ˙ CcdTc = − ˙ ChdTh.<br />

Der besseren Lesbarkeit halber wird hier das Argument x nicht aufgeführt. Nun gilt noch,<br />

dass der zwischen den Volumenelementen ausgetauschte Wärmestrom d ˙ Q proportional zur<br />

lokalen Temperaturdifferenz ∆T ≡ Th − Tc zwischen den Fluidströmen ist,<br />

d ˙ Q = k dA ∆T.<br />

Diese beiden Gleichungen lassen sich nun zu einer Differentialgleichung <strong>für</strong> die Temperaturdifferenz<br />

∆T kombinieren:<br />

d∆T<br />

∆T<br />

�<br />

1<br />

= −k dA<br />

˙Ch<br />

− 1<br />

�<br />

.<br />

˙Cc<br />

(6.18)<br />

Diese Gleichung kann von ”1” nach ”2” integriert werden<br />

� � �<br />

∆T2<br />

1<br />

ln = −k A<br />

∆T1<br />

˙Ch<br />

− 1<br />

�<br />

.<br />

˙Cc<br />

(6.19)<br />

Die Einführung der oben definierten Kennzahlen θc, ˙ Cr und N liefert nun nach einigen Umformungen<br />

die gesuchte Betriebscharakteristik:<br />

� � �<br />

∆T2 T ′ � �<br />

h − Tc Th − Tc + T<br />

ln = ln<br />

= ln<br />

∆T1<br />

′ h − Th<br />

Th − Tc − T ′ � � �<br />

1 − θh<br />

= ln ,<br />

c + Tc 1 − θc<br />

Th − T ′ c


72KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />

und somit<br />

oder<br />

� �<br />

1 − θh<br />

ln =<br />

1 − θc<br />

k A<br />

(1 −<br />

˙Cc<br />

˙ Cr),<br />

N(θc, ˙ 1<br />

Cr) =<br />

1 − ˙ � �<br />

1 − Crθc<br />

˙<br />

ln<br />

. (6.20)<br />

Cr 1 − θc<br />

Hiermit ist <strong>für</strong> den Gegenstromwärmetauscher das Auslegungsproblem gelöst. Durch Umformen<br />

der Gleichung (6.20) ist in diesem Fall auch die <strong>für</strong> eine Nachrechnung benötigte explizite<br />

Form der Betriebscharakteristik zu finden:<br />

�<br />

1 − exp −N(1 −<br />

θc = ˙ �<br />

Cr)<br />

1 − ˙ �<br />

Cr exp −N(1 − ˙ �. (6.21)<br />

Cr)<br />

Wie man leicht nachprüfen kann, gelten die Betriebscharakteristiken (6.20) und (6.21) auch<br />

dann, wenn der heißere Fluidstrom den kleineren Wärmekapazitätsstrom aufweist. In diesem<br />

Fall ist einfach in (6.21) und (6.20) θc durch θh zu ersetzen.<br />

6.3.3 Wirkungsgrad eines Wärmetauschers<br />

Um den Wirkungsgrad eines Wärmetauschers zu bestimmen, muss zuerst geklärt werden, was<br />

unter einem idealen Wärmetauscher zu verstehen ist bzw. wie groß dessen Wärmeleistung ist.<br />

Ein thermodynamisch idealer, reversibler Wärmetauscher müsste mit infinitesimal kleinen<br />

Temperaturdifferenzen zwischen heißem und kaltem Fluid arbeiten. Damit wäre zwangsläufig<br />

auch die Austrittstemperatur des kalten Fluids gleich der Eintrittstemperatur des heißen<br />

Stromes und umgekehrt:<br />

T ′ c = Th; T ′ h = Tc. (6.22)<br />

Dieser ideale Wärmetauscher setzt nicht nur eine unendlich große Übertragungsfähigkeit<br />

kA → ∞ zur Erreichung eines endlichen Wärmestromes bei verschwindender Temperaturdifferenz<br />

∆T voraus, sondern auch Gleichheit der beiden Wärmekapazitätströme ˙ Cc = ˙ Ch.<br />

Letzteres folgt aus dem ersten Hauptsatz (6.16) mit (6.22) – oder lässt sich intuitiv mit<br />

Symmetrieargumenten begründen.<br />

Falls nun ˙ Cc �= ˙ Ch, so erreicht nur der Strom mit geringerem ˙ C die Eintrittstemperatur<br />

des anderen Fluidstroms. Dies lässt sich durch ein Widerspruchsargument leicht zeigen. Man<br />

nehme an, dass ˙ Cc < ˙ Ch und trotzdem T ′ h = Tc. Mit dem ersten Hauptsatz (6.16)<br />

˙Cc(T ′ c − Tc) = ˙ Ch(Th − T ′ h )<br />

folgt daraus sofort T ′ c > Th – was unmöglich ist ! (q.e.d.)<br />

Der maximale Wärmestrom eines idealen Wärmetauschers mit ungleichen Wärmekapazitätströmen<br />

beträgt somit<br />

˙Qmax = ˙ Cmin(Th − Tc),


6.3. WÄRMETAUSCHER 73<br />

und entsprechend definiert man einen Wirkungsgrad<br />

ɛ ≡<br />

˙ Q<br />

˙Qmax<br />

Nun findet man durch Einsetzen in (6.16) sofort, dass<br />

�<br />

θc; Cc<br />

˙ <<br />

ɛ =<br />

˙ Ch,<br />

θh; Ch<br />

˙ < ˙ Cc.<br />

. (6.23)<br />

(6.24)<br />

Der Wirkungsgrad ɛ eines Wärmetauschers ist somit gleich der dimensionslosen Temperaturerhöhung<br />

des Fluidstromes mit geringerem Wärmekapazitätsstrom ˙ C.<br />

Betriebscharakteristiken werden vorteilhaft mit Hilfe des Wirkungsgrades ɛ anstatt θc bzw.<br />

θh formuliert, da dann lästige Fallunterscheidungen nicht explizit angegeben werden müssen,<br />

also N = N(ɛ, ˙ Cr) oder ɛ = ɛ( ˙ Cr, N) (siehe Incropera und DeWitt, 1996).<br />

Aus der Definitionsgleichung (6.23) folgt, dass man bei bekanntem Wirkungsgrad ɛ die Wärmeleistung<br />

eines Wärmetauschers einfach nach folgender Formel berechnen kann:<br />

˙Q = ɛ ˙ Cmin(Th − Tc).<br />

6.3.4 Mittlere Temperaturdifferenz des Gegenstrom-Wärmetauschers<br />

Bei der Berechnung von Wärmetauschern erweist sich oft eine mittlere Temperatur<br />

∆Tm ≡ 1<br />

�<br />

(Th − Tc) dA (6.25)<br />

A A<br />

als nützlich, obwohl damit keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse generiert werden, die nicht<br />

auch die Betriebscharakteristik liefern könnte. Konstanten k-Wert vorausgesetzt kann nämlich<br />

mit Hilfe von ∆Tm die Wärmeleistung eines Wärmetauschers sofort zu<br />

berechnet werden.<br />

˙Q = k A ∆Tm<br />

(6.26)<br />

Die Bestimmung von ∆Tm erfordert wieder eine detaillierte Analyse der Temperaturverläufe<br />

entlang der Trennwand. Für den Gegenstromwärmetauscher wurde diese Analyse bereits<br />

durchgeführt; wir können an die Berechnung der Betriebscharakteristik im vorletzten Abschnitt<br />

anknüpfen. Mit dem ersten Hauptsatz (6.16) kann der Term in Klammern auf der<br />

rechten Seite von (6.19) wie folgt umgeformt werden:<br />

� 1<br />

˙Ch<br />

− 1<br />

�<br />

˙Cc<br />

= 1 �<br />

Th − T<br />

˙Q<br />

′ h − T ′ � 1 �<br />

c + Tc = (Th − T<br />

˙Q<br />

′ c) − (T ′ h − Tc) � = 1<br />

˙Q (∆T1 − ∆T2) .<br />

Hier bezeichnen ∆T1 und ∆T2 wieder die Temperaturdifferenz zwischen den Fluidströmen an<br />

den Enden des Wärmetauschers. Einsetzen in (6.19) liefert dann<br />

˙Q = k A ∆T2 − ∆T1<br />

� . (6.27)<br />

ln<br />

� ∆T2<br />

∆T1


74KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />

Daraus folgt aber, dass die gesuchte mittlere Temperaturdifferenz ∆Tm <strong>für</strong> einen Gegenstromwärmetauscher<br />

die mittlere logarithmische Temperaturdifferenz ∆Tlog ist,<br />

∆Tlog = ∆T2 − ∆T1<br />

� . (6.28)<br />

ln<br />

� ∆T2<br />

∆T1<br />

6.3.5 Wärmetauscher mit Phasenumwandlung<br />

Wie anfangs schon erwähnt, ist in wichtigen Anwendungen eines der beiden Arbeitsmedien<br />

eines Wärmetauschers ein verdampfendes oder kondensierendes Fluid. Die bei der Phasenumwandlung<br />

zuzuführende bzw. freiwerdende Verdampfungsenthalphie wird dabei vom zweiten<br />

Fluidstrom geliefert bzw. aufgenommen. Die Verhältnisse sind in Abb. 6.9 dargestellt. Wie<br />

im Bild angedeutet, ändert sich die Temperatur des verdampfenden bzw. kondensierenden<br />

Mediums nicht, was die Berechnung eines Wärmetauschers bzw. seiner Betriebscharakteristik<br />

vereinfacht.<br />

Für einen Wärmetauscher mit Verdampfung gilt zum Beispiel <strong>für</strong> das verdampfende Fluid<br />

Tc = const. und somit<br />

θc = 0.<br />

Mit c → ∞ folgt außerdem<br />

˙Cc → ∞, ˙ Cr → 0.<br />

Die gesuchte Betriebscharakteristik reduziert sich somit auf eine Beziehung zwischen nur zwei<br />

Kennzahlen<br />

N = N(θh). (6.29)<br />

Ausgehend von der Bilanz der Energieflüsse am Volumenelement kann man sogar explizit<br />

zeigen, dass unter den gegebenen Bedingungen<br />

N = − ln(1 − ɛ), (6.30)<br />

ɛ = 1 − exp(−N), (6.31)<br />

<strong>für</strong> einen Wärmetauscher gleich welcher Bauart bzw. Stromführung.<br />

Die Betriebscharakteristiken (6.30) und (6.31) sind näherungsweise gültig, wenn ˙ Cr ≈ 0 z.B.<br />

wegen sehr unterschiedlicher Massenströme und/oder bei sehr unterschiedlichen spezifischen<br />

Wärmekapazitäten.<br />

Falls in einem Wärmetauscher vollständige Verdampfung mit anschließender Erwärmung des<br />

Dampfes stattfindet, so ist dieses System als eine Hintereinanderschaltung von zwei Wärmetauschern<br />

zu behandeln, welche über die Eintritts- bzw. Austrittsbedingungen <strong>für</strong> die Temperaturen<br />

und Massenströme miteinander verkoppelt sind. Der erste Wärmetauscher wird mit<br />

einer reduzierten Betriebscharakteristik der Form (6.29) berechnet, der zweite Wärmetauscher<br />

mit den weiter oben vorgestellten Methoden.<br />

Der Wärmetauscher mit Kondensation ist analog zu behandeln.


6.3. WÄRMETAUSCHER 75<br />

Abbildung 6.9: Temperaturverläufe und Austausch von Verdampfungsenthalphie H beim<br />

Wärmetauscher mit Verdampfen (links) und Kondensieren (rechts). Beachte, dass eine Unterscheidung<br />

zwischen Gegenstrom- und Gleichstromwärmetauscher nicht mehr sinnvoll ist,<br />

wenn die Temperatur eines Fluidstromes konstant ist.<br />

6.3.6 Weitere Bauformen von Wärmetauschern<br />

Die am Beispiel des Gegenstrom-Wärmetauschers entwickelten Methoden zur Berechnung<br />

der Betriebscharakteristik und der mittleren Temperaturdifferenz ∆Tm lassen sich auch auf<br />

einen (Doppelrohr) Gleichstrom-Wärmetauscher anwenden. Die Ergebnisse <strong>für</strong> die Betriebscharakteristik,<br />

d.h. Wirkungsgrad ɛ und dimensionslose Übertragungsfähigkeit N sind in<br />

Tabelle 6.1 zusammengestellt. Für ∆Tm findet man wieder die mittlere logarithmische Temperaturdifferenz<br />

∆Tlog, siehe Gleichung (6.28), wobei allerdings zu beachten ist, dass nun mit<br />

∆T2 = T ′ h − T ′ c und ∆T1 = Th − Tc die Temperaturdifferenzen am Ein- und Austritt des<br />

Wärmetauschers anders lauten als bei der Gegenstromführung.<br />

Ein Vergleich der Wirkungsgrade der beiden Varianten zeigt, dass zumindest bei ausreichend<br />

hoher Übertragungsfähigkeit und bei Wärmekapazitätsströmen vergleichbarer Größenordnung<br />

der Gegenstrom- dem Gleichstrom-Wärmetauscher überlegen ist:<br />

lim<br />

N→∞ ɛ↑↑ = 1<br />

1+ ˙ Cr<br />

Gleichstrom,<br />

lim<br />

N→∞ ɛ↑↓ = 1 Gegenstrom.<br />

Hier ist mit ɛ↑↑ die Gleichstrom- und mit ɛ↑↓ die Gegenstrombauweise gekennzeichnet. Wie<br />

man sieht, ist der Wirkungsgrad der Gegenstromanordung größer, solange ˙ Cr > 0, andernfalls<br />

gilt wie oben schon gesagt ɛ↑↑ = ɛ↑↓ = 1 − exp(−N).<br />

Eine Bauform, der man in der Praxis häufig begegnet, ist der Kreuzstrom-Wärmetauscher.<br />

Hier kann zwischen einem einseitig quervermischten und einem unvermischten Kreuzstrom<br />

unterschieden werden, siehe Bild 6.11 und 6.10. Der quervermischte Kreuzstrom ist mathematisch<br />

einfacher zu behandeln, da die Temperaturänderungen in den beiden Raumrichtungen<br />

dank der Quermischung gewissermaßen sequentiell berechnet werden können. Details finden<br />

sich z.B. in Baehr und Stephan [1]. Es ist noch zu unterscheiden, ob das Fluid mit dem geringeren<br />

oder dem höheren Wärmekapazitätsstrom ˙ C quervermischt ist, die Ergebnisse finden<br />

sich in Tabelle 6.1. Für den ungemischten Kreuzstrom ist keine geschlossene Lösung zu finden;


76KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />

Abbildung 6.10: Temperaturverteilung T(x,y) bei einer einzelnen Rohrreihe als Beispiel des<br />

einseitig quergemischten Kreuzstroms.<br />

Abbildung 6.11: Temperaturverteilung T(x,y) bei einem Plattenwärmetauscher als Beispiel<br />

des ungemischten Kreuzstroms.


6.3. WÄRMETAUSCHER 77<br />

Strömungsführung Wirkungsgrad ɛ(N, ˙ Cr) dimensionslose<br />

Übertragungsfähigkeit<br />

N(ɛ, ˙ Cr).<br />

Gegenstrom<br />

Gleichstrom<br />

Kreuzstrom<br />

(ungemischt)<br />

Kreuzstrom<br />

(einseitig quergemischt,<br />

˙Cmin ungemischt)<br />

Kreuzstrom<br />

(einseitig quergemischt,<br />

˙Cmax ungemischt)<br />

˙Cr = 0<br />

(beliebige Bauform)<br />

1−exp[−N(1− ˙Cr)]<br />

1− ˙Cr exp[−N(1− ˙Cr)]<br />

1−exp[−N(1+ ˙Cr)]<br />

1+ ˙ Cr<br />

� �<br />

1˙Cr 1 − exp N 0.22 exp[− ˙CrN 0.78 ��<br />

] − 1<br />

� �<br />

1 1 − exp − ˙Cr<br />

˙ ��<br />

Cr[1 − exp(−N)]<br />

�<br />

1 − exp − 1 �<br />

1 − exp[− ˙Cr<br />

˙ ��<br />

CrN]<br />

1<br />

1− ˙ � �<br />

1−ɛCr ˙<br />

ln<br />

Cr 1−ɛ<br />

− ln[1−ɛ(1+ ˙Cr)]<br />

1+ ˙ Cr<br />

�<br />

− ln 1 + 1 Cr ˙ ln(1 − ɛ ˙ �<br />

Cr)<br />

− 1 ˙Cr<br />

ln[ ˙ Cr ln(1 − ɛ) + 1]<br />

1 − exp(−N) − ln(1 − ɛ)<br />

Tabelle 6.1: Betriebscharakteristiken verschiedener Wärmetauscher.<br />

es muss auf eine Reihenentwicklung zurückgegriffen werden. Die in Tabelle 6.1 angegebene<br />

Form des Wirkungsgrades ist nur <strong>für</strong> ˙ Cr = 1 exakt, ist jedoch in guter Näherung <strong>für</strong> alle<br />

˙Cr > 0 anwendbar.


78KAPITEL 6. MASSEN- UND ENERGIEBILANZEN FÜR DURCHSTRÖMTE SYSTEME<br />

Zusammenfassung<br />

• Massen- und Energiebilanzen erlauben die Berechnung der zeitlichen bzw. räumlichen<br />

Temperaturverläufe in durchströmten Systemen wie Rührreaktoren, Rohrleitungen und<br />

Wärmetauschern.<br />

• Mit einem Massenstrom ˙m eines inkompressiblen Fluides der Temperatur T und der<br />

Wärmekapazität c geht ein advektiver Enthalpiestrom ˙ H = ˙m c T einher.<br />

• Bei der Bestimmung von Wärmeverlusten ist die Ursache (Temperaturdifferenz) oft proportional<br />

zur Wirkung (Änderung der Temperatur), weshalb ein zeitlich bzw. räumlich<br />

exponentieller Verlauf zu beobachten ist.<br />

• Die Betriebscharakteristik erlaubt sowohl das Auslegen als auch das sog. Nachrechnen<br />

eines Wärmetauschers. Es gibt sehr viele verschiedene Bauformen von Wärmetauschern.<br />

Nicht immer ist die Betriebscharakteristik analytisch in der gewünschten Form darstellbar,<br />

dann sind grafische Methoden anzuwenden.<br />

• Entdimensionierung, d.h. die Einführung von dimensionslosen Kennzahlen, erlaubt eine<br />

kompakte Diskussion der wesentlichen Zusammenhänge mit einer deutlich reduzierten<br />

Zahl von Modellparametern.<br />

e✷Xerzitien<br />

Richtig ✷X oder falsch ?<br />

✷ Der durchströmte, ideal gerührte Behälter ist in Analogie zu einer Blockkapazität (elektrischer<br />

Kondensator) zu betrachten. Der Massenstrom ˙m [kg/s] ist dabei analog zum<br />

elektrischen Strom I [Ampere = Coulomb/Sekunde].<br />

✷ Sowohl bei der Bestimmung der Wärmeverluste bei der Rohrströmung als auch beim Gegenstromwärmetauscher<br />

wird die Energie an einem ” hybriden“ Kontrollvolumen bilanziert,<br />

welches in Strömungsrichtung infinitesimal und über den Rohrquerschnitt endlich<br />

ausgedehnt ist.<br />

✷ Beim Wärmetauscher mit Phasenübergang ist die Temperatur eines Teilstromes konstant,<br />

weshalb in dieser Konfiguration der maximale Wirkungsgrad erreicht wird.<br />

✷ Beim Wärmetauscher mit Phasenübergang ist der Wirkungsgrad von Gleichstrom- und<br />

Gegenstromanordung identisch.<br />

✷ Alternativ zur Betriebscharakteristik kann auch mit der mittleren logarithmischen Temperaturdifferenz<br />

gearbeitet werden um einen Wärmetauscher auszulegen bzw. nachzurechnen.


