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TOPFIT Sommer 2023

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28 Rat aus der Apotheke<br />

Vergessene Heilpflanzen<br />

Kaum mehr bekannt –<br />

und trotzdem wirksam<br />

Seit der Antike ist eine Vielzahl von Heilpflanzen<br />

bekannt. Einige von ihnen spielten in früheren<br />

Jahrhunderten eine bedeutsame Rolle und kamen<br />

bei den verschiedensten Gesundheitsstörungen<br />

zur Anwendung. Heute kennt man sie<br />

allenfalls dem Namen nach – oder sie scheinen<br />

ganz in Vergessenheit geraten zu sein.<br />

Von Apotheker Thomas Knaier<br />

Vermutlich hat jeder schon einmal etwas<br />

im Leben verloren oder ungewollt vergessen<br />

– und sich dann darüber geärgert. Ähnlich<br />

verhält es sich mit dem »organisierten« Vergessen<br />

oder Verlieren von Wissen im Bereich der<br />

pflanzlichen Arzneitherapie: pflanzliche Therapeutika,<br />

die nach aktuell wissenschaftlichen<br />

Gesichtspunkten keine Bedeutung mehr haben<br />

bzw. für die es keine wissenschaftlich nachweisbaren<br />

Wirkeffekte mehr gibt und die deshalb in<br />

den letzten 150 Jahren aus dem aktuellen Arzneischatz<br />

gelöscht wurden. Damit ist der erste<br />

Schritt des Vergessens eingeleitet. Nun werden<br />

sie allenfalls als historische Besonderheit in der<br />

Ausbildung von Heilberufen erwähnt, aktiv verordnet<br />

werden sie jedoch nicht mehr. Besonders<br />

hart getroffen hat es z.B. die Veterinär-Phytotherapie,<br />

die seit Mitte des 20. Jahrhunderts praktisch<br />

vollständig in Vergessenheit geraten ist.<br />

So fing alles an<br />

• Früheste schriftliche Überlieferungen zu<br />

Heilpflanzen stammen von den Sumerern und<br />

sind etwa 5 000 Jahre alt. Das Wissen wur-<br />

Der Gemeine Blutweiderich<br />

Der aus Mitteleuropa stammende Gemeine<br />

Blutweiderich (Lythrum salicaria L.) gehört zur<br />

Familie der Weiderichgewächse. Die Pflanze bildet<br />

eine bis 1,50 Meter hohe Staude mit einem<br />

ausgeprägten Wurzelstock und lanzettlichen<br />

Laubblättern sowie ährenförmigen, rot-violetten<br />

Blüten (Blütezeit: Juni bis September). Die<br />

bereits in der Antike zu Heilzwecken eingesetzten<br />

getrockneten Zweigspitzen wurden in Kräuterbüchern<br />

des 16. Jahrhunderts als wirksam bei<br />

Hautekzemen und Ruhr, aber auch als blutstillendes<br />

Mittel, etwa bei Bluterbrechen, Nasenbluten<br />

oder verlängerten Monatsblutungen (Menorrhagie)<br />

beschrieben. Im 18. und 19. Jahrhundert<br />

wurden Zubereitungen aus dem Blutweide<br />

damals von Generation zu Generation<br />

weitergegeben.<br />

• In Europa beschreiben erstmals Hippokrates<br />

(459-370 v. Chr.) und Plinius der Ältere (23-<br />

79 n. Chr.) zahlreiche Arzneipflanzen und deren<br />

Anwendung. Eine Zusammenstellung von<br />

1000 Arznei- und mehr als 600 pflanzlichen<br />

Drogen finden sich beim griechischen Arzt Dioskurides<br />

im ersten Jahrhundert n.Chr. (Wiener<br />

Dioskurides).<br />

• Das Mittelalter bis zum 12. Jahrhundert wird<br />

durch die Klostermedizin und die Schriften der<br />

Hildegard von Bingen (1098-1179) und danach<br />

bis etwa 1 500 durch bestimmte Kräuterbücher<br />

geprägt.<br />

• Mit Erfindung des Buchdrucks durch Johannes<br />

Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts<br />

gelingt eine noch größere Verbreitung des<br />

Wissens.<br />

• Die Väter der Botanik, Otto Brunfels, Hieronymus<br />

Bock und Leonhard Fuchs (1488-1554)<br />

sorgen dafür, dass die arzneiliche Verwendung<br />

von Pflanzen durch Abbildungen in Holzschnitten<br />

bekannt werden.<br />

• Das Kräuterbuch von Tabaernaemontanus<br />

aus dem Jahr 1588 enthält bereits 3 000 Pflanzenarten<br />

und deren arzneiliche Anwendung.<br />

Durch Expeditionen, Handelsreisen und Kolonialisierung<br />

gelangen in der Folge Pflanzen<br />

und deren Drogen wie Chinarinde, Echinacea,<br />

Ipecacuanha- und Ratanhiawurzel auch nach<br />

Europa.<br />

• Im 19. und 20. Jahrhundert werden aus<br />

pflanzlichen Drogen erstmals Inhaltsstoffe iso-<br />

liert und abgewandelt. Es werden die ersten synthetischen<br />

Wirkstoffe entwickelt – und der Einsatz<br />

von Arzneipflanzen verliert zunehmend an<br />

Bedeutung.<br />

Viele Pflanzen und deren getrockneten Bestandteile,<br />

die in Antike und Mittelalter zur Anwendung<br />

kamen, sind heute kaum mehr bekannt,<br />

andere haben sich als »traditional use«, etwa als<br />

Teezubereitungen oder Extrakte, etabliert. Ihre<br />

Wirksamkeit ist meist durch die Erfahrungsmedizin<br />

bestätigt, erstrebenswert wäre jedoch, ihren<br />

therapeutischen Nutzen im Sinne einer rationalen<br />

Phytotherapie durch klinische Studien<br />

zu belegen und ihnen so einen Status als »well<br />

established use« zu sichern. Im Folgenden stellen<br />

wir Ihnen drei der – beinah vergessenen –<br />

Heilpflanzen vor.<br />

Foto li.: © JanPietruszk / 123rf.com; re.: © gucio_55 / 123rf.com<br />

<strong>TOPFIT</strong> 2 / <strong>2023</strong>

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