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Vis a Vis | April 2023

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WENN DIE NACHBARIN<br />

ZUR GEFAHR WIRD<br />

UND KEINER HILFT<br />

URSULA KIRCHENMAYER (38)<br />

AUS HERRSCHING VERÖFFENTLICHT<br />

ROMAN - GESCHICHTE SELBST ERLEBT<br />

Ein Paar Gummistiefel steht auf dem Absatz<br />

vor der Haustür, auf der Holzbank<br />

unterm Fenster warten<br />

einige Zweige darauf, dass sie<br />

jemand hineinnimmt und<br />

vor dem Kamin stapelt. Im Haus<br />

geht die Küche mit der massiven<br />

Kochinsel über ins helle Wohnzimmer,<br />

das mit seinem Dielenboden,<br />

den Bücherregalen, dem<br />

großen Esstisch aus Holz und<br />

den zur Seite geräumten Spielzeugen<br />

Geborgenheit ausstrahlt.<br />

„Hier igle ich mich mit meinem<br />

Laptop ein, solange die Kleinen<br />

im Kindergarten sind“, sagt Ursula<br />

Kirchenmayer. Seit drei Jahren lebt<br />

die 38-Jährige mit ihrem Freund Alex<br />

und ihren Kindern Noah und Milena in<br />

Herrsching, in einer kleinen Siedlung mit 70er-<br />

Jahre-Einfamilienhäuschen und Spielplatz, nur ein<br />

paar Minuten vom See entfernt. Vor ihr liegt ein gebundenes<br />

Buch mit grünem Leseband. Der Boden unter unseren Füßen.<br />

Ursulas erster Roman. Vier Jahre lang hat die Absolventin des<br />

Deutschen Literaturinstituts Leipzig an den 400 Seiten geschrieben,<br />

die ihre Geschichte erzählen. Eine verstörende und<br />

doch wahre Geschichte, die Ursula und Alex in Berlin durchlebt<br />

haben und die so gar nicht zu ihrem kleinen Idyll im S-Bahn-<br />

Endstation-Örtchen am Ammersee passen will.<br />

Die Wohnung wird zur Falle<br />

Ein junges Paar erwartet Nachwuchs. Das hippe Leben ungebundener<br />

Kreativer zwischen Dating Apps und Lesungen,<br />

WG-Zimmern und Kneipenbesuchen würde ziemlich bald<br />

enden. Die dramatische Wohnungsnot in der Großstadt pervertiert<br />

die Suche nach einer familiengerechten Bleibe in<br />

einen erniedrigenden Konkurrenzkampf mit den Mitbewerbern.<br />

Ein Wohnungstausch rettet Laura<br />

und Nils. „Altbau in einer wenig befahrenen<br />

Seitenstraße, 92 Quadratmeter, 3 Zimmer,<br />

Hinterhaus. In der Nähe ein kleiner<br />

Park.“ Doch entpuppt sich die vermeintliche<br />

Erlösung als Falle. Denn<br />

direkt unter ihnen wohnt Peggy.<br />

Eine hochgradig schizophrene<br />

Frau, die auf ihre Wohnung fixiert<br />

zu sein scheint, und schlimmer<br />

noch: auf ihr neugeborenes<br />

Kind. Sind es anfangs noch obszöne<br />

Beleidigungen und hasserfüllte<br />

Blicke durch die Fenster,<br />

mit denen die Nachbarin in die<br />

Wohnung der jungen Familie eindringt,<br />

gipfelt die Bedrohung rasch<br />

in eine reelle Gefahr: Peggy, die immer<br />

wieder mit einem Messer durch das Haus<br />

irrt, tritt während einer Hochphase der Schizophrenie<br />

ihre Wohnungstür ein. Was hat sie vor?<br />

Will sie das Kind holen, weil sie ihr eigenes verloren hat?<br />

Fotos: Susanne Böllert<br />

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