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4 · Porträt <strong>09</strong>/<strong>2023</strong><br />
«ICH HABE DEN DRANG, ETWAS<br />
AUF DIE BEINE ZU STELLEN»<br />
Stefan Kull ist einer der bekanntesten Beizer in Herisau und Inhaber der Amadeus Bar.<br />
Er spricht über den Brand in der George’s Bar, die Veränderung der Ausgehkultur und<br />
seine persönlichen Energiequellen.<br />
Ob Kinderfest, Dorffest, Fasnacht, Christchindlimarkt,<br />
«Xtreme Run» – Herisau weist<br />
jährlich einen abwechslungsreichen und<br />
breiten Kalender an kulturellen Ereignissen<br />
auf. In diesem Jahr wird das bestehende<br />
Angebot mit einem Street Food Festival<br />
vom 22. bis 24. September auf dem Ebnet<br />
ergänzt. Bei dieser Neuheit hat Stefan Kull<br />
auch seine Hände im Spiel. Der Herisauer<br />
hat längst einen gewissen Promistatus in<br />
seinem Heimatdorf erlangt. Bekannt ist der<br />
Beizer nicht ausschliesslich aufgrund seiner<br />
Amadeus Bar. Kaum ein Fest geht in diesem<br />
Dorf ohne sein Mitwirken über die Bühne.<br />
«Initiative ergreifen und die Menschen zusammenbringen»,<br />
diese Eigenschaften begleiten<br />
den Herisauer schon sein ganzes<br />
Leben. «Bereits in der Berufsschule habe ich<br />
mich freiwillig gemeldet, um ein Klassentreffen<br />
zu organisieren», bekundet er.<br />
Bei seinem Vater Marcel Kull habe er<br />
schon in seiner Kindheit gesehen, wie ein<br />
grosser Anlass zu Stande kommt. Aufgrund<br />
der Eishockeykarriere des Vaters verschlug<br />
es die Familie Kull in den späten 70er-Jahren<br />
von Uzwil nach Herisau. Kurz darauf wurde<br />
Stefan Kull in der Amadeus Bar.<br />
Stefan Kull geboren und wuchs in der Blütezeit<br />
des SC Herisaus im Sonnenbühl in der<br />
Nähe eines Bauernhofs als ältester von drei<br />
Söhnen auf. Wenn sich die drei Kulls nicht<br />
gerade auf dem Bauernhof austobten, begleiteten<br />
sie ihren Vater ins Sportzentrum.<br />
«Wir kannten die Eishalle besser als der<br />
Eismeister», sagt Stefan Kull. Die eigene<br />
«Herisauer<br />
bedanken sich<br />
lieber fünfmal als<br />
keinmal.»<br />
Eishockeykarriere nahm bei ihm ein frühes<br />
Ende, während sein Jahrgänger Jonas Hiller<br />
später den Weg zur Weltspitze ging. Vielmehr<br />
engagierte sich Kull mit seinem Vater<br />
bei zahlreichen internationalen Spielen, Allstar<br />
Games oder anderen Grossanlässen auf<br />
dem Eis. «Ob beim SC Herisau oder beim<br />
HC Davos – ich durfte meinen Vater stets<br />
begleiten und wertvolle Erfahrungen sammeln.»<br />
Bis zum heutigen Tag unterstützt<br />
Stefan Kull den Schlittschuhclub, beispielsweise<br />
beim Hockey-Grümpelturnier und wo<br />
immer seine Kompetenzen gefragt sind.<br />
Jung zum Geschäftsführer<br />
Schon während seiner Lehre zum Dachdecker<br />
machte sich Kull diese Erfahrungen bei<br />
der Disco-Kette Halli Galli zunutze. «Rein<br />
zufällig rutschte ich in diese Branche.»<br />
Nachdem der Herisauer kurzzeitig den Beruf<br />
des Dachdeckers ausübte, zog ihn die<br />
Partyszene ganz in ihren Bann. Vom Bodensee<br />
über Chur bis ins Zürcherische organisierte<br />
er Pub-Festivals. Bald stieg der damals<br />
19-Jährige zum Geschäftsführer im Halli<br />
