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History<br />
42<br />
Die Geisterfabrik<br />
Junkers-Werk in der Schweiz<br />
Die drei Ju-52 gehören seit über 70 Jahren zum vertrauten Bild am Schweizer Himmel. Gänzlich unbekannt<br />
ist die Tatsache, dass die Dessauer Junkers-Werke in den Zwischenkriegsjahren für kurze Zeit mit<br />
einem Ableger in der Schweiz liebäugelten. Dies belegen kürzlich im Bundesarchiv in Bern vorgefundene<br />
Dokumente.<br />
Im Frühjahr 1929 streckte die in<br />
Dessau domizilierte Junkers Flugzeugwerk<br />
AG (Ifa) ihre Fühler<br />
Richtung Schweiz aus. Dies mit<br />
dem Ziel, die Schaffung eines Zweigwerks<br />
zu prüfen. Die Expansion von<br />
deutschen Unternehmen der Luftfahrtindustrie<br />
nach dem südlichen Nachbarland<br />
war zu diesem Zeitpunkt nicht neu:<br />
Die Dornier Metallbauten GmbH schuf<br />
bereits 1927 einen Ableger in Altenrhein.<br />
Ein Advokat als Türöffner<br />
Der Schweizer Mittelsmann für die Ifa<br />
war der in Brugg wohnhafte Rechtsanwalt<br />
Hugo Lüthy. Der Aargauer Advokat<br />
traf sich am 9. April 1929 in Bern mit Repräsentanten<br />
der Kriegstechnischen Abteilung<br />
(KTA). Offenbar hat das Ansinnen<br />
der Junkers-Werke höchste politische<br />
Kreise beschäftigt: Bereits wenige Tage<br />
zuvor muss eine Unterredung zwischen<br />
11/<strong>2010</strong><br />
dem freisinnigen Bundesrat Karl Scheurer<br />
– dem damaligen Vorsitzenden des<br />
eidgenössischen Militärdepartementes<br />
– und Hugo Lüthy stattgefunden haben.<br />
Das Dessauer Unternehmen hatte allem<br />
Anschein nach die Absicht, in einem ersten<br />
Schritt in der Schweiz eine Gesellschaft<br />
mit einem Aktienkapital von vorerst<br />
zwei bis drei Millionen Franken zu<br />
gründen. Gemäss den im Bundesarchiv<br />
in Bern lagernden Dokumenten sprach<br />
Lüthy von jährlichen Fertigungsraten<br />
von bis zu 100 Flugzeugen für den zivilen<br />
und militärischen Einsatz. Unklar<br />
ist, ob der Anstoss zur Schaffung eines<br />
Flugzeugwerkes auf Schweizer Boden<br />
tatsächlich von der Ifa ausging oder der<br />
kaum in Aviatik-Fragen bewanderte Anwalt<br />
Lüthy den aktiven Part übernahm.<br />
Comte als möglicher Partner<br />
Die Akten im Bundesarchiv geben keinen<br />
Hinweis auf<br />
einen möglichen<br />
Standort des geplanten<br />
Junkers-<br />
Zweigwerks. Aber<br />
offenbar bestanden<br />
Überlegungen, mit<br />
Alfred Comte eine<br />
Zusammenarbeit<br />
einzugehen. Zu<br />
diesem Zeitpunkt<br />
Foto: Wolfgang Tamme<br />
kämpfte das in Oberrieden am Zürichsee<br />
domizilierte erste privatwirtschaftlich<br />
betriebene Flugzeugwerk der Schweiz<br />
mit argen fi nanziellen Schwierigkeiten,<br />
was schliesslich im August 1935 zur Insolvenz<br />
führte. Keine Informationen sind<br />
den Dokumenten über die in der Schweiz<br />
zu produzierenden Typen aus der Junkers<br />
Modellpalette zu entlocken.<br />
Die Repräsentanten der KTA brachten<br />
dem von Rechtsanwalt Hugo Lüthy übermittelten<br />
Ansinnen der Junkers-Werke<br />
bestenfalls lauwarmes Interesse entgegen,<br />
wie die im Bundesarchiv lagernden<br />
Dokumente belegen. Es türmten sich in<br />
der Teppichetage der Schweizer Armee<br />
die Vorbehalte, etwa wegen der für ein<br />
Flugzeugwerk empfi ndlich dünnen Eigenkapitaldecke.<br />
Kein Interesse an Junkers<br />
Den Erwartungen Lüthys, rund einen<br />
Drittel der Maschinen der Schweizer<br />
Fliegertruppe zuzuführen, erteilte die<br />
KTA in Zeiten leerer Kassen eine Abfuhr.<br />
«Wir müssen froh sein, wenn alle<br />
Fabriken zusammen 30 Maschinen fabrizieren<br />
dürfen», heisst es in einem Bericht<br />
vom 11. April 1929, «darum kann<br />
Junkers nicht auf grosse Unterstützung<br />
unsererseits zählen.»<br />
Zu diesem Zeitpunkt teilten sich die drei<br />
Werke Dornier in Altenrhein, K+W in<br />
Foto: Wolfgang Tamme