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immobilia 2023/07 - SVIT

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grosse, loggienartige Balkone als Teil des Gemeinschaftsbereiches<br />

integriert sind. In die Wohngruppen<br />

werden Menschen jeden Alters aufgenommen, welche<br />

besondere Betreuungs- und Pflegebedürfnisse haben<br />

und auf Unterstützung in der Tagesgestaltung angewiesen<br />

sind.<br />

HOLZ TRÄGT UND KLEIDET<br />

Bob Gysin & Partner Architekten liessen sich bei<br />

diesem Bauprojekt von der Logik des traditionellen<br />

Holzbaus mit konstruktivem Holzschutz inspirieren.<br />

Wie das alte Wohnhaus sind viele Häuser in der Gegend<br />

mit einem mineralischen Sockel ausgestattet,<br />

auf dem die oberen Geschosse in Holzbauweise lagern.<br />

Beim neuen Wohnhaus Mettenweg wurde dieses<br />

System insofern übernommen, als dass das Kellerund<br />

das ebenerdige Eingangsgeschoss aus Ortbeton<br />

und vorfabrizierten Betonelementen bestehen. Sie<br />

bilden den Sockel für den darüberliegenden Holzbau,<br />

wobei der Gebäudekern über alle Geschosse ebenfalls<br />

aus Beton besteht. Lasten werden in den Obergeschossen<br />

von Nadelholzstützen und -trägern und Holzrahmenelementen<br />

abgetragen. Die Decken sind sogenannte<br />

Bresta-Holz-Beton-Verbunddecken. Bresta steht für<br />

Brettstapel, stehende Bretter, die durch Dübel miteinander<br />

verbunden und so zu einem massiven, flächigen<br />

Tragelement werden. Die Brettstapel dienen als<br />

«ewige Schalung», auf die sich anschliessend auf der<br />

Baustelle der Beton giessen lässt, womit die Verbundwirkung<br />

des Elements mit allen notwendigen bauphysikalischen<br />

Erfordernissen hergestellt ist.<br />

Holzoberflächen prägen die Innenräume des Wohnhauses<br />

Mettenweg. Einerseits konnte man dank dem<br />

Einsatz einer Sprinkleranlage die Untersichten der<br />

Verbunddecken roh belassen. Auch die Bodenbeläge,<br />

Einbaumöbel und Verkleidungen sind mehrheitlich<br />

aus naturbelassenem Holz. Ergänzt durch grüne und<br />

blaue Farbakzente, die auch der Orientierung dienen,<br />

bestimmen so die verwendeten Materialien Holz und<br />

Ortbeton die Raumstimmung des Gebäudes. Bei den<br />

Betonoberflächen ist der Baustoff Holz auch durch die<br />

Abdrücke in den Schalungsbrettern sichtbar.<br />

Die Fassaden der Obergeschosse bestehen ebenfalls<br />

aus Holz. Die mit vorstehenden Lisenen und einer vertikalen<br />

Lattenverkleidung gegliederten Elemente erzeugen<br />

zusammen mit dem vieleckigen Grundriss eine<br />

abwechslungsreiche Licht- und Schattenwirkung und<br />

mit ihr eine Kleinteiligkeit, die den beträchtlichen Ausmassen<br />

des Gebäudes eine menschliche Dimen sion<br />

verleihen.<br />

KONSTRUKTIVER HOLZSCHUTZ<br />

Mit der Behandlung der äusseren Holzoberflächen<br />

will das Wohnhaus Mettenweg ebenfalls an die traditionelle<br />

Holzbauweise der Region anknüpfen. Man entschied<br />

sich für einen konstruktiven Holzschutz. Seine<br />

primäre Funktion besteht darin, die Feuchtigkeit abzuführen<br />

und so Witterungsschäden zu vermeiden. Dies<br />

bedingt eine gute Luftumspülung, die durch eine Hinterlüftung<br />

der äussersten Fassadenschicht gewährleistet<br />

wird. Wassernasen, die Ausbildung von Fugen und<br />

geneigte Oberflächen verhindern stehendes Wasser<br />

und ein kapillares Eindringen von Feuchtigkeit.<br />

Angelehnt an die Vergangenheit ist auch die Möglichkeit<br />

der Austauschbarkeit von Fassadenteilen. So<br />

entschied man sich, auf dem Niveau jeder Deckenplatte<br />

bei den Geschossriegeln ein so genanntes Opferbrett<br />

anzubringen, eine ästhetisch ansprechende Alternative<br />

zu einer Blechabdeckung. Es ist der direkten Bewitterung<br />

ausgesetzt, und ein Verschleiss innerhalb der<br />

nächsten 15 bis 20 Jahren ist mit eingeplant. Es lässt<br />

sich bei Bedarf entsprechend einfach demontieren. Ein<br />

chemischer Holzschutz durch eine Druckimprägnierung<br />

oder einen Imprägnieranstrich wurde nach dem<br />

Grundsatz «so wenig wie möglich, so viel wie nötig» nur<br />

bei den stark beanspruchten Opferbrettern respektive<br />

den Geschossriegeln stirnseitig angewendet. Dieses<br />

Holzschutzkonzept entwickelte BGP in enger Zusammenarbeit<br />

mit dem Holzbauingenieurbüro Holzprojekt,<br />

der Holzbau Bucher AG und dem Imprägnierwerk<br />

Wilisau. Man stellte es vorgängig zur Realisierung des<br />

Baus in einem Mock-up auf die Probe.<br />

Das Architekturbüro weist darauf hin, dass ein<br />

Holzbau dieser Art eine frühzeitige Detailplanung mit<br />

hoher Detailreife und Klarheit in den Bereichen Konstruktion,<br />

Arbeitsabläufe, Brandschutz, Leitungs- und<br />

Sprinklerführung bedingt. Im Gegenzug habe das Projekt<br />

an Stringenz, Raumhöhe und Atmosphäre gewinnen<br />

können.<br />

Die Holz-Tragstruktur<br />

ist bei den Stützen<br />

und der Decke im<br />

Umgang frei sichtbar.<br />

BILD: ROGER FREI<br />

*MANUEL<br />

PESTALOZZI<br />

Der Autor ist dipl. Arch.<br />

ETHZ und Journalist<br />

BR SFJ, er betreibt die<br />

Einzelfirma Bau-Auslese<br />

Manuel Pestalozzi<br />

(bau-auslese.ch).<br />

IMMOBILIA / Juli <strong>2023</strong> 39

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