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Vis a Vis | April 2023

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Nie ist eine Frau verletzlicher als nach der Geburt des<br />

ersten Kindes. In eben diesen Moment des totalen Kontrollverlustes<br />

bricht eine unberechenbare Gefahr von<br />

außen ins Innere ein und zerstört die letzte Sicherheit,<br />

die der eigenen vier Wände. Ursula sagt: „Ich konnte<br />

keinen Rucksack packen und einfach weiterziehen, wie<br />

ich es früher hätte machen können. Mit Baby war alles<br />

so viel langsamer, mühsamer.“ So unaushaltbar die Situation<br />

in der Wohnung auch ist, eine Alternative gibt<br />

es nicht. Denn weder die Wohnungsverwaltung noch<br />

der sozialpsychiatrische Dienst noch der Betreuer der<br />

Nachbarin können oder wollen helfen, weder dem Paar<br />

noch Peggy. Ausziehen, rät der Polizist, als er die Zerstörung<br />

der Wohnungstür dokumentiert. Doch wohin<br />

in einer Stadt, in der erschwinglicher Wohnraum praktisch<br />

nicht existiert?<br />

Traumaverarbeitung und noch mehr<br />

„Ja“, sagt die Autorin, die schon als Jugendliche geschrieben<br />

hat, „der Roman ist eine Traumaverarbeitung.<br />

Aber nicht nur. Denn nicht alles, was im Buch<br />

passiert, ist real und nicht alles, was passiert ist, ist im<br />

Buch gelandet.“ Die Frau mit dem schweren dunklen<br />

Haar, den klaren Gesichtszügen und den blauen Augen<br />

fährt lachend fort: „Manchmal wissen wir selbst nicht<br />

mehr, ist das damals wirklich genauso passiert oder<br />

steht das nur so im Buch?“ Eben durch die Verfremdung<br />

und die literarische Gestaltung des Widerfahrenen hat<br />

Kirchenmayer die Hoheit über ihre Geschichte zurückerlangt.<br />

Statt einer feindlichen Fremden ausgeliefert zu<br />

bleiben, hat die Autorin sie in eine Romanfigur transformiert,<br />

das Erlebte in Fiktion gewandelt. Doch ist die<br />

strikt beibehaltene Perspektive des Paares nicht nur<br />

Stilmittel, sondern auch aus Respekt gegenüber der<br />

seelisch Kranken gewählt, wie Ursula erklärt: „Ich wollte<br />

mir nicht die Geschichte der Nachbarin, über die wir<br />

im Grunde nie etwas erfahren haben, aneignen. Nicht,<br />

nachdem wir dafür gesorgt hatten, dass sie ihre Wohnung<br />

verlässt.“ Nach vielen Monaten der Angst und Hilflosigkeit<br />

hatten sie schließlich per Gerichtsbeschluss<br />

erwirkt, dass die Nachbarin ausziehen musste.<br />

Wurzeln schlagen am Ammersee<br />

In ihrem zweiten Buch, an dem sie jetzt am Eichentisch im<br />

Wohnzimmer arbeitet, widmet sich die Gewinnerin zahlreicher<br />

Literaturwettbewerbe der Bedeutung der eigenen<br />

Herkunft. Als Banatschwäbin in Lugoj, Rumänien, geboren,<br />

kam Kirchenmayer mit einem Jahr nach Nürnberg<br />

und erlebte den wirtschaftlichen Aufstieg ihrer fleißigen<br />

Einwanderereltern mit – und das Für-immer-anders-Sein<br />

der Entwurzelten. Eigene Wurzeln geschlagen hat die Ex-<br />

Hauptstädterin nun im oberbayerischen Herrsching. Sie<br />

sei sehr dankbar, am Ammersee leben zu können, in Alex‘<br />

altem Elternhaus, das sie derzeit sanieren. „Man ist sofort<br />

in tausend Netzen drin und wird von all den anderen<br />

Familien hier freundlich aufgenommen.“ Der Boden<br />

unter Ursulas Füßen ist seit letztem Sommer übrigens ein<br />

schmaler Ackerstreifen, den sie und Alex auf einer Anhöhe<br />

am Rande von Herrsching gepachtet haben, um dort<br />

mit Milena und Noah Salat und Kartoffeln zu pflanzen.<br />

Was aus „Peggy“ geworden ist, hat das Paar nie erfahren.<br />

Susanne Böllert<br />

WEITERE INFOS:<br />

Lesung aus ihrem Roman „Der Boden unter<br />

unseren Füßen“ mit musikalischer Begleitung<br />

durch das Trio Merak am 15. Juni im Wirtshaus im<br />

Fraunhofer in München.<br />

Für Mai geplant im „Sonrisa“ in Herrsching sowie<br />

in der Buchhandlung Kolibri in Dießen.<br />

Genaue Termine auf<br />

www.ursula-kirchenmayer.de<br />

17.05.23<br />

Mittwoch<br />

- 20.00 LaBrassBanda -<br />

Donnerstag 18.05.23<br />

- 8.00 Bayerischer Löwe<br />

Schuhplattl-Weltmeisterschaft -<br />

19.05.23<br />

Freitag<br />

- 15.00 Donikkl /<br />

Familien-Konzert -<br />

- 20.00 Bieranstich und<br />

Gauheimatabend /Volkstanzabend -<br />

Samstag<br />

20.05.23<br />

- ab 10.00 Festzeltbetrieb -<br />

- 20.00 Brettl-Spitzen /<br />

Bayerisches Kabarett -<br />

21.05.23<br />

Sonntag<br />

Festsonntag ab 7.00<br />

- 10.00 Festgottesdienst -<br />

- 14.00 Festzug und Festausklang -<br />

·<br />

Vorverkauf undweitere Informationen ·Vorverkaufund weitere<br />

Veranstaltungsort: Festzelt ·Leutstettener Str. ·Gauting<br />

Änderungen vorbehalten.<br />

Informationen·Vorverkauf undweitere Informationen<br />

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