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immobilia 2023/07 - SVIT

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ZVH: KEINE GRÜNDE FÜR<br />

«LANDI»-ABRISS<br />

Der ZVH hielt dagegen: Es gebe keine<br />

neuen objektiven Gründe, die den gewählten<br />

gegenüber anderen Standorten vorteilhafter<br />

erscheinen liessen. Der Stadtrat<br />

habe auch diesmal seine Hausaufgaben<br />

nicht gemacht. Weshalb müsse der neue<br />

Dorfplatz zwingend an der Stelle des alten<br />

Konsums liegen? Schliesslich liesse sich<br />

auch der heutige Dorfplatz, ein unscheinbarer<br />

Parkplatz notabene, beleben und attraktiv<br />

gestalten. Zudem wollte auch die<br />

Bevölkerung im Rahmen der Volksinitiative<br />

«Attraktives Dorfzentrum» eigentlich<br />

keinen Abriss. Notwendig wäre vielmehr<br />

eine umfassende Güterabwägung und eine<br />

korrekte Standortabklärung. Daran ändere<br />

auch das Illnauer Abstimmungsergebnis<br />

nichts, so der ZHV.<br />

QUANTITÄT VOR QUALITÄT<br />

Erneut beschäftigte sich also das Baurekursgericht<br />

mit dem Illnauer Dorfplatz<br />

und analysierte als Erstes nochmals seinen<br />

eigenen Entscheid von 2015. Damals<br />

schloss die Richterschaft, dass eine gelungene<br />

und grosszügige Dorfplatzgestaltung<br />

inklusive des geschützten Konsums<br />

möglich und ortsbaulich optimal<br />

wäre. Nicht auf die Quantität, sondern auf<br />

die Qualität komme es an. Dies habe die<br />

Gemeinde doch selbst so in den Abstimmungsunterlagen<br />

erklärt, fragte sich die<br />

Richterschaft. Hatte nicht der Stadtrat<br />

selbst Umbau statt Abbruch proklamiert?<br />

Nach wie vor sei eine Variante ohne Denkmal-Abriss<br />

objektiv die bessere Lösung,<br />

6<br />

so die Richterschaft auch diesmal. Das öffentliche<br />

Interesse an einem repräsentativen<br />

Dorfplatz überwiege das Interesse am<br />

«Landi»-Erhalt nicht. Der Abbruch der<br />

«Landi» zur Dorfplatzgestaltung sei weder<br />

notwendig noch werde dessen Erforderlichkeit<br />

schlüssig dargelegt, lautete das<br />

Zwischenfazit.<br />

WELCHES GEWICHT HABEN<br />

VOLKABSTIMMUNGEN?<br />

Als Nächstes widmete sich das Gericht<br />

einer heiklen Frage: Welches Gewicht hat<br />

das Ergebnis der Volksabstimmung über<br />

den Abbruch der «Landi-Häuser»? Mit anderen<br />

Worten: Wie ist ein Abstimmungsergebnis<br />

bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit<br />

der Denkmäler zu werten? Als<br />

Erstes analysierte das Gericht die Abstimmungsfrage<br />

im Dorfplatzstreit: «Betrifft<br />

sie genau den Gegenstand, wie er auch dem<br />

Streit um die Schutzwürdigkeit zugrunde<br />

liegt, ist das Ergebnis stärker in die Würdigung<br />

einzubeziehen, als wenn der Zusammenhang<br />

bloss locker ist?» Zweitens überprüfte<br />

es das Abstimmungsergebnis. Klare<br />

Ergebnisse erhalten bei der Würdigung<br />

des öffentlichen Erhaltungsinteresses viel<br />

Gewicht. Dies jedoch nur, falls sich die Abstimmungsfrage<br />

präzise auf die Schutzwürdigkeit<br />

einer Baute bezieht. Und drittens<br />

rief das Gericht in Erinnerung: Auch<br />

eine Volksabstimmung befreit staatliche<br />

Behörden nicht vor ihren Pflichten – etwa<br />

jene, die Schutzwürdigkeit von Denkmälern<br />

nach objektiven Kriterien zu prüfen.<br />

Trotz Volksentscheid und Demokratieprinzip<br />

– auch dieses Mal hatte der<br />

Stadtrat das Nachsehen. Das Gericht<br />

kam nämlich zu Schluss, dass die Abstimmungsfragen<br />

im Illnauer Dorfplatzstreit<br />

nicht auf die Schutzwürdigkeit der<br />

«Landi» an sich, sondern allgemein auf<br />

den Wunsch nach einer Dorfzentrumgestaltung<br />

zielten. Konkret fehlten in der<br />

Abstimmungszeitung Ausführungen zu<br />

den Schutzobjekten und zu deren Schutzwürdigkeit.<br />

In den Abstimmungsunterlagen<br />

wurde nur kommuniziert, dass die<br />

«Landi»-Gebäude im Inventar der schützenswerten<br />

Bauten aufgeführt seien. Wie<br />

soll das Stimmvolk so das Bedürfnis einer<br />

Neugestaltung des Dorfzentrums gegen<br />

das denkmalpflegerische Erhaltungsinteresse<br />

des Schutzobjekts abwägen können,<br />

rätselte das Gericht. Zweitens fanden beide<br />

Projektvarianten, Umgestaltung und<br />

Abriss, in der Bevölkerung Zustimmung.<br />

Ein deutliches Abstimmungsergebnis sei<br />

dies nicht, so die Richterschaft. Unter diesen<br />

Umständen habe das Abstimmungsergebnis<br />

bei der Würdigung des öffentlichen<br />

Interesses am Erhalt der «Landi»-Häuser<br />

wenig Bedeutung. In aller Klarheit: Volksentscheid<br />

hin oder her — das Interesse am<br />

Gebäudeerhalt wiege schwerer als jenes<br />

einer grosszügigen Dorfplatzgestaltung.<br />

Zum zweiten Mal verwehrte das Baurekursgericht<br />

den Illnauern damit einen<br />

grossen Dorfplatz und hob seine schützende<br />

Hand über den alten Konsum. Der Zürcher<br />

Oberländer Dorfplatz-Streit wird so<br />

für staatspolitisch Interessierte, Gemeindevorstehende<br />

und Projektleitende zum<br />

brisanten Lehrstück zwischen Demokratie<br />

und Denkmalschutz.<br />

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Der Autor, Dr. iur., ist Rechtsanwalt<br />

und in Schaffhausen tätig.<br />

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