Kapitel 7<br />

Grundbegriffe von Wärmeübergang<br />

und Konvektion<br />

In diesem und den nächsten Kapiteln wird der Wärmeaustausch zwischen einem Fluid (Gas<br />

oder Flüssigkeit) und einer begrenzenden Wand behandelt. Im Inneren des Fluids findet dabei<br />

der Wärmeaustausch im Wesentlichen in der Form statt, dass die von der Wand abgegebene<br />

Wärme durch das vorbeiströmende Medium mitgenommen oder – bei kühlerer Wand –<br />

herantransportiert wird. Die Strömung kann dabei durch Pumpen oder Gebläse – also durch<br />

Zwangskonvektion – erzeugt werden, oder sie entsteht durch Dichteunterschiede aufgrund von<br />

Temperatur- oder Konzentrationsgradienten als freie bzw. natürliche Konvektion. In beiden<br />

Fällen konzentriert sich der Wärmeübergangswiderstand auf eine dünne Grenzschicht unmittelbar<br />

an der Körperoberfläche. In der Grenzschicht wird die Intensität des konvektiven<br />

Transports sowohl durch Wärmeleitung wie durch Advektion (Heran- oder Hinwegführung)<br />

bestimmt. Es stellt sich somit heraus, dass der durch den Newtonschen Ansatz<br />

˙Q = α A(TW − T∞)<br />

definierte Wärmeübergangskoeffizient α, den wir bei Wärmeleitungsproblemen als eine vorgegebene<br />

Randbedingung unterstellt hatten, von den Wärmetransportvorgängen in der Grenzschicht<br />

abhängt. Der Wärmeübergangskoeffizient ist also nicht einfach ein Stoffwert des<br />

Fluids, sondern eine ” Eigenschaft“ der Strömung (!) entlang der Körperoberfläche. Grob<br />

vereinfachend kann man sagen, dass α von der Dicke der Grenzschicht abhängt. Historisch<br />

wurde die Grenzschichtdicke durch Prandtl 1 so definiert, dass an ihrem Außenrand 99% des<br />

Geschwindigkeitswertes u∞ im Freistrom erreicht werden sollen, während an der Körperoberfläche<br />

als wichtigste Randbedingung die sog. ” Haftbedingung“ u(x, 0) = 0 zu erfüllen ist.<br />

Die Bestimmung oder Abschätzung des Wärmeübergangskoeffizienten α bzw. der Nußelt-Zahl<br />

Nu – ein entdimensionierter Wärmeübergangskoeffizient – <strong>für</strong> verschiedene Strömungstypen<br />

1 Ludwig Prandtl, Physiker, ∗ Freising 4.2. 1875, † Göttingen 15.8. 1953; Direktor des Kaiser-Wilhelm-Inst.<br />

<strong>für</strong> Strömungsforschung in Göttingen, Begründer der modernen Aero- und Hydrodynamik. Seine Untersuchungen<br />

zur Theorie der Unterschall- und Überschallströmung (u.a. mithilfe von Windkanälen) führten zu wichtigen<br />

Verbesserungen im Schiff- und Flugzeugbau. c○Bib. Inst. & F.A. Brockhaus AG<br />

79


80 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />

wird uns in den nächsten Kapiteln hauptsächlich beschäftigen. Ausgangspunkt sind dabei die<br />

Differentialgleichungen, die den Strömungsvorgang und den Wärmetransport beschreiben, das<br />

heisst die Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong> Masse, Impuls und Energie.<br />

Für erzwungene Konvektion lässt sich aus diesen Erhaltungsgleichungen ableiten, dass das<br />

Strömungsfeld und damit auch die Ausbildung der Grenzschicht durch den Wärmeübergang<br />

nicht beeinflusst wird, wenn von der Temperaturabhängigkeit der relevanten Stoffwerte abgesehen<br />

werden kann; die Ausbildung der Grenzschicht ist dann ein rein strömungstechnisches<br />

Problem. Der wesentliche Schritt im Ausbau einer Lehre vom Wärmeübergang durch Wilhelm<br />

Nusselt 2 bestand gerade in der Einführung einer solchen idealen Flüssigkeit mit temperaturunabhängigen<br />

Stoffwerten. Beim Großteil der technischen Anwendungen kann auch <strong>für</strong> Gase die<br />

Dichte als unveränderliche Größe betrachtet werden, so dass keine wesentlichen Unterschiede<br />

zwischen Flüssigkeiten und Gasen bestehen.<br />

Bei der thermisch angeregten freien Konvektion wird die Strömung erst durch die Temperaturunterschiede<br />

induziert, weshalb Strömungs- und Wärmeaustauschvorgang von vorneherein<br />

miteinander gekoppelt sind.<br />

7.1 Wesentliche Ergebnisse der Strömungslehre<br />

Die eben erläuterte starke Bindung des Wärmeübergangs an die hydrodynamischen Vorgänge<br />

legt es nahe, zunächst einige grundlegende Begriffe aus der Strömungslehre zu klären und<br />

zwar vorrangig unter dem Aspekt der Zwangskonvektion. Im Folgenden werden wesentliche<br />

Ergebnisse der Fluiddynamik am Beispiel einer Strömung nach Abb. 7.1, in der die Geschwindigkeiten<br />

u parallel zu einer in x-Richtung erstreckten Wand gerichtet sind (man spricht von<br />

einer längsangeströmte Platte) vorgestellt.<br />

7.1.1 Zähigkeit und Schubspannung<br />

Das Zusammenwirken von Trägheits- und Druckkräften in idealen Fluiden längs eines Stromfadens<br />

(Koordinate s) wird durch die sog. Potentialtheorie bzw. durch die Gleichung von<br />

Bernoulli beschrieben:<br />

p(s) + ϱ w(s)2<br />

= const.,<br />

2<br />

mit dem Flüssigkeitsdruck p , konstanter Dichte ϱ = const. und der Strömungsgeschwindigkeit<br />

w(s) in s-Richtung, der Normalen auf dem Flächenelement dA eines Stromröhrenquerschnittes.<br />

2 Wilhelm Nusselt ∗ Nürnberg 25. Nov. 1882, † München 1. Sept. 1957. Studierte Machinenwesen an der<br />

TU Berlin-Charlottenburg und TH München. Assistent von O. Knoblauch am Labor <strong>für</strong> Technische Physik.<br />

Veröffentlichte 1915 ” Die Grundgesetze des Wärmeübergangs“, worin erstmals die dimensionslosen Gruppen,<br />

die heute als Kennzahlen bekannt sind, eingeführt wurden. Professor in Karlsruhe (1920-1925) und Ordinarius<br />

des <strong>Lehrstuhl</strong>s <strong>für</strong> <strong>Thermodynamik</strong> der TH Münchnen (1925-1952).


7.1. WESENTLICHE ERGEBNISSE DER STRÖMUNGSLEHRE 81<br />

�<br />

� ∞<br />

� �<br />

τ<br />

�<br />

Abbildung 7.1: Geschwindigkeitsverteilung u(x, y), Schubspannung τ in der laminaren Grenzschicht<br />

δ(x) einer längsangeströmten Platte (Ordinate gegenüber Abszisse stark überhöht)<br />

Die Wirkung der Zähigkeit oder Viskosität realer Fluid, welche an überströmten Flächen und<br />

zwischen einzelnen, mit verschiedener Geschwindigkeit fließenden Stromfäden Reibungs- oder<br />

Schubspannungen entstehen lässt, wird bei dieser Formulierung vernachlässigt. Wir betrachten<br />

z.B. die Strömung über eine längsangeströmte Platte nach Abb. 7.1, in der infolge Abbremsung<br />

Geschwindigkeitsunterschiede du in y-Richtung (senkrecht zur Wand) auftreten. Nach Stokes 3<br />

entsteht zähigkeitsbedingt in einer zur Wand parallelen Ebene a-a eine Schubspannung τ<br />

(Einheit Kraft pro Fläche N/m 2 ), deren Größe der Ansatz von Newton erfasst,<br />

τ<br />

�����<br />

�<br />

δ( ���<br />

τ = η du<br />

. (7.1)<br />

dy<br />

Wir begegnen wieder einmal dem Prinzip ” Wirkung“ = ” Kopplungsparameter“ × ” Ursache“.<br />

Der Kopplungskoeffizient ist hier die dynamischen Zähigkeit oder Viskosität η mit der Einheit<br />

[η]= kg/m-s = Pa s. Neben der dynamischen Zähigkeit η wird häufig die kinematische Zähigkeit<br />

ν = η/ϱ mit der Einheit [ν]=m 2 /s verwendet. Fast immer darf man davon ausgehen,<br />

dass η ein Stoffwert ist, also sehr wohl von der Zusammensetzung und dem thermodynamischen<br />

Zustand des Fluids, nicht aber seiner Bewegung abhängt; man spricht dann von<br />

einer Newtonschen Flüssigkeit. In mehrdimensionalen Strömungsfeldern gelten kompliziertere<br />

Beziehungen, da τ Tensorcharakter 4 hat.<br />

3 Sir (seit 1889) George Gabriel Stokes: brit. Mathematiker und Physiker, ∗ Skreen (Irland) 13.8. 1819, †<br />

Cambridge 1.2. 1903; wurde 1849 Prof. in Cambridge und war 1885-90 Präs. der Royal Society; bed. Beiträge<br />

zur Hydrodynamik, Optik (Stokes’sche Regel) und Analysis, in der er den Begriff der gleichmäßigen Konvergenz<br />

und den Zusammenhang zw. Oberflächen- und Kurvenintegralen (Stokes’scher Integralsatz) erarbeitete.<br />

( c○1999 Bib. Inst. & F.A. Brockhaus AG)<br />

4 Die Komponente τyx gibt dabei die Kraft x-Richtung an, welche auf ein Flächenelement mit Normalenvektor<br />

in y-Richtung wirkt. Bei einfacher Scherung wie in Bild 7.1 gilt somit τyx = η∂u/∂y.


82 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />

7.1.2 Reibungs- und Widerstandsbeiwert<br />

Der im letzten Abschnitt vorgestellte Ansatz von Stokes (7.1) beschreibt zwar, wie die Reibungskräfte<br />

von der Geschwindigkeitsverteilung abhängen – damit ist jedoch noch keine<br />

Lösung <strong>für</strong> das Geschwindigkeitsfeld gefunden. In der Tat wurde es aufgrund großer mathematischer<br />

Schwierigkeiten erst am Anfang des 20. Jahrhunderts mit der sog. Grenzschichttheorie<br />

(s.u.) möglich, <strong>für</strong> anwendungsrelevante Konfigurationen neben den Trägheits- und<br />

Druckkräften in der Hydrodynamik auch noch die Reibungskräfte zu berücksichtigen.<br />

Nehmen wir trotzdem einmal an, das die Geschwindigkeitsverteilung u(x, y) über einer angeströmten<br />

Platte bekannt ist. Dann kann kann z.B. der Reibungswiderstand W einer Platte der<br />

Breite b (gleich der Tiefe des zweidimensionalen laminaren Strömungsfeldes) und der Länge<br />

L berechnet werden. Dazu berechnet man nach Stokes die Wandschubspannung τW aus dem<br />

Gradienten der Geschwindigkeitsverteilung an der Wand (y = 0):<br />

τW = η ∂u<br />

�<br />

�<br />

� ,<br />

∂y<br />

und daraus durch Integration der Schubspannung über die benetzte Oberfläche der Platte die<br />

gesamte Widerstandskraft<br />

�<br />

W = τW dA =<br />

A<br />

�b<br />

0<br />

�L<br />

0<br />

� y=0<br />

�L<br />

τW (x) dx dy = b τW (x) dx. (7.2)<br />

In der Praxis wird oft ein dimensionsloser örtlicher Reibungsbeiwert cf als Verhältnis der<br />

Wandschubspannung und des dynamischen Druckes außerhalb der Grenzschicht angegeben:<br />

Gebräuchlich ist auch ein Widerstandsbeiwert cW :<br />

0<br />

cf ≡ τW (x)<br />

ϱ<br />

2u2 . (7.3)<br />

∞<br />

cW ≡ W<br />

ϱ<br />

2 u2 ∞ A.<br />

Hier ist mit A die überströmte oder benetzte Fläche bekennzeichnet. Für die längsangeströmte<br />

Platte gilt A = bL. Mit (7.2) lässt sich der Widerstandsbeiwert cW als mittlerer Reibungsbeiwert<br />

cf bestimmen:<br />

cW = 1<br />

L<br />

7.1.3 Der Begriff der Grenzschicht nach Prandtl<br />

�L<br />

0<br />

(7.4)<br />

cf (x) dx ≡ cf . (7.5)<br />

Abb. 7.1 zeigt exemplarisch, wie die Geschwindigkeit u innerhalb einer dünnen Grenzschicht<br />

der Dicke δ vom Wert 0 an der Wand (Haftbedingung) asymptotisch auf den Wert u∞ = const.<br />

der Kernströmung ansteigt.


7.1. WESENTLICHE ERGEBNISSE DER STRÖMUNGSLEHRE 83<br />

Nach Ludwig Prandtl (1904) kann eine solche Unterscheidung zwischen Grenzschicht und<br />

Kernströmung auch <strong>für</strong> andere umströmte Körper – Tragflügel, Schiffsrümpfe, Turbinenschaufeln,<br />

. . . – getroffen werden. Dabei kann die Kernströmung in guter Näherung als zähigkeitsfreie<br />

Potentialströmung behandelt werden (Bernoulli !), während sich die Wirkung der Zähigkeit<br />

auf das Grenzschichtgebiet beschränkt. Mit Hilfe der sog. Grenzschichtnäherungen, die<br />

im nächsten Kapitel ausführlich diskutiert werden, kann dann der Geschwindigkeitsgradient<br />

an der Wand und somit die Schubspannung bzw der Wärmeübergangskoeffizient quantitativ<br />

bestimmt werden. Diese Strategie des ”divide et impera” nach Prandtl ist <strong>für</strong> die ganze<br />

Strömungslehre und den Wärmeaustausch von grundlegender Bedeutung.<br />

Sogar in einem durchströmten Rohr (Abb. 7.3) bildet sich in der Nähe des Einlaufes 5 eine<br />

(rotationssymmetrische) Grenzschicht aus. Allerdings wächst nach einer bestimmten Einlauflänge<br />

Le die Grenzschicht bis zur Rohrachse an, so dass dann der Einfluss der Zähigkeit<br />

in der gesamten Strömung spürbar ist.<br />

7.1.4 Der Begriff der Turbulenz nach Reynolds<br />

Von Reynolds 6 wurde 1883 erstmalig gezeigt, dass zwei grundsätzlich verschiedene Strömungsformen<br />

existieren: eine laminare und eine turbulente. Bei der Ersteren laufen die einzelnen<br />

Stromlinien geordnet nebeneinander her, während sie bei der Letzteren in unregelmäßiger<br />

Weise miteinander verflochten sind und die einzelnen Flüssigkeitsteilchen stochastische<br />

Schwankungsbewegungen um ihren mittleren Strömungsweg ausführen. Dieser vor allem quer<br />

zur Strömungsrichtung erfolgende Vermischungsvorgang erhöht den Reibungswiderstand und<br />

den Wärmeaustausch turbulent umströmter Körper bzw. turbulent durchströmter Kanäle<br />

gegenüber der laminaren Strömung ganz wesentlich (siehe Abb. 7.2).<br />

Reynolds hat als erster festgestellt, dass der Umschlag laminar/turbulent bei einem bestimmten<br />

” kritischen“ Wert des dimensionslosen Ausdrucks u∞ xk/ν erfolgt. Später wurde ihm zu<br />

Ehren dieser erste Ähnlichkeitsparameter in seiner allgemeinen Form<br />

Rex = u∞ x<br />

ν<br />

als Reynoldsche Kennzahl bezeichnet. Für die ebene Platte gilt abhängig vom Störgrad der<br />

Anströmung speziell: 10 5 ≤ Rex,k ≤ 4 10 6 ; unter technischen Bedingungen rechnet man mit<br />

Rex,k ≈ 5 10 5 .<br />

Die Reynolds-Zahl kann durch die Erweiterung<br />

Rex = u∞ x<br />

ν = ϱ u2 ∞<br />

η u∞/x<br />

als Verhältnis der Beschleunigungs- bzw. Trägheits- zu den Reibungskräften interpretiert werden.<br />

5 bei Vermeidung von Ablösung durch entsprechend gerundeten Einlauf<br />

6 Osborne Reynolds, brit. Physiker, ∗ Belfast 23.8. 1842, † Watchet (Cty. Somerset) 21.2. 1912; Prof. in Manchester<br />

(1868-1905), stellte 1883 das nach ihm benannte hydrodynam. Ähnlichkeitsgesetz bei Vorhandensein<br />

von Druck-, Reibungs- und Trägheitskräften auf. ( c○1999 Bib. Inst. & F.A. Brockhaus AG)


84 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />

���<br />

�����<br />

��� �<br />

���<br />

δ( �£�<br />

�������<br />

�¡� �<br />

�<br />

������������� �������£�������£�<br />

��� �<br />

���<br />

�������£���������¥�<br />

��������� �<br />

���������������<br />

���£�����������������£�<br />

Abbildung 7.2: Entwicklung der Geschwindigkeitsgrenzschicht an einer ebenen Platte<br />

Für ein durchströmtes Rohr definiert man eine auf den Durchmesser D bezogene Reynolds-<br />

Zahl,<br />

ReD = um D<br />

.<br />

ν<br />

Die mittlere Geschwindigkeit um folgt mit dem Volumenstrom bzw. dem Durchfluß ˙ V aus der<br />

Definitionsgleichung<br />

˙V<br />

D<br />

= um<br />

2π 4 .<br />

Für die kritische Reynolds-Zahl gilt (wiederum abhängig vom Störgrad des Zulaufs):<br />

2300 ≤ ReD,k ≤ 5 × 10 4 , (Technik: Rek ≈ 3000),<br />

und <strong>für</strong> die bezogene hydraulische Einlauflänge:<br />

Le,h<br />

D<br />

= 0,05 ReD.<br />

Stromab des Einlaufs ändert sich das Geschwindigkeitsprofil nicht mehr, mit anderen Worten:<br />

es liegt eine hydraulisch ausgebildete Strömung vor. Verläuft die Strömung im Rohr<br />

laminar, so ist das Geschwindigkeitsprofil im ausgebildeten Zustand parabolisch, wie Hagen<br />

und Poiseuille erstmals gefunden haben (siehe Vorlesung Wärme- und Stoffübertragung).<br />

7.1.5 Die hydrodynamischen Grundgesetze viskoser Fluide<br />

Diese werden in den Vorlesung ” Fluidmechanik“ abgeleitet und sind in jedem einschlägigen<br />

Lehrbuch zu finden, weshalb wir hier nur das Ergebnis mitteilen. Für ein raumbeständiges<br />

Fluid (ϱ = const.) und stationäre, ebene Strömung (2D, kartesische Koordinaten) gilt:


7.1. WESENTLICHE ERGEBNISSE DER STRÖMUNGSLEHRE 85<br />

�<br />

���<br />

� �<br />

���<br />

�����<br />

�����������������<br />

�������������<br />

Abbildung 7.3: Grenzschicht und Geschwindigkeitsverteilung beim Einlauf in ein Rohr vom<br />

Durchmesser D<br />

Der Massenerhaltungsatz (Kontinuitätsgleichung):<br />

∂u ∂v<br />

+<br />

∂x ∂y<br />

Der Impulserhaltungssatz (Navier-Stokes-Gleichungen7 )<br />

�<br />

ϱ u ∂u<br />

�<br />

∂u<br />

+ v<br />

∂x ∂y<br />

= − ∂p<br />

∂x<br />

+<br />

�<br />

∂2u η<br />

∂x2 + ∂2u ∂y2 �<br />

ϱ u<br />

�<br />

∂v<br />

�<br />

∂v<br />

+ v<br />

∂x ∂y<br />

= − ∂p<br />

∂y<br />

+<br />

�<br />

∂2v η<br />

∂x2 + ∂2v ∂y2 �<br />

= 0. (7.6)<br />

+ ϱ gx, (7.7)<br />

+ ϱ gy, (7.8)<br />

Trägheitskraft Druckkraft Zähigkeitskraft Feldkraft<br />

Neben diesen drei Differentialgleichungen müssen zur eindeutigen Beschreibung eines Modellfalles<br />

noch Randbedingungen sowie die Körperkontur vorgegeben werden. Für die längsangeströmte<br />

ebene Platte lauten die Randbedingungen:<br />

y = 0 : u(x, 0) = 0, (Haftbedingung)<br />

v(x, 0) = 0, (Platte massedicht)<br />

y → ∞ : u(x, ∞). = u∞ (Anströmgeschwindigkeit)<br />

7.1.6 Die Energieerhaltungsgleichung viskoser Fluide<br />

Die hydrodynamischen Grundgleichungen – ein System nichtlinearer partieller Differentialgleichungen<br />

