bödecker iq 44 - des Friedrich-Bödecker-Kreises in Sachsen-Anhalt ...
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Diskussionsbeitrag von Vahram Yeghiarzayan, Leiter <strong>des</strong> Apollon-<br />
Verlag Jerevan zum InterLese-Kolloquium am 9.11.11 im Literaturhaus<br />
Magdeburg:<br />
Die junge armenische Lyrik: Untergang oder Auferstehung?<br />
Wir, die Armenier, werden für e<strong>in</strong>e poetische Nation gehalten, denn die<br />
Wurzeln unserer Lyrik reichen bis <strong>in</strong> die Tiefe der Jahrtausende zurück<br />
als die berühmten “Goltnischen Lieder” erschienen – benannt nach der<br />
uralten armenischen Prov<strong>in</strong>z Goltn. Ihnen folgten Werke beispielhafter<br />
mittelalterlicher armenischer Dichtkunst, welche der Welt leider immer<br />
noch nicht ausreichend bekannt s<strong>in</strong>d. Ihren Höhepunkt bildete das<br />
unverwechselbare “Buch der Klagen”, <strong>des</strong> im 10. Jahrhundert lebenden<br />
Gregor von Narek (Grigor Narekatsi). Dieses tiefgründige<br />
philosophische Poem Nareks, e<strong>in</strong> wahrhaftes Meisterwerk, drückt das<br />
leidenschaftliche Streben der Armenier nach der Re<strong>in</strong>igung der Seele<br />
durch Buße vor und Verschmelzung mit Gott aus.<br />
Im Mittelalter sahen die Armenier das Poem Nareks als heiliges Buch.<br />
Ihm wurden heilende Kräfte e<strong>in</strong>es gewissen Elixiers beigemessen, mit<br />
<strong>des</strong>sen Hilfe man nicht nur den Körper zu heilen vermochte, sondern<br />
auch die Seele veredelte. Man nahm ihr damit die Last der<br />
Sündhaftigkeit und konnte so Vollkommenheit erlangen. Das “Buch der<br />
Klagen” gehört zu Recht zu den besten menschlichen Werken mehrerer<br />
Jahrhunderte. Es ist nahezu <strong>in</strong> alle Sprachen übersetzt, teilweise auch <strong>in</strong>s<br />
Deutsche, und wartet bis heute auf gebührende und adäquate Würdigung<br />
Im 19. und 20. Jahrhundert wurden <strong>in</strong> die Schatzkammern <strong>des</strong><br />
westlichen und östlichen Armeniens wichtige Beiträge überragender<br />
Meister <strong>des</strong> Wortes wie Daniel Varushan, Hovhannes Tumanyan, Vahan<br />
Teryan, Avetik Isahakyan, Yeghishe Charents und vieler anderer, gelegt.<br />
Sie bereicherten nicht nur den goldenen Bestand der armenischen<br />
klassischen Literatur, sondern gaben ihrer Entwicklung e<strong>in</strong>en neuen,<br />
kräftigen Impuls. Sie schufen e<strong>in</strong>e schöngeistige Chronik der Bes<strong>in</strong>nung,<br />
<strong>des</strong> Erlebens, der Hoffnung <strong>des</strong> Volkes und erlitten schwere<br />
Schicksalsschläge, überlebten die Hölle <strong>des</strong> durch die Türkei 1915<br />
verübten Genozid.<br />
Me<strong>in</strong>e kurze E<strong>in</strong>leitung ist unumgänglich für das Verständnis zur<br />
poetischen Flur vor genau 20 Jahren im Jahr 1991, als Armenien die<br />
wirkliche Unabhängigkeit erlangte. Von dieser hatte es bereits