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PT-Magazin - Ausgabe 3•4 2023

PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft Die Top-Themen: • Welt im Wandel Trends in Technologie und Wissenschaft • Lieferkettengesetz Möglichkeiten und Lösungen für den Mittelstand • Unternehmensführung Corporate Design, Prozesse und Humor • Jurylisten 2023 Über welche Unternehmen die Juroren beraten

PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft

Die Top-Themen:
• Welt im Wandel Trends in Technologie und Wissenschaft
• Lieferkettengesetz Möglichkeiten und Lösungen für den Mittelstand
• Unternehmensführung Corporate Design, Prozesse und Humor
• Jurylisten 2023 Über welche Unternehmen die Juroren beraten

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36 Wirtschaft<br />

37<br />

© FREEPIK.COM | ASIER_RELAMPAGOESTUDIO<br />

Zinswende: Wie finanziert<br />

sich jetzt der Mittelstand?<br />

Ein Essay von Hans-Jürgen Friedrich, KFM Deutsche Mittelstand AG<br />

Die Beschaffung von notwendigen<br />

Finanzmitteln…<br />

wird für mittelständische Unternehmen<br />

künftig ein Überlebensthema.<br />

Investitionen in neue Maschinen und<br />

Produktionsanlagen, die auf Grund der<br />

ökologischen Transformation notwendig<br />

sind, die Umstellung auf andere<br />

Energieträger und die Anpassung von<br />

Lieferketten, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />

zu erhalten, die Weiter- und<br />

Neuentwicklung von Produkten und<br />

Dienstleistungen sowie die Gewinnung<br />

und Bindung von Fachkräften:<br />

die Liste der Verpflichtungen<br />

für Unternehmen ist<br />

groß und ließe sich noch<br />

ergänzen. Einen gemeinsamen<br />

Nenner haben<br />

diese Aufgaben: Es<br />

wird von den Unternehmen<br />

Kapital<br />

benötigt, um diese<br />

zahlreichen Herausforderungen<br />

zu meistern.<br />

… ist in vielen Fällen schwieriger geworden.<br />

Für viele Unternehmen ist es derzeit<br />

nicht einfach, einen attraktiven Bankkredit<br />

zu erhalten. Das liegt zum einen<br />

daran, dass die Banken von der Aufsichtsbehörde<br />

aufgefordert wurden, bei der<br />

Kreditvergabe restriktiver vorzugehen.<br />

Die Konsequenz: Im Kreditvergabeprozess<br />

wird die Bonität des Unternehmens<br />

noch strenger geprüft. Das führt dazu,<br />

dass den Unternehmen, die früher vielleicht<br />

noch einen Kredit bekommen hätten,<br />

heute ihr Kreditantrag nicht genehmigt<br />

wird. Die Zinswende mit merklich<br />

gestiegenen Finanzierungskosten sind<br />

bei der Kreditprüfung ein wesentlicher<br />

Einflussfaktor. Banken müssen vor einer<br />

Kreditvergabe weitgehend sicher sein,<br />

dass das Unternehmen fähig ist, Zinsen<br />

und Rückzahlung nachhaltig aus den Gewinnen<br />

des Geschäftsmodells bezahlen<br />

zu können.<br />

Alternative Finanzierungen…<br />

Bereits in den vergangenen Jahren war<br />

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<strong>PT</strong>-MAGAZIN <strong>3•4</strong> <strong>2023</strong><br />

