Der Augustdorfer: Bereitschaftspflege
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Zeichnungen: ©AdobeStock<br />
Sofie zieht ein ….<br />
Eine <strong>Bereitschaftspflege</strong>familie berichtet<br />
Das Jugendamt des Kreises Lippe stellt die<br />
„Familiäre Bereitschaftsbetreuung“ vor.<br />
Wenn Bereitschaftsfamilien Pflegekinder aufnehmen,<br />
geht dies häufig sehr schnell. Ein Anruf des Pflegekinderdienstes<br />
aus dem Jugendamt und wenig später zieht ein<br />
kleiner Mensch in ein Zuhause auf Zeit ein. Wie so etwas<br />
abläuft, erzählen wir am Beispiel der Familie Schmidt:<br />
Alles beginnt mit einem Anruf am Nachmittag. Das Jugendamt<br />
fragt: „Können Sie ein vier Wochen altes Kind<br />
aufnehmen – sofort?“ Familie Schmidt kommt gerade<br />
gut erholt aus dem dreiwöchigen Sommerurlaub. Frau<br />
Schmidt sagt sofort zu und alle sind gespannt auf das<br />
Baby, das sie wenige Stunden später aufnehmen.<br />
Die Schmidts betreuen seit einigen Jahren Kinder, die das<br />
Jugendamt des Kreises Lippe in Obhut genommen hat.<br />
Durch den Pflegekinderdienst wurde Familie Schmidt in<br />
einem mehrtätigen Seminar auf diese besondere Aufgabe<br />
vorbereitet. Das Seminar gibt den Bewerbern Tipps<br />
und Informationen zu Besonderheiten von Kindern in<br />
Notsituationen, wie die Kooperation mit dem Jugendamt<br />
und dem Pflegekinderdienst abläuft oder zu rechtlichen<br />
Grundlagen. Weiterhin werden die Familien mit allen<br />
notwendigen Dingen ausgestattet - einem Kinderbett,<br />
Spielzeug und allem, was kleine Kinder benötigen.<br />
Familie Schmidt hat zwei leibliche Kinder und betreut<br />
darüber hinaus Kinder bis zum Grundschulalter in <strong>Bereitschaftspflege</strong>:<br />
Für ein paar Tage, einige Wochen oder<br />
auch mehrere Monate – solange, bis klar ist, ob das Kind<br />
in seine Familie zurückkehren kann oder auf Dauer in<br />
eine Vollzeitpflege vermittelt wird.<br />
Frau Schmidt berichtet: „Natürlich ist die Aufregung<br />
in der Familie jedes Mal, wenn ein neues Kind kommt,<br />
groß – wir sind zwar darauf eingestellt, aber die letzten<br />
Vorbereitungen wie Säuglingsnahrung einkaufen oder<br />
das Kinderbett beziehen, kann man natürlich erst kurz<br />
vorher treffen. Und dann sind wir natürlich gespannt<br />
auf das Kind! Da muss man schon wirklich flexibel sein<br />
… wenig später standen dann die zwei Mitarbeiterinnen<br />
vom Jugendamt vor der Tür und haben uns den Säugling<br />
gebracht. Drei Stunden nach dem Anruf hatten wir schon<br />
Familienzuwachs.“<br />
Zuerst hat die kleine Sofie geschlafen und Frau Schmidt<br />
konnte sich mit den Mitarbeiterinnen des Jugendamtes<br />
besprechen und Fragen stellen. Die Mitarbeiterinnen<br />
haben die wichtigsten Dinge aus dem Zuhause des Mädchens<br />
mitgebracht, wie beispielsweise die Krankenkassenkarte<br />
oder ein Kuscheltier und ein paar Sachen zum<br />
Anziehen für Sofie. Das Kind ist in einer neuen, fremden<br />
Welt aufgewacht: „Und dann hat sie erst einmal geschrien.<br />
Man musste sie ganz viel tragen, im Arm halten und<br />
schaukeln - wenn wir sie hinlegen wollten, fing sie wieder<br />
an zu schreien. Die erste Zeit war schon anstrengend,<br />
wir mussten uns ja auch erst einmal kennenlernen.<br />
Sie hat sich dann aber immer mehr beruhigen können<br />
und wir haben uns gut aneinander gewöhnt. Und wenn<br />
ich Fragen habe, kann ich meine Beraterin anrufen und<br />
sie unterstützt mich dann in allen Belangen, so begleitet<br />
sie mich zum Beispiel bei Arztterminen.“<br />
Nach einigen Wochen ist klar – die kleine Sofie kann zu ihren<br />
leiblichen Eltern zurückkehren. „Auch das ist Teil unserer<br />
Aufgabe: Nicht nur überraschende Ankünfte, auch<br />
die Abschiede gehören dazu. Und auch hier haben wir die<br />
Erfahrung gemacht: Durch den Pflegekinderdienst bereiten<br />
wir uns zwar darauf vor – aber besonders dann, wenn<br />
die Kinder länger bei uns waren, fällt uns der Abschied<br />
natürlich nicht leicht. Da fließen manchmal auch bei<br />
uns ein paar Tränen. Aber uns hilft das Gefühl, dass wir<br />
dem Kind helfen konnten: Es hat bei uns Geborgenheit<br />
und Sicherheit erlebt und konnte etwas zur Ruhe kommen.<br />
Auch die regelmäßigen Treffen<br />
mit anderen <strong>Bereitschaftspflege</strong>eltern<br />
helfen uns sehr: Hier<br />
können wir über unsere gemeinsamen<br />
Erfahrungen<br />
sprechen.“<br />
Familie Schmidt hat ein<br />
kleines Album mit Fotos<br />
aus der Zeit der <strong>Bereitschaftspflege</strong><br />
angelegt,<br />
das sie Sofie und ihren Eltern<br />
zum Abschied mitgeben.<br />
„Das Album zusammenstellen<br />
ist auch ein kleines Abschiedsritual<br />
für uns als Familie. Und<br />
wenn das Kind gegangen ist,<br />
kehrt bei uns wieder etwas<br />
Ruhe ein – bis das Jugendamt<br />
anruft und fragt: Können<br />
Sie sich vorstellen, morgen ein Kind aufzunehmen?“<br />
Wie wird man <strong>Bereitschaftspflege</strong>familie?<br />
Säuglinge und Kinder können aus verschiedenen Gründen<br />
manchmal nicht bei ihren Eltern leben. Weil Eltern<br />
beispielsweise durch eigene Sucht- oder psychische Erkrankungen<br />
mit der Erziehung und Versorgung ihres Kindes<br />
überfordert sind. In manchen Fällen ist diese Überforderung<br />
so groß, dass das Wohl des Kindes gefährdet<br />
ist. Aus diesem Grund wird das Kindes in einer Pflegefamilien<br />
untergebracht - junge Kinder in der Regel in einer<br />
<strong>Bereitschaftspflege</strong>familie.<br />
<strong>Der</strong> Pflegekinderdienst des Kreises Lippe besteht aus den<br />
Bereichen Adoption, familiäre Bereitschaftsbetreuung,<br />
Dauerpflege und Gastfamilie. Die pädagogischen Fachkräfte<br />
des Pflegekinderdienstes betreuen <strong>Bereitschaftspflege</strong>familien<br />
im gesamten Kreisgebiet.<br />
Die familiäre Bereitschaftsbetreuung ist ein zeitlich befristetes<br />
Pflegeverhältnis für Kinder im Alter von 0 bis 6<br />
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