– konnten bis 1908 (!) nur <strong>für</strong> wenige einfache Fälle gelöst werden. Diese Feststellung<br />

führt naheliegenderweise auf die Frage, welches die neuen Methoden waren, die der<br />

7 Claude Louis Marie Henri Navier, frz. Physiker und Ingenieur, *Dijon 15.2. 1785, Paris 23.8. 1836; ab 1819<br />

Prof. in Paris, leistete bed. Beiträge zur Mechanik, Baustatik und Hydrodynamik. c○1999 Bib. Inst. & F.A.<br />

Brockhaus AG


86 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />

modernen Hydrodynamik den Weg bahnten. Zuvor soll jedoch der Energietransport in zähen<br />

Flüssigkeiten - das Hauptanliegen dieses Kapitels - formuliert werden.<br />

Die Zustandsgleichungen der Fluide: Bei Unterstellung nahezu konstanter Dichte kann<br />

auf die Angabe einer thermischen Zustandsgleichung verzichtet werden; man benötigt nur die<br />

kalorische Zustandsgleichung <strong>für</strong> den Energietransport<br />

� � � �<br />

T ∂ϱ dp<br />

dh = cp dT +<br />

+ 1<br />

ϱ ∂T ϱ ,<br />

du = cv dT −<br />

�<br />

T<br />

� ∂p<br />

∂T<br />

p<br />

�<br />

ϱ<br />

− p<br />

�<br />

dϱ<br />

.<br />

ϱ2 Raumbeständige Fluide (ϱ=const.) bei mäßiger Druckänderung:<br />

Ideale Gase:<br />

dh ≈ cp dT,<br />

du ≈ cv dT,<br />

cp ≈ cv = c.<br />

dh = cp dT,<br />

du = cv dT,<br />

cp − cv = R.<br />

Vereinbarung: Wir verwenden - wie schon bei den Festkörpern- die Beziehungen dh = cp dT<br />

und du = cv dT <strong>für</strong> beide Fluidmodelle.<br />

Über eine Energiebilanz an einem raumfesten Volumenelement folgt <strong>für</strong> raumbeständige Fluide<br />

(ϱ = const.) und ebene Strömung (x, y, u, v):<br />

�<br />

ϱcp u ∂T<br />

� �<br />

∂T<br />

∂2T + v = λ<br />

∂x ∂y<br />

∂x2 + ∂2T ∂y2 �<br />

+ u ∂p ∂p<br />

+ v<br />

∂x ∂y<br />

+ η φ. (7.9)<br />

Advektion Wärmeleitung Kompression Dissipation<br />

Mit φ wird die Dissipationsfunktion nach Rayleigh bezeichnet. Kompressions- und Dissipationsarbeit<br />

sind bei Hochgeschwindigkeitsströmungen von Bedeutung, letztere auch noch bei<br />

sehr zähen Flüssigkeiten. Beide Terme sollen im Weiteren vernachlässigt werden. Dann folgt<br />

die vereinfachte Gleichung<br />

u ∂T ∂T<br />

+ v<br />

∂x ∂y<br />

= a<br />

�<br />

∂2T ∂x2 + ∂2T ∂y2 �<br />

, (7.10)<br />

welche nur noch den makroskopischen (molaren) Energietransport mit dem molekularen (diffusiven)<br />

verknüpft. Für die Temperaturleitfähigkeit gilt bekanntermaßen: a = λ/(ϱcp).<br />

Ergänzend zu den hydrodynamischen Randbedingungen folgen die thermischen:<br />

y = 0 : T (x, 0) = TW (konstante Plattentemperatur),<br />

y → ∞ : T (x, ∞) = T∞ (Freistromtemperatur).


7.2. DIMENSIONSLOSE FORM DER ERHALTUNGSGLEICHUNGEN UNDKENNZAHLEN DER THERM<br />

7.2 Dimensionslose Form der Erhaltungsgleichungen und<br />

Kennzahlen der Thermo-Fluiddynamik<br />

In den Kapiteln zur Wärmeleitung wurde bereits mehrmals gezeigt, wie durch die Einführung<br />

von geeignet gewählten Bezugsgrößen eine Differentialgleichung resp. die darin vorkommenden<br />

Größen entdimensioniert werden können. Die dabei auftretenden dimensionslosen Gruppen<br />

von Einflußgrößen spielen als Kennzahlen – z.B. Biot- oder Fourier-Zahl – eine äußerst<br />

wichtige Rolle in der Thermo-Fluidynamik. Vorteile dieser Darstellung ist eine größere Verallgemeinerungsfähigkeit<br />

von experimentell oder analytische gewonnenen Ergebnissen.<br />

7.2.1 Reynolds-, Péclet- und Prandtl-Zahl<br />

Als Beispiel aus der konvektiven Wärmeübertragung diene wiederum die längs angeströmte<br />

ebene Platte bei Zwangskonvektion und vernachlässigbarer Feldkraft (gx = gy = 0), siehe<br />

Bild 7.4. Es sollen die folgenden (konstanten) Systemparameter gegeben sein: Plattenlänge<br />

L, Freistromgeschwindigkeit u∞, Freistromtemperatur T∞ und Wandtemperatur TW .<br />

Im ersten Schritt werden die schon vorgestellten Grundgleichungen (7.6) - (7.8) sowie (7.10)<br />

(nebst Randbedingungen) in dimensionslose Form gebracht, indem jede Variable k mit Hilfe<br />

einer zunächst unbekannten Bezugsvariablen kB eine dimensionslose ( ” nackte“) Variable ˜ k<br />

gemäß der Definition ˜ k = k/kB zugewiesen erhält.<br />

Das Plattenmodell wird durch fünf Variable beschrieben. Für x, y, u und v liefern die obigen<br />

Systemparameter die benötigten Bezugsgrößen unmittelbar; nur pB bleibt unbekannt und<br />

dient als ” Spion“, den man zwecks Erkundung zum ” Gegner“ (ins Differentialgleichungsystem)<br />

schickt.<br />

˜x = x<br />

L<br />

y u<br />

; ˜y = ; ũ = ; ˜v =<br />

L u∞<br />

v<br />

; ˜<br />

T − T∞<br />

T = ; ˜p =<br />

u∞ TW − T∞<br />

p<br />

.<br />

pB<br />

Im nächsten Schritt ersetzt man in den bereits aufgeführten partiellen Differentialgleichungen<br />

x durch ˜x L; u durch ũ u∞; etc. und erhält:<br />

1. Kontinuitätsgleichung (vgl. mit 7.6):<br />

� ∂ũ<br />

∂˜x<br />

�<br />

∂˜v u∞<br />

+<br />

∂˜y L<br />

Diese liefert keine der erhofften Bedingungen, da u∞/L beliebige Werte annehmen, bzw.<br />

wegdividiert werden kann.<br />

= 0.<br />

2. Bewegungsgleichung: Impulssatz (z.B. <strong>für</strong> x-Richtung, vgl. 7.7):<br />

�<br />

ũ ∂ũ<br />

∂˜x<br />

�<br />

∂ũ<br />

+ ˜v ϱ<br />

∂˜y<br />

u2∞ L<br />

∂ ˜p pB<br />

= −<br />

∂˜x L +<br />

�<br />

∂2ũ ∂˜x 2 + ∂2ũ ∂˜y 2<br />

�<br />

ηu∞<br />

.<br />

L2


88 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />

3. Energiegleichung (vgl. mit 7.10):<br />

�<br />

ũ ∂ ˜ T<br />

∂˜x + ˜v ∂ ˜ T<br />

∂˜y<br />

�<br />

ϱ cp<br />

u∞<br />

L =<br />

�<br />

∂2T˜ ∂˜x 2 + ∂2T˜ ∂˜y 2<br />

�<br />

λ<br />

.<br />

L2 Dividiert man Gleichung <strong>für</strong> den x-Impuls durch ϱu2 ∞ /L, so erhält der vorletzte Term den<br />

dimensionslosen Faktor pB/(ϱ u2 ∞ ), den wir wegen der noch nicht belegten, also freien Bezugsgröße<br />

pB gleich 1 setzen dürfen. Dann folgt:<br />

pB = ϱ u 2 ∞ bzw. ˜p = p<br />

ϱ u2 .<br />

∞<br />

Beim letzten Term resultiert nach Division der Faktor:<br />

η ν 1<br />

= =<br />

ϱ u∞ L u∞ L ReL<br />

Sollen zwei Strömungsvorgänge (in der Nähe hydraulisch glatter Wände) hydrodynamisch<br />

ähnlich sein, so ist neben ähnlicher Geometrie nur noch Wertegleichheit bezüglich des Ähnlichkeitsparameters<br />

ReL erforderlich.<br />

Nach Division von Gleichung (3) durch ϱcp u∞/L erhält man mit der Temperaturleitfähigkeit<br />

a = λ/(ϱcp) beim letzten Term den Faktor<br />

λ<br />

ϱcp<br />

1<br />

u∞ L<br />

a 1<br />

= =<br />

u∞ L ReL<br />

Die neue, nach Péclet benannte Kennzahl<br />

a<br />

ν<br />

= 1<br />

ReL<br />

PeL ≡ u∞ L<br />

a = ϱcp u∞<br />

λ/L ,<br />

!<br />

1 1<br />

= .<br />

Pr PeL<br />

kann physikalisch als das Verhältnis des rein advektiven (makroskopischen) Energietransportes<br />

zum diffusiven (mikroskopischen) interpretiert werden.<br />

Zu Ehren Ludwig Prandtls wird das Verhältnis von kinematischer Zähigkeit und Temperaturleitfähigkeit<br />

Pr = ν<br />

a<br />

als Prandtl-Zahl bezeichnet. Dieses Stoffwertverhältnises charakterisiert das Verhältnis von<br />

diffusivem Impuls- zu diffusivem Wärmetransport in den wandnahen Grenzschichten des<br />

Geschwindigkeits- und Temperaturfeldes. Einige Zahlenwerte sind in Tafel 7.1 angegeben.<br />

Wie im nächsten Kapitel gezeigt wird, sind ganz allgemein Produkte von Kennzahlen wiederum<br />

Kennzahlen. Hier gilt offensichtlich:<br />

PeL = ReL Pr.


7.2. DIMENSIONSLOSE FORM DER ERHALTUNGSGLEICHUNGEN UNDKENNZAHLEN DER THERM<br />

In der Tat ist die Prandtl-Zahl (in Kombination mit der Reynolds-Zahl) gebräuchlicher als die<br />

Péclet-Zahl. Damit lauten die Erhaltungsgleichungen der Thermo-Fluiddynamik in dimensionsloser<br />

Form (2-dimensional, ohne Körperkräfte):<br />

∂ũ ∂˜v<br />

+<br />

∂˜x ∂˜y<br />

ũ ∂ũ ∂ũ<br />

+ ˜v<br />

∂˜x ∂˜y<br />

ũ ∂˜v ∂˜v<br />

+ ˜v<br />

∂˜x ∂˜y<br />

ũ ∂ ˜ T<br />

∂˜x + ˜v ∂ ˜ T<br />

∂˜y =<br />

= 0. (Masse), (7.11)<br />

=<br />

�<br />

∂ ˜p 1 ∂2ũ − +<br />

∂˜x ReL ∂˜x 2 + ∂2ũ ∂˜y 2<br />

=<br />

�<br />

(x-Impuls),<br />

�<br />

˜p 1 ∂2˜v −∂ +<br />

∂˜y ReL ∂˜x<br />

(7.12)<br />

2 + ∂2˜v ∂˜y 2<br />

�<br />

(y-Impuls),<br />

�<br />

1 ∂2T˜ ReL Pr ∂˜x<br />

(7.13)<br />

2 + ∂2T˜ ∂˜y 2<br />

�<br />

(Energie), (7.14)<br />

Als Ergebnis dieser Untersuchung kann festgehalten werden:<br />

Die Kennzahlen ReL und Pr (alternativ PeL bestimmen neben der<br />

Geometrie die Ähnlichkeit thermofluiddynamischer Vorgänge bei Zwangskonvektion<br />

(an hydraulisch glatten Flächen).<br />

7.2.2 Nußelt-Zahl<br />

Im vorhergehenden Abschnitt haben wir den örtlichen Übertragungskoeffizienten <strong>für</strong> den Impuls<br />

in Gestalt des Reibungsbeiwertes cf(x) eingeführt. In diesem Abschnitt wird der entsprechende<br />

dimensionslose Übertragungskoeffizient <strong>für</strong> Wärme, die Nußeltsche Kennzahl oder<br />

kurz Nußelt-Zahl vorgestellt.<br />

Aufgrund der Prandtlschen Haftbedingung verschwindet die Geschwindigkeit an der Wand,<br />

u(x, y = 0) = 0. Folglich ist dort ausschließlich die Wärmeleitung im Fluid (!) <strong>für</strong> die<br />

Wärmeübertragung vom Festkörper an das Fluid verantwortlich. Falls nun das Temperaturfeld<br />

T (x, y) im Fluid bekannt ist, so läßt sich der lokale wandnormale Wärmefluss über<br />

das Fouriersche Transportgesetz<br />

˙qW (x) ≡ ˙qy(x, 0) = −λ<br />

∂T (x, y)<br />

∂y<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

y=0+<br />

ermitteln. Damit haben wir unser Ziel – die Bestimmung des Wärmeübergangskoeffizienten<br />

– bereits erreicht, da sich nun α(x) aus dem Gradienten des Temperaturprofils im Fluid und<br />

Flüssige Metalle Hg: 0,025<br />

Gase Luft: 0,71 CO2: 0,80 NH3: 0,94<br />

Flüssigkeiten Wasser: 7,03 Alkohol: 16,2 Trafo-Öl: 480<br />

Tabelle 7.1: Prandtl-Zahlen verschiedener Fluide bei 20 ◦ C.


90 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />

� ∞<br />

� ∞<br />

���<br />

�<br />

�����<br />

� ∞<br />

���������<br />

�<br />

�<br />

� ∞<br />

���<br />

��� �������<br />

δ( �£�<br />

� �£� δ�<br />

Abbildung 7.4: Entwicklung der laminaren hydrodynamischen und thermischen Grenzschichten<br />

an einer ebenen beheizten Platte bei erzwungener Konvektion <strong>für</strong> ein Fluid mit<br />

P r = ν/a < 1 (Gase).<br />

an der Wand berechnen lässt:<br />

α(x) = ˙qW (x)<br />

TW − T∞<br />

= −<br />

λ<br />

TW − T∞<br />

∂T (x, y)<br />

∂y<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

y=0+<br />

(7.15)<br />

Aus dem gerade Gesagten sollte klar sein, dass λ die Wärmeleitfähigkeit des Fluids ist und<br />

nicht die des Wandmaterials.<br />

Man könnte aus diesem Ergebnis schließen, dass die Strömung des Fluids doch keinen Einfluss<br />

auf den Wärmeübergang hat, schließlich taucht die Geschwindigkeit in obiger Gleichung<br />

überhaupt nicht auf. Das ist jedoch ein unzulässiger Schluss, da der Temperaturgradient an<br />

der Wand wesentlich von der Advektion in der Grenzschicht beeinflusst wird.<br />

Wir definieren mit Hilfe von Gleichung (7.15) nun die örtliche Nußelt-Zahl wie folgt<br />

NuL ≡<br />

α L<br />

λ<br />

= −<br />

L<br />

TW − T∞<br />

∂T<br />

∂y<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

y=0+<br />

= ∂ ˜ T<br />

∂˜y<br />

Die zuletzt aufgeführte Schreibweise mit den dimensionslosen Variablen<br />

˜y ≡ y<br />

L ;<br />

T˜ T − TW<br />

≡ ,<br />

T∞ − TW<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� . (7.16)<br />

�<br />

˜y=0+<br />

macht deutlich, dass die Nußelt-Zahl auch als ein dimensionsloser Temperaturgradient (im<br />

Fluid, an der Wand) angesehen werden kann, ähnlich wie der Reibungsbeiwert cf sich aus<br />

dem entdimensionierten Gradienten der Geschwindigkeit an der Wand bestimmen lässt. Der<br />

Index L weist darauf hin, dass die Nußelt-Zahl auf die Länge L bezogen ist. Beachte, dass<br />

dieser Index nicht immer explizit angeführt ist.


7.2. DIMENSIONSLOSE FORM DER ERHALTUNGSGLEICHUNGEN UNDKENNZAHLEN DER THERM<br />

Meist interessiert der mittlere Wärmeübergangskoeffizient α zwischen x = 0 und x = L,<br />

definiert als:<br />

bzw. die mittlere Nußelt-Zahl<br />

α ≡ 1<br />

L<br />

�L<br />

0<br />

NuL =<br />

α(x)dx,<br />

α L<br />

λ .<br />

Für den gesamten, von der Platte (einseitig) übertragenen Wärmestrom ˙ Q folgt:<br />

˙Q = α b L (TW − T∞) .<br />

Auch <strong>für</strong> das Temperaturfeld lässt sich analog zum Geschwindigkeitfeld eine thermische<br />

Grenzschichtdicke δt(x) angeben, wenn man fordert, dass ihr Außenrand bei 99% der Temperaturdifferenz<br />

(TW − T∞) liegen soll. δt(x) kann dünner oder dicker als δ(x) sein (siehe Abb.<br />

7.4)


92 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION<br />

Zusammenfassung<br />

• Für den Impulsübertrag in viskosen Fluiden gilt nach Newton, dass die Schubspannung<br />

proportional zum Gradienten der Geschwindigkeit ist. Proportionalitätskonstante ist<br />

die Viskosität. Die Schubspannung τij ist ein Tensor, im einfachsten Fall (konstante<br />

wandparallele Strömung) schreibt man τ = η ∂u/∂y.<br />

• Laminare Strömung schlägt bei ausreichend hoher Reynolds-Zahl in turbulente Strömung<br />

um. Die unregelmäßige Bewegung der Fluidteilchen bei turbulenter Strömung verstärkt<br />

den Austausch von Impuls, Energie und Stoff.<br />

• Laminare wie turbulente Strömungen lassen sich unterteilen in eine Kernströmung,<br />

die näherungsweise reibungsfrei behandelt werden kann, und eine Grenzschicht, in der<br />

Zähigkeitseffekte den Austausch von Impuls, Energie und Stoff wesentlich bestimmen.<br />

• Die folgenden Kennzahlen lassen sich durch Entdimensionieren der thermo-fluiddynamischen<br />

Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong> Masse, Impuls und Energie identifizieren:<br />

Reynolds-Zahl Re ∼ Trägheit<br />

Reibung ,<br />

Péclet-Zahl Pe ∼<br />

Prandtl-Zahl Pr ∼<br />

Nußelt-Zahl Nu ∼<br />

Trägheit<br />

Wärmeleitung ,<br />

Reibung<br />

Wärmeleitung ,<br />

�<br />

dimensionsloser Wärmeübergangskoeffizient,<br />

dim.loser Temperaturgradient im Fluid / an der Wand.


7.2. DIMENSIONSLOSE FORM DER ERHALTUNGSGLEICHUNGEN UNDKENNZAHLEN DER THERM<br />

e✷Xerzitien<br />

Richtig ✷X oder falsch ?<br />

Betrachten Sie den Wärmeübergang von einem umströmten Körper an das Fluid.<br />

✷ Der Wärmeübergangskoeffizient α gibt zwar die Randbedingung <strong>für</strong> die Wärmeleitung<br />

im Körper an, ist jedoch ein Stoffwert des strömenden Mediums.<br />

✷ Der Gradient der Fluidtemperatur an der Wand läßt sich wie bei der Wärmeleitung mit<br />

Hilfe einer Randbedingung der 3. Art aus dem Wärmeübergangskoeffizienten bestimmen.<br />

✷ Der Wärmeübergangskoeffizient bzw. die Nußelt-Zahl kann als eine ” Eigenschaft“ der<br />

Strömung angesehen werden, der er vereinfacht gesprochen von der Grenzschichtdicke<br />

abhängt.<br />

✷ Die Nußelt-Zahl hat die Dimension eines Temperaturgradienten.<br />

✷ Es macht keinen wesentlichen Unterschied ob man bei der Diskussion thermo-fluiddynamischer<br />

Zusammenhänge mit der Reynolds- oder der Péclet-Zahl arbeitet, da sich<br />

diese beiden Kennzahlen mit Hilfe der Prandtl-Zahl ineinander überführen lassen.<br />

✷ Der Wert des dimensionslosen Temperaturgradienten an der Wand ist zum Wärmeübergangskoeffizienten<br />

direkt proportional.<br />

Betrachten Sie den Wärmeübergang von einer beheizten Wand an ein ruhendes Fluid.<br />

✷ Beim ruhenden Fluid strebt die Grenzschichtdicke gegen unendlich, da es keine Kernströmung<br />

gibt. Damit gilt: Nu → 0 (verschwindender Temperaturgradient im Fluid).<br />

✷ Die Grenzschicht wird infinitesimal dünn, da aufgrund des verschwindenden Geschwindigkeitsgradienten<br />

die Schubspannung und damit die ” Zähigkeitswirkung“ im gesamten<br />

Fluid gleich Null ist. Damit gilt Nu → ∞ und somit auch α → ∞. Wegen<br />

λW<br />

∂TW<br />

∂y = α(TW − T∞)<br />

muss deshalb bei endlichem Wärmefluß im Wandmaterial auch TW → T∞.<br />

✷ An der Wand gilt die folgende Koppelbedingung (mit Fl <strong>für</strong> Fluid):<br />

�<br />

∂TW �<br />

λW<br />

�<br />

∂y<br />

�<br />

∂TF l �<br />

= λF<br />

�<br />

l<br />

∂y<br />

.<br />

� y=0−<br />

� y=0+<br />

✷ Ein ruhendes Fluid ist bezüglich des Wärmetransportes wie ein wärmeleitender Festkörper<br />

zu betrachten. Die Anwendung von Grenzschichtkonzepten u. ä. ist nicht sinnvoll.


