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bödecker iq 44 - des Friedrich-Bödecker-Kreises in Sachsen-Anhalt ...

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Gesellschaft zeigte gerade dar<strong>in</strong> während langer Perioden der<br />

Geschichte ihre Stärke, daß sie es durch die Verb<strong>in</strong>dung von<br />

Unterdrückung und Ermunterung, von Boykott und Schmeichelei<br />

verstand, jede ´rebellierende´ künstlerische Bewegung zu kontrollieren,<br />

zu assimilieren und auf das Niveau der offiziellen ´Anerkennung´ zu<br />

heben.<br />

Ich sehe zurzeit <strong>in</strong> Europa nicht e<strong>in</strong>mal den Ansatz e<strong>in</strong>er ernst zu<br />

nehmenden ´rebellierenden´ künstlerischen Bewegung. Im seichten<br />

Wasser plätschert es sich fettleibig und arthritisch so dah<strong>in</strong>. Der Staat hat<br />

ke<strong>in</strong>e politische Repression mehr nötig, er darf sich demokratisch und<br />

freiheitlich geben, weil die Wirtschaft ihm das regulierende Press<strong>in</strong>g<br />

abnimmt. Und das ist ungleich effektiver als das politische. (Ja, selbst<br />

ihn, den Vater Staat, haben die gesichtslosen Gestalten im fe<strong>in</strong>sten<br />

schwarzen Zwirn längst im Geldsack, wo ihm die Luft immer dünner<br />

wird.) Was uns da alles vom Gewerbe als Fortschritt verkauft wird,<br />

erweist sich bei genauerer Betrachtung nicht nur als Stillstand, sondern<br />

als verhängnisvoller Rückschritt.<br />

In Trotzkis Brief heißt es weiter: Die Kunst kann weder der Krise<br />

entkommen noch sich von ihr lossagen … Sie wird zwangsläufig<br />

verfallen – wie die griechische Kunst unter den Ru<strong>in</strong>en der<br />

Sklavenhalterkultur verfiel –, falls die gegenwärtige Gesellschaft sich<br />

nicht zu verändern vermag.<br />

Die Kunst verträgt ke<strong>in</strong>e Kniefälle und Fußküsse, selbst wenn über die<br />

Adoration der schöne Mantel der Poesie geworfen wird. Natürlich<br />

braucht sie e<strong>in</strong>e Weltanschauung, die sie aber ebenso wie die<br />

gesellschaftlichen Gegebenheiten immer wieder anzweifeln und<br />

schöpferisch <strong>in</strong>frage stellen muss. Wie sonst sollte sie von den<br />

Menschen nicht nur zur Zerstreuung, sondern für die Lebensbewältigung<br />

gebraucht werden? Die derzeitige hochexplosive Weltlage benötigt den<br />

freien Künstler, der für e<strong>in</strong>e freie Kunst steht, notwendiger denn je.<br />

Gegenwärtig aber suchen wir <strong>in</strong> der Kunst weniger nach neuen Wegen<br />

als nach Subventionen. – Manchmal muss man e<strong>in</strong>e Brücke abbrechen,<br />

um über den Fluss zu kommen.

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