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PT-Magazin - Ausgabe 3•4 2023

PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft Die Top-Themen: • Welt im Wandel Trends in Technologie und Wissenschaft • Lieferkettengesetz Möglichkeiten und Lösungen für den Mittelstand • Unternehmensführung Corporate Design, Prozesse und Humor • Jurylisten 2023 Über welche Unternehmen die Juroren beraten

PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft

Die Top-Themen:
• Welt im Wandel Trends in Technologie und Wissenschaft
• Lieferkettengesetz Möglichkeiten und Lösungen für den Mittelstand
• Unternehmensführung Corporate Design, Prozesse und Humor
• Jurylisten 2023 Über welche Unternehmen die Juroren beraten

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14 Gesellschaft<br />

15<br />

© FREEPIK.COM<br />

Wettbewerb<br />

als Entdeckungsverfahren<br />

auch für die Energiewende<br />

nutzen!<br />

Eine Argumentation<br />

von Dr. Hanspeter Georgi<br />

<strong>PT</strong>-MAGAZIN <strong>3•4</strong> <strong>2023</strong><br />

<strong>PT</strong>-MAGAZIN <strong>3•4</strong> <strong>2023</strong><br />

1. „Es geht nur darum, den Fortschritt<br />

in die richtige Richtung zu treiben und<br />

nicht in die Sackgasse. Es macht nicht<br />

nur mich verrückt, dass uns eine einzige<br />

Technik vorgeschrieben werden<br />

soll“, sagt der 82-jährige Motorexperte<br />

Friedrich Indra. Und der Physiker Gerald<br />

Linke, Vorsitzender des Deutschen Vereins<br />

des Gas- und Wasserfachs (DVGW)<br />

kann angesichts der politischen Absicht,<br />

die beiden Netze für Gas und Wasserstoff<br />

eigentumsrechtlich trennen und<br />

für die Wasserstoffinfrastruktur eine<br />

neue Gesellschaft mit Staatsbeteiligung<br />

aufbauen zu wollen, nur warnen: „Alle<br />

Erfahrungen zeigen, dass der Staat kein<br />

guter Unternehmer ist. Das wird hier<br />

auch nicht anders sein“.<br />

2. Beide Stimmen aus der wirtschaftlichen<br />

Praxis warnen davor, das Primat der<br />

Politik zu überdehnen. In unserer Wirtschafts-<br />

und Gesellschaftsordnung ist es<br />

nicht Aufgabe des Staates zu zeigen, wie<br />

es wohin und wolang zu gehen hat. Die<br />

verlangten oder gar befohlenen Wege<br />

könnten sich als Sackgassen oder Irrwege<br />

erweisen. Fortschritt kann man nicht wie<br />

ein Gesetz verordnen. Fortschritt setzt<br />

günstige Rahmenbedingungen voraus.<br />

Und darin liegt bekanntermaßen die<br />

ureigene Aufgabe staatlichen Handelns.<br />

Allgemeine technologieoffene Regeln<br />

zu setzen, die von allen wirtschaftlichen<br />

Akteuren zu beachten sind, ist Aufgabe<br />

der Politik - auch für die Energiewende<br />

oder noch allgemeiner formuliert: für die<br />

Transformation der Wirtschaft.<br />

3. Das gilt auch bei dem Vorhaben, negative<br />

externe Effekte zu internalisieren.<br />

Wenn man das tut, entstehen für die<br />

wirtschaftlichen Akteure, ob Produzenten<br />

oder Konsumenten, Kosten, die<br />

in die wirtschaftliche Kalkulation eingehen.<br />

Wenn also z.B. CO2-Emissionen<br />

verringert oder gar vermieden werden<br />

sollen, ist den Akteuren über CO2-Preise<br />

anzuzeigen, was der negative Effekt ihres<br />

ökonomischen Handelns kostet. Das gilt<br />

dann idealerweise für alle Bereiche, in<br />

denen solche negativen Effekte bei der<br />

Produktion oder beim Verbrauch entstehen.<br />

4. Und im Wettbewerb werden dann die<br />

Akteure auf die Suche gehen, wie die negativen<br />

Effekte verringert oder vermieden<br />

werden können. Das Ergebnis dieses<br />

Suchprozesses ist nicht vorhersagbar.<br />

Wenn man es voraussagen könnte, würde<br />

man ja schon jetzt wissen, was best<br />

practice ist. Aber der Staat handelt heute<br />

in vielen Fällen so, als ob er die beste<br />

Lösung kennen würde. Und dann gilt:<br />