94 KAPITEL 7. GRUNDBEGRIFFE VON WÄRMEÜBERGANG UND KONVEKTION


Kapitel 8<br />

Impuls- und Wärmeübertragung in<br />

der Plattengrenzschicht<br />

In diesem Kapitel wird die sog. Grenzschicht-Theorie nach Prandtl am Beispiel der Strömung<br />

über eine ebene Platte vorgestellt. Erst im Rahmen dieser Näherung gelang es, Lösungen <strong>für</strong><br />

die Verteilungen von Geschwindigkeit und Temperatur bei laminarer Strömung zu finden,<br />

woraus sich wiederum die <strong>für</strong> die Arbeit des Ingenieurs unentbehrlichen Korrelationen <strong>für</strong><br />

Reibungsbeiwert cf und Nußelt-Zahl Nu in Abhängigkeit von Reynolds- und Prandtl-Zahl<br />

bestimmen lassen.<br />

8.1 Grenzschichtgleichungen <strong>für</strong> Zwangskonvektion<br />

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren – trotz erheblicher Anstrengungen der besten Mathematiker<br />

– nur sehr wenige Lösungen der Navier-Stokes Gleichungen (siehe z.B. Gleichungen<br />

(7.7) und (7.8) mit (7.6) ) bekannt. Wegen unüberwindlicher mathematischer Schwierigkeiten<br />

konnten <strong>für</strong> viele strömungsmechanische Probleme, bei denen die Reibungskräfte bzw. die aus<br />

der Viskosität resultierenden Randbedingungen ( ” Haftbedingung“) eine Rolle spielen, keine<br />

Lösungen gefunden werden.<br />

Ludwig Prandtl gelang 1904 ein entscheidender Durchbruch: gestützt auf ein tiefgreifendes<br />

Verständnis der physikalischen Zusammenhänge führte er den Begriff der ” Grenzschicht“ ein.<br />

Dieser Ansatz setzt voraus, dass bei grossen Reynolds - Zahlen – also deutlicher Dominanz<br />

der Trägheits- über die Zähigkeitskräfte – schon in geringer Entfernung von festen Wänden<br />

der Einfluss der Reibung zu vernachlässigen ist, die Strömung dort also potentialtheoretisch<br />

beschrieben werden kann. Nur innerhalb einer dünnen, wandnahen Grenzschicht sind die<br />

Zähigkeitskräfte von gleicher Größenordnung wie die Reibungskräfte.<br />

Diese Modellvorstellung hat zur Folge, dass in den hydrodynamischen Differentialgleichungen<br />

Glieder geringerer Größenordungen vernachlässigt werden können. So resultiert aus den<br />

95


96KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />

Navier-Stokes- und Energiegleichungen (7.6) - (7.8) sowie (7.9) ein einfacherer1 Satz von<br />

” Grenzschichtgleichungen“ .<br />

Im Fall der Strömung bei großer Reynolds-Zahl ReL ≫ 1 über eine ebene Platte (siehe Bild<br />

7.1) oder generell gesprochen einen stromlinienförmigen Körper führt Prandtls Ansatz auf die<br />

folgenden Ungleichungen <strong>für</strong> die Geschwindigkeitsgrenzschicht δ:<br />

δ(x) ≪ x,<br />

∂u<br />

∂y<br />

u ≫ v,<br />

∂u ∂v<br />

≫ ,<br />

∂x ∂y .<br />

Ganz ähnlich gilt <strong>für</strong> die Temperaturgrenzschicht δt:<br />

δt(x) ≪ x,<br />

∂T<br />

∂y<br />

≫ ∂T<br />

∂x .<br />

Damit vereinfachen sich die im letzten Kapitel vorgestellten Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong> Masse,<br />

Impuls und Energie – Gleichungen (7.6) - (7.8) und (7.10) – zu den sog. Grenzschichtgleichungen<br />

<strong>für</strong> zweidimensionale laminare Zwangskonvektion:<br />

Die Randbedingungen lauten:<br />

∂ũ ∂˜v<br />

+<br />

∂˜x ∂˜y<br />

= 0, (8.1)<br />

ũ ∂ũ ∂ũ<br />

+ ˜v<br />

∂˜x ∂˜y<br />

=<br />

∂ ˜p 1 ∂<br />

− +<br />

∂˜x ReL<br />

2ũ ,<br />

∂˜y 2 (8.2)<br />

0 =<br />

∂ ˜p<br />

− ,<br />

∂˜y<br />

(8.3)<br />

ũ ∂ ˜ T<br />

∂˜x + ˜v ∂ ˜ T<br />

∂˜y =<br />

1<br />

ReL Pr<br />

ũ(˜x, 0) = 0 (Haftbedingung)<br />

˜v(˜x, 0) = 0 (Wand massedicht)<br />

ũ(˜x, ∞) = 1 (Freistromzustand)<br />

˜T (˜x, ∞) = 1 (Freistromzustand)<br />

˜T (˜x, 0) = 0 (Konstanz der Wandtemperatur)<br />

∂2T˜ . (8.4)<br />

∂˜y 2<br />

Wegen der geringen Dicke der Grenzschicht (δ/L ≪ 1) lassen sich die Gleichungen, welche die Strömung innerhalb<br />

der Grenzschicht über einen stromlinienförmigen Körper beschreiben, in einfacher Weise in einem Koordinatensystem<br />

darstellen, in dem die x-Achse in Strömungsrichtung entlang der Oberfläche und die y-Achse normal dazu verläuft,<br />

siehe Abb. 8.1. Es folgt, dass die <strong>für</strong> die ebene Platte hergeleiteten Grenzschichtgleichungen (8.1) - (8.4) auch auf<br />

solche Geometrien übertragen werden können.<br />

1 Mathematisch führt dies dazu, dass das ursprünglich zu lösende partielle Differentialgleichungssystem vom<br />

elliptischen Typ in den wesentlich traktableren parabolischen übergeht.


8.2. ANALYTISCHE GRENZSCHICHTLÖSUNGEN FÜR DIE EBENE PLATTE 97<br />

y<br />

v<br />

x<br />

u<br />

Abbildung 8.1: Koordinatensystem <strong>für</strong> die Grenzschichtströmung um ein Tragflächenprofil<br />

Aus Gl. (8.3) folgt unmittelbar, dass der Außendruck ˜p(˜x, ∞) der (Potential-)Strömung sich der Grenzschicht<br />

aufprägt,<br />

˜p(˜x, ˜y) = ˜p(˜x, ∞),<br />

oder<br />

∂ ˜p<br />

∂˜x ≡ ˜ dp<br />

˜dx .<br />

Anders formuliert: der Druck ˜p innerhalb der Geschwindigkeitsgrenzschicht δ bleibt längs y konstant. Die Umrisslinie<br />

des umströmten Körpers nach Abb. 8.1 soll durch eine ” Konturfunktion“ K(˜x, ˜y) festgelegt sein; dann lässt sich das<br />

Druckfeld p(x) bzw. ˜p(˜x) am Grenzschichtrand in sehr guter Näherung (keine Berücksichtigung der Verdrängungs-<br />

wirkung von δ(x)) potentialtheoretisch lösen, ohne die Gleichungen (8.1), (8.2) und (8.4) einbeziehen zu müssen.<br />

�(x)<br />

N.B.: <strong>für</strong> die ebene Platte oder in guter Näherung z.B. <strong>für</strong> dünne Tragflügelprofile gilt ∂ ˜p/∂˜x = 0.<br />

8.2 Analytische Grenzschichtlösungen <strong>für</strong> die ebene Platte<br />

Als einfachster Modellfall wird die längsangeströmte ebene und isotherme (T (x, 0) = TW )<br />

Platte untersucht (siehe Abb. 7.4). Hierbei ist der Druck p zusätzlich in x-Richtung konstant,<br />

weshalb neben dem Gradienten ∂p/∂y auch noch ∂p/∂x entfällt (schon bei dünnen<br />

Tragflügelprofilen gilt dies nicht mehr).<br />

8.2.1 Ähnlichkeitslösung <strong>für</strong> das Geschwindigkeitsfeld<br />

Betrachten wir die laminare Strömung über eine ebenen Platte, so stellen wir fest, dass<br />

aufgrund der besonders einfachen Geometrie die Geschwindigkeitsprofile in verschiedenen<br />

Abständen x von der Vorderkante zueinander ” affin“ oder ” (selbst-)ähnlich“ sein sollten.<br />

Genauer: Geschwindigkeistprofile u(x, y) sollten sich <strong>für</strong> verschiedene Positionen x1, x2 zur<br />

Deckung bringen lassen, wenn man jeweils einen geeigneten Maßstabsfaktor wählt um das<br />

Profil zu strecken bzw. zu stauchen 2 .<br />

2 Für die Existenz einer Ähnlichkeitslösung spricht auch folgende Beobachtung: Der parabolische Typ des<br />

Differentialgleichungssystems impliziert, dass ein sog. ” Anfangswertproblem“ vorliegt, d.h. dass sich eine etwa<br />

bei x = xk aufgetretene Störung - z.B. der Umschlag laminar/turbulent - nur stromabwärts ( im Bereich<br />

x ≥ xk) auswirken kann. Setzt man xk = L, so kann die Strömung im Bereich x ≤ L auch nicht ” merken“,<br />

dass die Platte bei L zu Ende ist !


98KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />

Für die tangentiale Geschwindigkeitskomponente u bedeutet das<br />

�<br />

u(x, y) = u<br />

y<br />

yBez(x)<br />

wobei yBez eine noch zu bestimmende Bezugslänge ist. Diese Bezugslänge ist allerdings a<br />

priori nicht bekannt, sondern muss als Teil der Lösung des Problems bestimmt werden!<br />

Skalierung der Grenzschichtdicke<br />

Aus der geforderten Selbstähnlichkeit der Lösung darf ohne Kenntnis weiterer Details der<br />

Schluss gezogen werden, dass yBez proportional zur Grenzschichtdicke δ sein muss. Eine<br />

Größenordnungsvergleich der in der Grenzschicht relevanten Kräfte liefert dann das benötigte<br />

Längenmaß. Dazu rufen wir in Erinnerung, dass in der Grenzschicht Reibungs- und Trägheitskräfte<br />

von der gleichen Größenordnung sind. Ein Vergleich der Trägheits- und Reibungsterme<br />

in der Impulserhaltungsgleichung (7.7) liefert die folgenden Abschätzungen:<br />

�<br />

,<br />

Reibungskraft ∼ ν u∞<br />

,<br />

δ2 Trägheitskraft ∼ u2 ∞<br />

x .<br />

Das Zeichen ” ∼“ steht dabei <strong>für</strong> ” ist von der Größenordnung“ oder ” skaliert mit “. Es folgt<br />

bzw.<br />

δ 2 ∼<br />

ν x<br />

u∞<br />

= x2<br />

,<br />

Rex<br />

δ(x) ∼ x Re −1/2<br />

x .<br />

Dieses Ergebnis – die Dicke der laminaren Geschwindigkeitsgrenzschicht nimmt proportional<br />

zur Wurzel das Abstandes von der Vorderkante zu – ist an sich schon bemerkenswert. Darüber<br />

hinaus legt es folgende Definitionen <strong>für</strong> die Bezugslänge yBez und eine Ähnlichkeitsvariable γ<br />

nahe:<br />

Stromfunktion f<br />

yBez ≡ x Re −1/2<br />

x ,<br />

γ ≡ y<br />

yBez<br />

= y<br />

x Re1/2<br />

x .<br />

Das hydrodynamische Modell ” ebene Platte“ ergibt sich aus (8.1) und (8.2) mit ∂p/∂x = 0:<br />

∂ũ ∂˜v<br />

+<br />

∂˜x ∂˜y<br />

ũ ∂ũ ∂ũ<br />

+ ˜v<br />

∂˜x ∂˜y =<br />

= 0 (Massenerhaltung), (8.5)<br />

1<br />

ReL<br />

∂2ũ (x-Impuls). (8.6)<br />

∂˜y 2


8.2. ANALYTISCHE GRENZSCHICHTLÖSUNGEN FÜR DIE EBENE PLATTE 99<br />

8<br />

6<br />

γ = 5 γ = 5<br />

γ γ = = 5 5 γ = 5<br />

4<br />

γ = 5<br />

2<br />

γ = y/(x Re-1/2 )<br />

x<br />

0.2 0.4 0.6 0.8 1 u / u ∞<br />

u = 0.998 u ∞<br />

Abbildung 8.2: Profil der tangentialen Geschwindigkeitskomponente ũ bei laminarer Strömung<br />

über einer ebenen, glatten Platte in dimensionsloser Darstellung.<br />

mit den Randbedingungen<br />

ũ (˜x, 0) = 0; ˜v (˜x, 0) = 0; ũ (˜x, ∞) = 1;<br />

Man führt nun eine Stromfunktion f(˜x, ˜y) ein, die die folgenden Beziehungen erfülle:<br />

Einsetzen in Glchg. (8.5) liefert nun<br />

∂ũ ∂˜v<br />

+<br />

∂˜x ∂˜y<br />

ũ = ∂f<br />

, ˜v = −∂f<br />

∂˜y ∂˜x .<br />

∂2<br />

∂2<br />

= f(˜x, ˜y) − f(˜x, ˜y) = 0,<br />

∂˜x∂˜y ∂˜y∂˜x<br />

d.h. durch die Einführung der Stromfunktion wird die Massenerhaltungsgleichung ” automatisch“<br />

erfüllt (siehe hierzu Lehrbücher aus der Strömungslehre).<br />

Mit Hilfe der Ähnlichkeitsvariablen γ läßt sich dann die Impulsgleichung (8.6) (eine partielle<br />

Differentialgleichung) in eine gewöhnliche (!) Differentialgleichung <strong>für</strong> die Stromfunktion f(γ)<br />

überführen, indem nach folgendem Muster die Kettenregel ausgiebig angewendet wird:<br />

ũ = ∂f<br />

∂˜y<br />

∂γ ∂f<br />

=<br />

∂˜y ∂γ<br />

�<br />

∂ y<br />

=<br />

∂˜y x Re1/2<br />

�<br />

x f ′ = Re1/2 x<br />

˜x f ′ .<br />

f ′ (γ) benennt die Ableitung der Stromfunktion nach γ. Ähnliche Beziehungen ergeben sich<br />

<strong>für</strong> ˜v und die diversen partiellen Ableitungen in (8.6). Letztendlich erhält man die folgende<br />

nichtlineare, gewöhnliche Differentialgleichung dritter Ordnung <strong>für</strong> die Stromfunktion:<br />

f f ′′ + 2f ′′′ = 0.<br />

Die Funktion ũ = f ′ (γ) ist in Abb. 8.2 dargestellt.<br />

Bemerkungen:


100KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />

• H. Blasius entwickelte währen der Arbeit an seiner Dissertation (Göttingen, 1908) die<br />

” Ähnlichkeitslösung“ (similarity solution) <strong>für</strong> die Plattengrenzschicht.<br />

• Die Proportionalität δ(x) ∼ x/ √ Rex ∼ √ x (Parabelform der Grenzschicht) war bereits<br />

Prandtl aus der Lösung <strong>für</strong> einen sehr einfachen Fall bekannt.<br />

• f(γ) konnte erst nach mühsamer analytisch-numerischer Rechnung von Hand (!) gefunden<br />

werden.<br />

8.2.2 Temperaturfeld<br />

1921 gelang es Polhausen unter Verwendung der von Blasius eingeführten Ähnlichkeitsvariable<br />

γ = y/(x Re −1/2<br />

x ) und der von diesem bereitgestellten Lösung f(γ) <strong>für</strong> die Stromfunktion die<br />

folgende Differentialgleichung <strong>für</strong> das Temperaturfeld der laminar umströmten Platte mit<br />

konstanter Wandtemperatur herzuleiten und zu integrieren:<br />

˜T ′′ + Pr<br />

2 f(γ) ˜ T ′ = 0.<br />

Hierzu gehören die Randbedingungen ˜ T (˜x, 0) = 0, ˜ T (˜x, ∞) = 1. Das numerisch bestimmte<br />

Ergebnis ˜ T (γ) ist in Abb. 8.3 <strong>für</strong> verschiedene Prandtl-Zahlen graphisch dargestellt. Für<br />

Pr = 1 ist das Profil der Temperatur identisch mit dem der tangentialen Geschwindigkeitskomponente<br />

(s.o.), <strong>für</strong> Pr < 1 ist die thermische Grenzschicht dicker als die hydrodynamische<br />

(und umgekehrt).<br />

γ = y/(x Re -1/2 )<br />

γ = 5<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

x<br />

Pr = 0.1<br />

0.2 0.4 0.6 0.8 1<br />

1<br />

10<br />

100<br />

T/(T W -T oo )<br />

Abbildung 8.3: Temperaturverteilung in der laminaren Grenzschicht der längs angeströmten<br />

beheizten Platte bei unterschiedlichen Prandtl-Zahlen.


