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vsao Journal Nr. 1 - Februar 2023

Frequenz - was das Hertz bewegt Politik - Spitäler im Notfallmodus Betablocker - Anwendung in der pädiatrischen Dermatologie Husten - die pharmakologische Sicht

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Perspektiven<br />

Zusammenfassung<br />

Zur Linderung einer Hustensymptomatik<br />

können diverse Arzneimittel mit<br />

verschiedenen protussiven oder antitussiven<br />

Wirkmechanismen eingesetzt<br />

werden. Für gewisse Indikationen<br />

spielen auch Phytopharmaka eine<br />

bedeutende Rolle. In der Ursachensuche<br />

eines persistierenden Hustens ist<br />

die Dauermedikation kritisch zu prüfen<br />

und bei Verdacht auf eine<br />

unerwünschte Arzneimittelwirkung<br />

gegebenenfalls anzupassen.<br />

Abstract: Cough from a<br />

pharmacological point<br />

of view<br />

Resolution Drugs with various protussive<br />

or antitussive mechanisms of<br />

action are used to alleviate cough symptoms.<br />

Phytopharmaceuticals also play<br />

an important role. When determining<br />

the etiology of persistent cough, longterm<br />

medication should be critically<br />

assessed and on suspicion of an adverse<br />

drug reaction adjusted as necessary.<br />

Antitussive Therapie<br />

Antitussiva sind hustenreizlinderne Arzneimittel,<br />

die zur symptomatischen Therapie<br />

eines unproduktiven Reizhustens<br />

eingesetzt werden, wobei sie die Häufigkeit<br />

und die Intensität der Hustenanfälle<br />

reduzieren [7].<br />

Antitussiva<br />

Antitussiva unterdrücken den Husten<br />

durch Wirkung am zentralen Husten-Zentrum<br />

und haben somit eine von der Hustenursache<br />

unabhängige Wirksamkeit.<br />

Als antitussive Wirkstoffe sind in der<br />

Schweiz gewisse Opioide wie Codein,<br />

Dihydrocodein und Hydrocodon sowie<br />

nicht-Opioide Dextromethorphan (NM­<br />

DA-Antagonist), Butamirat, Morclofon,<br />

Oxomemazin (Antihistaminikum der<br />

1. Generation) zugelassen.<br />

Trotz des häufigen Gebrauchs von Antitussiva,<br />

ist auch für diese Wirkstoffgruppe<br />

die Evidenz bezüglich ihrer Wirksamkeit<br />

limitiert. Da akute Bronchitis und<br />

akuter Husten per Definition selbstlimitierende<br />

Erkrankungen sind, ist der Nachweis<br />

zwischen spontaner Remission und<br />

Effekt des eingesetzten Medikamentes<br />

sehr schwierig zu erbringen. Durch objektive<br />

Messmethoden, konnte einzig für<br />

Dextromethorphan eine signifikante Unterdrückung<br />

des akuten Hustens gezeigt<br />

werden [8].<br />

Dextromethorphan ist ein Substrat,<br />

der Metabolit 3-Methoxymorphinon ein<br />

Hemmer des Cytochroms 2D6. Die gleichzeitige<br />

Einnahme anderer CYP2D6-Hemmer<br />

oder von Arzneimittel, die über dieses<br />

Isoenzym metabolisiert werden, ist deshalb<br />

zu vermeiden. Dies betrifft insbesondere<br />

gewisse Antidepressiva, Anorektika,<br />

Betablocker und Antihistaminika.<br />

Bei Patienten mit einem CYP2D6-Mangel<br />

sind Meta bolismus und Elimination<br />

von Dextromethorphan stark verzögert,<br />

was mit verstärkten unerwünschten Wirkungen,<br />

unter anderem Sedation, Schwindel<br />

und Atem depression, einhergehen<br />

kann. Andere Merkmale einer Überdosierung<br />

sind Tachykardie, Blutdruckanstieg,<br />

verschwommenes Sehen, Nystagmus,<br />

Ataxie, Krampfanfälle, Erregbarkeit, Halluzinationen<br />

und Psychosen [9].<br />

Codein wird als Prodrug via das<br />

Cytochrom 2D6 in die aktive Substanz<br />

Morphin umgewandelt. Dieses Enzym<br />

weist einen ausgeprägten genetischen Polymorphismus<br />

auf, der dazu führt, dass bei<br />

ca. 8 % der europäischen Bevölkerung kein<br />

aktives Enzym vorliegt («poor metabolizer»),<br />

während bei 1 % eine sehr hohe<br />

Enzymaktivität («ultrarapid metabolizer»)<br />

besteht. Wirksamkeit und unerwünschte<br />

Arzneimittelwirkungen von Codein können<br />

