STADTBLATT Juni 2023
Das STADTBLATT ist die führende und verkaufsstärkste Stadtillustrierte für Osnabrück und Umgebung. #stadtblattosnabrück #stadtblatt #osnabrück www.stadtblatt-osnabrueck.de
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warenströme<br />
Container-Liebe<br />
Seit der Antike bestimmt Handel unser Leben. An die Stelle alter Handelsrouten sind längst komplex<br />
verzahnte Lieferketten getreten. Wie muss globaler Handel nach der Pandemie und angesichts der Klimakrise<br />
und Kriegen gestaltet werden? Die Ausstellung „Welthandel“ will Antworten geben.<br />
VON GÜNTHER FRANK<br />
FOTO: MIK<br />
es gab früher Deutsche, die Händler, namentlich<br />
die Engländer, verachtet haben<br />
– „Krämerseelen“. Sie selber sahen sich<br />
als zum Krieg bereite Helden. Heute ist es umgekehrt.<br />
Wir glauben an die Frieden schaffende Kraft<br />
des Handels. Die sogenannte Zeitenwende hat das<br />
allerdings wieder in Frage gestellt. Wandel durch<br />
Handel funktioniert nicht so recht.<br />
Die Ausstellung „Welthandel. Geschichte, Gegenwart,<br />
Perspektiven“ im Museum Industriekultur ist<br />
anders, als der Titel suggeriert, nicht historisch, sondern<br />
systematisch konzipiert. Allein in der Eingangshalle<br />
gibt es einen Überblick über die Handels -<br />
geschichte vom 17. Jahrhundert bis heute.<br />
Ikone der Moderne: Schiffscontainer sorgen dafür, dass alles sofort verfügbar ist,<br />
wenn wir es brauchen<br />
Ansonsten werden neun Kapitel, also Themen,<br />
dargestellt, durch die sich drei „Spuren“ ziehen: eine<br />
für den kindgerechten Umgang mit dem Material,<br />
eine für Stellungnahmen in Osnabrück ansässiger<br />
internationaler Kooperationspartner, eine für die<br />
Rolle Osnabrücks, vor allem<br />
beim Handel mit Leinen,<br />
das bis ins 19. Jahrhundert<br />
wegen seiner hohen<br />
Qualität weltweit gefragt<br />
war. Das Ganze wird<br />
durch verschiedene Exponate,<br />
meist aus dem 17./<br />
18. Jahrhundert, veranschaulicht: eine Muskete<br />
(1625), eine Elle (1752), eine Kanone der niederländischen<br />
Ostindien-Kompanie etwa.<br />
Die Kapitel reichen von einem Warenlager mit bis<br />
heute gehandelten „Longsellern“ und historischen<br />
„Bestsellern“; über die wichtigsten Handelsorte wie<br />
Singapur und Hamburg; die durch die Digitalisierung<br />
revolutionierte Logistik; bis zum Ausblick auf den<br />
Handel 2050. Zum Schluss werden konkrete Zukunftsprojekte<br />
vorgestellt.<br />
Didaktisch ist die Schau<br />
sehr gründlich, mit vielen<br />
Film- und Medienstationen.<br />
Im wohl wichtigsten Kapitel „Regeln und Normen“<br />
geht es um die soziale Strukturierung und politische<br />
Gestaltung des Handels: Rechtsformen, Verträge,<br />
Vereinheitlichung etc. Die damit verbundenen<br />
Probleme und Risiken werden aber kaum ange -<br />
sprochen.<br />
Didaktisch ist die Schau sehr gründlich, mit vielen<br />
Film- und Medienstationen und interaktiven Gelegenheiten.<br />
Bei historischen Ausstellungen kommt es<br />
vor allem auf die Balance zwischen sinnlicher Anschauung<br />
und abstrakter Aufklärung an.<br />
Geschichte lässt sich nicht in zeigbare Dinge auflösen.<br />
Hier überwiegt doch sehr letzteres, der Text.<br />
Es gibt wenig zu sehen. Zu kurz kommt auch eine<br />
Formanalyse, also die<br />
Beschreibung der gesellschaftlichen<br />