8.2. ANALYTISCHE GRENZSCHICHTLÖSUNGEN FÜR DIE EBENE PLATTE 101<br />

�������£� �<br />

�<br />

���£�<br />

�<br />

�<br />

� � ���������¥� �<br />

Abbildung 8.4: Qualitative Darstellung der Grenzschichtdicke δ(x) sowie des örtlichen und<br />

mittleren Reibungssbeiwertes als Funktion der Lauflänge x<br />

Die Stromfunktion f(γ) erscheint in dieser Differenzialgleichung <strong>für</strong> die Temperatur, da – wie<br />

schon erwähnt – das Strömungsfeld bei temperaturunabhängigen Stoffwerten zwar nicht vom<br />

Temperaturfeld abhängt; sich letzteres jedoch als Funktion des ersteren (und der speziellen<br />

thermischen Randbedingungen) entwickelt.<br />

Wie in der Einleitung von Kapitel 7 (Konvektion) festgestellt, gelten alle mitgeteilten analytischen Beziehungen<br />

streng nur <strong>für</strong> eine ideale Flüssigkeit mit konstanten Stoffwerten. Man berücksichtigt die in der Realität zu ak-<br />

zeptierende Temperaturabhängigkeit näherungsweise, indem die Stoffwerte bei der mittleren Grenzschicht - bzw.<br />

Bezugstemperatur TB = (TW + T∞)/2 ermittelt werden!<br />

8.2.3 Anwendungsbeziehungen – Korrelationen<br />

Aus den Lösungen <strong>für</strong> die Stromfunktion f und die Temperatur ˜ T nach Blasius bzw. Pohlhausen<br />

lassen sich die folgenden, <strong>für</strong> die praktische Anwendung unentbehrlichen Korrelationen<br />

gewinnen:<br />

δ(x) = 5,0 x Re −1/2<br />

x , (8.7)<br />

cf (x) =<br />

cW = cf = 1<br />

L<br />

τW<br />

ϱ u2 = 0,664 Re−1/2 x . (8.8)<br />

∞/2<br />

�L<br />

0<br />

cf (x) dx = 1,328 Re −1/2<br />

L . (8.9)<br />

Abbildung 8.4 zeigt qualitativ die Abhängigkeit technisch wichtiger Parameter der laminaren<br />

Plattenströmung über der Lauflänge.<br />

Für 0, 6 ≤ Pr ≤ 50 gilt bezüglich der Steigung des Temperaturprofils an der Wand als<br />

Approximation numerischer Resultate die einfache Potenzbeziehung<br />

d ˜ �<br />

T �<br />

�<br />

� = 0,332 Pr<br />

dγ<br />

1/3 ,<br />

� γ=0


102KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />

womit sich die folgenden wichtigen Anwendungsformeln ergeben:<br />

Zur Erinnerung:<br />

δt ∼ δ Pr −1/3 ,<br />

α(x) = λ�<br />

Rex<br />

x<br />

d ˜ T<br />

dγ<br />

Nux = 0,332 Re 1/2<br />

x<br />

α = 1<br />

L<br />

�L<br />

0<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� ,<br />

�<br />

γ=0<br />

Pr 1/3 g( Pr),<br />

α(x)dx = 2 α(L) ,<br />

NuL = 0,664 Re 1/2<br />

L Pr1/3 g( Pr).<br />

Pr ≡ ν<br />

a , Rex ≡ u∞ x<br />

ν , ReL ≡ u∞ L<br />

, Nux ≡<br />

ν<br />

α(x) x α L<br />

, NuL ≡<br />

λ<br />

ν .<br />

Man erkennt im Vergleich mit cf (x) und cf , dass auch α(x) und α proportional zu 1/ √ x<br />

bzw. 1/ √ L verlaufen und sich folglich ähnliche Kurven wie in Abbildung 8.4 ergeben müssen.<br />

Es bestätigt sich ferner, dass lokale Größen wie δ(x), α(x) und Nux nicht von der stromab<br />

fixierten Stelle L (der realen Plattenlänge L) beeinflußt werden (deshalb die Unterscheidung:<br />

NuL = α(x) L/λ; Nux = α(x) x/λ!)<br />

Diese Formeln, insbesondere die Korrekturfunktion g( Pr), sind auch in den Arbeitsunterlagen<br />

zur Vorlesung zu finden. Dort finden sich auch Korrelationen <strong>für</strong> den technisch besonders<br />

wichtigen Fall der turbulenten Strömung!<br />

Die Verdrängungsdicke δV ist jene Schichtdicke, um welche die Potentialströmung infolge der Geschwindigkeitsabminderung<br />

in der Grenzschicht nach außen abgedrängt wird. Es gilt<br />

δV (x) = 1<br />

�∞<br />

u∞<br />

0<br />

(u∞ − u) dy = 1,721 Re −1/2<br />

x<br />

(8.10)


8.3. GRENZSCHICHTABLÖSUNG 103<br />

a)<br />

Abbildung 8.5: Ablösung der Grenzschicht: Umströmung eines Körpers mit Ablösung<br />

(A = Ablösungpunkt).<br />

8.3 Grenzschichtablösung<br />

Ist längs der Kontur eines umströmten Körpers ein Gebiet mit Druckanstieg vorhanden,<br />

wie etwa hinter der größten Profildicke des ellipsenförmigen Körpers in Abbildung 8.5, so<br />

kann im allgemeinen die in der Grenzschicht abgebremste Flüssigkeit wegen ihrer geringeren<br />

kinetischen Energie nicht allzu weit in das Gebiet höheren Druckes eindringen. Sie weicht<br />

diesem dann seitlich aus (Abb. 8.6), löst sich dabei vom Körper ab und wird in das Innere<br />

der Strömung abgedrängt.<br />

Dabei wird es im allgemeinen vorkommen, dass in Wandnähe die Flüssigkeitsteilchen, dem<br />

Druckgradienten folgend, in umgekehrter Richtung strömen wie die Außenströmung. Als<br />

Ablösungspunkt definiert man die Grenze zwischen Vor- und Rückströmung der wandnächsten<br />

Schicht, also die Stelle ∂u/∂y| y=0 = 0:<br />

Die Entscheidung der Frage, ob und gegebenfalls wo Ablösung auftritt, erfordert die Integration<br />

der Grenzschichtgleichungen. Der Ablösungspunkt markiert die Stelle, bis zur welcher<br />

die Grenzschichtrechnung Gültigkeit hat, denn kurz hinter der Ablösungstelle wird die Reibungsschicht<br />

so dick, dass die Voraussetzung δ(x)/x ≤ 1 nicht mehr erfüllt ist.<br />

Bei stationärer Strömung kann Grenzschichtablösung nur in verzögerter Strömung (dp/dx > 0)<br />

eintreten und es lässt sich leicht zeigen, dass im Bereich verzögerter Außenströmung das<br />

Grenzschichtprofil einen Wendepunkt aufweisen muss.<br />

A<br />

A


104KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />

b)<br />

y<br />

Abbildung 8.6: Ablösung der Grenzschicht: Verlauf der Stromlinien in der Nähe des<br />

Ablösungspunktes.<br />

c)<br />

y<br />

� � u �<br />

�� �<br />

y<br />

��<br />

� � � 0<br />

0;<br />

A<br />

�<br />

A<br />

� �u<br />

�<br />

�� �<br />

y<br />

��<br />

� � �0<br />

WP<br />

0;<br />

WP<br />

� �u<br />

�<br />

�� �<br />

y<br />

��<br />

� � �0<br />

Abbildung 8.7: Ablösung der Grenzschicht: Geschwindigkeitsverteilung in der Nähe des<br />

Ablösungspunktes (WP = Wendepunkt).<br />

0<br />

x<br />

x


8.3. GRENZSCHICHTABLÖSUNG 105<br />

Zusammenfassung<br />

• Wandgrenzschichten stromlinienförmiger Körper weisen die folgenden Eigenschaften<br />

auf: die Grenzschichtdicke ist gering, die Strömungsgeschwindigkeiten entlang der Wand<br />

dominieren die Geschwindigkeiten senkrecht zur Wand, Gradienten der Geschwindigkeit<br />

oder der Temperatur in Wandnormalenrichtung sind viel größer als in tangentialer<br />

Richtung. Dank dieser Eigenschaften lassen sich aus den Grundgleichungen der Thermo-<br />

Fluiddynamik die (wesentlich einfacheren) Grenzschichtgleichungen herleiten.<br />

• Für die laminar umströmte ebene Platten lassen sich (selbstähnliche) Lösungen <strong>für</strong> Geschwindigkeit<br />

und Temperatur bei parabelförmiger Grenzschicht finden. Der Reibungsbeiwert<br />

cf ist dabei eine Funktion der Reynolds-Zahl, die Nußelt-Zahl Nu eine Funktion<br />

von Reynolds- und Prandtl-Zahl.<br />

• Für turbulente Strömungen lassen sich Korrelationen erstellen, die die gleichen funktionalen<br />

Zusammenhänge aufweisen, d.h. cf = cf( Re), Nu = Nu( Re, Pr).<br />

e✷Xerzitien<br />

Richtig ✷X oder falsch ?<br />

✷ Die Haftbedingung an der Wand besagt, dass der Geschwindigkeitswert an der Wand<br />

gleich null ist.<br />

✷ Die Massedichtigkeit der Wand besagt, dass der Geschwindigkeitswert an der Wand<br />

gleich null ist.<br />

✷ Innerhalb der Grenzschicht kann die Strömung potenzialtheoretisch beschrieben werden,<br />

da durch den Reibungseinfluss der Wand ein Geschwindigkeitsgradient senkrecht zur<br />

Wand in der Strömung existiert, der dann als proportional der entsprechenden partiellen<br />

Ableitung eines zu definierenden Potentialfeldes angenommen werden darf.<br />

✷ Außerhalb der Grenzschicht kann die Strömung potenzialtheoretisch beschrieben werden,<br />

da hier die Reibung vernachlässigbar ist, wenn die Reynoldszahl genügend groß<br />

ist.<br />

✷ In der Grenzschicht-Näherung gilt, dass alle Ableitungen der auftretenden Größen senkrecht<br />

zur Wand einen wesentlich größeren Wert besitzen als parallel zur Wand.<br />

✷ Da die Stromfunktion f(γ) nach Blasius nur durch numerische Lösung einer nichtlinearen<br />

Differenzialgleichung bestimmt werden kann und bei Änderung eines Parameters<br />

sowieso wieder neu berechnet werden muss, ist es heutzutage vorteilhafter, die<br />

Grundgleichungen der Thermo-Fluiddynamik direkt auf einem Großrechner numerisch<br />

zu lösen.


106KAPITEL 8. IMPULS- UND WÄRMEÜBERTRAGUNG IN DER PLATTENGRENZSCHICHT<br />

✷ Die selbstähnliche Lösung nach Blasius zeichnet sich dadurch aus, dass die Geschwindigkeitsprofile<br />

an verschiedenen Positionen x1, x2 entlang der Platte durch Skalierung der<br />

y-Koordinate mit der lokalen Grenzschichtdicke δ(xi) zur Übereinstimmung gebracht<br />

werden können. Das Gleiche gilt <strong>für</strong> die Temperaturprofile.<br />

✷ Bei höherer Reynolds-Zahl ist die Turbulenz und damit auch der turbulente Austausch<br />

weg von der Wand intensiver. Dementsprechend nimmt die Grenzschichtdicke auch zu.<br />

✷ Die Idealisierung ” Newtonsche Flüssigkeit“ ist dadurch definiert, dass sich ihre Stoffwerte<br />

exakt linear mit der Temperatur ändern.<br />

✷ Die Kennzahlen sind <strong>für</strong> turbulente Strömung nicht von großem Interesse, weil sich<br />

sowieso keine analytischen Lösungen finden lassen.


Kapitel 9<br />

Ähnlichkeitstheorie und<br />

Kennzahlen<br />

Der Begriff der Ähnlichkeit ist aus der Geometrie bekannt; man nennt zwei Körper einander<br />

ähnlich, wenn entsprechende Strecken beider Körper in einem konstanten Zahlenverhältnis<br />

zueinander stehen. Zum Beispiel sind eine reale Landschaft und die zugehörige Landkarte<br />

einander ähnlich. Zwischen ähnlichen Objekten lassen sich Übertragungsregeln aufstellen, die<br />

oftmals mit Hilfe von Kennzahlen formuliert werden – die Ausrichtung einer Magnetnadel<br />

nach Norden entspricht z.B. der ”Windrose” auf der Landkarte, der Maßstab einer Landkarte<br />

muss bekannt sein, um Abstände auf der Karte in reale Entfernungen umzurechnen.<br />

Der <strong>für</strong> die Wärme- und Stoffübertragung und allgemein <strong>für</strong> die Naturwissenschaften ungeheuer<br />

wichtige Begriff der ” physikalischen Ähnlichkeit“ verlangt neben der konstanten Proportionen<br />

der Längen auch eine solche der Kräfte, Zeiten, Geschwindigkeiten, Temperaturen,<br />

usw. Die konstanten Proportionen der relevanten physikalischen Größen manifestieren sich<br />

dabei als Gleichheit der entsprechenden Kennzahlen.<br />

Die Frage, wie man Ähnlichkeitsgesetze zu formulieren hat, was sie genau bedeuten und wie<br />

man sie nutzbringend einsetzen kann, lässt sich nicht einfach beantworten, da ”sich unter dem<br />

Oberbegriff der Ähnlichkeit sehr viele unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten finden” [6]. Grob<br />

zusammenfassend kann man sagen, dass Ähnlichkeitstheorie und dimensionslosen Kennzahlen<br />

in Experiment und Theorie Folgendes leisten:<br />

• Verringerung der Anzahl der ”Freiheitsgrade” eines Problems. Anstatt von vielen einzelnen<br />

Parametern hängt die Lösung eines Problems von wenigen Parametergruppen – den<br />

Kennzahlen – ab. Dies konnte z.B. schon bei der Diskussion des ”Kritischen Radius” bei<br />

der Wärmedämmung von Zylinder oder Kugel (siehe Glchg. (3.7)), der Blockkapazität<br />

bzw. des Thermometerfehlers der ersten Art (Abschnitte 4 und speziell 4.2) oder des<br />

”Ideal gerührten Behälters mit Zu- und Ablauf” (Abschnitt 6.1) beobachtet werden.<br />

• Die verringerte Anzahl der Freiheitsgrade führt zu einer entsprechenden Verringerung<br />

der Anzahl von Messungen die nötig sind um ein Problem experimentell umfassend<br />

107


108 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />

zu untersuchen. Grundsätzlich liefern erst die Ähnlichkeitsgesetze Übertragungsregeln,<br />

welche es erlauben, Messungen an einem Modell auf die reale Geometrie zu übertragen.<br />

• Umgekehrt folgt, dass Ähnlichkeitsgesetze bei der Auslegung eines Experiments und bei<br />

der Darstellung experimenteller Ergebnisse einzubeziehen sind.<br />

• Bei der Suche nach analytischen Lösungen spielen oft sog. ” Ähnlichkeitsvariablen“ eine<br />

wichtige Rolle, mit Hilfe der Ähnlichkeitsgesetze lassen sich spezielle Lösungen (meist<br />

dimensionslos formuliert) auf konkrete Probemstellungen übertragen<br />

• Ähnlichkeitsgesetze und Kennzahlen vermitteln oft einen Einblick in die typischen Eigenschaften<br />

eines Problems und erlauben die Identifikation der wesentlichen Effekte<br />

noch bevor explizite analytische oder numerische Lösungen oder umfassende Experimente<br />

vorliegen.<br />

In den folgenden Abschnitten werden diese unterschiedlichen Facetten der Ähnlichkeitsgesetze<br />

anhand einiger Beispiele erläutert. Zuerst aber muss geklärt werden, wie die relevanten<br />

Kennzahlen eines Problems bestimmt werden können.<br />

9.1 Bestimmung von Kennzahlen – π-Theorem<br />

Das Verständnis der wesentlichen physikalischen Zusammenhänge eines Problems in Kombination<br />

mit ” Einheitenarithmetik“ ermöglicht oftmals die Identifikation der wichtigen dimensionslosen<br />

Kennzahlen ohne weiteren Einsatz von mathematischen Hilfsmitteln. Das theoretische<br />

Fundament dieser Methode ist das sog. π-Theorem von Buckingham (siehe z.B. [6]), die<br />

praktische Anwendung wird im Folgenden anhand zweier uns bekannter Beispiele diskutiert.<br />

9.1.1 Sprungabkühlung eines Körpers<br />

Wir betrachten wie schon in Kapitel 4 die zeitliche Änderung der Temperatur eines wärmeleitenden<br />

Festkörpers, welcher einer sprunghaften Änderung der Umgebungstemperatur ausgesetzt<br />

ist. Der Einfachheit halber beschränken wir uns wieder auf effektiv 1-dimensionale<br />

Geometrien (z.B. die ”ebene Platte”). Die Temperaturverteilung T (x, t) ist somit im Allgemeinen<br />

eine Funktion der Ortes x und die Zeit t.<br />

Eine phänomenologische Analyse dieses Problems führt – ganz ohne Differentialgleichungen<br />

– zu dem Schluss, dass die folgenden Einflussgrößen <strong>für</strong> die Temperaturverteilung bei Sprungabkühlung<br />

wesentlich sein sollten:<br />

• Das Volumen V , welches die Wärmekapazität des Körpers mitbestimmt, die Oberfläche<br />

A, die <strong>für</strong> den Wärmeübergang zur Verfügung steht, und eine Länge L, über die ein<br />

Temperaturausgleich stattfinden muss. Da bei geometrisch ähnlichen Körpern – davon<br />

gehen wir aus !! – V , A und L jeweils in bekannten Beziehungen zueinander stehen, sind<br />

diese drei geometrischen Größen effektiv durch ein einziges Längemaß L erfasst.


9.1. BESTIMMUNG VON KENNZAHLEN – π-THEOREM 109<br />

• die Wärmekapazität ρcV des Körpers. Da V schon durch L erfasst ist, können wir ρc<br />

als Einflussgröße festhalten.<br />

• der insgesamt in den Körper fließend Wärmestrom ˙ Q = αA∆T bringt neben dem<br />

Wärmeübergangskoeffizienten α auch eine charakteristische Temperaturdifferenz ∆T<br />

ins Spiel.<br />

• schließlich ist noch die Wärmeleitfähigkeit λ wichtig.<br />

Damit haben wir 5 Einflussgrößen L, ρc, α, λ, ∆T und 3 Variablen T , x und t identifiziert,<br />

welche die Sprungabkühlung eines Körpers beschreiben. Die Einheiten dieser 8 Parameter<br />

sind [m], [J/kg-K], [W/m 2 -K], [W/m-K], [K] und [s], welche aus den 4 Grundeinheiten [m],<br />

[s], [kg] und [K] zusammengesetzt sind. Das sogenannte π-Theorem von Buckingham (siehe<br />

z.B. [6]) besagt nun, dass die Lösung dieses Problems als ein funktionaler Zusammenhang<br />

f(π1, π2, π3, π4) = 0 (9.1)<br />

zwischen 8 - 4 = 4 dimensionslosen, linear unabhängigen (!) Kennzahlen π1, π2, π3, π4 dargestellt<br />

werden kann.<br />

Die erste Kennzahl ist die entdimensionierte abhängige Variable des Problems, d.h. die Temperatur<br />

T . Als Bezugstemperatur kann sofort der treibende anfängliche Temperaturunterschied<br />

∆T identifiziert werden, und (9.1) kann nach der entdimensionierten Temperatur θ ≡ T/∆T<br />

aufgelöst werden:<br />

θ = θ(π2, π3, π4)<br />

Die entdimensionierte Ortskoordinate ξ ≡ x/L ist leicht als weitere Kennzahl zu identifizieren.<br />

Da wir es mit einem instationären Problem zu tun haben, spielt die Zeit t offensichtlich<br />

eine wichtige Rolle und sollte in entdimensionierter Form ebenfalls als Kennzahl auftauchen.<br />

Schliesslich können Temperaturverteilungen in ähnlichen Körpern nur dann zueinander ähnlich<br />

sein, wenn sie zum ” richtigen“ Zeitpunkt miteinander verglichen werden. Es zeigt sich,<br />

dass z.b. die folgende Kombination von Einflussgrößen dimensionlos ist:<br />

π3 ≡ tλ<br />

.<br />

ρc L2 Mit a = λ/ρc (Temperaturleitfähigkeit) finden wir<br />

π3 = at<br />

= Fo,<br />

L2 die Fourier-Zahl ist also die gesuchte dimensionslose Zeit.<br />

Weiterhin leuchtet ein, dass das Verhältnis des Wärmeübergangskoeffizienten zur Wärmeleitfähigkeit<br />

λ eine wichtige Größe sein sollte. Allerdings ist α/λ nicht dimensionslos, sondern<br />

mit der Einheit 1/m behaftet und muss noch mit L multipliziert werden um eine Kennzahl<br />

zu bilden:<br />

π4 ≡ αL<br />

λ .


