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WENN DIE NACHBARIN<br />
ZUR GEFAHR WIRD<br />
UND KEINER HILFT<br />
URSULA KIRCHENMAYER (38)<br />
AUS HERRSCHING VERÖFFENTLICHT<br />
ROMAN - GESCHICHTE SELBST ERLEBT<br />
Ein Paar Gummistiefel steht auf dem Absatz<br />
vor der Haustür, auf der Holzbank<br />
unterm Fenster warten<br />
einige Zweige darauf, dass sie<br />
jemand hineinnimmt und<br />
vor dem Kamin stapelt. Im Haus<br />
geht die Küche mit der massiven<br />
Kochinsel über ins helle Wohnzimmer,<br />
das mit seinem Dielenboden,<br />
den Bücherregalen, dem<br />
großen Esstisch aus Holz und<br />
den zur Seite geräumten Spielzeugen<br />
Geborgenheit ausstrahlt.<br />
„Hier igle ich mich mit meinem<br />
Laptop ein, solange die Kleinen<br />
im Kindergarten sind“, sagt Ursula<br />
Kirchenmayer. Seit drei Jahren lebt<br />
die 38-Jährige mit ihrem Freund Alex<br />
und ihren Kindern Noah und Milena in<br />
Herrsching, in einer kleinen Siedlung mit 70er-<br />
Jahre-Einfamilienhäuschen und Spielplatz, nur ein<br />
paar Minuten vom See entfernt. Vor ihr liegt ein gebundenes<br />
Buch mit grünem Leseband. Der Boden unter unseren Füßen.<br />
Ursulas erster Roman. Vier Jahre lang hat die Absolventin des<br />
Deutschen Literaturinstituts Leipzig an den 400 Seiten geschrieben,<br />
die ihre Geschichte erzählen. Eine verstörende und<br />
doch wahre Geschichte, die Ursula und Alex in Berlin durchlebt<br />
haben und die so gar nicht zu ihrem kleinen Idyll im S-Bahn-<br />
Endstation-Örtchen am Ammersee passen will.<br />
Die Wohnung wird zur Falle<br />
Ein junges Paar erwartet Nachwuchs. Das hippe Leben ungebundener<br />
Kreativer zwischen Dating Apps und Lesungen,<br />
WG-Zimmern und Kneipenbesuchen würde ziemlich bald<br />
enden. Die dramatische Wohnungsnot in der Großstadt pervertiert<br />
die Suche nach einer familiengerechten Bleibe in<br />
einen erniedrigenden Konkurrenzkampf mit den Mitbewerbern.<br />
Ein Wohnungstausch rettet Laura<br />
und Nils. „Altbau in einer wenig befahrenen<br />
Seitenstraße, 92 Quadratmeter, 3 Zimmer,<br />
Hinterhaus. In der Nähe ein kleiner<br />
Park.“ Doch entpuppt sich die vermeintliche<br />
Erlösung als Falle. Denn<br />
direkt unter ihnen wohnt Peggy.<br />
Eine hochgradig schizophrene<br />
Frau, die auf ihre Wohnung fixiert<br />
zu sein scheint, und schlimmer<br />
noch: auf ihr neugeborenes<br />
Kind. Sind es anfangs noch obszöne<br />
Beleidigungen und hasserfüllte<br />
Blicke durch die Fenster,<br />
mit denen die Nachbarin in die<br />
Wohnung der jungen Familie eindringt,<br />
gipfelt die Bedrohung rasch<br />
in eine reelle Gefahr: Peggy, die immer<br />
wieder mit einem Messer durch das Haus<br />
irrt, tritt während einer Hochphase der Schizophrenie<br />
ihre Wohnungstür ein. Was hat sie vor?<br />
Will sie das Kind holen, weil sie ihr eigenes verloren hat?<br />
Fotos: Susanne Böllert<br />
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