daher kaum vorausgesagt werden. Bei<br />

den sogenannten «poor metabolizern» tritt<br />

eine unzureichende Wirksamkeit aber vermehrt<br />

unerwünschte Arzneimittelwirkungen<br />

wie z. B. Euphorie oder Dysphorie,<br />

Sedation, Schwindel und Pruritus auf [10].<br />

Bei den «ultrarapid metabolizern» sind<br />

Morphin-Überdosierungssymptome wie<br />

Somnolenz und Atemdepression möglich<br />

[11]. Morphin – dessen Verstoffwechselung<br />

keinem relevanten genetisch-bedingten<br />

Polymorphismus unterliegt – wäre daher<br />

sich erer dosierbar, ist jedoch nicht als<br />

Antitussivum zugelassen [4]. Erfahrungen<br />

bei Patienten mit chronischem Husten<br />

zeigen jedoch auch für Morphin eine<br />

begrenzte Wirksamkeit. So profitiert nur<br />

jeder zweite bis dritte Patient von dieser<br />

symptomatischen Therapie [8].<br />

Hustenreizstillende Wirkstoffe (Opioide,<br />

NMDA-Antagonisten, Antihistaminika)<br />

können in hohen Dosierungen als<br />

Rauschmittel missbraucht werden. Aufgrund<br />

der Suchtgefahr wurden im Jahr 2019<br />

in der Schweiz die meisten Hustenmittel<br />

mit kritischen Wirkstoffen rezeptpflichtig.<br />

Die Verschreibung bzw. die Abgabe hat<br />

über die behandelnde Ärztin resp. den behandelnden<br />

Arzt zu erfolgen. Ohne ärztliche<br />

Verschreibung ist der Bezug dieser<br />

Substanzen in Apotheken nur noch nach<br />

einem Beratungsgespräch und mit entsprechender<br />

Dokumenta tion möglich [12].<br />

Inhalative Glucocorticoide wirken in<br />

den Atemwegen gegen eosinophile Entzündungsreaktionen.<br />

So kommen diese<br />

Medikamente bei chronischem Husten<br />

aufgrund einer eosinophilen Bronchitis,<br />

bei allergischem und nicht allergischem<br />

Asthma (einschliesslich Husten als Asthmaäquivalent)<br />

zum Einsatz [3, 13].<br />

Sofern weitere Ursachen ausgeschlossen<br />

wurden, kann dem chronischen idiopathischen<br />

Husten eine Neuropathie des<br />

Hustenreflexes zu Grunde liegen [3]. Offlabel<br />

und nach vorsichtiger Nutzen-<br />

Risiko-Abwägung kann eine einschleichende<br />

Therapie mit einem GABA-Analogon<br />

– Gabapentin, alternativ Pregabalin –<br />

initiiert werden. Nach einer Therapie dauer<br />

von sechs Monaten soll eine Reevaluation<br />

stattfinden [13].<br />

Als mögliche Ursache eines chronischen,<br />

therapierefraktären Hustens konnte<br />

eine erhöhte Sensitivität der purinergen<br />

Rezeptoren P2X3 an den sensorischen Nerven<br />

fasern der Luftwege (Nervus vagus)<br />

identifiziert werden [14]. Eine randomisierte,<br />

doppelblinde, placebokontrollierte Phase-2b-Studie<br />

konnte für Gefapixant, einen<br />

P2X3 Rezeptorantagonisten, vielversprechende<br />

Ergeb nisse liefern. So konnte nach<br />

einem zwölfwöchigen Behandlungs intervall<br />

eine bis zu 37 %ige Reduktion der<br />

Husten frequenz bei Patienten mit refraktärem<br />

chronischem Husten oder chronischem<br />

idiopathischem Husten gezeigt werden<br />

[15]. Die am häufigsten beschriebene<br />

unerwünschte Arzneimittelwirkung war<br />

Dysgeusie. Die Resultate weiterer klinischen<br />

Studien werden gespannt erwartet.<br />

Phytopharmaka mit hustenreizdämpfenden<br />

Eigenschaften<br />

Zur symptomatischen Therapie des Hustenreizes<br />

werden viele unterschiedliche<br />

Wirkstoffe wie z. B. Eibisch, Malve, Spitzwegerich<br />

und isländisch Moos eingesetzt.<br />

Die in den Arzneidrogen enthaltenen<br />

Schleimstoffe wirken durch «Einhüllung»<br />

der im Rachen befindlichen Hustenrezeptoren.<br />

Weltweit werden viele nicht standardisierte<br />

Präparate und Mischungen<br />

angeboten. Placebokontrollierte, randomisierte<br />

Studien für eine generelle Empfehlung<br />

von Phytopharmaka zur Therapie<br />

akuter und chronischer Atemwegserkrankungen<br />

fehlen. Dies ist aber nicht grund­<br />

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