Steuerung der Wirtschaft über Befehl<br />

und Gehorsam, Instrumente planwirtschaftlicher<br />

Politik. Man verzichtet auf<br />

die Kreativität und Innovationsfähigkeit<br />

der Gesellschaft in ihrer ganzen Breite.<br />

5. Auf die Setzung von Preisen, in unserem<br />

Fall von CO2-Preisen, sollte sich<br />

der Staat beschränken und nicht bestimmte<br />

Technologien, ob im Verkehr<br />

oder im Gebäudebereich, vorschreiben.<br />

Preise signalisieren den wirtschaftlichen<br />

Akteuren kurz- wie langfristig, was sie in<br />

ihren Kalkulationen zu beachten haben.<br />

Wer auf diese Signalfunktion reagiert,<br />

weil er diesen Preis nicht mehr bezahlen<br />

möchte, muss auf die Suche nach besseren<br />

Lösungen gehen. Was Fortschritt,<br />

was best practice sein wird, ist Ergebnis<br />

dieses Suchprozesses und steht nicht am<br />

Anfang.<br />

6. Aufgabe der Politik, vor allem der<br />

Wirtschaftspolitik ist es, dafür Sorge zu<br />

tragen, dass der Zugang zu diesem Suchprozess<br />

nicht durch Marktmacht oder<br />

andere Marktzugangsbeschränkungen<br />

behindert oder verhindert wird. Wettbewerb<br />

als Entdeckungsverfahren muss<br />

funktionstüchtig sein.<br />

7. Die Vielzahl und Vielfalt wirtschaftlicher<br />

Akteure ist für diesen Suchprozess<br />

wirkungsmächtiger und effizienter<br />

als eine staatliche Zentrale, die den zu<br />

beschreitenden Weg vorgibt. Ein für die<br />

Gebäudeheizung anschauliches Beispiel<br />

hierfür (für das Potential an Ingenieurkunst<br />

und Erfindergeist gepaart mit unternehmerischem<br />

Elan) bietet der Unternehmer<br />

Edwin Kohl. Schon vor rund 30<br />

Jahren hat er sein Verwaltungsgebäude<br />

in Perl, später in Merzig, durch Nutzung<br />

von Erdwärme klimaneutral und kostengünstig<br />

mit Wärme und Kühlung versorgt.<br />

Schade, dass es bislang nur wenig<br />

Nachahmer fand. Jetzt, wo auch für den<br />

Gebäudebereich klimapolitische Regelungen<br />

gelten werden, wird das Beispiel<br />

sicherlich Schule machen. Dieses Beispiel<br />

verdeutlicht, was das Entdeckungsverfahren<br />

Wettbewerb ermöglicht.<br />

8. Aufgabe der Politik in unserer Wirtschafts-<br />

und Gesellschaftsordnung sollte<br />

sein, den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren<br />

wirkungsmächtig zu halten.<br />

Primat der Politik ist in der Verfolgung<br />

einer technologieoffenen und wettbewerbsorientierten<br />

Politik zu sehen und<br />

nicht in der Vorgabe einer konkreten<br />

Lösung. Brauchen wir dafür anderes<br />

Personal in der und für die Politik? Man<br />

stolpert geradezu über diese Frage. Erinnern<br />

wir uns an den Beginn der Covid-<br />

Pandemie. Masken wurden als nicht<br />

nützlich deklariert, weil es zu dem Zeitpunkt<br />

keine oder nur wenige gab. Wenn<br />

aber sofort gesagt worden wäre, dass sie<br />

schützen können, hätte der Wettbewerb<br />

sehr schnell reagiert, was ja dann auch<br />

der Fall war. Der Staat und seine Repräsentanten<br />

hatten kein Vertrauen in den<br />

Wettbewerb als Entdeckungsverfahren.<br />

Wenn das Schule macht, rutschen wir,<br />

ob wir wollen oder nicht, in ein anderes<br />

Wirtschaftssystem. Transformation begegnet<br />

uns dann mit einem völlig anderen<br />

Gehalt als ursprünglich damit gemeint<br />

ist. •<br />

Über den Autor<br />

Dr. Hanspeter Georgi<br />

ist Präsidiumsmitglied der<br />

Oskar-Patzelt-Stiftung. Das<br />

Engagement des langjährigen<br />

saarländischen<br />

Wirtschafts- und Arbeitsministers<br />

und Volkswirtschaftlers<br />

galt vor allem<br />

der Aufwertung des Wirtschaftsstandortes<br />

Saarland,<br />

der Weiterentwicklung der beruflichen Bildung<br />

und der Fortentwicklung des allgemeinbildenden<br />

Schulsystems.

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