<strong>PT</strong>-MAGAZIN <strong>3•4</strong> <strong>2023</strong><br />

deutlich zu beobachten, dass sich der<br />

Mittelstand viel stärker aus dem Cashflow<br />

finanziert. Viele Unternehmen diversifizieren<br />

zusätzlich ihre Passivseite<br />

und nutzen alternative Finanzierungsinstrumente.<br />

Finanzierungsbausteine<br />

wie zum Beispiel das Factoring und das<br />

Leasing oder banken- und bonitätsunabhängige<br />

Ansätze wie Asset Based Credit<br />

und Sale-and-Lease-Back werden seit der<br />

Corona-Krise von vielen Unternehmen<br />

stärker genutzt. Neben Schuldscheinen<br />

nutzt der Mittelstand aber auch den<br />

Kapitalmarkt, sei es über Anleihen oder<br />

über Aktien.<br />

… müssen für Unternehmen auch geeignet<br />

sein.<br />

Allerdings gibt es deutliche Unterschiede,<br />

sowohl bei den Mindest-Volumina<br />

als auch beim damit einhergehenden<br />

Aufwand. Ein Schuldschein-Darlehen<br />

ist grundsätzlich ab 10 Millionen Euro<br />

möglich. Der damit verbundene administrative<br />

Aufwand dürfte vor allem<br />

unerfahrene mittelständische Unternehmen<br />

abschrecken. Zudem erfordern<br />

Schuldscheindarlehen ein hohes Maß an<br />

Bonität und Transparenz, damit die Bank<br />

als Originator dem Investorenpublikum<br />

Zahlen, Daten, Fakten zur Verfügung<br />

stellen kann. Zudem richten sich Schuldscheine<br />

ausschließlich an professionelle<br />

Anleger. Dies schränkt den Kreis möglicher<br />

Investoren stark ein.<br />

Dagegen kann eine Anleihe, sofern es<br />

sich um eine Publikumsanleihe handelt,<br />

theoretisch von jedermann gezeichnet<br />

werden. Es können auch kleinere Beträge<br />

aufgenommen werden. Wir sehen mittlerweile<br />

Emissionsvolumina ab 2 Millionen<br />

Euro aufwärts. Allerdings muss der<br />

Emittent gemeinsam mit dem Emissionsberater<br />

genau prüfen, inwieweit die<br />

mit der Emission verbundenen Kosten<br />

durch das Geschäftsmodell gedeckt sind.<br />

Dabei gilt: Je größer die Marge aus dem<br />

Geschäftsmodell, desto kleiner kann das<br />

Emissionsvolumen einer Anleihe sein.<br />

Der Weg an die Börse…<br />

Bei der Frage, ob sich ein Börsengang<br />

lohnt, muss nach dem Entwicklungs-<br />

stand des Unternehmens unterschieden<br />

werden: Ein Wachstumsunternehmen,<br />

das noch ganz am Anfang steht, braucht<br />

eine gute emissionsbegleitende Bank.<br />

Diese muss in der Lage sein, die Wachstumsperspektiven<br />

des Unternehmens<br />

bei Investoren zu präsentieren und mit<br />

einer Ergebnisprognose für die nächsten<br />

Jahre zu untermauern. Das Geschäftsmodell<br />

und die Businesspläne müssen<br />

plausibel sein. Auch etablierte Unternehmen<br />

mit einem nachhaltigen, positiven<br />

betriebswirtschaftlichen Cashflow nutzen<br />

den Kapitalmarkt, um die Gesamtfinanzierung<br />

des Unternehmens zu bewerkstelligen.<br />

Hierzu eignen sich sowohl<br />

Aktien- als auch Anleihen.<br />

… eröffnet für Unternehmen zusätzliche<br />

Handlungsspielräume.<br />

Während eine Bank das Geschäftsmodell<br />

des Unternehmens mit allen Werten so<br />

bewerten muss, als müsse es morgen beendet<br />

werden, betrachtet es der Kapitalmarkt<br />

im Sinne des Going Concern, also<br />

der Fortführung eines Geschäftsmodells.<br />

Das ist ein großer Unterschied. Wir stellen<br />

fest, dass gerade in den letzten zehn<br />

Jahren die Mehrzahl der Unternehmen,<br />

die frühzeitig an den Kapitalmarkt gegangen<br />

sind und ihre Finanzierung mit<br />

Aktien und Anleihen ergänzt haben, mit<br />

den Banken in der Regel leichter verhandeln<br />

können.<br />

Transparenz, fortlaufende Berichterstattung<br />

und…<br />

Für den Mittelständler heißt das: Auch<br />

für den Kapitalmarkt muss das Geschäftsmodell<br />

und die laufende Entwicklung<br />

so transparent und nachvollziehbar<br />

wie möglich sein. Das heißt nicht, dass<br />

das Unternehmen seine Geschäftsgeheimnisse<br />

preisgeben muss. Aber es<br />

bedeutet, dass die wirtschaftliche Entwicklung<br />

mit Chancen und Risiken so<br />

nachvollziehbar dargestellt werden, dass<br />

ein Investor Risiko und Chance der Aktien<br />

oder Anleihen einschätzen kann. Nur auf<br />

dieser Grundlage kann ein Investor entscheiden,<br />

ob und in welcher Höhe Aktien<br />

und/oder Anleihen als Vermögensanlage<br />

genutzt werden.<br />

…Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />

für Unternehmen und Investoren<br />

notwendig.<br />

Die „Bildung der Kapitalmarkt-Union“<br />

hat das Ziel, die europäische Wirtschaft<br />

sowie die Kapitalmarkt-Finanzierungen<br />

zu fördern und die bankbasierte Kreditfinanzierung<br />

zu ergänzen. Der Zugang zu<br />

Aktien und Anleihen soll für Investoren<br />

verbessert und die Kapitalaufnahme für<br />

Unternehmen, insbesondere KMUs, über<br />

die Börsen erleichtert werden. In diesem<br />

Bereich hinkt Deutschland den europäischen<br />

Nachbarn hinterher. Unvollständige<br />

und widersprüchliche Regelwerke,<br />

lückenbehaftete Marktüberwachungen<br />

und fehlende Markthygiene irritieren sowohl<br />

Emittenten als auch Investoren.<br />

Wir beobachten seit Jahren den Trend,<br />

dass deutsche mittelständische Unternehmen<br />

verstärkt europäische Nachbar-<br />

Börsen und/oder die Dienstleistungen<br />

europäischer Banken nutzen, um die<br />

Finanzierung des Geschäftsmodells sicherzustellen.<br />

Das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz<br />

geht in die richtige Richtung. Es<br />

kann aber nur dann zu dem gewünschten<br />

Erfolg führen, wenn das „Ökosystem<br />

Börsen“ in Deutschland von Regulierungsmonstern<br />

befreit werden und die<br />

Markthygiene sichergestellt wird. Nur<br />

dann, wenn der Marktplatz für Aktien<br />

und Anleihen des Mittelstands einwandfrei<br />

funktioniert, können Unternehmen<br />

und Anleger auch von dem Zukunftsfinanzierungsgesetz<br />

profitieren. •<br />

Hans-Jürgen Friedrich<br />

ist Gründer und Vorstandsvorsitzender<br />

der KFM<br />

Deutsche Mittelstand AG.<br />

Friedrich unterstützt ehrenamtlich<br />

als Vize-Präsident<br />

den KMU-Verband und<br />

wurde im Oktober 2020 als<br />

Berater in die TESG Arbeitsgruppe<br />

der EU Generaldirektion<br />

(FISMA) berufen.<br />

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