und<br />
politischen Formen des<br />
Handels. Da ist von<br />
Kapitalismus, Handel<br />
mit Geld, von Staat und<br />
Politik, Globalisierung,<br />
von Herrschaft, Gewalt,<br />
Kolonialismus, Sklavenhandel,<br />
(Handels-)<br />
Krieg zu wenig die Rede.<br />
Allein auf Umweltschäden<br />
wird immer<br />
wieder hingewiesen.<br />
Die Deutsche Bundesstiftung<br />
Umwelt hat die<br />
Schau mitfinanziert.<br />
Die Ausstellung ist<br />
grundsolide, vielleicht etwas strukturlos und zu<br />
brav. Mit ein wenig mehr politischer Zuspitzung wäre<br />
sie noch spannender. Der Besucher hätte durchaus<br />
herausgefordert werden können durch dezidierte,<br />
kritisierbare Positionen.<br />
Sind wir nicht erschrocken<br />
darüber, dass unser<br />
Wohlstand nicht nur die<br />
Natur zerstört, sondern<br />
sich auch dem Handel mit<br />
inzwischen imperialistischen<br />
Diktaturen wie<br />
Russland und China verdankt?<br />
Und der Handel immer wieder zu Kriegen<br />
führt? Gerade die „Friedensstadt“ Osnabrück sollte<br />
sich auch anlässlich dieser Ausstellung im Rahmen<br />
der Feiern zum Jubiläum des Westfälischen Friedens<br />
und angesichts der Weltlage intensiv mit dem Krieg<br />
beschäftigen.<br />
P bis 15.10.<strong>2023</strong>, Museum Industriekultur Osnabrück;<br />
das umfangreiche Begleitprogramm ist über die<br />
Museumshomepage abrufbar<br />
www.mik-osnabrueck.de<br />
Immer wieder<br />
sonntags …<br />
… ist da oben richtig was los! Am siebten Tag<br />
der Woche heißt es den Piesberg nach Lust und<br />
Laune neu entdecken.<br />
Die sommerliche Veranstaltungsreihe steht dieses<br />
Jahr unter dem Motto „HandelN & WandelN“.<br />
Überlegt und zusammengestellt von den zahl -<br />
reichen Akteur:innen der am Piesberg beheima -<br />
teten Einrichtungen und Vereine: vom Museum<br />
Industriekultur über das Piesberger Gesellschaftshaus,<br />
den Feldbahnern und Dampflokfreunden<br />
bis hin zum Förderverein Stüveschacht und dem<br />
städtischen Projektbüro Kultur- und Landschaftspark<br />
Piesberg.<br />
Neben einem wiederkehrenden Rahmenprogramm<br />
an verschiedenen Orten des Piesbergs haben sie<br />
sich für jeden der Sonntage ein besonderes Highlight<br />
ausgedacht. Zum Auftakt Anfang Mai ging es<br />
um die Geschichte des Kohlen- und Steinhandels<br />
sowie um das 150-jährige Jubiläum des Stüveschachts.<br />
Zum Anheizertag am 4.6.<strong>2023</strong> steht dann der<br />
Wandel der Dampflok 41 052 im Mittelpunkt, die<br />
derzeit von den Osnabrücker Dampflokfreunden in<br />
ehrenamtlicher Arbeit restauriert wird.<br />
Am 2.7.<strong>2023</strong> steigt der beliebte KULTURfloh-<br />
MARKT. Neben musikalischen, theatralischen und<br />
clownesken Darbietungen geht es wieder ums Feilbieten<br />
und Stöbern, ums Tauschen und Plauschen.<br />
Die neue Welthandel-Ausstellung steht am 6.8.<br />
<strong>2023</strong> im Mittelpunkt. Dazu öffnet das Deutsche<br />
Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz seine<br />
Schauwerkstatt in der Kohlewäsche.<br />
Höhepunkt ist das „bergfest am piesberg“ – das<br />
große Kultur- und Familienfest am 3.9.<strong>2023</strong>. Mit<br />
Theater, Musik, Exkursionen, Kulinarischem sowie<br />
Eisenbahn- und Feldbahnattraktionen.<br />
P www.osnabrueck.de/piesberg<br />
16 <strong>STADTBLATT</strong> 6.<strong>2023</strong>