110 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />

Diese Kennzahl ist die uns bereits bekannte Biot-Zahl Bi. Ohne weitere Details zu kennen und<br />

ohne weitere mathematische Exerzitien dürfen wir den Schluss ziehen, dass <strong>für</strong> die gesuchte<br />

Temperaturverteilung im Inneren eines wärmeleitenden Körpers nach plötzlicher Änderung<br />

der Umgebungstemperatur gilt:<br />

θ = θ(ξ, Fo, Bi).<br />

In der Vorlesung ” Wärme- und Stoffübertragung“ (und in vielen Lehrbüchern) wird gezeigt,<br />

dass in der Tat z.B. <strong>für</strong> die instationäre Wärmeleitung in der ebenen Platte folgende Reihenlösung<br />

die Temperaturentwicklung darstellt:<br />

Θ(ξ, Fo, Bi) =<br />

∞�<br />

Ai cos (δiξ) exp(−δ 2 Fo).<br />

i=0<br />

Dabei gilt dass die Koeffizienten Ai = Ai( Bi) als auch δn = δn( Bi) Funktionen der Biot-Zahl<br />

sind. Somit ist diese Lösung in der Tat durch die drei Kennzahlen ξ, Fo und Bi bestimmt.<br />

Beachte, dass man alternativ auch eine Kennzahl<br />

π ′ 3 = αt<br />

ρ c L<br />

bilden könnte. Man sieht aber sofort, dass π ′ 3 = Fo Bi – jede weitere dimensionslose Kombination<br />

von Einflussparametern ist linear abhängig von den bereits identifizierten Kennzahlen.<br />

Solche Produktbildungen von Kennzahlen enthalten grundsätzlich keine zusätzliche Information,<br />

trotzdem bringt ihr Gebrauch oft Vorteile. Soll etwa der Einfluß der Körperdicke L auf<br />

die Sprungabkühlung einer Blockkapazität dargestellt werden, so bietet eine Kennzahl<br />

π ′′<br />

3 ≡ α2t = Fo Bi2<br />

ρ c λ<br />

den Vorteil, dass L darin nicht explizit vorkommt. Zweckmäßigerweise wird dann die zeitliche<br />

Entwicklung der Temperatur θ über der Kennzahl π ′′<br />

3 mit der Biot-Zahl als Kurvenparameter<br />

aufgetragen.<br />

9.1.2 Sprungabkühlung eines gut wärmeleitenden Körpers<br />

Im Kapitel Instationäre Wärmeleitung wurde die Methode der Blockkapazität vorgestellt,<br />

welche die Sprungantwort eines gut wärmeleitenden 1 Körpers näherungsweise beschreibt. Falls<br />

der innere Wärmeleitwiderstand vernachlässigbar klein ist, sind räumliche Temperaturunterschiede<br />

unwesentlich, T (�x, t) ≈ T (t), weshalb die Ortskoordinaten x in der oben beschriebenen<br />

Analyse nicht mehr auftaucht. Die Anzahl der Einflussparameter reduziert sich damit wie die<br />

der Kennzahlen um jeweils 1. Wir dürfen schließen, dass in einem wärmeleitenden Körper, der<br />

einer plötzlichen Änderung der Umgebungstemperatur ausgesetzt ist, die auf ∆T bezogene<br />

Temperatur θ eine Funktion von Biot- und Fourier-Zahl ist:<br />

θ = θ( Bi, Fo).<br />

1 Beachte: Bi ≪ 1 quantifiziert, was unter gut leitend zu verstehen ist.


9.2. BESTIMMUNG VON KENNZAHLEN AUS DEN DIFFERENZIALGLEICHUNGEN111<br />

In der Tat fanden wir in Abschnitt 4, dass <strong>für</strong> den Spezialfall Bi ≪ 1 gilt:<br />

θ = exp(−(n + 1) Bi Fo).<br />

Die ” Einheitenarithmetik“ bestätigt, dass die Biot-Zahl in der Beschreibung der Sprungantwort<br />

eines Festkörpers in jedem Fall eine wichtige Rolle spielen sollte – egal ob dieser gut<br />

oder schlecht wärmeleitend ist.<br />

Wie soeben beispielhaft gezeigt, lässt sich ein vollständiger Satz von Kennzahlen folgendermaßen<br />

bestimmen: Man identifiziere zuerst die n wesentlichen physikalischen Parameter des<br />

Problems (unabhängige und abhängige Variablen sowie Einflussgrößen wie Anfangs- oder<br />

Randbedingungen, relevante Stoffwerte, etc.) und bestimme die Zahl m der vorkommenden<br />

Grundeinheiten 2 Die Lösung des Problems läßt sich dann als ein funktionaler Zusammenhang<br />

zwischen n − m Kennzahlen (linear unabhängige, dimensionslose Parametergruppen)<br />

darstellen.<br />

Die ” Einheitenarithmetik“, wie sie hier vorgestellt wurde, ist in mancher Hinsicht mehr eine<br />

Kunst als eine Wissenschaft, die bei schwierigen Problemen nur mit Hilfe von Erfahrung und<br />

Inspiration zum Ziel führt. Deshalb wurde auch eine streng logische, systematische Vorgehensweise<br />

entwickelt, siehe z.B. Stichlmair [5], die im Rahmen dieser Vorlesung jedoch nicht<br />

behandelt werden soll. Es ist auch möglich, die Kennzahlen in systematischer Art und Weise<br />

aus den Differentialgleichungen zu bestimmen. Dies ist im nächsten Abschnitt am Beispiel<br />

der ebenen Platte gezeigt, siehe aber auch das Kapitel über Freie Konvektion.<br />

Wie schon am Beispiel der Sprungantwort gezeigt, lassen die Zahlenwerte der Kennzahlen,<br />

die sich mit den vorliegenden charakteristischen Längen und Geschwindigkeiten, Stoffwerten,<br />

etc. ergeben, Schlüsse über die wichtigen physikalischen Effekte zu oder erlauben bestimmte<br />

Vereinfachungen. So ist z.B. die Mach-Zahl der Umströmung des Laminarflügels eines Segelflugzeuges<br />

sehr klein, weshalb Kompressibilitätseffekte keine Rolle spielen. Umgekehrt ist<br />

beim Space Shuttle oder bei einem Kampfflugzeug die Mach-Zahl oft groß, was eine ganze andere<br />

Strömungsphysik mit sich bringt. Andere Beispiele wurden bereits bei der Wärmeleitung<br />

angeführt: Abbruch von Reihenentwicklungen bei ausreichend großer Fourier-Zahl, Anwendbarkeit<br />

des einfachen Modells ” gerührter Behälter“ bei ausreichen kleiner Biot-Zahl. Es ist<br />

allerdings gerade bei komplizierten Phänomenen oft so, dass aus den Differentialgleichungen<br />

kein eindeutiger Satz von Kennzahlen bestimmt werden kann. In diesem Fall braucht es<br />

dann doch die Kombination von Intuition und physikalischem Verständnis um die relevanten<br />

Kennzahlen zu bestimmen.<br />

9.2 Bestimmung von Kennzahlen aus den Differenzialgleichungen<br />

In den Kapiteln zur Wärmeleitung wurde mehrmals gezeigt, wie Kennzahlen, z.B. eine dimensionslose<br />

Länge ξ oder Temperatur θ, die Biot-Zahl oder die Fourier-Zahl Fo, aus den Dif-<br />

2 mathematisch exakt: den Rang m der Dimensionsmatrix, siehe Zierep [6] oder Stichlmair [5].


112 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />

ferenzialgleichungen hergeleitet werden können. Die Kennzahlen der Thermo-Fluiddynamik –<br />

die Reynolds-, Péclet-, Prandtl- und Nußelt-Zahlen – wurden im Kapitel 7.2 aus den Erhaltungsgleichungen<br />

<strong>für</strong> Masse, Impuls und Energie bestimmt.<br />

Eine nochmalige Diskussion dieser Strategie erübrigt sich somit. Es bleibt festzuhalten, dass<br />

dieser Weg am ehesten formale Strenge mit physikalischer Anschaulichkeit verbindet und<br />

neben Kenntnis der relevanten Differenzialgleichungen nur einfache Algebra – und Logik –<br />

erfordert.<br />

9.3 Die funktionale Form der Lösungen<br />

Die Darlegungen im vorausgegangenen Kapitel haben gezeigt, welch große Bedeutung der<br />

Ähnlichkeitstheorie durch die Verdichtung der zahlreichen Einflussparameter eines Modellfalles<br />

auf nur wenige dimensionslose Kennzahlen zukommt. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist<br />

die auf obigem Fundament gründende Verallgemeinerungsfähigkeit experimentell oder analytisch<br />

gewonnener Ergebnisse. Dies soll in diesem Abschnitt durch eine etwas abstrakte,<br />

von Nebensächlichkeiten befreite Darstellung der funktionalen Zusammenhänge der Grenzschichtlösung<br />

um einen stromlinienförmigen Körper aufgezeigt werden. Hauptziel ist hierbei<br />

wiederum, den Widerstand und den Wärmeübergang an einem Körper abhängig vom Ort und<br />

den Kennzahlen zu bestimmen. Es wird sich zeigen, dass einige Eigenschaften der Lösung der<br />

Plattengrenzschicht, wie sie im letzten Kapitel diskutiert wurden, allgemeine Gültigkeit besitzen.<br />

Aus der Kontinuitätsgleichung (8.1) folgt die Beziehung:<br />

˜v = ˜v(˜x, ˜y, ũ),<br />

d.h. die Geschwindigkeit ˜v normal zur Platte ist eine Funktion des Ortes und der wandparallelen<br />

Geschwindigkeit ũ. Wo immer ˜v bisher im Formalismus aufgetaucht ist, soll es im<br />

Weiteren durch die entsprechende Funktion der Parameter ˜x, ˜y, ũ ersetzt (eliminiert) werden.<br />

Aus der x-Komponente der Bewegungsgleichung (8.2) folgt dann ähnlich:<br />

�<br />

ũ = ũ ˜x, ˜y, ReL, d˜p<br />

�<br />

. (9.2)<br />

d˜x<br />

Bei festgelegter Konturfunktion K(˜x, ˜y) entfällt der Druckterm als 4. Variable; er kann (wegen<br />

Gl. (8.3) ) potentialtheoretisch, also unabhängig von den übrigen Grenzschichtgleichungen als<br />

Funktion von ˜x bestimmt werden. Damit gilt:<br />

ũ = ũ (˜x, ˜y, ReL) .<br />

Das hydrodynamische Modell ist damit komplett beschrieben und wir können bezüglich der<br />

Wandschubspannung in Erinnerung bringen:<br />

τW = η ∂u<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� =<br />

∂y<br />

η u∞<br />

�<br />

∂ũ �<br />

�<br />

� .<br />

L ∂˜y<br />

� y=0<br />

� ˜y=0


9.3. DIE FUNKTIONALE FORM DER LÖSUNGEN 113<br />

Für den örtlichen Reibungsbeiwert folgt dann:<br />

cf (˜x) = τW<br />

ϱu2 2<br />

=<br />

∞ /2 ReL<br />

∂ũ<br />

∂˜y<br />

�<br />

�<br />

�<br />

� ,<br />

�<br />

˜y=0<br />

Wegen Gleichung (9.2) gilt im Allgemeinen, d.h. bei beliebiger Kontur, <strong>für</strong> den entdimensionierten<br />

wandnormalen Gradienten von ũ :<br />

�<br />

∂ũ �<br />

�<br />

� =<br />

∂˜y<br />

∂ũ<br />

�<br />

� �<br />

�<br />

� ˜x, ReL,<br />

∂˜y<br />

d˜p<br />

�<br />

.<br />

d˜x<br />

� ˜y=0<br />

� ˜y=0<br />

Bei bekannter Kontur entfällt wiederum der Druckgradient als Variable, und somit hängt der<br />

örtliche Reibungsbeiwert nur von der Lauflänge ˜x sowie der Reynolds-Zahl ReL ab:<br />

cf (˜x) = cf (˜x, ReL).<br />

Durch Integration von cf(˜x) zwischen 0 und L wird die ˜x-Abhängigkeit eliminiert und es folgt<br />

<strong>für</strong> den Mittelwert des Reibungsbeiwert (dem Widerstandsbeiwerts cW )<br />

cf = cf ( ReL).<br />

Diese Funktionalbeziehung zwischen cf und ReL kann universelle Gültigkeit beanspruchen,<br />

d.h. sie trifft <strong>für</strong> alle Newtonschen Flüssigkeiten in weiten Bereichen der Systemparameter L<br />

und u∞ bei hydraulisch glatten Oberflächen zu!<br />

Aus der Energiegleichung lässt sich allgemein erschließen:<br />

˜T = ˜ T (˜x, ˜y, ũ, ˜v, ReL Pr) .<br />

Mit dem oben Gesagten darf man vereinfachen<br />

˜T = ˜ �<br />

T ˜x, ˜y, ReL, Pr, d˜p<br />

�<br />

.<br />

d˜x<br />

Der Druckterm vermittelt den (einseitigen!) Einfluss des Geschwindigkeitsfeldes (ũ und ˜v) auf<br />

das Temperaturfeld: bei vorgegebener Kontur ist dieser wie schon gesagt festgelegt und nicht<br />

mehr variabel:<br />

˜T = ˜ T (˜x, ˜y, ReL, Pr) . (9.3)<br />

Dem Übertragungskoeffizienten cf (˜x) <strong>für</strong> Impuls entspricht die örtliche Nusselt-Zahl Nu <strong>für</strong><br />

den Wärmetransport. Wir haben bereits formuliert:<br />

�<br />

α L L ∂T �<br />

NuL = = −<br />

� =<br />

λ ∂y<br />

∂ ˜ �<br />

T �<br />

�<br />

� ,<br />

∂˜y<br />

TW − T∞<br />

– siehe Gleichung (7.16) – und folgern aus der Funktionalbeziehung (9.3) speziell <strong>für</strong> vorgegebene<br />

Kontur und mit der Festlegung ˜y = 0:<br />

� W<br />

� ˜y=0<br />

NuL = NuL(˜x, ReL, Pr). (9.4)


114 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />

��� �����������¨�������������������������<br />

£¢ �¡<br />

¤¦¥¨§¨©��<br />

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� ���<br />

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�������<br />

� �������������������<br />

����� � ���<br />

Abbildung 9.1: Skizze des Kühlkanals<br />

� ����������������� ��� �¨���<br />

Da der mittlere WÜK α durch Integration über die Körperoberfläche bestimmt wird, entfällt<br />

die Ortskoordinate ˜x und wir erhalten als universell gültige Beziehung <strong>für</strong> die mittlere Nusselt-<br />

Zahl:<br />

NuL ≡<br />

α L<br />

λ = NuL ( ReL, Pr) . (9.5)<br />

Historische Anmerkung: Im Jahre 1916 hat Nusselt diese überraschend einfache, universelle<br />

Beziehung abgeleitet und Einstein seine ” Allgemeine Relativitätstheorie“ veröffentlicht!<br />

9.4 Auslegung von Modellversuchen<br />

Bei korrekter Anwendung der aus der Ähnlichkeitstheorie gewonnenen Übertragungsregeln<br />

ist es möglich, das Verhalten eines Apparates in einem Modellversuch zu studieren. Im einfachsten<br />

Fall ist das Modell geometrisch kleiner, was von Vorteil sein kann da <strong>für</strong> den Versuch<br />

z.B. weniger Material und Energie verbraucht wird. Umgekehrt können kleinskalige Phänomene<br />

an einem vergrößerten Modell bequem und ” ohne Mikroskop“ untersucht werden. In der<br />

Wärmeübertragung oft besonders wichtig ist die Möglichkeit Phänomene, die im Original bei<br />

sehr hohen Temperaturen ablaufen, bei gemäßigten Temperaturen zu untersuchen, was dann<br />

den Einsatz von temperaturempfindlichen Materialien und Messtechniken ermöglicht. Häufig<br />

wird auch mit anderen Fluiden (Wasser statt Luft, Kältemittel anstatt Dampf, ...) gearbeitet<br />

um den Einsatz bestimmter Messtechniken zu ermöglichen. Bedingung <strong>für</strong> die korrekte Anwendung<br />

der Übertragungsregeln ist strenggenommen, dass alle relevanten Kennzahlen von<br />

Modell und Original den gleichen Zahlenwert haben, oder – falls das nicht zu realisieren ist –<br />

dass die weniger wichtigen Kennzahlen zumindest vergleichbare Größenordnungen aufweisen.<br />

�<br />

�<br />


9.4. AUSLEGUNG VON MODELLVERSUCHEN 115<br />

Auslegung eines Kühlkanalmodells<br />

Die Brennkammern moderner Gasturbinen sind häufig doppelwandig, um eine konvektive<br />

Kühlung der Brennkammerwände zu ermöglichen. Der Spalt zwischen den Wänden ist dabei<br />

in Umfangsrichtung in Segmente unterteilt, so dass sich eine Vielzahl von Kühlkanälen ergibt<br />

(siehe Abb. 9.1 ). Die der Brennkammer zugewandte Seitenwand der Kühlkanäle wird von<br />

heissen Abgasen (T ≈ 1600 K) überströmt, während im Kanal Kühlluft (TGT ≈ 600 K)<br />

strömt, die die von den Heissgasen an die Brennkammerwand abgegebene Wärme abführt<br />

und so die Wandtemperatur auf einen materialvertäglichen Wert reduziert. Ein einzelnes<br />

Kühlkanalsegment stellt annähernd einen geraden Kanal rechteckigen Querschnitts dar mit<br />

einer Länge von lGT , einer Breite von bGT und einer Höhe von hGT . Im Kanal strömt Kühlluft<br />

mit einer Geschwindigkeit von uGT = 40 m/s bei einem Druck von pGT =20 bar.<br />

Nun ist geplant, den Wärmeübergang im Kanal durch den Einbau von Rippen zu erhöhen,<br />

weshalb experimentell bei Atmosphärendruck der Wärmeübergang im Kanal untersucht werden<br />

soll. Ein maßstäbliches Modell des Kühlkanals wird zu diesem Zweck aus Plexiglas gefertigt,<br />

um Strömungsvisualisierung und Temperaturmessung mittels temperaturempfindlicher<br />

Flüssigkristalle (TLC Thermo-Liquid Crystals) zu ermöglichen.<br />

Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Ähnlichkeitsgesetzten <strong>für</strong> die Auslegung des Modells?<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> die Anwendung der Ähnlichkeitsregeln ist in jedem Fall die geometrische<br />

Ähnlichkeit zwischen Maschine und Modell. Für die Geometrie des Kühlkanals bedeutet<br />

dies:<br />

�<br />

b �<br />

� =<br />

h<br />

b<br />

�<br />

�<br />

� sowie<br />

h<br />

l<br />

�<br />

�<br />

� =<br />

h<br />

l<br />

�<br />

�<br />

� .<br />

h<br />

� M<br />

� GT<br />

Darüber hinaus müssen die Werte der relevanten Kennzahlen von Modell und Maschine gleich<br />

sein. Aus dieser Forderung ergibt sich sofort die Frage, welche der bisher eingeführten Kennzahlen<br />

<strong>für</strong> die vorliegende Aufgabe relevant sind? Die Fourier-Zahl Fo – eine entdimensionierte<br />

Zeit – ist nicht von Bedeutung, da instationäre Effekte ausser Acht gelassen werden. Die Biot-<br />

Zahl Bi – das Verhältnis von Wärmeleitwiderstand in der Wand zum Wärmeübergangswiderstand<br />

– spielt ebenfalls keine wichtige Rolle, da die Wandtemperatur der Brennkammer vom<br />

Verhältnis der Wärmeübergangswiderstand auf der heissen und kalten Seite, nicht aber vom<br />

(kleinen) Wärmeleitwiderstand des Wandmaterials bestimmt wird. Die Reynolds-Zahl Re –<br />

ein Maß <strong>für</strong> die relative Größe von Trägheits- und Reibungskräften im Fluid – ist sicherlich<br />

wichtig, ebenso die Prandtl-Zahl Pr, welche molekularen Impuls- und Wärmetransport in’s<br />

Verhältnis setzt. Die Mach-Zahl – das Verhältnis von Strömungs- zur Schallgeschwindigkeit –<br />

kann vernachlässigt werden, solange die Strömungsgeschwindigkeit u nur deutlich kleiner als<br />

die Schallgeschwindigkeit c ist (Als Faustregel gilt: Mach-Zahl Effekte können vernachlässigt<br />

werden, solange Ma = u/c < 0.3).<br />

Damit bleiben zwei relevante Kennzahlen: die Reynolds-Zahl Re = u L/ν und die Prandtl-Zahl<br />

Pr = ν/a. Letztere ist das Verhältnis zweier Stoffwerte, die je nach Fluid und Temperatur<br />

unterschiedlich sein können. Da allerdings sowohl in der Maschine als auch im Modell Luft<br />

verwendet wird, und der Einfluss des Temperaturunterschieds im betrachteten Temperaturbereich<br />

nicht wesentlich ist, darf davon ausgegangen werden, das PrGT ≈ PrM (Die Indices<br />

� M<br />

� GT


116 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />

”GT” und ”M” stehen <strong>für</strong> Gasturbine bzw. Modell). Aus der Forderung nach Gleichheit der<br />

Prandtl-Zahl lassen sich in diesem Fall also keine Bedingungen <strong>für</strong> die Auslegung des Versuchsstandes<br />

ableiten.<br />

Reynolds-Ähnlichkeit ReM = ReGT erfordert anderseits, dass<br />

uh| M = uh| GT<br />

wenn die Reynolds-Zahl Re = uh/ν mit einer Geschwindigkeit u = ˙m/h b ρ und der Höhe h<br />

des Kühlkanals gebildet wird. Aus dieser Bedingung allein lassen sich die mittlere Geschwindigkeit<br />

u im Kanal und dessen Höhe hm noch nicht bestimmen, da offensichtlich eine Erhöhung<br />

der Geschwindigkeit im Modell durch eine Verringerung der Kanalhöhe so kompensiert werden<br />

kann, dass die Reynolds-Zahl gleich bleibt.<br />

Um eine möglichst hohe räumliche Auflösung der optischen Messungen zu erzielen, wird deshalb<br />

entschieden das Model so groß wie möglich zu machen ohne einen bestimmten (maximalen)<br />

Massenstrom ˙m0 der Laborluftversorgung zu überschreiten. Aus dieser ”Nebenbedingung”<br />

folgt<br />

und damit<br />

hM = ˙m0<br />

�<br />

�<br />

�<br />

ρ u b<br />

� M<br />

= ˙m0<br />

ρ<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

M<br />

˙m0 = ρ u h b| M<br />

�<br />

1 �<br />

�<br />

u h<br />

� M<br />

�<br />

h �<br />

�<br />

b<br />

� M<br />

νM<br />

νGT<br />

= ˙m0<br />

ρ<br />

,<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

M<br />

�<br />

1 �<br />

�<br />

u h<br />

Mit bekanntem hM ergeben sich sofort die übrigen Abmessungen des Modells sowie die Geschwindigkeit<br />

hM νM<br />

uM = uGT<br />

hGT νGT<br />

Wie schon gesagt, legt in diesem Beispiel die Forderung nach Reynoldsähnlichkeit allein die<br />

Größe des Modells nicht fest – ein größeres Modell bei entsprechend reduzierter Geschwindigkeit<br />

hätte die gleiche Reynolds-Zahl! Erst mit der durch die Leistungsfähigkeit der Luftversorgung<br />

vorgegebene Massenstrombedingung ergibt sich eine eindeutige Größe. Falls Ähnlichkeit<br />

bezüglich mehrerer Kennzahlen eingehalten werden muss, engt sich der ” Spielraum“ des Experimentators<br />

sehr schnell ein, unter Umständen können dann nur durch die Wahl bestimmter<br />

Materialen mit ungewöhnlichen Stoffwerten die wesentlichen Ähnlichkeitsbedingungen eingehalten<br />

werden.<br />

9.5 Darstellung experimenteller Ergebnisse<br />

Selbst wenn sich keine analytische oder numerische Lösung finden lässt, so liefert die Ähnlichkeitstheorie<br />

doch die Methode um mit einer geringen Anzahl von Versuchen experimentelle<br />

Erkenntnisse in weitgehend allgemeingültiger Form zu gewinnen, da die an einem Versuchsmodell<br />

(s.o.) gefundenen Gesetze <strong>für</strong> alle untereinander und mit dem Modell physikalisch<br />

ähnlichen Objekte gelten (!). Die Ähnlichkeitslehre gestattet also eine Verallgemeinerung von<br />

.<br />

� GT<br />

νGT<br />

νM<br />

�<br />

h �<br />

�<br />

b<br />

� GT<br />

.


