24.08.2023 Aufrufe

TOPFIT Sommer 2023

Bescheid wissen - gesund bleiben Ihr Magazin für Gesundheit, Fitness und Wellness

Bescheid wissen - gesund bleiben
Ihr Magazin für Gesundheit, Fitness und Wellness

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

18 Diagnose & Therapie<br />

Mundhöhlenkrebs<br />

»Die Therapie ist immer eine<br />

interdisziplinäre Therapie!«<br />

Dass regelmäßige Kontrolluntersuchungen<br />

beim Zahnarzt auch einen wichtigen<br />

Beitrag zur Krebsvorsorge leisten, ist<br />

den wenigsten bewusst. Denn nicht nur<br />

Zähne und Zahnfleisch, sondern auch die<br />

Mundschleimhaut werden eingehend<br />

begutachtet. Fallen dabei verdächtige<br />

Veränderungen auf, können zur weiteren<br />

Abklärung gleich die Spezialisten<br />

hinzugezogen werden. Im Gespräch mit<br />

<strong>TOPFIT</strong> erklärt Prof. Sven Otto u. a., wie<br />

die Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie<br />

Patienten mit Mundhöhlenkrebs helfen<br />

kann.<br />

Von Dr. Nicole Schaenzler<br />

Mundhöhlenkrebs ist die häufigste Krebserkrankung<br />

in der Mundhöhle. Und weil er<br />

sich in fast 90 Prozent der Fälle aus der obersten<br />

Gewebsschicht der Mundhöhlenschleimhaut,<br />

dem Plattenepithel, bildet, sprechen die Mediziner<br />

auch von einem oralen Plattenepithelkarzinom.<br />

In Deutschland erkranken pro Jahr etwa<br />

10 000 Menschen an Mundhöhlenkrebs; die Erkrankungsrate<br />

nimmt allerdings weltweit zu.<br />

Wie bei allen Krebserkrankungen ist auch bei<br />

Mundhöhlenkrebs Früherkennung lebenswichtig.<br />

»So lange sich die Krebszellen noch nicht<br />

weiter im Körper ausgebreitet und Metastasen<br />

gebildet haben, sind die Heilungschancen am<br />

besten«, erklärt Prof. Sven Otto. Prof. Otto ist<br />

Ordinarius für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie<br />

an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

und Direktor der Klinik für Mund-, Kieferund<br />

Gesichtschirurgie des LMU Klinikums.<br />

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Klinik ist<br />

die Behandlung von bösartigen Tumoren in der<br />

Mundhöhle. »Oberstes Behandlungsziel ist, den<br />

Krebs erfolgreich zu bekämpfen und dabei möglichst<br />

funktionserhaltend vorzugehen. Deshalb<br />

setzen wir schon bei Festlegung der Therapiestrategie<br />

auf eine fachübergreifende Zusammenarbeit<br />

im interdisziplinären Tumorboard«,<br />

betont der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg, der<br />

einer der Autoren der S3-Leitlinie »Antiresorptiva-assoziierte<br />

Kiefernekrosen (AR-ONJ)« ist.<br />

Herr Prof. Otto, stimmt es, dass von<br />

Mundhöhlenkrebs vor allem Männer<br />

betroffen sind?<br />

Prof. Otto: Das ist richtig, männliche Patienten<br />

sind deutlich häufiger von Mundhöhlenkrebs<br />

betroffen. Pro Jahr erkranken circa 3 600 Männer<br />

neu daran, das entspricht einer Inzidenz von<br />

6,2 pro 100 000 Einwohner. Bei Frauen werden<br />

jährlich etwa 2 100 Neuerkrankungen registriert,<br />

das sind 3,2 pro 100 000 Einwohner. Man<br />

muss allerdings sagen, dass auch Frauen immer<br />

häufiger an Mundhöhlenkrebs erkranken. Ein<br />

Grund ist, dass der Alkohol- und Nikotinkonsum<br />

bei Frauen gestiegen ist.<br />

Dann sind Alkohol und Nikotin also<br />

wichtige Risikofaktoren?<br />

Prof. Otto: Genau, die Noxen Alkohol und Nikotin<br />

gelten als Hauptrisikofaktoren für die Entstehung<br />

von Mundhöhlenkrebs. Vor allem der<br />

regelmäßige kombinierte Konsum von Alkohol<br />

und Nikotin potenziert das Risiko. Als weitere<br />

Risikofaktoren aus der Gruppe der Noxen zählen<br />

– zumindest in unseren Breitengraden – seltenere<br />

Suchtmittel wie die Betelnuss. Aber auch<br />

Autoimmunerkrankungen wie der orale Lichen<br />

planus begünstigen die Entstehung eines Mundhöhlenkarzinoms.<br />

Vor allem, wenn der orale Lichen<br />

planus chronisch verläuft, kann sich daraus<br />

ein orales Plattenepithelkarzinom entwickeln.<br />

Eine gewisse Rolle spielen zudem Viruserkrankungen,<br />

allen voran eine Infektion mit dem humanen<br />

Papillomavirus, kurz HPV. In den letzten<br />

Jahren rücken darüber hinaus zunehmend<br />

genetische Prädispositionen in den Fokus.<br />

Wann sollte man alarmiert sein?<br />

Prof. Otto: Grundsätzlich sollten Schleimhautveränderungen,<br />

die länger als zwei Wochen bestehen,<br />

abgeklärt und gegebenenfalls mithilfe<br />

einer Gewebeprobeentnahme genau untersucht<br />

werden. Dazu gehören z. B. nicht abheilende<br />

Wunden, weißliche oder rötliche Flecken, Veränderungen<br />

und Schwellungen im Bereich der<br />

Mundhöhle, unklare Zahnlockerungen, unklare<br />

Blutungen, Schwellungen am Hals, eine verminderte<br />

Zungenbeweglichkeit, aber auch Probleme<br />

beim Schlucken und Sprechen.<br />

Welche Behandlungsmöglichkeiten<br />

gibt es?<br />

Prof. Otto: Die Therapie des Mundhöhlenkarzinoms<br />

ist eine interdisziplinäre Therapie. Das<br />

heißt wir legen die Behandlung immer gemeinsam<br />

mit den Kollegen der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,<br />

Strahlentherapie, Onkologie, Radiologie<br />

und Pathologie in der Tumorkonferenz<br />

fest. Sofern eine vollständige Entfernung des<br />

Tumors unter Berücksichtigung der Lebensqualität<br />

möglich ist, gilt das chirurgische Vorgehen<br />

als Therapie der Wahl. Ziel ist hier immer eine<br />

vollständige Entfernung des Krebses mit einem<br />

ausreichenden Sicherheitsabstand im gesunden<br />

Gewebe. Üblicherweise führen wir in derselben<br />

Operation im Anschluss auch gleich die Rekonstruktion<br />

durch, also die Wiederherstellung des<br />

durch die Tumorentfernung entstandenen Defekts.<br />

Die genaue Vorgehensweise wird vorab genau<br />

geplant und dann häufig computer-assistiert<br />

umgesetzt, sodass etwa mit Knochen und/oder<br />

Weichgewebe ein neuer Unterkiefer geformt<br />

werden kann, der den vorherigen anatomischen<br />

Gegebenheiten weitgehend entspricht. Idealerweise<br />

gelingt uns so eine möglichst vollständige<br />

<strong>TOPFIT</strong> 2 / <strong>2023</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!