Galli Appenzell auf. Die Partybranche habe<br />
ihn fasziniert und später dazu beflügelt, die<br />
Wirtenprüfung zu absolvieren. Nach über 13<br />
Jahren an diversen Standorten wie Winterthur<br />
oder Islikon, wo an einem Abend bis zu<br />
1500 Partygäste feierten, habe er die «intensive<br />
Discozeit» gesehen und entschied<br />
sich für einen Wechsel. Mit der George’s<br />
Bar fand er ein neues Projekt. Von der Kaserne<br />
in Genf aus telefonierte der damalige<br />
Wachmeister aus dem WK fleissig herum<br />
und bewahrte die geschichtsträchtige Heriauer<br />
Bar in wenigen Wochen vor der «Ustrinkete».<br />
Nach knapp drei Jahren nahm die<br />
Zeit im «George’s» ein abruptes Ende. Am<br />
17. Dezember 2014 brach im Lokal ein Brand<br />
aus. Dem uralten Gebäude konnte selbst<br />
die Feuerwehr nicht mehr helfen. Nachdem<br />
der Wirt beim Mittagessen zahlreiche Anrufe<br />
ignorierte, gab er schliesslich nach und<br />
die Hiobsbotschaft erreichte ihn. «Das war<br />
der schlimmste Tag meines Lebens», erinnert<br />
sich Kull. In der George’s Bar habe er<br />
sich nie alleine gefühlt. «Der Laden hatte<br />
eine einzigartige Aura. Vom Obdachlosen<br />
bis zum Anwalt hat dort jeder sein Bier getrunken.»<br />
Während 30 Jahren vermochte die<br />
George’s Bar die Herisauer Geschichte mitzuschreiben.<br />
Stefan Kull versuchte anhand<br />
verschiedenster Ideen ein Stück dieser Tradition<br />
aufrechtzuerhalten. Nach diversen<br />
Einsprüchen und organisatorischen Schwierigkeiten<br />
sah sich Kull gezwungen, dieses<br />
Kapitel und somit auch ein Unterkapitel der<br />
Historie Herisaus zu schliessen.<br />
Prominente Namen<br />
Zu Kulls Glück setzte er schon lange Zeit vor<br />
dem Brand auf ein zweites Standbein. An<br />
der Kasernenstrasse eröffnete er sein Herzstück:<br />
die Amadeus Bar. «Wegen der guten<br />
Lage besuchen uns unter der Woche zahlreiche<br />
Rekruten», bekundet der 41-Jährige.<br />
Ausserdem diene das Amadeus als Stammlokal<br />
verschiedener Herisauer Vereine. An<br />
den Wochenenden versuche er, seine Gäste<br />
aller Art mit abwechslungsreichen Partys<br />
zu unterhalten. «Ich möchte bei meinem<br />
Programm auf eine gute Mischung achten,<br />
meine Bar soll eine für alle sein.»<br />
Mit dem Schweizer Rapper Bligg oder dem<br />
Deutschen Layla-Sänger Schürze besang beachtliche<br />
Musikprominenz die Amadeus<br />
Bar. Auch im Laufe der Pandemie zeigte sich<br />
Kull von seiner initiativen Seite. Er organisierte<br />
einen intensiven Austausch zwischen<br />
Gastronomen, errichtete ein Testcenter und<br />
suchte nach Schlupflöchern in den Covidgesetzen,<br />
um kurze Zeit später legal im Freien<br />
Bier auszuschenken. «Langweilig wurde es<br />
mir in dieser Zeit nicht», lacht er. Die Pandemie<br />
hat sich auf jeden Lebensbereich der<br />
Menschen ausgewirkt. Das «Beizentum»<br />
und die Art und Weise des Ausgehens haben<br />
sich laut Kull nachhaltig gewandelt. Ein<br />
Trend sei bereits schon Jahre vor der Pandemie<br />
ersichtlich gewesen. «Bevor das Zeitalter<br />
der Handys eintrat, traf man sich um<br />
19 Uhr im Stammlokal, schaute wer alles da<br />
ist und zog nach zwei bis drei Gläsern wei-