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immobilia 2023/07 - SVIT

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FOKUS INTERVIEW<br />

SYSTEMBAU<br />

ABGELEHNT<br />

WERDEN DIE<br />

GROSSSIEDLUN-<br />

GEN MEIST<br />

AUFGRUND IHRER<br />

GESTALTUNG.<br />

Monotonie kann man mit mehr Variationen innerhalb<br />

eines Systems begegnen. Digitale Fabrikationstechniken<br />

ermöglichen auch individuelle<br />

Massenfertigungen, also Variationen innerhalb<br />

einer grösseren Serie. Bei neuen Systembauten<br />

scheint mir neben der Flexibilität vor allem die Materialwahl<br />

und Fügung entscheidend. Die Materialien<br />

müssen nachhaltig und die Knotenpunkte nicht<br />

wie früher vergossen, sondern trennbar konstruiert<br />

sein. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind<br />

von Anfang an mitzudenken. Das gilt meiner Meinung<br />

nach allerdings nicht nur für den Systembau,<br />

sondern für alle neu errichteten Bauten.<br />

Zwei Grundgedanken bei Systembauten<br />

sind ihre Erweiterbarkeit und Mobilität.<br />

Welche Erkenntnisse haben Sie diesbezüglich<br />

gewonnen?<br />

Ganze Systembauten zu translozieren ist natürlich<br />

denkbar, erscheint mir aufgrund des hohen<br />

Energieaufwandes für Abbau und Neuerrichtung<br />

aber wenig sinnvoll. Besser wäre eine Weiterverwendung<br />

an Ort und Stelle. Deshalb kann man sie<br />

ja trotzdem an den heutigen Stand der Technik anpassen.<br />

Ein Umbau von Systembauten ist in der Regel<br />

problemlos möglich.<br />

Werden Systembauten häufiger um- und<br />

weitergebaut als konventionelle Gebäude?<br />

Ich glaube nicht. Obwohl ihr Umbau einfacher wäre,<br />

da er beim Bau bereits mitgedacht wurde.<br />

Sehen Sie Möglichkeiten für die Erhaltung<br />

bzw. für die Umnutzung bestehender<br />

Systembauten, vor allem vor dem Hintergrund<br />

der energieeffizienten und nachhaltigen<br />

Anforderungen?<br />

Die Gebäude müssen meist energetisch saniert<br />

werden. In den 1960er- und 1970er-Jahren galten<br />

ja andere Normen. Die Dämmwerte sind sehr<br />

schlecht. Eine Herausforderung sind oft von innen<br />

nach aussen thermisch nicht getrennt durchlaufene<br />

Bauteile. Die Kältebrücken kann man aber<br />

in den Griff bekommen. Dafür gibt es bereits genügend<br />

Beispiele. Bei Schutzobjekten stellen sich natürlich<br />

weitere Fragen, aber das würde hier zu weit<br />

führen.<br />

Welche Kriterien müssen Systembauten<br />

denn erfüllen, damit sie unter Denkmalschutz<br />

gestellt werden?<br />

Grundsätzlich gelten die Leitsätze der schweizerischen<br />

Denkmalpflege. Um inventarisiert oder geschützt<br />

zu werden, müssen Gebäude einen besonderen<br />

historischen, kulturellen, gestalterischen,<br />

städtebaulichen oder sozialgeschichtlichen Wert<br />

besitzen. Bei den in grösserer Serie hergestellten<br />

Systembauten stellt sich unter Umständen die Frage,<br />

welches der Objekte beispielhaft ist: das Erste,<br />

das Letzte oder das, welches überhaupt noch original<br />

erhalten ist. Vielleicht braucht man aber auch<br />

mehrere, um das Serielle überhaupt erfahrbar zu<br />

machen. Und bei flexiblen Bauten müssen eventuell<br />

der Erhalt von Originalsubstanz und der des Grundkonzeptes<br />

gegeneinander abgewogen werden.<br />

Letzte Frage: Wird der Systembau eine<br />

Renaissance erleben?<br />

Ich hoffe es, denn der Systembau besitzt grosses Potenzial.<br />

Wenn ein Mangel bzw. dringender Bedarf<br />

an schnell zu errichtenden oder vielen gleichen Objekten<br />

besteht, ist er nach wie vor die vorherrschende<br />

und bewährte Bauform. Wichtig scheint mir<br />

aber, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen: Bei<br />

grossen Volumen müssen soziale Aspekte und der<br />

Freiraum mehr Berücksichtigung finden, es sollten<br />

nachhaltige Materialien verwendet und die Bauteile<br />

so konstruiert und gefügt sein, dass sie repariert<br />

und leicht wieder getrennt werden können. <br />

*DIETMAR<br />

KNOPF<br />

Der diplomierte<br />

Architekt ist<br />

Chefredaktor der<br />

Zeitschrift Immobilia.<br />

8<br />

IMMOBILIA / Juli <strong>2023</strong>

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