24.07.2023 Aufrufe

Gesund & Leben - 05

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Das <strong>Gesund</strong>heitssystem braucht<br />

keinen ,kompletten Umbau‘,<br />

sondern mehr Flexibilität, um<br />

auf regionale Besonderheiten<br />

einzugehen und Ärztinnen<br />

und Ärzte als Kassenärzte zu<br />

gewinnen“, reagiert Ärztekammerpräsident<br />

Dr. Johannes Steinhart<br />

auf die jüngsten Aussagen seitens der Österreichischen<br />

<strong>Gesund</strong>heitskasse. Diese hatte sich<br />

kürzlich für Versorgungszentren und gegen Einzelordinationen<br />

ausgesprochen, der Landarzt, der<br />

alleine eine Ordination betreibt, würde bald – bis<br />

auf einige wenige Ausnahmen in einzelnen Tälern<br />

– der Vergangenheit angehören.<br />

Eine optimale Patientenversorgung sieht aber,<br />

so Steinhart, anders aus: „Alles über einen Kamm<br />

zu scheren, die Einzelordinationen abschaffen zu<br />

wollen und alle – nämlich Ärztinnen und Ärzte<br />

sowie Patientinnen und Patienten – in Versorgungszentren<br />

zu zwingen, das wird nicht aufgehen“,<br />

sagt er.<br />

Auch die Umsetzbarkeit sei zweifelhaft, denn<br />

bereits jetzt gebe es Probleme, genügend Ärztinnen<br />

und Ärzte zu finden, die gemeinsam eine Primärversorgungseinheit<br />

gründen. „Das Problem<br />

ist, dass die Kassenverträge zu unflexibel sind, und<br />

solange sich das nicht ändert, hilft es auch nicht,<br />

statt Einzelordinationen Zentren aufstellen zu<br />

wollen“, meint Steinhart. Vielmehr müsse auf die<br />

Bedürfnisse aller, nämlich sowohl der Ärztinnen<br />

und Ärzte als auch der Patientinnen und Patienten,<br />

eingegangen werden.<br />

NAHE AM PATIENTEN<br />

„In manchen Regionen sind Zentren sinnvoll, in<br />

MEHR<br />

FLEXIBILITÄT FÜR<br />

OPTIMALE<br />

Die Ärztekammer fordert mehr<br />

Flexibilität im <strong>Gesund</strong>heitssystem<br />

sowie ein Nebeneinander von<br />

Primärversorgungseinheiten<br />

und Hausärzten – gerade auch<br />

im Sinne der Zufriedenheit der<br />

Patientinnen und Patienten.<br />

PATIENTENVERSORGUNG<br />

FOTOS: ISTOCK_AANDREYPOPOV; ÄRZTEKAMMER FÜR WIEN/ STEFAN SEELIG<br />

Dr. Erik Randall Huber,<br />

Obmann der Kurie<br />

niedergelassene Ärzte<br />

und Vizepräsident<br />

der Ärztekammer<br />

für Wien<br />

Dr. Johannes<br />

Steinhart,<br />

Präsident<br />

der Ärztekammer<br />

für Wien<br />

anderen ist der Landarzt weiterhin wichtig und<br />

richtig“, sagt Steinhart. Gerade in einer alternden<br />

Bevölkerung müsse die wohnortnahe Versorgung<br />

sichergestellt sein: „Patientinnen und Patienten<br />

benötigen ihren Vertrauensarzt, der wohnortnah<br />

verfügbar ist, und kein Zentrum, das kilometerweit<br />

entfernt ist“, so Steinhart. Der Schlüssel für<br />

eine optimale Patientenversorgung sei das Nebeneinander<br />

von verschiedenen Angeboten: Versorgungszentren,<br />

Einzelordinationen, Gruppenpraxen,<br />

aber auch der Ausbau von Ärztenetzwerken.<br />

„Netzwerke zwischen einzelnen Ärztinnen und<br />

Ärzten führen zu einer engeren Zusammenarbeit,<br />

aber gleichzeitig bleiben die Ärztinnen und Ärzte<br />

für ihre Patientinnen und Patienten greifbar, weil<br />

sie wohnortnah verfügbar sind“, sagt der Ärztekammerpräsident.<br />

VERSORGUNGSNOTSTAND IN<br />

DER ALLGEMEINMEDIZIN<br />

„Die Patientinnen und Patienten sind die Beitragszahler,<br />

und wir wissen, dass sie sich beide<br />

Versorgungsformen wünschen – sowohl die Hausärztin<br />

oder den Hausarzt als auch Primärversorgungseinheiten“,<br />

ergänzt Dr. Erik Randall Huber,<br />

Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte und<br />

„In manchen Regionen<br />

sind Zentren sinnvoll, in anderen<br />

ist der Landarzt weiterhin<br />

wichtig und richtig.“<br />

Vizepräsident der Ärztekammer für Wien. Die<br />

Krankenkasse sei daher aufgerufen, im Sinne ihrer<br />

Beitragszahler beide Angebote zu unterstützen,<br />

anstatt sie gegeneinander auszuspielen.<br />

Wien zählt mittlerweile elf Primärversorgungseinheiten.<br />

„Natürlich bieten diese Einrichtungen<br />

Vorteile, wie zum Beispiel lange Öffnungszeiten<br />

sowie ein Miteinander verschiedener <strong>Gesund</strong>heitsberufe“,<br />

ergänzt Huber. Aber: „Wir leben in<br />

einer Zeit, in der Patientinnen und Patienten nach<br />

wie vor auch wohnortnah zu ihrer langjährigen<br />

Vertrauensärztin oder ihrem langjährigen Vertrauensarzt<br />

gehen wollen.“ Es sei der falsche Weg,<br />

hier mit Zwang zu versuchen, Patientenströme<br />

zu lenken. „Wenn wir ausschließlich Primärversorgungseinheiten<br />

anbieten, riskieren wir, dass<br />

manche Menschen den Arztbesuch auslassen<br />

oder aufschieben, was in der Folge die Kosten für<br />

das <strong>Gesund</strong>heitssystem erhöhen könnte“, warnt<br />

Huber.<br />

IMMER WENIGER ALLGEMEINMEDIZINER<br />

MIT KASSENVERTRÄGEN IN WIEN<br />

Für den Kurienobmann geht die Debatte außerdem<br />

am wahren Problem vorbei: In der längerfristigen<br />

Betrachtung zeige sich, dass die Zahl der Allgemeinmedizinerinnen<br />

und -mediziner in Wien<br />

mit Kassenvertrag von ungefähr 800 im Jahr 2010<br />

auf knapp 690 im laufenden Jahr zurückgegangen<br />

ist – und das bei einem gleichzeitigen Bevölkerungswachstum<br />

von mehr als 200.000 Menschen.<br />

Huber: „Es gibt einen Versorgungsnotstand in der<br />

Allgemeinmedizin. Wir sollten endlich darüber<br />

diskutieren, wie wir die Kassenmedizin attraktiver<br />

gestalten können und uns dann erst über die Versorgungsformen<br />

den Kopf zerbrechen.“ n<br />

6 GESUND & LEBEN <strong>05</strong>/23<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!