9.5. DARSTELLUNG EXPERIMENTELLER ERGEBNISSE 117<br />

Versuchergebnissen – genauer formuliert: die allgemein gültige Darstellung von Versuchsergebnissen<br />

– mit Hilfe der Übertragungsregeln, der sog. Modellgesetze.<br />

Die Erstellung und Anwendung der in der Strömungslehre und der Wärme- und Stoffübertragung<br />

so häufig vorkommenden Korrelationen – analytisch, numerisch oder empirisch ermittelte<br />

Beziehungen zwischen Kennzahlen – beruht also auch auf den Ähnlichkeitsgesetzen.<br />

9.5.1 Experimentelle Untersuchung des Wärmeübergangs an der ebenen<br />

Platte<br />

Zwei Arbeitsgruppen untersuchen experimentell den Wärmeübergang an der turbulent überströmten<br />

ebenen Platte.<br />

Gruppe A benutzt dazu eine elektrisch beheizte, gut wärmeleitende Platte der Länge L = 1 m<br />

und der Breite b = 0.4 m, die bei Geschwindigkeiten U im Bereich von 8 bis 25 m/s von Luft<br />

der Temperatur T = 300 K überströmt wird (siehe Abb. 9.2). Die Leistung des elektrischen<br />

Heizers wird so eingestellt dass die Temperaturdifferenz zwischen Wand und Freistrom ∆T =<br />

2 K. Dazu wird – je nach Geschwindigkeit – eine elektrische Heizleistung ˙ Q von ca. 15 bis 80<br />

kW benötigt. Die Heizleistung bzw. der von der Platte an das Fluid übertragene Wärmestrom<br />

˙Q ist als Funktion der Geschwindigkeit U in Bild 9.3 dargestellt.<br />

Gruppe B entwickelt eine andere Methode: heisse Verbrennungsabgase aus einem Gasturbinenprüfstand<br />

werden bei einem Druck von 6 bar und bei einer Temperatur von 800 K mit<br />

Geschwindigkeiten U von 35 bis 80 m/s über eine Brennkammerwand geführt.Die Brennkammerwand<br />

(L = 0.4 m, b = 0,16 m ist rückseitig ” prallgeküh lt“ mit Luft von TK = 640 K.<br />

Der Wärmeübergangskoeffizient der Prallkühlung ist so hoch, dass man in guter Näherung<br />

TW ≈ TK setzen darf und damit ∆T ≈ 160K. Die Temperaturerhöhung der Kühlluft wird<br />

gemessen, mittels einer Energiebilanz wird der übertragene Wärmestrom ˙ Q = ˙m cp (T ′ K −TK)<br />

bzw. der Wärmeübergangskoeffizient α bestimmt (siehe wiederum Bild 9.3. Relevante Stoffwerte<br />

sind: η = 1.8 × 10 −5 N s/m 2 , λ = 2.6 × 10 −2 W/m-K bei 300 K, η = 8.5 × 10 −5 N<br />

s/m 2 , λ = 5.7 × 10 −2 W/m-K bei 800 K.)<br />

U, T oo<br />

L<br />

T W<br />

V<br />

Q .<br />

A<br />

b<br />

T' k<br />

U = 35 - 80 m/s,<br />

T oo = 800 K,<br />

p = 6 bar<br />

. .<br />

Q = cp m (T'k - Tk )<br />

c -> oo<br />

.<br />

Q = (TW -Too )<br />

Abbildung 9.2: Zwei Experimente zur Untersuchung des Wärmeüberganges an einer überströmten<br />

ebenen Platte. Links: elektrisch beheizte Platte, rechts: Brennkammerwand mit sog.<br />

Prallkühlung.<br />

h<br />

.<br />

mk , Tk


118 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />

Q [W/s]<br />

50<br />

-100x10 3<br />

0<br />

-50<br />

10<br />

20<br />

30<br />

40 50<br />

U<br />

60<br />

70 80m/s<br />

100x10 3<br />

α [W/m 2 -K]<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

10<br />

20<br />

30<br />

40 50<br />

U<br />

60<br />

70 80m/s<br />

Abbildung 9.3: Wärmestrom (links) und Wärmeübergangskoeffizienten (rechts) an der ebenen<br />

Platte. ” +“ — elektrisch beheizte Platte, ” ⋄“ — konvektiv gekühlte Brennkammerwand.<br />

Offensichtlich lässt die <strong>für</strong> Bild 9.3 gewählte Auftragung der experimentellen Ergebnisse<br />

keine systematischen Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen erkennen. Die Auftragung<br />

des Wärmeübergangskoeffizienten (rechts) mag insofer überraschen, als sie zeigt, dass der<br />

Wärmeübergangskoeffizient des Hochdruckexperiments von Gruppe B trotz der wesentlich<br />

höheren Wärmeströme geringer ist als bei den Versuchen von Gruppe A. Erst die dimensionsbefreite<br />

Darstellung Nußelt- gegen Reynolds-Zahl, wie sie in Bild 9.4 zu sehen ist, zeigt<br />

deutlich, dass die Daten sehr wohl denselben physikalischen Sachverhalt darstellen und dass<br />

sie sich gut miteinander korrelieren lassen. Wie im Bild angedeutet, beschreibt der funktionale<br />

Zusammenhang – die Korrelation – Nu = (0.037 Re 4/5 − 871) Pr 1/3 alle vorliegenden<br />

experimentellen Daten in guter Näherung.<br />

9.5.2 Reibungswiderstand glatter Rohre<br />

Die Strömung durch ein Rohr ist im laminaren Fall durch die Lösung von Hagen/Poiseuille<br />

vollständig beschrieben (parabolisches Geschwindigkeitsprofil). Insbesonders der zur verlässlichen<br />

Auslegung von Rohrleitungssystemen wichtige Druckverlust pro Rohrlänge kann in analytischer<br />

Form als Funktion des Volumenstroms, des Rohrdurchmesser und der Viskosität des<br />

Fluids dargestellte werden. Beim technisch vorherrschenden turbulenten Strömungszustand<br />

muss hingegen die Widerstandscharakteristik empirisch ermittelt werden. Bevor Reynolds<br />

1883 entdeckt hatte, dass der Reibungswiderstand eines (hydraulisch glatten) Rohres nur<br />

durch die Kennzahl ReD = umD/ν bestimmt wird, hätten Ingenieure zur Auslegung von<br />

Wasser-, Abwasser-, oder z.B. Leuchtgasleitungen etwa fünf Druckverlustwerte je Einflussgröße<br />

(um, D und ν) benötigt, also insgesamt 5 3 = 125 Messpunkte (25 Kurven mit je 5<br />

Stützpunkten). Nach Entdeckung der Ähnlichkeitskennzahl ReD genügten 5 Messwerte zur<br />

Abstützung der Druckverlustfunktion <strong>für</strong> alle glatten, von Newtonschen Flüssigkeiten durchstömten<br />

Rohre.


9.6. DIMENSIONSLOSE FORM DER LÖSUNGEN UNDÄHNLICHKEITSLÖSUNGEN119<br />

Nu [-]<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0.6<br />

Nu = (0.037 Re 4/5 -871) Pr 1/3<br />

Electrically Heated Plate<br />

Water- Cooled Combustor Liner<br />

0.8<br />

1.0<br />

1.2<br />

Re [-]<br />

1.4<br />

1.6<br />

1.8x10 6<br />

Abbildung 9.4: Nußelt-Zahl der elektrisch beheizten Platte (+) und der konvektiv gekühlten<br />

Brennkammerwand (⋄) aufgetragen über der Reynolds-Zahl. Gezeigt ist auch eine entsprechende<br />

Korrelation (<strong>für</strong> Pr = 0.7).<br />

9.6 Dimensionslose Form der Lösungen und<br />

Ähnlichkeitslösungen<br />

Wie schon mehrmals gezeigt, lassen sich nicht nur die Kennzahlen und die beschreibenden Differentialgleichungen,<br />

sondern auch die (analytische) Lösung eines Problems in dimensionsloser<br />

Form darstellen, was meistens – aber nicht immer – die Bestimmung und die Interpretation<br />

der Lösung erleichtert.<br />

Für spezielle, sog. selbstähnliche Geometrien lassen sich Ähnlichkeitslösungen herleiten – hierzu<br />

gehört die Wärmeleitung an der ebenen Platte oder die freie, laminare Konvektion an einer<br />

senkrechten Wand. Unter Ausnutzung der Selbstähnlichkeit lässt sich bei solchen Konfigurationen<br />

die Dimensionalität des Problems reduzieren. Aus einer partiellen Differentialgleichung<br />

wird dann im günstigsten Fall – siehe die Plattengrenzschicht oder die freie Konvektion – eine<br />

gewöhnliche Differentialgleichung, was die Bestimmung und Darstellung der Lösung ungemein<br />

erleichtert. Details zu selbstähnlichen Geometrien und Geschwindigkeits- bzw. Temperaturverteilungen<br />

finden sich in diesem Skript in den entsprechenden Unterkapiteln.


120 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />

9.7 Analogien<br />

Eine häufig anzutreffende Variante der Ähnlichkeit stellen die schon mehrmals angesprochenen<br />

Analogien zwischen Phänomenen in unterschiedlichen natur- bzw. ingenieurswissenschaftlichen<br />

Disziplinen dar. Wir erinnern z.B. an die Analogie zwischen Wärmedurchgang<br />

und dem elektrischen Widerstand von Reihen- und Parallelschaltungen (siehe die Diskussion<br />

der Péclet-Gleichung in Abschnitt 3.1).<br />

Generell gilt, dass physikalische Phänomene, die durch ähnliche – d.h. identisch bis auf Zahlenwerte<br />

von Koeffizienten oder Kennzahlen – (Differential-)Gleichungen beschrieben werden,<br />

sich auch ähnlich verhalten müssen.<br />

Für die Thermo-Fluiddynamik besonders wichtig ist die von Reynolds bereits 1875 erkannte<br />

Analogie zwischen dem Impuls- und Energietransport 3 in Strömungen.<br />

9.7.1 Reynolds-Analogie<br />

Wir betrachten bei Vernachlässigung von Feldkräften die Strömung um einen stromlinienförmigen<br />

Körper wie z.B. eine längs angeströmte ebene Platte, siehe Bild 7.4. Falls der<br />

Druckgradient ∂ ˜p/∂˜x entlang der Wand vernachlässigt werden darf und die Prandtl-Zahl<br />

Pr = 1, sind die Gleichungen (7.11) und (7.12) <strong>für</strong> den konvektiven Transport von wandtangetialem<br />

Impuls und Wärme einander ähnlich:<br />

ũ ∂ũ ∂ũ<br />

+ ˜v<br />

∂˜x ∂˜y =<br />

ũ ∂ ˜ T<br />

∂˜x + ˜v ∂ ˜ T<br />

∂˜y =<br />

�<br />

1 ∂2ũ ReL ∂˜x 2 + ∂2ũ ∂˜y 2<br />

�<br />

,<br />

�<br />

1 ∂2T˜ ReL ∂˜x 2 + ∂2T˜ ∂˜y 2<br />

�<br />

.<br />

Mit den Randbedingungen <strong>für</strong> Geschwindigkeit und Temperatur<br />

ũ(˜x, 0) = 0, ũ(˜x, ∞) = 1,<br />

˜T (˜x, 0) = 0, ˜ T (˜x, ∞) = 1,<br />

herrscht offensichtlich vollständige Analogie zwischen Impuls- und Wärmeübertragung. In<br />

dimensionsloser Darstellung stimmen die Verteilungen von Geschwindigkeit und Temperatur<br />

überein, ũ(˜x, ˜y) = ˜T (˜x, ˜y).<br />

Schon bei der Definition der Nußelt-Zahl haben wir bemerkt, das Nu als wandnormaler Gradient<br />

der Temperatur des Fluids an der Wand interpretiert werden kann,<br />

NuL = ∂ ˜ �<br />

T �<br />

�<br />

� .<br />

∂˜y<br />

� ˜y=0+<br />

3 Die Reynolds-Analogie umfasst auch den Stofftransport, was im Rahmen dieser Vorlesung allerdings nicht<br />

weiter diskutiert wird.


9.7. ANALOGIEN 121<br />

Für den Reibungsbeiwert findet man ganz analog:<br />

cf = τW (x)<br />

ϱ<br />

2 u2 ∞<br />

= 2η<br />

ρ u 2 ∞<br />

�<br />

∂u �<br />

�<br />

∂y<br />

� y=0+<br />

= 2ν<br />

u∞ L<br />

�<br />

∂u �<br />

�<br />

∂y<br />

� y=0+<br />

= 2<br />

ReL<br />

�<br />

∂ũ �<br />

�<br />

∂˜y<br />

� ˜y=0+<br />

Bei Ähnlichkeit der Geschwindigkeits- und Temperaturverteilungen muß offensichtlich gelten:<br />

�<br />

∂ũ �<br />

�<br />

∂˜y<br />

= ∂ ˜ �<br />

T �<br />

�<br />

�<br />

∂˜y<br />

,<br />

� ˜y=0+<br />

� ˜y=0+<br />

und damit wie bereits von Reynolds postuliert <strong>für</strong> Reibungsbeiwert, Reynolds und Nußelt-<br />

Zahl:<br />

ReL<br />

cf<br />

2 = NuL. (9.6)<br />

Diese Beziehung gilt wie gesagt zunächst nur <strong>für</strong> Pr = 1 und verschwindenden Druckgradienten.<br />

Im vorrangig interessierenden Fall der Turbulenz erweist sich auch bei dp/dx �= 0 und<br />

Pr �= 1 die nach Chilton-Colburn modifizierte Analogie als sehr brauchbar:<br />

cf ReL<br />

Pr 1/3<br />

2 = NuL. (9.7)<br />

Mit Hilfe der Beziehungen (9.6) bzw. (9.7) kann man den Wärmeübergangskoeffizienten berechnen,<br />

wenn der Reibungsbeiwert bekannt ist, und umgekehrt.<br />

.


122 KAPITEL 9. ÄHNLICHKEITSTHEORIE UND KENNZAHLEN<br />

Zusammenfassung<br />

Die Theorie der physikalischen Ähnlichkeit und – damit eng verknüpft – die dimensionslosen<br />

Kennzahlen sind <strong>für</strong> die Ingenieur- wie die Naturwissenschaften von großer Bedeutung<br />

• Das π-Theorem liefert in Kombination mit physikalischer Einsicht und ” Einheitenarithmetik“<br />

die Kennzahlen eines Problems dessen wesentliche Einflußgrößen bekannt sind.<br />

• Alternativ können Kennzahlen in systematischer Art und Weise aus den Differenzialgleichungen<br />

bestimmt werden.<br />

• Die Ähnlichkeitstheorie erlaubt grundsätzliche Aussagen über die funktionale Form der<br />

Lösung eines Problems.<br />

• Die korrekte Auslegung von Modellversuchen und die allgemeingültige Darstellung experimenteller<br />

Ergebnisse ist ohne Ähnlichkeitstheorie nicht zu machen.<br />

• Analogien zwischen physikalisch unterschiedlichen Phänomenen sind eine weitere, oftmals<br />

nützliche Form der Ähnlichkeit.<br />

e✷Xerzitien<br />

Richtig ✷X oder falsch ?<br />

✷ Dimensionslose Kennzahlen sind das Bindeglied zwischen Modellexperiment und technischer<br />

Anwendung, so wie der Maßstab die Relation zwischen Landkarte und Landschaft<br />

herstellt.<br />

✷ Die physikalische Ähnlichkeit zweier Versuchskonfigurationen ist gleichbedeutend ihrer<br />

geometrischen Ähnlichkeit.<br />

✷ Bedingung <strong>für</strong> die korrekte Übertragung vom Modell zum Original ist, dass die relevanten<br />

Kennzahlen in beiden Fällen den selben Zahlenwert haben.<br />

✷ Hinreichende Bedingung <strong>für</strong> die korrekte Übertragung vom Modell zum Original ist,<br />

dass alle Kennzahlen des Systems in der selben Größenordnung liegen.<br />

✷ Die Reynolds-Ähnlichkeit legt die Größe eines Windkanal-Modells eindeutig fest.<br />

✷ Die Anzahl der Einflussgrößen eines Systems abzüglich der Anzahl der in den ersteren<br />

vorkommenden Grundeinheiten ergibt die Anzahl der unabhängigen Kennzahlen.


Kapitel 10<br />

Freie Konvektion<br />

Wenn eine Massenkraft auf ein Fluid mit räumlich unterschiedlicher Dichte wirkt, so resultieren<br />

Auftriebskräfte, welche eine freie oder natürliche Konvektionsströmung hervorrufen<br />

können. Die Dichteinhomogenitäten können dabei aus Temperatur- oder Konzentrationsunterschieden<br />

des Fluids resultieren. Anders als bei der bisher untersuchten Zwangskonvektion<br />

wird die Fluidbewegung in diesem Falle also nicht durch äußere Antriebe (Pumpen, Gebläse,<br />

Wind) verursacht, sondern durch systemimmanente treibende Kräfte.<br />

Die wohl häufigste Situation, auf die wir uns in diesem Kapitel konzentrieren werden, ist die<br />

durch Temperaturunterschiede induzierte Strömung eines Gases im Schwerefeld der Erde 1 .<br />

Betrachte z.B. die Temperatur- und Geschwindigkeitsverteilung in einem beheizten Raum:<br />

die am Heizkörper erwärmte Luft steigt aufgrund der verringerten Dichte nach oben und<br />

verursacht im Zimmer eine Zirkulationsströmung. Diese freie Konvektionsströmung sorgt nicht<br />

nur <strong>für</strong> eine gleichmäßigere Verteilung der Temperatur im Raum, sondern erhöht auch den<br />

Wärmeübergang am Heizkörper – die Wirkung (= Strömung) beeinflusst gewissermaßen ihre<br />

Ursache (= Temperatur- und Dichteunterschiede).<br />

In der Tat sind – wie wir sehen werden – die Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong> Impuls und Energie<br />

bei freier Konvektion stark miteinander gekoppelt. Anders als bei Problemen der Zwangskonvektion<br />

ist es deshalb nicht möglich, das Geschwindigkeitsfeld vorab und unabhängig von<br />

der Temperatur zu bestimmen, um dann in einem zweiten Schritt die Temperaturverteilung<br />

bei gegebenem Geschwindigkeitsfeld zu berechnen. Dies macht die Berechnung von freien<br />

Konvektionsströmungen ungleich schwieriger als bei erzwungener Strömung.<br />

Mm Modellfall der laminaren, freien Konvektion an einer vertikalen, isotherm beheizten Platte<br />

(einer isothermen Wand) wesentliche Konzepte – Grenzschichtgleichungen, Boussinesq-Näherung,<br />

Kennzahlen – vorgestellt und einige Aspekte der (Ähnlichkeits)lösung nach Pohlhausen<br />

und Ostrach [4, 3] diskutiert. Außerdem werden einige wichtige Korrelationen vorgestellt.<br />

1 Neben der Schwerkraft können z.B. in der Meteorologie auch Coriolis- oder Zentrifugalkräfte eine wichtige<br />

Rolle spielen.<br />

123


124 KAPITEL 10. FREIE KONVEKTION<br />

10.1 Freie, laminare Konvektion an der isothermen Wand<br />

T -T<br />

T w<br />

w �<br />

T �<br />

x<br />

� t<br />

�<br />

T(y)<br />

u(y)<br />

Abbildung 10.1: Geschwindigkeits- und<br />

Temperaturgrenzschichten bei freier, laminarer<br />

Konvektion an einer isothermen<br />

Wand.<br />

y<br />

Als beispielhafter Modellfall soll eine vertikale<br />

ebene Platte der Länge L mit der konstanten<br />

Wandtemperatur TW in einem umgebenden Fluid<br />

(η, ρ, cp, λ) der Temperatur T∞ < TW gegeben<br />

sein. Wie bei der Zwangskonvektion wird sich eine<br />

hydraulische und eine thermische Grenzschicht<br />

ausbilden. Während das Temperaturprofil den<br />

gleichen monotonen Verlauf erwarten lässt, muss<br />

das Geschwindigkeitsprofil nicht nur an der Wand<br />

” haften“, sondern auch beim Übergang zum ruhenden<br />

Fluid gegen Null streben und demnach<br />

ein Maximum und einen Wendepunkt aufweisen<br />

(siehe Abb. 10.1).<br />

Eine ungewöhnliche Eigenschaft dieser Grenzschichtströmung<br />

lässt sich aus elementaren Überlegungen<br />

und ” ganz ohne Mathematik“ herleiten:<br />

Fluidelemente, deren Dichte geringer ist als die<br />

Umgebungsdichte ρ∞, verspüren eine Auftriebskraft<br />

und werden mit einer Geschwindigkeit,<br />

die sich aus dem Gleichgewicht von Zähigkeitsund<br />

Auftriebskräften ergibt, nach oben steigen.<br />

Darüber hinaus werden aufgrund der Zähigkeit<br />

auch benachbarte Fluidelemente, die selbst keine<br />

Auftriebskraft verspüren, ”mitgeschleppt”. Es<br />

folgt, dass unabhängig vom Wert der Prandtl-<br />

Zahl die Geschwindigkeitsgrenzschicht in jedem<br />

Falle dicker ist als die thermische Grenzschicht.<br />

Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Zwangskonvektion,<br />

wo im allgemeinen gilt<br />

δt ∼ δ<br />

n ,<br />

Pr<br />

(mit positivem n) und somit bei kleinen Prandtl-Zahlen die thermische Grenzschicht dicker<br />

als die hydraulische Grenzschicht ist.<br />

10.2 Boussinesq-Approximation der Grenzschichtgleichungen<br />

Die nach dem Prandtlschen Grenzschichtkonzept vereinfachten Erhaltungsgleichungen <strong>für</strong><br />

Masse, Impuls und Energie sind bis auf die Berücksichtigung der Dichte in der Kontinuitätsgleichung<br />

und des Schwerkraft- bzw. Auftriebsterms in der x-Impulsgleichung mit jenen des


10.2. BOUSSINESQ-APPROXIMATION DER GRENZSCHICHTGLEICHUNGEN 125<br />

vorausgegangenen Abschnitts identisch. Da kein Stoffaustausch stattfinden soll, werden Dichteänderungen<br />

und Auftrieb nur thermisch ausgelöst.<br />

Kontinuitätsgleichung:<br />

x-Impuls (Grenzschicht):<br />

x-Impuls (ruhendes Fluid):<br />

y-Impuls (Grenzschicht):<br />

Energiegleichung:<br />

∂ρu<br />

∂x<br />

+ ∂ρv<br />

∂y<br />

u ∂u ∂u<br />

+ v = −1<br />

∂x ∂y ρ<br />

0 = − 1<br />

0 = − 1<br />

ρ<br />

u ∂T<br />

∂x<br />

∂p<br />

∂y<br />

ρ∞<br />

= 0; (10.1)<br />

∂p<br />

∂x − g + ν ∂2u ; (10.2)<br />

∂y2 ∂p<br />

− g + 0; (10.3)<br />

∂x<br />

⇒ ∂p<br />

∂x<br />

+ v ∂T<br />

∂y = a∂2 T<br />

∂x 2<br />

dp<br />

≡ ; (10.4)<br />

dx<br />

(10.5)<br />

Nach Gleichung (10.3) folgt <strong>für</strong> das ruhende Fluid außerhalb der Grenzschicht die Beziehung<br />

dp/dx = −ρ∞ · g, welche wegen (10.4) in (10.2) substituiert werden kann:<br />

u ∂u<br />

∂x<br />

+ v ∂u<br />

∂y<br />

g<br />

=<br />

ρ (ρ∞ − ρ) + ν ∂2u ∂y2 Trägheit Auftrieb Zähigkeit<br />

Boussinesq bzw. Oberbeck führten zur Vereinfachung obiger Gleichungen folgende Näherungen<br />

ein:<br />

1. Das Fluid wird bis auf den Auftriebsterm (in obiger Gleichung) als inkompressibel behandelt,<br />

die Kontinuitätsgleichung vereinfacht sich zu ∂u/∂x + ∂v/∂y = 0 (Divergenzfreie<br />

Geschwindigkeit).<br />

2. Der Volumenausdehnungskoeffizient β wird linearisiert:<br />

β = − 1<br />

ρ<br />

� �<br />

∂ρ<br />

∂T<br />

≈ − 1<br />

ρ<br />

� �<br />

ρ∞ − ρ<br />

=<br />

T∞ − T<br />

1<br />

ρ<br />

die x-Impuls-Gleichung (10.2) lautet dann:<br />

p<br />

u ∂u ∂u<br />

+ v<br />

∂x ∂y = gβ (T − T∞) + ν ∂2u ∂y2 � ρ∞ − ρ<br />

T − T∞<br />

�<br />

;<br />

(10.6)<br />

3. Sämtliche Stoffwerte (β, λ, ρ, cp, ν) werden als näherungsweise konstant betrachtet, man<br />

wählt die mittlere Grenzschichttemperatur TB = (TW + T∞)/2 als Bezugstemperatur.<br />

Bewegungs- und Energiegleichung sind demnach über den Temperaturterm wechselseitig gekoppelt.


126 KAPITEL 10. FREIE KONVEKTION<br />

10.3 Kennzahlen und Ähnlichkeitslösungen <strong>für</strong> die isotherme<br />

Wand<br />

Als Bezugsgrößen sind L und ∆T ≡ TW − T∞ durch die Modellbeschreibung gegeben, jedoch<br />

existiert keine aufgeprägte charakteristische Geschwindigkeit. Wir definieren deshalb:<br />

dann folgt das Gleichungssystem<br />

� ∂ũ<br />

�<br />

ũ ∂θ<br />

∂˜x<br />

˜x = x y u<br />

; ˜y = ; ũ =<br />

L L uB<br />

� uB<br />

; θ =<br />

T − T∞<br />

TW − T∞<br />

∂˜v<br />

+ = 0,<br />

∂˜x ∂˜y L<br />

�<br />

ũ ∂ũ<br />

�<br />

∂ũ u2 B + ˜v<br />

∂˜x ∂˜y L = gβ (TW − T∞) θ + ∂2ũ ∂˜y<br />

�<br />

∂θ uB<br />

+ ˜v<br />

∂˜y L · (TW − T∞) = a<br />

L2 (TW − T∞) ∂2θ ,<br />

∂˜y 2<br />

mit den erforderlichen Randbedingungen<br />

ũ(˜x, 0) = ˜v(˜x, 0) = 0; θ(˜x, 0) = 1,<br />

ũ(˜x, ∞) = 0; θ(˜x, ∞) = 0.<br />

ν,<br />

L2 2 · uB<br />

Die ” Kundschafter“-Geschwindigkeit uB liefert aus der zweiten Gleichung (nach bekanntem<br />

Schema) die ” System“-Geschwindigkeit uB = ν/L sowie die nach Grashof benannte Auftriebskennzahl:<br />

bzw. ” örtlich“<br />

GrL = gβ (TW − T∞) L3 ν2 ,<br />

Grx = gβ (TW − T∞) x3 ν2 .<br />

Diese repräsentiert das Verhältnis der auf das Fluid wirkenden Auftriebskraft zur hemmenden<br />

Zähigkeitskraft.<br />

Aus der Energiegleichung lässt sich auf einfache Weise die schon bekannte Prandtl-Zahl<br />

P r = ν a als Einflussparameter eruieren. 1930 gelang es Schmidt und Beckmann mit Unterstützung<br />

des Mathematikers Polhausen den oben definierten Modellfall speziell <strong>für</strong> Luft<br />

experimentell und theoretisch zu lösen. Squire hat 1938 mit Hilfe des sog. Integralverfahrens<br />

die (angenäherte) allgemeine Lösung <strong>für</strong> 0 ≤ P r → ∞ gewonnen. Schließlich gelang es 1953<br />

Ostrach die lange gesuchte Ähnlichkeitslösung“ zu finden, indem er dimensionslose y- und<br />

”<br />

u-Koordinaten der Form<br />

y = y<br />

� �1/4 Grx<br />

u · x<br />

und u =<br />

x 4<br />

2v Gr−1/2 x .<br />

einführte. Die Lösungen <strong>für</strong> das Geschwindigkeitsfeld und das Temperaturfeld sind in Abb.<br />

10.2 in dimensionsloser Form dargestellt


10.3. KENNZAHLEN UND ÄHNLICHKEITSLÖSUNGEN FÜR DIE ISOTHERME WAND127<br />

� � � � � ��� � � �<br />

�<br />

� �<br />

�<br />

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��� �<br />

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��� �<br />

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�����<br />

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��� �<br />

�����<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

���<br />

�����<br />

�������<br />

�������������<br />

� � � � � �<br />

� ��� ���<br />

���<br />

� � �<br />

���<br />

� � ��� � ��<br />

�<br />

�<br />

��<br />

� �<br />

�<br />

��<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�������<br />

� �������<br />

�� ���<br />

Abbildung 10.2: Ähnlichkeitslösungen <strong>für</strong> Geschwindigkeit (links) und Temperatur (rechts)<br />

bei freier, laminarer Konvektion an einer isothermen Wand.<br />

Auch bei freier Konvektion existiert eine kritische Lauflänge xk, bei der die Strömung den<br />

schon bekannten Umschlag laminar/turbulent erfährt. Maßgebend ist hier<strong>für</strong> - wie nach den<br />

vorausgegangenen Erörterungen zu erwarten- wieder ein dimensionsloser Ähnlichkeitsparameter,<br />

und zwar die nach Lord Rayleigh benannte Kennzahl<br />

Es gilt<br />

Rax = Grx · Pr = g · β · (TW − T∞) x3 , bzw. RaL = GrL · Pr<br />

ν · a<br />

Rax,k = Grx,k · Pr ≈ 10 9 .<br />

Fragt man sich, warum nicht analog zur Zwangskonvektion die wie die Rex-Zahl aus der Bewegungsgleichung<br />

erschlossene Grx-Zahl <strong>für</strong> den Umschlag alleine maßgeblich ist, so lautet<br />

die Erklärung: Die enge wechselseitige Verkettung von Temperatur- und Geschwindigkeitsfeld<br />

bei freier Konvektion bedingt folgerichtig die Einbeziehung der das Zusammenwirken von<br />

diffusivem Impuls- und Wärmetransport regierenden Prandtl-Zahl .<br />

Wegen der viel geringeren Geschwindigkeiten bei Naturkonvektion erhält man wesentlich<br />

dickere Grenzschichten als bei Zwangskonvektion mit der Konsequenz, dass unterhalb von<br />

Rax,0 ≈ 10 4 die Voraussetzungen der Grenzschichttherorie δ(x)/x ≪ 1 nicht mehr erfüllt sind<br />

und folglich die im Anschluss mitgeteilten Gebrauchsformeln unbrauchbar werden:


128 KAPITEL 10. FREIE KONVEKTION<br />

δ<br />

x<br />

=<br />

Ra1/4 x<br />

3, 93<br />

h( Pr)<br />

mit<br />

�<br />

Pr<br />

h( Pr) =<br />

0, 952 + Pr<br />

α(x) = 0, 508 · h( Pr) λ<br />

Nu(x)x =<br />

1/4<br />

(Rax)<br />

x<br />

α(x) · x<br />

= 0, 508 · h( Pr) (Rax)<br />

λ<br />

1/4<br />

α = 1<br />

�L<br />

α(x) dx =<br />

L<br />

4<br />

3 α(L)<br />

NuL =<br />

0<br />

α · L<br />

0, 679 · h( Pr) · Ra1/4<br />

L<br />

λ<br />

mit RaL = GrL · Pr = gβ (TW − T∞) L 3<br />

und 10 4 ≤ Ra ≤ 10 9<br />

νa<br />

� 1/4


Literaturverzeichnis<br />

[1] H. D. Baehr and K. Stephan. Wärme- und Stoffübertragung. Springer Verlag, 1998. 3rd<br />

Edition.<br />

[2] F. P. Incropera and D. P. DeWitt. Fundamentals of Heat and Mass Transfer. John Wiley<br />

& Sons, 1996. 4th Edition.<br />

[3] S. Ostrach. An Analysis of Laminar Free Convection Flow and Heat Transfer about a<br />

Flat Plate Parallel to the Direction of the Generating Body Force. NACA Techn. Report,<br />

(1111), 1953.<br />

[4] E. Pohlhausen. Der Wärmeaustausch zwischen festen Körpern und Flüssigkeiten mit<br />

kleiner Reibung. Z. Angew. Math. Mech., 1:115–121, 1921.<br />

[5] J. Stichlmair. Anwendung der Ähnlichkeitsgesetze bei vollständiger und partieller Ähnlichkeit.<br />

Chem.-Ing.-Tech., 63(1):38–51, 1991.<br />

[6] J. Zierep. Ähnlichkeitsgesetze und Modellregeln der Strömungslehre. G. Braun, Karlsruhe,<br />

2nd edition, 1982.<br />

129


130 LITERATURVERZEICHNIS


Anhang A<br />

Nomenklatur<br />

Deutsche und englische Formelzeichen<br />

dt. Bezeichnung engl. Bezeichnung Einheit<br />

Temperaturleitfähigkeit a α thermal diffusivity m 2<br />

s<br />

Wärmestrom ˙ Q q heat transfer rate W<br />

Wärmestromdichte ˙q q ′′ heat flux W<br />

m 2<br />

Wärmequellendichte ˙w ˙q rate of energy generation per unit<br />

volume<br />

Wärmedurchgangszahl k U overall heat transfer coefficient W<br />

m 2 K<br />

Wärmeübergangskoeffizient α h convection heat transfer coefficient W<br />

m 2 K<br />

Wärmeleitfähigkeit λ k thermal conductivity W<br />

mK<br />

dynamische Viskosität η µ viscosity Ns<br />

m 2<br />

Rohrreibungsbeiwert ψ f friction factor –<br />

131<br />

W<br />

m 3


132 ANHANG A. NOMENKLATUR


Anhang B<br />

Kennzahlen<br />

Biot-Zahl<br />

Bi = L/λ<br />

1/α<br />

= α · L<br />

λ<br />

(B.1)<br />

Die Biot-Zahl stellt das Verhältnis des Wärmeleitwiderstandes im Körper zu dem<br />

Wärmeübergangswiderstand der Grenzschicht dar.<br />

Bond-Zahl<br />

Bo = g (ϱl − ϱv) L 2<br />

σ<br />

(B.2)<br />

Die Bond-Zahl trägt zur dimensionslosen Beschreibung von Wärmeübertragungsvorgängen<br />

mit Phasenumwandlung bei. Sie charakterisiert das Verhältnis von Gravitationskraft zu<br />

Oberflächenspannungskräften.<br />

Fourier-Zahl<br />

Fo =<br />

a · t<br />

L 2<br />

(B.3)<br />

Die Fourier-Zahl ist eine dimensionslose Zeit. Sie beschreibt das Verhältnis von Wärmeleitung<br />

zu Wärmespeicherung im Festkörper<br />

133


134 ANHANG B. KENNZAHLEN<br />

Grashof-Zahl<br />

Gr =<br />

g β ∆T L3<br />

ν 2<br />

(B.4)<br />

Die Grashof-Zahl, eine Kennzahl der freien Konvektion. beschreibt das Varhältnis der<br />

Auftriebskräfte zu den Reibungskräften.<br />

Jakob-Zahl<br />

Ja = cP ∆T<br />

∆hV<br />

(B.5)<br />

Die Jakob-Zahl stellt das Verhältnis der fühlbaren Wärme zur zu- oder abgeführten Umwandlungsenthalpie<br />

dar. Somit ist die Jakob-zahl eine weitere dimensionslose Kennzahl,<br />

die der Beschreibung des Wärmeübergangs bei Phasenumwandlung dient.<br />

Lewis-Zahl<br />

Le = a<br />

DAB<br />

Die Lewis-Zahl beschriebt das Verhältnis von thermischer zu stofflicher Diffusion.<br />

Nußelt-Zahl<br />

Nu =<br />

α · L<br />

λ<br />

(B.6)<br />

(B.7)<br />

Die Nußelt-Zahl bezieht den Wärmestrom infolge Konvektion auf den Wärmestrom infolge<br />

Leitung durch die Grenzschicht. Sie wird oft auch als dimensionsloser Wärmeübergangskoeffizient<br />

oder dimensionsloser Temperaturgradient bezeichnet.<br />

Péclet-Zahl<br />

Pe =<br />

w · L<br />

a<br />

= w · L<br />

ν<br />

· ν<br />

a<br />

= Re · Pr (B.8)<br />

Die Péclet-Zahl gibt das Verhältnis des konvektiven Wärmetransportes zum Wärmestrom<br />

infolge Wärmeleitung an.


Prandtl-Zahl<br />

Pr = ν<br />

(B.9)<br />

a<br />

Die Prandtl-Zahl ist ein Maß <strong>für</strong> das Verhältnis von Impuls- zu Wärmetransport und<br />

enthält nur Stoffgrößen.<br />

Rayleigh-Zahl<br />

g β ∆T L3<br />

Ra = =<br />

ν a<br />

g β ∆T L3<br />

ν2 · ν<br />

= Gr · Pr (B.10)<br />

a<br />

Die Rayleigh-Zahl charakterisiert den Umschlag laminar/turbulent der freien Konvektion.<br />

Reynolds-Zahl<br />

w · L<br />

Re = (B.11)<br />

ν<br />

Die Reynolds-Zahl stellt das Verhältnis von Trägheitskraft zur Reibungskraft dar.<br />

Schmidt-Zahl<br />

Sc = ν<br />

DAB<br />

135<br />

(B.12)<br />

Die Schmidt-Zahl beschreibt den Impuls-Transport durch Diffusion bezogen auf den<br />

Spezies-Transport durch Diffusion<br />

Sherwood-Zahl<br />

Sh =<br />

β · L<br />

DAB<br />

Die Sherwood-Zahl ist der dimensionslose Konzentrationsgradient an der Wand.<br />

(B.13)

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